Zur Problematik der Tatbestandsalternativen im Strafrecht: Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom strafrechtlichen Tatbestandsmerkmal [1 ed.] 9783428520220, 9783428120222

Im geltenden BT des StGB enthalten ca. 95% der Paragrafen Tatbestandsalternativen (TBA) bzw. disjunktive Beschreibungen.

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German Pages 287 Year 2006

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Zur Problematik der Tatbestandsalternativen im Strafrecht: Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom strafrechtlichen Tatbestandsmerkmal [1 ed.]
 9783428520220, 9783428120222

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Schriften zum Strafrecht Heft 177

Zur Problematik der Tatbestandsalternativen im Strafrecht Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom strafrechtlichen Tatbestandsmerkmal

Von

Sheng-wei Tsai

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

SHENG-WEI TSAI

Zur Problematik der Tatbestandsalternativen im Strafrecht

Schriften zum Strafrecht Heft 177

Zur Problematik der Tatbestandsalternativen im Strafrecht Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom strafrechtlichen Tatbestandsmerkmal

Von

Sheng-wei Tsai

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 25 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-12022-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg i. Br. im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript wurde im wesentlich im Januar 2005 abgeschlossen, nachträglich erschienene Literatur wurde soweit wie möglich eingearbeitet. Mein Dank gilt vor allem meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Wolfgang Frisch. Er hat diese Arbeit in vielfältiger Weise gefördert, ich bin ihm für seine Förderung und sein Vertrauen sehr dankbar. Weiterhin möchte ich an dieser Stelle Herrn Professor Dr. René Bloy für die rasche Erstellung des Zweigutachtens sehr herzlich danken. Für das Korrekturlesen danke ich Herrn Kim Schiefer, Herrn Martin Brandenstein, Herrn Tobias Paul, Frau Katrin Lützenkirchen und Frau Andrea Wittge. Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Bernd Heinrich, Herrn PD Dr. Tonio Walter, den Kolleginnen und Kollegen am Institut für Strafrecht und Rechtstheorie sowie des Doktorandenraums C und anderen Freunden in Freiburg, die ich hier nicht alle nennen kann und in unvollständiger Aufzählung nicht nennen will, für ihre ständige „psychische und physische Beihilfe“. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass mein fünfjähriger Aufenthalt in Deutschland mir in wunderschöner und unvergesslicher Erinnerung bleiben wird. Schließlich darf auch die moralische Unterstützung meiner Familie nicht unerwähnt bleiben, meinen Eltern ist die Arbeit als Zeichen des Dankes gewidmet. Taipei, Taiwan, im September 2005

Sheng-wei Tsai

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Teil Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

24

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe .

24

I. Definition der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II. Entstehungsgründe der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

I. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen . . . . . .

62

II. Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen

67

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Verhältnis der Alternativen zu der sie enthaltenden Vorschrift – drei Grundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. Tatbestandsbegriff im rechtstheoretischen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

III. Ein Tatbestandsmerkmal aus mehreren Tatbestandsalternativen? . . . . . . . . . . . . .

81

IV. Was ist „Tatbestandsmerkmal“ im Strafrecht eigentlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

V. Anwendung auf Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 VI. Zweite Grenze: Differenzierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

8

Inhaltsübersicht VII. Würdigung der anderen Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VIII. Zusammenfassung – Zweistufiger Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

2. Teil Einzelne Problemfelder

157

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Lokalisierung des Streitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Ausklammerung unproblematischer Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Konkurrenzverhältnis zwischen kollektiv gefassten Alternativen . . . . . . . . . . . . . 170 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I. Tatsachenfeststellung und Behandlung eines non liquet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Non liquet bei Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C. Irrtum über Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Begriffsbestimmung des Alternativenirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Die Lehrmeinungen und ihre Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Eigene Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Teil Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

24

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe . .

24

I. Definition der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. „In derselben, den Deliktstyp kennzeichnenden Strafvorschrift“ . . . . . . . . . .

26

2. „Für dieselbe Strafdrohung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

3. „Gleichrangige, alternative Verwirklichungsvarianten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Mit dem Bindewort „oder“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

b) Mit Bindeworten „bis“ sowie „und“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

c) Die scheinbare und die verkappte Alternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

d) Auf andere Rechtsnormen verweisende Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

aa) Blankettmerkmale und Legaldefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

bb) Regelbeispiele und Mordtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

4. Zwischenbilanz und statistische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

II. Entstehungsgründe der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Aspekt der gesetzgeberischen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

2. Zur Betonung der Verwandtschaft des Unrechtsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

3. Zur Erfüllung der Anforderungen des rechtsstaatlichen Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

a) Beschreibung der Unrechtsabstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

b) Kasuistische Aufzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

aa) Extensionale und intensionale Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

10

Inhaltsverzeichnis bb) Wahlmöglichkeiten zwischen der kasuistischen oder der generellen Beschreibungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

cc) Nebeneinanderstellung von Beispielen und Auffangklausel . . . . . . .

53

4. Sprachliche Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

5. Andere denkbare Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

a) Zum Ausschluss der Bagatellfälle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

b) Wegen der historischen Entwicklung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

I. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen . . . . . .

62

1. Tautologisch gefasste Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

2. Quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . . . .

63

3. Beispielhafte Umschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Normale Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Beispielhaftes Alternativverhältnis mittels „oder anderes“ sowie „oder sonst“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

II. Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen

67

1. Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . . . . .

68

2. Kontradiktorisch gefasste Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

a) Logische Struktur und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

b) Begründung eines normativen Einschlussverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . .

71

c) Exkurs – Nr. 1 und 2 des § 142 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

3. Ursachen ausdrückende Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

4. Kollektiv gefasste Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Verhältnis der Alternativen zu der sie enthaltenden Vorschrift – drei Grundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. Tatbestandsbegriff im rechtstheoretischen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Inhaltsverzeichnis

11

III. Ein Tatbestandsmerkmal aus mehreren Tatbestandsalternativen? . . . . . . . . . . . . .

81

1. Zum disjunktiv formulierten Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

2. Einwand Kuhlens – Zuungunsten der Informationsbeschaffung? . . . . . . . . . .

83

3. Begrenzte Leistungsfähigkeit des disjunktiven Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

IV. Was ist „Tatbestandsmerkmal“ im Strafrecht eigentlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

2. Sprachliche Austauschbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

a) Aus Sicht der sprachlichen Schwierigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

b) Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

3. These von der Formulierungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) Symmetrie zwischen Gesetzgebung und Rechtsanwendung . . . . . . . . . . .

91

b) Seite der Rechtsanwendung – Maßstab für die Einzelsubsumtion . . . . .

93

c) Relative Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

4. Traditionelle Einteilung und Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

5. Syntagmatische und paradigmatische Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

6. Direkte Berufung auf Ersatzprobe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

7. Hauptansätze zur Ermittelung der syntagmatischen Beziehung . . . . . . . . . . . 100 a) Der funktionale Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Fragetest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Stellungseinheit aus der Verschiebeprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 8. Semantische Regulierung – Bestimmungsrelation mit dem Verb . . . . . . . . . . 107 a) Verb und verbbezogenes Adverb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Verb und sein Objekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Funktionsverbgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Beschreibung des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Beschreibung der Handlungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 9. Tatbestand als die „Wenn-Komponente“ und Teilsatz (Gliedsatz) . . . . . . . . . 113 10. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

12

Inhaltsverzeichnis V. Anwendung auf Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Mehrere Formulierungseinheiten enthaltende Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Nur eine einzige Formulierungseinheit enthaltende Alternativen . . . . . . . . . 120 a) Kriterium: Exklusions- und Koordinationsprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Dieselbe Formulierungseinheit darstellende Alternativen . . . . . . . . . . . . . 124 c) Unterschiedliche Formulierungseinheiten darstellende Alternativen . . . 126 4. Zwischenbilanz: Formulierungseinheit als erste Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 VI. Zweite Grenze: Differenzierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Fiktion oder Vermutung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals? . . . . . 129 2. Entkräftung der Vermutung: Strafrechtlich-systematische Betrachtung . . . 130 a) Gleichheitsprinzip und Selbstbindung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Annahme von Selbstständigkeit der Alternativen – aus der Sicht des Verbrechensaufbaus und des strafrechtlichen Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Un- bzw. Wesentlichkeit – aus der Sicht des Handlungs- und des Erfolgsunrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 VII. Würdigung der anderen Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Lehre vom Mischgesetz – Dichotomie der alternativen und kumulativen Mischgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Vollständigkeitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Technische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Zusammenhang zwischen Vollständigkeit, Billigkeit und normativer Relevanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Notwendigkeit der Suche nach dem Gattungsbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Gleichwertigkeitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Ungenauigkeit der Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Verfehlter Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Förmlichkeit des Strafgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Gleichwertigkeit als gesetzgeberische Überlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 VIII. Zusammenfassung – zweistufiger Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis

13

2. Teil Einzelne Problemfelder

157

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Lokalisierung des Streitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Grundzüge des konkurrenzrechtlichen Prüfungsschemas . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Ausgangspunkt: Handlungseinheit und Handlungsmehrheit . . . . . . . . . . . 158 b) Ausschluss der Gesetzeseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Feststellung echter Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Ausschluss der einfachen Tatbestandsverwirklichung als Zwischenschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Zusammentreffen mehrerer Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Ausklammerung unproblematischer Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen . . . . . . . . . . . . . 165 2. Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen . . . . . . . 166 a) Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . 166 b) Kontradiktorisch gefasste Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Ursachen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Konkurrenzverhältnis zwischen kollektiv gefassten Alternativen . . . . . . . . . . . . . 170 1. Vorbemerkung zu einheitlichen Lösungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Die Lehrmeinungen und ihre Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Eigene Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Mehrere Formulierungseinheiten darstellende Alternativen . . . . . . . . . . . 175 b) Dieselbe Formulierungseinheit darstellende Alternativen . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Bestimmung der Angriffsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Abfassung des Urteilstenors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

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Inhaltsverzeichnis

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I. Tatsachenfeststellung und Behandlung eines non liquet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Grundsatz „in dubio pro reo“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Ausnahme – Wahlfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Zulässigkeit der Wahlfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Erscheinungsformen der Wahlfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Non liquet bei Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Ausklammerung der unproblematischen Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen . . . . . . . . . 190 aa) Quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . 190 bb) Beispielhafte Umschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen . . . 192 aa) Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . . 192 bb) Kontradiktorisch gefasste Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Ursachen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Behandlung kollektiv gefasster Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Lehrmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Zweifellosigkeit der Subsumierbarkeit unter die Vorschrift als Ganzes und alternativer Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Gleichartige oder ungleichartige Wahlfeststellung? . . . . . . . . . . . . . . 200 cc) Gleichwertigkeit, Vergleichbarkeit bzw. Identität des Unrechtskerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich-systematische Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände . . . . . . . . . 205 cc) Gesetzgeberische Entscheidung und Vergleichbarkeitsforderung 206 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C. Irrtum über Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Begriffsbestimmung des Alternativenirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen der Tatbestandsalternativen . . . . 211

Inhaltsverzeichnis

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2. Kein dolus alternativus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Auf der Abweichung vom Kausalverlauf oder aberratio ictus beruhender Alternativenirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Die Lehrmeinungen und ihre Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Vorbemerkung – Untauglichkeit einer einheitlichen, undifferenzierten Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Generelle Relevanz des Alternativenirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Generelle Unerheblichkeit des Alternativenirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Differenzierende Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Vollständigkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Gleichwertigkeitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 III. Eigene Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Lokalisierung des Streitpunktes – Zurechnung zum Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Vorsatzausschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Zeitliche Dimension des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 bb) Unbestrittene Strafbarkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 cc) § 16 Abs. 1 – Mindestforderung an den Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Mangel an Kongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Notwendigkeit und systematische Stellung der zusätzlichen Kongruenzprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Kongruenz im ersten Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Notwendigkeit einer zusätzlichen Kongruenzprüfung . . . . . . . . . . . . 234 cc) Kongruenz im zweiten Sinne – Zurechnung zum Vorsatz . . . . . . . . . 236 2. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen . . . . . . . . . . . . . 238 a) Tatsächliche Kongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Tautologisch gefasste Alternativen und beispielhafte Umschreibungen 239 c) Quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . 240 3. Im normativen Einschlussverhältnis stehende Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . 242 b) Kontradiktorisch gefasste Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

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Inhaltsverzeichnis 4. Ursachen ausdrückende Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5. Kollektiv gefasste Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Feststellung des normativen Substrats: gesetzliches Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Die These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich-systemantische Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 d) Mehrere selbstständige Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a. O. Abs. AE a. F. AG Alt. Anm. Art. AT Aufl. BA BayObLG Bd. BGBl. BGH BGHSt BR-Drucks BT BT-Drucks BtMG bzw. dies. ders. d. h. Diss. DJ DJT DJZ DRiZ E 1962 etc. f. ff. FG 2 Tsai

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches 1966 ff. alte Fassung Amtsgericht Alternative Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Auflage Blutalkohol Bayerisches Oberstes Landesgericht Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundesratsdrucksache Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) beziehungsweise dieselbe derselbe das heißt Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsche Richterzeitung Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 et cetera folgende(r) fortfolgende Festgabe

18 Fn. FS GA GG ggf. GS h. A. h. L. h. M. Hrsg. i. e. (w.) S. i. S. JA JBl. JR Jura JuS JW JZ Kap. krit. L Lb LG m. m. a. W. MDR MRK m. w. N. Nachw. n. F. NJW Nr. NStZ o. ÖJZ OLG ÖRZ OWiG RG RGSt

Abkürzungsverzeichnis Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 gegebenenfalls Gedächtnisschrift herrschende Ansicht herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber im engeren (weiteren) Sinne im Sinne Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel kritisch Lernbogen der Juristischen Schulung (JuS) Lehrbuch Landgericht mit mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Konvention vom 4. 11. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten mit weiteren Nachweisen Nachweise neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht oben Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Österreichische Richterzeitung Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Abkürzungsverzeichnis Rn. s. S. sog. StGB StPO StV StVG StVO u. u. a. usw. u. U. v. vgl. Vorbem. VRS WiKG wistra z. B. zit. ZSchwR ZStW

2*

Randnummer siehe Seite; auch: Satz so genannt(e, er) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung unten unter anderem und so weiter unter Umständen von, vom vergleiche Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht zum Beispiel zitiert Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

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Einleitung Während das „eindeutig“ gefasste Gesetz nur einen einzigen Weg seiner Begehung vorsieht, sind in einer alternativ1 gefassten Strafvorschrift mehrere unterschiedliche Verwirklichungsmöglichkeiten gleichrangig alternativ zusammengefasst, die im Schrifttum überwiegend „Tatbestandsalternativen“ genannt werden2. Die Besonderheit der Tatbestandsalternativen liegt darin, dass die Erfüllung irgendeiner aufgezählten Alternative schon ausreicht, die vorgesehene Rechtsfolge auszulösen. Im geltenden Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs enthalten ca. 95% Paragrafen alternative Beschreibungen3. Da der Gesetzgeber nicht nur einen, sondern auch mehrere Teile des Strafgesetzes alternativ beschreiben kann, sind die Kombinationen der Verwirklichungsmöglichkeiten bei manchen alternativ gefassten Vorschriften kaum zählbar. Z. B. sind bei § 326 Abs. 1 StGB4 (der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Abfällen) das Tatobjekt (der gefährliche Abfall), der Tatumstand und die Handlungsmodalität jeweils in mehrere Alternativen untergliedert. Rechnet man die möglichen Kombinationen aus, gelangt man zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass allein in Abs. 1 zigtausend (!) Verwirklichungsvarianten vorhanden sind5. Im Hinblick darauf, dass die alternative Beschreibung komplizierte Kombinationen der Verwirklichungsvarianten erzeugt, bringt diese gesetzgeberische Gestalt bei ihrer Anwendung viele Probleme mit sich. Da diese legislative Figur in der modernen Strafgesetzgebung – vor allem im Wirtschafts- und Umweltstrafrecht – zunehmend auftaucht, bedarf es dringend einer gründlichen dogmatischen Erklärung für diese Probleme, die in der Literatur bis dato unzureichend thematisiert Oder genauer: Disjunktiv; vgl. unten 1. Teil A. I. 3. a). Die Frage, unter welcher Voraussetzung die Tatbestandsalternative anzunehmen ist, wird unten (1. Teil A. I.) eigens erklärt werden. 3 Zur genauen statistischen Zahl, vgl. u. 1. Teil A. I. 4. 4 §§ ohne Gesetzesangabe sind in dieser Arbeit solche des StGB. 5 Nach Rolofs enthält § 326 Abs. 1 dagegen „nur“ 540 Verwirklichungsmöglichkeiten (ders., JA 2003, S. 304), weil sich ein mathematischer Fehler in seiner Rechnungsformel (36x5x3) versteckt. Das lässt sich anhand des folgenden einfachen Beispiels veranschaulichen: Wenn zwei Teile (z. B. Handlungsmodalität und Erfolg) derselben Vorschrift disjunktiv formuliert sind und in jedem Teil jeweils drei Alternativen geregelt sind, dann sollte sich die Summe möglicher Verwirklichungskombinationen dieser Vorschrift – rein formell gesehen, nämlich davon abgesehen, dass Alternativen im Einschlussverhältnis zueinander stehen können – nicht aus „3x3“ ergeben, sondern aus „7x7“, weil die Alternativen desselben Teils gleichzeitig erfüllt sein können. Dies nennt man in der Mathematik „Kombinationen ohne Wiederholung“. 1 2

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Einleitung

werden6. Drei Hauptprobleme treten bei der Anwendung der alternativ gefassten Vorschrift in Erscheinung: Zum ersten Problemkreis gehören Fällen, in denen der Täter mehrere Alternativen durch dieselbe Handlung verwirklicht. Sicher ist zwar, dass hier der Strafbarkeit des Täters nichts im Wege steht; fraglich bleibt jedoch, wie er zu bestrafen ist bzw. in welchem Konkurrenzverhältnis die erfüllten Alternativen zueinander stehen. Der zweite Problemkreis betrifft demgegenüber die Frage, ob eine Verurteilung auch dann zulässig ist, wenn im Strafprozess zwar festgestellt werden kann, dass der Angeklagte jedenfalls eine der Tatbestandsalternativen verwirklicht hat, nicht aber, welche von ihnen. Beim letzten Problemkreis geht es darum, dass der Täter die eine Alternative objektiv verwirklicht, sich jedoch wegen seines Irrtums über Tatsachen die andere Alternative vorstellt. Hier stellt sich die Frage, ob eine vollendete Vorsatztat trotz des Irrtums über tatsächliche Voraussetzungen der Tatbestandsalternativen anzunehmen ist7. Da diese Probleme mit der Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen eng zusammenhängen, erscheint es sinnvoll, die Rechtsfigur „Tatbestandsalternative“ per se – nämlich ohne Rücksicht auf die konkrete Problematik – zunächst einmal ganz allgemein und gründlich eigens zu analysieren (1. Teil). Ausgangspunkt dieser Überlegungen muss sein, eine genaue Definition des Kernbegriffs „Tatbestandsalternative“ herauszuarbeiten (A. I). Da mitunter bestimmte Ergebnisse aus gesetzgeberischen Gründen für den Einsatz der alternativen Beschreibungen gefolgert werden, sind die möglichen Entstehungsgründe auszuloten, um festzustellen, ob und inwieweit sie als Argument für irgendwelche Folgerungen bezüglich der Qualifikation der Tatbestandsalternativen verwandt werden können (A. II). Durch die Untersuchung der möglichen Entstehungsgründe der Tatbestandsalternativen lässt sich ihre Vielfältigkeit leicht ersehen. Wegen dieser Mannigfaltigkeit sollen alle Tatbestandsalternativen nach dem semantischen Inhalt gruppiert werden, um unproblematische Fälle auszuklammern (B). Erst danach kann man sich auf die problematische Gruppe – nämlich die sog. kollektiv gefassten Alternativen – konzentrieren. Nur bei dieser Gruppe lassen sich die oben erwähnten Probleme schwer lösen. Sie kreisen stets um dieselbe Kernfrage, nämlich ob die einschlägigen Tatbestandsalternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden oder jeder Alternative die Qualifikation des Tatbestandsmerkmals zukommt. Deshalb ist es angebracht, zuvörderst zu klären, was unter Tatbestandsmerkmal zu verstehen sein soll (C). Hat man das strafrechtliche Tatbestandsmerkmal erst einmal genau definiert, so kann es nur noch allein darauf ankommen, ob ein Tatbestandsmerkmal alterna6 So auch Mitsch, GS-Keller, 2003, S. 177: „Das Ergebnis und die dogmatische Herleitung stehen gegenwärtig auf unsicherem Boden. Das ist ( . . . ) darin begründet, dass es der Strafrechtswissenschaft bisher nicht gelungen ist, ein stabiles dogmatisches Fundament für die Behandlung von Irrtümern über Tatbestandsalternativen zu entwickeln“. 7 Das Problem des Alternativenirrtums kann natürlich auch im Rahmen der Verbrechensbeteiligung auftauchen, wo es unter dem Stichwort „Exzess“ behandelt wird (z. B.: Während der Anstifter den Täter zur Verwirklichung der einen Alternative veranlasst, verwirklicht der Täter die andere Alternative); vgl. dazu Montenbruck, ZStW 84 (1972), S. 323 ff., 332 ff.; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, 1992, S. 102 f.; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39 ff.

Einleitung

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tiv bzw. disjunktiv formuliert wird. Nur ein solcher Begriff des Tatbestandsmerkmals, der nicht von der Bewertung des Rechtsanwenders abhängt, sondern auf den Gesetzestext abstellt, kann die Manipulierbarkeit vermeiden und damit die Rechtssicherheit gewährleisten. Im Anschluss daran kann man die einzelnen Probleme dogmatisch konsequent lösen (2. Teil). Bei der Antwort auf Fragen wie etwa „einfache oder mehrfache Tatbestandsverwirklichung?“, „gleichartige oder ungleichartige Idealkonkurrenz?“, „Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo oder der Wahlfeststellung?“, „gleichartige oder ungleichartige Wahlfeststellung?“ usw. darf man also die Verträglichkeit der einzelnen Lösungsergebnisse bezüglich der Qualifikation des Tatbestandsmerkmals nicht aus den Augen lassen. Über die oben angesprochenen Probleme (das Konkurrenzverhältnis, die Behandlung des non liquet und des Irrtums) hinaus können sich freilich noch andere Probleme bei der Rechtsanwendung der alternativ gefassten Strafvorschrift stellen; z. B.: Ob eine prozessuale Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO dann besteht, wenn die eine Alternative durch die andere ersetzt werden soll, oder ob man nach dem Meistbegünstigungsgebot des § 2 Abs. 3 das alte Gesetz mit dem neuen dann vergleichen darf, wenn das neue Gesetz einzelne Alternativen des früheren Gesetzes beseitigt und neue einführt. Jedoch hängen diese Fragen nicht von der Rechtsnatur der Alternativen ab, sondern es kommt vielmehr auf maßgebliche Gesichtspunkte des jeweiligen Problemkreises an8. Sie sind deshalb sozusagen keine „Spezialitäten“ der Tatbestandsalternativen, weswegen ihre Einbeziehung wohl nicht ergiebig wäre. Entsprechend werden im 2. Teil ausschließlich die Probleme des Konkurrenzverhältnisses (A), die der Behandlung des non liquet (B) und die des Alternativenirrtums (C) untersucht, und zwar auf der Basis der einheitlichen Grundüberlegung des 1. Teils.

8 Bei der Hinweispflicht ist maßgeblich, ob der Wechsel des Vorwurfs dem Angeklagten Anlass geben kann, seine Verteidigung zu ändern, nämlich ob die jeweilige Alternative in concreto zu einer anderen rechtlichen Beurteilung und damit zugleich zu abweichenden Anforderungen an die normausfüllenden Tatsachen führt (vgl. dazu eingehend: Küpper, NStZ 1986, S. 249 ff.). Bei der bloßen Modifizierung der Tatbestandsalternativen durch den Gesetzgeber im Zeitraum zwischen Tatbeendigung und richterlicher Entscheidung sind viele Autoren der Meinung, dass der Täter straffrei ausgehen solle, obwohl die Tat sowohl nach dem neuen wie nach dem alten Recht strafbar ist, es sei denn, dass der neue Tatbestand völlig in dem alten enthalten ist (etwa Hassemer, in: AK-StGB, § 2 Rn. 26 ff., 32; Jakobs, AT, 4 / 76; Schroeder, FS-Bockelmann, 1979, S. 796 ff.; Schünemann, nulla poena, 1978, S. 26 f.); dagegen gehen andere Autoren von der Kontinuität des Unrechtstyps aus (z. B. Tiedemann, JZ 75, 693; ders., FS-Peter, S. 202 ff.; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 2 Rn. 24; Tröndle / Fischer, StGB, § 2 Rn. 5 wohl auch LK-Gribbohm, § 2 Rn. 19). Für die Lösung dieser beiden Probleme spielt die oben erwähnte gemeinsame Kernfrage nach der Qualifikation des Tatbestandsmerkmals kaum eine Rolle.

1. Teil

Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe Obwohl der Terminus der „Tatbestandsalternative“ in der Literatur allgemein verwendet wird, hat man ihn – erstaunlicherweise – niemals exakt definiert. Die Frage, was unter Tatbestandsalternativen zu verstehen sein soll, scheint zwar trivial, lässt sich jedoch – wie sich zeigen wird – gar nicht so einfach beantworten. Zum einen zählen nicht alle Elemente, die durch das Bindewort „oder“ miteinander verbunden sind, zu Tatbestandsalternativen1. Zum anderen sind diejenigen Elemente, die durch das „und“ miteinander verbunden sind, manchmal auch als Tatbestandsalternativen anzusehen2. Schließlich ist die Annahme der Tatbestandsalternative auch dort nicht ganz unproblematisch, wo ein Tatbestandsmerkmal per se zwar eindeutig gefasst ist, seine legislative Definition (Legaldefinition) dagegen aber alternativ formuliert wird3. Wenn man verbietet, das Merkmal durch die (alternativ gefasste) Legaldefinition zu substituieren und das Vorhandensein der Tatbestandsalternativen auch im obigen Fall zu bejahen, dann ist die Existenz der Tatbestandsalternativen in § 211, der im Schrifttum seit jeher als ein Musterbeispiel für Tatbestandsalternativen angeführt wird, dementsprechend ebenfalls nicht mehr ganz zweifellos. Um den Forschungsumfang dieser Arbeit exakt zu begrenzen und damit terminologische Missverständnisse zu vermeiden, fangen wir im Folgenden zunächst mit der Suche nach einer adäquaten Definition der Tatbestandsalternativen an.

1 Die „scheinbare“ Alternativität, z. B. der letzte Halbsatz des § 353d Abs. 1 Nr. 3; s. näher dazu u. I. 3. c). 2 Z. B. § 278; vgl. näher dazu u. I. 3. b). 3 Z. B. in § 330d wird die „kerntechnische Anlage“ durch „eine Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe“ definiert, während in § 328 nur das Wort „Kernbrennstoffe“ erwähnt wird; s. dazu u. I. 3. d).

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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I. Definition der Tatbestandsalternativen Die Probleme, die das legislative Produkt der Tatbestandsalternative herbeiführt, sind durchaus nicht „modern“. Bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts hat man ihnen Aufmerksamkeit geschenkt, und zwar unter dem Stichwort „Mischtatbestand“ bzw. „Mischgesetz“4. Der Ausdruck „Mischtatbestand“ stammt von Binding und ist der österreichischen Strafrechtswissenschaft bis auf den heutigen Tag noch geläufig5. Er bezieht sich nach dieser Lehre auf „solche strafrechtlichen Gesetzesstellen, deren Tatbestände aus mehreren Gliedern bestehen und bei denen die angedrohte Strafe eintreten soll, wenn auch nur eines der Glieder ihrer Tatbestände verwirklicht ist“6. Ein auf diese Weise geschriebener Rechtssatz wurde früher auch als „Wahltatbestand“7 oder als Kodifizierung eines Delikts „mit kasuistisch und mit alternativ verbundenen Erfolgen“8 bezeichnet. Diese alternativ gefassten Glieder bzw. Verwirklichungsvarianten werden heutzutage in der deutschen Strafrechtswissenschaft überwiegend „Tatbestandsalternativen“ genannt. Vom lateinischen Ursprung des Wortes „alternativ“ aus gesehen, ist das Wort „Alternative“ zwar nur dort richtig gebraucht, wo lediglich zwei Möglichkeiten zur Wahl stehen, die sich gegenseitig ausschließen9. Jedoch ist es im juristischen Sprachgebrauch nicht auf zwei Varianten beschränkt10, weswegen der Terminus der Tatbestands-Al4 Zu beachten ist, dass dieser Terminus „Mischtatbestand“ mitunter mehrdeutig benutzt wird. Nicht selten versteht man darunter diejenigen Tatbestände, die nach der Bewertung des Gesetzgebers im Grenzbereich zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten liegen. Sie bedrohen bestimmte Handlungen mit Strafe oder mit Geldbuße; die Verfolgungsbehörde muss im jeweiligen Fall konkret entscheiden, mit welchen der beiden wesensverschiedenen Sanktionen diese Handlung zu ahnden ist. Obwohl das geltende Recht Mischtatbestände als solche kaum noch kennt, besteht bis dato Einigkeit über einen solchen Sprachgebrauch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten (vgl. Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 33; Rosenkötter, Ordnungswidrigkeiten, Rn. 4), und teilweise in der strafrechtlichen Literatur (etwa LK-Tröndle, § 12 Rn. 31; LK-Schroeder, § 16 Rn. 63; Tröndle / Fischer, StGB, § 28 Rn. 12; Lackner / Kühl, StGB, § 28 Rn. 12, § 106b Rn. 1, § 184a Rn. 2; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, 1969, S. 69). Darüber hinaus werden im Schrifttum mit „Mischtatbestand“ verschiedentlich auch diejenigen Tatbestände benannt, die hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzen, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen lassen. Dazu gehören sowohl erfolgsqualifizierte Delikte als auch eigentliche Vorsatz-FährlässigkeitsKombinationen, z. B. §§ 97, 306d I, 307 II, 315 V, 315a III (1), 315b IV, 315c III (1); vgl. dazu Bockelmann / Volk, AT, 1987, S. 156. Um die terminologische Verwirrung zu vermeiden, werden Mischgesetz und -tatbestand im Folgenden nur als Synonym der Tatbestandsalternative begriffen. 5 Vgl. dazu unten 1. Teil C. VII. 1 m. w. N. 6 Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 1. 7 Etwa Schmidhäuser, Lb, 5 / 53,60. 8 So etwa M. E. Mayer, AT, 1923, S. 123. 9 So auch in der Natursprache; s. v. Heintschel-Heinegg, JA 1994, S. 539 bei Anm. 5; Joerden, Logik, 2005, S. 18 f. 10 Vgl. dazu Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 27 bei Anm. 24.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

ternative für irreführend gehalten wird11. Da es hier aber nur um die Frage nach dem Sprachgebrauch geht und zudem der juristischen Sprachgebrauch der Tatbestandsalternativen in der strafrechtlichen Literatur überwiegend akzeptiert wird, werden wir diesem strafrechtlich-speziellen Sprachgebrauch folgen. Es sollen also die „Tatbestandsalternativen“ nicht auf zwei Wahlmöglichkeiten beschränkt sein. Demgegenüber erscheint die Frage nach der prägnanten Definition der Tatbestandsalternativen viel wichtiger. In dieser Arbeit werden als Tatbestandsalternativen bezeichnet die für dieselbe Strafdrohung gleichrangigen, alternativ zusammengefassten Verwirklichungsvarianten innerhalb derselben, den Deliktstyp kennzeichnenden Strafvorschrift. Um den Gegenstand dieser Untersuchung genau festzulegen, wird im Folgenden auf die Einzelheiten dieser Definition eingegangen.

1. „In derselben, den Deliktstyp kennzeichnenden Strafvorschrift“ Durch die Forderung einer Vorschrift, die den Deliktstypus beschreibt, werden alle Vorschriften des Allgemeinen Teils ausgeschlossen, obwohl sie mitunter auch alternativ gefasst sind, z. B. §§ 23 Abs. 3, 24 Abs. 1, 33, 34. Ebenfalls werden diejenigen Vorschriften des Besonderen Teils ausgeklammert, die nicht der Kennzeichnung eines Deliktstyps dienen; dies sind prozessuale Regelungen (Anwendungs- bzw. Geltungsbereich des StGB, besondere Voraussetzungen der Strafverfolgung) sowie Vorschriften, die Vermögensstrafe, erweiterten Verfall, Nebenfolgen, Einziehung, Führungsaufsicht, spezielle Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (etwa besondere Rücktrittsregelungen) und Legaldefinitionen (Begriffsbestimmungen) usw. betreffen. Demgegenüber noch wichtiger erscheint die Verwendung der Bezeichnung „Strafvorschrift“ innerhalb der Definition. Durch den Ausdruck der „Vorschrift“ – statt des „Tatbestandes“ – sollte der übliche Fehler der Quasi-Zirkeldefinition12 vermieden werden. Denn bei Tatbestandsalternativen stellt sich stets dieselbe Frage, ob alle einschlägigen Alternativen als ein einziges oder als mehrere Tatbestandsmerkmale behandelt werden sollen. Daraus muss man die entsprechende Etwa Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 3 / 63; v. Heintschel-Heinegg, JA 1994, S. 539. Eine Definition ist dann zirkulär, wenn das Definiendum auch im Definiens vorkommt, und zwar nicht nur im Definiens seiner eigenen, sondern auch im Definiens einer systematisch vorangehenden Definition der Definitionskette (vgl. dazu Klug, Juristische Logik, 1982, S. 105; Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, S. 313). Die Definition, in der man den Begriff „Tatbestand“ bereits im Definiens verwendet, ist eine Quasi-Zirkeldefinition: Sie wird nicht auf die oben erwähnte Art und Weise zirkulär, sondern dadurch, dass das Ergebnis der späteren Diskussion, deren Gegenstand durch die Definition festgelegt werden soll, vorher schon im Definiens vorkommt. Die Definition der Tatbestandsalternativen soll ja zur Festlegung des Umfangs der späteren Diskussion über die Probleme dienen, die die Tatbestandsalternativen herbeiführen; deswegen darf das bestimmte Lösungsergebnis, dass Alternativen zusammen einen Tatbestand oder mehrere bilden – nicht im Definiens vorkommen. 11 12

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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Konsequenz bei der Qualifikation dieser alternativ gefassten Vorschrift ziehen: Stellen die Alternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal dar, dann muss man die sie enthaltende Vorschrift konsequent als einen Tatbestand behandeln; falls sie dagegen mehrere Merkmale verkörpern, muss diese Vorschrift dementsprechend als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände begriffen werden13. Deshalb darf der Begriff „Tatbestand“ nicht im Definiens auftreten, denn sonst müsste diese Kernfrage bereits bei der Definition bzw. Festlegung der Tatbestandsalternativen beantwortet werden14. Das Gleiche gilt auch für den Ausdruck „Rechtssatz“, weil jeder Rechtssatz aus einem Tatbestand und seiner Rechtsfolge besteht.

2. „Für dieselbe Strafdrohung“ Wegen der Festlegung, dass sich die Alternativen auf die Beschreibung der Voraussetzungen für die Rechtsfolge beschränken, sind alle Rechtsfolgen außer Acht zu lassen, obwohl auch sie alternativ gefasst werden können15. Das liegt auch nahe, da hier von Tatbestands-Alternativen die Rede ist. Mit der Forderung, dass alternative Verwirklichungsmöglichkeiten auf dieselbe Rechtsfolge abzielen, werden auch diejenigen Vorschriften im BT ausgeklammert, die eine Rechtsfolgenverweisung darstellen und der Ersetzung der jeweiligen umständlichen Wiederholung dienen sollen. So verweist z. B. § 202 Abs. 2 mit der Formulierung „ebenso wird bestraft“ auf die Rechtsfolge des ersten Absatzes. In Verweisungsklauseln, durch die der Gesetzgeber auf die Strafdrohung eines anderen Rechtssatzes (eines anderen Paragrafen oder Absatzes) verweist, wird nur die gleiche Rechtsfolge, aber eben nicht dieselbe, vorgesehen. Im Hinblick auf die hier zu behandelnde Frage, nämlich ob die Alternativen zusammen einen einzigen Tatbestand bilden, sollen die Verweisungsklauseln aus dem Bereich der Tatbestandsalternativen eliminiert werden, wodurch Abs. 2 des § 202 nicht als eine Alternative des Abs. 1 anzusehen ist. Denn zum einen enthalten sowohl die verweisenden als auch die verwiesene Vorschrift jeweils einen eigenen, selbstständigen Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne16.

13 Die andere Möglichkeit ist zwar noch denkbar, aber rechtstheoretisch unhaltbar; vgl. näher dazu u. 1. Teil C. I. und II. 14 Das wird in der Literatur meistens übersehen; vgl. z. B. J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 1: „in einem Tatbestand“; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 8 / 98: Von kumulativen Mischdelikten spreche man, wenn verschiedene Delikte zu einem Tatbestand zusammengefasst werden; Blei, AT, 1983, S. 86: Der (alternative oder kumulative) Mischtatbestand fasse mehrere Tatbestände unter einer einheitlichen Strafdrohung zu einer äußeren Einheit zusammen; Holländer, Rechtsphilosophie, 2003, S. 34: Alternative Bedingungen liegen vor, wenn der Tatbestand mit der normativen Folge in der Weise verbunden ist, dass sie schon bei Erfüllung einer beliebigen der vom Tatbestand erfassten Situationen bzw. Merkmale eintritt (Hervorhebung nicht im Original). 15 Z. B. bei der für das Strafrecht typischen Rechtsfolge: „mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe“. 16 Vgl. näher zum rechtstheoretischen Tatbestandsbegriff u. 1. Teil C. II.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Zum anderen ist die Verweisung nur ein gesetzestechnisches Mittel, um umständliche Wiederholungen zu vermeiden17. Es mag zwar sein, dass der Gesetzgeber seine Wertung – etwa die normative Vergleichbarkeit – durch die Verweisung zum Ausdruck bringt18; dies kann jedoch nichts daran ändern, dass er einen selbstständigen Tatbestand bereits in der verweisenden Vorschrift geschaffen hat. Im Anschluss daran steht auch fest, dass sich die Tatbestandsalternativen nicht auf mehrere Paragrafen (sog. alternative Paragrafen) erstrecken, denn es ist rechtstheoretisch unmöglich, dass mehrere Paragrafen zusammen nur einen Tatbestand bilden19. Letztlich ist die Unerheblichkeit der Nummerierung kurz anzusprechen. Wirft man einen Blick auf Vorschriften im BT, ersieht man sofort, dass viele Alternativen in unterschiedlichen Paragrafen mal direkt nebeneinander, mal unter verschiedenen Ziffern stehen. Der gleiche Inhalt wird z. B. in § 84 Abs. 1 durch zwei Ziffern einerseits, in § 86 Abs. 1 direkt nebeneinander in derselben Ziffer (Nr. 1) andererseits formuliert. Während die Ursachen der Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 315a Abs. 1 Nr. 1 durch den Obwohl-Satz beschrieben werden, wird die inhaltsgleiche Formulierung in § 315c jeweils in a) und b) aufgespaltet20. Da die Durchnummerierung ausschließlich aus rein redaktionellen Gründen – etwa Lesbarkeit oder Verständlichkeit – erfolgt ist, braucht sie auch im vorliegenden Zusammenhang nicht beachtet zu werden21. Demzufolge ist es völlig gleichgültig, ob Alternativen durch Ziffern kenntlich gemacht werden oder nicht, solange sie sich auf dieselbe Rechtsfolge beziehen.

Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 261; Meurer, JuS 2001, L. 17 ff., 19. So z. B. R. v. Hippel, JR 1995, S. 127. 19 So auch Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; NK-Puppe, § 16 Rn. 136; Kühl, AT, 13 / 16a; Rolofs, JA 2003, S. 304 ff., 310; a.A. Schroeder, GA 1979, S. 326. 20 Die Tatmodalitäten „mit Gewalt, durch Drohung mit . . .“ werden z. B. mit derselben Formulierung in einigen Vorschriften ohne Nummerierung direkt nebeneinander aufgezählt (etwa in §§ 108 Abs. 1, 181 Abs. 1 Nr. 1, 234 Abs. 1, 235 Abs. 1 Nr. 1, 240 Abs. 1, 253 Abs. 1; ähnlich: §§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 2, 107 Abs. 1, 113 Abs. 1, 249 Abs. 1, 252), in anderen Vorschriften dagegen jeweils mit einer eigenen Nummer geziffert (z. B. § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2). Bei § 177 war durch das 33. StÄG vom 1. 7. 1997 die Nötigung zur Duldung oder Vornahme sexueller Handlungen mit dem Täter oder einem Dritten in vier Nummern aufgegliedert worden (des Täters am Opfer, einer dritten Person am Opfer, des Opfers an dem Täter, des Opfers an einer dritten Person). Das 6. StrRG hat entschieden, die Nötigungshandlungen durchzunummerieren. Die Nummerierung der Tatbestandsalternativen erleichtert zwar die Zitierung, macht die Tatbestände aber – nach Schroeder – bürokratisch und lebensfremd und bläht sie auf (ders., NJW 1999, S. 3613). 21 So schon M. E. Mayer, AT, 1923, S. 124; Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 211; Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 390 f.; Schroeder, NJW 1999, S. 3613. Dagegen hat aber der 1. Strafsenat bei §§ 244, 250 behauptet, der Gesetzgeber habe den unterschiedlichen, eigenständigen Unrechtsgehalt der Alternativen „durch das Aufführen besonderer Nummer . . . hervorgehoben“ (BGH NStZ 1994, 285). 17 18

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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3. „Gleichrangige, alternative Verwirklichungsvarianten“ In der Literatur werden Tatbestandsalternativen oft nur auf die Fälle der Tatmodalitäten und Erfolge beschränkt22. Eine solche Darstellung ist aber zumindest unvollständig. Denn die Tatbestandsalternativen treten nicht nur bei der Beschreibung der Tatmodalität und der Erfolge auf, sondern können bei allen Merkmalen – z. B. bei der Beschreibung der Subjektsqualität, der Tatzeit oder der Ortsangabe usw. – eingesetzt werden. Mit dem Ausdruck der „Verwirklichungsvarianten“ soll die Definition in dieser Hinsicht vollständig sein. Im Gegensatz dazu ist die Frage, unter welchen Umständen alternative Verwirklichungsmöglichkeiten vorliegen, viel komplizierter. Auf den ersten Blick scheint jede Erklärung überflüssig zu sein, weil das Vorliegen von Tatbestandsalternativen nach dem allgemeinen Verständnis immer dann zu bejahen wäre, wenn mehrere sprachliche Zeichen in einem Rechtssatz durch das Bindewort „oder“ miteinander zusammengefasst sind23. Der Schein trügt aber. Man kann zwar die Fälle, in denen das „oder“ mehrere Tatbestandsteile verbindet, als Regelfall der Tatbestandsalternativen ansehen, aber eben nur als Regelfall. Denn es finden sich einerseits diejenigen Fälle, in denen mehrere Teile zwar durch ein „oder“ miteinander verbunden sind, aber keine alternativen Verwirklichungsvarianten darstellen (scheinbare Alternativen), und andererseits diejenigen, in denen mehrere alternative Verwirklichungsmöglichkeiten nicht durch ein „oder“ miteinander verbunden sind (verkappte Alternativen). Schließlich ist die Feststellung der Alternativen dann auch nicht mehr ganz unproblematisch, wenn ein einheitliches Tatbestandsmerkmal alternativ legaldefiniert wird. Im Folgenden gehen wir auf die Einzelheiten ein und fangen zunächst mit den normalen Fällen an, in denen die alternativen Verwirklichungsvarianten relativ einfacher anzunehmen sind. a) Mit dem Bindewort „oder“ Die Tatbestandsalternativen werden in der Regel durch das Bindewort „oder“ miteinander gleichrangig zusammengefasst. Das Wort „oder“ ist jedoch schon im allgemeinen Sprachgebrauch nicht eindeutig. Da dies bei der Auslegung des Tatbestandes zu verschiedenen Ergebnissen führen kann24, erscheint eine Klarstellung darüber mehr als rein akademisch relevant. 22 So z. B. „Delikte mit kasuistisch und mit alternativ verbundenen Erfolgen“ (M. E. Mayer, AT, 1923, S. 123) oder „verschiedene zur Wahl gestellte Tatmodalität oder Erfolge“ (Maurach / Zipf, AT / 1, 20 / 37); ähnlich: Schroeder, GA 1979, S. 325 ff., der nur auf Angriffsformen und -objekte abstellt. 23 So z. B. Mezger, Lb, 1949, S. 195; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 44. 24 Ein lehrreiches Beispiel dafür ist das Urteil v. 22. 7. 1988 des BayObLG (JZ 1989, S. 542 ff., mit Anmerkung Joerden, JZ 1989, S. 544 ff.; ders., Logik, 2005, S. 108 ff.), in dem es darauf kam, ob das verbindende „Oder“ des § 125 Abs. 2 a. F. im „ausschließenden“ oder im „einschließenden“ Sinn zu interpretieren ist.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Logisch gesehen sind zumindest drei Interpretationsmöglichkeiten bezüglich dieses Bindewortes „oder“ gegeben. Zunächst kann man es im ausschließenden Sinn verstehen. Eine solche ausschließende Oder-Verknüpfung wird in der Logik als „Kontravalenz“ (Alternative) bezeichnet, deren Junktor „Kontravalentor“ als das Bindewort „entweder / oder“ (exklusives Oder) interpretiert werden soll25. Hier bedeutet das „oder“, dass entweder nur die eine oder nur die andere Variante vorliegt; die Möglichkeit, dass beide Varianten gleichzeitig wahr sind, ist ausgeschlossen26. Dafür sprechen sowohl der lateinische Ursprung des Wortes „alternativ“ als auch der allgemeine Sprachgebrauch27. Demgegenüber kennzeichnet man das „oder“ nach der zweiten Interpretationsmöglichkeit durch die Formulierung „das eine oder das andere oder auch beides nicht“. Hier ist nur ausgeschlossen, dass sowohl das eine als auch das andere wahr sind, aber nicht, dass weder das eine noch das andere wahr ist28. Diese Verknüpfung wird in der Logik „Exklusion“ genannt, deren Junktor „Exklusor“ als das Bindewort „höchstens / oder“ interpretiert werden soll29. Danach muss zumindest eine Variante nicht wahr sein. Die beiden Interpretationen des „oder“ – nämlich Kontravalenz und Exklusion – sind zwar logisch möglich, stehen aber dem richtigen Verständnis des strafrechtlichen Tatbestandes entgegen. Denn es besteht kein Grund dafür, warum die Tatbestandsmäßigkeit dort einerseits anzunehmen sein soll, wo der Täter nur eine der Alternativen erfüllt, jedoch andererseits dort zu verneinen wäre, wo der Täter alle Alternativen, nämlich mehr Unrecht, verwirklicht30. Im Gegenteil ist die Tatbestandsmäßigkeit bei der Verwirklichung aller Alternativen erst recht anzunehmen. Es bleibt also letztlich nur die dritte Interpretationsmöglichkeit übrig, das Oder im einschließenden Sinn zu lesen. Das einschließende Oder kennzeichnet die logische Verknüpfung der „Disjunktion“31. Eine Disjunktion ist wahr, wenn wenigstens ei25 Vgl. dazu Menne, Logik, 2001, S. 39 f.; Klug, Logik, 1982, S. 26, 32; Joerden, Logik, 2005, S. 18 f.; Balk, DSWR 1974, S. 329. 26 Eine solche Auslegung erscheint bei denjenigen Tatbestandsalternativen besonders plausibel zu sein, in denen ihre Variante sich einander ausschließen und das „oder“ demzufolge nur als alternatives „entweder / oder“ anzusehen wäre; so z. B. Haft, AT, 1998, S. 250 (in Bezug auf § 142 I Nr. 1 und 2). 27 Z. B. im Satz „Philipp ist älter oder jünger als seine Freundin“; vgl. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 170. 28 Siehe Joerden, JZ 1989, S. 544; ders., Logik, 2005, S. 18 f. 29 Vgl. Balk, DSWR 1974, S. 330. 30 Die Ungereimtheit dieser Auslegung trifft bei den kontradiktorisch gefassten Alternativen auch zu. Der Gesetzgeber hat beispielsweise den Tatort manchmal durch „im Inland oder im Ausland“ formuliert. Versteht man unter dem „oder“ hier auch „entweder / oder“, dann würde das Problem dort entstehen, wo der Täter seine Tat durch eine natürliche oder juristische Handlungseinheit sowohl im Inland als auch im Ausland begeht. Niemand würde auf die Idee kommen, dass die Tatbestandsmäßigkeit deshalb verneint werden sollte, weil der Täter nicht nur eine Alternative verwirklicht. Zu kontradiktorisch gefassten Tatbestandsalternativen, vgl. näher u. 1. Teil B. II. 2. 31 Unter „Disjunktion“ versteht man eine Verknüpfung mehrerer Aussagen mit dem Worte (nicht-ausschließende) „oder“; vgl. Hruschka, Strafrecht, 1988, S. 411; Menne, Logik, 2001, S. 35 f.; Klug, Logik, 1982, S. 26, 34; Joerden, Logik, 2005, S. 10.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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nes ihrer Glieder wahr ist, und ist genau dann falsch, wenn alle ihre Glieder falsch sind32. Deshalb ist es möglich, dass Disjunktionsglieder zugleich wahr (gültig, richtig)33, d. h. alle Varianten zusammen erfüllt sind. Bei der Verknüpfung der Disjunktion ist der Junktor „Disjunktor“ zu nennen und als das Bindewort „mindestens / oder“34 bzw. „oder auch“35 zu interpretieren. Im Anschluss daran soll das Verhältnis zwischen den Tatbestandsalternativen stets als „disjunktiv“ aufgefasst werden36. b) Mit Bindeworten „bis“ sowie „und“ Mitunter drückt der Gesetzgeber die alternativen Verwirklichungsvarianten nicht mit dem „oder“, sondern mit dem „bis“ aus, nämlich dann, wenn sie sich auf mehrere aufeinander folgende Paragrafen beziehen37. Mit dieser Formulierungsweise ist die disjunktive Verknüpfung zwischen diesen Verweisungen des Paragrafen noch leicht erkennbar. Jedoch ist der Gesetzgeber manchmal noch einen Schritt weiter gegangen, indem er die alternativen Verwirklichungsmöglichkeiten mit einem „und“ bzw. „sowie“ formuliert38. Er hält beide Junktoren offenbar für mit dem „oder“ legislativ austauschbar: Wirft man einen Blick auf §§ 339, 356 Abs. 1 einerseits und § 278 andererseits, sieht man sogleich, dass Alternativen, die die gleiche Satzstruktur besitzen, mal mit dem „oder“ (§§ 339, 356 I), mal mit dem „und“ (§ 278) zusammengefasst werden. Das disjunktive Verhältnis mit einem „und“ auszudrücken ist durchaus auffällig und könnte zu Missverständnissen führen39. Wie oben erwähnt wurde, soll das Bindewort „oder“ bei Tatbestandsalternativen immer nur als „oder auch“ begriffen werden. Dagegen bedeutet das „und“ in der Logik den Junktor der Konjunktion (Konjunktor), mit dem man ein kumulatives Verhältnis zum Ausdruck bringt40. Die konjunktive Verknüpfung ist aber streng Quine, Logik, 1974, S. 30. s. Menne, Logik, 2001, S. 39 f.; Klug, Logik, 1982, S. 26, 32; Hruschka, Strafrecht, 1988, S. 411. 34 Balk, DSWR 1974, S. 329. 35 Menne, Logik, S. 35. 36 So auch Joerden, JZ 1989, S. 545 ff. (in Bezug auf § 125 Abs. 2 a. F.). 37 Beispiele findet man in §§ 163 Abs. 1, 227 Abs. 1, 303c, 306c, 330 Abs. 1 usw. 38 Z. B. in §§ 278, 203 Abs. 1 Nr. 4 und § 125 Abs. 2 a. F. vor dem 3. StrRG v. 20. 5. 1970 (Die Rädelsführer sowie diejenigen, welche . . . , werden . . . bestraft). Darüber hinaus hat Balk (DSWR 1974, S. 331 ff.) auch einige Beispiele in anderen Rechtsgebieten angeführt. Ohne das Gebot der Gesetzlichkeit steht dem Rechtsanwender – anders als im Strafrecht – freilich ein größerer Spielraum zu. 39 Vgl. das Beispiel in Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 43. In der juristischen Praxis ist das Urteil v. 22. 7. 1988 des BayObLG auch ein sehr lehrreiches Beispiel, in dem sich deutlich erkennen lässt, welche Folge die Verwechselung der disjunktiven und der konjuktiven Beziehung mit sich bringt (in: JZ 1989, S. 542 ff.); vgl. dazu auch Joerden, Logik, 2005, S. 108 ff. 40 Zur Konjunktion vgl. Klug, Logik, 1982, S. 24 ff.; Balk, DSWR 1974, S. 329. 32 33

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

von der disjunktiven zu unterscheiden41. Das lässt sich auch an der Reformgeschichte einiger Tatbestände deutlich erkennen. Zum einen wurde § 267 im Jahre 1943 ein zweiaktiges Delikt in ein einaktiges dadurch umgestaltet, dass ein „und“ durch ein „oder“ ersetzt wurde42. Zum anderen lässt sich das Verhältnis der NichtAustauschbarkeit zwischen einem „oder“ und einem Komma leicht erkennen, wenn man den Text des § 109a Abs. 1 mit dem des § 83 Militärstrafgesetzbuch von 194043 vergleicht. Daraus ersieht man, dass das Wechseln des Junktors durchaus eine materiell-inhaltliche Änderung zur Folge hat. In § 278 werden zweierlei Subjektsqualifikationen – „Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen“ – vorgesehen. Da „Arzt“ dem Wortsinn nach freilich auch eine approbierte Medizinalperson ist, sollte die erste Variante „Ärzte“ eigentlich nur einen Beispielscharakter besitzen. Wenn unter Berücksichtigung des Gesetzlichkeitsprinzips das Bindewort „und“ hier auf jeden Fall wörtlich genommen werden muss, dann sind nur folgende zwei Auslegungsmöglichkeiten gegeben: Entweder ist nur der Arzt das einzige taugliche Subjekt in § 278, oder die Verwirklichung des § 278 setzt begrifflich die Beteiligung mehrerer Personen voraus. Man wird allerdings über die beiden Ergebnisse befremdet sein, weil sie offensichtlich weit von der Vorstellung des Gesetzgebers abweichen44. Um diese Ergebnisse zu vermeiden, wird dieses „und“ im Schrifttum immer ohne weiteres als ein „oder“ uminterpretiert45. Die Verwendung vom „und“ im Sinne des einschließenden „oder“ verstößt dennoch gegen die legislative Forderung nach der eindeutigen logischen Verknüpfungen, wonach alle vorkommenden Verknüpfungen eindeutig einer einzigen aussagenlogischen Verknüpfung zuordenbar sein müssen46. Ob es dem Rechtsanwender verwehrt ist, den Text bzw. den falsch verwendeten Junktor zu berichtigen, kann hier dahinstehen. Im Folgenden werden diese Verwirklichungsvarianten, die durch ein „und“ oder „sowie“ miteinander verbunden sind, ebenfalls zu Tatbestandsalternativen gezählt, weil mehrere alternative Verwirklichungsmöglichkeiten immerhin dort vorhanden sind.

41 Es ist also nach der Logik unmöglich, beide Junktoren gegeneinander auszutauschen, es sei denn, dass es sich um eine Negation in Verbindung mit der Konjunktion oder der Disjunktion handelt; vgl. dazu u. c): de Morgansche Gesetze. 42 Der Tatbestand verlangt nun nämlich nicht mehr Fälschung und Gebrauch, es genügt seitdem eine Handlung, Fälschung oder Gebrauch. 43 Nämlich: „ein auf Täuschung berechnetes Mittel anwendet oder sonst arglistig handelt“. Daraus ergibt sich, dass die Behauptung, das nicht ausschließende Oder sei kodifikationstechnisch durch ein Komma zu ersetzen (R. v. Hippel, JR 1995, S. 126), wohl verfehlt ist. 44 Im Gegensatz dazu werden die Varianten in § 277 mittels „oder“ richtig alternativ gefasst: „als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson“. Zu beachten ist die gegenteilige Meinung Bindings, nach der man hier dagegen sogar ein „und“ verwenden muss (ders., Normen I, 1922, S. 206). 45 Etwa LK-Tröndle, § 278 Rn. 1; Otto, BT, 71 / 30. 46 Garstka, Gesetzesplanung, 1972, S. 83 ff., 87.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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c) Die scheinbare und die verkappte Alternativität Hier befassen wir uns mit Konstellationen, in denen die alternativen Verwirklichungsmöglichkeiten schwer zu erkennen sind, weil es sich um die Ausdrucksweise der Negation handelt. Während die kumulative Verbindung mehrerer Aussagen durch eine Negation der Disjunktion formuliert werden kann, ist eine alternative Verbindung mehrerer Aussagen in Form der Negation der Konjunktion zu beschreiben. Wie sich dies auf die strafrechtlich tatbestandliche Formulierung auswirkt, bedarf einer näherer Erklärung. Eine Straftat besteht aus mehreren Elementen, die den Unrechtsgehalt begründen. Da „Tatbestandsmäßigkeit“ die Erfüllung aller das Unrecht verkörpernden Elemente bedeutet, können die Tatbestandsalternativen nur eine disjunktive Verbindung zwischen mehreren Teilen sein, in denen das Unrecht positiv formuliert bzw. begründet wird. Die Annahme der alternativen Verwirklichungsmöglichkeiten wird also dann schwierig, wenn alternativ zusammengefasste Sprachzeichen weder strafbegründend noch -schärfend, sondern strafausschließend sind. Wenn die Tatbestandsmerkmale teilweise negativ (in der Form der Unrechtsausschließung) ausgedrückt werden, muss man diese Elemente in eine positive Formulierung der Unrechtsbegründung umgestalten. Erst nach dieser Operation der Umgestaltung in die Unrechtsbegründung kann die Frage, ob Tatbestandsalternativen bzw. mehrere alternative Verwirklichungsmöglichkeiten gegeben sind, richtig beantwortet werden. Ein in diesem Zusammenhang besonders prägnantes Beispiel bietet der letzte Halbsatz des § 353d Abs. 1 Nr. 3, wonach sich derjenige strafbar macht, der die amtlichen Schriftstücke eines Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens (ganz oder in wesentlichen Teilen) im Wortlaut öffentlich mitteilt, es sei denn, dass die Mitteilung zum Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung gemacht wird oder dem rechtskräftigen Abschluss des betroffenen Verfahrens nachfolgt47. Im letzten Halbsatz der Nr. 3 werden also zwei Bevor-Sätze durch ein „oder“ miteinander alternativ zusammengefasst. Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, als ob sie auch Tatbestandsalternativen wären. In der Tat stellen sie zwei Tatbestandsausschließungsgründe dar, nämlich: (1) Diese aufgezählten Schriftstücke sind zur Tatzeit schon in öffentlicher Verhandlung erörtert worden und (2) das einschlägige Verfahren ist bei der Tatzeit bereits abgeschlossen. Schreibt man sie aber in die Form der unrechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale um, dann ersieht man deutlich, dass es hier gar keine Tatbestandsalternative gibt. Man kann nämlich den Tatbestand des § 353d Abs. 1 Nr. 3 so umformulieren, ohne seinen Inhalt zu ändern: Strafbar ist derjenige, der ein solches Schriftstück (ganz oder in wesentlichen Teilen) im Wortlaut öffentlich mitteilt, wenn das einschlägige Schriftstück noch nicht in öffentlicher Verhandlung erörtert worden ist und das einschlägige Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Um die Tatbestandsmäßigkeit überhaupt zu bejahen, dürfen die beiden Wenn-Sätze nicht wahlweise (alternativ) erfüllt, sondern müssen kumulativ gegeben sein48. Dies lässt sich durch logische Regeln gut erklären. Hier 47

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Vgl. Tröndle / Fischer, StGB, § 353d Rn. 6a.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

geht es um eine Wechselwirkung zwischen Konjunktion und Disjunktion beim Zusammentreffen der Junktion und der Negation. Die Besonderheit der Negation in Verbindung mit einem Junktor (Konjunktor „und“ oder Disjunktor „oder“) liegt darin, dass der Sinn des Junktor durch eine solche Kombination geändert wird, und zwar derart, dass Konjunktion und Disjunktion jeweils ineinander umgewandelt werden müssen. In der Logik werden diese Regeln „de Morgansche Gesetze“ genannt49, wonach die Verneinung der Disjunktion von zwei Aussagen logisch gleichwertig ist mit der Konjunktion der beiden je für sich verneinten Aussagen50. Da diese alternativ zusammengefassten Sprachzeichen einerseits wegen des Bindewortes „oder“ das Aussehen von Tatbestandsalternativen haben, andererseits aber keine Alternativen darstellen, kann bei dieser Konstellation von scheinbaren Alternativen gesprochen werden. Daraus ergibt sich zum einen, dass durch eine Negation der Disjunktion die kumulative Verbindung mehrerer Aussagen formuliert werden kann, die keine Alternativen darstellen. Da eine alternative Verbindung mehrerer Aussagen andererseits nach den de Morganschen Gesetzen ebenfalls in Form der Negation der Konjunktion beschrieben werden kann51, ist es sprachlogisch möglich, dass Alternativen auch durch einen Konjunktor „und“ in Verbindung mit einer Negation zum Ausdruck gebracht werden (verkappte Alternativen), obwohl bis dato noch kein solches Beispiel im StGB zu finden ist. Demnach muss man bei der Annahme der Tatbestandsalternativen besonders sorgfältig sein, vor allem dort, wo der Junktor („und“ oder „oder“) in einem negativ formulierten Satz auftritt.

d) Auf andere Rechtsnormen verweisende Merkmale Im StGB kommt es nicht selten vor, dass der Gesetzgeber einen Ausdruck bzw. Begriff, der in der einen Vorschrift (§ X) vorliegt, in einer anderen Vorschrift (§ Y) näher bestimmt. Sicher ist, dass man die nähere Begriffsbestimmung in § Y bei der 48 Zu beachten ist, dass der letzte Halbsatz des § 142 Abs. 1 (Nr. 1 und 2) zwar die gleiche Struktur hat, die beiden Bevor-Sätze jedoch trotzdem Alternativen darstellen, weil sie sich – nicht von der Logik, sondern von der Semantik her – gegenseitig ausschließen; vgl. näher u. 1. Teil B. II. 2. c). 49 Diese Thesen wurden von Augustus de Morgan im 19. Jahrhundert aufgestellt. Danach ist die Äquivalenz (im logischen Sinn) zwischen „ (p _ q) “ und „ p . q “ einerseits, zwischen „ (p . q) “ und „ p _ q “ andererseits stets anzunehmen („ _ “ = Disjunktor: oder; „ . “ = Konjunktor: und; „ “ = Negator: nicht). Eine solche Ersetzung ist deshalb zulässig, weil durch sie die Wahrheit bzw. Falschheit des Bikonditionals (Wahrheitswertverteilung) nicht verändert wird; vgl. dazu Menne, Logik, 2001, S. 51, 53; Quine, Logik, 1974, S. 31 f., 85 f.; Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 36; Joerden, Logik, 2005, S. 22 f., 30. 50 Menne, Logik, 2001, S. 51. Dann sollte eine logische Verknüpfung der Rejektion hier verwendet werden, deren Junktor „Rejektor“ als das Bindewort „weder / noch“ interpretiert wird (vgl. dazu Balk, DSWR 1974, S. 330). 51 Siehe Holländer, Rechtsphilosophie, 2003, S. 33 f.; Quine, Logik, 1974, S. 85.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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Anwendung des § X auch mit einbeziehen muss. Probleme entstehen aber dann, wenn dieser Begriff in § X nicht alternativ gefasst, jedoch in § Y alternativ bestimmt wird. Wenn man den Begriff des § X durch die alternative Formulierung des § Y substituiert, dann sieht man in § X ebenfalls Alternativen. Im Folgenden ist festzulegen, ob Tatbestandsalternativen bzw. alternative Verwirklichungsvarianten auch in einer Vorschrift wie § X anzunehmen sind. aa) Blankettmerkmale und Legaldefinitionen Die Merkmale, die auf Vorfeldnormen verweisen, sind unterschiedlicher Art. Dazu gehören zunächst der Blanketttatbestand und das Blankettmerkmal. Blanketttatbestände (reine Blankettstrafgesetze) beschränken sich auf eine bloße Verweisung auf eine andere Norm. Für diese Gesetzgebungstechnik ist charakteristisch, dass durch die Strafnorm lediglich eine Strafdrohung aufgestellt und mit einem Tatbestand verknüpft wird, der durch einen anderen Rechtsakt näher umschrieben ist52. Das strafbegründende Gesetz besteht also aus einer Verbindung von Blankettsanktionsnorm und Blankettausfüllungsakt, wobei sich erst aus letzterem die Entscheidung über das „ob“ der Strafbarkeit ergibt. Im StGB – anders im Nebenstrafrecht – sind keine reinen Blankettstrafgesetze vorhanden. Derartige Verbindungen können aber auch durch Blankettmerkmale (Verweisungsbegriffe) entstehen, die auf andere Rechtsakte verweisen (Teilblankettgesetze). Ein Beispiel ist das Merkmal „rechtswidrige Tat“ in §§ 257 ff., das auf den Tatbestand der vom Vortäter begangenen Tat verweist53. Es steht außer der Frage, dass die in Bezug genommene Norm sowohl bei der Anwendung der reinen Blankettstrafgesetze als auch bei der der Teilblankettgesetze mit der Strafvorschrift zusammen gelesen werden muss, um ein vollständiges Strafgesetz zu erhalten54. Umstritten ist ja nur, ob die blankettausfüllende Norm auch Bestandteil des gesetzlichen Tatbestandes ist55. Gesetzt den Fall, dann wäre ein eigentlich einheitlicher, nämlich nicht-alternativ formulierter Ausdruck (Verweisungsbegriff) durch Substitution in Tatbestandsalternativen umzuwandeln, falls er in der Ausfüllungsnorm alternativ bestimmt wird. In Bezug auf den Irrtum über blankettausfüllende Normen geht die h. M. von der Lehre vom Zusammenlesen aus: Die Blankettnorm sei grundsätzlich so zu lesen, als stünde die Ausfüllungsnorm im Strafgesetz56, weil der Gesetzgeber den Inhalt der Ausfüllungsnorm ebenfalls im Straftatbestand hätte aufführen können, weshalb 52 Bei diesem Ausfüllungsakt kann es sich um eine Vorschrift des deutschen Rechts, um einen Verwaltungsakt oder auch um eine EG-Verordnung handeln; vgl. Schönke / Schröder / Eser, StGB, Vor § 1 Rn. 3. 53 Vgl. dazu NK-Puppe, § 16 Rn. 25 f. 54 Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 15 Rn. 99. 55 Und zwar in der Irrtumslehre, in der sich die Frage erhebt, wie der Irrtum über das Bestehen oder den Inhalt der ausfüllenden Norm zu behandeln ist. 56 So z. B. Welzel, Lb, 1969, S. 168; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 309; Roxin, AT / 1, 12 / 99 ff.; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 15 Rn. 100 f.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

man sich in den Ergebnissen der Irrtumslehre nicht von der jeweils gewählten Gesetzestechnik abhängig machen dürfe. Da es sich z. B. in § 258 Abs. 1 um einen solchen „Sammelbegriff“ handelt, der eine Vielzahl von Straftatbeständen zusammenfasst, ist der Begriff der „rechtswidrigen Tat“ dieser Meinung nach ein Kürzel für sämtliche Straftatbestände, die sich aus gesetzestechnischen Gründen in der Strafbestimmung nicht alle aufführen lassen, der Sache nach aber in sie hineingehören; die gesammelten Einzelgegebenheiten sollen deshalb zu der Strafrechtsnorm gehören57. Danach wird dieser Sammelbegriff der „rechtswidrigen Tat“, der an sich ein einheitlicher ist, durch eine solche Substitution in Tatbestandsalternativen umgewandelt. Die Lehre vom Zusammenlesen bzw. die Substituierbarkeitsthese werden jedoch in der Literatur zunehmend abgelehnt58. Eines der Hauptargumente geht davon aus: Durch die Formulierung des Tatbestandes entscheide der Gesetzgeber nicht nur über den Anwendungsbereich des objektiven Tatbestandes und dessen Unrechtsgehalt, sondern auch über den Inhalt der Tätervorstellung, die den tatbestandsmäßigen Vorsatz konstituiert. Nur der Gesetzgeber sei befugt und kompetent, diese Entscheidungen zu treffen, und zwar durch die Formulierung der Tatbestandsmerkmale; die h. M. würde vielleicht nicht den Anwendungsbereich, aber den Sinn des objektiven Tatbestandes verfälschen und damit auch den der vorsatzbegründenden Tätervorstellung. Es ist nicht nötig, eine Entscheidung über diesen schwierigen Streit in dieser Untersuchung zu treffen. Denn zum einen spielt dieser Streit beim Herausarbeiten unseres Lösungsvorschlags gar keine Rolle. Wenn die Substitution zulässig sein sollte, könnte man die allgemeinen Regeln, die auf eigentliche Tatbestandsalternativen abstellen, ohne Schwierigkeiten auf die substituierten Vorschriften anwenden. Damit wird sogar die Gefahr vermieden, dass man den Fokus verliert. Zum anderen sind die ausfüllenden Vorschriften von der juristischen Methodenlehre her gesehen nichts anderes als gesetzliche Hilfsnormen59, welche die Tatbestandsmerkmale spezifizieren60. Es ist immer möglich, dass irgendein strafrechtlicher Begriff in irgendeiner anderen Vorschrift näher, alternativ bestimmt wird. Müsste man immer mit diesen Möglichkeiten bzw. allen möglichen Hilfsnormen rechnen, Vgl. Roxin, JZ 1996, S. 986. Vgl. dazu Puppe, GA 1990, S. 153 ff., 155 ff., 182; dies., AT / 1, 19 / 1 f., 21 / 2 und in: NK-StGB, § 16 Rn. 41, 82 ff. 87; Tiedemann, FS-Geerds, 100 ff., 105 f., 108 f.; Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 366 ff., 370 ff., 424 ff.; Enderle, Blankettstrafgesetze, 2000, S. 337 ff., 353 f. 59 Hilfsnormen können, müssen aber nicht vom Gesetzgeber ausdrücklich geschaffen werden. Auch die Erkenntnisse der Rechtsprechung oder der Rechtswissenschaft haben dabei den Charakter von Hilfsnormen, die ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal spezifizieren; zur Hilfsnorm vgl. Schapp, Methodenlehre, 1998, S. 81 f.; Schwacke, Methodik, 2003, S. 25 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 131 ff. 60 Sie gliedern sich wiederum in Voraussetzungen und ihre Rechtsfolge; die Spezifikation der Merkmale erfolgt dadurch, dass das zu spezifizierende Merkmal in der Hilfsnorm als Rechtsfolge erscheint, die unter den Voraussetzungen dieser Hilfsnorm bejaht werden darf; vgl. Schapp, Methodenlehre, 1998, S. 41. Dies nennt man in der juristischen Methodenlehre auch den „vertikalen Verband von Hilfsnormen“; vgl. dazu Schapp, a. a. O., S. 44 ff., 79 ff. 57 58

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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wäre es sehr schwierig genau zu sagen, ob eine Vorschrift Tatbestandsalternativen enthält oder nicht. Irgendwo muss man also eine Grenze ziehen. Deswegen werden wir uns in dieser Untersuchung nur auf den Wortlaut des Gesetzestextes, nämlich ausschließlich auf die unmittelbaren Voraussetzungen der Strafdrohung beziehen und von allen Hilfsnormen absehen. Das Gleiche gilt auch für legaldefinierte Tatbestandsmerkmale. Die legislativen Definitionen (Legaldefinitionen) gehören auch zu unselbstständigen Normierungen, die im Zusammenhang mit einer selbstständigen Norm deren Tatbestandsmerkmale festlegen61. Sie sind zwar – als gesetzliche Hilfsnormen – für die Rechtsanwendung unentbehrlich, aber doch vom eigentlichen Tatbestand zu unterscheiden. In § 330d wird die „kerntechnische Anlage“ durch „eine Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe“ definiert, während man in § 328 nur „Kernbrennstoffe“ erwähnt. Dass man die legislative Definition des § 330d Nr. 2 bei der Anwendung des § 328 mit berücksichtigen muss, bedeutet nicht, dass die disjunktive Definition des § 330d Nr. 2 ein Tatbestandsmerkmal in § 328 verkörpert. Dies hat zur Folge, dass die Problematik der Tatbestandsalternativen bezüglich des Begriffs „Kernbrennstoffe“ überhaupt nicht entsteht62. Zusammenfassend lässt sich sagen: Ob Tatbestandsalternativen in einer Vorschrift gegeben sind, hängt nur davon ab, ob irgendein Teil dieser Vorschrift alternativ beschrieben wird. Es ist also völlig gleichgültig, ob er in einer anderen Vorschrift alternativ definiert ist63.

bb) Regelbeispiele und Mordtatbestand Im StGB wird die legislative Technik der Regelbeispiele häufig eingesetzt64. Die Besonderheit der Regelbeispiele liegt darin, dass der Gesetzgeber dem Rechts61 Z. B. §§ 87 Abs. 2, 92, 151, 264 Abs. 7 und 8, 268 Abs. 2, 330d usw. Sie werden auch umschreibende Rechtssätze genannt, die einen in anderen Rechtssätzen verwendeten Begriff oder Typus näher umschreiben. Umschreibende Rechtssätze werden in der juristischen Methodenlehre mit ausfüllenden Rechtssätzen zusammen als erläuternde Rechtssätze bezeichnet (vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 258). 62 Und das, obwohl eine Substitution durch die legislative Definition in § 328 nach der hier vertretenen These der Formulierungseinheit (s. u. 1. Teil C. IV. 3. und V.) nicht zum unterschiedlichen Ergebnis führt, weil alle Beschreibungen des Kernbrennstoffs, die in § 330d Nr. 2 alternativ miteinander verbunden sind, sich auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen und zusammen als ein Merkmal behandelt werden sollen. Die rechtlich unterschiedliche Folge entsteht erst dann, wenn es sich um die Abgrenzung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum handelt; vgl. näher dazu Puppe, GA 1991, S. 160 ff. 63 Dies sollte erst recht für Begriffe gelten, die aus anderen Rechtsgebieten stammen (sog. „begriffliche Akzessorietät“); vgl. dazu Enderle, Blankettstrafgesetze, 2000, S. 22 f. 64 Nach dem geltenden Recht findet man Regelbeispiele in §§ 94 Abs. 2, 99 Abs. 2, 100 Abs. 2, 100a Abs. 4, 113 Abs. 2, 121 Abs. 3, 125a, 177 Abs. 2, 218 Abs. 2, 240 Abs. 4, 243 Abs. 1, 253 Abs. 4, 261 Abs. 4, 263 Abs. 3, 264 Abs. 2, 267 Abs. 3, 283a, 283d Abs. 3, 291

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

anwender einige konkretere Vorschläge der Bewertung gibt, die aber weder abschließend noch absolut verbindlich sind65. Die Regelbeispiele werden in der Literatur seit jeher als Tatbestandsalternativen behandelt. Sieht man aber bei der Struktur der Regelbeispiele genauer hin, dann stellt sich heraus, dass sie genauso wie die auf andere Rechtsnormen (hier: auf einen anderen Absatz) verweisenden Merkmale gestaltet sind. In § 335 Abs. 1 wird z. B. nur der hoch abstrakte Hinweis „in besonders schweren Fällen“ als die unmittelbare Voraussetzung für die Rechtsfolge vorgesehen. Um diesen unbestimmten Begriff zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber in Abs. 2 einige anschaulichere Beispiele angeführt. Entgegen der verbreiteten Meinung im Schrifttum sind diese alternativ verbundenen Beispiele nach dem oben aufgestellten Kriterium nicht als Tatbestandsalternativen anzusehen, weil sie die gesetzliche Hilfsnorm des Tatbestandes (Abs. 1) darstellen66. Letztlich ist der Mordtatbestand (§ 211 I) ebenfalls so auszulegen, obwohl die Legaldefinitionen des Begriffs „Mord“ in Abs. 2 in der Literatur seit jeher als Tatbestandsalternativen des Abs. 1 behandelt werden.

4. Zwischenbilanz und statistische Angaben Mit den obigen Ausführungen wird der Kernbegriff „Tatbestandsalternativen“ in dieser Arbeit genau festgelegt. Sie sind dort anzunehmen, wo der Gesetzgeber mehrere Tatbestandsverwirklichungsvarianten in derselben Gesetzesstelle bzw. Strafvorschrift für dieselbe Rechtsfolge (Strafdrohung) formell gleichrangig, disjunktiv zusammenfasst. Von einem solchen streng gesetzestextorientierten Kriterium ausgehend, ist jede Hilfsnorm außer Acht zu lassen. In der modernen Strafgesetzgebung stellen Tatbestände mit Alternativen schon den Regelfall dar. Ganz geAbs. 2, 292 Abs. 2, 300, 316b Abs. 3, 330 Abs. 1, 335 Abs. 2. Von diesen ist nur § 100 Abs. 2 nicht alternativ gefasst. 65 Sog. Indizwirkung; vgl. näher dazu Schönke / Schröder / Stree, StGB, Vor §§ 38 ff. Rn. 44 ff.; Eisele, Regelbeispielsmethode, 2004, S. 18 f., 197 ff. 66 Will man sich dagegen auf die Beispiele in Abs. 2 unbedingt als Tatbestandsalternativen des Abs. 1 behandeln, dann braucht man nur allgemeine Regeln, die unten (1. Teil C. V. und VI.) herausgearbeitet werden wird, zu berufen. Da die Beispiele des § 335 Abs. 2 (Nr. 1 bis 3) jeweils mehrere Formulierungseinheiten enthalten und jede Ziffer dieses Absatzes einen selbstständigen Tatbestand (Wenn-Komponente) darstellt, ist es unmöglich, dass die drei Ziffern, also drei Tatbestände, nur deshalb wiederum ein alternativ gefasstes Tatbestandsmerkmal bilden, weil sie miteinander in derselben Vorschrift alternativ verbunden sind. Man kann freilich im Hinblick auf den Charakter der Regelbeispiele als Strafzumessungsregel von allgemeinen Regeln abweichen, solange man diese Abweichung sachlich begründen kann (so z. B. Bruns, Strafzumessung, 1985, S. 187; Montenbruck, Strafrahmen, 1983, S. 193 f.). Das Ergebnis, dass das Zusammentreffen mehrerer Qualifikationen oder Regelbeispiele auf der Ebene der Strafzumessung erschwerend wirkt, ist völlig unbestritten (s. dazu Schäfer, Strafzumessung, Rn. 349, 401). Umstritten ist nur, ob eine mehrfache Gesetzesverletzung i. S. des § 52 Abs. 1 vorliegt. Da es um die Frage nach der Rechtsnatur der Qualifikation und des Regelbeispiels geht, kann man dieses Problem im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt sein lassen.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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nau genommen, gibt es allein im BT des geltenden StGB insgesamt genau 401 Paragrafen. 53 davon sind bereits weggefallen. Von denjenigen Vorschriften abgesehen, die nichts mit der Problematik der Tatbestandsalternativen zu tun haben67, sind bei 266 Paragrafen ein oder mehrere Teile der (objektiven oder subjektiven) Voraussetzungen für die Rechtsfolge disjunktiv gefasst68, während nur 15 Paragrafen keine Tatbestandsalternativen enthalten69: Ca. 95% der 281 Strafvorschriften, die Deliktstypen kennzeichnen, enthalten also Tatbestandsalternativen.

II. Entstehungsgründe der Tatbestandsalternativen Die Wahl einer bestimmten Gesetzestechnik kann ggf. für eine ganze Reihe materieller Fragen von größter Bedeutung sein. Die Entscheidung darüber, ob der Tatbestand generell oder kasuistisch zu fassen ist, beeinflusst das Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Richter, und setzt so eine bestimmte Konzeption von der Gewaltenteilung voraus70. Die legislativen Überlegungen werden manchmal als Argument für eine bestimmte Folgerung einbezogen. Einerseits wird z. B. die These aufgestellt, die alternativ gefasste Vorschrift soll immer als eine formale Zusammenfassung mehrerer Tatbestände behandelt werden, weil sie nur aus rein formellen, nämlich aus gesetzgeberisch-ökonomischen Gründen in derselben Gesetzesstelle zusammen geregelt sind. Andererseits gehen einige Autoren davon aus, dass die alternativ gefasste Vorschrift einen einzigen Tatbestand darstellt, weil Tatbestandsalternativen nur der sprachlichen Schwierigkeit wegen eingesetzt werden und tatsächlich nur der Beschreibung eines Tatbestandsmerkmals dienen. Deshalb erscheint es hier sinnvoll, mögliche Hintergedanken des Gesetzgebers über den Einsatz der Tatbestandsalternativen auszuloten. Die vielfältigen Erscheinungsformen der Tatbestandsalternativen korrespondieren mit den vielschichtigen Gründen für ihren Einsatz71. Im Schrifttum wird mitunter behauptet, es sei bisweilen zufällig oder willkürlich, ob der Gesetzgeber für mehrere Begehungsweisen nur eine 67 Das sind z. B. die Regelungen über besondere Rücktrittsregelungen, den Anwendungsoder Geltungsbereich, Begriffsbestimmungen, die Vermögensstrafe, erweiterten Verfall, Nebenfolgen, Einziehungen, Voraussetzungen der Strafverfolgung und die Führungsaufsicht. Im BT sind 67 Paragrafen zu finden, die zu dieser Gruppe gehören. 68 Nach dem Gesetzesstand vom 30. 7. 2004. Nach der Angabe Wardas war die Zahl im Jahre 1993 228 (ders., FS- Stree / Wessels, 1993, S. 267 bei Anm. 1). Da er aber kein Kriterium für die Annahme der Tatbestandsalternativen angegeben hat, kann es sein, dass für ihn einige Vorschriften zu Tatbestandsalternativen gehören, die aber nach dem hier vertretenen Kriterium keine darstellen; so z. B. die Regelbeispiele und der Mordtatbestand. 69 Dies sind §§ 80, 83, 145a, 147, 173, 183, 185, 189, 212, 216, 222, 229, 257, 285, 290. 70 Noll, JZ 1963, S. 297; so auch: Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 3. Nach Wertheimer ist die richtige Einordnung der einzelnen Gesetzesstellen zu den alternativen oder kumulativen Mischgesetzen wichtig, um sich die Gründe zu vergegenwärtigen, die den Gesetzgeber zur Bildung solcher Mischgesetze bewogen haben. 71 Insofern ist der Terminus „Tatbestandsalternative“ quasi als ein Sammelbegriff aufzufassen.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

oder mehrere Bestimmungen gebildet hat. Ein solcher Schluss ist jedoch voreilig. Hinter jeder legislativen Zusammenfassung der Alternativen steht in Wirklichkeit stets ein Hintergedanke, der freilich auch rein formell sein kann. Allein fraglich ist, ob der Hintergedanke die Behandlung der Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal rechtfertigen kann. Im Folgenden soll deshalb geprüft werden, ob und ggf. welche materielle Folgerung sich tatsächlich aus den Entstehungsgründen ableiten lässt.

1. Aspekt der gesetzgeberischen Ökonomie Das legislative „Ökonomieprinzip“ bedeutet ursprünglich, dass vor jeder Regelung zu fragen ist, ob sie im Ganzen und in der vorgestellten Ausführlichkeit notwendig ist72. Daraus ergibt sich die „juristische Sparsamkeit“, nämlich das Prinzip der Reduktion, nach welchem die Regeln derart reduziert werden sollen, dass „das Gemeinsame aus ihnen destilliert und in einem allgemeinen Teil von den besonderen Regelungen getrennt wird“73. Damit wird der Rechtsstoff vermindert und ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Aufwand und Erfolg bei der Gesetzgebung gewährleistet74. Eine solche Kodifikation wird deshalb „ökonomischer“, weil die allgemeinen bzw. gemeinsamen Teile der einschlägigen Vorschriften nicht immer wiederholt werden müssen. In der Mathematik ist es nach dem sog. Distributivgesetz möglich, den gemeinsamen Faktor vor die Klammer zu ziehen (Ausklammern). Danach kann der Term „ab + ac“ in den äquivalenten Term „a (b + c)“ umgeschrieben werden. Der gleiche Gedanke findet sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch und wird in der Sprachwissenschaft als „Klammerfügung“ bezeichnet. Bei dieser syntaktischen Konstruktion werden die mehrfach vorkommenden Konstituenten weggelassen75. Damit enthält die zusammengesetzte Aussage den gemeinsamen Teil aller Teilaussagen aus Gründen sprachlicher Kürze nur einmal76. Auch in der Kodifikation wird die Technik des sog. „Vor-die-Klammer-Ziehens“ oft verwendet. Zur Erzielung der kürzestmöglichen Regelung soll Allgemeines immer „vor die Klammer gezogen“ werden; sich die wiederholende Regelungen sind dementsprechend ein gesetzgeberischer Fehler77. Der allgemeine Teil 72 Siehe Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 193 ff. Zum Ökonomieprinzip vgl. auch Ent, Gesetzgebungsökonomie, 1982, S. 50 ff.; R. Walter, ÖJZ 1963, S. 86; Noll, FS-Germann, 1969, S. 163 ff. 73 R. Walter, ÖJZ 1963, S. 86 f.; ihm folgend: Ent, Gesetzgebungsökonomie, 1982, S. 69, 70. 74 Vgl. Ent, Gesetzgebungsökonomie, 1982, S. 52. 75 Durch die Ausdrucksweise „Getrennt- und Zusammenschreibung“ kann man vermeiden, den Teil „Schreibung“ zu wiederholen; vgl. dazu Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 140. 76 Vgl. Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 35. 77 Schneider, Gesetzgebung, Rn. 408; er hat hier aber nur auf diejenigen Fälle abgestellt, in denen ein und dieselbe Vorschrift mehrmals in Gesetzbuch geschrieben wird. Nach ihm sollte das Gebot, nichts mehrfach zu schreiben, auch aus Erinnerungsgründen nicht durchbrochen werden.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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eines Gesetzbuches ist gerade ein klares Beispiel für den Gedanken gesetzgeberischer Ökonomie78. Beim ersten Blick auf Tatbestandsalternativen drängt sich ebenfalls der Eindruck auf, als ob der Gesetzgeber nur aus diesen äußerlichen technischen Gründen gemeinsame Merkmale und die Rechtsfolge vor die Klammer gezogen hätte, um zu vermeiden, dass trotz gleicher Rechtsfolge mehrere Paragrafen formuliert werden müssen79. Da das Prinzip der legislativen Ökonomie an und für sich lediglich ein rein formelles kodifikation-redaktionelles ist, also nichts Materielles enthält, stehen hinter dieser legislativen Erscheinung gar keine Sachentscheidungen des Gesetzgebers, sondern nur „austauschbare Schreibweisen aus dem Repertoire der Kodifikationstechnik“80. Dieser Gedanke ist auch eines der Argumente für die These Bindings, wonach die alternativ gefasste Vorschrift stets als eine „Zusammenziehung mehrerer Strafgesetze“ angesehen werden solle81. Diese Ausführungen mögen zunächst ziemlich einleuchtend erscheinen, erweisen sich jedoch bei näherem Hinsehen als untauglich zur Beantwortung unserer Frage. Klar ist zunächst, dass sich die rechtliche Gleichbehandlung mehrerer selbstständiger Gegenstände nicht durch das rein formale Prinzip gesetzgeberischer Ökonomie rechtfertigen lässt. Denn sonst könnte der Gesetzgeber alle Straftaten, die mit der gleichen Rechtsfolge bedroht werden, stets in derselben Vorschrift regeln, ohne darüber nachzudenken, ob sie unrechtsverwandt sind oder nicht; damit würde der Tatbestand seine Funktion einer systematischen Einreihung verlieren82. In der Tat unterliegt der Gesetzgeber nicht nur dem Prinzip gesetzgeberischer Ökonomie, sondern auch materiellen Prinzipien, etwa dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Gleichheitsprinzip, dem Prinzip der systematischen Ordnung usw. In der Strafgesetzgebung müssen darüber hinaus strafrechtlich-spezifische Gebote berücksichtigt werden, z. B. das Gebot der Bestimmtheit, der sachgemäßen Systematisierung der Tatbestände und der Unrechtstypisierung. BezügA. A. Tiedemann, FS-Baumann, 1992, S. 11 ff., 17 ff. Siehe M. E. Mayer, AT, 1923, S. 124; Seier, Jura 1983, S. 231; NK-Paeffgen, § 226 Rn. 51; wohl auch Schmidhäuser, Lb, 5 / 53, er nennt diese gesetzgeberische Technik von „Gesetzeskomprimierung“ (ders., AT, Studienbuch, 3 / 63). Merkwürdig scheint jedoch, dass Schmidhäuser einerseits mehrere Tatbestände in der alternativ gefassten Vorschrift sieht (a. a. O., 3 / 63), aber andererseits nur eine tatbestandliche Handlungseinheit, also eine einmalige Tatbestandsverwirklichung beim Zusammentreffen mehrerer Tatbestandsalternativen annimmt (a. a. O., 14 / 10); vgl. dazu auch u. 2. Teil A. I. 2. 80 R. v. Hippel, JR 1995, S. 126. So auch RGSt 12, S. 379 ff. (380), wo deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass es sich in § 223a a. F. (gefährliche Körperverletzung) um verschiedene Tatbestände handele, deren Zusammenfassung in einen Paragrafen nur eine äußere, auf ökonomischen Gründen beruhende sei. 81 Ders., Normen I, 1922, S. 205 ff., II / 2, 1916, S. 931 ff. Er hat weiterhin die Berücksichtigung der legislativen Form heftig kritisiert: Schon deshalb gebe es nichts Unwissenschaftlicheres als ein System der einzelnen Verbrechen auf die Legalordnung gründen zu wollen. Der Gesetzgeber müsse praktischen nicht systematischen Gesichtspunkten folgen, die Wissenschaft umgekehrt habe zwar jene zu würdigen, aber diesen zu huldigen (ders., Normen I, 1922, S. 206 Anm. 1). 82 Zur systematischen Einteilung, vgl. Blei, BT, 1983, S. 6. 78 79

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

lich der Gestaltung des Tatbestandes und seiner systematischen Einordnung sind materielle legislative Gebote gegenüber dem formellen Gebot ökonomischer Gesetzgebung stets vorrangig; der Gedanke legislativer Ökonomie hat also nur sekundäre Bedeutung. Deswegen sind diejenigen Modalitäten, die zwar die gleiche Rechtsfolge auslösen, aber unterschiedliche Unrechtsgehalte haben, nicht in derselben Gesetzesstelle als Alternativen zusammenzufassen, sondern in mehreren Rechtssätzen zu regeln. So waren z. B. die Begünstigung (§ 257) und die Strafvereitelung (§ 258) vor dem 1. 1. 1975 als zwei Tatbestandsalternativen im selben Absatz des § 257 a. F. (Begünstigung) zusammengefasst; die Neufassung des § 257 betrifft nur noch den Fall der sachlichen Begünstigung, während die persönliche Begünstigung nunmehr unter der neuen Bezeichnung (Strafvereitelung) in §§ 258, 258a geregelt wird. In § 325 Abs. 1 a. F. waren die Luftverunreinigung (Nr. 1) und die Lärmbelästigung (Nr. 2) ebenfalls als Alternativen zusammengefasst und im Jahre 1998 in zwei Paragrafen (§§ 325, 325a) geteilt83. Sollte die Zusammenfassung der Alternativen nur den rein formalen, legislativ-technischen Sinn haben, dann wären die oben erwähnten beiden Gesetzesreformen völlig überflüssig. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber gerade dadurch eine bestimmte Bewertung zum Ausdruck gebracht, die der Rechtsanwender nicht außer Acht lassen darf. Noch grundlegender und wichtiger als der formelle Charakter dieses Prinzips ist wohl der Ausgangspunkt dieser Auffassung: Dieser besteht in der beweisbedürftigen Voraussetzung, dass es immer mehrere Tatbestände in der alternativ gefassten Strafvorschrift gebe. Denn nur dann, wenn Alternativen mehrere Tatbestandsmerkmale darstellen und die alternativ gefasste Vorschrift aufgrund dessen mehrere Tatbestände enthält, kann von gesetzgeberischer Ökonomie die Rede sein. Sind die einschlägigen Alternativen dagegen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen, scheint ihr Einsatz sogar „unökonomisch“ zu sein, weil der Gesetzgeber sie stattdessen anhand eines (Gattungs-)Begriffs zum Ausdruck hätte bringen können84. Die Berechtigung der oben genannten Voraussetzung wird jedoch gerade bestritten. Um einen Begriff auszudrücken, pendelt der Gesetzgeber häufig zwischen einem umfassenden Gattungsbegriff einerseits und der Aufzählung seiner Unterbegriffe andererseits hin und her85. Wenn er sich für letztere Formulierungsweise entscheidet, will er damit auch keinesfalls die Schaffung mehrerer Tatbestände bezwecken. Niemand würde nämlich auf die Idee kommen, dass es in § 174 a Abs. 2, § 303 Abs. 1 oder § 325 Abs. 1 nur deshalb mehrere Tatbestände gibt, weil der Gesetzgeber die Alternativen „eine Person, die in einer Einrichtung 83 BT-Drs. 12 / 192 S. 17: „Die verschiedenartige Schutzrichtung des Tatbestandes der Luftverunreinigung und des Lärmtatbestandes führen zu dem Vorschlag, die beiden Bereiche in verschiedenen Vorschriften zu regeln“. 84 Vgl. dazu Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 115 f.: Kasuistische Regelung sei recht unökonomisch. Günstiger sei es dagegen, Merkmale zu finden, die allen Situationen gemeinsam zukommen, und mit Hilfe dieser Merkmale bzw. Gattungsbegriffe den Tatbestand zu bilden. 85 Vgl. näher dazu u. 3. b) bb).

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für kranke oder hilfsbedürftige Menschen stationär aufgenommen und ihm zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist“, „beschädigen oder zerstören“ sowie „beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder Maschine“ eingesetzt hat. Deshalb kann von gesetzgeberischer Ökonomie erst dann die Rede sein, wenn bereits festgestellt ist, dass die alternativ gefasste Vorschrift mehrere selbstständige Tatbestände enthält. Nur in diesem Fall ist die Zusammenfassung der Alternativen ökonomisch, weil man dadurch den gemeinsamen, wiederholenden Teil nur einmal zu schreiben bracht. Bevor man sich aber auf die gesetzgeberische Ökonomie als den Entstehungsgrund für die Alternativen beruft, muss zunächst noch die Frage, ob überhaupt die alternativ gefasste Vorschrift tatsächlich mehrere Tatbestände enthält, beantwortet werden. Bei der Beantwortung dieser Vorfrage kann der Gedanke der gesetzgeberischen Ökonomie offensichtlich nicht weiterhelfen. Das Gleiche gilt auch für andere redaktionstechnische Gründe, wie etwa die Lesbarkeit, Vereinfachung der Rechtssätze usw.

2. Zur Betonung der Verwandtschaft des Unrechtsgehalts Vorstellbar ist ja auch, dass die Alternativen wegen ihrer Unrechtsverwandtschaft in derselben Vorschrift zusammengefasst werden. Sicher ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, gesetzliche Tatbestände sachgemäß zu formulieren und systematisch einzuordnen. Der Unrechtsgehalt der Straftat muss also sowohl bei der Typisierung der Straftat als auch bei der systematischen Einordnung der Tatbestände in Rechnung gezogen werden. Durch die Ansiedelung der Tatbestandsalternativen in derselben Gesetzesstelle wird ihre Verwandtschaft gewissermaßen auch hervorgehoben86. Im Hinblick darauf wäre es dagegen ein legislativer Fehler, wenn der Gesetzgeber mehrere Gegenstände, die nicht unrechtsverwandt sind, als Tatbestandsalternativen zusammenfassen würde. An der Geschichte der Reformen von §§ 257, 258, 258a wie auch von §§ 325, 325a ersieht man gerade die Bemühungen des Gesetzgebers, die fehlerhaft zusammengefassten Alternativen einer Korrektur zu unterziehen. Fraglich ist dennoch, inwieweit die Unrechtsverwandtschaft etwas zur Antwort auf die Frage, ob die alternativ gefasste Vorschrift nur einen oder mehrere Tatbestände enthält, beitragen kann. Nur durch den Gesetzestext kann der Gesetzgeber seine Bewertungen äußern, die für die Lösung einiger bestimmter Probleme ggf. Bedeutung haben können. Bei der Prüfung der Wahlfeststellung könnte die Formulierung der Rechtsfolge wie etwa „ebenso wird bestraft“ ein Argument für die Bejahung der „normativen Gleichwertigkeit“ bzw. „Identität des Unrechtskerns“ sein87 und hätte m. a. W. die Funktion, die Argumentationslast zu erleichtern. Auch lässt sich aus der systematischen Einordnung eine Wertung des Gesetzgebers – mehr oder weniger – erken86 87

So M. E. Mayer, AT, 1923, S. 124; so auch NK-Puppe, § 16 Rn. 135. So z. B. R. v. Hippel, JR 1995, S. 127; s. auch u. 2. Teil B. II. 2. c) cc).

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

nen. Jedoch ist nicht zu übersehen, dass der Ausgangspunkt der Auslegung immer der Gesetzestext ist. Hat der Gesetzgeber bereits mehrere Paragrafen geschaffen, die mehrere vollständige Rechtssätze darstellen und daher jeweils einen selbstständigen Tatbestand enthalten, können sie nicht wegen ihrer Unrechtsverwandtschaft durch die Auslegung wiederum zusammen als ein Tatbestand angesehen werden, und zwar gleichgültig, wie eng sie unrechtsverwandt sind. Maßgeblich ist ja nur, wie der im Gesetzestext objektivierte Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt. Ferner muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass die Unrechtsverwandtschaft ein quantitativer Begriff ist, mit dem eine qualitative Grenze schwer zu ziehen ist. Es lässt sich daher schwer genau sagen, wie eng verwandt die Unrechtsgehalte der Alternativen sein müssen, um die sie enthaltende Vorschrift als einen Tatbestand anzusehen. Man könnte freilich behaupten, jede alternativ gefasste Strafvorschrift solle immer als ein Tatbestand angesehen werden, solange sich alle Alternativen in derselben Gesetzesstelle befinden, weil ihre Unrechtsverwandtschaft sich darin am engsten zeigt88. Dadurch wird die oben gestellte Frage – nämlich, wie eng verwandt die Unrechtsgehalte der Alternativen sein müssen, um die sie enthaltende Vorschrift als einen Tatbestand anzusehen – beantwortet, indem anhand der äußerlichen Gestaltungsform des Gesetzes eine feste, ganz genaue Grenze gezogen wird. Dies scheint zwar der einfachste Lösungsvorschlag für die Problematik der Tatbestandsalternativen zu sein, lässt sich jedoch nicht durchsetzen. Denn wenn man die alternativ gefasste Vorschrift unter allen Umständen als einen Tatbestand behandelt, dann muss man entsprechend alle Alternativen stets als ein Tatbestandsmerkmal ansehen89. Dies kann aber dort nur schwer bejaht werden, wo die einzelnen Alternativen jeweils eine komplexe Handlungsbeschreibung darstellen und sich insgesamt kaum als ein Merkmal begreifen lassen. So verhält es sich etwa in den Fällen von § 184 Abs. 1 oder § 250 Abs. 1. Wenn die Alternativen des § 184 Abs. 1 (Nr. 1 – 9) getrennt in mehreren Paragrafen geregelt würden, müsste man in jedem Paragrafen konsequent nur ein Tatbestandsmerkmal annehmen. Damit würde der Begriff des Tatbestandsmerkmals seine Bedeutung verlieren90. Es wäre also schwer nachvollziehbar, was für eine Funktion das Tatbestandsmerkmal als solches – wie etwa „wer pornographische Schrift an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, ausstellt, anschlägt, . . .“ – haben könnte. Wollte man dies (d. h. auch im obigen Fall nur ein einziges Tatbestandsmerkmal annehmen) dagegen nicht tun, dann wäre ein spezieller Tatbestandsmerkmalsbegriff als solcher, der vom allgemeinen Verständnis des Tatbestandsmerkmals abweicht und nur um Tatbestandsalternativen willen erfunden wird, nichts weiter als ein Manöver, mit dem man einen erwünschten, intuitiv für angemessen gehaltenen Erfolg erreichen kann. Diese rein erfolgsorientierte Methode ist sachlich unbegründet und deshalb abzulehnen. Daraus ist zu folgern, dass die Unrechtsverwandtschaft zwar bei der Gesetz88 89 90

So im Ergebnis: Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 382 ff., 387 ff., 401. s. näher u. 1. Teil C. I. und II. Zur Bedeutung des Tatbestandsmerkmals, vgl. näher u. 1. Teil C. IV. 1.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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gebung bzw. der Einordnung der Tatbestände durchaus eine wichtige Rolle spielt, mehr aber auch nicht. Jedenfalls bei der Beantwortung unserer Frage kann die Unrechtsverwandtschaft nicht weiter helfen.

3. Zur Erfüllung der Anforderungen des rechtsstaatlichen Gesetzlichkeitsprinzips Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber – wie Schroeder formuliert – „teils infolge des Gebots rechtsstaatlicher Präzisierung, teils infolge des zähen parlamentarischen Kampfes um die Fassung der Bestimmungen oder infolge eines Hangs zur Perfektionierung die Tatbestände“91, kurz: infolge des Gebotes der Gesetzlichkeit bzw. Bestimmtheit, immer mehr in Alternativen auflöst. Nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und Art. 7 Abs. 1 MRK kann eine Tat nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (nullum crimen sine lege). Ferner müssen Strafgesetze hinsichtlich ihrer Tatbestände und Rechtsfolgen ein Mindestmaß an Bestimmtheit aufweisen (Bestimmtheitsgrundsatz)92. Da das Strafrecht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze allein dem Rechtsgutsschutz dienen soll93, gerät der Gesetzgeber in eine Prinzipienkollision: Einerseits muss der Gesetzgeber – angesichts des Bestimmtheitsgebots – hinreichende Informationen im Tatbestand angeben; andererseits darf er – angesichts des Gebots des Rechtsgutsschutzes – den Tatbestand bzw. den strafbewehrten Handlungsumfang nicht zu eng fassen. Je mehr Informationen angegeben werden, desto kleiner wird die Extension eines Tatbestandes, solange alle Informationen miteinander kumulativ verbunden sind94. Gegenüber einem solchen Dilemma bietet der disjunktiv formulierte Begriff, also die legislative Technik der Tatbestandsalternative, einen Ausweg95. Denn nun kann der Gesetzgeber dem Tatbestand mehr Informationen hinzufügen, ohne seine Extension zu verengen. Hier beruht die Schaffung der Tatbestandsalternativen also auf der Überlegung des Bestimmtheitsgebots. a) Beschreibung der Unrechtsabstufungen Da alle Tatbestandsalternativen für die Auslösung der Rechtsfolge gleichwertig bzw. gleichrangig sind, fallen diejenigen alternativ gefassten Strafvorschriften sofort auf, in denen die Alternativen verschiedene Stadien bzw. Angriffsintensivitäten (stärkere / schwächere Angriffsformen) auf dasselbe Rechtsgut darstellen. Dies zeigt sich dort am deutlichsten, wo Tatbestandsalternativen unmittelbar Mengenbe91 92 93 94 95

Schroeder, GA 1979, S. 321. Vgl. nur Wessels / Beulke, AT, Rn. 44, 47. So ist jedenfalls die h. M.; vgl. nur – statt vieler – Roxin, AT / 1, 2 / 2 ff., 42 ff. So auch Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 255. Zum disjunktiven Begriff vgl. u. 1. Teil C. III.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

zeichnungen verkörpern. Damit wird ein Stufenverhältnis des Unrechtsgehalts zwischen diesen Alternativen bereits ausdrücklich betont; z. B. „ganz oder zum Teil“96. Sie tauchen zwar oft in Strafvorschriften auf, ihre Existenzberechtigung ist jedoch besonders rechtfertigungsbedürftig. Denn erstens steht hinter jedem Tatbestand eine wichtige Aussage darüber, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen die Vollendung einer bestimmten Straftat anzunehmen ist. Von ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen abgesehen, hat der Gesetzgeber bei der Schaffung eines Tatbestandes auch eine Untergrenze der Vollendung gezogen. Diese Grenze wird aber bei dieser Gruppe bereits durch die Hinzufügung der leichtesten bzw. der das jeweilige Rechtsgut am schwächsten beeinträchtigenden Alternative (z. B.: zum Teil) gezogen. Insofern scheinen diese Alternativen, die die intensiveren Unrechtsabstufungen (z. B.: ganz) ausdrücken, völlig überflüssig zu sein. Zweitens sind Tatbestandsalternativen gewissermaßen auf Gleichbehandlung hin gefasst, die sich einmal formell aus der Auslösung derselben Rechtsfolge, zum anderen materiell aus der für diese Norm maßgeblichen Hinsicht ergibt. Jedoch kann diesen unterschiedlich intensiven Alternativen niemals der gleich hohe Strafrahmen zukommen, wenn sie nur zu vergleichende Variablen darstellen und alle anderen Bedingungen gleich bleiben. Um einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu vermeiden, der verbietet, Ungleiches gleich zu behandeln, muss die Strafvorschrift, die diese unterschiedlich intensiven Alternativen enthält, in der Art und Weise ausgelegt werden, dass diese Alternativen jeweils verschieden hohe Strafdrohungen aussprechen. Die Hinzufügung der intensiveren Alternativen sollte vermutlich lediglich dazu dienen, den Tatbestand präziser werden zu lassen und damit das unnötige Missverständnis zu vermeiden: Wenn nur die weniger intensivere Alternative in der Vorschrift geregelt würde, könnte diese so ausgelegt werden, dass der Tatbestand dort nicht erfüllt wäre, wo der Täter die intensivere (aber im Text nicht vorgesehene) Alternative verwirklicht, weil die komparativen Begriffspaare formallogisch jeweils einander ausschließen97. Ein solches Ergebnis wäre freilich missverständlich und absurd. Im Gegenteil muss die Tatbestandsmäßigkeit erst recht dann angenommen werden können, wenn der Täter mehr Unrecht in derselben Angriffsrichtung verwirklicht als der Tatbestand verlangt. Man soll hier nämlich von dem materiellen Inhalt, also von einem Plus-Minus-Verhältnis ausgehen98. Will man einerseits auf die Einbeziehung der Tatbestandsalternativen in diesem Fall verzichten und andererseits ein oben erwähntes Missverständnis vermeiden, ist es empfehlenswert, die Alternativen intensiverer Unrechtsabstufungen zu streichen und stattdessen – wie bei erfolgsqualifizierten Delikten (§ 18) – die Worte „wenigsten“ bzw. „zumindest“ vor der am wenigsten rechtsgutsbeeinträchtigenden Alternative hinzuzufügen. Danach könnten die Tatbestandsalternativen bei § 305 Abs. 1 in die Form „wenigstens teilweise“ umgewandelt werden99. 96

Die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen; s. dazu u. 1. Teil B.

I. 2. 97 98

s. näher u. 1. Teil B. Fn. 18. s. näher u. 1. Teil B. I. 2.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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Nicht selten entnimmt man ein solches Stufenverhältnis erst durch Interpretation dem materiellen semantischen Gehalt der Alternativen, obwohl sie an und für sich keine Mengenbezeichnungen sind; z. B. „Zerstören oder Beschädigen“100. Hier scheint die Aufzählung aller Alternativen unerlässlich zu sein, wenn man den Verstoß gegen den Grundsatz „nullum-crimen-sine-lege“ vermeiden will. Hier lassen sich die Tatbestandsalternativen nicht einfach durch die oben erwähnte Operation umformulieren, ohne den strafbaren Umfang zu ändern. Da diese Alternativen an sich keine Quantoren sind und ihre eigenen semantischen Bedeutungen haben, könnten die intensiveren Alternativen ggf. nicht mehr vom Tatbestand erfasst werden, wenn nur die am wenigsten rechtsgutsbeeinträchtigende Alternative in diesem Strafgesetz vorgeschrieben wäre. Aus Sicht der materiellen Rechtsgutsverletzung stellen beispielsweise das Erlegen gegenüber dem Nachstellen in § 292 Abs. 1 Nr. 1 (Jagdwilderei) oder etwa das Gebrauchmachen von einer unechten Urkunde gegenüber ihrer Herstellung in § 267 Abs. 1 (Urkundenfälschung) die intensiveren Tatmodalitäten dar. Würden das Erlegen i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 1 und das Gebrauchmachen einer unechten Urkunde i. S. des § 267 Abs. 1 gestrichen, wäre die Strafbarkeit der beiden gestrichenen Alternativen schwer zu begründen, obwohl jeweils die am wenigsten intensivere Modalität – nämlich das Nachstellen in § 292 Abs. 1 Nr. 1 einerseits und die Herstellung einer unechten Urkunde in § 267 andererseits – noch ausdrücklich geregelt ist. Das Ergebnis ist freilich absurd, weil der Täter dadurch der Strafbarkeit entgehen kann, dass er das gleiche Rechtsgut intensiver verletzt, als es der Tatbestand verlangt. Denkbar ist ja, das Problem durch den Erst-Recht-Schluss zu beseitigen101. Könnte diese Methode stets angewendet werden, dann wären die intensiveren Alternativen hier ebenfalls überflüssig. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine solche Berichtigungsmöglichkeit scheitert z. B. bei § 146 Abs. 1. Man könnte die Strafbarkeit desjenigen, der falsches Geld auf der Straße zufällig gefunden und sogleich im Supermarkt verwendet hat, schwer begründen, wenn das Inverkehrbringen von Falschgeld vom § 146 ausgenommen würde. Es würde zu weit gehen, den Täter durch teleologische Auslegung nach der Alternative der Verfälschung bestrafen zu wollen. Somit gelangt man zum Ergebnis, dass einige Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen in Anbetracht der Gesetzlichkeit doch notwendig sind. Als letztes Bedenken gegen diese Gruppe bleibt, dass ihre Gleichwertigkeit legislative Voraussetzung für den Einsatz von So schon Warda, FS-Stree / Wessels, S. 283. Die qualitative Unrechtsabstufungen darstellenden Alternativen; s. dazu u. 1. Teil B. II. 1. 101 In dieser Art und Weise interpretiert die h. M. die letzte Alternative des § 125 Abs. 1, in dem nur „die Förderung der Gewaltbereitschaft“ im Text geregelt ist, womit die intensivere, aber ungeregelte Handlungsmodalität (das Hervorrufen einer Tatbereitschaft) ebenfalls erfasst wird (s. Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 125 Rn. 21; a.A.: Ostendorf, in: AK-StGB, § 125 Rn. 15). Das Hervorrufen einer Tatbereitschaft, die zur Tatzeit noch nicht vorhanden ist, stellt zwar eine intensivere Handlungsmodalität gegenüber der in § 125 erfassten Alternative „Förderung der Gewaltbereitschaft“ dar, wird aber eben nicht ausdrücklich in diesem Tatbestand vorgesehen. Ob es zulässig ist, eine ungeregelte Modalität durch Auslegung zu erfassen, ist aus Sicht der Gesetzlichkeit durchaus diskutabel. 99

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Tatbestandsalternativen ist. Da diese Alternativen, die qualitative Unrechtsabstufungen darstellen, jedoch ungleichwertig sind, lassen sie sich gerade nicht in derselben Gesetzesstelle bezüglich derselben Rechtsfolge zusammenfassen. Diese Überlegung sollte jedoch aufgrund derselben Angriffsrichtung hinter der der Unrechtsverwandtschaft zwischen den Alternativen zurücktreten. Ihre Zusammenfassung in derselben Gesetzesstelle ist also ihrer Regelung in unterschiedlichen Paragrafen vorzuziehen. Dies ist aber keine Frage der logischen Richtigkeit, sondern eine der geeigneten legislativen Einordnung, über die der Gesetzgeber entscheiden muss. Würden die unterschiedlich intensiven Modalitäten in mehreren Paragrafen geregelt, würden auch keine besonderen Probleme hervorgerufen werden, da diese Modalitäten in einem Einschlussverhältnis zueinander stehen, sei es im Bereich des Irrtums, der Konkurrenz oder des non liquet. Wenn der Gesetzgeber sich dagegen für die Form der Tatbestandsalternativen entscheidet, müssen die unterschiedlichen Intensitätsgerade freilich bei der Bestimmung der gesetzlichen Strafrahmen hinreichend berücksichtigt werden.

b) Kasuistische Aufzählungen Gegenüber der letzten Gruppe, deren Entstehung sich auf den Grundsatz „nulla poena sine lege“ bezieht, ist die Schaffung einiger anderer Tatbestandsalternativen ein Resultat der Forderung nach Bestimmtheit. Bevor man auf Einzelheiten eingeht, erscheint sinnvoll, den Gegensatz zwischen der kasuistischen und der generellen Beschreibungsweise kurz zu skizzieren. Da die kasuistische Aufzählung im Schrifttum oft der extensionalen Beschreibung gleichgestellt wird102, fangen wir zuerst mit der Erörterung des Begriffspaars „extensionale“ – „intensionale“ Betrachtungsweise an. aa) Extensionale und intensionale Beschreibung Im Bereich des BT hat der Strafgesetzgeber die Aufgabe, den Unrechts- und Schuldgehalt der einzelnen vorgeworfenen Handlungstypen (Straftaten) im Tatbestand möglichst vollständig und bestimmt zu formulieren. Durch die genaue Beschreibung der Tatbestandsmerkmale wird die Gefahr vermieden, zumindest erheblich verringert, dass die Subsumierbarkeit des konkreten Sachverhalts unter das Strafgesetz mehr oder weniger von der Willkür des Richters abhängt. Bei der Bestimmung eines Tatbestandsmerkmals kann man – ebenso wie bei der Beschreibung jenes Begriffs – entweder von der Extension (Anwendungsfall) oder von der Intension (Bedeutung) ausgehen103. Während bei der extensionalen Be102 Z. B. Zippelius, Methodenlehre, 2005, S. 76; wohl auch Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 116 f. 103 Zur Korrelation zwischen der Intension und Extension des Begriffs, vgl. Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 233 ff., 148 ff.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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trachtungsweise auf die Gegenstände, auf die der Begriff zutreffen soll, abgestellt wird, gibt man bei der intensionalen Betrachtungsweise diejenigen Informationen an, die der Gegenstand aufweisen muss, um dem Begriff zugeordnet werden zu können104. Für den Gesetzgeber ist es viel leichter, in Erfahrung zu bringen, welchen Gegenständen ein Begriff entspricht (die Ermittlung der Extension) als zu ermitteln, welche Eigenschaften bestimmte Gegenstände einem untersuchten Begriff zufolge haben müssen (die Bestimmung der Intension)105. Deshalb ist es der Regelfall, dass die Gegenstände (anzuwendende Fälle) im Tatbestand angegeben und aufgezählt werden106, und zwar in Form der Tatbestandsalternativen. Eben dadurch wird der irreführende Eindruck erweckt, die Aufzählung der Tatbestandsalternativen sei mit der extensionalen Bestimmung gleichbedeutend. Tatsächlich aber hat die extensionale Bestimmung auf dieser Ebene noch nichts direkt mit der alternativen Formulierung zu tun. Denn nicht nur bei der extensionalen, sondern auch bei der intensionalen Bestimmung stehen dem Gesetzgeber – aus Sicht der legislativen Technik – zwei Formulierungsweisen zur Verfügung, nämlich die prinzipielle Beschreibung (ein einheitlicher Ausdruck)107 und die kasuistische Formulierung (Tatbestandsalternative). Nur dann, wenn man sich für das kasuistische Vorgehen entscheidet und mehrere Ausdrücke disjunktiv aufzählt, tritt die Rechtsfigur der Tatbestandsalternative in Erscheinung, gleichgültig, ob sie sich auf die Gegenstände (Extension) eines Begriffs oder auf dessen Bedeutung (Intension) bezieht. Man kann also einerseits bei der extensionalen Beschreibung den Gegenstand durch einen einheitlichen Ausdruck bzw. Gattungsbegriff formulieren (die prinzipielle, generelle Beschreibung); das hat dann freilich nichts mit der kasuistischen Aufzählung zu tun. Andererseits können mehrere Eigenschaften bei der intensionalen Beschreibung ebenfalls kasuistischalternativ aufgezählt werden (die kasuistische Formulierung)108. Ein Beispiel für die kasuistische Beschreibungsweise einer Begriffs-Intension ist die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Abfallgesetz, nach der unter Abfall solche beweglichen Sachen zu verstehen sind, „deren sich der Besitzer entledigen will oder deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Schut104 Siehe dazu Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 103; Wank, Begriffsbildung, 1985, S. 35 ff. 105 Vgl. Herberger / Koch, JuS 1978, S. 811 (nur in Bezug auf sprachliche Zeichen). 106 Zu beachten ist, dass jeder Ausdruck im Tatbestand – auch bei der Aufzählung der Extension – stets abstrakt sein muss, weil jeder Rechtssatz allgemeingültig sein muss. Auch bei der extensionalen Beschreibung muss der Gesetzgeber also die konkreten, anzuwendenden Fälle abstrahieren bzw. verallgemeinern, d. h. in ihren gemeinsamen wesentlichen Merkmalen erfassen. 107 Bei der prinzipiellen Beschreibung bzw. dem einheitlichen Ausdruck geht es nicht nur um den Fall, in dem sich der auszudrückende Begriff durch ein einziges Wort beschreiben lässt, sondern auch um den Fall, in dem zwar mehrere Wörter zur Beschreibung eines Begriffs einbezogen werden, aber miteinander kumulativ verbunden sind. 108 So auch Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 103; Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 235 ff.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

zes der Umwelt, geboten ist“. Diese Formulierung stellt sowohl eine intensionale109 wie auch eine kasuistische Beschreibung dar. Daraus ersieht man deutlich, dass die beiden Begriffspaare – nämlich „die extensionale und intensionale Beschreibung“ einerseits sowie „die kasuistische Aufzählung und die prinzipielle Beschreibung“ andererseits – im Grunde genommen auf unterschiedlichen Ebenen liegen und keine logisch zwingende Verbindung zwischen diesen beiden Einteilungen vorhanden ist. Tatbestandsalternativen können also bei der extensionalen ebenso gut wie bei der intensionalen Bestimmungsweise eingesetzt werden, weshalb die extensionalen Beschreibungen den kasuistischen Aufzählungen nicht gleichgestellt werden dürfen. Da es bei den Tatbestandsalternativen ausschließlich um kasuistische Aufzählungen geht, gehen wir im Folgenden auf die zweite Einteilung ein.

bb) Wahlmöglichkeiten zwischen der kasuistischen oder der generellen Beschreibungsweise Zunächst kann ein Tatbestandsmerkmal auf „kasuistische“ Weise formuliert werden. Unter der kasuistischen Aufzählung ist eine Beschreibungsweise zu verstehen, durch welche mehrere Ausdrücke alternativ miteinander zusammengefasst werden, ohne Verwendung ihres Gattungsbegriffs110. In einer solchen Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes werden besondere Gruppen in ihrer spezifischen Eigenart unter Verzicht auf weitergehende Verallgemeinerung beschrieben111. Die Vorschrift stellt eine klare „Check-Liste“ der aufgezählten Ausdrücke (Eigenschaften od. anzuwendende Gegenstände) für den Rechtsanwender dar und Vgl. Puppe, GA 1990, S. 160; Enderle, Blankettstrafgesetze, 2000, S. 22 ff. Anders ausgedrückt: „das Haften am Einzelnen im Gegensatz zur Abstraktion, das Verzetteln im Zufälligen ohne Konzentration und Aufsteigen zum Allgemeinen, zum Wesentlichen und Gleichartigen“ (Wach, Legislative Technik, 1908, S. 37). Nach dem geläufigen Verständnis ist der Begriff der Kasuistik entweder als Gegenbegriff der Generalklausel zu begreifen (Engisch, Einführung, 1997, S. 156; Krey, Gesetzesvorbehalt, 1977, S. 81, 97), oder auf der extensionalen Beschreibung zu beschränken (Zippelius, Methodenlehre, 2003, S. 77). Betrachtet man aber die Gegenüberstellung von Kasuistik und Generalklausel als vollständige und absolute Dichotomie, die für alle Normen gelten soll, dann müssten viele Normen, einschließlich der intensionalen Beschreibung des Abfalls in § 1 Abfallgesetz, als Generalklausel angesehen werden. Dies könnte dennoch mit der verbreiteten Definition der Generalklausel nicht zu vereinbaren sein. Um den Streit über den Sprachgebrauch zu vermeiden, wird unter „Kasuistik“ im Folgenden die alternative bzw. disjunktive Formulierung verstanden, gleichgültig ob es um die Extension oder Intension eines Begriffs geht. Demgegenüber gehören alle nicht disjunktive Formulierungen zur generellen Beschreibung. Die generelle Beschreibung ist gekennzeichnet durch einen einheitlichen Ausdruck (Gattungsbegriff), sei es durch ein einziges Wort oder durch mehrere kumulativ verbundene Wörter. 111 Vgl. dazu Engisch, Einführung, 1997, S. 156 f. Der Einsatz der Kasuistik kann freilich auch auf die Geschicklichkeit der gesetzgeberischen Technik oder auf die sprachliche Schwierigkeit zurückführen sein; vgl. näher dazu u. 4. 109 110

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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hat deshalb den Vorteil größerer Rechtssicherheit112. Dies bringt es aber unumgänglich mit sich, dass der Rechtsstoff nur fragmentarisch, lückenhaft bewältigt werden kann113, und führt dazu, dass die Gesetze damit der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht immer gerecht werden können114. Ein Beispiel dafür ist die alte Fassung der Brandstiftung (§ 308 Abs. 1 a. F.); an ihrer abschließenden kasuistischen Aufzählung der in Frage kommenden Brandobjekte wurde kritisiert, dass sie angesichts anderer im Wert vergleichbaren oder sogar wertvolleren Gegenstände, die aber nicht im Katalog aufgeführt waren, willkürlich anmutete115. Deswegen wird vertreten, dass kasuistische Regelungen lediglich dann gewählt werden sollten, wenn vernünftigerweise nur wenige Gruppen existieren und diese deutlich abgrenzbar sind116. Auch dann wird der kasuistischen Aufzählung immer ein Makel der Starrheit anhaften, die sich darin äußert, dass der Gesetzgeber immer gleich Gesetzesreformen betreiben muss, wenn er neue Alternativen hinzufügen117 oder vorhandene ausstreichen will. Will man dagegen die Unvollständigkeit und Starrheit der kasuistischen Aufzählung nicht hinnehmen, hat man die gegensätzliche Möglichkeit der generellen Formulierungsweise für die Beschreibung eines Begriffs zur Verfügung118. Der Gesetzgeber kann nämlich ganz auf die konkrete Beschreibung verzichten und einen demgegenüber umfassenderen, aber dafür relativ inhaltsärmeren Begriff (Gattungs- od. Allgemeinbegriff) verwenden. Seine Abstraktheit ermöglicht es dem Gattungsbegriff, all seine Unterbegriffe auf einmal und lückenlos zu umfassen119, wodurch er zur größeren Elastizität bei der Anwendung des Gesetzes beiträgt.

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A. A. Eisele, Regelbeispielsmethode, 2004, S. 10 f. m. w. N. s. Engisch, Einführung, 1997, S. 160; Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 187, 193,

264. Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 19. So z. B. Schönke / Schröder / Cramer, StGB, 25. Aufl., 1997, § 308 Rn. 2; Eisele, Regelbeispielsmethode, 2004, S. 11. 116 s. Hill, Gesetzgebungslehre, 1982, 112; Wach, Legislative Technik, 1908, S. 64 f. 117 An der Reformgeschichte des § 123 lässt sich die Starrheit der kasuistischen Aufzählung deutlich ablesen; vgl. dazu Amelung, ZStW 98 (1986), S. 355 ff., 402. 118 Hervorzuheben ist jedoch, dass die generelle Formulierungsweise nicht immer der „Generalklausel“ gleichzustellen ist. Das hängt freilich stark von der Definition der Generalklausel ab, die in der Literatur allerdings sehr divergent ist (zusammenfassend: Gartka, Generalklauseln, 1976, S. 96 ff.). Es wird auch vorgeschlagen, diesen Sprachgebrauch durch die „prinzipielle Regelung“ oder „Prinzipregelung“ zu ersetzen (z. B.: Kurt, Schweizerische Juristen-Zeitung, 1941, S. 337, 340 f.; F. Weber, ZSchwR, 1950, S. 279 f.; Schroeder, GA 1990, S. 97 f. bei Anm. 5). Um Streitigkeiten über den Sprachgebrauch zu vermeiden, wird unter der generellen Beschreibung in dieser Untersuchung nur diejenige Formulierung verstanden, die sich nicht durch Alternativen, sondern durch einen einheitlichen Ausdruck (Gattungsbegriff) auszeichnet, sei es durch ein einziges Wort oder durch mehrere kumulativ verbundene Wörter; s. auch o. Fn. 107. 119 s. dazu Engisch, Einführung, 1997, S. 160. 114 115

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

In der Tat ist der Begriff „generell“ ein relativer. Da jeder Rechtssatz allgemeingültig sein muss, muss der Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestandes die Fülle der gleichartigen Erscheinungen (Fälle) in ihren gemeinsamen wesentlichen Merkmalen erfassen120. Dies gilt natürlich auch für die alternative Aufzählung, weswegen die Formulierung jeder Alternative im Tatbestand ebenfalls stets abstrakt sein muss. Im Verhältnis zu den konkreten Fällen, die vom Tatbestand erfassen werden, nimmt sich die Formulierung der Alternativen freilich genereller aus, obwohl sie im Vergleich mit ihrem Gattungsbegriff kasuistisch sind. Die Zuordnung zu den Relationsbegriffen „generell“ (allgemein) und „speziell“ ist danach nur relativ121 und nur in Bezug auf ihr jeweiliges Korrelat interpretierbar. Es handelt sich letztlich nur um eine Frage der Abstraktionshöhe. In der Literatur wird auch darauf hingewiesen, rein theoretisch gesehen bestehe keine logisch zwingende Verbindung zwischen den Forderungen der Verständlichkeit sowie der Präzision einerseits und der Wahl der generellen oder kasuistischen Regelung andererseits122. Denn die Beantwortung der Frage, ob eine Formulierung präzis bzw. bestimmt ist, hänge überwiegend davon ab, ob sie in der Sprache oft und allgemein verwendet werde und zugleich anschaulich sei. Unbestimmt seien diejenigen Tatbestände, in denen vage Begriffe verwendet würden und deren Verwirklichung im Einzelfall nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne123. Der generellere, abstraktere Begriff liege danach zwar stets auf einer höheren Abstraktionsebene als weniger generelle, brauche deswegen jedoch nicht schwerer verständlich als konkretere Begriffe zu sein124. Hingegen könne auch die Kasuistik schwer verständlich sein, wenn von einer seltenen bzw. ungewöhnlichen Sprache Gebrauch gemacht werde. Dies mag richtig sein. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass ein abstrakter Gattungsbegriff in der Praxis häufiger Rechtsunsicherheit mit sich bringt als kasuistische Aufzählung125. Zwar ist die kasuistische Aufzählung 120 Hier verwendet der Gesetzgeber häufig die Methode der „umgekehrten Subsumtion“, nämlich die Umkehrung der Subsumtion in der Rechtsanwendung. Dadurch sind die Tatbestände im Wege der Abstraktion aus der Fülle des tatsächlichen Geschehens gewonnen; s. näher dazu u. 1. Teil C. IV. 3. a). 121 So schon Engisch, Einführung, 1997, S. 158; ihm folgend: Krey, Gesetzesvorbehalt, 1977, S. 81, 97; Eisele, Regelbeispielsmethode, 2004, S. 13; ähnlich Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 107, 111. 122 So z. B. Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 264 f.; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 129; Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 113 f. 123 Vgl. Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 256; Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 113 f. 124 Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 230, 255 f., 264 f. 125 Vgl. dazu Wach, Legislative Technik, 1908, S. 41; F. Weber, ZSchwR, 1950, S. 280; Noll, JZ 1963, S. 300; Arthur Kaufmann, Analogie, 1982, S. 50; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 20. Nach Eser wird der Gebrauch der Generalklauseln spätestens dann verfassungswidrig, wenn diese Gesetzestechnik vermeidbar ist, so namentlich dort, wo der Gesetzgeber die ihm auferlegte Wertentscheidung an den Richter abschiebt, obgleich ihm eine weitere Konkretisierung möglich ist, oder wo es eine weniger unbestimmte, aber gleichermaßen funktionsfähige Regelungsalternative gibt.

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länger, komplizierter, unübersichtlicher und daher starrer126, aber meistens doch exakter, wodurch dem Richter weniger Ermessen eingeräumt wird127. Deshalb ist die Frage, welches der beiden Modelle man bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes verwenden soll, am Ende keine der Richtigkeit128, sondern eine Frage der Zwecksetzung. Bei der Schaffung eines Tatbestandes stellt sich zuerst die Frage, welche Fälle von ihm erfasst werden sollen und welche nicht. Will man nur für eine bestimmte Gruppe von Fällen eine Entscheidung treffen und die Ausdehnung auf andere Fälle ganz ausschließen, dann ist die Kasuistik geboten; will man dagegen eine grundsätzliche Lösung treffen, die eine einheitliche Behandlung ganz verschiedener Fallgruppen ermöglichen soll, dann liegt die Verwendung einer generellen Formulierung bzw. eines Gattungsbegriffs nahe129. Sicher ist auf jeden Fall, dass ausschließlich der Strafgesetzgeber imstande und befugt ist, zu entscheiden, wie eine Straftat formuliert werden soll.

cc) Nebeneinanderstellung von Beispielen und Auffangklausel Die generelle und die kasuistische Formulierungsmethode stellen zwar zwei polare Wahlmöglichkeiten dar, schließen sich innerhalb einer Rechtsmaterie jedoch nicht immer aus und können sich ggf. sogar gegenseitig ergänzen. Letzteres ist bei der Nebeneinanderstellung von Beispielen (detaillierte Aufzählung) und ihrem Gattungsbegriff (Auffangklausel) der Fall. Bei der generellen Beschreibung lassen sich alle möglichen strafwürdigen Fälle zwar allein mit dem Gattungsbegriff umfassen, dieser kann aber ggf. sehr vage und unbestimmt sein. Mit einem vagen Begriff könnte die Grenze der Strafbarkeit nicht mehr deutlich erkannt werden, was möglicherweise zur Folge hätte, dass viele nicht strafwürdige Fälle unerwünschterweise mit erfasst wären. Es läge ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 GG) vor. In diesem Fall kann der Gesetzgeber jedoch einige konkretere Beispiele neben dem Gattungsbegriff hinzufügen, um seinen Anwendungsbereich präziser zu umreißen und dadurch dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen, ohne den Umfang der Strafbarkeit zu ändern. Dadurch wird die Rechtsunsicherheit gewissermaßen reduziert. Ein solcher Mittelweg wird als „exemNoll, JZ 1963, S. 300; Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 116. Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 264. 128 Dagegen werden allgemeine, abstrakte Formulierungen in der Literatur eher befürwortet als kasuistische Regelungen. In „Legistische Richtlinien 1979“ vom Bundeskanzleramt in Österreich, I. 4. wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen: „Kasuistische Regelungen sind zu vermeiden“ (s. dazu Winkler / Schilcher, Gesetzgebung, 1981, S. 225). Dabei wird die Fähigkeit, generelle Regelungen exakt zu formulieren, doch eher überschätzt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist das kurze, auf generellen Formulierungen beruhende Gesetz oft keineswegs ideal (Höhn, Methodik, 1993, S. 24). 129 F. Weber, ZSchwR, 1950, S. 280. 126 127

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

plifizierende Methode“, „Exemplifikation“130 oder „Beispielsschilderung“131 bezeichnet. Hierher gehören die beispielhaften Umschreibungen132. Da der Gesetzgeber in dieser Konstellation von vornherein nicht mehrere Straftattypen beschreiben, sondern lediglich einen einzigen, einheitlichen Tatbestand schaffen will, darf dieser nicht durch Hinzufügung von Beispielen in mehrere Tatbestände gespalten werden. So erfasst z. B. § 291 in Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 („für eine sonstige Leistung“) alle Vorgänge, die Gegenstände des Wuchers sein können; die Vermietung von Wohnräumen (Nr. 1) und die Kreditgewährung (Nr. 2) haben keine selbstständig strafbegründende Bedeutung, sondern werden als in der Praxis häufige Erscheinungsformen des Wuchers bzw. als Beispiele ausdrücklich genannt, um die Vorschrift anschaulicher zu gestalten133. § 291 geht daher von einem einheitlichen Wucherbegriff – nämlich Leistungswucher – aus und enthält damit nur einen einheitlichen Tatbestand. Weitere Beispiele für solche Alternativen finden sich etwa in § 202 Abs. 1 Nr. 1, wo sich die Auffangklausel „Schriftstück“ an ihr konkreteres Beispiel „Brief“ anschließt, oder in § 325 Abs. 1 „beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder Maschine“. Die Aufzählung der Beispiele ist nicht abschließend gemeint. Stets dann ist der Tatbestand in diesen Fällen erfüllt, wenn einer der durch das Wort „insbesondere“ konkretisierten Fälle vorliegt134. Insoweit unterscheiden sich die Exemplifikationen von den Regelbeispielen, die nur die Indizwirkung haben135. Darüber hinaus bringt kasuistische Exemplifizierung den Vorteil, dass sie für die Interpretation der unbestimmten Begriffe im Obersatz Hinweise gibt136. Die hinzugefügten Beispiele erlauben also einen Vergleich mit neuen Fällen und verdeutlichen den Standard, der bei der Anwendung der generellen Beschreibung eingehalten werden soll137. Das trifft namentlich dort zu, wo die Vergleichbarkeit bzw. Ähnlichkeit ausdrücklich gefordert wird. Beispiele sind etwa die Formulierung „im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewahrung des Gebrauchs“ in § 184 Abs. 1 Nr. 3a und die Verweisung auf einen ähnlichen Eingriff in § 315b Abs. 1 Nr. 3. Da man dadurch 130 Siehe dazu Wach, Legislative Technik, 1908, S. 41 ff.; Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 264 ff.; Arthur Kaufmann, Analogie, 1982, S. 50; Engisch, Einführung, 1997, S. 159. 131 Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 3 / 71. 132 s. dazu u. 1. Teil B. I. 3. 133 Arzt / Weber, BT, 24 / 6. Durch das 1. WiKG von 1976 wurden die zuvor recht unübersichtlich in selbstständigen Tatbeständen (§§ 302a-e a. F.) geregelten Erscheinungsformen des Wuchers – Kredit-, Sach- und Mietwuchers – in ein und derselben Vorschrift, § 302a (jetzt § 291), zusammengefasst. 134 Schneider, Gesetzgebung, Rn. 362; vgl. auch u. 1. Teil B. I. 3. a). 135 Vgl. dazu o. Fn. 65. Jedoch werden Regelbeispiele im Schrifttum überwiegend als eine Unterart der Exemplifikation angesehen (z. B. Engisch, Einführung, 1997, S. 159 bei Anm. 44; Eisele, Regelbeispielsmethode, 2004, S. 9 ff., 14 ff.). Das würde freilich heißen, dass das hier Erörterte nicht notwendiger Inhalt aller Exemplifikation ist. Darauf kann und soll hier nicht eingegangen werden. 136 Garstka, Generalklauseln, 1976, S. 117. 137 Schneider, Gesetzgebung, 2002, Rn. 68.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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zwischen den Nachteilen einer starren Kasuistik hinsichtlich der materiellen Gerechtigkeit einerseits und denen einer bloßen Generalisierung im Hinblick auf die Rechtssicherheit andererseits vermitteln kann138, wird eine solche Verbindung von detaillierter Aufzählung mit einer General- bzw. Auffangklausel im Schrifttum als sehr geeignetes gesetzestechnisches Mittel angesehen139. Wegen der Auffangklausel ist evident, dass der Gesetzgeber hier nicht mehrere, sondern nur einen einzigen Tatbestand schafft. Denn der Gesetzgeber hätte auf die beispielhaften Alternativen verzichten und diesen Tatbestand nur mit diesem Gattungsbegriff formulieren können. Ein aufschlussreiches Beispiel zeigt die Reformgeschichte des § 325 Abs. 1 (Luftverunreinigung). In der alten Fassung (Nr. 1) fanden sich Beispiele für Luftverunreinigungen wie das Freisetzen von Staub, Gasen, Dämpfen oder Geruchsstoffen; in der Neufassung des § 325 Abs. 1 hat der Gesetzgeber bewusst auf die Erwähnung dieser Beispiele verzichtet, wodurch der Tatbestand vereinfacht werden sollte140. Niemand sollte ernsthaft auf die Idee kommen, der Gesetzgeber habe mit dieser Gesetzesreform bezweckt, mehrere Tatbestände in einen umzugestalten141. Die Hinzufügung der disjunktiv verbundenen Beispiele, mit denen dem Bestimmtheitsgebot besser entsprochen werden soll, sollte also auf der anderen Seite auch nicht die Spaltung des Tatbestandes in mehrere herbeiführen. 4. Sprachliche Schwierigkeiten Bei der Ausgestaltung strafrechtlicher Tatbestände hat der Gesetzgeber jedoch nicht selten weder die Technik der generellen (prinzipiellen) Beschreibung noch die der Exemplifikation verwendet, sondern ausschließlich den Weg der Kasuistik beschritten. Hier stellen Tatbestandsalternativen Enumerationen der zu umfassenden Gegenstände dar. Der Grund dafür, den Weg der Kasuistik zu beschreiten, bezog sich ursprünglich auf die Geschicklichkeit der gesetzgeberischen Technik. Einerseits stellten die früheren einfachen Rechtsverhältnisse keine großen Anforderungen an die Gesetzgebung142; andererseits vermochte man den jeweils typischen zugrunde liegenden Unwert manchmal noch nicht auf einen allgemeinen Begriff zu bringen143. In archaischen Gesellschaften erfolgte die Gesetzgebung deshalb nicht abstrahierend und generalisierend, sondern eher phänomenologisch nach den im täglichen Leben begegnenden Fallgruppen. Erst allmählich gelang es, diese kaGünther, Verurteilungen, 1976, S. 59. Z. B. Wach, Legislative Technik, 1908, S. 41 f.; Hassemer, Tatbestand, 1968, S. 158; Haft, JuS 1975, S. 481; Höhn, Methodik, 1993, S. 24; Engisch, Einführung, 1997, S. 159. 140 So ausdrücklich in BT-Drucksache 12 / 192, S. 11, 18. Die Literatur geht ebenfalls davon aus; vgl. nur Schönke / Schröder / Stree / Heine, StGB, § 325 Rn. 2. 141 Nach Meurer bilden aber die Beispiele und ihr Gattungsbegriff mehrere Tatbestände (ders., JuS 2001, L. 19). Diese irreführende Darstellung ergibt sich daraus, dass er den Tatbestand und die Verwirklichungsvarianten miteinander verwechselt hat. 142 Kurt, Schweizerische Juristen-Zeitung, 1941, S. 337. 143 Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 3 / 70; so auch M. E. Mayer, AT, 1923, S. 124. 138 139

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

suistischen Regeln in allgemeinen Vorschriften zusammenzuführen144. Die Verwendung der generellen Beschreibung hing damals m. a. W. gewissermaßen mit dem Reifegrad der gesetzgeberischen Technik zusammen, weshalb der kasuistischen Aufzählung manchmal sogar das Resultat des Unvermögens vorgeworfen wird, eine passende generelle Formulierung zu finden145. Dennoch verwendet der moderne Gesetzgeber die kasuistische Beschreibungsweise nicht etwa – zumindest nicht immer –, weil er wegen einer ungeschickten bzw. unreifen legislativen Technik nicht anders könnte, sondern vielmehr aus gutem Grund. Denn sowohl die Verwendung einer generellen Formulierung als auch die exemplifizierende Methode setzen stets voraus, dass ein sinnvoller Gattungsbegriff vorhanden ist. Diese Voraussetzung ist aber nicht immer erfüllt146. Der im Jahre 1998 weggefallene Tatbestand der Kindestötung (§ 217 I a. F.) ist hierfür ein gutes Beispiel. Gemeint ist die Formulierung „in oder gleich nach der Geburt“. Diese Situation147 lässt sich schwer mit einem einzigen Ausdruck beschreiben, sei es in der medizinischen, juristischen Fachsprache oder in der Umgangsprache. Auch die ausführliche Aufzählung des § 168 Abs. 1 (nämlich: „den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen“) ist ein Produkt der sprachlichen Formulierungsschwierigkeit. Hier kann der Gesetzgeber einerseits das Tatobjekt nicht anhand eines einzigen passenden Ausdrucks beschreiben und will andererseits auch nicht mehrere unterschiedliche Deliktstypen schaffen. Infolge des Gebots rechtsstaatlicher Präzisierung ist der Gesetzgeber verpflichtet, den gesetzlichen Tatbestand möglichst genau zu formulieren. In den Konstellationen aber, in denen sich ein Begriff bzw. eine Situation aus sprachlichen Gründen überhaupt nicht mit einem einzigen Wort ausdrücken lässt, gibt es keine andere Wahl als diesen Begriff mit mehreren Wörtern zu bezeichnen. Zunächst können diese Wörter miteinander kumulativ bzw. konjunktiv verknüpft werden. Jedoch kann damit das Problem der Vagheit noch nicht dadurch unbedingt gelöst werden, sondern sich im Gegenteil sogar verschlimmern, solange nämlich jede der Formulierungen zwar immer alle denkbaren Fälle in den Randbereichen des Begriffs erfasst, dabei aber doch vage bleiben muss148. Demgegenüber eröffnet die kasuistische Aufzählung Vgl. dazu Schroeder, GA 1990, S. 97. So z. B. Adamovich, Gesetzestechnik, 1981, S. 204 ff., 208. 146 Das hängt freilich sehr eng mit der Sprache zusammen. Die sprachliche Ordnung und Systematisierung des Welt-Erlebens können dabei – wie die vergleichende Linguistik lehrt – in ganz unterschiedlicher Weise auseinander fallen. Das gleiche Vorstellungsbild lässt sich manchmal in der einen Sprache durch einen einzigen Ausdruck beschreiben, in der anderen hingegen nur durch eine Aufzählung. In manchen Indianersprachen werden z. B. grüne und blaue Objekte mit der gleichen Farbbezeichnung belegt (Schünemann, in: Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, S. 4), im Chinesischen kann man das Schaf (mian-yang) und die Ziege (shan-yang) gemeinsam durch den Gattungsbegriff „yang“ ausdrücken. 147 Diese Formulierung bezieht sich hier in der Tat nicht auf einen ganz bestimmten Zeitraum, sondern ist – ähnlich wie bei der Provokation des § 213 – psychologisch zu verstehen; vgl. dazu Schönke / Schröder / Eser, StGB, 25. Aufl. 1997, § 221 Rn. 8. 144 145

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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bzw. die disjunktive Formulierungstechnik dem Gesetzgeber einen Ausweg149. Denn durch sie wird das Begriffsfeld inhaltlich plastischer und deutlicher. Dass der Gesetzgeber die Tatbestandsalternativen ggf. nur der sprachlichen Schwierigkeit wegen eingesetzt hat, wird im Schrifttum häufig als Gegenargument zur These Bindings eingeführt150, wonach die alternativ gefasste Vorschrift stets als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände angesehen werden solle151. Dem Schrifttum kann man wohl zustimmen. Denn die Möglichkeit ist durchaus nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber die alternative Formulierung nur zur Beschreibung eines, nicht aber mehrerer Begriffe verwendet. Hier hat er sich offensichtlich besondere Mühe gegeben, den Tatbestand möglichst präzis zu bestimmen. Wenn diese Vorschrift nur wegen der alternativen Formulierung so behandelt würde, als sei sie in mehrere Tatbestände gespalten, gereichte dem Täter die präzisere Formulierung des Gesetzes zum unverdienten Vorteil – etwa beim Alternativenirrtum oder non liquet zwischen Alternativen152. Es käme also zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass der Gesetzgeber deshalb für eine solche Strafbarkeitslücke „sanktioniert“ werden soll, weil er seine Aufgabe – den Tatbestand möglichst präzis zu bestimmen – gewissenhafter erfüllt hat. Daraus ergibt sich, dass man die Alternativen dann als ein einziges Tatbestandsmerkmal ansehen soll, wenn ihr Entstehungsgrund in sprachlichen Schwierigkeiten liegt. Jedoch muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass die sprachliche Schwierigkeit logischerweise immerhin überhaupt die sprachliche Möglichkeit voraussetzt, die einschlägigen Alternativen durch einen Ausdruck einheitlich zu formulieren. Wenn es dagegen eine solche Möglichkeit gar nicht gibt, dann kann der Grund für den Einsatz von Alternativen auch nicht mehr die sprachliche Schwierigkeit sein. Auf die Frage, wie man eine solche sprachliche Möglichkeit feststellen kann, werden wir unten eingehen153. Vgl. Puppe, GS-Armin Kaufmann, 1989, S. 21, 31. Zur Formulierungsweise der Disjunktion, vgl. näher u. 1. Teil C. III. 150 So z. B.: M. E. Mayer, AT., 1923, S. 124; WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 43. 151 Eine „Zusammenziehung mehrerer Strafgesetze“ (Binding, Normen I, 1922, S. 205 ff., II / 2, 1916, S. 931 ff.); vgl. auch o. Fn. 81. 152 Obwohl der Gesetzgeber alle Straftaten durch Ausgestaltung der Tatbestände – etwa Diebstahl, Betrug, Erpressung, Untreue usw. – im Gesetzbuch typisiert hat, können freilich noch einige Strafbarkeitslücken bestehen, womit dem Täter dank der präziseren Formulierung des Gesetzes ein unverdienter Vorteil zugute kommt. Angesichts des Gesetzlichkeitsprinzips darf man diese Lücken der Strafbarkeit dennoch nicht durch Auslegung schließen; sie gehören also zur Garantenfunktion des Tatbestandes. Dabei handelt es sich aber um etwas anderes als bei der hier zu behandelnden Konstellation. Dort muss der Gesetzgeber unterschiedliche Straftattypen anhand verschiedener Tatbestände bestimmen und müssen dementsprechend die Lücken zwischen Tatbeständen hingenommen werden. Hier will der Gesetzgeber dagegen nicht mehrere, sondern einen einzigen Begriff beschreiben und damit nur einen einzigen Tatbestand schaffen, der sich wegen der sprachlichen Schwierigkeiten nur alternativ fassen lässt. 153 s. dazu C. IV. 2., 3., 4. – 8. und V. 148 149

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

5. Andere denkbare Gründe a) Zum Ausschluss der Bagatellfälle? Es wird auch vertreten, dass die Alternativen dann als eine Einheit anzusehen sind, wenn das Gesetz zwar nicht alle mögliche Angriffsformen oder Angriffsobjekte erschöpfend, aber jedenfalls bis auf unbedeutende Randbereiche erfassen will. Denn die Umreißung der Alternativen wirkt hier weniger strafbegründend als vielmehr derart, dass Bagatellfälle ausgeschieden werden sollten, m. a. W., der Gesetzgeber hat der Aufzählung der Alternativen überhaupt nur die Funktion von Randkorrekturen zugedacht154. Die Beschreibung des Gefährdungserfolgs des § 315c Abs. 1 wird oft als Musterbeispiel hierfür angeführt: Die Gefährdung von Leib und Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert betrifft zwar nicht alle denkbaren Objekte der Gefährdung; ausgeklammert bleiben jedoch nur fremde Sachen von geringem Wert, bei welchen es sich lediglich um einen kleinen Sektor, eben um die Bagatellfälle handelt155. Ist dieser Denkansatz richtig, so sind die Alternativen immer dann als ein Ganzes zu behandeln, wenn ihr Einsatz offensichtlich dem Ausschluss von Bagatellfällen dient. Jedoch drängt sich hier die technische Frage auf: Wann bzw. unter welchen Bedingungen ist dies anzunehmen? Nicht zu übersehen ist, dass die Hinzufügung jedes Tatbestandsmerkmals – freilich auch jeder Alternative – der Ausklammerung der nicht strafwürdigen Fälle dient. Angesichts des Charakters der kasuistischen Beschreibung bieten Aufzählungen der Alternativen immer nur einen fragmentarischen Schutz an, solange man ihren Gattungsbegriff – wie etwa bei der Exemplifikation – nicht hinzugefügt hat. Durch die Aufzählung der Alternativen werden die nicht strafwürdigen bzw. im Gesetzestext unerwähnten Fälle ausgeschieden, gleichgültig, ob sie als Bagatellfälle zu qualifizieren sind oder nicht. Z. B. will der Gesetzgeber in § 149 Abs. 1 nur bestimmte Vorbereitungshandlungen zur Geld- oder Wertzeichenfälschung mit Strafe bedrohen, weswegen er die zur unmittelbaren Hervorbringung von Falsifikaten erforderlichen Vorrichtungen beschreibt, deren objektiv eindeutiger Bezug zur Fälschungshandlung den staatlichen Angriff legitimieren kann. Im Vergleich dazu liegt die Besonderheit der Alternativen der Gefährdungserfolge in § 315c Abs. 1 wohl darin, dass die ausgeschiedenen Fälle in § 315c Abs. 1 relativ deutlich erkennbar sind. Dies ist dennoch kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied. Die Anhänger dieser These sind Argumente dafür schuldig geblieben, warum ein quantitativer Unterschied als solcher zu einer qualitativ differenzierten Behandlung führen kann. Ein denkbarer vernünftiger Grund wäre: Dort, wo der Gesetzgeber bei der Beschreibung eines Tatbestandsmerkmals fast alle Artbegriffe eines Gattungsbegriffs aufzählt, hätte dieses Merkmal durch diesen Gattungsbegriff ebenso gut formuliert werden können, weshalb man ihn – nicht die Alternativen – als eigentliches Tat154 155

So z. B. Schroeder, GA 1979, S. 325, 327. Schroeder, a. a. O., S. 325.

A. Begriffsbestimmung der Tatbestandsalternativen und ihre Entstehungsgründe

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bestandsmerkmal ansehen sollte. Dies entspräche allerdings nichts anderem als einer gewundenen Berufung auf den Gattungsbegriff oder auf die sprachliche Schwierigkeit. Auf die These der „Suche nach dem Gattungsbegriff“ werden wir später noch zurückkommen156. Zum Ersatz der Alternativen durch den Gattungsbegriff ist hier nur noch eines anzumerken. Zum Zweck des Ausschlusses bestimmter Fallgruppen stehen unterschiedliche legislative Methoden zur Verfügung157. Bei der Auswahl der legislativen Formulierungsmöglichkeiten muss der Gesetzgeber aber immer im Auge behalten, dass er durch die Wahl seiner Begriffe nicht nur den Anwendungsbereich des objektiven Tatbestandes festlegt, sondern auch den Vorstellungsinhalt des Täters, der den Vorsatz begründet158. Verschiedene Formulierungsweisen führen konsequenterweise freilich zu unterschiedlichen Vorstellungsinhalten des Vorsatzes159. Der Rechtsanwender ist also nicht befugt, gesetzliche Begriffe durch andere zu ersetzen, die einen anderen Sinn haben, auch wenn sie den gleichen Anwendungsbereich haben wie die im Gesetz verwendeten. Es stellt sich heraus, dass allein das Streben nach dem Ausschluss der Bagatellfälle die Behandlung der Alternativen als eine Einheit nicht rechtfertigen kann, es sei denn, dass man sich wiederum auf die sprachliche Schwierigkeit beruft. Dann sagt das Streben nach Ausschluss der Bagatellfälle für sich allein nichts anderes als das Bestimmtheitsgebot aus und lässt sich auch nicht als selbstständiger Entstehungsgrund behandeln. b) Wegen der historischen Entwicklung? Man erklärt die Zusammenfassungen der Alternativen mitunter unter Berufung auf die historische Entwicklung. Die Reformgeschichte der Begünstigung ist dafür ein Paradebeispiel. Begünstigung (§ 257) und Strafvereitelung (§ 258) wurden vor dem 1. 1. 1975 als zwei Tatbestandsalternativen im selben Absatz miteinander vers. u. 1. Teil C. VII. 2. c). Der Gesetzgeber kann z. B. den Tatbestand einerseits generell beschreiben und andererseits durch einen zweiten Rechtssatz wieder einschränken; so z. B. in § 331 Abs. 3. Stattdessen kann der Gesetzgeber den Tatbestand auch auf kasuistische Weise formulieren, um den Anwendungsbereich ganz genau zu begrenzen. Der Grund für die erste Vorgehensweise mag darin liegen, dass die Aufnahme aller einschränkenden Merkmale schon in den Tatbestand der positiven Geltungsanordnung einen zu schwerfälligen, unschönen oder gar unverständlichen Satz ergeben würde (Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 259). Dies ist freilich ein rein formeller Grund. Nicht zu vergessen ist aber, dass von der Formulierungsweise des Gesetzestexts materielle Konsequenzen abhängen, die z. B. den Vorstellungsinhalt des Vorsatzes betreffen (vgl. dazu Puppe, GA 1990, S. 153 ff., 155 ff., 182; dies., AT / 1, 19 / 1 f., 21 / 2 und in: NK-StGB, § 16 Rn. 82 ff.). 158 Daran, dass die Formulierung des Gesetzes den Vorstellungsinhalt des Vorsatzes mit bestimmt, ist nichts zu deuteln. Was soll denn sonst dafür maßgeblich sein? 159 Dafür ist das Beispiel Puppes bezüglich § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 69a Abs. 1 StVZO sehr lehrreich (dies., GA 1990, S. 153 f.). Nur der Gesetzgeber ist befugt und kompetent, diese Entscheidungen zu treffen, und zwar durch die Formulierung der Tatbestandsmerkmale. 156 157

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

bunden160. Diese Verbindung erklärt sich im Wesentlichen aus der geschichtlichen Entwicklung dieser Tatbestände, die zunächst einheitlich als nichtselbstständige Fälle der nachträglichen Beihilfe (auxilium post factum) zur Vortat aufgefasst worden waren und erst später die Eigenschaft selbstständiger Straftaten erlangt haben. Da diese enge Verbindung von Begünstigung und Strafvereitelung insbesondere dem richtigen Verständnis der Tatbestände hinderlich war161 und in der Literatur einhellig für verfehlt gehalten wurde162, hat der Entwurf 1962 sie beide voneinander getrennt und die Strafvereitelung entsprechend dem Rechtsgut unter den Tatbeständen zum Schutze der Rechtspflege geregelt163. In § 257 a. F. hing aber die alternative Zusammenfassung der beiden Typen mit ihrer Unrechtsverwandtschaft, nämlich mit dem damaligen Verständnis der Rechtsnatur der sachlichen und persönlichen Begünstigung, eng zusammen, obgleich das nachträglich für verfehlt gehalten wurde. Daraus lässt sich erkennen, dass gesetzeshistorische Untersuchungen, die für jede einzelne Vorschrift gesondert anzustellen wären, zur Klärung unserer Frage nicht unbedingt besonderen Gewinn versprechen können. Selbst wenn der Gesetzgeber bei der Zusammenfassung der Alternativen von diesem oder jenem der oben aufgezählten Hintergedanken ausgegangen sein mag, kann die geschichtliche Entwicklung an sich keineswegs als selbstständiger Grund für den Einsatz der Alternativen angesehen werden, geschweige denn die Behandlung der Tatbestandsalternativen als ein Tatbestandsmerkmal rechtfertigen.

6. Zwischenergebnis Wie oben gezeigt wurde, können die Gründe für die Entstehung der Tatbestandsalternativen sehr unterschiedlich sein. Aus der obigen Analyse lassen sich die folgenden Ergebnisse festhalten: Die Berücksichtigungen rein formal-redaktionstechnischer Gründe (wie etwa im Hinblick auf gesetzgeberische Ökonomie oder Lesbarkeit bzw. Vereinfachung der Rechtssätze), der Unrechtsverwandtschaft sowie der historischen Entwicklung können zur Klärung der Frage, ob Alternativen als ein, oder als mehrere Tatbestandsmerkmale zu behandeln sind, nichts beitragen. Lediglich aus dem rechtsstaatlichen Gesetzlichkeitsprinzip lassen sich materielle Konsequenzen ziehen: Um dem Gesetzlichkeitsprinzip besser zu entsprechen, hat der Gesetzgeber Alternativen, die in einem Einschlussverhältnis zueinander stehen, verwendet. In diesem Fall entstehen überhaupt keine Probleme, sei es in der Irrtumslehre, Konkurrenz oder in der non-liquet-Situation. Schwierigkeiten tauchen 160 Der erste Satz des § 257 Abs. 1 a. F. lautete: „Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vorteile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist wegen Begünstigung mit . . . zu bestrafen“. 161 E 1962, Begründung, S. 455, 630. 162 Vgl. dazu Sturm, JZ 1975, S. 11; Schönke / Schröder, StGB, 17. Aufl. 1974, S. 1333. 163 Siehe § 447 E 1962.

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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erst dann auf, wenn die Alternativen sich nicht im Einschlussverhältnis zueinander befinden. In diesem Fall können nach dem Gesagten Alternativen nur dann als ein (disjunktiv gefasstes) Tatbestandsmerkmal angesehen werden, wenn sie aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten eingesetzt wurden. Ist das nicht der Fall, sind sie dagegen wie mehrere Merkmale zu behandeln, deren Einsatz lediglich mit formalkodifikationstechnischen Gründen – wie etwa die gesetzgeberische Ökonomie, die Lesbarkeit bzw. Vereinfachung der Rechtssätze – zu tun hat. Darüber hinaus besagt der Zweck zum Ausschluss von Bagatellfällen schließlich auch nichts anderes als über sprachliche Schwierigkeiten aus und kann deshalb kein selbstständiger Grund für die Entstehung der Alternativen sein.

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen Bevor eine Einteilung aufgestellt wird, müssen freilich ihre Kriterien bestimmt werden. Dabei geht es nicht um die Richtigkeit der Einteilung, sondern um ihre Zweckmäßigkeit. Sicher ist allerdings, dass man hierfür vom Gesetzestext bzw. Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes ausgehen muss, gleichgültig, ob der gegenwärtige Gesetzestext als richtig angesehen wird oder verbesserungsbedürftig ist1. Zunächst können die Alternativen ganz unterschiedlich eingeteilt werden, wie etwa nach ihren Erscheinungsformen in Alternativen des Subjekts (Täterqualität), des Tatobjekts, der Begehungsweise, des Taterfolgs, der Begleitumstände und ggf. des spezifisch subjektiven Elements. Jedoch sind die Erscheinungsformen angesichts des hier zu behandelnden Problems wenig hilfreich. Zum einen lassen sich einige Alternativen nicht schlicht irgendeiner Gruppe dieser Einteilung zuordnen, etwa weil sie mehreren Gruppen gleichzeitig zuzuordnen sind2. Zum anderen können aus den Erscheinungsformen keine materiellen Wertungen bzw. Sachentscheidungen abgeleitet werden. Demgegenüber scheint die semantische Betrachtungsweise viel sinnvoller zu sein. Dank der semantischen Einteilung lassen sich diejenigen Fallgruppen leicht erkennen, die weder im Strafrecht noch im Strafprozessrecht Probleme aufwerfen. Danach kann man sich ausschließlich auf problematische Gruppen konzentrieren. Nach der semantischen Struktur können die Tatbestandsalternativen zunächst in zwei Grundgruppen eingeteilt werden, je nachdem, ob die Alternativen semantisch in einem Einschlussverhältnis zueinander stehen oder nicht. Die zwei Grundgruppen lassen sich wiederum in mehrere Untergruppen zerlegen. Im Folgenden gehen wir auf die Einzelheiten ein.

1 Der grammatischen Auslegungsmethode kommt im Hinblick auf die Funktion des Wortlauts als Ausgangspunkt und äußerste Auslegungsgrenze ein gewisser Vorrang zu; vgl. Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 53. 2 Z. B. die Alternativen (Nr. 1 und 2) des § 250 Abs. 1.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

I. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen Die Tatbestandsalternativen, die zueinander in einem semantischen Einschlussverhältnis stehen, sind noch in drei Untergruppen einzuteilen, nämlich in die tautologisch gefassten, die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Tatbestandsalternativen sowie die beispielhaften Umschreibungen. Die letzte Gruppe (beispielhafte Umschreibungen) kann als Auffangabteilung dieser Grundabteilung angesehen werden und umfasst alle Fälle, in denen ein semantisches Einschlussverhältnis zwischen den Tatbestandsalternativen vorhanden ist, die aber weder der Form der Tautologie noch der Beschreibung der unterschiedlichen Angriffsintensitäten auf dasselbe Rechtsgut entsprechen.

1. Tautologisch gefasste Tatbestandsalternativen Tautologien oder pleonastische Begriffe sind „Doppelbezeichnungen“: Zwei Begriffe erscheinen zwar als verschiedene Aussagen, meinen jedoch dasselbe. Der zweite Begriff ist eine getarnte Wiederholung des ersten und bringt entgegen dem Anschein keinen weiteren Einfall als der erste vor3. Entsprechend sind Tatbestandsalternativen dann tautologisch, wenn die alternativ aufgezählten Verwirklichungsmöglichkeiten semantisch sinngleiche Ausdrücke verwenden4 und damit den gleichen Sachverhalt beschreiben. In diesem Fall fällt jeder unter die eine Alternative fallende Gegenstand auch unter die andere und umgekehrt5. Im Prinzip sollte eine solche Doppeldarstellung im Gesetzestext überflüssig sein6. Der Einsatz tautologischer Ausdrücke kann nur ausnahmsweise berechtigt sein, nämlich dann, wenn der abgezielte Gegenstand durch doppelte Schilderungen vom Rechtsanwender exakter, deutlicher erfasst werden kann. Da die Intensionen der Alternativen deckungsgleich sind, ist es hier gleichgültig, ob das verbindende „oder“ als „oder auch“ oder sogar als kumulatives „und“ gelesen wird. Diese Alternativen müssen als einfache Beschreibung, also immer als eine Einheit angesehen werden7. Vgl. dazu Gast, Juristische Rhetorik, Rn. 313. Günther, Verurteilungen, 1976, S. 57 f. 5 Vgl. dazu Klug, ZStW 68 (1956), S. 404. 6 s. Gast, Juristische Rhetorik, Rn. 314. Allerdings ist größte Vorsicht geboten, ehe man mehrere Ausdrücke als tautologisch auslegt. Im Prinzip muss der Rechtsanwender davon ausgehen, dass das Gesetz keine überflüssigen Formulierungen enthält. Zwei Ausdrücke mit genau demselben Inhalt dürften schon im Gesamtvokabular einer Sprache schwer zu finden sein; umso seltener werden sie im Gesetz auftauchen (Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 102). 7 Siehe schon Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39. Diese Gruppe wird im Schrifttum auch als „Formalalternativen“ bezeichnet, vgl. Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 27 bei Anm. 43. 3 4

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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Tautologische Begriffe im logischen Sinne lassen sich im StGB schwer finden. Ein klassisches Beispiel dafür findet sich in der alten Fassung des § 246 Abs. 1 (Unterschlagung). Vor dem 6. StrRG musste das Tatobjekt der Unterschlagung, nämlich eine fremde bewegliche Sache, „in Besitz oder Gewahrsam“ des Täters stehen. Mit dem Ausdruck „Besitz“ wollte der Gesetzgeber im Jahre 1871 nach der damals h. M. nichts anders als das Erfordernis des „Gewahrsams“ betonen8 und lediglich „eine möglichst zuverlässige Umschreibung der tatsächlichen Sachherrschaft geben“9. Im geltenden StGB kann man dagegen keine tautologisch gefassten Alternativen mehr finden10.

2. Quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen11 Hier stellen die Tatbestandsalternativen unmittelbar die Mengenbezeichnungen bzw. Quantoren12 dar, wobei ein Stufenverhältnis des Unrechtsgehalts zwischen diesen Alternativen bereits ausdrücklich betont wird. Sie bezeichnen also eine Quantifizierung von Mengen bzw. den quantitativ messbaren Unterschied der Angriffsintensitäten zwischen den verschiedenen Varianten. Da einerseits die Fassung der Tatbestandsalternativen deren Gleichheit behauptet und andererseits die Unrechtsabstufungen ausdrückenden Tatbestandsalternativen zueinander niemals vom Unrechtgehalt her gleichwertig sind, ist die Existenzberechtigung dieser Gruppe – wie oben bei A. II. 3. a) bereits dargelegt wurde – besonders rechtfertigungsbedürftig. Typische Fälle dieser Gruppe sind z. B. die Alternativen „ganz oder zum Teil“13, „ganz oder teilweise“14, „ganz oder überwiegend“15, „ganz oder vorwie8 Vgl. LK-Ruß, 1985, § 246 Rn. 10; Tröndle, StGB, 48. Aufl. 1997, § 246 Rn. 9; Lackner, StGB, 22. Aufl. 1997, § 246 Rn. 3; Schönke / Schröder / Eser, StGB, 25. Aufl. 1997, § 246 Rn. 9; Wessels, BT / 2, Rn. 81 ff., 271; Küper, BT, 1996, S. 58 f.; Haft, BT, 6. Aufl. 1997, S. 152; Krey, BT / 2, 11. Aufl. 1997, Rn. 161; Gössel, BT / 2, 1996, 11 / 17; Bockelmann, BT / 1, 1982, S. 15 f.; a.A.: NK-Kindhäuser, 1995, § 246 Rn. 20; Blei, BT, S. 199. Danach ist der Begriff des Besitzes im Sinne des bürgerlichen Rechts auszulegen. 9 Küper, BT, 1996, S. 59 (Hervorhebung im Original). 10 Die Tatobjekte „Brunnen- oder Wasserbehälter“ in § 324 a. F. werden auch als Tautologien angesehen (Günther, Verurteilungen, S. 58). Jedoch sind die beiden Begriffe (Brunnenund Wasserbehälter) weder intensional noch extensional identisch; s. auch u. Fn. 36. 11 Dieser Terminus stammt von Warda, FS-Stree / Wessels, S. 280. 12 Unter einem Quantor (Quantifikator) versteht man in der Sprachwissenschaft einen Ausdruck, der der Spezifizierung bzw. Quantifizierung von Mengen dient und alltagssprachlich durch unbestimmte Adjektive / Pronomen (alle, manche, einige u. a.), Numeralien (ein, zwei, drei) ausgedrückt wird (vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 548; Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 25, 236). 13 §§ 88 Abs. 1, 136 Abs. 1 und 2, 258 Abs. 1 und 2, 297 Abs. 3 sowie 353 Abs. 1. 14 §§ 220a Abs. 1 Nr. 3, 305 Abs. 1, 305a Abs. 1, 306 Abs. 1, 306a Abs. 1, 2, 327 Abs. 1 Nr. 1, 329 Abs. 3 Nr. 6. 15 §§ 88 Abs. 1 Nr. 4, 184 Abs. 1 Nr. 7.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

gend“16 sowie „ganz oder in wesentlichen Teilen“17. Hierzu zählt auch die Verwendung der Zahlen, beispielsweise die Formulierung des § 226 Abs. 1 Nr. 1: das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen. (Formal-)Logisch schließen diese Begriffspaare zwar jeweils einander aus18, befinden sich dennoch materiell in einem Plus-minus-Verhältnis19. Danach stehen diese Alternativen im logischen Abhängigkeitsverhältnis der Subordination, denn jeder Sachverhalt, der eine schwerere Alternative erfüllt, verwirklicht notwendigerweise zugleich auch die leichtere, während das Umgekehrte nicht gilt20. Durch die Beschreibung der Alternative, die das jeweilige Rechtsgut am schwächsten beeinträchtigt, hat der Gesetzgeber schon eine minimale Grenze für die Feststellung der Vollendung gezogen. Hat der Täter die leichtere Alternative und die übrigen Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist bereits eine vollendete Straftat gegeben. Hat jemand z. B. ein fremdes Gebäude vorsätzlich in Brand gesetzt, ist ein Vollendungsdelikt des § 306 Abs. 1 Nr. 1 schon zu dem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem das Gebäude dadurch teilweise zerstört worden ist. Ob dieses Gebäude am Ende ganz zerstört wird oder nicht, spielt keine Rolle mehr für die im früheren Zeitpunkt schon festgestellte Vollendung21. Dieser Grundsatz gilt auch entsprechend für die Beschreibung des zeitlich-quantitativen Unterschieds, Beispiel dafür ist etwa die Eingrenzung „dauernd oder für eine gewisse Zeit“ in § 109a Abs. 1.

3. Beispielhafte Umschreibungen Oft findet man im geltenden StGB die generalklauselartigen Ausdrücke, die zum besseren Verständnis durch einzelne Beispiele präzisiert werden22. Diese Tatbestände werden nur infolge des Strebens nach Rechtssicherheit alternativ gefasst. Es handelt sich hier um eine exemplifizierende Methode, bei der die generelle Beschreibung mit Kasuistik verbunden wird. Hier ist die Aufzählung der Beispiele zwar nicht abschließend gemeint, der Tatbestand ist jedoch stets dann erfüllt, wenn eines der konkretisierenden Beispiele vorliegt23. Die kasuistische Exemplifizierung bringt den Vorteil mit sich, dass sie für die Interpretation der unbestimmten § 109e Abs. 1. § 353d Nr. 3. 18 Denn der Generalisator (All-Quantor) ist in der Prädikatenlogik streng vom Partikularisator (Existenz-Quantor) zu unterscheiden; vgl. dazu Menne, Logik, 2001, S. 59. 19 Darauf hat Warda bereits richtig hingewiesen (ders., FS-Stree / Wessels, S. 280). 20 Hier kann man eine Parallele zur Spezialität der Gesetzeseinheit ziehen. Zur Spezialität, vgl. Klug, ZStW 68 (1956), S. 404 ff.; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 733. 21 Dies kann aber freilich für den Tenor des Urteils und die Strafzumessung von Bedeutung sein. 22 Günther, Verurteilungen, 1976, S. 59. Im Schrifttum wird auch von „Alternativen mit generalisierender Auffangklausel“ gesprochen, etwa Warda, FS-Stree / Wessels, S. 281. 23 Schneider, Gesetzgebung, Rn. 362. 16 17

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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Begriffe Interpretationshinweise gibt. Der Gattungsbegriff bzw. der generelle Ausdruck wird somit durch einzelne Beispiele nicht nur verdeutlicht, sondern sogar in eine bestimmte Richtung hin spezifiziert24. Die hinzugefügten Beispiele erlauben also einen Vergleich mit neuen Fällen und verdeutlichen den Standard, der bei der Anwendung der generellen Beschreibung eingehalten werden soll25. Es kann sogar jede Auslegungsfrage falldenkend umformuliert werden: Sind die Unterschiede des „neuen“ Falles zu den „anerkannten“ Fällen bedeutsam oder nicht?26 Dies zeigt sich dann am deutlichsten, wenn der Gesetzgeber die „Vergleichbarkeit“27 oder die „Ähnlichkeit“28 mit den angeführten Beispielen im Gattungsbegriff bzw. in der Auffangklausel ausdrücklich verlangt. Hier beschreitet der Richter auf der Suche nach anderen als den im Gesetze aufgeführten Beispielen den Weg einer Analogie, wonach nur die Gleichwertigkeit mit den Beispielen eine Anwendung derselben Vorschrift rechtfertigen kann29. Durch die Beschreibung der Auffangklausel wird eine Mindestbedingung (Untergrenze) für die Bejahung der Vollendung gezogen. Die jeweils enger gefassten Alternativen ändern den Umfang der Strafbarkeit (die Extension des Tatbestandes) überhaupt nicht und besitzen lediglich Beispielscharakter30. Hierzu zählen die folgenden Gruppen:

a) Normale Fälle Um den Beispielscharakter zu betonen, wird das Adverb „insbesondere“ oft verwendet31. Das Wort „insbesondere“ leitet „ins Besondere“ über, führt von etwas Allgemeinerem zu etwas Speziellerem, weswegen die Extension des vor „insbesondere“ stehenden Begriffs größer sein muss als die des auf „insbesondere“ folgenden Begriffs32. Um ein beispielhaftes Verhältnis auszudrücken, wird stattVgl. Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 4; Krey, Gesetzesvorbehalt, 1977, S. 224. s. auch o. A. II. 3. b) cc). 26 So Vogel, Methodik, 1998, S. 144. 27 Z. B. § 184 Abs. 1 Nr. 3 a): „im Wege gewerblicher Vermietung oder vergleichbarer gewerblicher Gewahrung des Gebrauchs“. 28 Z. B. in §§ 177 Abs. 2 Nr. 1, 315b Abs. 1 Nr. 3. 29 Dies wird in der Literatur auch als eine „erlaubte innertatbestandliche Analogie“ bezeichnet; vgl. Krey, Gesetzesvorbehalt, 1977, S. 223 ff., 237; ihm folgend: Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 29. 30 Ebenso Warda, FS- Stree / Wessels, S. 281. 31 Beispiele sind die Alternativen in §§ 325 Abs. 1, 325a Abs. 1, 325a Abs. 2 (beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder Maschine), 328 Abs. 3 Nr. 1 (beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte oder technischen Einrichtung), 220a Abs. 1 Nr. 2 (Mitgliedern der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art) sowie § 218 c Abs. 1 Nr. 2 (ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen, Risiken, mögliche physische und psychische Auswirkungen ärztlich beraten zu haben). 32 Eingehend: Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 298 ff. 24 25

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

dessen auch das Wort „namentlich“ verwendet33. Aber selbst wenn weder „insbesondere“ noch „namentlich“ im Tatbestand auftaucht, kann ein beispielhaftes Verhältnis zwischen Alternativen ihren semantischen Inhalten entnommen werden. Die Alternativen „Duldung oder Unterlassung“ in §§ 239 b Abs. 1 und 240 Abs. 1 bieten ein gutes Beispiel dafür. Die Duldung eines bestimmten Sachverhalts ist eine Unterart der Unterlassung, nämlich nichts anders als eine Unterlassung des Einschreitens34. Die Alternative „Duldung“ ist also von der Alternative „Unterlassung“ begrifflich komplett eingeschlossen und ist deshalb auch wegzudenken, ohne dass der Umfang der Strafbarkeit dadurch berührt würde. Gleiches gilt freilich auch für die Tatobjekte „Brunnen- oder Wasserbehälter“ in § 324 a. F.35 und die Modalitäten in § 303a36. Ferner kann die beispielhafte Umschreibung auch zwischen mehreren Ziffern vorliegen, wie z. B. in § 315 Abs. 1, wonach die Erfüllung gemäß Nr. 4 einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff fordert, der sowohl der Art als auch der Gefährlichkeit nach einem der in Nr. 1 – 3 genannten Eingriffe entsprechen muss37. b) Beispielhaftes Alternativverhältnis mittels „oder anderes“ sowie „oder sonst“ Abgesehen von der oben erwähnten beispielhaften Beschreibungsweise gibt es noch zahlreiche beispielhafte Alternativverhältnisse, in denen der Gesetzgeber die Bindeworte „oder anderes“ bzw. „sonst“ verwendet, obwohl die konkreten Beispiele auch zu dem Gattungsbegriff gehören sollen. Z. B. ist in § 324 Abs. 1 Tathandlung das Bewirken einer nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften, dem sich das Verunreinigen als Beispiel unterordnet38; in § 239 Abs. 1 ist das Einsperren als häufigste Begehungsform nur ein hervorgehobenes Beispiel39; in § 202 Abs. 1 gehört die erste Variante des Tatobjekts („ein verschlossener Brief“) auch zur zweiten Variante („ein verschlossenes Schriftstück“)40. Beispiele dafür 33 Z. B. „ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis“ in § 204 Abs. 1. 34 Vgl. dazu Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 240 Rn. 13; Günther, Verurteilungen, 1976, S. 58. Trotz dieses Verhältnisses von Oberbegriff / Unterart hat Günther die beiden für „Tautologien“ gehalten. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, da die beiden Begriffe sich nicht gegenseitig einschließen. 35 Seit dem 18. Strafrechtsänderungsgesetz (28. März 1980) wird das Objekt mit „Gewässer“ umgeschrieben. Günther hat es für ein Beispiel der Tautologie gehalten (ders., Verurteilungen, S. 58). Jedoch sind die beiden Begriffe, Brunnen- und Wasserbehälter, begrifflich nicht deckungsgleich. 36 Das Löschen der Daten stellt ein konkretes Beispiel ihres Unbrauchbarmachens dar; vgl. dazu Schlüchter, Wirtschaftskriminalität, 1987, S. 73 f. 37 Lackner / Kühl, StGB, § 315 Rn. 6. 38 Lackner / Kühl, StGB, § 324 Rn. 3. 39 Lackner / Kühl, StGB, § 239 Rn. 3. 40 Deshalb wird die ausdrückliche Erwähnung des Merkmals „Brief“ im Schrifttum für bedeutungslos gehalten, so etwa Schmitz, JA 1995, S. 297.

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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sind noch etwa „Gift oder andere gesundheitsschädliche Stoffe“41, „infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel“42, „Geschenke oder andere Vorteile“43, „eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug oder sonst ein Werkzeug oder Mittel“44 oder „vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle“45 usw. Wegen der Bindeworte „oder anderes“ und „oder sonst“ wären diese Alternativen eigentlich kontradiktorisch aufzufassen. In Wirklichkeit ist das verbindende „oder“ jedoch nicht als ein ausschließendes (entweder / oder), sondern als ein einschließendes (oder auch) zu lesen. Der Eindruck logischer Exklusivität ist vielmehr – wie Warda mit Recht bemerkt hat – nur „sprachtechnisch bedingt“46. Danach ist der intendierte sachliche Gehalt hier der gleiche wie bei einer Voranstellung des umfassenden Begriffs, dem durch das Adverb „insbesondere“ eingeleitete Beispiele hinzugefügt sind. Mit dieser Satzbildungstechnik wird hier – wie bei den normalen Fällen – eine logische Subordination zwischen den Alternativen und damit die Spezialität der engeren Alternativen gebildet47. Die beispielhaften Alternativen sind also immer vom Auffangbegriff mit umfasst48.

II. Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen Tatbestandsalternativen, die zueinander nicht in einem semantischen Einschlussverhältnis stehen, können wiederum in vier Untergruppen, nämlich: die qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden, die kontradiktorisch gefassten, die Ursache Siehe § 224 Abs. 1 Nr. 1. §§ 315 a Abs. 1 Nr. 1, 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 Abs. 1. 43 § 108 b Abs. 1, 2. 44 §§ 127, 177 Abs. 3 Nr. 1 u. 2, Abs. 4 Nr. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 a u. b, 250 Abs. 1, Nr. , Abs. 2 Nr. 1. 45 § 153 Abs. 1; ähnlich: § 154 Abs. 1. 46 Siehe schon Warda, FS- Stree / Wessels, S. 282 bei Anm. 40; im Ergebnis auch so Mitsch, ZStW 111 (1999), S. 81 f.; Schmidhäuser (AT, Studienbuch, 3 / 72) hält eine solche Ausdrucksweise für grammatikalisch nicht richtig. Dagegen stehen diese Alternativen nach Haft (JuS 1988, S. 364) in einem Entweder-oder-Verhältnis. 47 Warda, FS- Stree / Wessels, S. 282 bei Anm. 40. 48 Welche Alternative den Auffang- bzw. Gattungsbegriff darstellt, ist normalerweise leicht festzustellen. Eine Schwierigkeit kann jedoch dort auftreten, wo die beispielhafte Beschreibung in einer Mischform zwischen Modell aa) und bb) auftritt. Z. B. war für § 223a a. F. (mittels einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs) umstritten, ob der Gattungsbegriff die Waffe oder das gefährliche Werkzeug sein sollte. Die Antwort hing davon ab, ob man „eines anderen“ auf „Waffe“ oder auf „Messer“ bezog. Da der Gesetzgeber eine syntaktische Doppeldeutigkeit geschaffen hat, indem er den Bezugspunkt des „anderen“ offen ließ, waren beide Auslegungen logisch zulässig; vgl. näher dazu Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 298 ff. 41 42

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

ausdrückenden sowie die kollektiv gefassten Alternativen, eingeteilt werden. Von den kollektiv gefassten Alternativen unterscheiden sich die anderen drei Unterarten dadurch, dass bei ihnen die Kumulation mehrerer Alternativen nicht zwangsläufig eine Steigerung des Unrechts bedeutet. 1. Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen49 Wie die oben erwähnte Gruppe der quantitative Unrechtsabstufungen darstellenden Alternativen drückt diese Gruppe ebenfalls Unrechtabstufungen aus. Diese Alternativen sind also auch die Beschreibungen der verschiedenen Stadien oder stärkeren und schwächeren Angriffsformen (unterschiedliche Angriffsintensivitäten) auf dasselbe Rechtsgut. Die beiden Gruppen unterscheiden sich danach, ob die Alternativen unmittelbar Mengenbezeichnungen bzw. Quantoren verkörpern oder nicht. Nur die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen stehen in einem semantischen – und somit freilich auch normativen – Einschlussverhältnis zueinander; zwischen den qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen liegt dagegen kein semantisches, sondern nur ein normatives Einschlussverhältnis vor. Hierfür ist das Verhältnis zwischen „Zerstören“ und „Beschädigen“50 ein klassisches Beispiel. Das Merkmal „beschädigen“ bedeutet eine nicht ganz unerhebliche Verletzung der Substanz, der äußeren Erscheinung oder der Form einer Sache, wobei durch die Substantivverletzung die Brauchbarkeit dieser Sache zu ihrem bestimmten Zweck beeinträchtigt wird51. Demgegenüber ist das Zerstören „ein stärkerer Grad des Beschädigens“52, d. h. eine Einwirkung mit der Folge, dass die bestimmungsmäßige Brauchbarkeit der Sache völlig aufgehoben wird53. Beide Male handelt es sich um nach der Intensität abgestufte Angriffe auf körperliche Gegenstände54. Darüber hinaus werden der „Leib“ und das „Leben“ eines anderen55 einerseits und „die Gefahr des Todes“ und die „einer schweren Gesundheitsschädigung“ eines anderen Menschen56 andererseits in vielen Tatbeständen als Alternativen geregelt. Da die Leibesgefährdung nach der allgemeinen vertretenen Einheitstheorie 57 in der Lebensgefährdung enthalten ist58, stehen diese AlternatiDieser Terminus stammt von Warda, FS- Stree / Wessels, S. 281. Z. B. in §§ 133 Abs. 1, 134, 303 Abs. 1 und 318 Abs. 1; ferner in §§ 133 Abs. 1, 134, 136 Abs. 2. 51 Siehe dazu Tröndle / Fischer, StGB, § 303 Rn. 5. 52 Lackner / Kühl, StGB, § 303 Rn. 7; Warda, FS- Stree / Wessels, S. 281. 53 Vgl. dazu Tröndle / Fischer, StGB, § 303 Rn. 10; Lackner / Kühl, StGB, § 303 Rn. 7. 54 Arzt / Weber, BT, 12 / 16. 55 Z. B. §§ 306 f. Abs. 2, 307 Abs. 1, 308 Abs. 1, 312 Abs. 1, 313 Abs. 1, 315 Abs. 1, 315a Abs. 1, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1, 318 Abs. 1, 319 Abs. 1 u. 2. 56 Etwa § 330a Abs. 1. 57 Nach h. M. bildet die Körperverletzung ein notwendiges Durchgangsstadium auf dem Weg zur Tötung und tritt als subsidiäres Delikt gegenüber der vollendeten Tötung zurück 49 50

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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ven ebenfalls im Einschlussverhältnis zueinander. Ferner gehören die Alternativen „Nachstellen“, „Fangen“ und „Erlegen“ in der Jagdwilderei (§ 292 I) auch zu dieser Gruppe. „Dem Wilde Nachstellen“ ist jede Handlung, die das Fangen oder Erlegen eines Tieres bezweckt59, und stellt gegenüber dem Fangen und Erlegen einen weniger intensiven Angriff dar60. Der Besitz i. S. des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG hat gegenüber den anderen Alternativen desselben Absatzes keinen eigenen Unrechtsgehalt und wird als die Auffangvariante stets von den spezielleren Erscheinungsformen verdrängt61. Da der Gesetzgeber einige Begriffe im AT auch als Alternativen im BT verwendet, kann man das Stufenverhältnis des Unrechts von den im AT entwickelten Grundsätzen bei der Interpretation dieser Alternativen ableiten. Das „Verleiten“ und das „Fördern“ i. S. vom § 120 Abs. 1 bieten dafür ein Beispiel: Die beiden Begehungsformen umschreiben die Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) an der nicht mit Strafe bedrohten Selbstbefreiung62. Man kann hier eine Parallele zum Verhältnis zwischen Anstiftung und Beihilfe ziehen, hier wie dort ist das Fördern gegenüber dem Verleiten weniger intensiv und subsidiär. Darüber hinaus stehen diejenigen Tatbestandsalternativen, die materiell die Vorbereitungshandlung zur Erfüllung der anderen Alternativen darstellen, zu diesen ebenfalls im Stufenverhältnis63, weil die Vorbereitungshandlung gegenüber der eigentlichen Ausführungshandlung ein weniger intensiver Angriff ist. Das Gleiche soll auch auf die Fälle Anwendung finden, in denen Tun und Unterlassen als Alternativen geregelt werden64. Ferner gilt dies auch für die Alternativen auf subjektiver Seite. Zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit besteht nach h. M. auch ein Stufenverhältnis65. Da sie (Einheitstheorie); s. dazu – statt vieler – Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 212 Rn. 17; Wessel / Hettinger, BT / 1, Rn. 320. 58 Vgl. Warda, FS- Stree / Wessels, S. 281. 59 Vgl. Mitsch, BT / 2 – 2, 1 / 71. 60 Ähnlich wie das Nachstellen ist das Fangen eine Vorstufe der Zueignung (Mitsch, BT / 2 – 2, 1 / 82). 61 Vgl. nur K. Weber, BtMG, § 29 Rn. 895 f. 62 Vgl. dazu Lackner / Kühl, StGB, § 120 Rn. 8. Gleiches gilt auch für die Alternativen „als Täter oder Teilnehmer“ in § 125 Abs. 1 Alt. 3. 63 Z. B. sind in § 86 Abs. 1 die Tatmodalitäten vom Herstellen, Vorrätighalten, Einführen und Ausführen Vorbereitungshandlungen für das Verbreiten (Lackner / Kühl, StGB, § 86 Rn. 6). Ferner sind §§ 130 II 1d, 131 I 4 auch Beispiele dafür. 64 Beispiele: die Alternativen „zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich machen oder machen lassen“ in § 109 Abs. 1; „eine Körperverletzung begehen oder begehen lassen“ in § 340 Abs. 1; „Stoffe in den Boden einbringen oder eindringen lassen“ in § 324a Abs. 1. 65 Das Stufenverhältnis ist hier zwar kein begriffslogisches, weil eine vorsätzliche Tat nicht die fahrlässige Begehung enthält, sondern sich vielmehr die beiden Begehungsweisen semantisch gegenseitig ausschließen. Jedoch lässt sich ein Stufenverhältnis auch im Wege juristisch wertender Betrachtung ermitteln. So lautet die überwiegende Meinung (etwa Bau;mann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 15; Roxin, AT / 1, 11 / 44, 24 / 72 f.; Rudolphi, in: SKStGB, Anh. zu § 55 Rn. 20; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 91; LK-Gribbohm, § 1 Rn. 117). Dagegen sprechen einige Autoren sich für ein begriffslogisches Stufenverhältnis aus (wie etwa Otto, FS-Peters, 1974, S. 378; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 143, § 15 Rn. 6; NK-

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

zwei subjektive Zurechnungsformen unterschiedlicher Intensität darstellen, sind sie im Prinzip nie innerhalb eines Tatbestandes gleichzustellen. Ausnahmsweise werden beide aber doch auch formal gleichrangig als subjektive Tatbestandsalternativen in derselben Vorschrift zusammengefasst66. Wenn sie als Alternativen in derselben Gesetzesstelle zusammengefasst sind, stehen sie auch im Einschlussverhältnis zueinander. Zu beachten ist letztlich noch, dass es einen graduellen Unterschied der Unrechtsabstufungen zwischen diesen Alternativen innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens gibt, auf den der Richter im Rahmen der Strafzumessung achten muss. Die Bestrafung nach der schwereren Alternative darf also nicht milder sein, als nach der leichteren Alternative. 2. Kontradiktorisch gefasste Tatbestandsalternativen a) Logische Struktur und Beispiele Im Verhältnis von Heterogenität stehen zwei Tatbestandsalternativen, die einander widersprechende Elemente enthalten und sich deswegen gegenseitig ausschließen bzw. verdrängen. Logisch treten sie in der Form „p _ :p“67 auf. Ein unter die eine Alternative fallender Gegenstand fällt niemals gleichzeitig unter die andere und umgekehrt68. Im geltenden StGB kann man einige Beispiele finden, etwa die Alternativen „im Inland oder Ausland“69 oder „bewegliche oder unbewegliche Sachen“70. Ferner kann eine solche alternative Beschreibungsweise freilich auch bei Alternativen zwischen selbstständigen Handlungsbeschreibungen vorkommen, die normalerweise in mehreren Nummern einer Vorschrift geregelt sind. Dazu gehören beispielsweise die zwei Tatmodalitäten in § 202 Abs. 171, nämlich die Öffnung eines Frister, Rn. 50 f. nach § 2; KMR-Stuckenberg, § 261 Rn. 101). Nach ihnen ist die Erkennbarkeit (Vorhersehbarkeit) eine notwendige Bedingung für die Fahrlässigkeit und erfordert die Feststellung des Vorsatzes Kenntnis der Tatumstände, die die Erkennbarkeit voraussetzt. Damit ist der Vorsatz begrifflich dadurch gekennzeichnet, dass die Merkmale der Fahrlässigkeit um ein weiteres Merkmal ergänzt werden. 66 Z. B. in §§ 316 Abs. 1, 323a Abs. 1 StGB, § 21 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 StVG und in § 89 österreicherisches StGB. Ähnlich: §§ 109e Abs. 5, 109g Abs. 4 StGB. 67 Das Zeichen ,:“ steht für „nicht“ und das „_“ für „oder“. 68 Vgl. dazu Klug, ZStW 68 (1956), S. 403. 69 Z. B. §§ 86 Abs. 1, 86a Abs. 1 Nr. 2; ähnlich: § 236 Abs. 2. Da das Ausland im Strafrecht „jedes Gebiet außerhalb des Inlandes“ (Schönke / Schröder / Eser, StGB, Vor §§ 3 – 7 Rn. 33, zum Begriff des Inlandes, Rn. 26 ff.), nämlich „Nicht-Inland“ bedeutet, schließt sich das Begriffspaar „im Inland oder Ausland“ gegenseitig aus. Dies trifft natürlich auch auf die Beschreibung des Tatobjekts zu; etwa „inländische oder ausländische Zahlungskarten oder Euroscheckvordrucke“ (§ 152a I Nr. 1), „inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden oder inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen“ (§ 132a I Nr. 1 u. 4). 70 Z. B. § 287 Abs. 1. 71 Oder in § 206 Abs. 2 Nr. 1: „eine Sendung ( . . . ) öffnet oder sich von ihrem Inhalt ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft“.

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verschlossenen Schriftstücks (Nr. 1) und die Kenntnisverschaffung unter Anwendung technischer Mittel ohne Öffnung des Verschlusses (Nr. 2), und die zwei BevorSätze in § 142 Abs. 1. Letztere können wohl als das bekannteste Beispiel dieser Gruppe angesehen werden. Darauf werden wir unten (c) wieder zurückkommen. Wenn ein Tatbestand die Alternativen „p _ :p“ enthält und beide Male die gleiche Rechtsfolge ausgelöst wird, unabhängig davon, welche der beiden Varianten erfüllt ist, erscheint ein solcher Ausdruck auf den ersten Blick – zumindest aus der Sicht der Logik – überflüssig, weil der Spielraum des Satzes „p _ :p“ – mit dem Wort Carnaps – „total“ und entsprechend der Informationsgehalt gleich null ist72. Diese kontradiktorisch gefassten Alternativen sind demzufolge als Tatbestandsmerkmale zur Abgrenzung des Unrechtsumfangs ohne Belang. Sind die übrigen Tatbestandsmerkmale bereits erfüllt, können diese Alternativen keine weiteren Fälle aus dem strafbaren Umfang ausklammern, weil der Täter so oder so eine der beiden Alternativen verwirklicht. Deshalb scheinen diese Attribute zunächst ebenso nutzlos wie das tautologischen zu sein73 und wären stets aus dem ganzen Text hinwegzudenken, wodurch weder die Intension noch die Extension des Tatbestandes verändert wird. Die obigen Beispiele im BT erwecken gerade einen solchen Eindruck: Wird der Tatort in der Form „im Inland oder Ausland“ geregelt, dann ist es gleichgültig, wo die Handlung vollzogen wird; in § 152a Abs. 1 Nr. 1 sind alle Zahlungskarten oder Euroscheckvordrucke das taugliche Objekt; mit dem Ausdruck der „beweglichen oder unbeweglichen Sachen“ werden alle Sachen vom Tatbestand mit umfasst. Freilich ist es möglich, dass der Gesetzgeber damit Zweifel darüber ausräumen will, ob die im Ausland begangene Handlung oder ein ausländisches Tatobjekt auch tatbestandsmäßig sein kann74. Aus dieser Sicht können die kontradiktorisch gefassten Alternativen wohl gerade noch Existenzberechtigung besitzen. Jedoch ändert das nichts daran, dass diese Alternativen für die Feststellung des Unrechtsgehalts keine Rolle spielen.

b) Begründung eines normativen Einschlussverhältnisses Obwohl diese Alternativen semantisch miteinander unverträglich sind, stehen sie doch in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander, und zwar hinsichtlich des materiellen Unrechts. Hier kann man eine Parallele zur Exklusivität zwischen Tatbeständen75 ziehen, die Puppe als gesetzgebungstechnischen Fehler anVgl. dazu Koch, Methode, 1977, S. 25. So etwa Gast, Juristische Rhetorik, Rn. 314. 74 So auch Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 29. 75 Zwei mehrfach diskutierte Beispiele dafür waren die Entführung (§§ 236 und 237 a. F.) und Vorteilsannahme (§§ 331 und 332 a. F.). Die Exklusivität zwischen diesen Tatbeständen wurde jedoch inzwischen durch Gesetzesreformen beseitigt. Im geltenden StGB ist noch ein Beispiel zu finden, nämlich die Exklusivität zwischen §§ 211 und 212, wenn man die Wendung „ohne Mörder zu sein“ in § 212 als Tatbestandsmerkmal anerkennt. 72 73

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

sieht76. Für die folgenden Überlegungen scheint es sinnvoll zu sein, zunächst einen kurzen Blick auf die Exklusivität zwischen Tatbeständen zu werfen. Die Versuche, zwischen Tatbeständen mit gemeinsamen Unrechtselementen Exklusivität herzustellen, laufen darauf hinaus, in einen davon ein zusätzliches Merkmal einzufügen, das mit einem Merkmal des anderen semantisch unverträglich ist. Die Strafbarkeit nach diesem Tatbestand soll nur dann an diesem Merkmal scheitern, wenn der andere erfüllt ist77. Von daher kann ein solches Merkmal für die Bestimmung des Unrechtsgehalts des betreffenden Tatbestandes überhaupt keine Funktion haben. Denn wenn Alternativität der objektiven Tatbestände dadurch hergestellt ist, dass in dem einen Tatbestand die Kontradiktion eines Merkmals des anderen auftritt, so kann nur eines der beiden Merkmale ein Unrecht bedeuten, das andere bedeutet dann eben nur die Negation dieses Unrechts78. Da das Erfordernis der Kongruenz zwischen objektivem Unrecht und Vorsatz eine lückenlose Alternativität der Tatbestände unmöglich macht, führt eine solche Exklusivität beim Irrtum oder Teilnehmerexzess zu Strafbarkeitslücken79. Diese Strafbarkeitslücken sind inakzeptabel, da Merkmale betroffen sind, die nicht nur keine Funktion für die Unrechtsbeschreibung des Tatbestandes haben, sondern im Gegenteil ihrem Inhalt nach nur ein weiteres Unrecht ausschließen80. Um diese Strafbarkeitslücken zu vermeiden, muss man also – entgegen dem Wortlaut – dem die Exklusivität begründenden Merkmal bei einem der Tatbestände den Status eines Tatbestandsmerkmals absprechen und das Exklusivitätsverhältnis in ein Spezialitätsverhältnis umdeuten81. Diese Überlegungen sollen im Großen und Ganzen auch auf die semantischkontradiktorisch gefassten Alternativen Anwendung finden. Da kein Zweifel darüber bestehen kann, dass hier nur eine der beiden Alternativen ein Unrecht bezeichnen kann und die andere eben nur die Negation dieses Unrechts, ist hier ebenfalls ein normatives Einschlussverhältnis zwischen den Alternativen anzunehmen. Dann wird man ohne Schwierigkeiten sagen können, dass die semantisch-kontradiktorisch gefassten Alternativen – bezüglich der Unrechtsbegründung – stets zusammen als eine Einheit anzusehen sind. Ein bestehendes Stufenverhältnis bzw. Spezialitätsverhältnis zwischen kontradiktorisch gefassten Alternativen führt zur Anwendung der Regeln für die Alternativen, die im semantischen Einschlussverhältnis zueinander stehen. Dadurch kann die Strafbarkeitslücke, die sich aus der Vgl. Puppe, Idealkonkurrenz, 1979, S. 346; dies., JR 1984, S. 229 ff. Puppe, JR 1984, S. 231. 78 Vgl. Puppe, JR 1984, S. 230 f. 79 Vgl. näher dazu W. Hassemer, Delictum, 1974, S. 83 ff., 85 f. 80 Der Täter entgeht der Strafbarkeit wegen des beiden gemeinsamen Erfolgsunrechts nur deshalb, weil er objektiv mehr Unrecht angerichtet hat, als er begehen wollte, oder umgekehrt mehr Unrecht begehen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat. So Puppe, Idealkonkurrenz, 1979, S. 345; dies., JR 1984, S. 231. 81 So schon W. Hassemer, Delictum, 1974, S. 77 (ein in teleologischer Auslegung festgestelltes inhaltliches Plus-minus-Verhältnis), 85 f.; Puppe, Idealkonkurrenz, 1979, S. 346. 76 77

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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semantischen Exklusivität ergibt, bei semantisch-kontradiktorisch gefassten Alternativen geschlossen werden, und zwar wohl leichter als bei der Exklusivität zwischen Tatbeständen, da sich die gegenseitig ausschließenden Glieder hier immerhin in ein und demselben Tatbestand befinden.

c) Exkurs – Nr. 1 und 2 des § 142 Abs. 1 In § 142 Abs. 1 sind alle denkbaren Angriffsformen, also das Sichentfernen bei Anwesenheit feststellungsbereiter Personen (Nr. 1) wie auch bei Abwesenheit feststellungsbereiter Personen ohne Wartezeit (Nr. 2), aufgezählt geworden. Andere Verhaltensweisen sind nicht denkbar82. Eigentlich haben Nr. 1 und 2 die Satzstruktur von der scheinbaren Alternativen83. Man darf hier jedoch nicht voreilig den Schluss ziehen, Nr. 1 und 2 seien nicht als Alternativen zu behandeln. Denn die Alternativität zwischen beiden Varianten lässt sich zwar nicht aus der syntaktischen Satzstruktur ableiten, ergibt sich jedoch aus ihrem semantisch kontradiktorischen Inhalt. Da die feststellungsbereiten Personen entweder am Unfallort anwesend oder abwesend sind, kann ein Alleintäter zu einem bestimmten Zeitpunkt beide Alternativen des § 142 Abs. 1 nicht gleichzeitig verwirklichen. Wegen ihrer entgegengesetzten Inhalte (Aussagen) können Nr. 1 und 2 zueinander nur im Verhältnis von „entweder / oder“ stehen84, sei es, dass sie – wie im geltenden Gesetzestext – negativ gefasst werden, sei es, dass man sie anhand der „de Morganschen Gesetze“85 in eine positive, unrechtsbegründende Form umschreibt. Gleichwohl befinden sie sich aus Sicht des Unrechts – wie oben (b) erwähnt wurde – in einem normativen Einschlussverhältnis bzw. Spezialitätsverhältnis. Während Nr. 2 eine Wartepflicht an der Unfallstelle anordnet, sieht Nr. 1 eine Feststellungsduldungsund eine Vorstellungspflicht vor86. Die Nichterfüllung dieser Pflichten bildet den Unrechtskern dieser Strafvorschrift87. Die Tatbestandsmäßigkeit des § 142 Abs. 1 setzt die Nichterfüllung der beiden Pflichten in Nr. 1 und 2 voraus: Ein vorsätzliches Sich-Entfernen vom Unfallort ist dann gemäß § 142 Abs. 1 strafbar, wenn der Unfallbeteiligte nach einem Unfall im Straßenverkehr weder der Anwesenheitspflicht nach Nr. 1 noch der Wartepflicht an der Unfallstelle gemäß Nr. 2 nachgekommen ist, obwohl zu einem bestimmten Zeitpunkt nur eine der beiden PflichVgl. dazu Schroeder, GA 1979, S. 325. Nämlich die gleiche Struktur wie der Bevor-Satz des § 353d; s. näher dazu o. A. I. 3. a) und c). 84 Werden beide Aussagen „p“ und „:p“ dagegen konjunktiv miteinander verknüpft, so ergibt sich ein logischer Widerspruch. Denn eine Konjunktion ist nur dann wahr, wenn ihre Glieder alle wahr sind. Deshalb kann die Aussage „p :p“ niemals wahr sein. 85 s. dazu o. A. I. 3. c). 86 Vgl. dazu Wessels / Hettinger, BT / 1, Rn. 1006; Lackner / Kühl, StGB, § 142 Rn. 16 ff.; Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 142 Rn. 9 ff. 87 Deshalb wird diese Tat als „verkapptes Unterlassungsdelikt“ bezeichnet; s. dazu Lackner / Kühl, StGB, § 142 Rn. 9. 82 83

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

ten entstehen kann. Nicht alternativ, sondern kumulativ sind die Nichterfüllungen dieser beiden Pflichten also in der Tat verbunden. Da der Nichtanwesenheit von Feststellungsinteressenten der Status des objektiven Tatbestandsmerkmals abzusprechen ist88, stellt Nr. 1 gegenüber Nr. 2 eine Art lex specialis dar89.

3. Ursachen ausdrückende Tatbestandsalternativen Alternativen ist keine selbstständige Bedeutung beizumessen, wenn sie nur der Beschreibung von Ursachen bezüglich eines bestimmten Erfolgs90 bzw. Resultats dienen. Anhand einiger konkreter Beispiele kann man ein solches Alternativverhältnis verdeutlichen. In der alten Fassung der Aussetzung (§ 221 I a. F.) ging es um ein Delikt mit spezifisch eingeschränktem Opferkreis91. Der Schutz war auf eine aus bestimmten Gründen – „wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit“ – bestehende Hilflosigkeit bzw. Schutzbedürftigkeit beschränkt92. Die Alternativen stellten Einschränkungen bzw. Ursachen der Hilflosigkeit dar. In § 315c Abs. 1 Nr. 1 hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Alternativen 1a) und 1b) Fahruntüchtigkeit für die Fälle unter Strafe gestellt, in denen die Verkehrsgefährdung auf den Genuss berauschender Mittel oder auf geistige oder körperliche Mängel zurückzuführen ist. Während bei der Gruppe der beispielhaften Umschreibung die angeführten Beispiele für den Umfang der Strafbarkeit überhaupt nicht ins Gewicht fallen, spielen diese Ursachen darstellenden Alternativen dagegen bezüglich der Extension des Tatbestandes sehr wohl eine Rolle. Der Grund dafür, warum der Text in dieser Art und Weise formuliert ist, liegt darin, dass der Gesetzgeber die Extension eines Merkmals zwar für zu weit hält, aber keinen einzigen Ausdruck finden kann, dessen Extension mit dem vom Gesetzgeber vor88 Nach Küper darf die Anwendung der Nr. 2 nicht daran gebunden sein, dass Feststellungsinteressenten innerhalb des angemessenen Zeitraums tatsächlich nicht erschienen sind. Sonst wäre das eine „ganz absurde Strafbarkeitsvoraussetzung“ (ders., NJW 1981, S. 853); ihm zustimmend: Mitsch, GS-Keller, S. 169 bei Anm. 12. 89 So auch Küper, NJW 1981, S. 854; ders., GA 1994, S. 69 ff., 72 f.: Obwohl zwischen Nr. 1 und 2 nicht das Verhältnis von „lex generalis“ und „lex special“ besteht – die Voraussetzungen der Nr. 1 schließen die Merkmale der Nr. 2 logisch nicht ein –, handelt es sich im Blick auf die jeweils zugrunde liegenden Pflichten um eine strukturell durchaus vergleichbare Beziehung. Damit steht fest, dass Nr. 1 eine Art lex specialis im Verhältnis zu Nr. 2 ist, wobei die Strafbarkeitsvoraussetzung der Nr. 2 immer dann erfüllt ist, wenn die Voraussetzungen der Nr. 1 verwirklicht sind. Ihm folgend: Mitsch, GS-Keller, S. 173. 90 Der „Erfolg“ ist hier nicht im streng-technischen Sinne von Erfolgsdelikten gemeint. 91 Deshalb wurde dieser Tatbestand in der Literatur auch „Opfer-Sonderdelikt“ genannt, vgl. dazu Küper, ZStW 111 (1999), S. 30 ff., 31. 92 Vgl. dazu Schönke / Schröder / Eser, StGB, 25. Aufl. 1997, § 221 Rn. 8. Dieser Paragraf wurde im Jahre 1998 durch 6. StrRG geändert und damit in ein „Opfer-Allgemeindelikt“ verwandelt, vgl. näher Küper, ZStW 111 (1999), S. 32 ff. Nach geltendem § 221 Abs. 1 ist die Unterscheidung der Hilflosigkeit der Personen von deren hilfloser Lage nicht mehr notwendig, vgl. nur Lackner / Kühl, StGB, § 221 Rn. 2; eingehend: Küper, ZStW 111 (1999), S. 30 ff.

B. Semantische Einteilung der Tatbestandsalternativen

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gestellten strafbaren Umfang ganz genau deckungsgleich ist. Um dieses Merkmal einzuschränken, werden Alternativen als solche dem Tatbestand hinzugefügt. Die Vorschrift ist also wegen sprachlicher Schwierigkeiten alternativ gefasst, weshalb diese Alternativen und der mit ihnen verbundene Begriff stets zusammen als eine Einheit angesehen und behandelt werden müssen93. Zum Musterbeispiel zählen die Fälle, in denen Wörter wie „wegen“94 oder „infolge“95 verwendet werden. Da diese Alternativen Ursachen darstellen, muss man auch den Kausalzusammenhang zwischen den verwirklichten Alternativen und dem angehafteten Begriff prüfen. Der Schwerpunkt der Unrechtszurechnung liegt hier überwiegend in dem durch Alternativen eingeschränkten Begriff. Auch wenn z. B. die Hilflosigkeit des Opfers auf mehreren Gründen beruhte, hat der Täter den Tatbestand des § 221 a. F. nur einmal verwirklicht, weil man hier überwiegend auf den „Erfolg“ (der hilflose Zustand des Opfers) Wert legt und seine Ursachen lediglich eine sekundäre bzw. einschränkende Rolle spielen. Treffen bei ein und demselben kritischen Verkehrsvorgang, bei dem nur ein und dieselbe Person gefährdet wird, mehrere Begehungsformen des § 315c Abs. 1 (Nr. 1 und 2) zusammen, ist nur eine Straßenverkehrsgefährdung und nicht gleichartige Tateinheit anzunehmen, weil der besondere Unrechtsgehalt dieses Delikts eben durch einen ganz bestimmten konkreten Gefährdungserfolg bestimmt wird, der insoweit nur einmal gegeben ist96. Unerheblich ist also, ob die Fahruntauglichkeit allein auf dem Genuss alkoholischer Getränke oder allein auf körperlichen und geistigen Mängeln beruht oder ob sie sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Ursachen ergibt97. In § 179 Abs. 1 spielt das Resultat der Widerstandsunfähigkeit des Opfers eine wichtigere Rolle als ihre Entstehungsgründe. Die Tatmodalitäten des Betrugs sind ein weiteres Beispiel dafür. In § 263 Abs. 1 werden drei Begehungsweisen98 disjunktiv aufgezählt. Durch diese s. dazu o. A. II. 4. Z. B.: §§ 174c Abs. 1, 179 Abs. 1, 225 Abs. 1 und die alte Fassung des § 221 Abs. 1. 95 Etwa §§ 315a Abs. 1 Nr. 1, 315c Abs. 1, 316. 96 Vgl. Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 315c Rn. 12, 50; Geppert, Jura 2001, S. 566; Horn, in: SK-StGB, § 315c Rn. 26; Geerds, BA 1965, S. 127 f.; so auch in der Rechtsprechung: OLG Hamm, VRS 41, 40 f.; BayObLG, VRS 73, S. 379 f. Das gilt jedoch nicht für das Verhältnis zwischen Nr. 2g und den übrigen Fällen. Demgegenüber stehen nach der Gegenansicht mehrere Begehungsformen des § 315c Abs. 1 zueinander grundsätzlich im Verhältnis der Tateinheit, auch wenn die verschiedenen Begehungsformen nur eine konkrete Gefahr verursachten, vgl. dazu LK-Rüth, § 315c Rn. 73; so auch Tröndle / Fischer, StGB, § 315c Rn. 23. 97 Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 315c Rn. 12. 98 Diese Umschreibung der Tathandlung wird im Schrifttum als „irreführend“ (Schönke / Schröder / Cramer, StGB, § 263 Rn. 7) , „umständlich, unbefriedigend und letztlich sprachlich wie logisch mißglückt“ (Küper, BT, 2002, S. 269) gescholten, weswegen die Ersetzung durch einen einheitlichen Oberbegriff befürwortet wird, z. B.: durch eine „Täuschung über Tatsachen“ (Lackner / Kühl, StGB, § 263 Rn. 3; Tröndle / Fischer, StGB, § 263 Rn. 2, 6; Kindhäuser, LPK-StGB, § 263 Rn. 46; Wessels / Hillenkamp, BT / 2, Rn. 489, 493; Mitsch, BT / 2 – 1, 7 / 17; ähnlich: Rengier, BT / 1, 13 / 4 ff.) oder das „Vorspiegeln von Tatsachen“ (Küper, BT, 2002, S. 269 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 1, 41 / 35 f.). 93 94

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

umständlichen Formulierungen soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Täter über Tatsachen getäuscht haben muss99. Für die rechtliche Beurteilung der Tat ist es letztlich gleichgültig, in welcher Variante ein täuschendes irreführendes Verhalten im konkreten Fall vorliegt100; wichtig ist schließlich nur, dass, nicht aber wie der Irrtum des Opfers durch eine der Modalitäten erregt wird. Angesichts der einschränkenden Funktion dieser Alternativen darf ihr Zusammentreffen, nämlich die Verwirklichung mehrerer Alternativen, aus normativer Sicht nicht sogleich eine Aufsteigerung des Unrechts der Tat erzeugen. Dadurch unterscheidet sich diese Gruppe von den kollektiv gefassten Alternativen, deren Zusammentreffen zur Aufsteigerung des Unrechts führt.

4. Kollektiv gefasste Tatbestandsalternativen Letztlich bleibt noch eine Gruppe übrig, die der Brennpunkt in der Diskussion sein sollte: kollektiv gefasste Tatbestandsalternativen101. Bei dieser Gruppe werden die Alternativen nebeneinander in derselben Gesetzesstelle zusammengefasst und haben semantisch nichts miteinander zu tun. In § 344 Abs. 1 muss sich die Tat entweder gegen einen Unschuldigen oder gegen jemanden richten, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf. Die beiden Begriffe des Opfers sind unterschiedlich und haben gemeinsam nur, dass gegen den Betroffenen ein Verfahren mit dem Ergebnis seiner Verurteilung nicht durchgeführt werden darf102. Weitere Beispiele dafür sind die Alternativen in § 168 Abs. 1 („den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen“), in § 223 Abs. 1 (körperliche Misshandlung oder Schädigung an der Gesundheit) usw. Darüber hinaus zählen auch die alternativ gefassten Qualifikationen dazu, z. B. die Alternativen in §§ 244 Abs. 1, 250 Abs. 1 und 2, 306b Abs. 2. Es wird in der Literatur breit vertreten, dass diese Formulierungen deshalb ein einziges Tatbestandsmerkmal darstellen sollen, weil der Gesetzgeber dieses Merkmal durch einen einzigen Ausdruck (Gattungsbegriff) nicht zutreffend oder nicht exakt genug zu verfassen vermochte und einem kollektiven Begriff den Vorzug gegeben hat103. Den Formulierungen liegen nämlich sprachliche Schwierigkeiten zugrunde. Im Anschluss an A. II. 4 lässt sich bereits sagen, dass Alternativen sprachlich dann als Einheit anzusehen sind, wenn ihre Entstehung auf die sprachliche Schwierigkeiten zurückzuführen ist. Letzteres ist jedoch nicht immer der Otto, BT, 51 / 9. Es wird daher auch vertreten, dass man sich nicht auf einen der drei Unterbegriffe festzulegen braucht (Mitsch, BT / 2 – 1, 7 / 17). 101 Oder: der „kollektive Begriff“ (Günther, Verurteilungen, 1976, S. 61). 102 Vgl. Schönke / Schröder / Cramer, StGB, § 344 Rn. 15. 103 So z. B. Günther, Verurteilungen, 1976, S. 61; vgl. auch o. A. II. 4. 99

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C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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Fall; wie oben bereits festgestellt, setzt die sprachliche Schwierigkeit logischerweise die sprachliche Möglichkeit voraus, die einschlägigen Alternativen zusammen durch einen einheitlichen Begriff zu beschreiben. Diese Möglichkeit ist aber zwischen kollektiv gefassten Alternativen nicht immer gegeben. Dies werden wir unten (C) gleich eigens behandeln.

III. Zusammenfassung Die oben aufgestellten Einteilungen ermöglichen einen Vergleich zwischen den einzelnen Alternativen. Im BT läuft diese Klassifikation oft kreuz und quer. So können mehrere der oben aufgezählten Gruppen in derselben Strafvorschrift vorhanden sein. In § 315b Abs. 1 sind z. B. sowohl eine qualitative Unrechtsabstufung (Nr. 1: zerstören, beschädigen und beseitigen) als auch eine beispielhafte Umschreibung (Nr. 3: „einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornehmen“ gegenüber Nr. 1 und 2) wie auch kollektiv gefasste Alternativen bezüglich der Taterfolge (Gefährdung für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert) enthalten. Im geltenden StGB kann man noch jede Menge komplizierter Beispiele finden. Die Nützlichkeit der obigen Einteilung bleibt davon aber unberührt. Denn man muss nicht das gesamte Verhältnis aller Alternativen für jede alternativ gefasste Vorschrift auf einmal feststellen, sondern braucht nur die im konkreten Fall einschlägigen Alternativen miteinander zu vergleichen. Da die Alternativen, die in einem (semantischen oder normativen) Einschlussverhältnis zueinander stehen, keine besonderen Probleme stellen, gehen wir nun ausschließlich auf die Rechtsnatur und die rechtliche Behandlung der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen ein.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen I. Verhältnis der Alternativen zu der sie enthaltenden Vorschrift – drei Grundmodelle Bei den Tatbestandsalternativen kreisen alle Probleme stets um die Grundfrage: Ist die einschlägige Strafvorschrift als ein einziger Tatbestand oder als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände anzusehen? Das ist gerade das Spezifikum der Tatbestandsalternativen. Diese Frage taucht m. a. W. nur dort auf, wo Tatbestandsalternativen eingesetzt werden. Denn einerseits liegt immer nur ein einziger Tatbestand zweifelsohne dort vor, wo alle Merkmale für dieselbe Rechtsfolge derselben Strafvorschrift miteinander kumulativ verbunden sind. Andererseits liegen stets mehrere Tatbestände in den Fällen vor, in denen mehrere Handlungsbeschreibungen jeweils in unterschiedlichen Vorschriften geregelt sind oder mehrere Hand-

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

lungsbeschreibungen zwar in derselben Vorschrift zusammengefasst sind, aber unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen1. Bezüglich des Verhältnisses der Tatbestandsalternativen zu dem Tatbestand, der sie enthält, sind drei denkbare (aber nicht unbedingt theoretisch haltbare) Modelle vorhanden: Modell 1: Jede Tatbestandsalternative verkörpert ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal und bildet jeweils mit den übrigen, für alle Tatbestandsalternativen geltenden Merkmalen einen eigenständigen Tatbestand. Damit soll die alternativ gefasste Strafvorschrift als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände angesehen werden. Modell 2: Jede Tatbestandsalternative stellt zwar ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal dar. Jedoch bilden alle Alternativen zusammen mit den übrigen Merkmalen nur einen einzigen Tatbestand. Modell 3: Alle Tatbestandsalternativen lassen sich zusammen als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal ansehen und bilden mit den übrigen Merkmalen einen alternativ gefassten Tatbestand. Modell 1 stellt die Rechtsfigur der Tatbestandsalternative als rein gesetzgeberisch-technisches Produkt dar. Nach diesem Modell werden mehrere selbstständige Tatbestände nur zur Erzielung der kürzestmöglichen Regelung – nämlich zur Vermeidung unnötiger Widerholung der gleichen Rechtsfolge oder (auch) der gemeinsamen Tatbestandsmerkmale – in derselben Vorschrift zusammengefasst. Hinter der Erscheinung, dass die gleiche Rechtsfolge oder die gemeinsamen Merkmale dieser Tatbestände ausgeklammert werden, steht also keine Sachentscheidung des Gesetzgebers, sondern nur der Gedanke gesetzgeberischer Ökonomie2. Nach den Modellen 2 und 3 ist dagegen nur ein einziger Tatbestand in der disjunktiv gefassten Strafvorschrift vorhanden. Der Unterschied zwischen den beiden Modellen liegt nur darin, ob jeder Tatbestandsalternative die Qualifikation des Tatbestandsmerkmals zukommt: Während die Tatbestandsalternativen nach Modell 2 als mehrere selbstständige Tatbestandsmerkmale anzusehen sind, stellen die Tatbestandsalternativen nach Modell 3 zusammen ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal dar. Um die Frage zu beantworten, welches Modell dogmatisch haltbar ist, muss man sich zunächst einmal mit der Vorfrage befassen, was man unter Tatbestand bzw. Tatbestandsmerkmal verstehen soll.

1 In beiden Fällen ist es gleichgültig, ob die Unrechtsgehalte dieser Handlungsbeschreibungen unterschiedlich bzw. gleichwertig sind; a.A. Schroeder, GA 1979, S. 326, nach ihm findet der Grundsatz, der für Alternativen derselben Vorschrift entwickelt wird, auch auf Alternativen zwischen mehreren Vorschriften (sog. alternative Paragrafen) Anwendung; vgl. Kritik dazu o. A. I. 2. 2 Zum Gedanken gesetzgeberischer Ökonomie, s. o. A. II. 1.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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II. Tatbestandsbegriff im rechtstheoretischen Sinne Was man unter „Tatbestand“ verstehen soll, ist eine der wichtigsten Grundfragen, und zwar nicht nur im Strafrecht, sondern in der Rechtstheorie überhaupt. Im rechtstheoretischen Sinne wird der Tatbestand als „Korrelat zur Rechtsfolge“ bezeichnet3. Ein strafrechtlicher Tatbestand stellt demnach die Summe (Gesamtheit, den Inbegriff) aller materiellen Voraussetzungen (Merkmale) der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge dar, sei es bei der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit oder Schuld (Tatbestand im weiteren Sinne)4. Angesichts des Gegenstandes dieser Untersuchung, nämlich der Tatbestands-Alternativen, schränken wir uns im Folgenden auf denjenigen Tatbestand ein, der als Kriterium zur Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit dient. Obwohl der Straftatbestand seine strafrechtlich spezifische Aufgabe hat, unterschiedliche Unrechtstypen zu beschreiben5, verliert er seinen rechtstheoretischen Charakter jedoch nicht. Die Strafgesetze sind in ihrer Struktur als „Konditionalprogramme“, also als ein „Wenn-dann-Satz“ formuliert, dessen „Wenn-Komponente“ den gesetzlichen Tatbestand und dessen „Dann-Komponente“ die Rechtsfolge (Strafe) ausdrückt. Dieser Wenn-dann-Satz ist deshalb konditional, weil in der „Wenn-Komponente“ die Bedingungen normiert sind, bei deren Gegebensein eine bestimmte Entscheidung in der „Dann-Komponente“ festgelegt ist6. Daraus kann man die folgende Konsequenz ziehen: Ein Tatbestand (Wenn-Komponente) ist immer dann zu gründen, wenn diejenigen Merkmale in einer Vorschrift vorhanden sind, deren Gegebensein zur Bejahung der „DannKomponente“, also zur Auslösung der Rechtsfolge, führt. Auf dieser Basis lässt sich die Frage, welches der drei oben erwähnten Modelle rechtstheoretisch unhaltbar ist, leicht beantworten. Da in den Modellen 1 und 2 jede Tatbestandsalternative für sich allein als Tatbestandsmerkmal qualifiziert wird, muss man diejenige Strafvorschrift, die mehrere Alternativen enthält, konsequent als eine Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände ansehen. Denn immer dann, wenn man jeder Tatbestandsalternative die Qualität eines Tatbestandsmerkmals beimisst, kann jede Alternative zusammen mit den übrigen TatVgl. Engisch, FS-Mezger, 1954, S. 130. In der strafrechtlichen Literatur werden unterschiedliche Tatbestandsbegriffe aufgestellt. Ein Überblick darüber findet sich bei Krahl, Tatbestand, 1999, S. 7 ff. 5 In diesem Sinne müssen alle Merkmale im Tatbestand Aufnahme finden, die den typischen Unrechtsgehalt (Verbotssinn) eines verbotenen Verhaltens charakterisieren, also „dem speziellen Deliktstyp Form und Gestalt verleihen“ (Wessels / Beulke, AT, Rn. 119). Damit lässt sich eine bestimmte Verbrechensart auch im Vergleich zu anderen Deliktstypen abgrenzen (s. Krahl, Tatbestand, 1999, S. 11). Theoretisch soll ein Unrechtstatbestand den typischen Unrechtsgehalt der betreffenden Deliktsart erschöpfend umschreiben. Es kann jedoch vorkommen, dass dem Gesetzgeber die vollständige Bezeichnung des Unrechtsgehalts im Tatbestand nicht möglich war oder nicht gelungen ist, weswegen dem Richter die Formulierung der zusätzlichen Merkmale im Wege der Tatbestandsergänzung überlassen bleiben muss (LKJescheck, Vor § 13 Rn. 46). 6 Vgl. Krahl, Tatbestand, 1999, S. 87; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 122. 3 4

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

bestandsmerkmalen, die für alle Tatbestandsalternativen gemeinsam gelten, jeweils eine selbstständige „Wenn-Komponente“ bzw. einen Tatbestand bilden. Von daher ist Modell 1 rechtstheoretisch haltbar. Im Gegensatz dazu scheint Modell 2 paradox zu sein, weil mehrere selbstständige „Wenn-Komponenten“ zusammen nur als ein Tatbestand angesehen werden; dies ist unvereinbar mit dem Tatbestandsbegriff als Wenn-Komponente7. Man könnte erwidern, das sei eben die Besonderheit der Tatbestandsalternativen, d. h., die Tatbestandsalternativen würden sich von dem „normalen“ Tatbestandsmerkmal gerade dadurch unterscheiden, dass die alternativ gefasste Vorschrift als ein Tatbestand zu verstehen sei, obwohl jeder Alternative die Qualität des Tatbestandsmerkmals zukomme. Eine Erwiderung dieser Art überzeugt jedoch nicht und führt geradewegs dazu, die Grundposition des Modells 2 aufzugeben sowie sich dem Modell 3 anzunähren. Bei Modell 3 werden alle Tatbestandsalternativen demgegenüber zusammen als ein (alternativ formuliertes) Tatbestandsmerkmal angesehen und bilden mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen gemeinsam einen Tatbestand8. Insofern verträgt dieses Modell sich mit dem rechtstheoretischen Tatbestandsbegriff. Zusammenfassend: Die Ausgangsfrage, ob sich die Strafvorschrift, die mehrere Tatbestandsalternativen enthält, als ein einziger Tatbestand oder als eine Anreihung mehrerer Tatbestände begreifen lässt, kann man dahingehend präzisieren, zu fragen, ob jeder Tatbestandsalternative die Qualifikation des Tatbestandsmerkmales zukommt. Sofern man jeder einzelnen Tatbestandsalternative die Qualität des Tatbestandsmerkmals beimisst, sind zwangsläufig mehrere selbstständige Tatbestände in ein und derselben Vorschrift vorhanden. Vom rechtstheoretischen Charakter des Tatbestandes (als Wenn-Komponente) aus gesehen kann es also nicht sein, dass man einerseits jede Tatbestandsalternative als ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal ansieht und andererseits die alternativ gefasste Vorschrift als einen Tatbestand behandelt. Deswegen kann man Modell 2 aus der folgenden Diskussion ausschließen. Übrig bleiben noch Modelle 1 und 3. Im Vergleich zu Modell 1 scheint Modell 3 auf den ersten Blick unbegreiflich zu sein, weil sich die 7 So schon Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 385:“ . . . Doch beruht dies auf einem fehlerhaften Tatbestandsbegriff. Denn auch wenn man die Tatbestandsalternativen formal in einer Vorschrift zusammenfasst, bleibt es doch dabei, dass jede Alternative gemeinsam mit den für alle Alternativen geltenden Tatbestandsmerkmalen ein rechtswidriges Verhalten beschreibt und demzufolge einen eigenständigen Tatbestand bildet“. Dies wird aber in der Literatur häufig übersehen. Deshalb verstehen manche Autoren zwar einerseits die Tatbestandsalternativen als mehrere Tatbestandsmerkmale, meinen aber andererseits, dass die Tatbestandsalternativen mit den anderen, für sie geltenden Tatbestandsmerkmalen gemeinsam einen einheitlichen Tatbestand bilden; s. u. Fn. 9 m. w. N. 8 So z. B. Puppe, GS-Arm. Kaufmann, S. 21 f.; dies., in: NK-StGB, § 16 Rn. 131, 134 f.; Montenbruck, Strafrahmen, 1983, S. 196 ff.; Günther, Verurteilungen, 1976, S. 57 f. (die alternative Fassung eines Tatbestandsmerkmals); Warda, FS-Stree / Wessels, S. 278, 279 ff., 284 (ein komplexes Merkmal); Altenhain, Exzeß, 1994, S. 45; ders., ZStW 107 (1995), S. 382 ff., 387, 392, 400 f.; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; Roxin, AT / 1, 12 / 123 (ein komplexes Merkmal) sowie u. 2. Teil A. Fn. 58 ff., 66, B. Fn. 70 ff., C. Fn. 39 ff., 49, 66 f. m. w. N.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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Frage aufdrängen kann, wie sich mehrere Tatbestandsalternativen nur als ein Tatbestandsmerkmal auffassen lassen, obwohl sie mehrere selbstständige Wörter sind9. Deshalb muss geklärt werden, wie es möglich ist, dass mehrere Tatbestandsalternativen zu einem Tatbestandsmerkmal werden.

III. Ein Tatbestandsmerkmal aus mehreren Tatbestandsalternativen? 1. Zum disjunktiv formulierten Begriff Einen Begriff auf die Weise zu definieren bzw. formulieren, dass seine Elemente teilweise in einem Verhältnis der Alternativität zueinander stehen, d. h., einige Elemente verzichtbar sind, ist den Juristen auf den ersten Blick fremd. Denn die Juristen haben sich schon lange an die aristotelische Logik gewöhnt, wonach nur einheitliche Begriffsbestimmung als die logisch korrekte und einzige Definitionsform anerkannt werden kann. Ein einheitlicher Begriff ist derjenige, der durch eine Reihe von notwendigen sowie hinreichenden Merkmalen definiert wird, so dass im definiens als einzige Verknüpfung das „und“ vorkommt, das Bindewort „oder“ dagegen verboten ist10. Nach dieser traditionellen Denkform muss jedes Merkmal unabdingbar bzw. unverzichtbar sein11. Diese Situation hat sich jedoch verändert. In der modernen Definitionslehre hat man die disjunktive Definitionsform akzeptiert, weshalb die traditionelle Definitionskonzeption, das definiens müsse immer aus einem Merkmal oder einer Konjunktion von Merkmalen bestehen, von diesem Standpunkt aus für verfehlt gehalten wird12. Eine disjunktive Verknüpfung von Merkmalen (nicht im Sinne von „Tatbestandsmerkmal“) bedeutet, dass es für die Anwendbarkeit eines disjunktiv formulierten Begriffs genügt, wenn das eine oder das andere Merkmal, nämlich zumindest eines 9 Dort, wo die Problematik der Tatbestandsalternativen nicht besonders thematisiert wird, wird jede Alternative oft ohne Überlegung als ein Tatbestandsmerkmal begriffen; etwa: Looschelders / Roth, Methodik, 1996, S. 88 bei Fn. 10: „Mehrere Tatbestandsmerkmale können auf verschiedene Weise miteinander verknüpft sein (z. B. kumulativ, alternativ, exklusiv).“; so auch: Schmoller, Alternative Tatsachenaufklärung, 1986, S. 43 f., 45 ff.; Treder, Rechtsanwendung, 1998, S. 8 f.; D. Horn, Juristische Syntax, 1969, S. 68 f. 10 Puppe, GS-Armin Kaufmann, 1989, S. 19. 11 Z. B. Gössel, FS-Peters, 1974, S. 47; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 440, 454 f.; Vogel, Methodik, 1998, S. 112 f. Der Grundgedanke, dass je größer der Umfang (der Anwendungsbereich), desto geringer der Inhalt (der Aussagegehalt) des abstrakten Begriffs, ist zwar in meisten Fällen, aber nicht immer richtig. Er kann nicht für den disjunktiv definierten Begriff gelten, für den gilt: Je größer der Aussagegehalt, desto größer der Anwendungsbereich (vgl. auch Kuhlen, Typuskonzeption, 1977, S. 130; Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 250 f.). 12 Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 75; so auch Kuhlen, Denkform, 1976, S. 53 ff., 68 f.; ders., Typuskonzeptionen, 1977, S. 128 ff.; Herberger / Simon, Wissenschaftstheorie, 1980, S. 235 f., 248 ff.; Puppe, GS-Armin Kaufmann, 1989, S. 18 ff.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

der Disjunktionsglieder erfüllt ist13. Der Überblick über Entstehungsgründe der Alternativen14 lässt auch erkennen, dass es für den Strafgesetzgeber – wegen sprachlicher Schwierigkeiten und des Gebots der Bestimmtheit – ggf. unausweichlich ist, einen Begriff alternativ zu formulieren. Die Vagheit wird dort reduziert, wo die Erfüllung des einen vagen Merkmals zweifelhaft und die des anderen eindeutig ist15. In der Tat hat man die Denkweise der Disjunktion schon häufig im Strafrecht verwendet. Wenn der Jurist beispielsweise danach gefragt wird, was man unter Hilfeleisten im Sinne des § 27 Abs. 1 versteht, denkt er automatisch an diese disjunktiv verbundenen Typen: Die Ermöglichung oder die Verstärkung einer Rechtsgutsverletzung, die Erleichterung oder die Absicherung der Durchführung einer Tat16. Es gibt noch weitere Beispiele aus dem AT, etwa den Begriff der Garantenstellung, der Tatherrschaft, der Handlungseinheit oder der Gesetzeseinheit usw. Freilich kann man sagen, das habe nichts mehr mit der Definition zu tun und sei lediglich die Einteilung, die Klasse17 oder der Typus eines einheitlichen Begriffs. Dies bedarf keiner weiteren Vertiefung und kann hier dahinstehen. Wichtig ist ja nur, dass man bereits mit Hilfe dieser Denkweise arbeitet18. Auf der Basis zulässiger junktorischer Definitionen ist die Bildung eines „einheitlichen“ Begriffs nicht unbedingt notwendig. Man kann einen Begriff sowohl durch einen einheitlichen Ausdruck als auch durch eine disjunktive Beschreibung ausdrücken. Auch wenn der Gesetzgeber einen Begriff durch mehrere Alternativen disjunktiv beschreibt, sind diese Alternativen im Prinzip als eine Einheit anzusehen, gleichgültig, ob ein solcher Ausdruck in der technischen Fachsprache, der Rechtssprache oder sogar in der Umgangssprache zu finden ist oder nicht19. Erst dadurch lassen sich die Tatbestandsalternativen zusammen als ein Begriff, nämlich ein Tatbestandsmerkmal, ansehen. Im jüngsten Schrifttum mehren sich dementsprechend auch die Stimmen, 13 Vgl. dazu Klug, Logik, 1984, S. 24, 26; Joerden, Logik, 2005, S. 10; Koch / Rüßmann, ebenda. Der disjunktiv formulierte Begriff steht zwischen dem traditionellen Begriff und dem Typus. Der Unterschied zwischen dem disjunktiven und dem traditionellen Begriff liegt darin, dass ein Begriff nach der traditionellen Auffassung nur dann wahr (vorhanden) ist, wenn all seine Elemente wahr sind, während jedes Beziehungsglied eines disjunktiv formulierten Begriffs durch ein anderes ersetzt werden kann. Bei der Disjunktion ist ein Begriff also schon dann wahr, wenn eines seiner Elemente wahr ist. Keines seiner Elemente ist unverzichtbar. Insofern ist die Disjunktion verwandt mit dem Typus. Jedoch ist der Typus nicht zu definieren, sondern nur zu beschreiben; er besitzt also keinen festen Umriss und kann lediglich durch Beschreibung verstanden werden. Im Gegensatz dazu hat der disjunktive Begriff seine feste Kontur, deren Extension aus der Summe der Beziehungsglieder besteht. Vgl. zum Begriff von Typus, Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 461 ff.; Arthur Kaufmann, Analogie, 1982, S. 47 ff. 14 s. o. A. II. 15 Zur Fruchtbarkeit des disjunktiven Begriffs, s. Puppe, GS-Arm. Kaufmann, S. 21 f. 16 Vgl. dazu Kühl, AT, 20 / 215. 17 So z. B. Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 465. 18 Ebenso Puppe, GS-Arm. Kaufmann, S. 21. 19 Vgl. dazu NK-Puppe, § 16 Rn. 131, 134.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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die sagen, dass die Tatbestandsalternativen anhand der Konzeption „Disjunktion“ als ein (alternativ formuliertes) Tatbestandsmerkmal zu verstehen sind20.

2. Einwand Kuhlens – Zuungunsten der Informationsbeschaffung? Obwohl Kuhlen die Zulässigkeit der junktorischen Begriffsbildung keineswegs bestreitet21, lehnt er jedoch das Verständnis der alternativen Beschreibung als ein Tatbestandsmerkmal ab und sieht jede Tatbestandsalternative als eine eigene strafrechtliche Handlungsbeschreibung an22. Als Begründung führt er das „alltagssprachliche Verständnis“ an: Die alternativ gefasste Handlungsbeschreibung bedeutet einen „unnötigen Verzicht auf vorhandene Information (und ihre Mitteilung)“ und würde „regelmäßig als merkwürdig“, als „ganz ungewöhnlich“ empfunden. Darüber hinaus werden durch die junktorische Begriffsbildung wesentliche Bewertungsunterschiede zwischen den Alternativen in einigen Fällen nivelliert, beispielsweise der Wertunterschied zwischen der Gefährdung einer Person und der Gefährdung von Sachen in § 315c23. Für den alltäglichen Sprachgebrauch mag die Kritik Kuhlens an der alternativen Beschreibung zutreffen, soweit man sich über eine bestimmte Begebenheit informieren will. Es scheint nämlich ungewöhnlich zu sein, eine konkrete Handlungsbeschreibung alternativ zu formulieren. Aber dies kann nur ein „schwaches, keinesfalls zwingendes Argument“24 gegen die Bildung eines alternativ gefassten Tatbestandsmerkmals sein, weil das Ungewöhnliche einer Aussage noch nicht deren Unrichtigkeit beweist25. Ferner kann die Kritik der Ungewöhnlichkeit nur für eine konkrete Handlungsbeschreibung, aber nicht für eine abstrakte gelten26. Bei einer abstrakten Beschreibung wird eine alternative Aussage, z. B. ein Anweisungsschild im Kaufhaus „An dieser Kasse können Sie mit Bargeld, EC-Karte oder Credit Card bezahlen“, durchaus nicht – wie Kuhlen gesagt hat – „regelmäßig als merkwürdig, ganz ungewöhnlich“ empfunden. Der Sprachgebrauch ist – wie Altenhain zutreffend darstellt – oft der Situation mit ihren jeweiligen Erfordernissen angepasst und kann demzufolge anders sein, „wenn die Informationsbeschaffung allein dazu dient, beurteilen zu können, ob eine an bestimmte Voraussetzungen gebundene Folge eintreten soll. Hier begrenzen die Voraussetzungen den Umfang des Informationenbedürfnisses und der Sprachgebrauch passt sich dem an“27. Das gilt freis. o. Fn. 8. Ders., Denkform, 1976, S. 53 ff., 68 f.; ders., Typuskonzeptionen, 1977, S. 128 ff.; ders., Irrtum, 1987, S. 513. 22 s. Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 512 ff. 23 Vgl. dazu Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 514 f. 24 Warda, FS-Stree / Wessels, S. 277. 25 A. a. O. 26 So auch J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 94; ihm folgend: Rolofs, JA 2003, S. 307. 27 Altenhain, Exzeß, 1994, S. 44. 20 21

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

lich auch für strafrechtliche Tatbestände, weil sie auch abstrakte Handlungsbeschreibungen sind. Darüber hinaus wird ein Tatbestand durch die Aufzählung der Tatbestandsalternativen konkreter gestaltet, als durch einen einzelnen Oberbegriff. Dank kasuistisch aufgezählter Alternativen bietet uns ein Tatbestand mehr Informationen an, weswegen die Informationsfunktion des Straftatbestandes28 durch den Einsatz der Tatbestandsalternativen im Widerspruch zu Kuhlen sogar verstärkt wird. Dagegen führt die Generalisierung – nämlich der Einsatz eines einheitlichen Oberbegriffs anstatt der kasuistisch aufgezählten Alternativen – zu einem Informationsverlust29. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass diese Informationsfunktion dann – aber auch nur dann – beschädigt werden kann, wenn die Formulierungen der Alternativen allzu kompliziert sind. Denn die Überschaubarkeit einer Strafvorschrift wird in diesem Fall diskreditiert. Auch die Wirkung der Generalprävention wird dadurch schwächer, weil für die Normunterworfenen schwer erkennbar wird, welche Handlungen durch diese Vorschrift verboten sind. Das ist beispielsweise der Fall in § 283 (Bankrott) oder in § 29 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes. Es handelt sich hierbei aber um kein Spezifikum der Tatbestandsalternativen, sondern um bei der Gesetzgebung allgemein geltendes. Immerhin kann man aus dem Gesagten schon feststellen, dass aus der Sicht der Logik und der Informationsbeschaffung nichts im Wege steht, eine alternative Beschreibung bei der Schaffung eines Tatbestandes einzusetzen und die Alternativen durch eine solche Denkweise – wie bei dem obigen Modell 3 – zusammen als ein (disjunktiv gefasstes) Tatbestandsmerkmal zu begreifen. Übrig bleibt noch der letzte Punkt, dass die junktorische Begriffsbildung den wesentlichen Wertunterschied zwischen z. B. der Gefährdung eines Menschen und der der Sachen in § 315c nivellieren würde. Diese Kritik setzt jedoch voraus, dass die Alternativen auch in diesem Fall zu einem Merkmal verschmelzen sollen. Wenn man dagegen der Annahme eines Tatbestandsmerkmals eine weitere Einschränkung hinzufügt, dann gehen diese Argumente wieder ins Leere. Dies wird unten (VI) gesondert besprochen.

3. Begrenzte Leistungsfähigkeit des disjunktiven Begriffs Obgleich die logische Zulässigkeit der Disjunktion zu begründen ist, soll man ihre Leistungsfähigkeit doch nicht überschätzen. Dass die moderne Definitionslehre eine solche Form der Definition anerkennt, führt hier nur dazu, dass ein Begriff bzw. ein Tatbestandsmerkmal anhand mehrerer disjunktiv zusammengefasster Wörter beschrieben werden kann. Man sollte nicht voreilig behaupten, dass alle 28 Die Informationsfunktion des Straftatbestandes bezeichnet die Information der Normadressaten durch Anschaulichkeit des Rechts; vgl. dazu Krahl, Tatbestand, 1999, S. 24. 29 Ähnlich: Schroeder, GA 1990, S. 102.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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Probleme der Tatbestandsalternativen (etwa der Alternativenirrtums, das Zusammentreffen mehrerer Alternativen und das non liquet zwischen ihnen) bereits durch die Anerkennung der disjunktiven Definition gelöst werden könnten, weshalb Modell 3 bei allen Tatbestandsalternativen unter allen Umständen durchgesetzt werden sollte. Denn nach dem Gesagten ist es logisch stets möglich, dass jede Aussage mit einer andern durch einen Junktor zusammen einen Begriff bilden kann30. Demzufolge ist es rein logisch gesehen auch zulässig, alle Strafvorschriften im BT miteinander durch das „oder“ (i. S. von „oder auch“) zu verbinden und zusammen einen disjunktiv formulierten Begriff zu bilden, dessen Extension genauso groß wie die des Begriffs „strafbare Handlungen im BT“ ist. Zu berücksichtigen ist ja nur, ob eine solche logische Operation im Strafrecht überhaupt sinnvoll ist. Dies hängt natürlich von der Zweckmäßigkeit für den Sprecher ab. Für einen Strafrichter etwa kann derjenige Begriff, der aus allen Deliktstypen im BT disjunktiv besteht, bei der Rechtsanwendung überhaupt nicht sinnvoll sein. Man muss deshalb weiter darüber nachdenken, inwieweit die Konzeption des disjunktiven Begriffs im Strafrecht sinnvollerweise verwendet werden kann, oder genauer gesagt, wann die alternativ gefasste Vorschrift sich gemäß Modell 3 auslegen lässt und wann nicht. Angesichts vielfältiger Erscheinungsformen der Tatbestandsalternativen kann man die Frage nicht einheitlich, allgemein beantworten. Wirft man z. B. einen Blick auf §§ 250 Abs. 1 oder 353d Abs. 1, in denen gar kein gemeinsames Merkmal zwischen den Alternativen vorliegt, würde sofort in Zweifel gestellt, ob die Alternativen in den oben erwähnten Vorschriften auch nach Modell 3 als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind. Bei der Auslegung der Tatbestandsalternativen hängt die Frage nach der Reichweite des Modells 3 bzw. des disjunktiven Begriffs wiederum damit zusammen, was man unter einem strafrechtlichen Tatbestandsmerkmal verstehen soll. Erst nachdem man das Tatbestandsmerkmal in Umrissen gezeichnet hat, kann man beurteilen, ob bzw. wann die Alternativen als ein (disjunktiv formuliertes) Tatbestandsmerkmal anzusehen sind. Genauer gesagt: Wenn man „Tatbestandsmerkmal“ genau definieren kann, sollte die zu behandelnde Frage nicht mehr in der geläufigen Art und Weise – nämlich: ob einschlägige Alternativen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind – gestellt werden, sondern, ob der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal mit einem disjunktiv formulierten Begriff zum Ausdruck gebracht oder mehrere Tatbestandsmerkmale als Alternativen wahlweise miteinander verbunden hat.

IV. Was ist „Tatbestandsmerkmal“ im Strafrecht eigentlich? 1. Fragestellung Auf den ersten Blick scheint diese Frage nach der Definition des Tatbestandsmerkmals gar nicht schwierig zu sein; der Schein trügt aber. Der Terminus „Tat30 Ist der Junktor ein „oder“, bilden die dadurch verbundenen Aussagen eine Disjunktion, während sie auch durch ein „und“ eine Konjunktion bilden können.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

bestandsmerkmal“ ist Juristen zwar gebräuchlich, wurde jedoch bis dato in diesem Blickwinkel noch nicht ganz genau analysiert. Völlig unbestritten ist ja, dass jeder Tatbestand im BT aus mehreren Tatbestandsmerkmalen (od. -elementen) besteht, die in ihrer Zusammenwirkung die Voraussetzungen der Strafbarkeit fest umschreiben31 und die materiellen Bedingungen der gesetzlich angedrohten Strafe darstellen32. Darüber hinaus kann auch kein Zweifel darüber entstehen, dass die Zerlegung des Tatbestandes in mehrere Teile bzw. Merkmale sowohl beim Verstehen als auch bei der Anwendung des Rechtssatzes eine große Rolle spielt. Die Gesamtheit einer Norm bzw. eines Tatbestandes lässt sich schwerlich sogleich erfassen und anwenden. Um die Subsumtion überhaupt zu ermöglichen, muss man vielmehr den zu prüfenden Tatbestand in seine einzelnen Teile (Tatbestandsmerkmale) zerlegen, wodurch man mehrfache Einzelsubsumtion betreiben kann33. All diese Darstellungen über das Tatbestandsmerkmal sind zwar richtig, konstatieren jedoch nur die Unabdingbarkeit der Segmentierung des Tatbestandes in mehrere Merkmale. Aus der Unabdingbarkeit der Segmentierung lässt sich m. a. W. noch nichts darüber entnehmen, wie bzw. anhand welchen Kriteriums ein Tatbestand segmentiert werden soll34. Über das Tatbestandsmerkmal ist in der Literatur ferner etwa die Beschreibung zu finden: Die Tatbestandsmerkmale seien „die sprachlichen Zeichen“ des Tatbestandes35. Zur Lösung des hier zu behandelnden Problems ist eine solche Aussage jedoch zu grob und sehr ergänzungsbedürftig. Sicher ist einerseits, dass Tatbestandsmerkmale sprachliche Zeichen sein müssen, weil jeder Gesetzestext eben schriftlich gefasst und erlassen werden muss. Andererseits kann aber auch kein Zweifel darüber entstehen, dass nicht jedem sprachlichen Zeichen (Wort) die Qualität des Tatbestandsmerkmals zukommen kann36. Denn in einem Tatbestand sind Darüber besteht Einigkeit; vgl. nur Baumann / Weber / Mitsch, AT, 8 / 10. Siehe v. Liszt / Schmidt, Lb, Bd. / 1, 1932, S. 180; Mezger, Lb, 1949, S. 175; Krahl, Tatbestand, 1999, S. 8. 33 Man unterscheidet zwar die Einzelsubsumtion (oder Einzelbegriffs-Subsumtion) von der Gesamtsubsumtion; jedoch besteht die Gesamtsubsumtion lediglich in der Zusammenfügung der Ergebnisse sämtlicher (positiv verlaufener) Einzelsubsumtionen. Der Sachverhalt ist also dann unter den Tatbestand der Norm zu subsumieren (Gesamtsubsumtion), wenn eine eindeutige Zuordnung sämtlicher Tatbestandsmerkmale zu Sachverhaltselementen möglich ist, d. h., wenn jedes Tatbestandsmerkmal seine Entsprechung in einem Element des betrachteten Lebenssachverhalts findet (Einzelsubsumtionen); vgl. dazu Samson, Strafrecht I, 1988, S. 4 ff.; Looschelders / Roth, Methodik, 1996, S. 93 ff.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 18; Schapp, Methodenlehre, 1998, S. 67. 34 In der Literatur sind auch viele unterschiedliche Einteilungen von Tatbestandsmerkmal zu finden, etwa objektive / subjektive, deskriptive / normative sowie geschriebene / ungeschriebene Merkmale (vgl. Schwacke, Methodik, 2003, S. 20 ff.; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 8 / 15 ff.; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 269 f., 272 ff.). Dennoch können diese Einteilungen gerade hier überhaupt nicht weiter helfen. Denn, ehe man fragen kann, welcher dieser Kategorien ein Merkmal angehört, muss bereits festgestellt worden sein, was ein Merkmal ist. Diese Voraussetzung ist gerade die vor uns stehende und zu behandelnde Frage. 35 So z. B. Schlüchter, Irrtum, 1983, S. 6; Treder, Rechtsanwendung, 1998, S. 6. 31 32

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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einige Wörter ja nur Präposition, Adjektiv, Adverb, Konjunktion oder sogar nur Artikel; sie verlieren ihre spezifische Bedeutung für die Aussage, wenn sie von ihrem Kontext bzw. Bezugswort getrennt werden. Es wäre also durchaus sinnlos, diese Wörter jeweils als ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal zu behandeln. Sie können niemals allein eine sinnvolle Einheit bei der Prüfung von Tatbestandsmäßigkeit bzw. bei der Einzelsubsumtion werden. Das leuchtet anhand der Formulierung „die fehlende Fähigkeit des Opfers“ in § 182 Abs. 2 ein: Wenn das Adjektiv „fehlend“ unabhängig von dem (von ihm modifizierten) Bezugswort „Fähigkeit“ betrachtet wird, kann es für sich allein keine selbstständige Bedeutung haben und darf deshalb nicht allein als ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden. Daraus ersieht man, dass die Frage, was man unter strafrechtlichem Tatbestandsmerkmal verstehen soll, in der Tat gar nicht so einfach ist, wie es scheint. Der Grund dafür, dass das Kriterium für die Annahme des Tatbestandsmerkmals im Schrifttum kaum thematisiert wird, liegt auch nahe, weil diese Frage in der Regel überhaupt nicht beantwortet zu werden braucht, es sei denn, dass es um Tatbestandsalternativen geht. Bevor man sein Augenmerk auf die Suche nach dem konkreten Kriterium richtet, soll man sich vorerst darüber klar sein, dass „Tatbestandsmerkmal“ kein vorgegebener Begriff ist und damit keine absolut feste, unveränderbare Kontur hat. Dieser lässt sich vielmehr als zweckorientiertes Instrument begreifen. Beim Annehmen des Tatbestandsmerkmals geht es um die Zerlegung eines Tatbestandes; man muss also die Entscheidung treffen, welche Wörter in einem Tatbestand zusammengehören und gemeinsam als eine Einheit (Merkmal) angesehen werden sollen. Da man einen Satz bzw. Tatbestand unterschiedlich segmentieren kann, muss man sich – um eine solche Entscheidung treffen zu können – klar machen, welcher Zweck mit der Zerlegung des Tatbestandes erreicht werden soll, oder welches Problem zu lösen ist.

2. Sprachliche Austauschbarkeit? a) Aus Sicht der sprachlichen Schwierigkeit Das Hauptargument dafür, dass alle Tatbestandsalternativen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind, basiert auf der sprachlichen Schwierigkeit bei der Formulierung: Der Gesetzgeber hat ein Merkmal nur deshalb alternativ formuliert, weil er kein passendes Wort für die Beschreibung eines Tatbestandsmerkmals finden konnte37; dies sollte nicht dazu führen, dass dem Täter dank 36 Ebenso Schapp, Methodenlehre, 1998, S. 78: „Tatbestandsmerkmale sind m. a. W. nicht etwa Worte oder Begriffe des den Tatbestand ausmachenden konditionalen Nebensatzes des Rechtssatzes. . .“; und a. a. O., S. 102. 37 Sei es, dass ein solches Wort in der natürlichen Sprache gar nicht existiert, sei es, dass es zwar vorhanden ist, jedoch viel zu vage, unbestimmt und somit aus der Sicht des Bestimmtheitsgebotes unbrauchbar ist; vgl. oben A. II. 4.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

der konkreteren, präziseren Formulierung des Gesetzes ein unverdienter Vorteil – etwa beim Alternativenirrtum oder beim non liquet zwischen Alternativen – zugute kommt38. Dem kann man wohl zustimmen. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass die sprachliche Schwierigkeit freilich die sprachliche Möglichkeit voraussetzt: Ist von sprachlichen Schwierigkeiten als Grund für die Entstehung der Tatbestandsalternativen die Rede, geht man freilich davon aus, dass es sprachlich möglich ist, alle einschlägigen Alternativen gemeinsam einheitlich durch einen Gattungsbegriff zu formulieren, obwohl der Gesetzgeber ihn gerade nicht verwendet oder gefunden hat. Eine solche sprachliche Möglichkeit ist freilich nicht bei allen Tatbestandsalternativen vorhanden, vor allem bei denjenigen, die jeweils eine vollständige Handlungsbeschreibung darstellen und zwischen denen gar kein einziges gemeinsames Merkmal gegeben ist39. Ist eine einheitliche Formulierung aller einschlägigen Alternativen sprachlich gar nicht möglich, können sie freilich nicht mehr aus dem oben erwähnten Grund zusammen als ein Tatbestandsmerkmal behandelt werden. Vom Argument der sprachlichen Schwierigkeit ausgehend scheint es also so zu sein, als müsste man lediglich sprachliche Austauschbarkeiten bei der Feststellung des Tatbestandsmerkmals berücksichtigen, d. h. lediglich danach fragen, ob die einschlägigen Alternativen sprachlich durch einen gemeinsamen Gattungsbegriff zu ersetzen sind. Im Folgenden wird die Haltbarkeit dieser These weiter geprüft.

b) Einwände Zunächst würde man auf den ersten möglichen Einwand stoßen: Müsste man alle potenziellen Möglichkeiten der austauschbaren Ausdrucksweisen immer in Rechnung ziehen, käme man letztlich zu diesem merkwürdigen Ergebnis, dass alle Wörter im Tatbestand stets zu einer Einheit gehören würden: Anhand des Wortes „Betrug“ kann z. B. ein komplexer Vorgang, der sich auch mit einem Satzgefüge – wie in § 263 Abs. 140 – konkreter beschreiben lässt, zum Ausdruck gebracht werden. Der Blick auf Vorschriften der Regelbeispiele erweckt ebenfalls den Eindruck, als ob der Ausdruck der „besonders schweren Fälle“ mit konkret beschriebenen Beispielsfällen sprachlich austauschbar wäre, weshalb die konkret beschriebenen Beispielsfälle immer zusammen eine Einheit bilden könnten. Falls das der Fall wäre, dann wäre die sprachliche Austauschbarkeit als Kriterium für die Feststellung des Tatbestandsmerkmals völlig sinnlos. Diesen Einwand kann man jedoch schnell ausräumen. Zunächst steht völlig außer Frage, dass man eine Konstellation, die sich mit einem Satz beschreiben lässt, durch Vereinbarungen allein mit einem Wort bzw. BeVgl. näher o. A. II. 4 und u. b und 3. Z. B. die Alternativen in §§ 184 Abs. 1, 250 Abs. 1. 40 Nämlich das Satzgefüge: Jemand erregt oder unterhält einem Irrtum durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen und beschädigt dadurch das Vermögen eines anderen. 38 39

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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griff ausdrücken kann. Gerade auf diese Art und Weise werden alle Vorschriften im StGB betitelt. Durch ein Wort bzw. einen Begriff, wie etwa „Betrug“ oder „besonders schwer“ hat man bestimmte Situationen benannt (betitelt) bzw. bewertet. Jedoch bedeutet dies durchaus nicht, dass diese Benennung oder Bewertung mit konkret beschriebenen Sätzen sprachlich austauschbar wäre. Der konkret beschreibende Satz in § 243 Abs. 1 Nr. 1 wird z. B. zwar vom Gesetzgeber als (prinzipiell) besonders schwer angesehen bzw. bewertet, ist aber dem Ausdruck „besonders schwere Fälle“ weder syntaktisch noch semantisch gleichzusetzen. Die sprachliche Auswahl – wenn man so will – zwischen dem Titel „Betrug“ und dem konkreter beschriebenen Tatbestand in § 263 Abs. 1 existiert nur auf der Ebene der Gesetzgebung, aber nicht auf der Ebene der Rechtsanwendung41. Bei der Beschreibung eines Geschehens stehen dem Sprecher bzw. Gesetzgeber immer mehrere unterschiedliche Ausdrucksweisen zur Verfügung, sei es ein Wort, ein Begriff, ein Satz, ein Satzgefüge oder gar ein Text. Statt der abstrakteren Formulierung der Handlungsmodalität in § 145a (Verstoß gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art) hätte der Gesetzgeber die Handlungsmodalität freilich auch durch eine konkretere Formulierung in diesem Tatbestand beschreiben können, etwa durch mehrere Sätze, die in § 68b Abs. 1 Nr. 1 – 9 aufgezählt werden und unterschiedlich dimensionale Informationen (z. B. die Zeitangabe in Nr. 7 oder Ortsangaben in Nr. 1, 2 usw.) enthalten. Wenn er sich aber für eine bestimmte Ausdrucksweise entscheidet, hat der Rechtsanwender diese Entscheidung zu respektieren42. Der Grundsatz der Gesetzlichkeit hat also bereits eine feste Grenze gezogen. Für den Rechtsanwender ist der zu prüfende Gegenstand bei der Segmentierung des Tatbestandes stets der Text, der in dieser Strafvorschrift direkt, ausdrücklich geschrieben ist43. Aber auch wenn man bei der Suche nach Tatbestandsmerkmalen an dem gesetzlichen Text festhält, kann man schließlich damit doch keinen Erfolg haben, solange man sein Augenmerk nur auf die sprachliche Austauschbarkeit richtet. Denn rein theoretisch gesehen kann man immer durch Vereinbarungen neue Ausdrucksweisen erfinden, wodurch sich mehrere Einheiten eines Satzes, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Informationen unterschiedlicher – z. B. zeitlicher, räumlicher usw. – Dimensionen darstellen, zusammen durch ein neu geschaffenes Wort ausdrücken lassen. Das Wort „mensen“ bezieht sich z. B. auf ein Aktionsverb (essen) und eine Ortsangabe (in der Mensa); das „frühstücken“ verbindet dagegen ein Ak41 Es ist freilich auch möglich, dass der Gesetzgeber den Tatbestand bei der Gesetzgebung anhand eines Begriffs statt einer näheren Beschreibung des Handlungsvorgangs formuliert. Das Wort „Beleidigung“ in § 185 ist gerade ein Beispiel dafür. Dies kommt aber – wegen des Bestimmtheitsgebots – nur sehr selten vor. Wenn also kein breiter Konsens unter Normunterworfenen vorhanden ist und damit das verwendete Wort unterschiedlich verstanden werden kann, dann sollte der Gesetzgeber den Tatbestand doch mit einem Satz bzw. Satzgefüge – statt eines Wortes – näher formulieren. 42 Ähnlich: Puppe, GA 1990, S. 153 f. (aber in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum). 43 Im Beispiel des § 145a stellen die Formulierungen des § 68a Abs. 1 nicht den Tatbestand des § 145a, sondern nur seine Hilfsnorm dar; zur Hilfsnorm vgl. o. A. I. 3. d).

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

tionsverb (essen) und eine Zeitangabe (morgens). Dass man immer einen neuen (Ober-)Begriff erfinden kann, führt auch dazu, dass man einen Satz anhand der potentiellen sprachlichen Austauschbarkeit überhaupt nicht endgültig segmentieren kann. Es gäbe gar keine feste Grenze zwischen Zeichen eines Satzes, weil es sprachlich immer möglich ist, unterschiedliche Zeichen einheitlich zu formulieren, indem man durch Vereinbarung ein neues Wort erfindet. Dagegen könnte man natürlich einwenden, Vereinbarungen bzw. Erfindungen neuer Ausdrucksweisen seien nur Ausnahmen; man solle solchen potentiellen, rein spekulativen Vereinbarungsmöglichkeiten bei der Segmentierung des Satzes nicht Rechnung tragen und den Gesetzestext bloß auf der Basis des allgemeinen Sprachgebrauchs analysieren. Davon abgesehen, dass die menschliche Sprache ursprünglich auch ein Produkt von Vereinbarungen ist und eine Erwiderung dieser Art deshalb nicht genügend überzeugend sein kann, ist es für den Rechtsanwender in der Tat auch nicht nötig, eine Regel darüber aufzustellen, auf welcher Stufe die Assoziation der austauschbaren Ausdrucksweisen abgebrochen werden soll. Denn die sprachliche Austauschbarkeit soll bei der Feststellung des Tatbestandsmerkmals nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. Die Fokussierung auf die sprachliche Austauschbarkeit trifft den Kern des Problems nicht – zumindest nicht ganz. Vielmehr ist die sprachliche Austauschbarkeit nur eine Reflexerscheinung derjenigen Einheit, deren Gestaltung ausschließlich dem Gesetzgeber zukommt und deren Feststellung sich aus einer anderen Sicht als der der Austauschbarkeit ergibt. Dies bedarf allerdings noch einer weiteren Präzisierung.

3. These von der Formulierungseinheit Nun werden wir versuchen, die These zu begründen, dass man im Kontext der Problematik der Tatbestandsalternativen nach derjenigen Einheit suchen soll, die sich bei der Fassung des Tatbestandes eigens, relativ selbstständig – nämlich relativ unabhängig von restlichen Teilen desselben Satzes – formulieren und betrachten lässt. Eine solche Einheit wird im Folgenden als „Formulierungseinheit“ bezeichnet. Nur der Gesetzgeber ist dafür zuständig bzw. imstande, über die Gestaltung der Formulierungseinheit zu entscheiden. Für die Fassung jeder Formulierungseinheit stehen ihm unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten bzw. Ausdrucksweisen zur Verfügung. Auch wenn er mehrere Wörter (Wortgruppe) bei der Beschreibung einer Formulierungseinheit eingesetzt hat, sind alle Wörter dieser Wortgruppe stets eng miteinander verbunden; sie können sowohl bei der Fassung des Satzes als auch bei seinem Verstehen nicht voneinander getrennt werden. Da die Wörter (Alternativen) der Beschreibung derselben Formulierungseinheit dienen, hätten sie bei der Gesetzgebung sprachlich ebenso gut durch ein Wort zum Ausdruck gebracht werden können. Dadurch unterscheidet sich unsere These von der oben erwähnten These sprachlicher Austauschbarkeiten: Im Kontext der Tatbestandsalternativen kann die sprachliche Austauschbarkeit – wenn man so will – nur dann eine Rolle spielen, wenn alle einschlägigen Alternativen sich in derselben

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Formulierungseinheit befinden. Diese Alternativen werden aber nicht wegen der sprachlichen Austauschbarkeit als ein Tatbestandsmerkmal angesehen, sondern deshalb, weil sie zu derselben Formulierungseinheit gehören. Nur innerhalb einer Formulierungseinheit kann die sprachliche potenzielle Möglichkeit, konstruierende Wörter (Alternativen) durch einen anderen Oberbegriff zu substituieren, ins Gewicht fallen, weshalb bezüglich des Entstehungsgrundes für den Einsatz der Tatbestandsalternativen von sprachlichen Schwierigkeiten die Rede sein kann. Verkörpern die Alternativen dagegen verschiedene Formulierungseinheiten, oder enthält eine Alternative bereits mehrere Formulierungseinheiten, können diese Alternativen bei der Beschreibung freilich nicht wieder miteinander zusammen als eine Einheit angesehen werden, weswegen der Grund für den Einsatz der alternativen Beschreibung nicht mehr die sprachliche Schwierigkeit sein kann. In diesem Fall kann also die sprachliche Austauschbarkeit keine Rolle mehr spielen, auch wenn es möglich ist, diese Alternativen gemeinsam durch einen erfundenen einheitlichen Ausdruck zu ersetzen.

a) Symmetrie zwischen Gesetzgebung und Rechtsanwendung Um „Formulierungseinheit“ zu umreißen, müssen wir auf die Entstehung einer Rechtsnorm, nämlich die Rechtsetzung zurückgreifen. Rechtsetzung und Rechtsanwendung stellen auf den ersten Blick Gegensätze dar, weisen dennoch Gemeinsamkeiten auf. Beide dienen der Rechtsverwirklichung und enthalten schöpferische Komponenten. Darüber hinaus bestehen noch Wechselwirkungen zwischen Gesetzgebungstechnik und Rechtsanwendungsmethode44. Sowohl im Prozess der Gesetzgebung als auch in dem der Rechtsanwendung pendelt man immer zwischen Abstrahierung und Konkretisierung hin und her. Zur Beleuchtung dieser Wechselwirkung scheint ein kleiner Ausflug in die Entstehung eines strafrechtlichen Tatbestandes nötig zu sein. Da jeder Gesetzestext schriftlich gefasst und erlassen werden muss, hat der Gesetzgeber seinen Gedanken durch die Sprache zum Ausdruck zu bringen, um ihn dem anderen zugänglich bzw. verständlich zu machen und damit den Zweck der Intersubjektivität zu erreichen. Bevor der Gesetzgeber die einzelne Norm formuliert, muss zuerst festgelegt werden, welche vorgestellten Lebenssachverhalte er darin regeln will45. Im BT des StGB ist die Kodifikation, also die Umschreibung spezieller Strafbarkeitsvoraussetzungen, für sich genommen nichts anderes als die abstrakte Beschreibung eines bestimmten schädigenden Geschehens bzw. einer in der Außenwelt eingetretenen Zustandsveränderung, auf die der Gesetzgeber mit Strafe reagieren will46. Dieses Vorstellungsbild, das ihm bei der Fassung des TatVgl. dazu Höhn, Methodik, 1993, S. 9; Vogel, Methodik, 1998, S. 203. Höhn, Methodik, 1993, S. 20. 46 Deshalb wird Tatbestand auch als „die gesetzliche Schilderung des Geschehens“ bezeichnet (z. B. Schmidhäuser, Lb, 1975, 2 / 3). 44 45

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

bestandes vorschwebt, kommt meistens von konkreten Fällen, die in der Wirklichkeit schon vorgekommen sind47. Mit der „Beschreibung eines Geschehens“ ist freilich nicht gemeint, dass der Gesetzgeber eine Lebenswirklichkeit vollständig beschreiben muss. Zum einen ist eine vollständige Beschreibung eines Ereignisses unmöglich. Wenn man eine Tatsache vollständig beschreiben will, käme man nicht ans Ende, bis man den genauen Zustand bzw. unzählbare Einzelheiten auf der gesamten Welt zum Zeitpunkt dieser Tatsache beschrieben hätte. Dies ist praktisch nicht durchführbar48. Zum anderen ist eine solche vollständige Beschreibung auch nicht nötig. Da eine konkrete Lebenswirklichkeit stets aus Informationen unterschiedlicher Dimensionen – z. B. räumlichen, zeitlichen oder personbezogenen Botschaften – besteht, muss ein Sprecher die Tatsache, die er beschreiben will, selbst konstituieren. Er muss sich entscheiden, welche Informationen bzw. Eigenschaften der konkreten Fälle relevant sind und welche nicht. Der Strafgesetzgeber muss demnach erstens genau wissen, welche Fälle seinen Intentionen entsprechen und welche auszuschließen sind, und zweitens die zu beschreibende Lebenswirklichkeit abstrahieren. Da eine konkrete Lebenswirklichkeit stets aus Informationen unterschiedlicher Dimensionen besteht, kann die Abstraktion der Lebenswirklichkeit nicht pauschal vom gesamten Eindruck betrieben werden. Vielmehr ist die Abstrahierung nur Stück für Stück, d. h. von einer Dimension zur anderen Dimension (z. B. Subjekt, Handlungsmodalität, Erfolg sowie zeitliche und räumliche Bedingungen usw.), gesondert zu erreichen. Hier muss der Gesetzgeber versuchen, die konkreten erlebten oder vorgestellten Beispielsfälle miteinander zu vergleichen und damit für jede relevante Dimension jeweils eine abstrakte Bezeichnung bzw. einen allgemeinen „Nenner“ zu finden49. All die Nenner unterschiedlicher Dimensionen werden mittels Sprachzeichen und grammatikalischer Regeln miteinander zu Sätzen verbunden. Nachdem der Normadressat diese Informationen empfangen hat, muss er sie mit denselben Sprachregeln verarbeiten, um das gleiche Vorstellungsbild wiederherzustellen 50. Dadurch lässt sich die Symmetrie zwischen Gesetzgebung und Rechtsanwendung erkennen: Während die Gesetzgebung vom Konkreten bis zum Abstrakten abläuft, stellt der Prozess der Rechtsanwendung im Gegenteil dazu einen Vorgang vom Abstrakten zum Konkreten dar, weshalb man Stichwortartig: Problemimpuls; vgl. dazu Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 72 ff. So schon Puppe, GA 1994, S. 297 ff., 313 ff. Sie hat deutlich darauf hingedeutet, dass es keine vollständige Beschreibung einer Tatsache bzw. keine von Natur aus vorgegebenen konkreten Gestalten der Wirklichkeit gibt. Es ist vielmehr in das Belieben des Sprechers gestellt, welche Angaben er in die Beschreibung seiner Prämissen aufnimmt. 49 Vgl. dazu Fleiner, Gesetzesnormen, 1982, S. 137 ff., 143; Bydlinski, Methodenlehre, 1991, S. 642. 50 Die heutige Sprachtheorie geht von der generellen These aus, dass jede gelungene sprachliche Verständigung – also auch die in einer gemeinsamen Sprache – permanente Akte der „Übersetzung“ aus der Sprachwelt des Sprechers (Autors) in die Sprachwelt des oder der Adressaten erfordert. Nur im Zusammenspiel aller notwendigen Voraussetzungen und Bemühungen des Sprechenden und des Adressaten gewinnt die jeweilige „Botschaft“ ihren gemeinten Inhalt (vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 155). 47 48

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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den Prozess der Gesetzgebung die „umgekehrte Subsumtion“ bzw. „die umgekehrte Rechtsanwendung“ nennt51. Wie ein „Nenner“ bezüglich einer bestimmten Dimension formuliert werden soll – durch ein Wort oder eine Wortgruppe –, ist ausschließlich die Sache bzw. das Privileg des Gesetzgebers. Die von den Tatbestandsmerkmalen gemeinten Lebenssachverhalte sollen im Tatbestand eigentlich nur mit einem einzigen Ausdruck beschrieben werden, der ggf. durch Eigenschaftswörter oder Nebensätze näher gekennzeichnet wird. Gelegentlich verwendet das Gesetz aber auch mehrere Ausdrücke nebeneinander, nämlich Tatbestandsalternativen52. Egal, wie eine Formulierungseinheit zum Ausdruck gebracht wird – sei es anhand eines Worts, eines Satzes oder mehrerer Alternativen –, ändert sich ihre Identität bzw. ihr Charakter als eine Einheit nicht. Jeder Nenner stellt ein Träger der Information über eine bestimmte Dimension dar53 und lässt sich immer eigens formulieren. Der Nenner der einen Dimension darf bei der Formulierung nicht mit dem Nenner der anderen Dimension vermengt werden. Er wird in dieser Untersuchung der Formulierungseinheit gleichgesetzt. b) Seite der Rechtsanwendung – Maßstab für die Einzelsubsumtion Nicht nur bei der Gesetzgebung, sondern auch beim Verstehen und der Anwendung des Rechtssatzes spielt die Formulierungseinheit eine Rolle. Die sprachliche Formulierung dient der Ermöglichung des Verstehens des Rechtssatzes. Das Verstehen einer Norm stellt für sich genommen wiederum eine notwendige Vorarbeit der Anwendung dieser Norm dar. Die drei Schritte – Formulierung, Verstehen und Anwendung – hängen sehr eng miteinander zusammen. Bei der Anwendung eines Tatbestandes ist das Vorliegen jeder Voraussetzung der Rechtsnorm gesondert und nacheinander festzustellen. Erforderlich ist die mehrfache Einzelsubsumtion54, in der geprüft wird, ob der Sachverhalt einzelne Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Sie setzt wiederum die Zerlegung des zu prüfenden Tatbestandes in mehrere Teile (Tatbestandsmerkmale) voraus55. Da die Zeichen derselben Formulierungseinheit Vgl. dazu Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 288 ff.; Vogel, Methodik, 1998, S. 203. WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69. Zu beachten ist, dass der Prozess der Abstrahierung sowohl bei der intensionalen Bestimmung als auch bei der extensionalen notwendig ist; vgl. o. A. II. 3. b) aa). 53 Deshalb wird Tatbestandsmerkmale auch als „Informationselemente“ einer Norm bezeichnet; so z. B. Höhn, Methodik, 1993, S. 21. 54 Oder: Einzelbegriffs-Subsumtion (Schmalz, Methodenlehre, Rn. 18). 55 Insofern kann der Begriff des Tatbestandsmerkmals durchaus als Hilfsmittel zur Rechtsanwendung angesehen werden (Schlüchter, Irrtum, 1983, S. 5 f., 7). Ähnliche Darstellungen findet man auch bei Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 29 f.: Als „Tatbestandsmerkmal“ werden dabei die kleinsten sprachlichen Sinneinheiten angesehen, die noch auf ihre Übereinstimmung mit tatsächlichen Geschehnissen bei einer Subsumtion überprüft werden können. Ein „Tatbestandsmerkmal“ kann daher für die Zwecke der Rechtsanwendung nicht weiter zerlegt werden, ohne eine sinnvolle Prüfung unmöglich zu machen. 51 52

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

beim Verstehen des Rechtssatzes einerseits immer zusammen betrachtet werden müssen und andererseits relativ unabhängig von restlichen Teilen desselben Tatbestandes sind, stellt die Formulierungseinheit gleichzeitig auch das Kriterium der Einzelsubsumtion dar. Die Informationen über dieselbe Dimension werden stets eigens, relativ unabhängig von den restlichen Informationen des Satzes geprüft. In der natürlichen Sprache verhält es sich ebenso: Um festzustellen, ob der Satz „Der Mann hat im letzten Jahr in Freiburg gearbeitet“ wahr ist, werden die Zeitangabe (im letzten Jahr) und die Ortsangabe (in Freiburg) jeweils eigens geprüft, weil sie eben Informationen zweier unterschiedlicher Dimensionen sind. Die Informationen unterschiedlicher Dimensionen müssen einerseits eigens formuliert und andererseits selbstständig geprüft werden. Mit Formulierungseinheiten hat der Gesetzgeber vorgeschrieben, welche Tatsache bezüglich jeder bestimmten Dimension vorliegen bzw. bewiesen werden muss, um die Tatbestandsmäßigkeit zu bejahen. Aus dieser Sicht sind die Formulierungseinheit und das Kriterium der Einzelsubsumtion als zwei Seiten eines Ganzen zu begreifen. Hervorzuheben ist noch, dass die jeweiligen Einzelsubsumtionen immer in kumulativem Verhältnis zueinander stehen sollen. Denn sicher ist zunächst, dass der Gegenstand der Gesamtsubsumtion nicht der Paragraf, sondern der Tatbestand ist. Ein Paragraf kann mehrere Tatbestände enthalten, die unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, weswegen es sinnlos wäre, wenn man bei der Gesamtsubsumtion nicht auf den Tatbestand, sondern auf den Paragrafen abstellt56. Darüber hinaus tritt die Rechtsfolge eines Tatbestandes nur dann ein, wenn sämtliche Voraussetzungen (Merkmale) kumulativ vorliegen57. Jede dieser Voraussetzungen stellt jeweils den Gegenstand einer Einzelsubsumtion dar. Wenn das Kriterium einer bestimmten Einzelsubsumtion (bezüglich eines Tatbestandsmerkmals) alternativ beschrieben ist, kann man diese Einzelsubsumtion dort schon bejahen, wo der Sachverhalt unter eine der Alternativen zu subsumieren ist. Wenn jedoch mehrere Tatbestandsmerkmale alternativ miteinander verbunden sind, ist nicht mehr möglich, dass sie in ein und derselben Gesamtsubsumtion auftreten. Unter der Annahme, dass jede Tatbestandsalternative ein Tatbestandsmerkmal und damit das Kriterium einer Einzelsubsumtion darstellt, kann jede Einzelsubsumtion dieser alternativ verbundenen Tatbestandsmerkmale allein mit den anderen Einzelsubsumtionen der übrigen, mit diesen Alternativen kumulativ verbunden Tatbestandsmerkmale zur Bejahung einer Gesamtsubsumtion führen. Rechtstheoretisch gesehen gehören diese alternativ verbundenen Merkmale in der Tat zu unterschiedlichen Tatbeständen und sind nur aus formalen Gründen – wie etwa gesetzgeberischer Ökonomie – an derselben Stelle zusammengefasst, weswegen man diese selbstständigen Merk56 Dies ist sogar der Regelfall im BT. In § 250 stellen z. B. Absatz 1, 2 und 3 jedenfalls unterschiedliche Tatbestände dar, die jeweils mit einer selbstständigen Rechtsfolge verbunden sind. Es wäre dann sinnlos, wenn man den Paragrafen direkt als Gegenstand der Gesamtsubsumtion ansehen würde. 57 Dagegen sieht Schmalz Konstellationen als eine Ausnahme an, in denen „das Gesetz alternative Voraussetzungen enthält“ (ders., Methodenlehre, Rn. 30).

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male in verschiedenen Gesamtsubsumtionen prüfen muss. Deshalb kann man ohne Vorbehalt sagen, dass die jeweiligen Einzelsubsumtionen immer kumulativ nebeneinander stehen. Dies steht vor dem gleichen Hintergrund wie die obige Analyse über das Verhältnis des Tatbestandsmerkmals zum Tatbestand58. Schließlich ist damit auch die Beweisführung im Strafverfahren eng verbunden. Der gesetzliche Tatbestand bestimmt, welche Sachverhalte im Strafverfahren zu beweisen sind, um als eine Straftat gemäß diesem oder jenem Tatbestand qualifiziert werden zu können59. Bei der Sachverhaltsalternativität innerhalb ein und desselben Merkmals kann man die Einzelsubsumtion des einschlägigen Sachverhalts unter dieses Merkmal bejahen. Das ist gerade der Grund dafür, warum die gleichartige Wahlfeststellung von jeher als unproblematisch angesehen wird und ein Schuldspruch in diesem Fall trotz der Sachverhaltsungewissheit erfolgen kann60, während das non liquet zwischen unterschiedlichen Tatbeständen ggf. zum Freispruch führt61. c) Relative Selbstständigkeit Jedes Tatbestandsmerkmal verkörpert nach der These der Formulierungseinheit die sinntragende Einheit des Tatbestandes, die eine relativ selbstständige Bedeutung hat. Sowohl bei der Fassung des Tatbestandes wie auch bei der Rechtsanwendung ist jedes Tatbestandsmerkmal stets selbstständig, d. h. allein zu prüfen62. Bezüglich der Suche nach der Formulierungseinheit muss man feststellen, welche Zeichen in dem einschlägigen Satz (Tatbestand) zusammengehören und sich bei der Fassung des Tatbestandes zusammen als eine Einheit selbstständig – nämlich unabhängig von restlichen Teilen desselben Satzes – formulieren lassen. Dazu ist noch eines anzumerken: Dies darf nicht zu einer absoluten Isolierung des einzelnen Tatbestandsmerkmals zu seiner Umgebung führen. Denn sogar die Sätze in einem Text sind nur relativ selbstständig und abgeschlossen, ganz zu schweigen von den Wörtern in einem Satz. Jeder Satz verkörpert vielmehr ein sprachliches Gefüge, in dem ein Wort mit einem anderen verknüpft ist63. Die Bedeutung eines einzelnen Worts verweist auf die entwicklungsoffene Gesamtheit aller anderen und kann nur in einem bestimmten Zusammenhang festgestellt werden64. Der Sinns. o. I und II. Vgl. Andrejew, GS-Hilde Kaufmann, 1986, S. 639 ff., 640. 60 Vgl. dazu u. 2. Teil B. I. 2. b) m. w. N. 61 Nämlich dann, wenn die Voraussetzungen der ungleichartigen Wahlfeststellung nicht erfüllt sind; näher dazu vgl. u. 2. Teil B. I. 2. 62 Ähnlich Schapp, Methodenlehre, 1998, S. 78: „Tatbestandsmerkmale sind ( . . .) Satzteile dieses Nebensatzes von einer gewissen Selbstständigkeit. Bei der Anwendung des Tatbestandes kann nach diesen Satzteilen selbstständig gefragt werden“. 63 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 251. 64 Vgl. dazu Christensen / Kudlich, ARSP 88 (2002), S. 230 ff., 234. Oder: der „hermeneutische Zirkel bzw. Spirale“: Man kann den Teil nicht verstehen ohne Vorverständnis des Gan58 59

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

zusammenhang innerhalb einer Rechtsnorm muss erhalten bleiben, weswegen jedes Tatbestandsmerkmal nur unter Berücksichtigung der anderen Tatbestandsmerkmale auszulegen ist65. Im Hinblick darauf kann die Selbstständigkeit des Tatbestandsmerkmals bzw. der Formulierungseinheit immer nur relativ sein. Da Begriffe wie „Formulierungseinheit“ oder „relative Selbstständigkeit“ wegen ihres hohen Abstraktionsgrades schwer direkt als Kriterium gehandhabt werden können, werden wir im Folgenden versuchen, ein konkreteres, intersubjektives Kriterium für die Feststellung der Formulierungseinheit oder der relativen Selbstständigkeit zu finden.

4. Traditionelle Einteilung und Kriterium Traditionell teilt man den Tatbestand in folgende Gruppen ein: Tatsubjekt, Tatobjekt, Tatmodalität (Begehungsweise), Taterfolg und Tatumstände66. Eine solche Einteilung basiert eher auf Intuition oder phänomenologischer Beobachtung. Sprachwissenschaftlich gesehen lässt eine bloße Intuition sich meist von der semantischen Zusammengehörigkeit ableiten67. Eine Einteilung, die in dieser Art und Weise herausgearbeitet wird, würde dennoch unausweichlich in Gefahr geraten, unvollständig zu sein68. Um den Makel der Unvollständigkeit zu vermeiden, könnte man zwar behaupten, dass die Kategorie von „Tatumständen“ alle Elemente einschließe, die nicht zu anderen Kategorien gehören, wodurch diese Auflistung logisch vervollständigt werden würde. Dies scheint jedoch im Hinblick auf die Suche nach der Formulierungseinheit u. U. nicht hinreichend differenziert zu sein. Denn danach zählen alle adverbialen Attribute (Adverbiale) zu derselben „Superklasse“ (Tatumstände), wie etwa die Angaben von Tatort und -zeit usw. Jedoch dürfen die Zeit- und Ortsangabe sowohl bei der Formulierung wie auch bei der Feststellung ihrer Wahrheit niemals miteinander verschmolzen werden, sondern jeweils eine selbstständige Einheit darstellen. Auch in der natürlichen Sprache ist zen, das Ganze aber ist nicht ohne Erfassung seiner Teile verstehbar (Arthur Kaufmann, Rechtsphilosophie, 4 / 19, 6 / 40). 65 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 20. 66 In der strafrechtlichen Literatur ist eine solche Einteilung heutzutage noch weit verbreitet. Zum Beispiel: Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 13 Rn. 48 (Tätermerkmale, Tatobjekt, Tathandlung, Tatsituation sowie Tatmodalität); Gropp, AT., 5 / 2 ff. (Taterfolg, Tatsubjekt, Tathandlung und weitere Tatmodalität, Tatobjekt sowie Kausalität); ähnlich: Roxin, AT / 1, 10 / 54; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 424; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 274 f. Eine ähnliche Einteilung vertritt die Lehre vom „Mangel am Tatbestand“, wonach gesetzliche Tatbestandsmerkmale sich in die Handlung und die begleitenden Tatumstände einteilen lassen, die aus besonderen Eigenschaften des Subjekts, den des Objekts, aus bestimmten Mitteln sowie aus gewissen räumlichen oder zeitlichen Beziehungen bestehen (Dohna, Der Mangel am Tatbestand, 1910, S. 18 f.). 67 Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 157 f. 68 Kritik an dem intuitiven Verfahren, vgl. Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 52 f.

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die Raumdimension bei der Fassung eines Satzes von der Temporaldimension zu unterscheiden69. Für eine Geschehensdeskription verkörpert jede Art des Adverbials einen selbstständigen Informationsträger von einer bestimmten Dimension bzw. Eigenschaft eines Ereignisses. Deshalb ist eine weitere Differenzierung dieser Klasse aus Sicht der Formulierungseinheit durchaus notwendig. Hier hat man es jedenfalls mit der Zerlegung eines Satzes bzw. Tatbestandes zu tun. Da Normen Sätze der Sprache sind, die anhand der vorgegebenen Sprachregeln herausgearbeitet werden, arbeiten Juristen unausweichlich mit der Sprache. Die Fachsprache mag zwar ggf. – nämlich aus Sicht des Vokabulars – anders als die natürliche Sprache sein70, muss aber doch auf den vorgegebenen grammatikalischen Regeln basieren. Ohne grammatikalische Regeln kommt der Strafgesetzgeber nicht aus und die Zeichen im Tatbestand wären auch sinnlos. Deshalb drängt sich die Berücksichtigung der Sprachwissenschaft bzw. Syntax auf, in der ausführlich thematisiert wird, wie ein Satz sinnvollerweise zu zerlegen ist.

5. Syntagmatische und paradigmatische Beziehungen Die strukturelle Linguistik bzw. die strukturalistische Satzanalyse fokussiert die Beziehung (Relation) zwischen den verschiedenen Sprachelementen. Ein Satz ist eine Wortkette, die man aus zwei Perspektiven betrachten kann, und zwar einmal aus der horizontalen (linearen) und zum anderen aus der vertikalen. Dementsprechend lassen sich zwei linguistische Grundrelationen in einem Satz unterscheiden: syntagmatische und paradigmatische Beziehungen71. Während die syntagmatische Relation das Kombinationsverhältnis verschiedener Bestandteile eines Satzes – auf horizontaler Achse – beschreibt, drückt die paradigmatische Relation die Zugehörigkeit der einzelnen Satzteile zu bestimmten Klassen – auf vertikaler Achse – aus. Durch beides sind sprachliche Zeichen in das Sprachsystem eingebunden: Syntagmatische Beziehungen werden durch Kombinierbarkeit auf horizontaler Ebene definiert72. Da syntagmatische Beziehungen die Relation zwischen den aufeinander folgenden Teilen eines Satzes beschreiben, werden sie auch als horizontale Relationen73 oder als das Miteinandervorkommen von Elementen in Texten74 bezeichnet. Syntagmatische Beziehungen ergeben sich aus der Zerlegung eines s. Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 78 f. und o. 3. b). Vgl. dazu Neumann, Juristische Fachsprache, 1992, S. 110 ff.; Vogel, Methodik, 1998, S. 114 f. 71 Das ist eine der wichtigsten Grundthesen der strukturalistischen Sprachwissenschaft (Strukturalismus); vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 657 ff., 658; Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch 3, 1990, S. 892, 898; Bünting, Linguistik, 1996, S. 40 f.; Pelz, Linguistik, 2001, S. 152. 72 Bußmann, Lexikon, 2002, S. 494. 73 Vgl. dazu Flohr / Lobin, Syntax, 2002, S. 128. 74 Vgl. Bünting, Linguistik, 1996, S. 41. 69 70

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Satzes in mehrere Teile, die Syntagmen genannt werden. Ein Syntagma kann ein Wort, eine Wortgruppe oder gar ein Teilsatz sein. In der Linguistik werden – wie gleich unten (7) zu zeigen ist – unterschiedliche Ansätze bzw. Kriterien zur horizontalen Segmentierung eines Satzes aufgestellt. Obwohl unterschiedliche Kriterien ggf. zu verschiedenen Ergebnissen der Segmentierung führen können, dient jedes dieser Kriterien zur Ermittelung der horizontalen Beziehung eines Elements zu anderen Elementen seiner Umgebung75. Im Gegensatz dazu werden die paradigmatischen Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen durch Ersetzbarkeit (Austauschbarkeit) auf vertikaler Ebene definiert und als „vertikale Relationen“ bezeichnet76. Sie ergeben sich aus der Ersatzprobe (Austauschprobe od. Substitutionstest), in der man ein Element in einem Satz durch ein anderes Element an der gleichen Stelle – unter der Bedingung, dass der Rest des Satzes konstant gehalten wird – ersetzt, wobei der dadurch neu entstandenen Satz auch grammatisch korrekt sein muss77. Z. B. bilden Ausdrücke „heute / morgen / übermorgen“ im Satz „Er kommt heute, morgen oder übermorgen“ eine paradigmatische Austauschklasse. Diese gegenseitig austauschbaren Ausdrücke sind zwar nicht in gleicher Weise als semantisch äquivalent zu betrachten, scheinen aber doch eine Klasse zu bilden, der ganz allgemein und vorläufig das semantische Merkmal (Temporal) zugesprochen werden kann78. Die Zeichen, die an einer bestimmten Position oder in einer bestimmten syntaktischen Funktion von Äußerung auftreten, verweisen in ihrer paradigmatischen Beziehung auf alle Zeichen, die in derselben Funktion an dieser Textstelle stehen können. Durch die Ersatzprobe ist festzustellen, welche Wörter und Wortfolgen in einem Satz gegeneinander ausgetauscht werden können79. Damit sind diejenigen Einheiten zu ermitteln, die zur gleichen grammatischen Kategorie gehören: Was paradigmatisch austauschbar ist, gehört zur gleichen grammatischen Kategorie80. In diesem Sinne ist jedes Zeichen auch zu beschreiben als Vertreter einer Paradigmenklasse, weshalb man die paradigmatischen Beziehungen der Zeichen auch als ein Statteinander auffassen kann. Hier ist immer nur eine Position in der linearen sprachlichen Äußerung betroffen. 6. Direkte Berufung auf Ersatzprobe? Im Hinblick auf die sprachliche Austauschbarkeit drängt sich zunächst die Ersatzprobe auf: Nur dort, wo die eine Alternative durch die andere ersetzt werden Vgl. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 243. Flohr / Lobin, Syntax, 2002, S. 129 f. 77 Bußmann, Lexikon, 2002, S. 200. 78 Brinker, Konstituentenstrukturgrammatik, 1972, S. 99. 79 Dies nennt man auch Gleichheit der Distribution, weil solche austauschbare Zeichenfolgen zum selben Paradigma gehören und dieselbe Distribution haben (vgl. dazu Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 159, 167). 80 Vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 200. 75 76

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kann, wäre es bei der Gesetzgebung sprachlich möglich, einschlägige Alternativen anhand eines einheitlichen (nicht alternativ formulierten) Ausdrucks zu formulieren; nur in diesem Fall könnte der Grund für den Einsatz von Tatbestandsalternativen von sprachlichen Schwierigkeiten die Rede sein. Abgesehen davon, dass die sprachliche Austauschbarkeit den Kern der Formulierungseinheit nicht ganz trifft81, scheitert der Einsatz der Ersatzprobe bereits am Ansatzpunkt, weil sie eigentlich nicht zur horizontalen Segmentierung eines Satzes, sondern nur zur Ermittelung der Ersetzbarkeit derjenigen sprachlichen Ausdrücke dient, die durch andere Proben (z. B. Verschiebeprobe) bestimmt werden82. Ihre Anwendung setzt nämlich eine horizontale Segmentierung des Satzes voraus, die vor dem Einsatz der Ersatzprobe bereits vorgenommen wurde83. Denn die einzelnen Ausdrücke, die eine Ersatzreihe bilden, erweisen sich zwar als Variablen für eine bestimmte Stelle im Satz84, sind aber nicht stets ein sinnvoller Satzteil. Im Satz „Das Kind spielt mit der Decke“ ist z. B. der bestimmte Artikel „das“ mit dem unbestimmten Artikel „ein“ – rein syntaktisch gesehen – austauschbar85. Dennoch kann ein Artikel per se niemals als ein sinnvolles Satzglied angesehen werden. So eine Gliederung hat auch niemand in der Linguistik vorgeschlagen. Darüber hinaus ist das Teilstück „spielt mit“ in diesem Beispielsatz zwar durch „liegt auf“ und „schläft unter“ zu ersetzen, kann aber nach allgemeiner Auffassung kein Satzglied bilden86. Man würde also unvermeidbar zu merkwürdigen Ergebnissen gelangen, die allen semantischen Intuitionen über Konstituentenhaftigkeit widersprechen, falls man den Satz (allein) mit der Ersatzprobe segmentiert. Deshalb kann die Ersatzprobe für sich allein der horizontalen Zerlegung eines Satzes bzw. der Suche nach der Formulierungseinheit nicht gerecht werden87.

Vgl. o. 2. b). So z. B. Bünting, Linguistik, 1996, S. 159; Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch 3, 1990, S. 892, 898; Pelz, Linguistik, 2001, S. 152; Bußmann, Lexikon, 2002, S. 371. 83 Dementsprechend kann die Ersatzprobe erst dann Beitrag zur Problematik der Tatbestandsalternativen leisten, wenn der Tatbestand bereits in mehrere Formulierungseinheiten segmentiert wird; vgl. dazu o. 2 und u. V. 3 a). 84 Brinker, Konstituentenstrukturgrammatik, 1972, S. 100. 85 Vgl. dazu nur Bünting, Linguistik, 1996, S. 41. 86 Vgl. dazu Ramers, Syntax, 2000, S. 18. 87 Darauf hat Brinker (Syntax, 1977, S. 34) klar hingewiesen: „Bei der Ersatzprobe geht es nicht um Segmentierung des Satzes, sondern vielmehr um die Klassifizierung der durch die Segmentierung gewonnenen Einheiten, die festgestellten Einheiten werden auf Grund gemeinsamer Merkmale (Eigenschaften) zu Klassen zusammengefasst“. Darüber hinaus kann die Ersetzbarkeit eigentlich auf den verschiedenen sprachtheoretischen Ebene (etwa Phonem-, Morphem-, Satzebene) vorkommen. Im Wort „arbeiten“ ist z. B. der Teil „arbei“ gegen „bau“ auch austauschbar und beide stehen zueinander ebenfalls in einer paradigmatischen Beziehung (vgl. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 243). 81 82

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7. Hauptansätze zur Ermittelung der syntagmatischen Beziehung Der Ausgangspunkt der strukturalistischen Satzanalyse ist die Zerlegung des Satzes in seine Konstituenten88. Konstituenten eines Satzes können jede sprachliche Einheit (Morphem, Wort, Phrase, Syntagma usw.) sein89, je nachdem, mit welchem Kriterium man einen Satz zerlegt. Bevor wir uns den linguistischen Ansätzen zuwenden, können wir zuerst feststellen, dass die segmentierten Einheiten nicht zu klein – etwa ein einzelner Buchstabe oder ein Morphem – sein dürfen, sonst wäre die Segmentierung zum Verständnis des einschlägigen Satzes widersinnig. Freilich kann man einen Satz auch in einzelne Wörter segmentieren; dies ist der sog. „Minimalfall“ in der Syntax, in dem keine weitere Zerlegung möglich wäre90. Jedoch ist eine solche Zergliederung – wie das obige Beispiel der Formulierung „die fehlende Fähigkeit“ zeigt – sowohl zum Verstehen als auch zur Anwendung dieses Tatbestandes nicht zweckmäßig91, kann demzufolge auch nichts zur Feststellung des zu beweisenden Sachverhalts im Strafverfahren beitragen92. Um die syntagmatische Beziehung zwischen den Wörtern eines Satzes zu ermitteln, hat man in der strukturellen Linguistik bzw. Syntax die Regeln der Satzanalyse entwickelt, wonach sich ermitteln bzw. bestimmen lässt, welche Wörter im Satz zusammengehörig sind und damit eine nicht weiter zu zerlegende Wortgruppe bilden sollen, oder wie ein Satz in seine konstitutiven Bestandteile93 sinnvollerweiVgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 580. s. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 371; Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 159. 90 Vgl. Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 57. Ein Wort weiter zu zerlegen und analysieren, ist nicht mehr die Aufgabe der Syntax, sondern der Morphologie. 91 Näher dazu vgl. Pelz, Linguistik, 2001, S. 151 f.; er hat die Sinnlosigkeit einer solchen Segmentierung durch die Verschiebeprobe begründet, die gleich unten vorgestellt werden wird. 92 Wie lässt sich dann die Verwirklichung eines unvollständigen oder gar inhaltsleeren Ausdrucks – wie etwa der Artikel „die“ – im Strafverfahren beweisen? 93 Das strukturelle Grundelement eines Satzes wird in der Linguistik als Satzglied bezeichnet. Das Satzglied wird häufig als Synonym von Wortgruppe, Satzkomponente oder Satzteil angesehen. Es wird in strukturalistischer Linguistik „Syntagma“ bzw. „Konstituente“ einerseits und in der generativen Transformationsgrammatik „Phrase“ andererseits genannt (Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 59 f.). Unter Phrase versteht man syntaktisch zusammengehörige Wortfolge oder Satzteil von relativer Selbstständigkeit (Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 217). Man kann zwar sagen, dass die zerlegte Einheit nicht kleiner als eine Phrase sein darf, wenn jede Einheit zum Verstehen dieses Satzes überhaupt sinnvoll sein soll. Daraus darf man aber nicht voreilig den Schluss ziehen, dass jede Phrase für sich allein bei der Verschiebeprobe unter allen Umständen ein selbstständiges Satzglied darstellen könnte. Denn ein Satzglied kann durchaus aus zwei Phrasen bestehen, die zusammen eine Einheit bei der Verschiebeprobe darstellen. Im Satz „Der Mann und seine Frau haben in Mannheim gewohnt“ sind zwar die Wörter „der Mann“ und „seine Frau“ zwei Nominalphrasen, bilden aber zusammen nur ein Satzglied. Da mehrere Phrasen auch durch Konjunktion miteinander verbunden werden können und nur ein Satzglied bilden, sind das Satzglied und die Phrase nicht stets gegenseitig ersetzbare Synonyme. Jedoch setzen manche Autoren trotzdem die Phrase dem Syntagma bzw. Satzglied gleich (z. B. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch 2, 1990, S. 810). Dies kann nur dann richtig sein, wenn man vom allgemeinen Terminusgebrauch ab88 89

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se zu segmentieren ist. Diese verschiedenen syntaktisch-spezifischen Tests objektivieren intuitiv erkannte Gesetzmäßigkeiten94. Ohne explizit auf grammatisches Wissen zurückzugreifen, ist ein vernünftiger Sprecher immer in der Lage, die Einheiten in Sätzen und die Zusammengehörigkeit von Wörtern zu ermitteln95. Gleiches gilt freilich auch für den Gesetzgeber. Im Folgenden werden wir drei Hauptkriterien in der Syntax – nämlich funktionaler Aspekt, Fragetest und Verschiebeprobe – kurz vorstellen96. Vergleicht man die Segmentierungsergebnisse anhand unterschiedlicher Kriterien miteinander, so stellt sich heraus, dass die Segmentierungsschnitte mit verschiedenen Kriterien zwar zum überwiegenden Teil zusammenfallen, sich aber gelegentlich doch widersprechen97. Deshalb wird in der linguistischen Literatur immer wieder betont, dass all diese Konstituententests für sich genommen nicht hundertprozentig verlässlich sind, bei bestimmten Konstruktionen an ihre Grenzen stoßen und als sich gegenseitig ergänzende Werkzeuge betrachtet werden sollen98. Nicht zu übersehen ist allerdings auch, dass diese Kriterien in einem völlig anderen Kontext aufgestellt werden, weshalb man sorgfältig prüfen muss, ob und inwieweit diese linguistischen Proben bei der Feststellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals nützlich sein können.

a) Der funktionale Aspekt Das erste mögliche Kriterium geht von Funktionen der Sprachzeichen im Satz aus. Danach wird ein Satz nach der Funktion, die die Satzglieder im Satz erfüllen, in folgende unterschiedliche Funktionstypen aufgeteilt: Subjekt, Objekt, prädikative und adverbiale Glieder. Sie werden Satzglieder unter funktionalem Aspekt genannt. Der Satz „Der Mann arbeitete im letzten Sommer ganz fleißig als Assistent am Lehrstuhl des Strafrechts“ enthält z. B. das Subjekt (der Mann), das Prädikat (arbeitete) und das adverbiale Glied (als Assistent, im letzten Sommer und am Lehrstuhl des Strafrechts sowie ganz fleißig). Jedoch scheitert dieses Kriterium – wie die traditionelle Einteilung von Tatbestandsmerkmalen – auch an der unzureichenden Differenzierung, kann deshalb bei der Suche nach Formulierungseinheiten weichend behauptet, dass z. B. eine Nominalphrase auch aus mehreren durch Konjunktion verbundenen Nomen bestehen könnte (so z. B. Pospiech, Syntax, 2001, S. 127). 94 s. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 485. 95 Vgl. Pospiech, a. a. O., S. 122. 96 In der Syntax gibt es freilich noch viele anderen Ansätze zur Ermittlung des Satzgliedes, etwa Koordinationsprobe, Exklusionsprobe, Klangprobe, Weglassprobe oder Umformungsprobe usw. (vgl. dazu Brinker, Konstituentenstrukturgrammatik, 1972, S. 97 ff.; Bünting, Linguistik, 1996, S. 157 ff.; Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 158 ff.; Ramers, Syntax, 2000, S. 18 ff.). Auf die ersten zwei Kriterien werden wir unten (V. 3. a)) noch eingehen; die anderen werden dagegen in dieser Untersuchung nicht erwähnt, weil sie zur Lösung unseres Problems nichts beitragen können. 97 Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 161. 98 Vgl. nur Flohr / Lobin, Syntax, 2002, S. 132.

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nicht weiter helfen. Unter funktionalem Aspekt wird das Adverbial als „Restklasse“ behandelt; alles, was nicht Subjekt, Prädikatskern, Objekt oder zum Subjekt oder Objekt gehörendes Attribut ist, wird nämlich als eine Klasse (adverbielle Bestimmung) erfasst99. Damit verschmelzen einige Grundelemente des Tatbestandes, die durchaus unterschiedliche selbstständige Bedeutungen besitzen und bei der Formulierung voneinander getrennt werden sollen. Man kann m. a. W. adverbiale Attribute semantisch weiter differenzieren100; diese weitere semantische Differenzierung ist sowohl bei der normalen Kommunikation wie auch bei der Suche nach Formulierungseinheiten nötig.

b) Fragetest Neben dem Kriterium unter dem funktionalen Aspekt ist ein weiterer Test für die Ermittelung des Satzgliedes der sog. „Fragetest“: Was sich erfragen lässt, ist eine Konstituente101. Bei diesem Verfahren greift man die semantische Dimension auf und stellt Hilfsfragen102, die auf die Funktionen der Bestandteile des Satzes zielen, die aber jeder versteht, auch wenn er von Satzfunktionen nie etwas gehört hat103. Der obige Beispielsatz (Der Mann arbeitete im letzten Sommer ganz fleißig als Assistent am Lehrstuhl des Strafrechts) ist danach in folgende Satzteile zu teilen: Der Mann (Wer arbeitete als Assistent im letzten Sommer am Lehrstuhl des Strafrechts ganz fleißig?), am Lehrstuhl des Strafrechts (Wo arbeitete der Mann im letzten Sommer?), im letzten Sommer (Wann arbeite der Mann als Assistent am Lehrstuhl des Strafrechts?) und ganz fleißig (Wie arbeitete der Mann am Lehrstuhl des Strafrechts?) usw. Im Hinblick auf den Charakter des strafrechtlichen Tatbestandes als die Beschreibung einer Zustandsveränderung scheint der Fragetest gut passend zu sein. Wer eine Zustandsveränderung sinnvoll schildern will, muss anderen zumindest die Grundinformation geben: Was ist geschehen104. Je genauer s. dazu Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 78. Etwa modal (Art und Weise), temporal (Zeit), lokal (Ort), kausal (Grund), konditional (Bedingung), konsekutiv (Folge), final (Zweck), konzessiv (Einräumung), instrumental (Mittel) etc.; vgl. dazu Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 19 f. 101 Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 161. 102 Auch: W-Fragen od. Konstituentninterrogativen. Sie sind die Fragesätze, die durch Interogativpronomen (wer, was usw.) oder Interogativadverbien (wann, wohin etc.) eingeleitet werden; durch diese Ergänzungsfrage wird eine Präzisierung eines bereits als bekannt vorausgesetzten Sachverhalts gefordert (Bußmann, Lexikon, 2002, S. 197 f.). 103 Vgl. Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 54, 79 f.; Ramers, Syntax, 2000, S. 19. 104 Anders ausgedrückt – nach Larenz –: „Ein Aussagesatz enthält zumeist die Verknüpfung zwischen einem Objekt und einer Eigenschaft oder einer Verhaltensweise, die ihm zugeschrieben, von ihm behauptet wird. Beispiele wären etwa die Sätze: „Dieses Auto ist rot“ oder „Dieses Auto fährt z. Zt. mit der und der Stundengeschwindigkeit“. Kompliziertere Aussagen . . . dürften sich alle auf die vorgenannte Grundform zurückführen lassen“ (ders., Methodenlehre, 1991, S. 251). 99

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C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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bzw. konkreter er ein Ereignis beschreiben will, desto mehr Informationen muss er angeben. Um Informationen über ein Ereignis bzw. eine Zustandsveränderung anzugeben, kann man von unterschiedlichen Perspektiven ausgehen, die herkömmlich die folgenden Ergänzungsfragesätze105 sind: „Was ist eingetreten?“, „Wer hat es getan?“, „Wie (womit od. wodurch), wo und wann ist dies geschehen?“, „Wen betrifft es?“ sowie „Wozu tut der Handelnde das?“. Dementsprechend muss der Gesetzgeber in einem Straftatbestand zumindest die minimale Information (Was ist geschehen) geben, die entweder ein verursachter Erfolg (bei Erfolgsdelikten ohne nähere Verhaltensbeschreibung) oder ein bestimmtes Verhalten (bei reinen Tätigkeitsdelikten) ist. Um eine nicht verhältnismäßige Kriminalisierung zu vermeiden, verengt der Strafgesetzgeber den Anwendungsbereich des Tatbestandes (Extension) durch die Hinzufügung der weiteren Tatbestandsmerkmale (Anreicherung seiner Intension). Angesichts des Charakters eines strafrechtlichen Tatbestandes als die Beschreibung einer Zustandsveränderung muss man beim Hinzufügen der Merkmale von obig erwähnten unterschiedlichen Perspektiven bzw. Dimensionen eines Ereignisses ausgehen. Diese unterschiedlichen Dimensionen eines Ereignisses müssen bei der Fassung des Tatbestandes auch immer gesondert, eigens formuliert werden. Insoweit stimmt dies mit dem Hintergedanken des Fragetests überein und steht auch mit unserem Zweck – der Suche nach der Formulierungseinheit – im Einklang: Jede Fragestellung bezieht sich auf eine eigenständige Dimension der Beschreibung, wobei die Antwort auf jede Frage eine selbstständige Einheit bei der Formulierung zu sein scheint. Jedoch ist auch der Fragetest nicht ganz zuverlässig. Da in der linguistischen Literatur keine exakte Regel darüber herausgearbeitet wird, wie man die Fragen stellen soll, kann man freilich unterschiedliche Ergebnisse bekommen, je nachdem, wie sich die Frage stellt. Darüber hinaus ist jeder Teil eines Satzes prinzipiell erfragbar, aber nicht jedem erfragbaren Teil kann stets die Qualität der Konstituente eines Satzes zukommen. Im obigen Beispielssatz ist das „Strafrecht“ die Antwort auf die Frage „Auf welchem Lehrstuhl arbeitete der Mann im letzten Sommer?“, kann aber für sich allein nicht als eine Konstituente angesehen werden106. Um dieses Defizit des Fragetests zu decken, könnte man freilich eine Regel aufstellen, die Fragestellungen dürften nicht über die oben erwähnten und aufgezählten Fragen hinausgehen. Dementsprechend kann der Inhalt eines Tatbestandes in folgende sieben Grundelemente eingeteilt werden: Subjekt bzw. Täterqualität (wer), Handlungsobjekt (wen), Erfolg (was), Handlungsmodalität und 105 Der Ergänzungsfragesatz ist sprachwissenschaftlich derjenige Satz, der durch Interrogativpronomen (z. B. wer, was) oder Interrogativadverbien (etwa wann, wohin usw.) eingeleitet wird, und wird auch „W-Frage“ genannt. Durch den Ergänzungsfragesatz wird eine Präzisierung eines bereits als bekannt vorausgesetzten Sachverhalts gefordert; s. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 197 f. 106 Darüber hinaus können nicht alle Wortketten, die als Konstituenten anzusehen sind, direkt erfragt werden, wie folgendes Beispiel zeigt: die Studenten denken an die Klausur. Erfragt werden kann nur die Wortgruppe die Klausur (Woran denken die Studenten?), nicht an die Klausur; vgl. dazu Ramers, Syntax, 2000, S. 19.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Tatmittel (wie), Tatzeit (wann) und Tatort (wo) sowie ggf. Handlungsintention (wozu)107; diese Elemente stellen jeweils eine selbstständige Dimension der Schilderung eines strafbaren Geschehens dar108 und sind als Formulierungseinheit anzusehen. Diese aufgezählten Grundelemente sind zwar feiner als die oben (4) erwähnte traditionelle Auflistung der Tatbestandsmerkmale, weil z. B. die Zeitangabe nicht mehr zusammen mit der Ortsangabe als eine Einheit (Merkmal) behandelt wird. Jedoch ist diese Aufzählung ebenfalls nicht ganz vollständig. Bei genauerem Hinsehen wird man leicht bemerken, dass einige Teile der Tatbestände im BT gar nicht so einfach einer der oben genannten Gruppen eingeordnet werden können. Man kann leicht viele Beispiele dafür im BT finden, wie etwa Formulierungen „unter Missbrauch seiner Stellung“ des § 174a Abs. 1, „in Beziehung auf einen anderen“ des § 186, „wider besseres Wissen“ des § 187, „unter grober Vernachlässigung der Fürsorge- und Erziehungspflicht“ des § 236 Abs. 1, „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ des § 324a Abs. 1 und „innerhalb seiner Zuständigkeit“ des § 348 Abs. 1 usw.

c) Stellungseinheit aus der Verschiebeprobe Schließlich kann ein Satz in mehrere Stellungseinheiten durch operative Verfahren zerlegt werden, und zwar mit Hilfe der Verschiebeprobe109. Verschiebeprobe besagt, dass ein Satzglied ist, was im Satz frei verschoben werden kann110. Bei der Verschiebeprobe verschiebt man einzelne Elemente eines Satzes so, dass auch der neue Satz grammatisch richtig und bedeutungsgleich ist111. Den obigen Beispielssatz kann man z. B. so umschreiben: „Im letzten Sommer arbeitete der Mann ganz fleißig am Lehrstuhl des Strafrechts als Assistent“, aber nicht „Im letzten Sommer arbeitete Mann ganz der am Lehrstuhl als Assistent fleißig des Strafrechts“. Daraus ersieht man ohne weiteres, dass in einem Satz nicht alle Wörter als Einzelelemente an jeder Position stehen können. Vielmehr gehören 107 Tatbestandsmerkmale werden in der Literatur gelegentlich auch in allgemeine Unrechtsmerkmale (Täter, Tatsituation und Tat) und besondere Unrechtsmerkmale (Schmidhäuser, Lb, 1975, 8 / 2 ff.) oder in täterbezogene und tatbezogene Tatbestandsmerkmale (Blei, AT, 1983, S. 80 f.) eingeteilt. Diese Einteilungen gehen aber nicht über die hier aufgestellte Grundform hinaus. Zu ergänzen ist noch, dass es sich hier nur auf gesetzliche, geschriebene Tatbestandsmerkmale bezieht. Natürlich muss man ungeschriebene Tatbestandsmerkmale (etwa Kausalität, objektive Zurechnung . . . usw.) bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit auch berücksichtigen; jedoch sind sie erst durch die Auslegung, nicht aber durch die ausdrückliche Beschreibung des Gesetzgebers hinzugetreten. 108 Deshalb begreift man Tatbestandsmerkmal auch als „Geschehensmerkmal“ (Schmidhäuser, Lb, 8 / 3). 109 Auch: Permutationstest, Umstellprobe od. Wortstellungstransformation, vgl. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch 3, 1990, S. 892, 898; Pelz, Linguistik, 2001, S. 152. 110 Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 164. 111 Vgl. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 735; Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 53 f.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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einige der Wörter zusammen; sie bilden Wortgruppen, die sich nur als Blöcke verschieben lassen112. In dieser Hinsicht sind Satzglieder als umstellbare Blöcke zu identifizieren. Der obige Beispielsatz enthält danach sechs Satzglieder: „der Mann“, „arbeitete“, „als Assistent“, „am Lehrstuhl des Strafrechts“, „im letzten Sommer“ und „ganz fleißig“. Innerhalb derselben Stellungseinheit kann man die konstitutiven Wörter nicht mehr zerlegen; sie erweisen sich als die kleinsten verschiebbaren Einheiten des Satzes. Aus dem Gesagten über andere Kriterien (a und b) kann man schon sagen, dass es wegen der Vielfältigkeit der Tatbestandsmerkmale kaum möglich ist, eine semantische Aufzählung von Tatbestandsmerkmalen auszuarbeiten, die hundertprozentig vollständig ist. Angesichts unseres Ziels ist eine solche unerreichbare Auflistung auch nicht nötig. Denn in diesem Kontext – nämlich bezüglich der Formulierungseinheit – ist nur wichtig, die Zusammengehörigkeit zwischen Wörtern festzustellen. Die semantische Benennung einer bestimmten Gruppe spielt dagegen gar keine Rolle. Man braucht danach ein anderes Kriterium, mit dem ein Tatbestand nicht nur sinnvoll, sondern auch vollständig segmentiert werden kann, als eine semantische Aufzählung aller möglichen Gruppen. Gegenüber anderen Kriterien stellt die Verschiebeprobe ein formaleres, nämlich semantisch neutraleres Instrument dar. Wegen ihrer semantischen Neutralität kann die Verschiebeprobe eine vollständige Segmentierung gewährleisten. Die oben angeführten Beispiele („unter Missbrauch seiner Stellung“, „innerhalb seiner Zuständigkeit“ und „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ usw.) stellen sicherlich jeweils eine selbstständige Stellungseinheit bei der Verschiebeprobe dar, obwohl das schwer zur traditionellen aufgelisteten Einteilung passt. Bei der Annahme der Stellungseinheit ist es also gleichgültig, ob es über die traditionellen aufgezählten Grundelemente hinaus noch andere Elemente gibt und wonach sie benannt werden sollen; maßgebend ist ja nur, ob die einschlägige Wortgruppe stets zusammen als ein Block im Satz verschiebbar ist. Das Kriterium der Verschiebeprobe scheint auf den ersten Blick zwar recht formal zu sein, wird jedoch nicht willkürlich aufgestellt. Im Gegenteil ist die Zusammengehörigkeit der konstituierenden Wörter innerhalb einer Stellungseinheit durchaus sachlich begründbar. Ein sinnvoller Satz ist mehr als eine bloße Anhäufung sprachlicher Zeichen. Sie müssen im Satz stets nach einer bestimmten Ordnung auftreten. Am deutlichsten zeigt sich dies im Buchstabieren eines Wortes. Innerhalb eines Wortes müssen die Buchstaben in eine bestimmte Reihe eingeordnet werden. Um ein bestimmtes Wort auszudrücken, dürfen dessen konstituierenden Teile (Buchstaben) niemals voneinander getrennt werden. Zwischen Buchstaben liegt die engste Verbindung vor; sie bilden zusammen die kleinste Einheit im Satz, die nicht weiter zerlegt werden darf. Das Gleiche gilt ebenfalls für konstituierende Wörter einer Stellungseinheit. Darin, dass die Wörter innerhalb derselben Stellungseinheit nur zusammen als ein Block im Satz verschoben werden können, 112

Vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 506; Pospiech, Syntax, 2001, S. 122.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

zeigt sich ihre Selbstständigkeit113, die gerade die Kehrseite der engen Verbindung zwischen konstituierenden Wörtern darstellt. Davon kann man ableiten, dass eine Stellungseinheit bei der Formulierung nicht weiter zu zerlegen ist, weswegen eine Formulierungseinheit nicht kleiner als eine Stellungseinheit sein darf. Innerhalb einer Stellungseinheit gehören konstituierende Wörter bei der Fassung des Satzes stets zusammen. Z. B. stellt die Wortgruppe „die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung“ in § 182 Abs. 2 eine Stellungseinheit dar und kann nur zusammen als ein Block im Satz verschoben werden. Diese Stellungseinheit besteht aus einem bestimmten Artikel, einem Adjektivattribut, einem Substantiv, einem Genitivattribut und eine Präpositionalphrase. Da das Adjektivattribut (fehlend), die Präpositionalphrase (zur sexuellen Selbstbestimmung) und das Genitivattribut (des Opfers) jeweils eine nicht selbstständige, nähere Bestimmung vom Nomen „Fähigkeit“ darstellen, können sie nicht von diesem näher bestimmten, modifizierten Nomen getrennt werden; die Bestandteile – „fehlende“, „Fähigkeit“, „des Opfers“ sowie „zur sexuellen Selbstbestimmung“ – werden orientierungslos, wenn man sie voneinander trennt. Eben deshalb bilden sie zusammen eine (Stellungs-)Einheit. Dies gilt allgemein für diejenigen Wörter, die nur die Attribute bzw. unselbstständige nähere Bestimmungen von nominalen Satzgliedern darstellen. Bei der Verschiebeprobe sind diese Wörter stets mit dem von ihm modifizierten Teil zusammen als eine Einheit anzusehen114. Da die Modifikationsbeziehung der Bedeutung zwischen konstituierenden Wörtern innerhalb einer Stellungseinheit immer vorhanden ist, dürfen diese Wörter bei der Fassung des Satzes freilich nicht voneinander getrennt werden. Insofern kann man sagen, dass es gewiss eine bestimmte Beziehung zwischen Stellungs- und Formulierungseinheit gibt. Eine solche Beziehung ist auf die Bestimmungsrelation zwischen sprachlichen Zeichen zurückzuführen: Wörter innerhalb einer Stellungseinheit sind deshalb zusammengehörig, weil sie zueinander in einer Bestimmungsrelation stehen. Gegenüber einem rein intuitiven Vorgehen ist diese Regel formal expliziter und erlaubt daher eine größere intersubjektive Überprüfbarkeit des Vorgehens. Sie gibt eine vorläufige Antwort auf die Frage, welche Wörter in einem Tatbestand zueinander in einer Bestimmungsrelation stehen. Daraus darf man jedoch nicht voreilig den Schluss ziehen, dass die Stellungseinheit der Formulierungseinheit gleichzustellen sei. Denn einerseits ist der Gegenstand der hier relevanten Syntax immer derjenige Satz, der nur ein finites Verb enthält. Allerdings enthalten viele Tatbestände im BT jeweils mehrere Sätze. Als ein rein syntaktisches Kriterium kann die Verschiebe113 Angesicht des oben (3. c) Gesagten ist die Selbstständigkeit freilich auch relativ. Es wird in der Linguistik ebenfalls betont, dass das Satzglied relativ selbstständig ist; vgl. nur Bußmann, Lexikon, 2002, S. 517, 581, 584 f. 114 In der Formulierung „eine Person unter sechzehn Jahren“ des § 174 Abs. 1 Nr. 1 wird der Teil „unter sechzehn Jahren“ sinnlos, wenn man ihn vom anderen Teil (Person) trennt. Das Gleiche gilt auch für das Genitivattribut, etwa die Formulierungen „Mitglied einer Bande“ des § 244 Abs. 1 Nr. 2, „das Vermögen eines anderen“ des § 263 Abs. 1 sowie „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ des § 324a Abs. 1 usw. Das Genitivattribut bildet stets zusammen mit seinem Bezugswort eine Stellungseinheit bei der Verschiebung.

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probe deshalb bei diesen Tatbeständen, in denen mehrere Sätze miteinander gleichrangig verbunden sind (zusammengesetzte Sätze), nicht weiterhelfen. Andererseits gibt es doch Konstellationen, in denen mehrere Stellungseinheiten wegen der Bestimmungsrelation zwischen ihnen bei der Formulierung nicht voneinander getrennt werden dürfen115. Da Syntax und Semantik eines Textes nur künstlich in einem analytischen Prozess voneinander zu trennen sind und sich gegenseitig bedingen, muss man hier das semantische Perspektiv mit berücksichtigen und als Ergänzung zu der Verschiebeprobe einsetzen116. All diese Probleme treten dort auf, wo es sich um ein Verb handelt. Im Folgenden gehen wir weiter auf den Hintergedanken der Zusammengehörigkeit der Wörter, nämlich auf die Bestimmungsrelation ein, um das Problem im Zusammenhang mit Verben zu bewältigen. 8. Semantische Regulierung – Bestimmungsrelation mit dem Verb Bei der Segmentierung eines Tatbestandes muss man feststellen, welche Wörter zusammengehörig sind. Diese Zusammengehörigkeit ergibt sich – wie oben erwähnt wurde – aus der sog. Bestimmungsrelation (Modifikations-, Spezifikationsod. Determinationsrelation), in der die Bedeutung eines Ausdrucks (Attribut) die eines anderen (Bezugswort) näher bestimmt117. Mehrere sprachliche Ausdrücke (Wörter) bilden eine Formulierungseinheit immer dann, wenn eine solche Beziehung zwischen ihnen gegeben ist. Wörter, die zueinander in einer Bestimmungsrelation stehen, können sowohl beim Verfassen als auch beim Verstehen des Satzes nicht isoliert betrachtet werden, ohne den bestimmten Sinn im Satz zu verlieren. Die Bestimmungsrelation als solche kann auch zwischen dem Verb und denjenigen Satzteilen vorliegen, die sich semantisch auf das Verb beziehen, obwohl das Verb und diese Satzteile ggf. unterschiedliche Stellungseinheiten bei der Verschiebeprobe darstellen. Im Folgenden werden wir unter dem semantischen Aspekt die These begründen, dass das Verb und die anderen, das Verb modifizierenden Satzteile zusammen eine Formulierungseinheit bilden. Zu dieser Gruppe zählen das verbbezogene Adverb, das Objekt des Verbs und diejenige Präpositionalphrase, die das Verb semantisch modifiziert: Z. B. das Verb und seine Ergänzungen, s. gleich u. 8. semantische Regulierung. Zu beachten ist, dass syntaktische Kriterien nicht durch semantische ersetzt werden können. Der Grund für eine solche Subsidiarität semantischer Regeln liegt darin, dass nur die formell-syntaktische Regel (Verschiebeprobe) die höhere Nachprüfbarkeit und Vollständigkeit des Ergebnisses gewährleisten kann. Sonst würde man dem alten Problem begegnen, an dem die traditionelle Auflistung scheitert; vgl. dazu o. 4 und 7. a). Es wird deshalb in der linguistischen Literatur vertreten, dass mentalistische (etwa semantische) Kriterien bei der Segmentierung und Klassifizierung sprachlicher Einheiten abzulehnen sind (z. B. Brinker, Syntax, 1977, S. 35). Die Frage, ob man bei der Segmentierung des Satzes den semantischen Aspekt einsetzen soll, hängt freilich mit der Vorfrage zusammen, welches Problem man behandelt. Da es in dieser Untersuchung um das Problem der Formulierung geht, ist unvermeidbar, das semantische Perspektiv mit zu berücksichtigen. 117 Vgl. zur Bestimmungsrelation Bußmann, Lexikon, 2002, S. 122. 115 116

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a) Verb und verbbezogenes Adverb Zwischen dem Verb und seinem Adverb besteht gerade eine solche Bestimmungsrelation. Das verbbezogene Adverb118 ist ein Modifikator des Verbs, der semantisch diejenigen sprachlichen Ausdrücke bezeichnet, die zusätzliche, von dem modifizierten Ausdruck (Modifikand) nicht geforderte Information vermitteln119. Dass das verbbezogene Adverb nicht von seinem Bezugswort (Verb) zu trennen ist, kann man auch mit der Zusammengehörigkeit des Adjektivs zu seinem Bezugswort begründen. In semantischer Hinsicht besteht zwischen dem Adjektiv und dem verbbezogenen Adverb eine gewisse Ähnlichkeit, da beide Kategorien ihre KernKonstituente hinsichtlich bestimmter Eigenschaften modifizieren120. Genauso wie das Adjektiv wird das Adverb auch orientierungslos, falls es von seinem Bezugswort isoliert betrachtet wird. In § 225 Abs. 1 kann das Adverb „roh“ danach nicht vom Verb „misshandeln“ getrennt werden.

b) Verb und sein Objekt Die Relation zwischen dem Verb und seinem Objekt scheint komplizierter zu sein als die zwischen dem Verb und seinem Adverb und bedarf deswegen einer näheren Analyse. Nach der Verschiebeprobe stellen das Verb und sein Objekt zwar jeweils eine Stellungseinheit dar; sie sind aber nicht als zwei Formulierungseinheiten bzw. selbstständige Tatbestandsmerkmale anzusehen, weil die beiden – aus der semantischen Perspektive – in einer engen Bestimmungsrelation stehen121 und gemeinsam die gefasste Handlung oder den tatbestandsmäßigen Erfolg beschreiben. Sie sollen damit zusammen eine Formulierungseinheit der Tatmodalität oder des Erfolgs bilden. Sprachwissenschaftlich wird das Objekt als die Ergänzung des Verbs angesehen. Unter der Ergänzung eines Verbs versteht man die semantische Kombination eines Modifikators mit einem zu modifizierenden Verb (Modifikand)122. In einer solchen Kombination der Modifikation oder Modifizierung wird die KernKonstituente (Kopf) semantisch näher bestimmt durch andere Konstituenten. Die abhängigen Konstituenten „modifizieren“ den „Kopf“, indem sie seine Geltung (Extension) eingrenzen123. Dafür spricht auch die Konstellation, in der man das Verb 118 Von den verbbezogenen Adverbialen unterscheidet man Satzadverbiale (wie hoffentlich, leider, glücklicherweise), die eine selbstständige Stellungseinheit bei der Verschiebeprobe und damit – im Gegensatz zum verbbezogenen Adverb – eine Formulierungseinheit darstellen. Vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 50. 119 Bußmann, Lexikon, 2002, S. 441 f. 120 Z. B.: lesbar schreiben / eine lesbare Schrift haben; s. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 48. 121 Die These, dass die Bestimmungsrelation auch zwischen Verb und Objekt vorkommen kann, wurde in der Linguistik ebenfalls schon vertreten; s. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 122 m. w. N. 122 Vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 441. 123 Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 190.

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und sein Objekt ggf. durch ein anderes Wort ersetzen kann124. Beim Einsatz der „Funktionsverbgefüge“ zeigt sich diese enge Verbindung am deutlichsten: aa) Funktionsverbgefüge Sprachwissenschaftlich bedeutet Funktionsverbgefüge die syntaktische Fügung, die aus einem Objekt und einem Funktionsverb besteht (z. B. „zur Aufführung bringen“) und in der das Funktionsverb das Prädikat nicht allein, sondern nur in Verbindung mit anderen sprachlichen Elementen (Akkusativobjekt oder Präpositionalgruppe) bilden kann125. Das Objektselement ist sehr eng mit dem Verb verbunden, wobei das Objekt einen Teil der Verbbedeutung darstellt und nicht pronominalisiert werden kann. Die ursprüngliche Verbbedeutung von „aufführen“ erscheint durch Nominalisierung als Abstraktum (Aufführung); ein sinnschwaches Ersatzverb in Hilfsverbfunktion (bringen) stellt die grammatische Verbindung zwischen Subjekt und präpositionalem Objekt her126. Das Funktionsverb ist insoweit mit dem Hilfsverb verwendet, als das Verb bei Funktionsverbgefügen seine Wortbedeutung mehr oder weniger verliert. Hier dient das Akkusativobjekt bzw. die Präpositionalgruppe als Hauptsinnträger des Prädikats127. Im BT hat der Gesetzgeber häufig Funktionsgefüge eingesetzt, etwa: „in Gefahr bringen“128, „in Verkehr bringen“129, „Gebrauch machen“130, „eine Mitteilung über Tatsachen machen“131, „Kenntnis verschaffen“132 usw.133 Auf Grund der Besonderheit der Funktionsverbgefüge ist das Funktionsverb nicht von seinem Akkusativobjekt oder seiner Präpositionalgruppe getrennt zu betrachten134. Aus der Sicht der Formulie124 Im Satz „Der Professor hält einen Vortrag“ bilden das Verb (halten) und die Nominalphrase (einen Vortrag) zusammen ein Verbalphrase und können durch „doziert“ ersetzt werden (vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 371). 125 Gelhaus, in: Duden Grammatik, Rn. 205. 126 Bußmann, Lexikon, 2002, S. 231. 127 Gelhaus, in:, Duden Grammatik, Rn. 205. 128 §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 121 Abs. 3 Nr. 3, 125a Nr. 3, 171, 176a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2, 177 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2b, 179 Abs. 4 Nr. 3, 225 Abs. 3 Nr. 2, 253 Abs. 4 Nr. 1, 235 Abs. 4 Nr. 1 u. 2, 250 Abs. 1 Nr. 1c, Abs. 2 Nr. 3b, 306a Abs. 2, 306b Abs. 2 Nr. 1, 330 Abs. 2 Nr. 1; oder: „in Not bringen“ (§§ 263 III 3, 283a 2, 291 II 1), 129 §§ 146 Abs. 1 Nr. 3, 147 Abs. 1, 148 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 218b Abs. 1, 219b Abs. 1, 314 Abs. 1 Nr. 2. 130 §§ 277, 279; oder: „in Gebrauch nehmen“ (§ 248b I). 131 §§ 206 Abs. 1, 4, 241a Abs. 2, 353d Abs. 1. 132 §§ 107c, 202 I 2, II, 206 II 1; oder: „zur Kenntnis gelangt sein“ (§ 353d 2). 133 Etwa: „Widerstand leisten“ (§ 113 I), „Anzeige machen“ (§ 138 I), „Angaben machen“ (§§ 264 I 1, 264a I 2, 265b I 1b), „eine Anleitung geben“ (§ 130a II 2), „zur Kasse bringen“ (§ 353 I) „in Betracht kommen“ (§ 219 I), „Abzüge machen“ (§ 353 II). 134 Dies lässt sich auch vom Fragetest ableiten: Das Substantiv kann in der Regel nicht erfragt werden. Für den Satz „Man brachte die Sache in Ordnung“ darf man nicht fragen: Wohin brachte man die Sache?; vgl. dazu Gelhaus, in: Duden Grammatik, Rn. 205.

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rungseinheit gelangt man zu demselben Ergebnis. Denn die Funktionalgruppe kann in vielen Fällen gegen ein einfaches, dem Akkusativ bzw. dem Substantiv der Präpositionalgruppe etymologisch verwendetes Vollverb ausgetauscht werden: z. B. „Erlaubnis geben“ gegen „erlauben“, „in Ordnung bringen“ gegen „ordnen“ oder „eine Mitteilung machen“ gegen „mitteilen 135. Danach kann man die Erfolgsbeschreibung des § 177 Abs. 3 Nr. 3 (in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringen) in „die Gesundheit gefährden“ umformulieren, ohne den semantischen Inhalt zu berühren. Deshalb dürfen die beiden Teile desselben Funktionsgefüges bei der Formulierung nicht als mehrere selbstständige Einheiten angesehen werden. bb) Beschreibung des Erfolgs Eine Bestimmungsrelation zwischen dem Verb und seinem Objekt zeigt sich aber nicht nur bei Funktionsverbgefügen, sondern besteht allgemein. Dies kann man zunächst anhand der Erfolgsbeschreibung der Erfolgsdelikte136 klar sehen. In § 221 Abs. 2 Satz 2 wird z. B. „eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursachen“ als der tatbestandliche Erfolg vorgeschrieben. Das Verb „verursachen“, wird bei der Erfolgsbeschreibung oft eingesetzt, besitzt aber keine andere Bedeutung als eine (überflüssige) Betonung des Kausalzusammenhangs zwischen der Handlung und dem Erfolg. Ähnlich sind die Verben wie etwa „zufügen“ oder „herbeiführen“ usw. Eine sinnvolle Deskription über den Erfolg hängt also auf keinen Fall von einem solchen Verb ab, sondern von seinem Objekt. Ein derartiges Verb und seine Ergänzung können in vielen Fällen auch gegen ein einfaches Vollverb ausgetauscht werden, ohne die semantische Bedeutung dieser Wortgruppe zu ändern. Man kann z. B. die Erfolgsbeschreibung des § 222 (den Tod eines Menschen verursachen) in „einen Mensch töten“137, oder die Erfolgsbeschreibung des § 263 Abs. 1 (einem anderen Vermögensschaden hinzufügen) in „das Vermögen eines anderen beschädigen“ umformulieren. In variierten Beschreibungen besitzen Verben wie „töten“ oder „beschädigen“ zwar ihre eigene lexikalische Bedeutung; jedoch hängt die Frage, was man unter dem Verb verstehen soll, stets vom vorliegenden Kontext ab, nämlich von der Frage, auf welches Objekt es sich bezieht. Die Auslegung des Worts „beschädigen“ kann z. B. in § 263 Abs. 1 (bezüglich des Vermögens) durchaus anders sein als in § 223 Abs. 1 (bezüglich der Gesundheit der Person), in § 303 Abs. 1 (bezüglich der Sache) oder in § 274 Abs. 1 Nr. 1 (bezüglich der Urkunde). Hier besteht die Modifikationsrelation zwischen dem Verb und seinem Objekt, in der das Verb durch das Hinzufügen eines Objekts semantisch näher bestimmt wird. Das Objekt (die abhängige Konstituente) modifiziert das Verb (die Kern-Konstituente), indem die semantische Extension des Verbs Gelhaus, in: Duden Grammatik, Rn. 205. Es geht hier sowohl um verhaltensgebundene Erfolgsdelikte als auch um Erfolgsdelikte ohne nähre Verhaltensbeschreibung. 137 So wird der Erfolg des § 212 Abs. 1 formuliert. 135 136

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eingegrenzt wird. Nur wenn man beide Teile, nämlich das Verb einerseits und sein Objekt andererseits, zusammen betrachtet, kann man erst konstatieren, was der Gesetzgeber in diesem Tatbestand unter Erfolg versteht. Semantisch gesehen ist also eine komplette, sinnvolle Feststellung des tatbestandsmäßigen Erfolgs nur dann möglich, wenn man nicht nur das Verb, sondern auch sein Objekt mit berücksichtigt. Deshalb dürfen das Verb und sein Objekt bei der Erfolgsbeschreibung nicht als zwei selbstständige Formulierungseinheiten angesehen werden, obwohl sie jeweils eine Stellungseinheit verkörpern. Zu beachten ist übrigens noch, dass das Objekt manchmal in Form eines präpositionalen Attributs auftritt. Statt „die Gesundheit beschädigen“ wird der Erfolg in § 225 in der Form „an der Gesundheit schädigen“ beschrieben. Da der Unterschied zwischen beiden Beschreibungsformen – nämlich „die Gesundheit beschädigen“ einerseits und „an der Gesundheit schädigen“ andererseits – rein formell ist, soll die unterschiedliche Formulierung nicht zu materiell verschiedenen Ergebnissen führen. All diese Wörter beziehen sich auf die Information derselben Dimension (Erfolg) und bilden zusammen eine Formulierungseinheit. cc) Beschreibung der Handlungsmodalitäten Gleiches gilt ebenfalls für die Formulierung der Tatmodalität bei reinen Tätigkeitsdelikten und verhaltensgebundenen Erfolgsdelikten. Um die vom Tatbestand gefasste Handlungsmodalität festzustellen, müssen das Verb und sein Objekt hier zusammen betrachtet werden. Wenn man z. B. nur das Verb „verbreiten“ ansieht, ohne mit zu berücksichtigen, auf welches Objekt es sich bezieht, kann man nicht genau sagen, welche Handlungen von diesem Tatbestand umfasst werden, wobei eine Einzelsubsumtion freilich auch nicht mehr möglich ist. Das Wort „verbreiten“ hat zwar seine eigene lexikalische Bedeutung; jedoch ändert sich diese in unterschiedlichen konkreten Fallkonstellationen, je nachdem, auf welches Objekt es sich bezieht. Die Auslegung der Verbreitung kann beispielsweise in § 330a Abs. 1 (Verbreitung von Giften) durchaus anders sein als in § 186 (Verbreitung einer Tatsache) oder in § 130 Abs. 2 Nr. 1a (Verbreitung von Schriften). Durch das Objekt hat der Gesetzgeber tatbestandsmäßige Handlungsmodalitäten näher bestimmt. Deshalb bilden das Verb und sein Objekt bei der Beschreibung der Tatmodalität ebenfalls zusammen eine Formulierungseinheit. Dies könnte dem konventionellen Verständnis strafrechtlicher Literatur unvereinbar erscheinen, nach welchem das Tatobjekt von jeher als ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal angesehen wird138. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass der Begriff „Tatbestandsmerkmal“ – wie oben 138 Vgl. – statt vieler – nur Gropp, AT, 5 / 7: „Tatobjekt ist derjenige Gegenstand, der notwendigerweise Ziel der Aktivitäten des Täters ist, damit der Tatbestand erfüllt werden kann. Bei der Sachbeschädigung (§ 303) ist die fremde Sache Tatobjekt. Bei der Körperverletzung (§ 223) der Körper eines Menschen, bei der Urkundenfälschung in Form der Herstellung einer unechten Urkunde (§ 267 I 1. Mod.) die manipulierte körperlich fixierte Gedankenerklärung“ (Hervorhebung im Original).

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schon mehrmals hervorgehoben wurde – kein vorgegebener ist, weswegen es hier nicht um die Richtigkeit, sondern um die Zweckmäßigkeit geht. Es lässt sich freilich nicht bestreiten, dass es in meisten Tatbeständen einen Teil gibt, in dem das Tatobjekt beschrieben wird. Aus dem Gesagten wollen wir lediglich schließen, dass dieser Teil in Anbetracht unseres Zieles mit dem Verb zusammen eine Formulierungseinheit bilden soll139. Ferner ist – wie bei der Beschreibung des Erfolgs – zu beachten, dass das Objekt manchmal auch in der Form des präpositionalen Attributs auftritt. Wenn die präpositionale Phrase die notwendige Ergänzung140 des Verbs darstellt, steht sie zum Verb auch in einer Bestimmungsrelation. In §§ 231, 285 sind die präpositionalen Phrasen – „an einer Schlägerei“ sowie „an einem öffentlichen Glückspiel“ – und das Verb „beteiligen“ gerade ein Beispiel hierfür. Man kann die Handlungsmodalität nur dann vollständig umreißen, wenn beides zusammen als eine Einheit betrachtet wird. Schließlich muss noch das Verhältnis der Tatmittel zur Tatmodalität behandelt werden. Wenn das Tatmittel als das Objekt in Erscheinung tritt, hat das oben Gesagte auch hier Geltung, nach dem das Objekt zusammen mit dem Verb eine Formulierungseinheit bilden soll. Hierfür ist die (unechte oder verfälschte) Urkunde in § 267 Abs. 1 Alt. 3. (Gebrauchen unechter oder verfälschter Urkunde) ein klares Beispiel. Problematisch wäre die Konstellation, in der die Tatmittel nicht in Form eines Objekts, sondern in Form einer Präpositionalphrase beschrieben würde, z. B. in §§ 243 Abs. 1 Nr. 1 (mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug) und in §§ 130 Abs. 2 Nr. 2, 131 Abs. 2, 184 Abs. 2 (durch Rundfunk). Da der Gesetzgeber durch das Hinzufügen der modalen Präpositionsphrase den Umfang der Tatmodalität näher bestimmt und die modale Präpositionalphrase auch zur Beschreibung der Tatmodalität dient, kann diese Angabe über die Modalität nicht vom Verb isoliert werden, sondern muss zu derselben Formulierungseinheit gehören. Dafür, dass das Verb und die das Tatmittel darstellende Präpositionalphrase zusammengehörig und damit bei der Formulierung als eine Einheit anzusehen sind, kann auch die linguistische Figur „Instrumentativ“ ein Beleg sein. Unter Instrumentativ versteht man eine semantisch begründete Klasse von abgeleiteten Verben, die (zumindest in wörtlicher Lesart) das Instrument zu der im Verb ausgedrückten Handlung mitbezeichnen 141. 139 Zu ergänzen ist noch, dass das grammatische Objekt nicht stets dem Tatobjekt gleichzustellen ist. In § 267 Abs. 1 stellt die „echte Urkunde“ bei der zweiten Alternative das Tatobjekt dar, während die „unechte Urkunde“ bei der ersten Alternative schwer als Tatobjekt anzusehen ist, weil die unechte Urkunde nicht schon zur Tatzeit vorhanden ist, sondern erst durch die Tat erzeugt wird. 140 Je nach der Verbindung zum Verb unterscheidet sich valenznotwendige Adverbiale von valenzfreien. Valenznotwendige Adverbiale sind vom Verb gefordert (wohnen + lokale A., fahren + Richtungsadverbial) und wird nach ihrem Verhältnis zur Valenz des Verbs als adverbiale Ergänzung bezeichnet, während man die valenzfreie Adverbiale adverbiale (freie) Angaben nennt; vgl. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 50.

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Dies würde wiederum gegen das in der Literatur geläufige Verständnis verstoßen, wonach das Tatwerkzeug ein selbstständiges Merkmal darstellen soll142. Dabei sollten wir nochmals hervorheben, dass es beim Annehmen des Tatbestandsmerkmals bloß um Zweckmäßigkeit geht. Bei der Erklärung des einzelnen Teils des Tatbestandes ist es durchaus nachvollziehbar, das Tatmittel bzw. Tatwerkzeug als einen selbstständigen Teil zu behandeln. Im Hinblick auf unseren Zweck, nämlich die Suche nach der Formulierungseinheit, sollte das Tatmittel demgegenüber bei der Formulierung nicht vom Verb isoliert betrachtet werden, weil beide von derselben Dimension (Handlungsmodalität bzw. Begehungsweise) ausgehen. In diesem Kontext müssen sie m. a. W. zusammen als eine Formulierungseinheit begriffen werden. 9. Tatbestand als die „Wenn-Komponente“ und Teilsatz (Gliedsatz) Oben wurde ein syntaktisch-semantisches Kriterium herausgearbeitet, mit dem man einen vollständigen Satz in mehrere Formulierungseinheiten segmentieren kann. Bevor man das Kriterium auf strafrechtliche Rechtssätze überträgt, sollte doch eines geklärt werden. Bei der Segmentierung eines Satzes ist der Gegenstand immer ein (einfacher oder erweiterter) Satz143 bzw. ein einziger Hauptsatz. Ein vollständiger Rechtssatz hat jedoch eine Wenn-dann-Struktur144. Da der Tatbestand die „Wenn-Komponente“ dieses Wenn-dann-Satzes darstellt, tritt er in der Form eines konditionalen Nebensatzes (Wenn-Satz) des Rechtssatzes auf. Wenn der Tatbestand lediglich aus einem einzigen Wenn-Satz besteht, braucht man diesen Wenn-Satz nur in einen Hauptsatz umzuformulieren und das Kriterium auf diesen neu beschriebenen Hauptsatz anzuwenden. Danach ist z. B. der zu zerlegende Satz des § 189 wie folgt: „Jemand verunglimpft das Andenken eines Verstorbenen“. Nach der hier vertretenen Meinung enthält dieser Tatbestand zwei Formulierungseinheiten bzw. Tatbestandsmerkmale: die Beschreibung des Subjekts (jemand) und die der Handlungsmodalität (das Andenken eines Verstorbenen verunglimpfen).

141 Z. B. Wörter wie „hämmern“, „sägen“, „pflügen“, „pinseln“ usw. (Bußmann, Lexikon, 2002, S. 311). 142 Vgl. dazu Gropp, AT, 5 / 7: „Vom Tatobjekt ist das Tatwerkzeug zu unterscheiden. Jenes bildet das Mittel, dessen sich der Täter zur Begehung der Tat bedient. Beim Nachschlüsseldiebstahl (§§ 242 I, 243 I Nr. 1) wäre dies der falsche Schlüssel, bei der Urkundenfälschung in Form des Gebrauchs einer falschen Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr (§ 267 I 3. Mod.) die falsche Urkunde, während der Getäuschte Tatobjekt ist“. 143 Einfache oder erweiterte Sätze sind in der Syntax diejenigen Sätze, denen grundsätzlich ein einziges finites Verb zugrunde liegt. Demgegenüber sind zusammengesetzte Sätze komplexere Konstruktionen, die als Satzverbindung (Satzreihe), Satzgefüge oder als Periode erscheinen; s. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 579, 582. 144 Vgl. o. II.

8 Tsai

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Etwa komplizierter sind Konstellationen, in denen es mehrere Nebensätze innerhalb des Wenn-Satzes gibt. Hier muss man bei der Anwendung unseres Kriteriums zuerst feststellen, welcher Teil den „Kern“ dieses Wenn-Satzes verkörpert und in den Hauptsatz umzuformulieren ist. Außer dem Kernteil bleiben andere Nebensätze bei der Segmentierung im eigentlichen Status, nämlich in der Form der Teil- od. Gliedsätze145. Danach soll z. B. der zu zerlegende Satz in § 257 Abs. 1 wie folgt lauten: Jemand leistet einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Da Gliedsätze unselbstständige, nicht isoliert vorkommende Sätze darstellen und von einem übergeordneten Hauptsatz abhängig sind, ist jeder Gliedsatz nicht zu segmentieren, sondern insgesamt als ein Satzglied (bzw. Äquivalente eines Satzgliedes) anzusehen146. Diese Nebensätze treten entweder als eingeleitete Nebensätze (Attribut- od. Relativsatz) oder als uneingeleitete Nebensätze in Erscheinung. In der ersten Gruppe beziehen sich Gliedsätze immer auf ein bestimmtes Bezugselement (Anschluss- od. Einleitewort)147 im übergeordneten Satz und stellen daher nur Teil dieses Satzgliedes dar148. Sie sind z. B. in § 243 Abs. 1 Nr. 2 (eine Sache, die durch . . . besondert gesichert ist), in § 202a Abs. 1 (Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind) und in § 330a Abs. 1 (Stoffe, die . . . ) etc zu finden. Ähnlich wie beim Verhältnis zwischen einem Adjektiv und dem von ihm modifizierten Substantiv ist das Anschlusswort im übergeordneten Satz auch nicht vom restriktiven Nebensatz zu trennen, weil der Attributsatz ebenfalls – wie ein Adjektiv – zur Modifizierung eines bestimmten Satzglieds dient. Dass man diesen Attributsatz durch eine grammatikalische Umschreibung in den Hauptsatz bzw. in sein Anschlusswort (Einleitewort) integrieren kann, ohne die gesamten Bedeutungen zu ändern149, ist auch ein Beleg dafür, dass Attributsätze 145 Eine solche Konstellation wird sprachwissenschaftlich das „Satzgefüge“ genannt. Unter dem „Satzgefüge“ versteht man in der Linguistik die Verknüpfung zweier oder mehrerer syntaktisch ungleichrangiger (Teils-)Sätze zu einem zusammengesetzten (komplexen) Satz, und zwar in der Form: übergeordneter Hauptsatz + untergeordneter Nebensatz (od. untergeordnete Nebensätze); vgl. dazu Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 250; Bußmann, Lexikon, 2002, S. 582. 146 Vgl. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 105. 147 Da diese in übergeordneten Teilsätzen stehenden Wörter einen folgenden Teilsatz ankündigen, werden sie auch „Vertreterelement“, „Platzhalter“ oder „vorgreifendes Element“ genannt (vgl. Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 109). 148 Vgl. dazu Bußmann, Lexikon, 2002, S. 255, 460. 149 s. Pospiech, Syntax, 2001, S. 146. Sprachwissenschaftlich wird dies die „Umformungsprobe“ (Transformation) genannt. Es geht um die Umsetzung größerer Konstruktionen oder ganzer Textstellen in andere; dabei muss die Bedeutung des Ausgangsbeispiels erhalten bleiben. Die Umformungsprobe ist gewissermaßen eine erweiterte sinngebundene Ersatzprobe. Eine Umformungsprobe liegt etwa vor, wenn ein ganzer Teilsatz (Wenn Sie überholen, sollten Sie die linke Spur benutzen) in einen Satzteil (Beim Überholen sollten Sie die linke Spur benutzen) umgesetzt wird. Oder der Satz „Dies ist ein Vorwurf, der nicht ernst gemeint ist“ kann z. B. in die Formulierung „Dies ist ein nicht ernst gemeinter Vorwurf“ umgestaltet werden; vgl. dazu Sitta, in: Duden Grammatik, Rn. 1057.

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nicht vom repräsentierten Satzglied (Anschlusswort) im Hauptsatz isoliert werden können. Die eingeleiteten Nebensätze und ihr Bezugssatzglied stehen demzufolge zueinander ebenfalls in einer Bestimmungsrelation und sind im ganzen Satzgefüge zusammen als eine Einheit anzusehen. Zu beachten ist, dass man bei der Feststellung des Kerns des Wenn-Satzes rein von der Semantik ausgehen muss. Denn manchmal tritt der Kernteil des Wenn-Satzes als Relativsatz in Erscheinung. In § 183 Abs. 1 soll der Kernteil also nicht „ein Mann“ sein, sondern der Relativsatz; danach lautet der zu zerlegende Satz wie folgt: „Ein Mann belästigt eine andere Person durch eine exhibitionische Handlung“150. Darüber hinaus kann das Anschlusswort ebenfalls in der Form von „so“ eintreten. Dies bezieht sich meistens auf eine Modifizierung des Verbs im Hauptsatz, z. B. in § 146 Abs. 1 Nr. 1 („wer . . . Geld . . . so verfälscht, dass der Anschein eines höheren Wertes hervorgerufen wird“)151. Hier stehen der Attributsatz und sein Anschlusswort stets in einer Bestimmungsrelation und dürfen nicht als zwei Formulierungseinheiten angesehen werden. Schließlich kann ein Gliedsatz auch in der Form eines Infinitivsatzes (Finalsatz) erscheinen, vor allem bei der Formulierung einer bestimmten Absicht. Ein Standardbeispiel ist die Formulierung „in der Absicht, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“ in § 242 Abs. 1. Gegenstandslos wird beispielsweise der Ausdruck „in der Absicht“ in §§ 146 Abs. 1 Nr. 1, 242 Abs. 1 und 263 Abs. 1, wenn er von dem anschließenden Nebensatz, der den Inhalt der Absicht beschreibt, getrennt betrachtet wird. Danach enthält § 257 Abs. 1 drei Formulierungseinheiten: „jemand“ (Subjekt), „einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, Hilfe leisten“ (Handlungsmodalität) und „in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern“ (bestimmte Absicht). Etwas anderes gilt bei den Nebensätzen ohne Anschlusswort (uneingeleitete Nebensätze), nämlich bei denjenigen Nebensätzen, die kein repräsentiertes Satzglied im Hauptsatz haben. Vom Instrumentalsatz abgesehen152 sind diese Nebensätze stets für sich allein als eine Formulierungseinheit anzusehen. Man kann hier eine Parallele zum satzbezogenen Adverb in einem Einfachsatz ziehen und die Nebensätze als solche anhand semantischer Kriterien in verschiedene Kategorien einteilen153. Nur diejenigen Nebensätze, die zu derselben semantischen Klasse gehören, Nach repräsentiertem Satzglied unterscheidet man (in Satzgliedfunktion) wie Subjektsätze (Wer zuletzt lacht, lacht am besten), Objektsätze (Was sie sucht, wird sie auch finden), Adverbialsätze (Als es dunkel wird, stellen sie ihre Nachforschung ein); vgl. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 255; Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 105. 150 Gleiches gilt z. B. für §§ 278, 290, 340 Abs. 1, 356 Abs. 1 und 357 Abs. 1 151 Auch in §§ 129 Abs. 4 Nr. 2; 148 Abs. 1 Nr. 1; 269 Abs. 1; 283 Abs. 1 Nr. 5 und 7a; 283b Abs. 1 Nr. 1 und 3a. 152 Der Instrumentalsatz erläutert das Mittel, mit dem der im Hauptsatz bezeichnete Sachverhalt erreicht wird, und wird durch Konjunktionen (indem, dadurch dass) eingeleitet und durch womit, wodurch erfragt (s. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 311). Da er sich auf Modal, nämlich die Art und Weise der Handlung, bezieht, soll der Instrumentalsatz nicht allein als eine Formulierungseinheit angesehen werden soll, sondern gleichfalls – wie die modale Präpotionalphrase – zur Formulierungseinheit der Handlungsmodalität gehört. 8*

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bilden zusammen dieselbe Art Formulierungseinheit. Die Bevor-Sätze im letzten Halbsatz des § 142 Abs. 1 stellen z. B. zwei uneingeleitete Nebensätze dar. Da sie beide Temporalsätze154 sind, bilden sie zusammen eine Einheit. Gleiches gilt auch für die Nebensätze, die von „nachdem“ (§§ 140, 202 II, 235 II 2, 263 III 5) und „während“ (§ 102 I) eingeleitet werden.

10. Zwischenbilanz Um seine Gedanken Rechtsunterworfenen überhaupt verständlich zu machen, ist für den Gesetzgeber unabdingbar, gesetzliche Vorschriften grammatikalisch richtig zu formulieren. Dementsprechend muss ein Tatbestand auch anhand grammatischer Regeln „entschlüsselt“ werden. Aus der obigen Analyse ersieht man, dass nicht jedem sprachlichen Zeichen (Wort) des Tatbestandes die Qualität des Tatbestandsmerkmals zukommt. Vielmehr muss man sich entscheiden, welche schriftlichen Zeichen zusammengehörig sind und damit gemeinsam eine Formulierungseinheit (Tatbestandsmerkmal) darstellen. Bei der normalen Satzbildung kann nur der Sprecher die Entscheidung treffen, wie die einzelnen Teile im Satz formuliert werden sollen. Das Gleiche gilt auch für die Strafgesetzgebung. Der einzige Unterschied zwischen der normalen Satzbildung und der sprachlichen Fassung eines Tatbestandes liegt nur im Bestimmtheitsgebot: Kann der Strafgesetzgeber seine Vorstellung über eine bestimmte Dimension der Tatsachen wegen sprachlicher Schwierigkeiten nicht anhand eines Worts bzw. Begriffs bestimmt genug zum Ausdruck bringen, dann ist er verpflichtet, eine präzisere Ausdrucksweise bei der Formulierung dieser Einheit auszusuchen und zu verwenden. Die Zulässigkeit des disjunktiven Begriffs bietet dem Gesetzgeber gerade einen solchen Ausweg an. Es wurde oben bereits geklärt, wie man einen Tatbestand auf horizontaler Achse in mehrere Formulierungseinheiten segmentiert, die bei der Fassung des Satzes immer jeweils eigens formuliert werden müssen. Im Hinblick auf die Kompliziertheit dieser These scheint es sinnvoll zu sein, die wichtigsten Punkte hier noch einmal kurz zusammenzufassen: Nach der These der Formulierungseinheit besteht ein Tatbestand aus mehreren Formulierungseinheiten. Eine Formulierungseinheit kann aus einem einzigen Wort bestehen, wenn dieses für sich genommen bereits eine bestimmte sinntragende Einheit verkörpert und bei der Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit selbstständig geprüft werden kann. Als eine Formulierungseinheit angesehen können aber durchaus mehrere Wörter (Wortgruppe) oder sogar Gliedsätzen. Das ist auch der Regelfall. Formulierungseinheiten dürfen einerseits wegen ihrer Selbstständigkeit nicht miteinander verschmolzen werden. Anderer153 Etwa Lokal-, Temporal-, Konditionalsätze usw.; vgl. dazu Bünting / Bergenholtz, Syntax, 1979, S. 110 f. 154 Temporalsätze sind diejenigen, die einen Zeitpunkt oder eine Zeitdauer angeben und dabei die Zeitverhältnisse der Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit von Nebensatz- und Hauptsatzgeschehen wiedergeben; vgl. dazu Pospiech, Syntax, 2001, S. 147.

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seits dürfen diejenigen Formulierungseinheiten, die aus mehreren Wörtern (Wortgruppe) bestehen, auch nicht weiter zerlegt werden, weil ihre konstruierenden Wörter zueinander in einer Bestimmungsrelation stehen. Egal, wie der Gesetzgeber eine Formulierungseinheit beschreibt – sei es durch ein Wort, mehrere Wörter oder gar einen (Neben-)Satz, geht es hier bloß nur um eine formale gesetzgebungstechnische Auswahl der Ausdrucksweise. Das Wort, die Wortgruppe oder sogar der Nebensatz derselben Formulierungseinheit ist im Prinzip als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen. Bezüglich jeder Formulierungseinheit (Tatbestandsmerkmal) ist ausschließlich der Gesetzgeber kompetent, die Entscheidung zu treffen, wie sie beschrieben werden soll. Nachdem nun alle vorhandenen – sowohl juristischen als auch linguistischen – Ansätze für die Segmentierung eines Tatbestandes geprüft worden sind, stellt sich heraus, dass keiner von ihnen bezüglich der Suche der Formulierungseinheit direkt, vollständig zu übernehmen ist. Man muss also ein neues Kriterium herausarbeiten. Grob gesagt gilt hier die Regel: Wörter, die sich in einer Bestimmungsrelation befinden, sind im Tatbestand zusammengehörig und dürfen sowohl bei der Beschreibung als auch beim Verstehen dieses Tatbestandes nicht voneinander getrennt werden. Zur Feststellung dieser Bestimmungsrelation kann die Verschiebeprobe als Faustregel bzw. eine Untergrenze angewandt werden: Es ist nämlich unmöglich, mehrere Formulierungseinheiten innerhalb einer Stellungseinheit, die sich aus der Verschiebeprobe ergibt, anzunehmen. Die syntaktische Selbstständigkeit der Stellungseinheit stellt ein Indiz für die Bestimmungsrelation dar. Angesichts der Besonderheit des strafrechtlichen Tatbestandes muss man aber semantische Überlegungen als Regulierung mit einbeziehen. Von ihnen leitet man die einzige Ausnahme von der Verschiebeprobe ab: Das Verb und diejenigen Satzteile, die sich semantisch auf das Verb beziehen, sollen zusammen als eine Formulierungseinheit angesehen werden, obwohl sie ggf. unterschiedliche Stellungseinheiten bei der Verschiebeprobe darstellen. Dazu gehören das Verb, das verbbezogene Adverb und die Ergänzung des Verbs (einschließlich der Angabe des Tatmittels). Hier kann man nach dem semantischen Inhalt zwei Gruppen unterscheiden, nämlich die Erfolgsbeschreibung und die Beschreibung der Handlungsmodalität. Sie sollen jeweils ein Tatbestandsmerkmal bilden. Demzufolge ist unser Kriterium für die Feststellung der Formulierungseinheit bzw. des Tatbestandsmerkmals ein syntaktischsemantisches.

V. Anwendung auf Tatbestandsalternativen Anhand des Kriteriums der Bestimmungsrelation lässt sich zuerst ermitteln, welche Wörter in einem Tatbestand zusammengehören, am engsten miteinander verbunden sind und damit eine Formulierungseinheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal bilden. Im Folgenden wird weiter erklärt, wie ein solches Kriterium bei Tatbestandsalternativen funktioniert.

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1. Leitlinien Oben wurde die These aufgestellt: Ein Tatbestand besteht aus mehreren Formulierungseinheiten; nur der Gesetzgeber ist kompetent, zu entscheiden, wie eine Formulierungseinheit beschrieben werden soll. Egal, welche Entscheidung – sei es für ein einziges Wort, sei es für eine Wortgruppe – er getroffen hat, handelt es sich bloß um eine Auswahl der Formulierungstechnik. Dieser Grundsatz gilt im Großen und Ganzen155 auch für Tatbestandsalternativen: Wenn sich alle Alternativen einer Strafvorschrift innerhalb derselben Formulierungseinheit befinden, nämlich zueinander in einer paradigmatischen Beziehung156 stehen, darf man diese Strafvorschrift nicht wegen ihrer disjunktiven Formulierungsweise in mehrere Tatbestände spalten. Diese Tatbestandsalternativen sind im Prinzip zusammen als ein (disjunktiv formuliertes) Tatbestandsmerkmal anzusehen – oder genauer: Ein Tatbestandsmerkmal wird alternativ formuliert –, weswegen nur ein Tatbestand in dieser Strafvorschrift gegeben ist. Da diese Tatbestandsalternativen zur gleichen grammatischen Kategorie gehören, hätten sie bei der Gesetzgebung durch einen sie umfassenden Gattungsbegriff ersetzt werden können. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber sich bei der Fassung einer Formulierungseinheit zwischen einer alternativen Formulierung einerseits und einem einheitlichen Gattungsbegriff andererseits schließlich aus Gründen „rechtsstaatlicher Präzisierung“ für die erstere Beschreibungsweise entscheidet, darf nicht dazu führen, dass dem Täter deshalb ein unverdienter Vorteil – etwa der Ausschluss der vorsätzlich-vollendeten Strafbarkeit beim Alternativenirrtum oder ein Freispruch bei der non-liquet-Situation zwischen Alternativen – zugute käme. Was bedeutet es aber, dass Alternativen zueinander in einer paradigmatischen Beziehung stehen? Auf den ersten Blick scheint das bei allen Tatbestandsalternativen stets der Fall zu sein, weil diese Alternativen in der sie enthaltenden Vorschrift bezüglich der Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit immer gleichrangig und gegeneinander austauschbar sind, ohne einen ungrammatischen Satz zu bilden. Bei genauerem Hinsehen erfüllt dies jedoch nur die erste der beiden Voraussetzungen der paradigmatischen Austauschbarkeit157. Die andere Voraussetzung, nämlich dass die einschlägigen Einheiten in derselben syntaktischen Position stehen müssen158, ist aber nicht bei allen Tatbestandsalternativen erfüllt. Die Alternativen be155 Mit Vorbehalt einer weiteren Regulierung bzw. Einschränkung aus strafrechtlich-systematischer Sicht; s. dazu unten VI. 2. 156 Zur paradigmatischen Beziehung, vgl. o. IV. 5 und gleich unten. 157 Nämlich die Bedingung: Man ersetzt ein Element in einem Satz durch ein anderes (wobei der Rest dieses Satzes konstant gehalten wird), ohne dass der neue Satz ungrammatisch wird; vgl. dazu Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 159. 158 Das leuchtet anhand des Satzes „Er fährt am Dienstag mit dem Zug nach Mannheim“ ein. In diesem Satz kann das Satzglied „er“ z. B. durch „der Mann“ ersetzt werden. Da „er“ und „der Mann“ sich auf dieselbe syntaktische Position beziehen, stehen sie zueinander in der paradigmatischen Beziehung und stellen Paradigmen an dieser syntaktischen Stelle dar. Dagegen können die Einheiten „am Dienstag“ und „mit dem Zug“ nicht in einer paradigma-

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finden sich m. a. W. nicht stets in der gleichen syntaktischen Position. Wenn einschlägige Tatbestandsalternativen nicht an derselben syntaktischen Stelle stehen, stellen sie unterschiedliche Informationsträger bzw. Formulierungseinheiten dar; folglich kann der Grund für den Einsatz dieser Alternativen nicht mehr in sprachlichen Schwierigkeiten liegen. Angesichts der Vielfältigkeit der Kombinationsmöglichkeiten von kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen ist eine konkretere ausdifferenzierte Analyse durchaus nötig, um diese Grundkonzeption noch deutlicher zu machen. Durch die folgende Analyse ist zu beleuchten, unter welchen Bedingungen man die Tatbestandsalternativen sprachlich159 zusammen als ein (disjunktiv formuliertes) Tatbestandsmerkmal ansehen muss.

2. Mehrere Formulierungseinheiten enthaltende Alternativen Denkbar ist zunächst, dass der Gesetzgeber mehrere selbstständige Tathergangsbeschreibungen, die jeweils schon komplette Geschehensmerkmale enthalten, als Tatbestandsalternativen in derselben Vorschrift zusammenfasst. Manchmal ist gar kein gemeinsames Tatbestandsmerkmal zwischen diesen Tatbestandsalternativen gegeben, so z. B. in §§ 250, 353d. Diese Gruppe ist relativ unproblematisch. Wenn bereits mehrere Formulierungseinheiten in derselben Tatbestandsalternative gegeben sind, liegen mehrere Tatbestandsmerkmale in jeder dieser Alternativen vor. Dann ist nahe liegend nicht mehr möglich, dass diese Tatbestandsalternative mit anderen Alternativen wiederum zusammen eine Formulierungseinheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal bildet. Eine solche Konstellation kommt vornehmlich häufig bei den alternativ gefassten Qualifikationen vor. Bei vielen Qualifikationstatbeständen enthält jede Tatbestandsalternative bereits mehrere Formulierungseinheiten. Diese Alternativen haben oft nicht mehr gemein, als dass sie durch die Verwirklichung des Grundtatbestandes eingeklammert werden. So ist es der Fall in § 250. In Bezug auf Qualifikationen wird im Schrifttum eine Sonderbehandlung bzw. eine Abweichung von allgemeinen Regeln des Tatbestandes – angesichts ihres Charakters der Strafzumessungsregeln – befürwortet. Qualifikationen und Regelbeispiele sind z. B. nach Montenbruck strukturgleich: In den Fällen, in denen tischen Beziehung stehen, obwohl man nur eine von ihnen in den Satz schreibt und beide Möglichkeiten – „Er fährt mit dem Zug nach Mannheim“ einerseits und „Er fährt am Dienstag nach Mannheim“ andererseits – grammatikalisch unproblematisch sind; vgl. dazu auch unten 3. a). Zu beachten ist allerdings, dass die gleiche syntaktische Position nicht mit der semantischen Bedeutungsgleichheit verwechselt werden darf. Um eine paradigmatische Beziehung zu begründen, brauchen die Paradigmen nicht bedeutungsgleich zu sein; maßgebend ist ja nur, dass die einschlägigen Wörter zur gleichen grammatischen Kategorie gehören (vgl. Bußmann, Lexikon, 2002, S. 200). Im obigen Beispielsatz kann „er“ freilich ebenfalls durch „sie“, „die Frau“ oder „das Kind“ ersetzt werden, ohne den Regeln der Ersatzprobe zu widersprechen. 159 Denn im Gegensatz zum zweiten Kriterium (u. VI. 2), das von einer strafrechtlich-systematischen Betrachtung ausgeht, handelt es sich hier bloß um sprachliche Überlegungen.

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der Täter mehrere verschiedenartige Qualifikationen desselben Grundstatbestandes erfüllt hat, gehen diese Qualifikationen in diesem besonders schweren Fall auf und sind insofern als Regelbeispiel zu begreifen. Der Umstand, dass der Täter mehrere verschiedenartige Qualifikationen erfüllt hat, ist wie beim Zusammentreffen mehrerer Regelbeispiele nur bei der konkreten Strafzumessung zu berücksichtigen160. Im Gegensatz dazu geht Tiedemann davon aus, dass die äußerliche Zusammenfassung von Qualifikationen in einem Tatbestand ausschließlich der Vermeidung einer Vervielfachung von Tatbeständen bzw. einer Aufblähung des BT dient, weswegen diese Technik nur von formeller Bedeutung ist161. Beide Ansichten scheinen aber viel zu einseitig zu sein. Bei der Fassung der Qualifikationen kann der Gesetzgeber einerseits eine Formulierungseinheit – genau so wie bei der Fassung des Grundtatbestandes – wegen sprachlicher Schwierigkeiten alternativ beschreiben, wodurch er aber nicht mehrere, sondern nur einen einzigen Tatbestand schafft. Andererseits ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass mehrere Tatbestände nur wegen formell legislativ-technischer Gründe zufällig in derselben Vorschrift zusammengefasst werden. Das ist dann der Fall, wenn die Alternativen unterschiedliche Formulierungseinheiten darstellen. Man muss also sorgfältig prüfen, ob sich einschlägige Alternativen auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen162. Nicht nur bei Qualifikationen, sondern auch bei normalen Tatbeständen sind Beispiele für diese Gruppe zu finden. In § 184 Abs. 1 sind z. B. die gemeinsamen Teile der Alternativen (Nr. 1 – 9) nur das Subjekt (wer) und das Tatmittel (pornographische Schriften). In den meisten Alternativen des Abs. 1 kann man mehrere Formulierungseinheiten finden, z. B. besondere Beschaffenheiten des Opfers, Tatmodalitäten, Tatort und spezielle subjektive Merkmale, weshalb diese Alternativen nicht zusammen als ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden können163. Kurz: Man kann mehrere Tatbestände in derselben Vorschrift ohne Schwierigkeiten dort annehmen, wo jede Alternative bereits mehrere Formulierungseinheiten enthält. 3. Nur eine einzige Formulierungseinheit enthaltende Alternativen Im Gegensatz zur letzten Gruppe geht es hier um Konstellationen, in denen jede einschlägige Tatbestandsalternative nur eine einzige Formulierungseinheit umfasst. Ders., Strafrahmen, 1983, S. 193 f. Ders., JZ 1975, S. 693. 162 Einer Stellungnahme zur Frage, ob und wie man die Abweichung von allgemeinen Regeln des Tatbestandes bei Qualifikationen vernünftigerweise begründen kann, bedarf es im Kontext dieser Untersuchung nicht, weil es sich vielmehr um die Rechtsnatur der Qualifikation handelt. Es genügt dagegen in dieser Untersuchung, eine allgemeine Regel für den Tatbestand herauszuarbeiten. 163 Im Schrifttum kommt man zwar zum überwiegenden Teil auch zu demselben Ergebnis, aber geht meistens von der Verschiedenheit der Unrechtsgehalte der Alternativen aus; z. B. Kindhäuser, LPK-StGB, § 184 Rn. 1: „Die sich vielfach überschneidenden Tatbestände haben unterschiedliche Zielsetzungen“. 160 161

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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Man darf aber nicht voreilig den Schluss ziehen, dass sie unter allen Umständen als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal angesehen werden sollten, sondern muss vielmehr weiter prüfen, ob sie sich wirklich auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen. Erst wenn es bei allen einschlägigen Alternativen um dieselbe Formulierungseinheit geht, darf man sagen, dass der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal alternativ beschrieben hat, weshalb diese Alternativen prinzipiell als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal zu behandeln sind. Dagegen können die Alternativen auf keinen Fall gemeinsam ein Tatbestandsmerkmal darstellen, wenn sie unterschiedliche Formulierungseinheiten verkörpern. Denn unterschiedliche Formulierungseinheiten bedeuten eben mehrere verschiedene Tatbestandsmerkmale. Die Antwort auf die Frage, ob einschlägige Alternativen dieselbe Formulierungseinheit verkörpern, ergibt sich – wie oben (1) bereits erklärt wurde – aus der Feststellung darüber, ob sie an derselben syntaktischen Stelle stehen. Um dies festzustellen, kann man sich wiederum auf linguistische Proben berufen, und zwar auf die Exklusions- und die Koordinationsprobe, die beide in diesem Kontext zwei Seiten eines Ganzen sind.

a) Kriterium: Exklusions- und Koordinationsprobe Die Exklusionsprobe wird in der linguistischen Literatur oft als ein Hilfsmittel bzw. eine Ergänzung der Ersatzprobe eingesetzt164 und besagt, dass Elemente der gleichen Kategorie sich an derselben Position exkludieren; als Konkurrenten können sie in demselben Satz nicht gleichzeitig nebeneinander stehen165. Diese syntaktische Exklusivität zwischen Ausdrücken ergibt sich also daraus, dass sie zur gleichen grammatischen Klasse gehören. Nur diejenigen Elemente, die sich syntaktisch exkludieren, können in paradigmatischer Beziehung stehen. Exkludieren sich dagegen Ausdrücke nicht, dann besetzen sie eben nicht dieselbe syntaktische Position. In diesem Fall stehen die Ausdrücke nicht in paradigmatischer, sondern in syntagmatischer Relation zueinander166. Diese Elemente können sehr wohl auch nebeneinander in einem Satz vorkommen und stellen unterschiedliche selbstständi164 Um bei der Durchführung der Ersatzprobe nur Einheiten (Mitglieder) derselben syntaktischen Position zu erhalten, ist die Ersatzprobe mit der Exklusionsprobe zu verbinden: Durch die Exklusionsprobe kann man also feststellen, ob es sich bei zwei durch Ersatzprobe ermittelten sprachlichen Einheiten um Elemente gleicher oder verschiedener Konstituentenklassen handelt (Brinker, Konstituentenstrukturgrammatik, 1972, S. 100; Bußmann, Lexikon, 2002, S. 373; auch Heringer, Syntax, 1996, S. 34; ähnlich: Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 2002, S. 243). 165 Vgl. Heringer / Strecker / Wimmer, Syntax, 1980, S. 322; Heringer, Syntax, 1996, S. 34. Diese Probe wird auch die „Kontaktprobe“ oder „Unverträglichkeitsprobe“ genannt, so Bußmann, Lexikon, 2002, S. 373: Je nachdem, ob durch Einfügen eines sprachlichen Elements in einen gegebenen Kontext grammatische oder ungrammatische Ausdrücke entstehen, können Rückschlüsse auf grammatische Eigenschaften der miteinander in Kontakt stehenden Elemente gezogen werden. 166 Vgl. Heringer / Strecker / Wimmer, Syntax, 1980, S. 328.

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ge Informationsträger im Satz dar, die bei der Formulierung stets jeweils eigens zu beschreiben sind. Wenn ein Sprecher unterschiedliche Elemente, die sich nicht syntaktisch gegenseitig exkludieren, in demselben Satz disjunktiv miteinander verbindet, geht es dann nicht um Substitution, sondern um Expansion bzw. Satzerweiterung167. Das folgende Beispiel mag dies veranschaulichen: Beide Ausdrücke „mit seiner Frau“ und „mit dem Zug“ stellen zwei Präpositionsphrasen dar; es scheint auf den ersten Blick so zu sein, als ob der Ausdruck „mit seiner Frau“ im Satz „Er fährt mit seiner Frau nach Mannheim“ durch den anderen Ausdruck „mit dem Zug“ ersetzt werden könnte. Jedoch ist die Präpositionsphrase „mit dem Zug“ nicht als echtes Substitut für die Präpositionalphrase „mit seiner Frau“ zu verstehen, weil beide Ausdrücke sich nicht exkludieren und deshalb gleichzeitig in demselben grammatischen Satz – wie etwa „Er fährt mit seiner Frau mit dem Zug nach Mannheim“ – nebeneinander auftreten können. In allen Fällen, wo die Exklusionsprobe zu einem nicht abweichenden Satz führt, gehören die Elemente zu verschiedenen Positionen168. Da beide Ausdrücke unterschiedliche Informationen darüber enthalten, mit wem und mit welchem Verkehrsmittel das Subjekt fährt, geht es im neuen Satz um Satzerweiterung bzw. Vermehrung der Informationen eines Satzes. Dagegen ist der Satz „Er sein Vater fahren am Montag am Freitag nach Hause“ abweichend bzw. ungrammatisch, weil die Elemente, „er“ und „sein Vater“ einerseits sowie „am Montag“ und „am Freitag“ andererseits, sich gegenseitig exkludieren und nicht gleichzeitig in demselben Satz auftreten können. Diese Elemente stehen also zueinander in paradigmatischer Beziehung. Sie bilden eine Ersatzreihe und erweisen sich als Variable für eine bestimmte Stelle im Satz169. Nicht zu missverstehen ist allerdings, dass die gegenseitige Ausschließung bzw. Exklusion hier nur syntaktisch gemeint ist und nicht auf inhaltlicher Unverträglichkeit beruht. Die Elemente, die zu derselben Kategorie gehören und syntaktisch zueinander in einer Exklusionsbeziehung stehen, können trotzdem gleichzeitig nebeneinander in demselben grammatischen Satz auftauchen, und zwar unter der Bedingung, dass sie durch einen Junktor – und oder oder – miteinander koordiniert werden. Insofern kann man die Exklusionsprobe ansehen als die negative Beschreibung der Koordinationsprobe (auch: Kontaktprobe), die auf der Annahme beruht, dass auch kommutierende Elemente in syntagmatische Relation gebracht werden können, wenn sie durch und oder oder verbunden werden170. Im obigen zweiten Beispielsatz können die Elemente – „er“ und „sein Vater“ einerseits sowie „am Montag“ und „am Brinker, Konstituentenstrukturgrammatik, 1972, S. 100. Heringer, Syntax, 1996, S. 34. 169 A. a. O. 170 Die Regel lautet nämlich: Elemente, die koordinierbar sind, gehören zur gleichen Kategorie und bilden zusammen eine Konstituente (vgl. dazu Grewendorf / Hamm / Sternefeld, Sprachliches Wissen, 1998, S. 161; Ramers, Syntax, 2000, S. 20 f.). Diejenigen Elemente, die sich nicht koordinieren lassen, stehen dagegen nicht an derselben syntaktischen Position (vgl. Heringer, Syntax, 1996, S. 33 f.). 167 168

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Freitag“ andererseits – demselben Satz auf dieser Art und Weise gleichzeitig hinzugefügt werden: „Er und sein Vater fahren am Montag und am Freitag nach Hause“. Die beiden koordinierten Reihungen – „er und sein Vater“ sowie „am Montag und am Freitag“ – bilden jeweils eine Konstituente bzw. Formulierungseinheit. Dabei stellt sich heraus, dass man durch eine Koordinationsprobe auch ermitteln kann, ob einschlägige Elemente zur gleichen grammatischen Kategorie gehören oder nicht. Auf diese Art und Weise kann man im Strafrecht feststellen, ob die Tatbestandsalternativen, die jeweils nur eine einzige Formulierungseinheit enthalten, dieselbe Formulierungseinheit bzw. dasselbe Tatbestandsmerkmal darstellen oder nicht. Man braucht nur zu prüfen, ob ein Junktor „und“ zwischen den einschlägigen Alternativen notwendig wäre, wenn sie kumulativ nebeneinander in dieser Vorschrift vorkämen. Können die einschlägigen Alternativen nebeneinander auftreten, ohne ein „und“ zwischen ihnen hinzuzufügen, stellen sie eben verschiedene Formulierungseinheiten bzw. Tatbestandsmerkmale dar und müssen genau so wie die Alternativen der oben (2) erwähnten Gruppe behandelt werden. In diesem Fall hat der Einsatz der Tatbestandsalternativen nichts mit sprachlichen Schwierigkeiten zu tun. Strafrechtliche Beispiele für diese Gruppe werden wir unter (c) anführen. Wenn sich einschlägige Alternativen dagegen syntaktisch exkludieren171, nämlich an derselben syntaktischen Stelle stehen, beziehen sie sich auf Informationen derselben Dimension und damit auf dieselbe Formulierungseinheit. Diese Alternativen bilden zusammen eine Paradigmenklasse eines Tatbestandsmerkmals und sind – selbstverständlich – gemeinsam als ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln. Unten (b) werden wir einige strafrechtliche Beispiele für diese Gruppe anführen. Schließlich muss noch geklärt werden, wie der Fall zu behandeln ist, in dem die einschlägigen Alternativen jeweils ein Verb enthalten. Da der Forschungsgegenstand der Syntax der Satz ist und jeder Satz nur ein (finites) Verb besitzen darf, kann die Exklusionsprobe als eine syntaktische These dort nicht weiter helfen, wo der Tatbestand aus mehreren gleichrangig miteinander verbundenen Sätzen (zusammengesetzte Sätze) besteht: Sicher ist, dass diese Alternativen sich syntaktisch gegenseitig ausschließen, weil jeder Satz eben nur ein einziges finites Verb haben kann und diejenigen Alternativen, die jeweils ein Verb enthalten, gewiss nicht in einem grammatischen Satz gleichzeitig nebeneinander stehen dürfen. Aber allein von der gegenseitigen Ausschließung dieser Alternativen kann man noch nicht ableiten, dass sie zueinander in paradigmatischer Beziehung stehen und dieselbe Formulierungseinheit darstellen. Da man diejenige Formulierungseinheit, die aus einem Verb und seinen Ergänzungen besteht, erst aus der semantischen Regulierung (IV. 8) ermitteln kann, muss man eine solche semantische Überlegung hier eben171 Hier muss nochmals betont werden, dass diese syntaktische Exklusion zwischen Ausdrücken keineswegs mit ihrer inhaltlichen bzw. semantischen Unverträglichkeit zu verwechseln ist. Sie können also durchaus auch in demselben Sachverhalt gleichzeitig erfüllt werden. Nur die kontradiktorisch gefassten Alternativen stehen zueinander in einer semantischen gegenseitigen Ausschließungsrelation; vgl. o. B. II. 2.

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falls einbeziehen und weiter prüfen, ob sie wirklich – vom semantischen Inhalt her – dieselbe Formulierungseinheit verkörpern. Bei der Fassung eines Tatbestandes kann der Gesetzgeber entweder von der Handlungsmodalität (bei reinen Tätigkeitsdelikten), vom Erfolg (bei Erfolgsdelikten ohne nähere Verhaltensbeschreibung), oder von beiden (bei verhaltensgebundenen Erfolgsdelikten) ausgehen. Bei der Beschreibung der beiden Teile, nämlich der Handlungsmodalität und des Erfolgs, wird das Verb eingesetzt. Von der semantischen Dimension her bezieht ein Verb sich also entweder auf die Handlungsmodalität oder auf den Erfolg. Diejenige, die ein semantisch handlungsbezogenes Verb enthält, kann danach nicht mit derjenigen Alternative, die ein semantisch erfolgsbezogenes Verb umfasst, zusammen als eine Formulierungseinheit angesehen werden; sie beide stellen vielmehr zwei verschiedene Formulierungseinheiten dar. Um dies zu beleuchten, wenden wir uns im Folgenden konkreten Beispielen im BT zu.

b) Dieselbe Formulierungseinheit darstellende Alternativen Diejenigen Alternativen, die syntaktisch zueinander in einer paradigmatischen Beziehung stehen, stellen Ausdrücke (sog. Paradigmen) dar, die auf vertikaler Ebene bezüglich derselben Formulierungseinheit (Tatbestandsmerkmal) austauschbar sind172. In diesem Fall wird eine Formulierungseinheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal durch Tatbestandsalternativen disjunktiv formuliert. Das ist der Fall des § 226 Abs. 1 bezüglich der schweren Folge der Körperverletzung. Hat eine Handlung mehrere schwere Folgen verursacht173, liegt nach h. M. nur eine Tat (nicht etwa gleichartige Idealkonkurrenz) vor, wobei das Vorliegen mehrerer schwerer Folgen ebenso wie das große Ausmaß einer Folge lediglich bei der Strafzumessung straferschwerend berücksichtigt werden kann174. Dies lässt sich durch die These der Formulierungseinheit gut erklären. Denn alle Alternativen (Nr. 1 – 3) befinden sich in derselben Formulierungseinheit und sollen deshalb zusammen als ein Tatbestandsmerkmal verstanden werden. Beim Zusammentreffen mehrerer aufgezählter Folgen geht es also nur um eine einmalige Tatbestandsverwirklichung. Beispiele dafür sind auch die Alternativen des § 153 (als Zeuge oder Sachverständiger), des § 168 Abs. 1 (den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen) oder die alternative Beschreibung des Objekts (Abfall) in § 326 Abs. 1 Nr. 1 – 4 usw. Diese Alternativen stehen an derselben syntaktischen Stelle, bilden zusammen ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal. Dies wird auch dort nicht anders, wo es 172 Im Unterschied zu den auf horizontaler Ebene segmentierten Einheiten (Syntagmen in der syntagmatischen Beziehung) sind paradigmatische Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen (Paradigmen) durch Austauschbarkeit auf vertikaler Ebene definiert; vgl. dazu auch o. IV. 5. 173 Beispiel: Durch einen Bombenschlag hat das Opfer einen Arm und das Sehvermögen verloren. 174 Vgl. dazu Schönke / Schröder / Stree, StGB, § 226 Rn. 12.

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das Verb betrifft. Die einzige Besonderheit liegt nur darin, dass die Formulierungseinheit sich nicht aus syntaktischen Proben, sondern aus der semantischen Überlegung ergibt. Am Beispiel des § 223 Abs. 1 (Körperverletzung) leuchtet dies ein. Wer vorsätzlich eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, begeht eine Körperverletzung nach dem § 223 Abs. 1. In diesem Tatbestand hat der Gesetzgeber zwei miteinander kumulativ verbundene Formulierungseinheiten vorgesehen: Subjekt (wer, also jedermann) und Taterfolg175 (körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung einer anderen Person). Die zwei Alternativen (körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung) stehen zueinander in paradigmatischer Beziehung, weswegen sie einen disjunktiv formulierten Begriff und damit ein Tatbestandsmerkmal (Taterfolg) darstellen, egal wie er genannt wird, z. B. „Körperverletzung“ oder „körperliche Beeinträchtigung“176. Schaut man die Tatbestände der §§ 224, 226, 227, 228, 229 an, in denen nur „die Körperverletzung“ formuliert wird, wird umso deutlicher, dass der Gesetzgeber die beiden Alternativen als eine Einheit verwendet hat. Mit der disjunktiven Formulierung will er lediglich bezwecken, das Erfolgselement konkreter auszudrücken. Dasselbe gilt auch für § 263 Abs. 1 (Betrug). Niemand würde auf die Idee kommen, dass diese Vorschrift deshalb drei Tatbestände enthalte, weil drei alternativ gefasste Handlungsmodalitäten – nämlich die Vorspiegelung falscher Tatsachen, die Entstellung wahrer Tatsachen sowie die Unterdrückung wahrer Tatsachen – im Gesetzestext vorhanden sind. Da es bei den meisten Alternativen im BT um das Verb und seine Ergänzungen geht, scheint es so zu sein, als müsse man zur Lösung der Problematik dieser Alternativen immer auf die oben (IV. 8) aufgestellte semantische Regulierung zurückgreifen. Dieser Schluss ist aber voreilig. Die semantische Regulierung beschäftigt sich nur mit der Frage, ob mehrere Stellungseinheiten, die sich aus der Verschiebeprobe ergeben, u. U. doch als eine Formulierungseinheit zu behandeln sind. Wenn sich aber einschlägige Alternativen nur auf ein und dieselbe Stellungseinheit beziehen, kann man die Möglichkeit, dass mehrere Formulierungseinheiten vorliegen, bereits ausschließen, ohne auf die semantische Regulierung zurückgreifen zu müssen. Denn weder nach der Verschiebeprobe noch nach der semantischen Regulierung werden diese Alternativen als mehrere Formulierungseinheiten angesehen. Dies lässt sich durch konkrete Beispiele verdeutlichen. In § 174 Abs. 1 (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) werden unterschiedliche Gruppen von Schutzbefohlenen (besonderen Situationen des Opfers) anhand drei Ziffern (Nr. 1 – 3) aufgezählt. Bei Nr. 1 – 4 des § 326 Abs. 1 handelt es sich lediglich um die Beschreibung des Objekts, bei § 149 Abs. 1 und § 275 Abs. 1 dagegen um die möglichen 175 Im Schrifttum werden körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung auch als zwei Tatmodalitäten (Begehungsweisen) angesehen (etwa Kindhäuser, LPK-StGB, § 223 Rn. 1). Sieht man aber Körperverletzung als ein Erfolgsdelikt ohne nähre Verhaltensbeschreibung (verhaltensungebundenes Delikt) an, dann enthält dieser Tatbestand freilich nur die Beschreibung des Erfolgs. 176 So etwa Lackner / Kühl, StGB, § 223 Rn. 3; Puppe, GS-Arm. Kaufmann, S. 22; Montenbruck, Strafrahmen, 1983, S. 197 ff.; Geerds, BA 1965, S. 132 bei Fn. 29.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Tatmittel. Da all diese komplizierten Aufzählungen sich immer auf dasselbe Element – nämlich besondere Situationen des Opfers in § 174, Tatobjekt in § 326 oder Tatmittel in § 149 und § 275 – beziehen, kann man ohne sich auf die semantische Regulierung zu berufen sofort feststellen, dass diese Alternativen sich in derselben Formulierungseinheit befinden. Die Konstellation ist keine andere als wenn der Gesetzgeber die besonderen Situationen des Opfers, das Objekt oder das Tatmittel – statt der Alternativen – anhand eines einzigen Worts bzw. Begriffs beschrieben hätte. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn das Objekt und das Verb jeweils alternativ formuliert werden. Die Alternativen können jeweils innerhalb der sie enthaltenden Formulierungseinheit zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden: In § 109e Abs. 1 werden sowohl das Objekt (ein Wehrmittel, eine Einrichtung oder Anlage) als auch das Verb (unbefugt zerstören, beschädigen, verändern, unbrauchbar machen oder beseitigen) jeweils disjunktiv formuliert. Ohne über die semantische Regulierung nachzudenken, kann man schon feststellen, dass nur ein Tatbestand in § 109 Abs. 1 vorhanden ist. Das Gleiche gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber nicht nur eine, sondern mehrere Formulierungseinheiten (Merkmale) derselben Vorschrift jeweils alternativ formuliert, solange keine unterschiedlichen Formulierungseinheiten in derselben Alternative gleichzeitig auftauchen: Bei § 177 Abs. 1 (sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) werden sowohl das Nötigungsmittel (Nr. 1 – 3) als auch der Nötigungserfolg jeweils alternativ gefasst. Während die Alternativen, die zur Beschreibung des Nötigungsmittels dienen, ein disjunktiv gefasstes Tatbestandsmerkmal bezüglich des Nötigungsmittels bilden, gestalten die unterschiedlichen Erfolgsbeschreibungen ein (anderes, aber auch disjunktiv gefasstes) Tatbestandsmerkmal. Anders ist es nur dann, wenn das Objekt und das Verb zusammen in derselben Alternative eintreten: In § 130 Abs. 1 enthalten die Nr. 1 und 2 jeweils ein Verb und seine Ergänzungen. Nur in diesem Fall muss die semantische Regulierung berücksichtigt werden177.

c) Unterschiedliche Formulierungseinheiten darstellende Alternativen Anders zu behandeln sind die Konstellationen, in denen die Alternativen zwar auch jeweils nur eine einzige Formulierungseinheit enthalten, aber diese Formulierungseinheiten unterschiedlich sind. Hier hat der Gesetzgeber nicht ein Tatbestandsmerkmal disjunktiv formuliert, sondern verschiedene Formulierungseinheiten alternativ zusammengefasst, weshalb man die einschlägigen Alternativen nicht mehr zusammen als ein Tatbestandsmerkmal ansehen darf. Dass die Tatbestandsalternativen nicht zur gleichen Formulierungseinheit gehören, besagt, 177 Nach der semantischen Regulierung beziehen sich alle Alternativen des § 130 Abs. 1 auf dieselbe Formulierungseinheit. Es gibt hier also nur ein einziges Tatbestandsmerkmal, weswegen nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen ist, wenn ein und dieselbe Äußerung zugleich beide Alternativen erfüllt (s. auch u. 2. Teil A). Im Ergebnis ebenso: Schönke / Schröder / Lenckner, StGB, § 130 Rn. 27.

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dass sie unterschiedliche Unrechtsdimensionen beschreiben. In diesem Fall ist der Grund für die alternative Formulierung nicht mehr die sprachliche Schwierigkeit, sondern die sprachliche Sparsamkeit. Man schreibt zwei selbstständige Sätze in alternativer Form nur zur Vermeidung einer Widerholung der gemeinsamen Teile. Die beiden Ausdrücke „als Mitglied einer Bande“ und „gewerbsmäßig“ werden z. B. zwar in vielen Vorschriften miteinander als zwei Alternativen disjunktiv verbunden178, stellen sich jedoch nach der Exklusions- und Koordinationsprobe als zwei selbstständige Einheiten bzw. Tatbestandsmerkmale dar, weil sie in demselben Satz auch nebeneinander kumulativ stehen können, ohne einen Junktor zwischen sich zu brauchen179. Die Alternativen des § 324a Abs. 1 – Nr. 1 (in einer Weise, die . . . ) und 2 (in bedeutendem Umfang) – stehen auch nicht in paradigmatischer Beziehung zueinander, weil man sie beide in denselben Satz integrieren kann, ohne einen Junktor zwischen den beiden hinzufügen zu müssen. In diesem neuen Satz stellen die Beschreibung der Verunreinigungsweise und die des Verunreinigungsumfangs m. a. W. zwei selbstständige Stellungseinheiten dar, die frei verschiebbar sind, weshalb sie als zwei Formulierungseinheiten bzw. Tatbestandsmerkmale anzusehen sind. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn es sich um ein Verb handelt. Die einzige Besonderheit liegt darin, dass die Gleich- oder Verschiedenheit zwischen Alternativen nicht der Exklusionsprobe, sondern der semantischen Regulierung zu entnehmen ist. Während sich die erste Alternative (Nr. 1) des § 315 Abs. 3 z. B. auf die Absicht der Handlung bezieht, dient die zweite Alternative (Nr. 2) demgegenüber der Beschreibung des Erfolgselements (Verursachung der Gesundheitsschädigung), weswegen Nr. 1 und 2 nicht zusammen als eine Einheit (ein Tatbestandsmerkmal) anzusehen sind. Jede der beiden Ziffern stellt für sich allein bereits ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal dar180, was sich auch nicht wegen der alternativen Verbindung mit dem anderen Merkmal ändert.

178 Z. B. in §§ 146 Abs. 2, 152a Abs. 2, 184 Abs. 4, 236 Abs. 4 Nr. 1, 253 Abs. 4, 260 Abs. 1, 261 Abs. 4, 263 Abs. 3 Nr. 1, 267 Abs. 3 Nr. 1, 275 Abs. 2, 276 Abs. 2, 284 Abs. 3, 300 Nr. 2, 335 Abs. 2 Nr. 3. 179 Sogar direkt im BT kann man bereits unmittelbare Beweise dafür finden, dass beide Ausdrücke sich syntaktisch nicht exkludieren; z. B. in §§ 260a Abs. 1, 263 Abs. 5, 267 Abs. 4. 180 Beide Tatbestandsmerkmale werden wiederum jeweils alternativ gefasst: Nr. 1 besteht aus zwei (Sub-)Alternativen: a) Herbeiführung eines Unglücksfalles sowie b) Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat, während in Nr. 2 auch zwei (Sub-)Alternativen (Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen) geregelt sind. Da diese (Sub-)Alternativen jeweils zu derselben Formulierungseinheit – Absichtselement einerseits und Erfolgselement andererseits – gehören, können sie jeweils in Nr. 1 einerseits und in Nr. 2 andererseits zusammen ein einheitliches Tatbestandsmerkmal bilden.

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4. Zwischenbilanz: Formulierungseinheit als erste Grenze Bei der Gesetzesauslegung muss man immer vom Wortlaut der Vorschrift ausgehen, weshalb eine Abweichung von ihm nur aus besonderen Gründen zulässig sein kann. Bei der Annahme des Tatbestandsmerkmals soll man also Beweise berücksichtigen, die der Gesetzgeber durch Kodifizierung im Gesetzbuch hinterlassen hat. Es handelt sich also um „Argumentationslast“. Puppe hat zu Recht darauf hingewiesen: „Einen gewissen Anhaltspunkt dafür, mehrere Tatbestandsalternativen zu einem Begriff zusammenzufassen, gibt ihre Anordnung im Tatbestand. Denn wo der Gesetzgeber alternative Tatbestände formuliert, gibt er sich ersichtlich Mühe, diejenigen Alternativen unter einer Ziffer zu vereinigen, die annähernd gleichartig und gleichwertig sind“181. Der Gesetzestext stellt nämlich eine gesetzgeberische Entscheidung für die Bildung eines einheitlichen Tatbestands dar. Unter der Voraussetzung der Gewaltenteilung kommt allein dem Gesetzgeber die Befugnis zu, strafwürdiges Unrecht zu definieren, weswegen der Rechtsanwender diese Entscheidung respektieren muss182. Will man darin keine vom Gesetzgeber getroffene und für den Gesetzesanwender verbindliche Wertung, sondern (lediglich) eine Gesetzestechnik zur Zusammenfassung mehrerer weitgehend identischer Tatbestände sehen, so sind hierfür Argumente vorzutragen183. Deshalb sind die Vertreter der Meinungen, wonach keine rechtliche Bewertung von der gesetzgeberischen Form der Alternativen abzuleiten sei, den Beweis dafür schuldig geblieben, dass sich die logisch mögliche Deutung von alternativen Formulierungen in Straftatbeständen als Beschreibungen jeweils eines Tatbestandsmerkmals, das die in Rede stehenden Alternativen zu einer Einheit verbindet, aus sachlichen Gründen durchwegs verbietet184. Wie oben (III. 3) gezeigt, ist logisch durchaus möglich, Tatbestandsalternativen derselben Vorschrift immer zusammen als einen disjunktiv formulierten Begriff bzw. ein Tatbestandsmerkmal zu begreifen. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, wann diese logische Operation im Strafrecht unter allen Umständen durchgesetzt werden soll. Dies hängt vielmehr vom Begriff des strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals ab. Nach der hier vertretenen These besteht ein Tatbestand aus mehreren Formulierungseinheiten, für deren Gestaltung nur der Gesetzgeber zuständig bzw. kompetent ist. Erst dann, wenn alle einschlägigen Tatbestandsalternativen dieselbe Formulierungseinheit verkörpern, nämlich sich auf dieselbe syntaktische Position beziehen, stehen sie zueinander in einer paradigmatischen Beziehung und bilden gemeinsam ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal. Die paradigmatische Beziehung kann m. a. W. in diesem Kontext nur innerhalb ein und derselben Formulierungseinheit vorliegen. Nur in diesem Fall kann bezüglich der Entstehung NK-Puppe, § 16 Rn. 135. Ebenso Schlüchter in: SK-StPO, § 261 Rn. 94 (in Bezug auf die non-liquet-Situation) und Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 392 (in Bezug auf die Konkurrenz). 183 Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 387. 184 Ähnlich: Warda, FS-Stree / Wessels, S. 278. 181 182

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der Alternativen von sprachlichen Schwierigkeiten oder dem Bestimmtheitsgebot die Rede sein. Dagegen hat der Einsatz der Alternativen dort nichts mehr mit sprachlichen Schwierigkeiten zu tun, wo eine Alternative mehrere Formulierungseinheiten enthält, oder wo die einschlägige Alternativen zwar jeweils nur eine einzige Formulierungseinheit enthalten, diese Formulierungseinheiten aber unterschiedlich sind. In diesen Fällen muss man mehrere Tatbestandsmerkmale annehmen. Dass sie in derselben Vorschrift miteinander alternativ verbunden sind, würde hieran auch nichts ändern. Bei der Zusammenfassung dieser Alternativen geht der Gesetzgeber von irgendwelchen anderen Gründen aus, die nicht rechtfertigen können, Tatbestandsalternativen als ein einziges Tatbestandsmerkmal anzusehen. Daraus ergibt sich die erste (negative) Grenze: Diejenigen Tatbestandsalternativen, die sich auf unterschiedliche Formulierungseinheiten beziehen, können niemals als ein Tatbestandsmerkmal behandelt werden.

VI. Zweite Grenze: Differenzierungsgebot Mit der ersten Grenze kann man diejenigen Alternativen, die unterschiedliche Formulierungseinheiten darstellen, endgültig als mehrere Tatbestandsmerkmale qualifizieren. Im Folgenden wird nur auf diejenigen Alternativen, die in derselben Formulierungseinheit stehen, abgestellt. Es ist zwar in der Logik zulässig, angesichts des Bestimmtheitsgebots sogar wünschenswert, dass der Gesetzgeber eine Formulierungseinheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal anhand mehrerer miteinander alternativ verbundener und austauschbarer Ausdrücke beschreibt, weil sie konkreter bzw. bestimmter als eine generelle Formulierung bzw. ein Gattungsbegriff sind. Aber alles, was bis hierhin thematisiert wurde, konzentriert sich nur auf die sprachliche Struktur jeder einzelnen Norm. Da die Norm aber nicht allein geschaffen wird, sondern sich immer in einem Normkomplex befindet, muss man freilich auch prüfen, ob ein solches Ergebnis bezüglich der einzelnen Norm – nämlich dass dieselbe Formulierungseinheit darstellende Alternativen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln sind – mit dem ganzen Normensystem verträglich sein kann. Hierbei handelt es sich nicht mehr um logische oder sprachliche Probleme, sondern ausschließlich um eine rein strafrechtlich-systematische Betrachtung.

1. Fiktion oder Vermutung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals? Fasst der Gesetzgeber eine Formulierungseinheit durch mehrere Tatbestandsalternativen disjunktiv, trifft er nach der oben entwickelten These gleichzeitig auch eine gesetzgeberische Entscheidung für die Bildung eines Tatbestandsmerkmals. Dann stellt sich die nächste Frage, ob diese Entscheidung ausnahmslos durchzusetzen ist. Eine absolute Verbindlichkeit wird zwar im Schrifttum vertreten185, 9 Tsai

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scheint jedoch zweifelhaft. Abgesehen davon, dass unterschiedliche Formulierungseinheiten nach der hier vertretenen These nicht als ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden dürfen, wird die Grenze der Kompetenz des Gesetzgebers von der These der absoluten Verbindlichkeit außer Acht gelassen. Es lässt sich einerseits zwar nicht leugnen, dass allein dem Gesetzgeber die Befugnis zukommt, strafwürdiges Unrecht zu definieren bzw. zu beschreiben. Andererseits ist allgemein anerkannt, dass die Befugnis des Gesetzgebers zur Gestaltung des strafrechtlichen Tatbestandes nicht unbegrenzt ist. Hierfür ist die Verfassungsgerichtsbarkeit gerade ein schlagender Beweis. Die Entscheidung des Gesetzgebers muss jedenfalls der verfassungsrechtlichen Wertordnung entsprechen186. Man darf also der gesetzgeberischen Entscheidung keine absolute Verbindlichkeit beimessen und muss dem Rechtsanwender die Möglichkeit der Berichtigung fehlerhaften Rechts anbieten, obwohl eine solche Berichtigungsmöglichkeit im Strafrecht – wegen des Gesetzlichkeitsprinzips – sehr begrenzt ist. Demzufolge darf die gesetzgeberische Entscheidung für die Bildung eines Tatbestandes nicht als eine Fiktion, sondern – wie A. Köhler schon vor rund einhundert Jahren angedeutet hat187– nur als eine Vermutung für das Vorliegen eines Tatbestandes angesehen werden. Im Anschluss daran ist als nächste Frage aufzuwerfen, unter welchen Voraussetzungen diese Vermutung widerlegt werden soll, m. a. W., wann die Alternativen nicht mehr als ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden dürfen, obwohl sie dieselbe Formulierungseinheit darstellen188.

2. Entkräftung der Vermutung: Strafrechtlich-systematische Betrachtung Da es bei der Gestaltung der Formulierungseinheit um die Kompetenz des Gesetzgebers geht, kann diese Vermutung angesichts des Prinzips der Gewaltenteilung nur dann entkräftet werden, wenn er die Grenze seiner Kompetenz überschreitet. Von der Selbstbindung des Gesetzgebers ist hier die Rede.

185 So z. B. Wach, Legislative Technik, 1908, S. 67. Bei der Behandlung eines non liquet zwischen Tatbestandsalternativen vertreten viele Autoren auch diese Meinung; vgl. näher dazu u. 2. Teil B. II. 2. a). 186 Vgl. dazu Günther, JuS 1978, S. 13 f. 187 Ders., Grenzlinien, 1900, S. 56: „Sind mehrere Thatbestände in einem Paragrafen zusammengefasst, so spricht zunächst die Vermutung dafür, dass es sich überhaupt nur um einen einheitlichen, nicht um mehrere selbstständige Thatbestände handelt.“; ihm (teilweise) folgend: Beling, Verbrechen, 1906, S. 271 bei Anm. 1; im Ergebnis auch so: NK-Puppe, § 16 Rn. 135. 188 Im Folgenden wird mit dem Wort „Alternative“ immer nur diejenige gemeint, die sich in derselben Formulierungseinheit befinden. Bei anderen Alternativen, die sich auf verschiedene Formulierungseinheiten beziehen, sind dagegen immer mehrere Tatbestände anzunehmen.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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a) Gleichheitsprinzip und Selbstbindung des Gesetzgebers Einigkeit besteht darüber, dass jede Entscheidung des Gesetzgebers nicht mit dem vorgegebenen System des Rechts in Konflikt kommen darf. Wenn der Gesetzgeber einer von ihm selbst vollzogenen Wertung nicht treu bleibt, entstehen „Wertungswidersprüche“ innerhalb der Rechtsordnung189, die sachlich unbegründete Verschiedenbehandlungen gleichartiger Sachverhalte darstellen und damit dem elementaren Gerechtigkeitsgedanken der Gleichbehandlung des Gleichartigen entgegenstehen190. Dies hängt also mit dem Gleichheitsgrundsatz zusammen, der neben dem Bestimmtheitsgrundsatz der wichtigste Maßstab für die Gesetzestechnik ist und das Verbot willkürlicher Regelung darstellt191. Aufgrund dessen muss die Vermutung für das Vorliegen eines einzigen Tatbestandsmerkmals dann entkräftet werden, wenn ihre Umsetzung zu einem solchen Widerspruch führen würde. Da es um eine Kollision zwischen zwei oder mehreren Normen geht, darf man nicht bloß die alternativ gefasste Vorschrift allein betrachten, sondern muss das ganze Normensystem, in dem sie sich befindet, mit einbeziehen. Die Zusammenfassung von zwei Alternativen ist gewissermaßen eine Gleichbehandlung von diesen. Angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Fassung des Tatbestandes kann eine solche Gleichbehandlung des Gesetzgebers dann – aber auch nur dann – nicht durchgesetzt werden, wenn er die einschlägigen Alternativen in anderen Strafvorschriften selbstständig, oder gar unterschiedlich bewertet hat (Selbstständigkeit der Tatbestandsalternativen). Die Beschreibung des konkreten Gefährdungserfolgs bietet ein lehrreiches Beispiel, mit dem man diesen Gedanken verdeutlichen kann. Im 28. Abschnitt (Gemeingefährliche Straftaten) hat der Gesetzgeber den Ausdruck „Gefährdung des Leibs oder Lebens eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert“ als konkreten Gefährdungserfolg häufig verwendet192. Wenn man einschlägige Tatbestände mit berücksichtigt, kann man die Selbstständigkeit der einschlägigen Alternativen leicht erkennen: Durch die Tatbestände des Totschlags (§ 212) und der Sachbeschädigung (§ 303) hat der Gesetzgeber nicht nur erklärt, dass das Leben eines Menschen und das Eigentum im Strafrecht geschützt werden sollen, sondern auch, dass der Wert eines Menschen im Strafrecht auf keinen Fall dem einer Sache gleichgesetzt werden kann. Dementsprechend müssen z. B. in § 315c Abs. 1 die Bestrafungen beider Alternativen (die Gefährdung für Leib und Leben eines anderen Menschen und die für fremde Sachen von bedeutendem Wert) unterschiedlich hoch sein. An der Reformgeschichte des § 313 lässt sich dies gut veranschaulichen. Vorm 6. StRG wurden die Zu Wertungswidersprüchen, vgl. Renzikowski, GA 1992, S. 159 ff. Vgl. Renzikowski, GA 1992, S. 170. 191 Vgl. Vogel, Methodik, 1998, S. 205. 192 Z. B. §§ 306 f. Abs. 2, 307 Abs. 1, 308 Abs. 1, 312 Abs. 1, 313 Abs. 1, 315 Abs. 1, 315a Abs. 1, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1. Im österreichischen StGB (§§ 169 ff.) und im schweizerischen StGB (Art. 223 Abs. 1, 224, 225, 227 Abs. 1, 228 Abs. 1, 238) ist die ähnliche Formulierung auch zu finden. 189 190

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

im geltenden § 313 alternativ zusammengefassten Taterfolge jeweils in § 312 a. F. (Herbeiführen einer lebensgefährdenden Überschwemmung) und 313 a. F. (Herbeiführen einer sachengefährdenden Überschwemmung) gesondert geregelt193. Die Gesetzesreform, wodurch die beiden Tatbestände in derselben Vorschrift (§ 313) alternativ zusammengefasst werden, ändert auch nichts daran, dass es hier um zwei verschiedenartige Gefahrensituationen geht, die im Strafrecht selbstständig bzw. unterschiedlich bewertet werden müssen. Da die Verwirklichungen der beiden Alternativen im geltenden § 313 aus materieller Sicht unterschiedlich hohe Bestrafungen auslösen müssen, kann man sagen, dass diese Alternativen in § 313 materiell ungleichrangig sind, weshalb die Strafrahmen des §§ 312 und 313 a. F. unterschiedlich waren194. Die Umstellung der Gefährdungsobjekte in dieselbe Gesetzesstelle ist also mit einer entsprechenden Reduzierung der Strafdrohungen verbunden195. Würde man die beiden qualitativ unterschiedlichen Gefährdungen wegen ihrer Zusammenfassung in derselben Vorschrift als eine Einheit behandeln, wäre diese Annahme unvereinbar mit der vorgegebenen Grundthese, dass im Strafrecht der eines Menschenlebens dem Wert einer Sache nicht gleichzusetzen ist. Das würde also zu einem Verstoß gegen die Forderung der Widerspruchslosigkeit bzw. Einheit der Rechtsordnung führen196. Denn so hält man einmal beschlossene Wertungen nicht konsequent durch, ohne eine rationelle, in sich widerspruchsfreie Begründung dafür angeben zu können. Unten (c) werden wir auf Einzelheiten eingehen. Ein neuer Rechtssatz darf nicht in Widerspruch zu dem gesetzlichen System treten, sondern muss sich vielmehr bruchlos in das gegebene Ganze der Rechtsordnung einfügen197. Lassen sich neue Einzelreglungen nicht in das System einfügen, besteht eine Darlegungslast des Gesetzgebers, dass die vorgenommene Differenzierung nicht willkürlich ist198. Das Gebot der Vermeidung von Wertungswidersprüchen richtet sich aber nicht nur an den Gesetzgeber, sondern auch an den Ausleger bzw. Rechtsanwender. Die rechtsanwendende Instanz ist damit gehalten, das Recht durch die juristischen Methoden, die der Harmonisierung der Normen dienen, möglichst widerspruchsfrei zu interpretieren199. Um Widersprüche zu vermei193 Die Motivation dieser Gesetzesreform war „Vereinfachung, Vereinheitlichung und Anpassung“ dieser Vorschriften (vgl. BT-Drs. 13 / 8587, S. 50). 194 Dagegen wurde die beiden in § 328 E 1962 (Entfesseln von Naturkräften) in unterschiedlichen Absätzen geregelt. 195 Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 50 / 3. 196 Im Ergebnis auch so: die Stellungnahme zum Referententwurf des 6. StrRG des Marburger Arbeitskreises (s. Freund, ZStW 109 (1997), S. 485: „Bei § 306 Abs. 2 des Entwurfs ist die fehlende Trennung der Gefährdung von Sachwerten von der Gefährdung von Leib und Leben zu beanstanden. Getrennte Regelungen mit unterschiedlichen Strafrahmen wären der auch sonst angestrebten Hervorhebung des Schutzes von Leib und Leben gegenüber dem Eigentumsschutz eher dienlich.“) sowie Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 50 / 5. 197 s. Canaris, Systemdenken, 1983, S. 98. 198 Vgl. Renzikowski, GA 1992, S. 170. 199 Vor allem durch systematische Auslegung; vgl. Engisch, Einführung, 1997, S. 210; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 334 f.; Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 104 f.; Renzikowski,

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den, dürfen Alternativen im oben erwähnten Fall nicht mehr verschmolzen werden, sondern müssen stets als mehrere selbstständige Einheiten selbstständig behandelt werden200. Da der Rechtsanwender einen Wertungswiderspruch bei diesen Tatbestandsalternativen dadurch vermeiden kann, dass er diese Vorschrift als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände ansieht, sind hier nur unechte, scheinbare Wertungswidersprüche201 gegeben, die sich in der Rechtsanwendung auflösen lassen202. Zu beachten ist, dass das nicht nur für diejenige Alternativen gilt, die unterschiedlich schwere Rechtsfolgen auslösen, sondern auch für diejenigen, deren Selbstständigkeit sich in anderen Vorschriften zeigt, deren entsprechenden Rechtsfolgen aber gleich schwer sind. Der Gesetzgeber hat z. B. die Urkunde und die technische Aufzeichnung bei der Beschreibung der Urkundenunterdrückung (§ 274 I 1.) gleichgesetzt. Da die beiden Objekte in anderen Tatbeständen (§§ 267, 268) als zwei selbstständige Deliktstypen bewertet werden und damit unterschiedliche Angriffsrichtungen darstellen, dürfen diese Alternativen in § 274 Abs. 1 Nr. 1 nicht als eine Einheit bzw. ein einziges Tatbestandsmerkmal angesehen werden, sondern müssen als mehrere Tatbestandsmerkmale behandelt werden, auch wenn sie dieselbe Formulierungseinheit verkörpern und ihre Unrechtsgehalte gleich schwer sein mögen. Dementsprechend muss man § 274 Abs. 1 Nr. 1 als eine rein formell-kodifikationstechnische Zusammenfassung zwei selbstständiger Tatbestände ansehen, die lediglich auf Grund gesetzgeberischer Ökonomie in derselben Vorschrift geregelt sind. GA 1992, S. 172, 177. Die Harmonisierung der gesetzlichen Begriffe und Regelungen geschieht einmal durch horizontale Normenharmonisierung, soweit sich die systematische Auslegung auf gleichrangige gesetzliche Vorschriften erstreckt, und zum anderen durch vertikale Normenharmonisierung, soweit sie mit Blick auf höherrangiges Recht vorgenommen wird (s. Schmalz, Methodenlehre, 1998, Rn. 256). 200 Ähnlich A. Köhler, Grenzlinien, 1900, S. 56; nach ihm soll die Vermutung für einen einheitlichen Tatbestände in zwei Fällen entkräftet, und zwar erstens dann, „wenn die alternativ zur Erfüllung eines Gesetzes erforderlichen Handlungen keinen bestimmten deliktischen Dolus (bezw. Fahrlässigkeit) zur gemeinsamen Grundlage haben, dem gegenüber der besondere Dolus der einzelnen Alternativen nur als eine (qualificirende) Zuthat erscheint“, und zweitens, „wenn sie auseinander gezogene Bestandteile eines anderweit einheitlich formulierten Deliktsbegriffs sind“. Die erste Bedingung der Entkräftung enthält – wie Beling richtig kritisiert – ein „ýóôårïí ðrüôårïí“ (Hysteron-Proteron; das Spätere (ist) das Frühere): „Erst muss der Typus feststehen, dann ist die Schuldfrage zu untersuchen. Die Schuld richtet sich nach dem Typus (als bloße subjektive Bezeichnung), nicht umgekehrt“ (ders., Verbrechen, 1906, S. 271 bei Anm. 1). 201 Oder: Scheinbare Normwidersprüche (Engisch, Einführung, 1997, S. 210). Demgegenüber sind echte Widersprüche diejenigen, die in der Rechtsanwendungspraxis nicht behoben werden können; vgl. dazu Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 105. 202 Wertungswidersprüche lassen sich aber nicht immer vermeiden, weil die gesetzlichen Regeln verschiedenen historischen Entwicklungsstufen entstammen und eine andersartige Bewertung in einem Teilbereich der Rechtsordnung nicht sofort auf einen anderen Teilbereich durchzuschlagen vermag (Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 488). Darüber hinaus ergibt eine weitere Ursache sich aus der zunehmenden Komplexität der Regelungsmaterie und der Vielzahl von gesetzlichen Regelungen (Renzikowski, GA 1992, S. 171). Wie echte Widersprüche zu vermeiden oder beseitigen sind, kann hier dahinstehen, weil es bei Tatbestandsalternativen nicht darum geht.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Oben wurde eine Faustregel bezüglich der Entkräftung der gesetzgeberischen Vermutung für einen Tatbestand aufgestellt. Nun werden wir versuchen, eine genauere Grenze der Gestaltungsfreiheit des Strafgesetzgebers zu ziehen, und zwar in folgender doppelter Hinsicht: Aus der Sicht des gesamten Verbrechensaufbaus einerseits und aus der Betrachtung des strafrechtlichen Unrechts andererseits.

b) Annahme von Selbstständigkeit der Alternativen – aus der Sicht des Verbrechensaufbaus und des strafrechtlichen Unrechts Nach h. M. besteht eine Straftat aus zwei Teilen, nämlich Unrecht und Schuld. Nicht nur die Strafrechtswissenschaft, sondern auch das StGB kennen diese Unterscheidung203. So sagt z. B. § 32 über den Notwehr übenden Täter, dass er „nicht rechtswidrig“ handele, während derjenige Täter, der sich in unvermeidbarem Verbotsirrtum befindet, nach der Terminologie des Gesetzes (§ 17) „ohne Schuld“ handelt (vgl. §§ 20, 35)204. Auch im BT basieren viele Regelungen auf dieser Grundunterscheidung, z. B. §§ 257, 259, 323a und 261. Obwohl die Folge beim Unrechts- und Schuldausschluss dieselbe (nämlich die Straflosigkeit) ist, haben der Unrechts- und der Schuldausschluss doch unterschiedliche Bedeutungen. Eine Tat, die strafrechtlich nicht als Unrecht zu bewerten ist, wird von der Rechtsordnung gebilligt, die entschuldigte demgegenüber nur nachgesehen205. Deshalb ist eine strafbare Teilnahme beim ersteren Fall ausgeschlossen, beim letzteren dagegen rechtlich möglich206. Darüber hinaus sind auch die Irrtumsregelungen für beide Gebiete unterschiedlich207. Da unrechtsbezogene und schuldbezogene Elemente jeweils verschieden zu bewerten sind und eine unterschiedliche Folge mit sich bringen, darf man beide nicht gleich, d. h. nicht als eine Einheit, behandeln, auch wenn sie in derselben Strafvorschrift als Tatbestandsalternativen zusammengefasst werden. Sonst käme man z. B. mit Konstellationen des Irrtums oder der Beteiligung nicht zurecht. Für die Fälle, in denen es in derselben Vorschrift sowohl um ein unrechtsbezogenes als auch um 203 Der Gesetzgeber definiert die „rechtswidrige Tat“ im Sinne des StGB dahin, sie sei „nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht“ (§ 11 I Nr. 5). Für die Verhängung der Sanktion „Strafe“ ist die schuldlose rechtswidrige Tat zwar nicht ausreichend, kann jedoch spezifisch strafrechtliche Rechtsfolgen auslösen, z. B. Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß §§ 63, 64, 69 und 70. 204 Vgl. nur Roxin, AT / 1, 7 / 11. 205 Darüber hinaus ist gegen eine rechtswidrige, aber entschuldigte Handlung Notwehr zulässig, während diese gegen eine gerechtfertigte Tat ausgeschlossen ist; vgl. Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 476. 206 Ob auch der Teilnehmer entschuldigt ist, richtet sich gemäß § 29 nach den bei ihm persönlich vorliegenden Umständen. Dies ist die sog. limitierte Akzessorietät; vgl. dazu näher Schönke / Schröder / Cramer / Heine, StGB, Vor §§ 15 ff., Rn. 23. 207 Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 476.

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ein schuldbezogenes Element geht, mag § 211 (Mord) das einzige Beispiel im BT sein208. Jedoch enthält der Tatbestand des Mords (Abs. 1) per se gar keine Tatbestandsalternativen209. Die alternativ aufgezählten Typen ergeben sich aus Abs. 2, der für sich genommen kein Tatbestand, sondern eine gesetzliche Hilfsnorm des Abs. 1 ist210. Auch wenn eine Substitution durch Abs. 2 zulässig ist und dadurch der Tatbestand doch Alternativen enthalten würde, würden diese Alternativen nach der oben (V. 3. a)) erwähnten Exklusions- und Koordinationsprobe nicht als ein, sondern als drei unterschiedliche Merkmale angesehen, nämlich Beweggrund (1. Gruppe), Begehungsweise (2. Gruppe) und Zielsetzung (3. Gruppe)211, weswegen das Problem der Gleichbehandlung der unrechts- und schuldbezogenen Elemente hier überhaupt nicht vorliegt. Demgegenüber spielt die folgende Betrachtung aus der Sicht des Unrechts eine viel größere Rolle. Aus der Sicht des Unrechts zeigt sich die Selbstständigkeit der Tatbestandsalternativen dann am deutlichsten, wenn sie strafrechtlich unterschiedliche Rechtsgüter verkörpern. Bei Individualrechtsgütern ist es einfacher feststellbar: Als der Gesetzgeber Straftaten gegen die Individualrechtsgüter schuf, wurde gleichzeitig auch eine Grundwertentscheidung des strafrechtlichen Schutzes getroffen. Dadurch hat er nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass individuelle Rechtsgüter – nämlich das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre und das Vermögen – strafrechtlich schutzwürdig sind, sondern auch, dass sie unterschiedlich bewertet werden sollen. Es ist dem Gesetzgeber zwar nicht verboten, diejenigen Alternativen, die sich auf verschiedenartige Rechtsgüter beziehen, in derselben Strafvorschrift zusammenzufassen. Jedoch muss man diese Alternativen bei der Auslegung bzw. Anwendung als mehrere selbstständige Tatbestandsmerkmale ansehen, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden. Das gilt ebenfalls für die 208 Dies gilt freilich nur für diejenigen Autoren, nach den die Mordmerkmale sich nicht nur auf Unrecht, sondern auch auf Schuld beziehen; vgl. dazu Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 211, Rn. 6. 209 Entgegen der verbreiteten Meinung im Schrifttum, wonach der Mordtatbestand doch Alternativen enthält; vgl. o. A. I. 3. d) bb). 210 Zur Hilfsnorm vgl. o. A. I. 3. d). 211 Danach würde § 211 drei Tatbestände enthalten. Dagegen sprechen Lehrmeinungen sich aus entweder für einen Tatbestand (wie etwa Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 211 Rn. 13 und Schönke / Schröder / Stree, StGB, § 52 Rn. 28: Die einzelnen Tatmodalitäten besitzen einander gegenüber keine rechtliche Selbstständigkeit, weil sie auf vergleichbaren Verwerflichkeits- bzw. Gefährlichkeitsgedanken beruhen) oder für sechs rechtlich selbstständige Mordtatbestände (etwa Horn in SK-StGB, § 211 Rn. 7). Das Ergebnis der h. M., nach der beim Zusammentreffen durch eine Handlung keine Tateinheit (Idealkonkurrenz), sondern nur eine Tat bzw. eine einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen sei (Lackner / Kühl, StGB, § 52 Rn. 3 und § 212 Rn. 17; Gössel / Döllig, BT / 1, 4 / 155; Schmidhäuser, BT, 2 / 57; a.A. Haft, BT, 7. Aufl. 1998, S. 89: gleichartige innertatbestandliche Tateinheit) lässt sich nur argumentieren entweder mit der hier vertretenen Begründung, dass keine Alternativen im Mordtatbestand (§ 211 I) gegeben sind, oder mit dem Charakter der Strafzumessungsregel (s. o. A. Fn. 66). Immerhin ist das Ergebnis bezüglich der Strafzumessung zuzustimmen, nämlich dass das Zusammentreffen strafschärfend berücksichtigt werden kann (Roxin, AT / 2, 33 / 111; Lackner / Kühl, StGB, § 212 Rn. 17).

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Universalrechtsgüter; z. B. im oben (a) angeführten Beispiel des § 274 (Urkundenunterdrückung). Darüber hinaus zeigt sich die Selbstständigkeit der einzelnen Alternativen dort noch deutlicher, wo der Gesetzgeber direkt auf mehrere andere unterschiedliche Paragrafen verwiesen hat, die für sich selbstständige Delikte sind und zueinander nicht im Verhältnis der Gesetzeseinheit stehen. Es wäre jedoch übereilt, daraus zu schließen, die Vermutung für das Gegebensein eines Merkmals müsse stets dann widerlegt werden, wenn die Alternativen in anderen Vorschriften unterschiedliche Rechtsgüter darstellen. Dass der Gesetzgeber zwei Gegenstände, die in anderen Tatbeständen unterschiedliche Rechtsgüter darstellen und deshalb im Prinzip selbstständig bewertet werden sollen, in einer disjunktiv gefassten Vorschrift als Alternativen gleichrangig regelt, ist gleichzeitig eine Gleichbehandlung dieser Gegenstände. Für die Frage, ob eine solche Behauptung der Gleichheit dieser Alternativen zulässig ist, kommt es auf den Gleichheitsgrundsatz an. Jedoch besagt der Gleichheitsgrundsatz nur, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend verschieden zu behandeln ist, aber nicht, was „wesentlich“ gleich bzw. ungleich ist212. Ob die Frau dem Mann, der Bär dem Hund, das Flugzeug dem Schiff ähnlich oder unähnlich ist, lässt sich logisch nicht ausmachen; maßgebend ist vielmehr der Aspekt, unter welchem die betroffenen Gegenstände verglichen werden sollen213. Demzufolge soll eine Koordination mehrerer Gegenstände, die unterschiedliche Rechtsgüter verkörpern, nach dem Gleichheitsprinzip auch dann als zulässig angesehen werden, wenn der Unterschied zwischen den beiden Gegenständen in der sie enthaltenden, disjunktiv gefassten Vorschrift nicht mehr als wesentlich anzusehen ist. Erst wenn der Gesetzgeber oder der Auslegende keinen Anhaltspunkt für die Unwesentlichkeit der Unterschiede finden kann, steht diese Koordination dem Gleichheitsprinzip unwiderruflich entgegen, weswegen die Vermutung für einen einheitlichen Tatbestand endgültig widerlegt werden muss. Danach muss diese alternativ gefasste Vorschrift als eine rein formelle Kombination mehrerer Tatbestände aufgefasst werden. Sonst würde es zu Wertungswidersprüchen führen, da der Gesetzgeber aus dem selbst statuierten System ausbricht214.

c) Un- bzw. Wesentlichkeit – aus der Sicht des Handlungsund des Erfolgsunrechts Um die für die Gleichbehandlung maßgebliche Perspektive zu finden, muss man auf die Natur des Straftatbestands, nämlich die Unrechtstypen, zurückgreifen. Nach einhelliger Meinung lassen sich alle Straftatbestände auf den Schutz eines s. dazu Arthur Kaufmann, Rechtsphilosophie, 1997, 10 / 11. Arthur Kaufmann, Analogie, 1982, S. 36. 214 Der Gleichheitsgrundsatz hat also zwei Dimensionen: Differenzierungsverbot und -gebot, vgl. dazu Vogel, Methodik, 1998, S. 205. 212 213

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oder mehrerer Rechtsgüter zurückführen215. Jede im Tatbestand formulierte Zustandsveränderung stellt eine bestimmte Angriffsrichtung dar216. Der Gesetzgeber fasst eine Gruppe von Lebenssachverhalten gerade deshalb zu einem Tatbestand zusammen, weil diese Sachverhalte sich unter einem als „wesentlich“ anzusehenden Gesichtspunkt (etwa einer spezifischen Interessenlage oder der Angriffsrichtung gegen ein bestimmtes Gut) als „gleich“ erweisen217. Jedoch darf der Gesetzgeber nicht alle Rechtsgüter unter einen umfassenden, lückenlosen Schutz stellen. Denn dadurch, dass das Strafrecht Rechtsgüter durch die Kriminalisierung von bestimmten Verhaltensweisen vor möglichen Angriffen schützt, wird auch die Handlungsfreiheit der Bürger eingeschränkt. Deswegen muss der Gesetzgeber die kollidierenden Interessen abwägen und eine angemessene Grenze ziehen, um einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vermeiden218. Grob gesagt, je höher der Wert eines Rechtsguts veranschlagt wird, um so eher ist es gerechtfertigt, zur Bejahung der Strafwürdigkeit der das Gut verletzenden (oder gefährdenden) Verhaltensweisen zu kommen219, und desto größer darf die Extension der Verbotsnorm sein. Nur wenige Rechtsgüter sind – etwa Leben und Körperintegrität – wegen ihres besonders hohen Wertes gegen jede Art von Angriffen durch Strafandrohung geschützt. Für die Tatbestandserfüllung dieser Delikte (sog. verhaltensungebundene Delikte oder Erfolgsdelikte ohne nähere Handlungsbeschreibungen) kommt es nicht auf die Art und Weise der Erfolgsverwirklichung an220. Demgegenüber gewährt das Strafrecht den meisten Rechtsgütern nur Schutz vor bestimmten Arten des Angriffs, die das gesteigerte Schutzbedürfnis der Gemeinschaft auslösen, weil sonst die Handlungsfreiheit des einzelnen in unerträglicher Weise eingeengt würde221. Diesen Zweck hat der Gesetzgeber dadurch erreicht, dass er dem Tatbestand zusätzliche Formulierungseinheiten (Tatbestandsmerkmale) beifügt. Hieraus kann man schließen, dass einige im Tatbestand stehende Einheiten nichts mit dem Bestimmen der Schutzrichtung dieses Tatbestandes zu tun haben. Sie werden also nur zur Verengung des Anwendungsbereichs hineingeschrieben, ohne dass die Schutzrichtung bzw. Angriffsrichtung dadurch geändert würde. Beziehen sich diejenigen Alternativen, die sonst selbstständig und verschieden zu bewerten sind, lediglich auf diesen Teil, dann führt ihre Gleichbehandlung nicht zu einem Wertungswiderspruch, weil der eigentliche Unterschied zwischen Insofern ist es unumstritten, vgl. nur Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 7 f. In diesem Text soll die Angriffsrichtung einer Handlung als die Kehrseite der Schutzrichtung des betroffenen Tatbestandes aufgefasst werden. 217 Vgl. Arthur Kaufmann, Analogie, 1982, S. 42. 218 Vgl. näher Günther, JuS 1978, S. 10 f., 13 f. 219 s. Günther, a. a. O., S. 13. 220 Im Gegensatz dazu hat Eser angedeutet, dass dieses Präzisierungs- bzw. Konkretisierungsgebot umso größer sei, je schwerer die angedrohte Strafe sei (Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 20). Richtig ist seine andere Darstellung (a. a. O., Rn. 21), dass „zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter auch ein größerer Spielraum notwendig und zulässig sein kann“. Jedoch steht dies der oben erwähnten Aussage entgegen. 221 Vgl. Jescheck, Studium generale, 1959, S. 111; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 51. 215 216

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diesen Alternativen in dieser Vorschrift nicht mehr wesentlich ist. Dass die einschlägigen Tatbestandsalternativen ansonsten unterschiedliche Angriffsrichtungen verkörpern und gesondert bewertet werden, besagt m. a. W. nur, dass die beiden Angriffsrichtungen den anderen nicht gleichgestellt werden dürfen. Die Selbstständigkeit der Alternativen kann aber mit der Gleichbehandlung von ihnen dort vereinbar sein, wo diese Tatbestandsalternativen in der sie enthaltenden, disjunktiv gefassten Vorschrift die eigentlichen Angriffsrichtungen nicht mehr darstellen, sondern nur den Beschränkungen einer neuen, anderen Angriffsrichtung dienen. Denn ein Wertungswiderspruch entsteht nur dann, wenn zwei bzw. mehrere eigentlich selbstständige, verschieden bewertete Angriffsrichtungen anderwärts nachträglich als ein und dieselbe Angriffsrichtung angesehen werden. Fügt der Gesetzgeber dagegen dem neuen Strafgesetz diese Alternativen hinzu, um seine Angriffsrichtung zu beschreiben, dann wird der Unterschied zwischen beiden verschiedenen Angriffsrichtungen in der neuen, disjunktiv gefassten Vorschrift beibehalten, weshalb diese Vorschrift mehrere unterschiedliche Angriffsrichtungen besitzt, für deren Heterogenität sich der Gesetzgeber wo anders schon entschieden hat. In einer solchen Konstellation darf man sich nicht mehr dafür aussprechen, dass diese unterschiedlichen Angriffsrichtungen hier wiederum dieselbe werden sollten. Dies hängt mit der Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs eng zusammen. Nach h. M. besteht Unrecht aus Handlungs- und Erfolgsunrecht222. Das Handlungsunrecht einer Straftat liegt in der das Angriffsobjekt gefährdenden Handlung und setzt sich sowohl aus den äußeren Modalitäten des Verhaltens des Täters, nämlich aus der bestimmten Art und Intensität des Angriffs auf das Handlungsobjekt (tatbezogener Handlungsunwert), als auch aus Umständen zusammen, die in der Person des Täters liegen (täterbezogener oder personaler Handlungsunwert)223. In der Verletzung oder konkreten Gefährdung eines Handlungsobjekts, das die Strafvorschrift als äußere Erscheinungsform oder Träger des geschützten Rechtsguts sichern will, liegt demgegenüber das Erfolgsunrecht224. Zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht besteht eine innere Abhängigkeit: Der Handlungsunwert beruht auf dem in der intendierten Rechtsgutsverletzung liegenden Erfolgsunwert225. Da das Handlungsunrecht immer auf das Erfolgsunrecht bezogen sein Zusammenfassend: Ebert / Kühl, Jura 1981, S. 225 ff. So ist jedenfalls die h. M.; vgl. z. B. LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 11; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 8, 51, 240; Roxin, AT, 10 / 88 ff., 101; Wessels / Beulke, AT, Rn. 15 f.; Stratenwerth / Kuhlen, AT / 1, 8 / 60; Stratenwerth, FS-Schaffstein, S. 176 ff.; Ebert, AT, 2001, S. 30; Günther, JuS 1978, S. 13 bei Anm. 68; Gallas, FS-Bockelmann, 1979, S. 155 ff.; Ebert / Kühl, Jura 1981, S. 236; Bloy, JuS 1988, L 25 ff. Die Existenz objektiven Handlungsunrechts ist aber nicht unumstritten. Manche sprechen sich zwar auch dafür aus, sie verstehen aber den Handlungsunwert als Intensionsunwert, also rein Subjektives, so z. B. Samson, Strafrecht I, S. 124, 166. Nach ihnen sollen alle objektiven Bestandteile mit zum Erfolgsunrecht gehören (krit. dazu Stratenwerth, FS-Schaffstein, S. 178 bei Anm. 9; Gallas, FS-Bockelmann, S. 161). 224 Jescheck / Weigend, AT, 1996, S. 8; LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 11. 225 Vgl. dazu Schönke / Schröder / Lenckner, StGB, Vor § 13 ff. Rn. 60. 222 223

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muss, kann es deswegen keine Unrechtshandlung geben, deren Unrecht nicht auf ein Rechtsgut bezogen wäre. Demzufolge kann man wohl sagen: Ohne Erfolgsunwert, auf den die Handlung gerichtet ist, ist auch der Handlungsunwert unmöglich, weshalb das Erfolgsunrecht fundamentale Bedeutung bei der Feststellung der Angriffsrichtung besitzt226. Es wurde bereits oben festgestellt, dass die Wesentlichkeit des Unterschieds zwischen den andernorts selbstständig bewerteten Merkmalen davon abhängt, ob die Angriffsrichtung dieses Tatbestandes auch von ihnen beeinflusst wird. Wenn man das Ergebnis unter dem Aspekt der Struktur des Unrechts betrachtet, kommt man zu dem Schluss: Ob sich die anderwärts selbstständig bewerteten Alternativen auf die Beschreibung des Erfolgsunrechts beziehen, oder nur auf die Beschreibung des Handlungsunrechts, ist maßgebend dafür, ob die Vermutung für einen einheitlichen Tatbestand widerlegt werden soll227. Damit lässt sich die folgende in der Literatur sehr verbreitete These erklären: Bei der Koordination der Begehungsweisen oder der Modalitäten ist eine einfache Tatbestandsverwirklichung beim Zusammentreffen dieser Alternativen anzunehmen228. Wegen der zweiten Grenze, die sich aus dem Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit strafrechtlichem Unrecht ergibt, sind die Alternativen nicht als eine Einheit anzusehen, auch wenn sie sich auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen. Es kommt freilich nicht häufig vor, dass der Gesetzgeber mehrere Alternativen, deren Selbstständigkeit sich aus anderen Tatbeständen ergibt, in derselben Vorschrift zusammenfasst. Der Straftatenkatalog mag hierzu ein gutes Beispiel sein: In einigen Strafvorschriften werden Paragrafen anderer Straftaten direkt als Tatbestandsalternativen aufgezählt, z. B. in §§ 129a Abs. 1 (Bildung terroristischer Vereinigungen) und 138 Abs. 1 (Nichtanzeige geplanter Straftaten)229. Zum einen beziehen sich diese Katalogtaten auf dieselbe Formulierungseinheit, weswegen eine Vermutung für das Gegebensein eines disjunktiv formulierten Tatbestandsmerkmals vorliegt. Zum anderen muss man hier sorgfältig prüfen, ob diese Vermutung zu widerlegen 226 Im Ergebnis ähnlich: Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 388 ff. (die Abhängigkeit des Handlungsunwertes vom Erfolgsunwert); Günther, Verurteilungen, 1976, S. 244 ff. 227 Zu beachten ist jedoch, dass der Ausdruck „Erfolgsunrecht“ hier nicht zu eng zu verstehen ist: Dazu gehört nicht nur der tatbestandsmäßigen Erfolg i. S. einer Verletzung oder konkreten Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts. Vielmehr gibt es neben diesem Erfolgsunrecht i. e. S. einen „Erfolg“ in dem hier gemeinten untechnischen Sinn in Gestalt eines wertwidrigen äußeren Sachverhalts auch bei schlichten Tätigkeitsdelikten (so z. B. Schönke / Schröder / Lenckner, StGB, Vor § 13 ff. Rn. 57; a.A. etwa Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 240). Da das Erfolgsunrecht in diesem Sinne nicht ganz unbestritten ist, werden wir im Folgenden stattdessen nur den Ausdruck „Angriffsrichtung“ verwenden, die bei allen Deliktstypen, nämlich auch bei abstrakten Gefährdungsdelikten bzw. schlichten Tätigkeitsdelikten, gegeben ist. 228 Aber ohne nähere Begründungen anzuführen; z. B. Geerds, BA 1965, S. 125 ff.; ders., Konkurrenz, 1961, S. 160 f.; Schönke / Schröder / Stree, StGB, § 52 Rn. 28; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 38. 229 In § 261 Abs. 1 (Geldwäsche) werden Katalogtaten aufgezählt und zusammengefasst. Dieser Katalog soll jedoch als Hilfsnorm für den Begriff der „rechtswidrigen Tat“ begriffen werden und genauso wie die Regelbeispiele behandelt werden; vgl. dazu o. A. I. 3. d).

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

ist, weil diese Alternativen (Paragrafen) unterschiedliche selbstständige Straftaten darstellen. Bei der Prüfung ist die extreme Akzessorietät von Tatbestandsinterpretationen des BT hervorzuheben. Es kommt hier also immer darauf an, was die Angriffsrichtung der einzelnen Strafvorschrift ist bzw. welches Rechtsgut die einschlägige Vorschrift schützt: Die Zusammenfassung mehrerer Paragrafen als Alternativen führt z. B. in § 129a Abs. 1 nicht zur Entkräftung der Vermutung für das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals. Denn bei abstrakten Gefährdungsdelikten wird versucht, die Weite der Rechtsgüter durch die Bildung engerer „Zwischenrechtsgüter“, z. B. das Vertrauen in das Funktionieren bestimmter Institutionen, einzuengen230. Nach h. M. sind Abs. 1 und 3 des § 129a Qualifikationstatbestände zu § 129, der die öffentliche Sicherheit und die staatliche Ordnung schützt231. Gegenüber diesen Zwischenrechtsgütern treten die ursprünglichen Verschiedenheiten zwischen Katalogtaten zurück, weshalb eine Gleichbehandlung dieser Katalogtaten mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. Demgegenüber scheint die Antwort auf die Frage, ob die ursprüngliche Verschiedenheit zwischen Katalogtaten auch in § 138 wesentlich ist, anders zu sein. Sicher ist zunächst, dass die Antwort ebenfalls vom Schutzgut des § 138 abhängt. Nach h. M. werden die durch Katalogtaten angegriffenen Rechtsgüter hier geschützt232. Wenn § 138 nicht dem Schutz eines Universalrechtsgutes (etwa die staatliche Rechtspflege, eine effektive staatliche Gefahrenprävention oder Strafverfolgung) dienen soll, können diese Alternativen nicht mehr als eine Einheit behandelt werden, weil sie unterschiedliche Angriffsrichtungen des § 138 darstellen. Sie sind ungleichwertig bzw. nur scheinbar gleichrangig in Abs. 1 miteinander verbunden; das Nichtanzeigen verschiedener Katalogtaten muss danach eben unterschiedlich schwere Bestrafungen auslösen: Die der Nichtanzeige eines Mordes muss schwerer sein als die Bestrafung der Nichtanzeige eines Raubes, solange die durch Katalogtaten angegriffenen Rechtsgüter – Schroeder, ZStW-Beiheft 1982, S. 8. s. Tröndle / Fischer, StGB, § 129 Rn. 2, § 129a Rn. 2; Schönke / Schröder / Lenckner, StGB, § 129 Rn. 1; Lackner / Kühl, StGB, § 129 Rn. 1; Arzt / Weber, BT, 44 / 11 und wohl auch Otto, BT, 90 / 4 (die staatliche Zwangsgewalt). Dagegen betont Rudolphi hier den „Vorfeldschutz der in den Tatbeständen des BT geschützten Rechtsgüter“ (ders., in: SK-StGB, § 129 Rn. 2). 232 Vgl. dazu LK-Hanack, § 138 Rn. 3 f.; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 138 Rn. 1; Rudolphi, in: SK-StGB, § 138 Rn. 2; Lackner / Kühl, StGB, § 138 Rn. 1; Joecks, StGB, § 138 Rn. 1, 5; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 98 / 6; Kindhäuser, BT / 1, 54 / 1; Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, 1985, S. 11. Nach diesen geht es nicht um Verbrechensaufklärung, sondern um Prävention. § 138 will verhindern, dass der durch die anzeigepflichtige Straftat drohende Erfolg eintritt. Die Gegenansicht spricht sich für eine doppelte Schutzrichtung aus, wonach § 138 nicht nur den Rechtsgütern der Opfer der Katalogtat schützt, sondern auch die staatliche Rechtspflege bzw. eine effektive staatliche Gefahrenprävention und die Strafverfolgung gewährleistet (etwa Bockelmann, BT / 3, 1980, S. 70 f.; Blei, BT, 1983, S. 437; Tröndle / Fischer, § 138 Rn. 1; Ostendorf, in: AK-StGB, §§ 138, 139 Rn. 3; Gössel / Döllig, BT / 1, 58 / 1; Krey, BT / 1, Rn. 635; Rengier, BT / 2, 52 / 1; Haft, BT / 2, 2005, S. 33; ähnlich: Arzt / Weber, BT, 46 / 1 ff.). Früher wurde auch vertreten, dass das Rechtsgut allein die Rechtspflege sei (vgl. Maurach, BT, 5. Aufl., 1969, S. 721; Welzel, Lb, 1969, S. 516; s. Kritik dazu Schroeder, a. a. O., S. 10. 230 231

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hier: das Leben einerseits und die Freiheit und das Eigentum andererseits – Schutzgüter des § 138 sind. Deshalb stellen diese Katalogtaten jeweils ein Tatbestandsmerkmal dar, weswegen § 138 Abs. 1 als eine rein legislativ-technische Zusammenfassung mehrerer Tatbestände angesehen werden muss233. Über Katalogtaten hinaus sind noch andere Beispiele im BT zu finden, in denen Alternativen unterschiedliche Angriffsrichtungen verkörpern. Die Beschreibung des konkreten Gefährdungserfolgs „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert“ ist auch ein Beispiel dafür. Hier spielt das Ergebnis der Tatbestandsinterpretationen im BT ebenfalls die entscheidende Rolle. Bezüglich § 315c versuchen die Rechtsprechung und teilweise auch die Wissenschaft, den Tatbeständen das Rechtsgut der „allgemeinen Sicherheit“ überzustülpen234; die konkreten Gefährdungsdelikte haben insoweit ihre spezifische Schutzrichtung verloren und sind zu allgemeinen Gefährdungen des einzelnen geworden235. Folgt man dieser Meinung, dann stellen die beiden Alternativen – die Gefährdung des Menschen und der Sache – in § 315c nicht mehr die Angriffsrichtungen dar und lassen sich stattdessen als ein disjunktiv beschriebenes Tatbestandsmerkmal begreifen. Bei der Betonung des Schutzes des individuellen Rechtsguts (Leib und Leben des Menschen einerseits und Eigentum andererseits) dürfen die Alternativen dagegen nicht mehr als ein Merkmal behandelt werden, dementsprechend ist § 315c als eine Zusammenfassung zweier selbstständiger Tatbestände236 anzusehen. Dadurch kann man auch erklären, warum die Annahme der Idealkonkurrenz zwischen §§ 312 und 313 a. F. allgemein in der Literatur anerkannt ist, wenn der Täter die beiden Tatbestände durch dieselbe Handlung verwirklicht237.

VII. Würdigung der anderen Lösungsansätze Oben wurde ein vollständiges Kriterium herausgearbeitet, nach dem man feststellen kann, wann die Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind und wann nicht. Im Folgenden wenden wir uns anderen Lösungsvorschlägen zu und vergleichen sie mit den hier vertretenen Thesen. In der Literatur sind drei Hauptlösungsansätze zu finden. Nach der ersten Auffassung stellt jede Tatbestandsalternative eine selbstständige Handlungsbeschreibung dar, hinter jeder Alternative steht – mit dem Wort Bindings – stets eine eigene Norm, weshalb Das Gleiche gilt ebenfalls für §§ 163, 176b, 227 Abs. 1, 251, 306c. Zur Zusammenfassung unterschiedlichen Lehrmeinungen, vgl. u. 2. Teil A. Fn. 88, 91, 95 m. w. N. 235 Schroeder, ZStW-Beiheft 1982, S. 7. 236 Aber nicht drei Tatbestände, weil Leib und Leben zueinander – nach der Einheitstheorie – im Einschlussverhältnis stehen. 237 LK- Wolff, § 313 Rn. 4; Tröndle, StGB, 48. Aufl., 1997, § 313 Rn. 3; Horn, in: SKStGB, 5. Aufl. 1995, § 312 Rn. 11 und § 313 Rn. 3; Schönke / Schröder / Cramer, StGB, 25. Aufl., 1997, § 313 Rn. 5. 233 234

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jede Tatbestandsalternative immer als ein Tatbestandsmerkmal zu qualifizieren ist. Dies ist sozusagen eine absolute Durchsetzung des oben bei I. erwähnten Modells 1. Im Gegensatz dazu halten einige Autoren sich streng an Modell 3, nämlich daran, dass Alternativen stets zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden. Gegenüber den beiden „monistischen“ Lösungsansätzen geht die jetzige herrschende Meinung davon aus, dass die Frage, ob Tatbestandsalternativen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind, nicht einheitlich gelöst werden kann, sondern vom materiellen Inhalt der einschlägigen Alternativen abhängen soll. Angesichts der Vielfältigkeit der Alternativen lässt sich die Unhaltbarkeit der beiden monistischen Positionen leicht erkennen238, weshalb folgend nur auf die materiellen Ansätze abgestellt wird.

1. Lehre vom Mischgesetz – Dichotomie der alternativen und kumulativen Mischgesetze Der Terminus vom Mischgesetz (Mischtatbestand od. Mischdelikt), der ursprünglich von Binding stammt, wurde in der deutschen Strafwissenschaft239 weit verbreitet und ist heutzutage noch in der österreichischen strafrechtlichen Literatur allgemein anerkannt240. Nach dieser Lehre sind „Mischgesetze“ „solche strafrechtlichen Gesetzesstellen, deren Tatbestände aus mehreren Gliedern bestehen, und bei denen die angedrohte Strafe eintreten soll, wenn auch nur eines der Glieder ihrer Tatbestände verwirklicht ist“241. Heutzutage werden Mischgesetze in Deutschland überwiegend Tatbestandsalternativen genannt. Ursprünglich hat Binding das Mischgesetz als eine rein technische, formelle Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände angesehen. Dies geschah auf Grundlage seiner Normentheorie, die ihn hinter jeder Tatbestandsalternative eine eigene Norm sehen ließ242, weshalb das Mischgesetz nicht mehr weiter differenziert, sondern stets gleich behandelt werden müsse. Demgegenüber haben andere Autoren diesen Ausdruck „Mischgesetz“ zwar übernommen, sind jedoch teilweise von der These Bindings abgewichen. Nach Wertheimer und A. Köhler lassen sich Mischtatbestände in zwei 238 Über ihre Unhaltbarkeit werden wir bei der Behandlung der einzelnen Problematik näher diskutieren; s. u. 2. Teil A. III. 1.; B. II.; C. II. 1. 239 Vgl. dazu Binding, Handbuch, I, 1885, S. 547 f., 560 f.; ders., Normen I, 1922, S. 204 ff., 208; Wertheimer, Mischgesetze, S. 1 ff.; A. Köhler, AT, 1917, S. 182 ff.; M. E. Mayer, AT, 1923, S. 123 f.; Beling, Grundzüge, 1930, S. 22; v. Liszt / Schmidt, Lb, Bd / 1, 1932, S. 180 bei Anm. 5; Mezger, Lb, 1949, S. 195 f.; A. Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 20 ff., 37 ff.; Günther, Verurteilungen, 1976, S. 273; Küpper, NStZ 1986, S. 250 ff.; Blei, AT, 1983, S. 86; Maurach / Zipf, AT / 1, 20 / 37; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 8 / 98. 240 Vgl. dazu WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69; Kienapfel / Höpfel, AT, Z 9 / 39 ff.; Triffterer, AT., 3 / 72 f., 19 / 73; Fuchs, AT / 1, 10 / 56; Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, 58 f., 77 f. m. w. H. 241 Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 1. 242 Binding, Normen I, 1922, S. 205 ff.; ders., Normen II / 2, 1916, S. 931 ff.

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Gruppen, nämlich in alternative bzw. unselbstständige einerseits und in kumulative bzw. selbstständige Mischgesetze andererseits einteilen: Ein alternatives Mischgesetz sei wie ein einfacher Tatbestand zu würdigen, während ein kumulatives mehrere getrennte Tatbestände darstelle243. Ein alternatives Mischgesetz liege dann vor, wenn eine Vorschrift mehrere rechtlich sinngleiche, vom Unrechtsgehalt her vollkommen gleichwertige Alternativen in sich vereinige244. Dass seine alternativen Glieder rechtlich gleichwertig seien und ihnen eine eigene Selbstständigkeit fehle, führe dazu, dass bei einer Rechtsanwendung (Verurteilung) offen bleiben könne, welchem dieser Teilbegriffe (Alternativen) der Sachverhalt entspreche245. Sie seien insofern nur „mehrere Spielarten eines Falles“246. Demgegenüber liege ein kumulatives Mischgesetz dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere verschiedene Verhaltensweisen bzw. Delikte aneinandergereiht habe, die miteinander nicht vertauschbar und daher auch im Prozess nicht alternativ feststellbar seien247. Diese selbstständigen Delikte seien lediglich gesetzestechnisch bedingt in derselben Vorschrift zusammengefasst248. Der Unwertgehalt dieser zusammengefassten Delikte mag gleich hoch bzw. schwer sein, aber ihre soziale Bedeutung sei unterschiedlich249, weshalb man im Urteil genau angeben müsse, welche Alternative erfüllt sei. Schaffung kumulativer Mischgesetze wird deshalb in der Literatur für legislativ verfehlt gehalten250. Wenn der Richter bei solchen Mischgesetzen falsch subsumiere, sei das mit einem Rechtsmittel anfechtbar und müsse vom Rechtsmittelgericht korrigiert werden. Sonst bliebe der Verurteilte mit einem sozialen Makel behaftet, der ihn nicht richtig kennzeichne und den er insofern nicht verdiene251. Darüber hinaus spielt die Unterscheidung nach dieser Lehre auch bei den Konkurrenzen eine Rolle252. Beim kumulativen Mischgesetz treten die verschiede243 Vgl. dazu Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 3 ff.; A. Köhler, AT, 1917, S. 182 ff.; ihnen folgen die meisten Autoren, die den Begriff „Mischgesetz“ übernommen haben; z. B. M. E. Mayer, AT, 1923, S. 124: „In den Mischtatbeständen sind zwei (oder mehr) Erfolge nicht kumulativ, sondern kasuistisch, bald alternativ verbunden, d. h. dieselbe Strafdrohung gilt bald für mehrere Fälle, bald für mehrere Spielarten eines Falls. Alternative verbundene Erfolge sind wie ein einfacher Tatbestand zu würdigen, während kasuistisch verbundene getrennte Tatbestände bilden“. 244 Triffterer, AT., 1994, 3 / 72. 245 Vgl. dazu A. Köhler, AT, 1917, S. 182; Mezger, Lb., 1949, S. 195; WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69; Triffterer, AT, 1994, 3 / 72 f., 19 / 73). 246 s. M. E. Mayer, AT, 1923, S. 123 f.; Mezger, Lb., 1949, S. 195. 247 Vgl. dazu Mezger, Lb., 1949, S. 195; WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69; Triffterer, AT, 3 / 72 f., 19 / 73. 248 Denn sie werden nur deshalb in derselben Gesetzesstelle zusammengefasst, weil sie in einem Teil der Merkmale übereinstimmen, oder sogar nur deshalb, weil für sie die gleiche Strafdrohung gelten soll; s. Triffterer, AT, 3 / 73. 249 WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69; ders., ÖRZ 1982, S. 125. 250 So z. B. Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 5, 10, 18, 20 f., 70. 251 Nowakowski, ÖRZ 1982, S. 125. 252 Binding hat bereits darauf hingedeutet, dass „die richtige Erkenntnis der Mischgesetze. . . für die Lehre von der Konkurrenz von Wichtigkeit“ sei (ders., Normen I, S. 209).

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nen Begehungsformen dieser These nach miteinander in Realkonkurrenz, mitunter, sofern eine fortgesetzte Handlung angenommen wird, auch in Idealkonkurrenz253, während die Konkurrenz mehrerer Tatbestände beim alternativen Mischgesetz überhaupt nicht auftritt, weil es nur einen einzigen Tatbestand enthält254. Die allgemeinen Darstellungen der These vom Mischgesetz erweckt auf den ersten Blick den irreführenden Eindruck, als ob es bei der Klassifikation der alternativen und kumulativen Mischgesetze nur auf die Rechtsfolge ankäme255. Dann wäre diese These nichts mehr als eine neue Benennung dieser beiden Gruppen, den unterschiedliche Rechtsfolgen zukommen. Dadurch hebt man also nur die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen den alternativen und kumulativen Mischgesetzen hervor, stellt jedoch kein Kriterium für diese Dichotomie. Bei genauerem Hinsehen lässt sich aber erkennen, dass die Verfechter dieser These doch versuchen, ein Kriterium für die Unterscheidung herauszuarbeiten 256. Die meisten Kriterien kreisen um die Gleichwertigkeit, die die deutsche Wissenschaft bis dato noch beherrscht. Der soziale Sinn- oder Wertgehalt, der häufig in der österreichischen Literatur verwendet wird, besagt schließlich auch nichts anders als die in deutschem Schrifttum betonte Gleichwertigkeit. Daraufhin kann man direkt zum materiellen Kriterium „Gleichwertigkeit“ springen, ohne den überflüssigen Begriff „Mischgesetz“ zu gebrauchen. Auf die Gleichwertigkeit wird unten (3) noch zurückzukommen sein. 2. Vollständigkeitsthese Die sog. Vollständigkeitsthese wurde zweimal in der Literatur aufgestellt, und zwar jeweils in unterschiedlichem Kontext: zum einen bei der Behandlung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Alternativen und zum anderen bei der Behandlung des Irrtums über Alternativen. Im Jahre 1965 wurde diese These von Albrecht Schmidt zum ersten Mal aufgestellt257. Nach ihm sollen mehrere Modalitäten dann Nach ihm liege aber immer eine Mehrheit von Delikten bei der Verwirklichung mehrerer Alternativen vor. 253 Mezger, Lb., 1949, S. 195. 254 Vgl. Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 13 f. 255 Z. B. die Definition bei Baumann / Weber / Mitsch, AT, 8 / 98: „Von kumulativen Mischdelikten spricht man, wenn verschiedene Delikte zu einem Tatbestand zusammengefasst werden“. Darüber hinaus ist eine solche Definition auch deshalb problematisch, weil Alternativen nicht mehr „zu einem Tatbestand“ gehören kann, falls sie „verschiedene Delikte“ darstellen. 256 Etwa: Das praktische Bedürfnis, die Verwandtschaft der Tatbestände, die äußerliche Einheitlichkeit des Paragrafen, die Einheitlichkeit der Strafdrohung, die Gleichwertigkeit der Deliktsmerkmale, die ausdrückliche Gleichachtung, die Gemeinsamkeit der Bezeichnung, die Identität des Rechtsguts, die Gleichheit des Angriffsobjekts, die Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit der Absicht usw. Ein Überblick darüber findet sich bei Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 20 ff., 24 ff., 37 ff. 257 Vgl. dazu A. Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 37 f.

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ein Tatbestandsmerkmal bilden, wenn sie verschiedene Unterbegriffe eines Oberbegriffs darstellen und insoweit „gleichbedeutend“ sind. Dieser Oberbegriff sei das eigentliche Tatbestandsmerkmal, auch wenn er nicht im Gesetzestext erwähnt werde258. Dies setze aber voraus, dass entweder alle Unterbegriffe dieses Oberbegriffs erschöpfend aufgezählt seien oder aber nur einige beispielhaft und die unerwähnten nach dem erkennbaren Willen des Gesetzes auch unter den Tatbestand fallen sollten259. Dann seien die Besonderheiten der einzelnen Unterbegriffe für den Tatbestand bedeutungslos. Bei der Behandlung des Alternativenirrtums hat Schroeder eine ähnliche These vertreten. Nach ihm ist eine Fehlvorstellung über Tatbestandsalternativen nur dann unbeachtlich, „wenn das Gesetz die möglichen Angriffsformen oder Angriffsobjekte offensichtlich erschöpfend oder jedenfalls bis auf unbedeutende Randbereiche erfassen will“260. Bei der erschöpfenden Beschreibung seien die verschiedenen Tatbestandsalternativen also nach dem Willen des Gesetzes nichts anderes als eine erschöpfende Kasuistik einer bestimmten Angriffsform oder einer bestimmten Gattung von Angriffsobjekten; der Gesetzgeber hätte also das tatbestandliche Unrecht ebenso gut durch Verwendung einer alle genannten Alternativen umgreifenden Gattungsbezeichnung beschreiben können261. Deswegen würden auch alle einzelnen Alternativen die gleichen unrechtsrelevanten Merkmale (Gattungsmerkmale) aufweisen. a) Technische Probleme Im Schrifttum ist die Stimme für die Vollständigkeitsthese zwar nicht selten zu sehen; jedoch stößt diese These bereits auf der technischen Ebene auf Schwierigkeiten. Da Schroeder sein Kriterium auf die Angriffsformen und Angriffsobjekte beschränkt262, ist sein Vollständigkeitskriterium von Anfang an schon „unvollständig“, weil Tatbestandsalternativen nicht nur bei Angriffsformen und -objekten, sondern bezüglich aller möglichen Merkmale – etwa für die Beschreibung der Subjektsqualität, der Tatzeit oder der Ortsangabe usw. – in Erscheinung treten263. Darüber hinaus ist es auch erklärungsbedürftig, was das Stichwort „vollständig“ oder „erschöpfend“ überhaupt bedeutet. Sieht man es als ein Synonym von „restlos“ an, 258 Ders., Konkurrenzprobleme, 1965, S. 38, 43, 44 ff.; ähnlich Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 47. 259 A. Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 38 bei Anm. 181. 260 Schroeder, GA 1979, S. 325, 327; ders, in: LK-StGB, § 16 Rn. 4; so auch Rudolphi, in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, 1992, S. 103. Ihnen insoweit folgend: Lackner / Kühl, StGB, § 16 Rn. 4; Roxin, AT / 1, 12 / 123; Kindhäuser, AT, 27 / 34; Warda, FSStree / Wessels, 1993, S. 282 f.; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 154, 158 f., 167 f. 261 Rudolphi in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d. 262 In der Literatur werden Tatbestandsalternativen oft nur auf die Fälle der Tatmodalitäten und Erfolge eingeschränkt; z. B. „Delikte mit kasuistisch und mit alternativ verbundenen Erfolgen“ (M. E. Mayer, AT, 1923, S. 123) oder „verschiedene zur Wahl gestellte Tatmodalität oder Erfolge“ (Maurach / Zipf, AT / 1, 20 / 37). 263 s. auch o. 1. Teil A. I. 3.

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dann bedeutet eine erschöpfende Beschreibung, dass der Gesetzgeber alle möglichen Gegenstände aufgezählt hat. Aber ohne zu wissen, um welchen Gattungsbegriff es geht, lässt sich die Frage, ob alle möglichen Gegenstände vollständig aufgezählt sind, logischerweise nicht beantworten264. Auch wenn man einen solchen Gattungsbegriff gefunden hat, wird das technische Problem immer noch nicht ganz ausgeräumt. Es muss also geklärt werden, wie man feststellen kann, ob alle möglichen Fälle von einem bestimmten Gattungsbegriff restlos erfasst werden. Eine echt vollständige Induktion, dass alle Exemplare (alle möglichen Fälle eines Begriffes) beobachtet sind, kommt in der Wirklichkeit nicht vor und kann nur in der Mathematik bzw. Logik vorliegen265. Rein logisch gesehen können Alternativen derselben Formulierungseinheit nur dann vollständig aufgezählt sein, wenn sie sich semantisch gegenseitig ausschließen. Dass Alternativen sich wirklich gegenseitig ausschließen und somit vollständig sind, besagt ja, dass man dieser Dimension gar keine Einschränkung bezüglich der Begründung des Unrechts hinzufügt. Sind Alternativen z. B. bezüglich der Angriffsformen wirklich vollständig aufgezählt, muss die sie enthaltende Vorschrift zwangsläufig zu Erfolgsdelikten ohne nähere Handlungsbeschreibung gehören. Solange die Tatmodalität dagegen bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit doch eine Rolle spielt, nämlich überhaupt die sog. Filterfunktion hat, zielt diese Vorschrift nur auf einige bestimmte Angriffsformen ab, weswegen diese Alternativen eben nicht als eine vollständige Aufzählung aller möglichen Angriffsformen anzusehen sind266. Die Vollständigkeit in diesem Sinne kommt also nur bei kontradiktorisch gefassten Tatbestandsalternativen267 vor, z. B. bei den Alternativen „im Inland oder Ausland“ oder bei den beiden des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 Abs. 1. Bei kollektiv gefassten Alternativen kann dagegen keine „erschöpfende“ Aufzählung im logischen Sinne vorliegen. Darauf wollen die Befürworter dieser These die „Vollständigkeit“ offensichtlich nicht beschränken. Schroeder will z. B. auch von einer mehr oder weniger normativen bzw. erfahrungsbedingten Betrachtungsweise ausgehen: In § 315c ist die Aufzählung der Gefährdungsobjekte zwar 264 Darauf hat Puppe auch mit Recht hingewiesen: Der Ausdruck „die möglichen Angriffsformen und -objekte“ hat aber erst dann einen Sinn, wenn man diese möglichen Gegenstände anderweitig begrifflich bestimmt hat. Ohne eine solche begriffliche Begrenzung kann auch nicht sinnvoll von erschöpfender oder annähernd erschöpfender Erfassung von Angriffsformen oder Angriffsobjekten die Rede sein. Schroeders Kriterium ist also nur scheinbar allgemein. Es wird erst dann sinnvoll, wenn man zuerst einen allgemeinen Begriff gefunden hat, der alle Alternativen erfasst und als Bestimmung der „möglichen“ Tatbestandsalternativen des Rechtsguts des Tatbestandes akzeptabel ist. Gelingt es, einen solchen Ausdruck zu finden, so ist das sicherlich eine akzeptable Methode, zu begründen, dass Irrtümer innerhalb der alternativ im Tatbestand aufgeführten Unterbegriffe dieses allgemeinen Begriffs unbeachtlich sind (dies., in: NK-StGB, § 16 Rn. 133). 265 Vgl. dazu Arthur Kaufmann, FS-Müller-Dietz, S. 364; auch ders., Rechtsphilosophie, 6 / 33. 266 Anders als Schroeder betont Rudolphi einen „bestimmten“ Angriff oder ein „bestimmtes“ Angriffsobjekt (ders., in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d). 267 Vgl. dazu o. B. II. 2.

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nicht logisch vollständig, aber doch erfahrungsgemäß erschöpfend, weil mögliche gefährdete Gegenstände im Straßenverkehr nichts mehr als Menschen und Sachen sein können268. Jedoch kann ein so stark von Erfahrungen abhängiges Kriterium wenig Abgrenzungssicherheit gewährleisten. Bezüglich § 315 wäre das gegenteilige Resultat nach Kuhlen mit dem Vollständigkeitskriterium ebenso gut verträglich269. Da ist es freilich kein Wunder, dass das Problem oft gerade in der Feststellung besteht, ob ein erschöpfender Schutz gewollt ist270.

b) Zusammenhang zwischen Vollständigkeit, Billigkeit und normativer Relevanz? Während Schroeder sich auf die Billigkeitsaspekte zur Begründung seiner Vollständigkeitsthese beruft271, sieht Kuhlen insofern keinen normativen Zusammenhang: Die Verkennung einer Alternative – ob sie wegen der Ausgestaltung des Tatbestandes zwangsläufig zur Annahme einer anderen führt oder nicht – hat für Kuhlen völlig neutralen Charakter und ist damit normativ irrelevant. Warum bei der nahezu erschöpfenden Beschreibung schon das Wissen eines dem Gesetz unbekannten Gattungsbegriffs ausreichen solle, sei allein mit Berufung auf die „Unbilligkeit“ noch nicht begründet272. Zunächst besteht kein Zweifel, dass die Billigkeit an sich als juristisches Argument durchaus zu vage und zu schwach ist. Diskutabel ist dennoch, ob das Vollständigkeitskriterium wirklich – wie Kuhlen kritisiert – normativ irrelevant ist. Das Strafrecht soll Rechtsgüter vor Verletzungen schützen. Strafrechtliche Tatbestände stellen aber gleichzeitig auch eine Einschränkung der Freiheit des Einzelnen dar. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann der strafrechtliche Gesetzgeber nicht jedem Rechtsgut unbeschränkten Schutz gewähren. Er muss vielmehr zwischen dem geschützten Gut und der möglichen Behinderung der Handlungsfreiheit abwägen, um zu entscheiden, wie er Rechtsgüter angemessen durch Strafrecht schützen kann. Im Vergleich zum Schutz wichtigerer Güter (z. B. des Lebens) soll der Umfang der Kriminalisierung bzw. der Strafbarkeit für geringwertigere Güter (z. B. für das Vermögen) kleiner sein. Um eine unverhältnismäßige Kriminalisierung zu vermeiden, müssen dem Tatbestand mehrere Einschränkungen (Tat268 Nach Schroeder wirkt die Umreißung der Gefährdungsobjekte in § 315c „weniger strafbegründend als vielmehr derart, daß Bagatellfälle ausgeschieden werden sollen“ (ders., GA 1979, S. 325). 269 Ders., Irrtum, 1987, S. 511. 270 Krit. dazu auch Schittenhelm, GA 1983, S. 315: Im Falle des § 326 Abs. 1 könnte man sowohl behaupten, dass der Gesetzgeber alle Fälle der (illegalen) gefährlichen Abfallbeseitigung erfassen wollte, als auch, dass nur bestimmte Abfallarten erfasst werden sollte. So auch Rolofs, JA 2003, S. 309. 271 Ders., GA 1979, S. 325. 272 Vgl. Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 510, ebenso Altenhain, Exzeß, 1994, S. 43; Mitsch, GSKeller, S. 176.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

bestandsmerkmale) hinzugefügt werden, und zwar aus unterschiedlichen Dimensionen (Subjekts-, Objektsqualität, Begehungsweise und Erfolg usw.)273. Erfasst das Gesetz alle Möglichkeiten einer bestimmten Dimension – z. B. alle möglichen Begehungsweisen oder alle möglichen Tatobjekte – erschöpfend bzw. vollständig, dann hat der Gesetzgeber bezüglich der Unrechtsbegründung offensichtlich keinen Wert auf diese Dimension gelegt. Damit lässt sich die normative Relevanz der vollständigen Aufzählung begründen. In diesem Fall wird durch die vollständige Aufzählung zum Ausdruck gebracht, dass die Verschiedenheit der Alternativen für die Begründung des Unrechts irrelevant ist. Jedoch trifft dies – wie oben (a) dargestellt wurde – nur auf den Fall der logisch vollständigen Aufzählung zu, auf den sich die Befürworter der Vollständigkeitsthese aber nicht beschränken wollen274. Um die normative Relevanz zu begründen, könnte man ferner auch versuchen, durch vollständige Aufzählung der Alternativen eine Gleichwertigkeit zwischen selbigen zu etablieren, die durchaus normativ relevant ist. Wie oben (a) erwähnt wurde, setzen die Befürworter der Vollständigkeitsthese einen Ober- oder Gattungsbegriff voraus, der alle Alternativen erfasst, und wollen diesen als das eigentliche Tatbestandsmerkmal behandeln. Da innerhalb eines Gattungsbegriffs all seine Artbegriffe gleichwertig sein sollten, seien die Besonderheiten der einzelnen Unterbegriffe für den Tatbestand bedeutungslos bzw. immer gleichwertig. Deshalb wird die vollständige Aufzählung der Alternativen in der Literatur auch als ein wichtiges Indiz für die Gleichwertigkeit der Alternativen angesehen275. Betrifft aber der Hintergedanke der Vollständigkeitsthese wirklich ausschließlich die Gleichwertigkeit der Alternativen, dann ist die vollständige Aufzählung von innerhalb einer Dimension in Betracht kommenden Alternativen als Kriterium für die Bestimmung der normativen Gleichwertigkeit zwischen den Alternativen viel zu starr. Denn es gibt sicher Fälle, in denen nicht alle Alternativen einer Dimension aufgezählt sind, ohne dass dies auf deren Ungleichwertigkeit schließen lassen würde276.

c) Notwendigkeit der Suche nach dem Gattungsbegriff? Davon abgesehen, dass diejenigen, die sich mit einer lockereren, nicht-logischen Vollständigkeit begnügen, die normative Relevanz ihres Kriteriums nicht begründen können, ist auch ihr anderer Ansatzpunkt, nämlich die Suche nach dem Gattungs- bzw. Oberbegriff277, verfehlt. Zunächst wird damit übersehen, dass der GeVgl. näher dazu o. 1. Teil C. IV. 3. Siehe o. a). 275 Etwa Rolofs, JA 2003, S. 309; wohl auch Maurach / Schroeder, BT / 1, 49 / 46. 276 s. dazu Altenhain, Exzeß, 1994, S. 42. 277 Der Gedanke, Alternativen durch einen gemeinsamen Gattungsbegriff zu ersetzen, taucht mitunter auch im BT auf; in § 263 wird z. B. behauptet, die tatbestandlich genannten Handlungen lassen sich ohne eine mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG bedenkliche Sinnveränderung unter dem Oberbegriff der Täuschung zusammenfassen, da sie keine voneinander 273 274

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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setzgeber zugunsten einer erschöpfenden Aufzählung deshalb auf die Verwendung des Gattungsbegriffs verzichtet, weil es ihm auf die Vorstellung der jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Alternativen ankommt und der Gattungsbegriff selbst diese noch nicht umfasst. Ferner dürfte auch schwer fallen, bei dem von Schroeder als Beispiel für eine vollständige Aufzählung der Angriffsobjekte herangezogenen § 315c einen hinreichend bestimmten Gattungsbegriff für die Alternativen „Leib oder Leben eines anderen“ und „fremde Sache von bedeutendem Wert“ zu finden278. Je größer der Unterschied der beiden Begriffe ist, desto abstrakter ist der Oberbegriff; je weiter die Abstraktion eines Oberbegriffs getrieben wird, desto mehr verliert dieser an Inhalt. Es ist nämlich durchaus fragwürdig, ob ein Oberbegriff zwischen „Leib oder Leben eines anderen“ und „fremde Sache von bedeutendem Wert“ als ein sinnvolles Tatbestandsmerkmal anzusehen ist. Darüber hinaus lässt sich auch nicht erkennen, warum ein solcher Gattungsbegriff die Gleichbehandlung derjenigen Alternativen, die unterschiedliche selbstständige Angriffsrichtungen in der sie enthaltenden Vorschrift verkörpern, rechtfertigen kann. Eine Gleichbehandlung dieser Alternativen würde zum Wertungswiderspruch führen279. Die Tatsache, dass es einen Oberbegriff gibt, mit dem die einschlägigen Alternativen umfasst werden können, darf nicht zur Nivellierung dieser unterschiedlichen Angriffsrichtungen führen. Schließlich stellt die Suche nach dem Gattungsbegriff einen unnötigen und teilweise irreführenden Umweg dar. Die Suche nach dem Gattungsbegriff hat unausweichlich zur Folge, dass andere, im Gesetzestext nicht aufgezählte Begriffe mit eingeschlossen werden. Es kommt bei der Bejahung der Vollständigkeit nach Schroeder nicht (nur) auf die Logik an, wobei eine nahezu erschöpfende bzw. vollständige Aufzählung für Bejahung der Vollständigkeit ebenfalls ausreicht. Anhand des Strohfalls280 hat Kuhlen dieses Bedenken hinsichtlich des Irrtums verdeutlicht: Wenn der sich irrende Täter annimmt, ein bestimmter Strohhaufen sei kein Baumaterial, ohne eine andere im selben Text aufgezählte Alternative für erfüllt zu halten, dann ist es auf jeden Fall fragwürdig, ob das Wissen vom „Strohhaufen“ für die Annahme des Vorsatzes hier auch ausreicht281. Unter Berücksichtigung des Gesetzlichkeitsprinzips bzw. Analogieverbots müssen diejenigen, die einen im Gesetzestext unerwähnten Gattungsbegriff als das eigentliche Tatbestandsmerkmal ansehen, immer zusätzliche Einschränkungen aufstellen, um zu vermeiden, dass die Fälle erfasst werden, die eigentlich nicht im Tatbestand geregelt sind282. Dadurch genau abgrenzbaren, sondern sich überlappende Formen von Irreführungen darstellen (s. o. 1. Teil B Fn. 98 m. w. N.). 278 So auch Altenhain, Exzeß, 1994, S. 43. 279 s. dazu o. VI. 280 Zum Strohfall (RGSt 35, 285 ff.) s. u. 2. Teil C. 281 Vgl. Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 515. Allerdings darf diese Konstellation nicht mit dem Alternativenirrtum verwechselt werden. 282 So ausdrücklich z. B. Montenbruck, ZStW 84 (1972), S. 323 ff., 345 sowie A. Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 37 f., 43 und bei Anm. 181 (Unter der Herrschaft des Verbotes

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

sucht man aber letztlich keinen Gattungsbegriff mehr, sondern eher einen disjunktiven Begriff. Da disjunktive Formulierungsweisen logisch allgemein anerkannt sind, ist es überflüssig, zunächst einen Gattungsbegriff zu erfinden und ihn dann auf ausdrücklich aufgezählte Alternativen einschränkt, nur um das Resultat zu bekommen, das sich direkt vom disjunktiven Begriff ableiten lässt. 3. Gleichwertigkeitsthese Im Schrifttum wird vertreten, dass die Alternativen dann als ein Tatbestandsmerkmal behandelt werden sollen, wenn sie miteinander „qualitativ vergleichbar“ oder „gleichwertig“ sind. Ihr Hauptargument ist die Zufälligkeit der Zusammenfassung der Tatbestandsalternativen in derselben Vorschrift: Dass der Gesetzgeber mehrere Alternativen in einer Vorschrift unter einer einheitlichen Strafdrohung zusammengefasst hat, sei eher zufälliger Natur. Die Ansiedlung von Modalitäten in demselben oder in verschiedenen Paragrafen stelle nämlich nur eine Überlegung rein formeller gesetzgeberischer Technik dar, hänge bisweilen von der Willkür ab. Von der legislativen Form solle also keine Sachentscheidung des Gesetzgebers abgeleitet werden können. Maßgebend sei vielmehr der materielle Inhalt, mit dem man beurteilen könne, wann verschiedene Modalitäten noch Bestandteile eines einheitlichen Tatbestandes seien und wann sie bereits selbstständige Tatbestände bilden würden283. a) Ungenauigkeit der Gleichwertigkeit Die Gleichwertigkeitsthese ist bei der Behandlung der Probleme von Tatbestandsalternativen im Schrifttum weit verbreitet284. Schwierigkeiten bestehen jedoch darin, was unter dem vagen Begriff der Gleichwertigkeit bzw. qualitativen Vergleichbarkeit genauer zu verstehen ist. Darauf hat Warda bereits zutreffend hingewiesen: „Offenbar wird dabei davon ausgegangen, daß es trotz der in der Einheitlichkeit der Strafdrohung zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Gleichbeder Analogie zuungunsten des Täters im BT sei dies jedoch – falls der Gattungsbegriff im Gesetz nicht erwähnt sei – nur bei privilegierenden Merkmalen möglich). 283 So z. B. Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 21; Rudolphi, in: SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 28; NK-Frister, nach § 2 Rn. 108 ff.; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 87; Günther, Verurteilungen, 1976, S. 273 ff.; Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 31, 68 f.; Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 102 ff.; Dreyer, Wahlfeststellung, 1999, S. 45; Jakobs, GA 1971, S. 270 f. Dagegen schlägt Tonio Walter vor, nicht auf eine objektive, sondern auf eine subjektive Gleichwertigkeit abzustellen (ders., Lehre vom Irrtum, 2004, 8. Kap. 3. c). Nach ihm entfällt der Vorsatz, wenn den Täter die Erkenntnis oder Voraussicht des wirklichen Geschehens von der Tat abgehalten haben würde. Die Frage, ob den Täter die richtige Erkenntnis oder Voraussicht von seiner Tat abgehalten haben würde, lässt sich jedoch nur nach Belieben des jeweiligen Rechtsanwenders beantworten. Entscheidend fällt ferner ins Gewicht, dass diese Frage eine des Motivs ist, wobei der Motivirrtum strafrechtlich irrelevant ist. 284 Vgl. dazu 2. Teil A. Fn. 66, B. Fn. 72 ff. und C. Fn. 58 m. w. N.

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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wertung aller tatbestandlichen Alternativen mehr oder weniger bedeutsame Qualitätsunterschiede zwischen ihnen gibt. Aber auf welche Qualitäten kommt es an? Welche Eigenschaften machen den – hier wohl gemeinten – spezifischen Unrechtsoder Unwertgehalt der alternativen Verhaltensweisen aus und wann sind diese vergleichbar?“285. Nach dieser These ist der Kernbegriff „Gleichwertigkeit“ erst durch die Interpretation der jeweiligen fraglichen Vorschriften zu ermitteln286. Das ist wohl der Grund, warum die Gleichwertigkeitsthese im Schrifttum so beliebt ist. Man kann einerseits das ganze Problem nach hinten verschieben, braucht also keine feste Entscheidung im AT zu treffen. Andererseits hat man im BT stets eine Regulierungsmöglichkeit nach dem Rechtsgefühl zur Disposition, weil das Kriterium „Gleichwertigkeit“ sehr abstrakt ist und damit unterschiedlich ausgefüllt werden kann. Es lässt sich zwar nicht daran deuteln, dass das Problem der Tatbestandsalternativen mit der Interpretation der einzelnen Vorschriften im BT zusammenhängt287; gleichwohl sollte aus Gründen der Rechtssicherheit bereits im AT ein präziseres Kriterium als es etwa das leicht manipulierbare der Gleichwertigkeit ist, herausgearbeitet werden. b) Verfehlter Ausgangspunkt Auch wenn man sich über die Ungenauigkeit ihres Kriteriums hinwegsetzt, ist die Gleichwertigkeitsthese gleichwohl zurückzuweisen, und zwar schon im Ausgangspunkt, nämlich dass die Alternativen dann zusammen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sein sollen, wenn sie gleichwertig bzw. qualitativ vergleichbar sind. Die Gleichwertigkeitsthese kreist also immer um die Frage, wann die Tatbestandsalternativen als ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln sind. Diese Fragestellung ist jedoch – wie oben in IV. 2. b) schon erwähnt wurde – nicht zutreffend. Man sollte dagegen richtigerweise fragen, ob ein Tatbestandsmerkmal alternativ gefasst wird288. Bei der Feststellung des Tatbestandsmerkmals muss es – unter Berücksichtigung des Gewaltenteilungs- und des Gesetzlichkeitsprinzips – ausschließlich auf den äußerlichen, geschriebenen Gesetzestext ankommen, aber nicht darauf, ob die Alternativen aus der Sicht des Rechtsanwenders gleichwertig oder qualitativ vergleichbar sind. Es ist dem Rechtsanwender verwehrt, die gesetzliche Beschreibung durch Auslegung zu ändern. Fallen Gesetzestext und Bewer285 Warda, FS-Stree / Wessels, S. 283; so auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 577, 580, 590, 613; T. Walter, Lehre vom Irrtum, 2004, 8. Kap. 3. c). Klar ist jedenfalls, dass es hier nicht auf die Strafdrohung ankommen kann. Denn jede einzelne Alternative ist für die Auslösung der in dieser Strafvorschrift vorgesehenen Rechtsfolge immer gleichwertig. Ferner gibt es auch viele Delikte, die zwar mit gleich hoher Strafdrohung belegt werden, aber ganz unterschiedliche Unrechtsgehalte kennzeichnen (Nowakowski, ÖRZ 1982, S. 125 f.); z. B. Diebstahl (§ 242) einerseits und falsche Verdächtigung (§ 164) andererseits. 286 So Geerds, BA 1965, S. 125 f. 287 s. u. 3. b) bb). 288 Dies setzt freilich voraus, dass man den Begriff des Tatbestandsmerkmals zuerst genau bestimmen kann (vgl. dazu o. III. 3).

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

tung des Rechtsanwenders auseinander, bleibt nur die Möglichkeit, eine Gesetzesreform zu betreiben, um die Gestaltung des Gesetzes durch die Legislative zu ändern289. Ferner ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich auch verpflichtet, vorherige verfehlte Gesetze selbst zu korrigieren. Darüber hinaus kann das Ergebnis der Gleichwertigkeitsthese, nämlich dass die Alternativen bei Bejahung ihrer Gleichwertigkeit zusammen ein (disjunktiv gefasstes) Tatbestandsmerkmal bilden sollten, dort schwer begriffen werden, wo die einzelnen Alternativen jeweils bereits eine komplexe Handlungsbeschreibung darstellen und sich insgesamt kaum als ein Merkmal begreifen lassen290. Würden diese Alternativen gesondert in unterschiedlichen Paragrafen geregelt, müsste man in jedem Paragrafen konsequenterweise ebenfalls nur ein Tatbestandsmerkmal annehmen, wodurch der Begriff des Tatbestandsmerkmals seine Bedeutung verlieren würde. Wollte man dies dagegen nicht tun, sondern mehrere Merkmale in jeder Handlungsbeschreibung (Alternative) – wenn sie allein in einem Paragrafen geregelt würde – annehmen, würde der spezielle Begriff des alternativen gleichwertigen Tatbestandsmerkmals nur wegen der Tatbestandsalternativen erfunden werden und wäre nichts weiter als ein leicht manipulierbares Manöver, mit dem man einen erwünschten, intuitiv für angemessen gehaltenen Erfolg erreichen kann. Ein solches Tatbestands-“Merkmal“, das aus gleichwertigen Alternativen besteht, erscheint zwar im Gewand desselben Terminus „Tatbestandsmerkmal“, weicht jedoch ganz von seinem allgemeinen Verständnis ab. Diese rein erfolgsorientierte Vorgehensweise ist sachlich unbegründet und deshalb abzulehnen.

c) Förmlichkeit des Strafgesetzes Art. 103 Abs. 2 GG stellt sicher, dass ausschließlich der Gesetzgeber imstande ist, sowohl über die Strafbarkeit einer Handlung als auch über die Ausgestaltungsform des Tatbestandes zu entscheiden. Vor allem im Bereich des Strafrechts hat die Forderung nach Gesetzlichkeit eine größere Relevanz als in den anderen Rechtsgebieten. Der berichtigenden oder ergänzenden richterlichen Rechtsfortbildung sind hier enge Grenzen gesetzt291. Der Rechtsanwender muss die Entscheidungen des Strafgesetzgebers respektieren und sich daran halten, es sei denn, dass die gesetzgeberische Entscheidung über die Kompetenz des Gesetzgebers hinausgeht292. Wenn der Gesetzgeber sich bei der Fassung einer Formulierungseinheit bzw. eines Tatbestandsmerkmals für eine kasuistische Aufzählung bzw. für eine disjunktive Beschreibungsweise entschieden hat, darf der Rechtsanwender im Prinzip nicht Es ist z. B. bei der Reformengeschichte des § 257 der Fall; s. o. 1. Teil A. II. 5. b). Z. B. die Alternativen in §§ 184 Abs. 1, 250 Abs. 1; vgl. auch o. V. 2: „Mehrere Formulierungseinheit enthaltende Alternative“. 291 Vgl. Grunst, GA 2002, S. 217. 292 Nämlich in Fällen, in denen die Durchsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung zu Wertungswidersprüchen führen würde; vgl. näher dazu o. C. VI. 289 290

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dieser Entscheidung entgegen behaupten, dass diese Alternativen nicht als ein Tatbestandsmerkmal begriffen werden könnten. An sog. materielle Lösungsansätzen hat Schlüchter mit Recht die Frage gerichtet: Warum sollte die Wertung des Gesetzesanwenders (in der Praxis oder Wissenschaft) zuverlässiger sein als die des Gesetzes?293 Die einzige denkbare Antwort darauf wäre, dass der Gesetzgeber sich beim Einsatz einer alternativen Formulierung gar keinen Gedanken über ihre Angemessenheit gemacht, sondern nur an die gesetzgeberische Ökonomie gedacht hat: Er fasse mehrere Tatbestände nur deshalb in derselben Vorschrift zusammen, weil gemeinsame Merkmale zwischen ihnen vorliegen, oder sogar nur, weil sie die gleichen Strafrahmen besitzen, ohne aber über ihre Verwandtschaft nachzudenken. Es mag sein, dass die meisten Abgeordneten gar nicht in der Lage sind, sich über die Einzelheiten des Gesetzes eine eigene Meinung zu bilden294. Man könnte demzufolge vom Gesetzgeber nicht erwarten, sich bei der Schaffung der Tatbestandsalternativen ihrer strafrechtlichen Problematik bewusst zu sein. Trotzdem lässt sich die Gleichwertigkeitsthese nicht dadurch legitimieren. Zum einen hat sich der Strafgesetzgeber bei der Schaffung und Einordnung der Tatbestände mitunter durchaus Mühe gegeben, über den materiellen Inhalt der Tatbestände nachzudenken295. Zum anderen geht es hier gar nicht darum, ob der Gesetzgeber sich bei der Schaffung der Tatbestandsalternativen ihrer strafrechtlichen Problematik wirklich bewusst ist oder nicht. Vielmehr handelt es sich um die Funktion des Gesetzes, dem Rechtsanwender Entscheidungsmaßstäbe zu geben. Es ist gerade der Sinn der Strafgesetze, innerhalb eines formellen Rahmens die gewünschten Ergebnisse zu produzieren. Der Unterschied der Strafgesetze gegenüber anderen Gesetzen liegt nämlich darin, dass sie primär auf formale und nicht auf materielle Rationalität abstellen (die strikte Bindung an die formale Tatbestandsbeschreibung des Strafgesetzes)296. Zwecks Vermeidung von Willkür und Gewährleistung von Gleichmäßigkeit ist eine strikte Bindung des Strafrichters an das Gesetz immer nötig, solange es um die Strafbegründung und die Strafschärfung geht. Ebenso verhält es sich bei Tatbestandsalternativen: Wenn der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal alternativ bzw. disjunktiv formuliert, darf der Rechtsanwender dieses Tatbestandsmerkmal bei der Auslegung oder Anwendung nicht als mehrere Merkmale behandeln, gleichviel, ob der Rechtsanwender das Gesetz für richtig gestaltet hält oder nicht. Ansonsten stünde es einerseits im Belieben des Gesetzesanwenders, ob ein vom Gesetzgeber geschaffener Tatbestand in mehrere zerlegt werden soll oder nicht. Andererseits müsste man konsequent auch zulassen, mehrere Tatbestände, die zwar 293 Schlüchter in: SK-StPO, § 261 Rn. 94; nach ihr soll – im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip – die Entscheidung des Gesetzes, verschiedene Modalitäten einem Tatbestand zuzuordnen und damit eine Gleichwertigkeit vorzugeben, den Wertungen seiner Anwender grundsätzlich vorgehen. 294 So Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 329. 295 Diese Bemühungen kann man – bezüglich Tatbestandsalternativen – an der Reformgeschichte z. B. der sachlichen Begünstigung und Strafvereitelung einerseits (s. dazu o. A. II. 1, 5. b)) und an der des § 313 (s. dazu o. VI 2. a)) andererseits ersehen. 296 Vgl. dazu Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 633.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

in unterschiedlichen Paragrafen geregelt, aber im Unrecht vergleichbar sind, zu einem alternativ formulierten Einheitstatbestand (etwa die Eigentumsverletzung, die Ehrverletzung etc.) zusammenzufassen. Somit stünde es also im Belieben des Rechtsanwenders, ob mehrere, im Gesetzbuch selbstständig geregelte Tatbestände mit anderen verschmolzen werden297, wodurch der Tatbestand als gesetzlicher Unrechtstypus seine Garantenfunktion einbüßen würde. Demgegenüber bietet die hier vertretene These von der Formulierungseinheit298 gerade ein Kriterium, das auf der Basis des Gesetzestextes herausgearbeitet wird und mit dem man die Willkür des Rechtsanwenders beseitigen kann.

d) Gleichwertigkeit als gesetzgeberische Überlegung In der Tat soll die Gleichwertigkeit zwischen den Alternativen zu gesetzgeberischen Voraussetzungen für den Einsatz der alternativen Formulierung im Tatbestand gehören299. Die Zusammenfassung mehrerer Tatbestandsalternativen stellt eine Behauptung der Gleichbehandlung dar, durch die zum Ausdruck gebracht wird, dass diese Alternativen sowohl formell (bezüglich der Auslösung der Rechtsfolge) als auch materiell (vom Unrechtsgehalt her) gleichrangig bzw. gleichwertig sein sollen. Eben darum kann die gesetzgeberische Zusammenfassung mehrerer Alternativen als eine Vermutung für das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals angesehen werden. Nach der hier vertretenen Meinung liegt eine solche Vermutung freilich nur dort vor, wo sich alle Alternativen in derselben Formulierungseinheit befinden. Nur in diesem Fall hat der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal alternativ gefasst. Die Alternativen, die sich innerhalb derselben Formulierungseinheit befinden, sind nur dann nicht mehr als ein Merkmal zu behandeln, wenn ihre Gleichbehandlung einen Wertungswiderspruch zur Folge hat300. Wenn sich Alternativen dagegen auf unterschiedliche Formulierungseinheiten beziehen, hat der Gesetzgeber nicht ein Tatbestandsmerkmal alternativ gefasst, sondern mehrere Merkmale miteinander alternativ verbunden. Dies besagt aber nur, dass die diese Alternativen enthaltende Vorschrift nicht als ein Tatbestand anzusehen sind. Dennoch muss die Gleichwertigkeit dieser Tatbestände, die sich in ihrer legislativen Zusammenfassung in derselben Vorschrift niederschlägt, bezüglich der Beziehung zwischen diesen Tatbeständen mit berücksichtigt werden, so z. B. bei der Annahme von der normativen Vergleichbarkeit ungleichartiger Wahlfeststellung301.

297 298 299 300 301

So schon Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 392. Vgl. näher dazu o. IV. 3, 7 bis 10. Vgl. Wach, Legislative Technik, 1908, S. 64 f., 67. Sog. Selbstbindung des Gesetzgebers, s. o. 1. Teil C. VI. s. dazu 2. Teil B. II. 2. c) cc).

C. Rechtsnatur der kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen

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VIII. Zusammenfassung – zweistufiger Lösungsansatz Nun fassen wir unsere Thesen nochmals kurz zusammen: (1) Der Wortlaut bzw. Gesetzestext ist stets der notwendige Ausgangspunkt und das primäre Mittel für die Auslegung bzw. Ermittlung des Inhalts einer geschriebenen Rechtsnorm302. Die Auslegung eines Gesetzes mit dem formellen Gesetzestext zu beginnen, ergibt sich als Konsequenz der verfassungsrechtlichen Lage, wonach (formelle) Gesetze nur in dem verfassungsrechtlich vorgesehenen (förmlichen) Gesetzgebungsverfahren erlassen werden können303. Nur im Gesetzestext kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck und objektiviert sich304. Daraufhin gehen wir zunächst einmal von dem einzelnen gesetzlichen Tatbestand aus und stellen die These der Formulierungseinheit als erste Prüfungsstufe auf. (2) Die h. M. kreist stets um die Frage, ob einschlägige Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind. Wenn man aber den Begriff des Tatbestandsmerkmals genau definieren kann, dann würde die obige Frage unzutreffend gestellt. Hingegen sollte die richtige Fragestellung so lauten, ob der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal alternativ bzw. disjunktiv formuliert hat. Diese Umstellung des Gedankengangs stellt den Ausgangspunkt der These der Formulierungseinheit dar. Die Frage der h. M. sollte sich – wenn überhaupt – erst dann stellen, wenn man bereits festgestellt hat, dass die einschlägigen Alternativen sprachlich der Beschreibung desselben Tatbestandsmerkmals dienen, aber fraglich ist, ob sie aus der Sicht der Selbstbindung des Gesetzgebers als eine Einheit anzusehen sind (s. u. 6 und 7). (3) Ein Tatbestand besteht aus mehreren Formulierungseinheiten (Tatbestandsmerkmale), nur der Gesetzgeber ist kompetent, zu entscheiden, wie jede Einheit als solche formuliert werden soll. Bezüglich jeder Formulierungseinheit steht die Auswahl der Ausdrucksweisen also ausschließlich der Gestaltungsfreiheit des Strafgesetzgebers zu. Wenn er sich bei der Fassung einer Formulierungseinheit für eine alternativ gefasste Wortgruppe – anstatt eines einzigen Worts – entscheidet, wird diese Vorschrift auch nicht wegen des Einsatzes der Alternativen in mehrere Tatbestände gespalten; diese Straftat ist also genauso zu behandeln, als ob sie nicht disjunktiv beschrieben würde. (4) In einem Rechtsstaat unterwirft sich der Gesetzgeber lediglich allgemeinen Sprachregeln und verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Diese beiden stellen zwei für ihn unüberschreitbare Grenzen dar. Die Vorrangigkeit der Sprachregeln, mit denen sich die These der Formulierungseinheit beschäftigt, ergibt sich daraus, dass Gesetze schriftlich gefasst und erlassen werden müssen. Ohne die Berücksichtigung der Sprachregeln wären Rechtssätze für den Normadressaten gar nicht zugänglich. 302 303 304

Vgl. Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 313, 343, 345. Looschelders / Roth, Methodik, 1996, S. 21 f. Vogel, Methodik, 1998, S. 114 bei Anm. 6.

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1. Teil: Begriff und Rechtsnatur der Tatbestandsalternativen

Da es sich bei der Feststellung der Formulierungseinheit um die Zerlegung eines Satzes handelt, werden linguistische Ansätze mit einbezogen. Anhand der syntaktischen Verschiebeprobe und der semantischen Regulierung wird ein syntaktisch-semantisches Kriterium herausgearbeitet, mit dem man einen Tatbestand in seine Formulierungseinheiten bzw. Tatbestandsmerkmale segmentieren kann. (5) Wenn sich einschlägige Alternativen auf unterschiedliche Formulierungseinheiten beziehen, können sie nach der These der Formulierungseinheit nicht als eines, sondern als mehrere Tatbestandsmerkmale angesehen werden (erste Grenze). Stellen alle Alternativen dagegen ein und dieselbe Formulierungseinheit dar, dann sollte man davon ausgehen, sie zusammen als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal aufzufassen (Vermutung für ein Tatbestandsmerkmal). Nur innerhalb derselben Formulierungseinheit kann der Grund für den Einsatz von Tatbestandsalternativen die sprachliche Schwierigkeit sein. (6) Da Tatbestandsalternativen durch die gesetzgeberische Zusammenfassung in derselben Strafvorschrift gleich behandelt werden, hängt die Frage, wann die Vermutung für das Gegebensein nur eines Tatbestandsmerkmals entkräftet werden soll, mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz (Selbstbindung des Gesetzgebers) zusammen. Eine solche Vermutung wird nur dann entkräftet, wenn sich ihre Durchsetzung nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz verträgt und zum Wertungswiderspruch führt (zweite Grenze). (7) Hat der Gesetzgeber die Selbstständigkeit der einschlägigen Alternativen in anderen Strafvorschriften zum Ausdruck gebracht, darf die Verschiedenheit bzw. Selbstständigkeit dieser Alternativen in der neuen Vorschrift, in der diese Alternativen zusammengefasst werden, nicht außer Acht gelassen werden, es sei denn, dass der Unterschied zwischen ihnen in dieser disjunktiv gefassten Vorschrift unwesentlich ist. Dabei geht es darum, ob der Unterschied zwischen diesen Alternativen in dieser neuen, sie disjunktiv zusammenfassenden Vorschrift in den Vordergrund tritt, oder nur eine sekundäre Bedeutung hat. Die Vermutung, es handle sich um ein Tatbestandsmerkmal, ist erst dann endgültig entkräftet, wenn kein Anhaltspunkt für die Unwesentlichkeit in dieser disjunktiv gefassten Vorschrift zu finden ist. Behandelt man diese Tatbestandsalternativen trotzdem als ein einziges Tatbestandsmerkmal, entsteht ein Wertungswiderspruch.

2. Teil

Einzelne Problemfelder A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen Wenn der Täter mehrere Tatbestandsalternativen, die übrigen Tatbestandsmerkmale aber nur einmal verwirklicht, taucht das Problem der Rechtsanwendung auf, mit dem sich die Konkurrenzlehre befasst1. Dieses wurde lange nur als ein Auslegungsproblem im BT angesehen, welches von Tatbestand zu Tatbestand zu lösen war. Im AT hat man es dagegen kaum selbstständig behandelt. Der Grund mag darin liegen, dass die Lösung dieses Problems für die Strafzumessung keinen großen Unterschied ausmacht2. Dennoch ist eine allgemeine, einheitliche Behandlung dieser Problematik im AT durchaus ergiebig. Da alle Probleme, die Tatbestandsalternativen verursachen, überwiegend um die gleiche Kernfrage kreisen, nämlich ob einschlägige Alternativen als ein Merkmal oder als mehrere selbstständige Merkmale anzusehen sind, lassen sich aus dem Konkurrenzverhältnis zwischen Alternativen auch Anhaltspunkte für die Lösung der anderen Probleme bei der Behandlung von Tatbestandsalternativen ziehen (z. B. für die Behandlung der non-liquet-Situation oder beim Alternativenirrtum). Bezüglich derselben Alternativen müssen die einzelnen Ergebnisse des Konkurrenzverhältnisses, der Behandlung der non-liquet-Situation sowie des Alternativenirrtums in dieser Hinsicht stets miteinander vereinbar sein. Im Folgenden werden wir zunächst feststellen, auf welcher Ebene des konkurrenzrechtlichen Prüfungsschemas das Problem des Zusammentreffens der Alternativen behandelt werden soll (I), um danach anhand der oben (1. Teil) herausgearbeiteten Thesen einen eigenen Lösungsvorschlag aufzustellen (II sowie III).

1 Da sich die Tatbestandsalternativen in derselben Vorschrift befinden, wird auch von einem innertatbestandlichen Konkurrenzproblem gesprochen (Haft, AT, 1998, S. 280; ders., BT, 1998, S. 245). Dies ist aber ungenau bzw. gar irreführend, weil es gerade eine der zu beantwortenden Fragen ist, ob sich Alternativen in demselben Tatbestand oder in jeweils unterschiedlichen selbstständigen Tatbeständen befinden. 2 s. dazu u. III. 3.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

I. Lokalisierung des Streitpunkts Die Frage, in welchem Konkurrenzverhältnis die Tatbestandsalternativen zueinander stehen, wird in der Literatur auf unterschiedlichen Ebenen behandelt. Geht man vom Normalfall der Urkundenfälschung (§ 267 I) aus, in dem eine Urkundenfälschung im ersten Akt durch Herstellen oder Verfälschen und im zweiten Akt durch Gebrauchen begangen wird, ist man wohl von der erstaunlichen Vielfältigkeit der Lösungsvorschläge verwirrt: Fast alle konkurrenzrechtlich denkbaren Ergebnisse (nämlich: Handlungseinheit, Gesetzeseinheit, Idealkonkurrenz, mitbestrafte Vortat, mitbestrafte Nachtat, fortgesetzte Handlung sowie Realkonkurrenz) werden in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten3. Heute geht man zwar überwiegend davon aus, dass nur eine Urkundenfälschung, also eine Tat in diesen Konstellationen anzunehmen ist; die Begründungen sind jedoch divergent. Die konkurrenzrechtliche Verwirrung zeigt sich nicht nur bei der Urkundenfälschung, sondern kommt auch bei vielen anderen Alternativen zum Ausdruck. Um dieser Problematik näher zu kommen, sollen zunächst die Grundzüge der Konkurrenzlehre kurz vorgestellt werden. 1. Grundzüge des konkurrenzrechtlichen Prüfungsschemas Hat der Täter mehrere Tatbestände verwirklicht, tauchen zwei rechtlich relevante Fragen auf. Die erste ist: Müssen sämtliche Tatbestände in den Urteilstenor (Schuldanspruch) aufgenommen werden? Die zweite lautet, ob und inwieweit der Umstand, dass der Täter mehrere Tatbestände verwirklicht hat, bei der Strafzumessung berücksichtigt werden muss. Beide Fragen werden im AT behandelt, und zwar unter dem Stichwort „Konkurrenzlehre“. Mittels der Konkurrenzlehre sollen zwei mögliche Fehler vermieden werden, nämlich dass dieselbe strafzumessungsrelevante Tatsache innerhalb desselben Verfahrens der Strafzumessung mehrfach verwertet wird oder dass sie im Gegenteil gänzlich unberücksichtigt bleibt. Daraus folgen zwei konkurrenzrechtliche Grundsätze: das „Doppelverwertungsverbot“ und das „Ausschöpfungsgebot“4. Um ihnen nachzukommen, hat man ein komplexes System entwickelt. Der ganze Vorgang läuft – skizzenhaft – folgendermaßen ab: a) Ausgangspunkt: Handlungseinheit und Handlungsmehrheit Werden – aus rein formaler Sicht – mehrere Tatbestände von demselben Täter verwirklicht, stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis. Wenn der Täter Vgl. dazu näher u. II. 2. a) m. w. N. Vgl. dazu NK-Puppe, Vor § 52 Rn. 2 ff.; v. Heintschel-Heinegg, in: MüchKommStGB, Vor §§ 52 ff. Rn. 15 ff.; Puppe, AT / 2, 52 / 1 ff. 3 4

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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hingegen nur einen einzigen Tatbestand einmal verwirklicht, entsteht gar kein Problem der Konkurrenz (im engeren Sinne), weil es keine gegenseitig konkurrierenden Tatbestände gibt5. Es gibt aber auch Fälle, die nicht von vornherein aus der Diskussion der Konkurrenz ausgeschieden werden können, obwohl bei ihnen letztlich nur einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen ist. So verhält es sich etwa bei der iterativen (sich wiederholenden) Tatbestandserfüllung6. Man kann hier nach h. M. erst auf der Ebene der Handlungseinheit feststellen, ob die einzelnen, jeweils tatbestandsmäßigen Akte zusammen als eine Handlung zu bewerten sind, und damit auch, ob der einschlägige Tatbestand nur einmal bzw. mehrfach verwirklicht wird. Nur den völlig unproblematischen Fall, in dem lediglich ein einziger Tatbestand betroffen ist und deutlich nur einmal verwirklicht wird, kann man von vornherein aus der Diskussion der Konkurrenz ausscheiden. Dieser Fall kommt aber selten vor7. Nach h. M. ist Ausgangspunkt des konkurrenzrechtlichen Prüfungsschemas die Handlung des Täters. Wenn aus rein formaler Sicht nicht nur ein Tatbestand verwirklicht wird oder ein Tatbestand nicht nur einmal erfüllt ist, ist zunächst festzustellen, ob eine Handlungseinheit im konkreten Fall vorliegt oder nicht. Hier prüft man, ob die Tatsache unter eine der Gruppen der Handlungseinheit – nämlich die natürliche Handlung, die natürliche Handlungseinheit oder die rechtliche (tatbestandliche) Handlungseinheit8 – fällt. Kann dies bejaht werden, liegt eine Handlungseinheit vor, sonst bleibt es bei der Handlungsmehrheit. Auf der Unterscheidung von Handlungseinheit und Handlungsmehrheit baut die gesetzliche Differenzierung zwischen Ideal- und Realkonkurrenz und damit auch die zwischen einheitlicher Strafe und Gesamtstrafe auf (s. unten c).

b) Ausschluss der Gesetzeseinheit Sowohl im Fall der Handlungseinheit als auch bei Vorliegen einer Handlungsmehrheit muss festgestellt werden, ob alle verwirklichten Tatbestände im Urteilstenor aufgeführt werden sollen. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob Gesetzeseinheit anzunehmen ist. Im Urteilstenor sind also diejenigen Tatbestände nicht aufzuführen, die im Wege der Gesetzeseinheit zurücktreten bzw. verdrängt s. u. d) und 2 sowie u. Fn. 32 m. w. N. Z. B. wenn der Dieb bei ein und demselben Einbruch mehrere Sachen, die dem gleichen Eigentümer gehören, nacheinander entwendet hat. Hier liegt eine Handlungseinheit im Sinne der einmaligen Tatbestandsverwirklichung vor. 7 Beispiel: Der Täter hat eine Frau beleidigt, indem er ihr seinen Mittelfinger gezeigt hat. In diesem Fall kann man rasch feststellen, dass nur § 185 betroffen ist und der Tatbestand auch nur einmal verwirklicht wurde, ohne über Konkurrenz zu diskutieren. 8 Einen Überblick über den Begriff der Handlungseinheit bieten Schönke / Schröder / Stree, StGB, Vor § 52 Rn. 11 ff.; Kühl, AT, 21 / 7 ff.; Roxin, AT / 2, 33 / 29 ff.; Geppert, Jura 2000, S. 600 ff.; T. Walter, JA 2004, S. 136 f., 572 ff. Zur natürlichen Handlungseinheit in der Rechtsprechung vgl. Warda, FS-Oehler, S. 241 ff. 5 6

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

werden müssen. Können der gesamte Unrechts- sowie der Schuldgehalt mit einem einzigen der Tatbestände vollständig erklärt bzw. abgegolten werden, liegt Gesetzeseinheit9 vor. Sie besteht aus der Gesetzeseinheit i. e. S. (unechte Tateinheit bzw. unechte Idealkonkurrenz)10 bei der Handlungseinheit einerseits und aus der mitbestraften Vor- oder Nachtat (unechte Tatmehrheit bzw. unechte Realkonkurrenz) bei der Handlungsmehrheit andererseits. Der Schuldspruch erfolgt nur aus einem der erfüllten Tatbestände; die anderen sind zwar formell ebenfalls verwirklicht, werden aber nicht angewandt, weil sie von einem anderen „verdrängt“ werden11, oder genauer gesagt, weil der deliktische Gehalt einer Tat schon durch ein anderes Gesetz erschöpfend erfasst wird12. Um festzustellen, ob die einschlägigen Tatbestände zueinander im Verhältnis der Gesetzeseinheit stehen, unterscheidet man nach ihren Erscheinungsformen bzw. Typen – nämlich: Spezialität, Subsidiarität, Konsumtion (i. S. v. typischer bzw. miterfüllter Begleittat) sowie mitbestrafte Vor- und Nachtat – als Kriterium. Stimmt das Verhältnis zwischen den einschlägigen Tatbeständen mit einem dieser Typen überein, dann ist Gesetzeseinheit anzunehmen. Man muss hier freilich noch darauf achten, ob mit der Verurteilung aus einem Tatbestand das Unrecht bereits wertungsmäßig voll erfasst ist, oder ob weitere Umstände vorliegen, die einer Klarstellung im Schuldspruch bedürfen13. Denn man nimmt die Gesetzeseinheit nur deshalb an, weil der Unrechtsgehalt durch einen der Straftatbestände erschöpfend erklärt wird, nicht aber, weil ein Typ der Gesetzeseinheit erfüllt ist. Würde man bei 9 Auch: „Gesetzeskonkurrenz“: etwa Klug, ZStW 68 (1956), S. 399 ff.; Hruschka, Strafrecht, S. 393; Maurach / Gössel / Zipf, AT / 2, 55 / 6 ff.; Roxin, AT / 2, 33 / 170 ff.; Kühl, AT, 21 / 51; Otto, AT, 23 / 31; NK-Puppe, Vor § 52 Rn. 7 ff.; Joecks, StGB, Vor § 52 Rn. 16; Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 52 Rn. 20 ff.; Geppert, Jura 2000, S. 654. Da aber die Gesetze hier in Wahrheit nicht miteinander konkurrieren, sondern im Gegenteil eine Einheit bilden, wird stattdessen der Terminus „Gesetzeseinheit“ verwendet; so etwa v. Liszt / Schmidt, Lb, Bd / 1, 1932, S. 356 bei Anm. 2; Schmidhäuser, Lb, 18 / 23; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 732; Ebert, AT, 2001, S. 219; Wessels / Beulke, AT, Rn. 787; Schönke / Schröder / Stree, Vor §§ 52 Rn. 102; Vogler, FS-Bockelmann, S. 715; Abels, Klarstellungsfunktion, 1991, S. 18. 10 Gesetzeseinheit i. e. S. bezieht sich auf Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion (i. S. v. typischer bzw. miterfüllter Begleittat). Nach h. M. zählen mitbestrafte Vor- und Nachtat auch zur Gesetzeseinheit (s. dazu – statt vieler – LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 67 m. w. N.), während die Gegenansicht die Gesetzeseinheit auf Fälle der Handlungseinheit beschränkt und von der mitbestraften Vor- und Nachtat – zumindest terminologisch – unterscheidet; so z. B. Maurach / Gössel / Zipf, AT / 2, 55 / 13, 23; Wessel / Beulke, AT, Rn. 787, 793, 852; Hruschka, Strafrecht, 1988, S. 394; Baumann / Weber, Lb, 9. Aufl. 1985, S. 679 (anders Mitsch in 11. Aufl., 36 / 12 f.). In der Tat gibt es keinen materiellen Unterschied zwischen der Gesetzeseinheit i. e. S. einerseits sowie der mitbestraften Vor- und Nachtat andererseits. Zu bemerken ist noch, dass man die Gesetzeseinheit i. w. S. manchmal vor der Feststellung der Handlungseinheit bzw. Handlungsmehrheit prüft (z. B. Haft, AT, 1998, S. 271, 288); dagegen lässt sich nichts einwenden, weil sich aus dieser Umstellung der Prüfungsreihenfolge schließlich kein Unterschied ergibt. 11 Vgl. Kindhäuser, LPK-StGB, Vor § 52 Rn. 20. 12 Lackner / Kühl, StGB, Vor § 52 Rn. 24. 13 Abels, Klarstellungsfunktion, 1991, S. 33.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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der Annahme der Gesetzeseinheit nur die Typen als einziges Kriterium berücksichtigen, ohne über den Hintergedanken des Unrechtsgehalts nachzudenken, würde man in einigen Fällen zu unerwünschten Ergebnissen kommen. Das Konkurrenzverhältnis zwischen Betrug und Inverkehrbringen von Falschgeld ist ein aufschlussreiches Beispiel dafür. Wenn der Täter z. B. Falschgeld in Verkehr bringt, um einen anderen zu betrügen, hat er die Tatbestände des Betrugs (§ 263 I) und der Geldfälschung (§ 146 I Nr. 3) durch dieselbe Handlung verwirklicht. Die h. M. nimmt angesichts der Unterschiede der geschützten Rechtsgüter zu Recht Tateinheit an14. Besteht man aber darauf, dass ausschließlich die Typen der Gesetzeseinheit Kriterien für die Annahme von der Gesetzeseinheit sein sollen, dann ist nicht ersichtlich, warum der Tatbestand des Betruges nicht deshalb als Begleittat konsumiert werden soll, wenn doch das Inverkehrbringen falschen Geldes typischerweise auch den Betrugstatbestand erfüllt15. Darüber hinaus wird die Konsumtion im Schrifttum auch als „Sammelbecken“ für alle jene Fälle angesehen, bei denen Gesetzeseinheit zwar vorliegt, jedoch weder Spezialität noch Subsidiarität bejaht werden kann16. Würde man Gesetzeseinheit nur anhand ihrer Typen feststellen, woraus sollte man darauf schließen können, ob ein Fall unter dieses Sammelbecken fallen soll? Schließlich wäre es bei der Gruppe der Subsidiarität auch problematisch, wenn die Annahme formeller (ausdrücklicher) Subsidiarität allein davon abhängig sein sollte, ob eine ausdrückliche Subsidiaritätsklausel im Gesetzbuch steht, und die Angriffsrichtung bzw. das einschlägige Rechtsgut im Übrigen nicht zu berücksichtigen wären17. Daraus folgt, dass der Unrechtsgehalt bei der Annahme der Gesetzeseinheit immer mit berücksichtigt werden muss, wobei die Typen der Gesetzeseinheit nur als ein Indiz für ihre Bejahung angesehen werden können.

14 Roxin, AT / 2, 33 / 70; Arzt / Weber, BT, 34 / 16; Lackner / Kühl, StGB, § 146 Rn. 15; Kindhäuser, LPK-StGB, § 263 Rn. 236; Schönke / Schröder / Stree / Sternberg-Lieben, StGB, § 146 Rn. 29. 15 Im Schrifttum wird die Gegenansicht vertreten, wonach Konsumtion hier anzunehmen sei, weil das Inverkehrbringen unechten Geldes als echt regelmäßig auch den Betrugstatbestand verwirkliche; vgl. z. B. Rudolphi, in: SK-StGB, § 146 Rn. 19, § 147 Rn. 8, § 148 Rn. 12; Dreher, StGB, 36. Aufl., § 146 Rn. 12, § 147 Rn. 6, § 148 Rn. 10 (anders in der 47. Aufl., § 147 Rn. 12); ähnlich wie diese Gegenansicht: Krey, BT / 1, Rn. 746, der die Annahme von Tateinheit für „nicht zweifelsfrei“ hält. 16 So z. B. Geppert, Jura 1982, S. 425; ders., Jura 2000, S. 655; Samson, in: SK-StGB, 1987, Vor § 52 Rn. 71 (anders: Samson / Günther, SK-StGB, 1995, Vor § 52 Rn. 97 ff.); wohl auch Jäger, AT, Rn. 387; Seier, Jura 1983, S. 230. 17 Nach h. M. soll das subsidiäre Gesetz nur gegenüber solchen, die das gleiche Rechtsgut schützen oder jedenfalls die gleiche Angriffsrichtung erfassen, zurücktreten, nicht aber gegenüber allen Tatbeständen, die schwerere Strafen vorsehen (Schönke / Schröder / Stree, Vor §§ 52 ff. Rn. 106; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 735; Roxin, AT / 2, 33 / 193 ff., 196; Puppe, AT / 2, 52 / 8; Samson / Günther, in: SK-StGB, Vor § 52 Rn. 86; Freund / Putz, NStZ 2003, S. 242 ff., 244 ff.; a.A. BGH NStZ 2002, S. 480). Zum möglichen Konflikt mit dem nullumcrimen-Satz des Art. 103 II GG, vgl. Freund / Putz, a. a. O.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

c) Feststellung echter Konkurrenz Kann kein Tatbestand den ganzen Unrechts- und Schuldgehalt der anderen Tatbestände miterfassen, dann ist echte Konkurrenz anzunehmen, die als Idealkonkurrenz (bei der Handlungseinheit) oder als Realkonkurrenz (bei der Handlungsmehrheit) auftreten kann. Ihnen ist gemeinsam, dass man alle verwirklichten Tatbestände im Urteilstenor erwähnen muss, da sich der volle Unrechtsgehalt der Tat erst aus sämtlichen anwendbaren Strafgesetzen ergibt. Erst auf der Ebene der Strafzumessung zeigt die Unterscheidung der Handlungseinheit und Handlungsmehrheit ihre Wirkung. Die Regeln der Strafzumessung sind jeweils in § 52 (für Idealkonkurrenz bzw. Tateinheit) und in §§ 53, 54 (für die Realkonkurrenz bzw. Tatmehrheit) kodifiziert: Bei der Idealkonkurrenz, in der „dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals“ verletzt, bestimmt sich die Strafe – nach dem Absorptionsprinzip – nach dem Straftatbestand, für welchen die schwerste Strafe angedroht ist18; bei der Realkonkurrenz wird nach dem Asperationsprinzip zunächst für jede begangene Straftat ein eigenes Strafmaß festgesetzt, um anschließend diese Einzelstrafen zu einer Gesamtstrafe zusammenzuziehen, und zwar durch Erhöhung der schwersten Einzelstrafe19.

d) Ausschluss der einfachen Tatbestandsverwirklichung als Zwischenschritt Oben wurde das herrschende Prüfungsmodell kurz vorgestellt, nach welchem man erstens zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit unterscheidet, zweitens die Delikte streicht, die im Wege der Gesetzeseinheit zurücktreten, und drittens zu dem endgültigen Ergebnis – Idealkonkurrenz oder Realkonkurrenz – kommt20. Darüber hinaus gibt es aber noch Fälle, die sich weder einer Form der Gesetzeseinheit noch der Idealkonkurrenz zuordnen lassen, obwohl Handlungseinheit vorliegt. Es handelt sich hier um „eine Tat im Rechtssinne“, zu der z. B. die iterative Tatbestandserfüllung gehört. Das Ergebnis „eine Tat im Rechtssinne“ passt also nicht in das herrschende Modell, weil es bei der Handlungseinheit nur vorsieht, dass entweder eine Variante der Gesetzeseinheit eingreift oder Idealkonkurrenz anzunehmen ist21. Das Problem lässt sich zwar nach der Mindermeinung, wonach die Bejahung der Handlungseinheit und der Ausschluss der Gesetzeseinheit bereits zur Annahme von der Idealkonkurrenz führen22, formell lösen; dadurch 18 Und zwar mit zwei Regulierungen; zum einen für Nebenfolgen, für die das sog. Kombinationsprinzip gilt (§ 52 III, IV), und zum anderen für Fälle, in denen ein ebenfalls verwirklichter milderer Tatbestand eine höhere Mindeststrafe vorsieht (Sperrwirkung milderer Gesetze); vgl. Roxin, AT / 2, 33 / 110 ff. 19 Vgl. näher Roxin, AT / 2, 33 / 122 ff. 20 So Kühl, AT, 21 / 74; Ebert, AT, 2001, S. 220; Wessels / Beulke, AT, Rn. 797, 852; Kindhäuser, AT, 44 / 3 ff.; Tiedemann, JuS 1987, L 18, 20; Seher, JuS 2004, S. 484. 21 Vgl. dazu T. Walter, JA 2004, S. 136.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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wird jedoch der Wertungsunterschied zwischen der einmaligen Tatbestandsverwirklichung und der Idealkonkurrenz übersehen: „Eine Tat im Rechtssinne“ stellt in Wahrheit nur eine einfache, einmalige Tatbestandserfüllung dar und ist so zu behandeln wie die Grundform der Tatbestandsverwirklichung (z. B. der einfache Schlag gegen das Opfer oder die Wegnahme nur einer Sache)23. Danach führt die Annahme der Handlungseinheit nicht ohne weiteres zur Idealkonkurrenz, auch wenn die Möglichkeit der Gesetzeseinheit schon ausgeschlossen wird. Die Annahme von Idealkonkurrenz setzt nämlich nicht nur Handlungseinheit, sondern auch mehrfache Gesetzesverletzung bzw. Tatbestandsverwirklichung voraus24. Liegt dagegen nur eine Tatbestandsverwirklichung vor, ist die Feststellung der Tateinheit von vornherein ausgeschlossen. Darauf hat Jakobs deutlich hingewiesen: „Im Fall bloßer Quantitätssteigerung liegt eine einfache, freilich quantitativ gesteigerte Gesetzesverletzung vor, nicht gleichartige Idealkonkurrenz. ( . . . ) Bei Handlungseinheit kommt es zur Addition mehrerer Tatbestandsverwirklichungen also nur, wenn sich das Geschehen nicht schon durch Addition innerhalb einer einfachen Tatbestandsverwirklichung erledigen läßt“25. Dass die Handlungseinheit notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung der Tateinheit sein soll, wird zwar durchaus auch von der h. M. erkannt26, aber im herrschenden Prüfungsmodell nicht deutlich ausgedrückt. Um dies präziser zu formulieren, ist den beiden Prüfungsschritten (b und c) noch ein Zwischenschritt vorzuschalten, in welchem die Fälle der einfachen Tatbestandsverwirklichung zu eliminieren sind27. Nach Bejahung der Handlungseinheit muss also feststehen, wie oft der einschlägige Tatbestand vom Täter verwirklicht worden ist. Wenn man bei der Bejahung der Handlungseinheit auch feststellt, dass der Tatbestand aus materieller Sicht nur einmal, nicht mehrfach verwirklicht wurde, ist die Prüfung der Konkurrenz beendet. Es ist nämlich unnötig bzw. verfehlt, die Regel der Idealkonkurrenz anzuwenden28. Die Annahme der 22 Z. B. Haft, AT, 1998, S. 279 ff., 287 f.; Meurer, AT, 1999, S. 206 ff.; Kienapfel, AT, 1983, S. 585, 589 f., 591. Darüber hinaus wurde die Tateinheit z. T. zwar der Handlungseinheit, aber nicht der Idealkonkurrenz gleichgestellt, z. B. Baumann / Weber, AT, 9. Aufl. 1985, S. 650 f., 653 (anders in 11. Aufl., 36 / 2, 14 ff.). 23 So T. Walter, a. a. O. 24 Danach ist Tateinheit nur dann anzunehmen, wenn entweder durch eine einheitliche Handlung mehrere Tatbestände verwirklicht werden (ungleichartige Idealkonkurrenz) oder ein Tatbestand durch ein und dieselbe Handlung mehrmals verwirklicht wird (gleichartige Idealkonkurrenz). 25 Jakobs, AT, 1991, 32 / 23; so auch Warda, FS-Oehler, S. 244 ff. 26 s. Samson / Günther, in: SK-StGB, Vor § 52 Rn. 17; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 37; Kühl, AT, 21 / 18, 43; Maurach / Gössel, AT / 2, 55 / 2, 53; Geppert, Jura 2000, S. 601; Roxin, AT / 2, 33 / 13. 27 Die Fälle der iterativen und der sukzessiven Tatbestandsverwirklichung sind auf dieser Ebene zu eliminieren; so auch Walter, JA 2004, S. 136; ähnlich: Samson, Strafrecht II, 1985, S. 8; Gropp, AT, 14 / 26 ff. (im Vorfeld der Konkurrenzlehre); Kindhäuser, in: LPK-StGB, vor § 52 Rn. 7. 28 Dagegen taucht das Problem bei der Handlungsmehrheit gar nicht auf, weil die Möglichkeit der einmaligen Tatbestandsverwirklichung bereits ausgeschlossen ist.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Handlungseinheit kann demzufolge drei verschiedene Rechtsfolgen auslösen: die einfache Tatbestandsverwirklichung29, Gesetzeseinheit i. e. S. oder Idealkonkurrenz30. Der einfachen Tatbestandsverwirklichung und Gesetzeseinheit ist gemeinsam, dass die Erwähnung eines einzigen Tatbestandes bezüglich der Klarstellung des Unrechts- und Schuldgehalts ausreicht; sie unterscheiden sich nur danach, ob eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung vorliegt.

2. Zusammentreffen mehrerer Tatbestandsalternativen Unterschiedliche Alternativen können entweder gleichzeitig oder nacheinander verwirklicht werden. Bei der Urkundenfälschung soll z. B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit) zwischen dem Herstellen und dem Gebrauchen dann angenommen werden, wenn der Täter erst nach dem Herstellen einen neuen Entschluss für den Gebrauch gefasst hat31. Dem kann man zustimmen. Bei dem neu gefassten Entschluss zur Verwirklichung der anderen Alternativen geht es jedoch nicht mehr um die Besonderheit der Alternativen. Denn die Annahme der Realkonkurrenz hängt nicht davon ab, ob einschlägige Alternativen als ein oder mehrere Tatbestandsmerkmale zu behandeln sind. Dagegen entstehen Schwierigkeiten dann, wenn die Alternativen durch eine Handlung gleichzeitig erfüllt sind, oder wenn der Täter bei der Verwirklichung der einen Alternative (z. B. Herstellen od. Verfälschen) die spätere Verwirklichung der anderen (z. B. Gebrauch) schon geplant hat. Im Folgenden orientieren wir uns ausschließlich an diesen problematischen Fällen. Da der Begriff der „Konkurrenz“ die mehrfache Tatbestandsverwirklichung voraussetzt, kann das Problem der Konkurrenz eigentlich – genau gesagt – nicht innerhalb desselben Tatbestandes auftauchen; es wird allenfalls bei der Feststellung der Handlungseinheit (oben d.) erledigt32. Jedoch wird es in der Literatur meistens übersehen und manchmal auch im Bereich der Gesetzeseinheit behandelt33. Im Hinblick auf das Ergebnis gibt es zwar keinen Unterschied zwischen beiden Darstellungen, weil der einschlägige Tatbestand so oder so nur einmal im Urteilstenor erwähnt wird, sei es aufgrund der Tatbestandseinheit, sei es aufgrund der Gesetzes29 Oder: „Eine Tat im Rechtssinne“ bzw. die „scheinbare Konkurrenz“ (etwa T. Walter, JA 2004, S. 136) oder „Tatbestandseinheit“ (etwa Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 7) oder „eine einzige, umfassende Verbrechenseinheit“ (Geerds, Konkurrenz, 1961, S. 161). 30 Samson / Günther, in: SK-StGB, Vor § 52 Rn. 17. 31 Vgl. Welzel, Lb, S. 412; Schönke / Schröder / Cramer, StGB, § 267 Rn. 99; Wessels / Hettinger, BT / 1, Rn. 853; Trödle / Fischer, StGB, § 267 Rn. 44; Lackner / Kühl, StGB, § 267 Rn. 27; Freund, JuS 1994, S. 128. 32 So ausdrücklich: A. Köhler, Grenzlinien, 1900, S. 55; Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 13 f.; Geerds, Konkurrenz, 1961, S. 160 f.; ders., BA 1965, S. 125, 132; Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 7; 21 f., 23, 31 f. und bei Anm. 112, 114; Roxin, AT / 2, 33 / 203; Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 385, 387, 392 f., 400 f. 33 So etwa Maurach, AT, 4. Aufl., 1971, S. 240; Montenbruck, Strafrahmen, 1983, S. 193 ff. Zusammenfassend: Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 395 f. m. w. N.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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einheit. Die Rechtsfigur der Tat im Rechtssinne (die einfache Tatbestandsverwirklichung) dient wie auch die Gesetzeseinheit der Vermeidung einer Mehrfachbewertung desselben Sachverhalts (Verbot der Doppelverwertung). Man kann sogar sagen, dass es sich hierbei um einen Parallelfall zur Gesetzeseinheit handelt. Jedoch sind einmalige Tatbestandsverwirklichung und Gesetzeseinheit begriffslogisch deutlich voneinander zu unterscheiden. Beim Zusammentreten derjenigen Alternativen, die zusammen ein einziges Tatbestandsmerkmal bilden sollen, ist keine Gesetzeseinheit, sondern nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen. Denn die alternativ gefasste Vorschrift stellt einen einzigen Tatbestand dar, der insgesamt nur einmal verwirklicht ist, weswegen eine der Voraussetzungen der Gesetzeseinheit, nämlich die mehrfache Tatbestandsverwirklichung, fehlt. Daraus ergibt sich, dass man das konkurrenzrechtliche Problem zwischen Tatbestandsalternativen teilweise auf der Ebene der Handlungseinheit, oder genauer: bei der Feststellung der Zahl der Tatbestandsverwirklichungen, lösen muss. Dennoch gibt es Fälle, in denen die Alternativen mehrere Tatbestandsmerkmale verkörpern. Hier ist die alternativ gefasste Vorschrift entsprechend als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände anzusehen34. Danach bedeutet das Zusammentreffen mehrerer Alternativen eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung; das konkurrenzrechtliche Problem ist gemäß dem normalen Prüfungsschema zu behandeln, nach dem man sowohl zum Ergebnis der Gesetzeseinheit wie auch zu dem der Idealkonkurrenz kommen kann. Wir werden nun zuerst versuchen, die relativ unproblematischen Fälle anhand der oben aufgestellten semantischen Einteilung (1. Teil B) auszuklammern, um die Frage zu beantworten, ob bei der einfachen Tatbestandserfüllung die Strafe wegen der kumulativen Verwirklichung mehrerer Tatbestandsalternativen zu verschärfen ist.

II. Ausklammerung unproblematischer Fälle 1. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen In dieser Gruppe schließt die Alternative, die den Gattungsbegriff darstellt, die anderen logisch bzw. semantisch ein. Man kann hier eine Parallele zur Spezialität der Gesetzeseinheit ziehen. Zunächst schließen sich die tautologisch gefassten Tatbestandsalternativen gegenseitig ein und müssen stets als eine Einheit behandelt werden. Da diese Alternativen den gleichen Inhalt haben, ist es unmöglich, dass nur eine der Alternativen durch dieselbe Handlung erfüllt wird. Denn die Extensionen der Begriffe, deren Intensionen gleich sind, können niemals verschieden sein. Dieselbe Handlung verwirklicht danach zu einem bestimmten Zeitpunkt entweder alle oder gar keine dieser Alternativen. Beim Zusammentreffen dieser Alternativen liegt freilich nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung vor, wobei die Tatsa34

Vgl. o. 1. Teil C. I. und II.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

che, dass der Täter alle Alternativen verwirklicht hat, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden darf, da es sonst zur Doppelverwertung kommen würde. Das Gleiche gilt für die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen sowie die beispielhaften Beschreibungen gleichermaßen. Bei der erstgenannten Gruppe kommt das Zusammentreffen mehrerer Alternativen dann zwangsläufig vor, wenn die intensivere Alternative erfüllt ist. Die Annahme von Idealkonkurrenz ist hier ausgeschlossen. Hier liegt nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung vor. Zudem darf der Richter die mehrfache Verwirklichung der Alternativen bei der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigen, ohne die leichteren Alternativen mehrfach zu verwerten. Bei der letzteren Gruppe, nämlich der beispielhaften Umschreibung, verhält es sich auch nicht anders. Diese beispielhaften Alternativen sind stets mit der Auffangklausel bzw. dem Gattungsbegriff zusammen als eine Einheit anzusehen, weil die jeweils enger gefassten Alternativen lediglich den Beispielscharakter besitzen. Der abstrakt beschriebene Gattungsbegriff wird zwangsläufig verwirklicht, wenn einer der konkretisierten Beispielsfälle erfüllt ist. Hier soll keine Tateinheit, sondern nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung angenommen werden, wobei bei der Strafzumessung die Erfüllung mehrerer Alternativen nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf.

2. Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen Bei der Gruppe, in der Alternativen nicht im semantischen Einschlussverhältnis zueinander stehen, ist das konkurrenzrechtliche Verhältnis zwischen Alternativen auf den ersten Blick komplizierter als bei der letzten Gruppe. Trotzdem lässt sich die Problematik bei den qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden, bei den kontradiktorisch gefassten und bei den Ursachen ausdrückenden Alternativen aus normativer Sicht lösen. Dies bedarf freilich näherer Begründungen. Die übrig bleibende, höchst problematische Gruppe, nämlich die der kollektiv gefassten Alternativen, wird unten (III) eigens behandelt.

a) Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen Bei dieser Gruppe stehen Alternativen zwar nicht in einem semantischen, aber in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander. Ihr Zusammentreffen führt deshalb nicht zu Idealkonkurrenz, sondern zur Annahme der einfachen Tatbestandsverwirklichung, wobei das Zusammentreffen mehrerer Alternativen wegen ihres normativen Einschlussverhältnisses bei der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf. Dies zeigt sich am deutlichsten dort, wo die schwächere Alternative einen zwangsläufigen Übergang zur intensiveren darstellt. Denn der Gesetzgeber ist bei der Festlegung des Strafrahmens davon ausgegangen, dass die weniger intensiven Alternativen bei der Erfüllung der intensivsten mit ver-

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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wirklicht werden; deshalb darf der Richter die Verwirklichung der leichteren Alternativen freilich nicht nochmals straferschwerend berücksichtigen. Dies gilt z. B. für den Fall der Zusammenfassung der Alternativen „Leib oder Leben eines Menschen“35. Da die Leibesgefährdung nach der allgemeinen vertretenen Einheitstheorie36 einen logisch-notwendigen Durchgang zur Lebensgefährdung darstellt, darf die Leibesgefährdung bei der Strafzumessung nicht mehr strafschärfend wirken, wenn sich die Strafe nach der Lebensgefährdung bestimmt. So verhält es sich auch bei den Alternativen des § 146 Abs. 1 (Nr. 1 – 3)37. Da das Inverkehrbringen des § 146 Abs. 1 (Nr. 3) die Erfüllung einer anderen der restlichen Alternativen38 desselben Absatzes voraussetzt, darf der Richter die Bestrafung nicht wegen der Verwirklichung mehrerer Alternativen verschärfen. Fraglich ist nur, ob diese Regel auch dann gelten soll, wenn die schwächere Alternative kein zwangsläufiger Übergang zur intensiveren darstellt, wie z. B. bei der Urkundenfälschung39. Bezüglich des Konkurrenzverhältnisses zwischen beiden Alternativen des § 267 Abs. 1 („Herstellung“ und „Gebrauchen“) sind die Lehrmeinungen sehr divergent. Während die beiden Alternativen nach der bisherigen Judikatur nur unter dem Gesichtspunkt der fortgesetzten Handlung zusammengefasst werden können, anderenfalls Realkonkurrenz (§ 53) zwischen ihnen vorliegen soll40, ist man sich in der Literatur überwiegend einig, dass nur eine Urkundenfälschung in dieser Konstellation anzunehmen ist41. Die Begründungen sind aber nicht einheitlich: Teilweise wird tatbestandliche Handlungseinheit angenommen42; die anderen gehen von Gesetzeseinheit aus, und zwar teils wegen 35 Z. B.: „eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen“ (§ 312 I), vgl. auch „Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung“ in §§ 330 II, 330a I. 36 Vgl. dazu o. 1. Teil B Fn. 57. 37 Beispiel: Der Täter hat falsches Geld selbst nachgemacht und planmäßig als echt in Verkehr gebracht. 38 Also entweder „Nachmachen oder Verfälschen“ (Nr. 1) oder „Sichverschaffen“ (Nr. 3). Es kann freilich vorkommen, dass der Täter falsches Geld gutgläubig erlangt und somit keine Alternativen der Nr. 1 u. 2 des § 146 Abs. 1 erfüllt hat. Da der Gesetzgeber diese Situation in § 147 sonders geregelt hat, kann man wohl sagen, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung des Strafrahmens des § 146 Abs. 1 überwiegend von Fällen ausgegangen ist, in denen der Täter, der falsches Geld als echt in Verkehr bringt, andere Alternativen auch verwirklicht hat. 39 Beispiel: Um einen anderen zu betrügen, hat der Täter eine unechte Urkunde hergestellt und seinem Plan entsprechend gebraucht. 40 BGH 17, S. 97 f. Nach der grundsätzlichen Preisgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung müsste die Judikatur an sich auf Tatmehrheit zurückgreifen. Ebenfalls für Realkonkurrenz: Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 43 ff., 76, 89. 41 Vgl. Miehe, GA 1967, S. 270 ff., 276, 279 f.; Freund, JuS 1994, S. 128; Arzt / Weber, BT, 31 / 34; Kindhäuser, LPK-StGB, 2002, § 267 Rn. 64; NK-Puppe, 1995, § 267 Rn. 105; Joecks, StGB, § 267 Rn. 93. Dagegen spricht sich Haft für Idealkonkurrenz aus (ders., AT, 1998, S. 280; BT, 1998, S. 244 f.). 42 Roxin, AT / 2, 33 / 21, 28, 203; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 65 / 79; Trödle / Fischer, StGB, § 267 Rn. 44; NK-Puppe, Vor § 52 Rn. 44; wohl auch Schönke / Schröder / Cramer, StGB, § 267 Rn. 79 (ein einziges Delikt).

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Subsidiarität43, teils wegen Konsumtion44. Diese Alternativen erfassen in der Tat verschiedene Stadien oder verschieden intensive Arten des Angriffs auf dasselbe Rechtsgut; nach dem Gesetzeswillen schließt die intensivere Angriffsform die weniger intensive ein. Diejenige Alternative, die die Vorstufe einer Deliktsverwirklichung erfasst, verliert ihre selbstständige Bedeutung, sobald auf einer späteren Stufe eine weitergehende Beeinträchtigung desselben geschützten Rechtsguts eintritt. Deshalb ist Idealkonkurrenz zwischen diesen Alternativen von vornherein ausgeschlossen. Würde man hier dagegen Idealkonkurrenz – nämlich mehrfache Tatbestandserfüllung – annehmen, entspräche dies zwangsläufig einer Doppelverwertung45: Die Tatsache, mit der leichtere Varianten verwirklicht werden, würde mehrmals verwertet werden. Hier kann zwar keine Gesetzeseinheit vorliegen, weil eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung fehlt; dennoch kann man eine Parallele zur Subsidiarität der Gesetzeseinheit ziehen46. Entsprechend sollte das Zusammentreffen mehrerer Alternativen auch nicht zur Verschärfung der Bestrafung führen, und zwar gleichgültig, ob die schwächere Alternative einen zwangsläufigen Übergang zur intensiveren darstellt oder nicht. Das gleiche gilt ebenfalls für Alternativen des § 292 Abs. 1 Nr. 147, für die Begehungsmodalitäten „Sich-Versprechenlassen“ und das „nachfolgende Sich-Gewährenlassen von Vermögensvorteilen“ in § 291 Abs. 148 sowie für die Alternativen des § 29 Abs. 1 BtMG, in dem der Besitz (Nr. 3) gegenüber den anderen Alternativen desselben Absatzes keinen eigenen, jedenfalls aber keinen gesteigerten Unrechtsgehalt hat und als Auffangtatbestand stets von den spezielleren Erscheinungsformen verdrängt wird49.

43 Niese, DriZ, 1951, S. 177 f.; Wessels / Hettinger, BT / 1, Rn. 853; Lackner / Kühl, StGB, § 267 Rn. 27; Hoyer, in: SK-StGB, § 267 Rn. 114; Schmidhäuser, BT, 14 / 25; Geppert, Jura 2000, S. 655. 44 Vgl. dazu Welzel, Lb, S. 412; Sax, MDR 1951, S. 588 f., 591: Das Gebrauchmachen sei gegenüber den anderen Formen straflose bzw. mitbestrafte Nachtat. 45 So schon NK-Puppe, § 267 Rn. 105. 46 Die Handlungs- bzw. Tatbestandseinheit und Gesetzeseinheit sind zwar nicht identisch, weil die Gesetzeseinheit eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung voraussetzt; jedoch streben die beiden Institutionen nach dem gleichen Zweck, nämlich die Doppelverwertung zu vermeiden. 47 Da das Nachstellen und Fangen Vorstufen (Versuchshandlungen) zu den beiden anderen Modalitäten darstellen (Schönke / Schröder / Eser / Heine, StGB, § 292 Rn. 5), wird der Wildereitatbestand bei häufig durcheinander und unmittelbar aufeinander folgendem Nachstellen, Fangen und Erlegen des Wildes nur einmal erfüllt; so auch Warda, JuS 1964, S. 87. 48 Beide verschmelzen zu einer einheitlichen Tat, die allerdings beim Wucher (§ 291) eindeutig (Gesetzeswortlaut) bereits mit dem Versprechenlassen vollendet ist, beendet dagegen erst mit der Gewährung des Vorteils; vgl. auch Arzt / Weber, BT, 24 / 29. 49 K. Weber, BtMG, § 29 Rn. 895 f.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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b) Kontradiktorisch gefasste Alternativen Da diese Alternativen einander widersprechende Elemente enthalten und sich deswegen gegenseitig ausschließen, kommt es im Prinzip nicht vor, dass alle Alternativen durch ein und dieselbe Handlung zu demselben Zeitpunkt erfüllt werden. Insofern taucht die Konkurrenzfrage nicht auf50. Jedoch ist das Zusammentreffen dieser Alternativen u. U. durchaus denkbar. So könnte der Täter z. B. aus einem einheitlichen Vorsatz bei derselben Gelegenheit sowohl die inländischen als auch die ausländischen Zahlungskarten i. S. v. § 152a Abs. 1 Nr. 1 nachmachen. Darüber hinaus können die kontradiktorisch gefassten Alternativen auch durch eine natürliche Handlungseinheit bzw. durch mehrere Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 gleichzeitig oder nacheinander erfüllt werden. Da diese Alternativen – materiell gesehen – in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander stehen51, ist das Konkurrenzverhältnis genauso wie in den Fällen zu behandeln, in denen der Täter ein (nicht disjunktiv formuliertes) Merkmal durch mehrere Akte derselben Handlungseinheit mehrfach erfüllt hat. Hier liegt also ebenfalls keine Tateinheit, sondern eine einmalige Tatbestandsverwirklichung vor, wobei das Zusammentreffen mehrerer Alternativen an sich nicht zwangsläufig zur Strafschärfung führt. Für die Strafbemessung ist – wie auch sonst immer – nur die Höhe des gesamten Unrechtsgehalts der Tat maßgeblich; dies ist freilich keine Besonderheit der Tatbestandsalternativen mehr. Die Bestrafung ist m. a. W. nicht deshalb zu verschärfen, weil mehrere Alternativen erfüllt sind, sondern nur deshalb, weil die gesamte Menge des Unrechts gestiegen ist. Ist die Menge des Unrechts dagegen beim Zusammentreffen der Alternativen nicht gestiegen, darf der Richter den Täter nicht schwerer bestrafen, auch wenn dieser mehrere Alternativen verwirklicht hat.

c) Ursachen ausdrückende Alternativen Beim Zusammentreffen mehrerer Alternativen, die die Ursachen ausdrücken, ist immer eine einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen und bei der Strafzumessung die ganze Einheit (die Alternativen und der beschränkte Begriff) zusammen zu betrachten. Das mag am Beispiel des § 221 Abs. 1 a. F. verdeutlicht werden: Der Täter hat ein Opfer ausgesetzt, dessen Hilflosigkeit nicht nur auf seiner Gebrechlichkeit, sondern auch auf seiner Krankheit beruht. Der Schutz des § 221 Abs. 1 war auf eine aus bestimmten Gründen – „wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit“ – bestehende Hilflosigkeit bzw. Schutzbedürftigkeit beschränkt. Da der Schwerpunkt in der Hilflosigkeit des Opfers liegt, hat der Täter den Tatbestand des § 221 a. F. auch dann nur einmal verwirklicht, wenn die Hilflosigkeit auf mehreren aufgezählten Gründen beruht. Diese Ursachen spielen eine gegenüber der Hilflosigkeit lediglich sekundäre Rolle. Die Strafe kann zwar 50 51

So auch Geerds, BA 1965, S. 130; Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 384. S. o. 1. Teil B. II. 2. b.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

verschärft werden, weil die Hilflosigkeit des Opfers gesteigert ist, jedoch nicht (nur), weil mehrere Alternativen erfüllt sind. Für die Strafbemessung ist – wie oben bei b) bereits geklärt wurde – nur der gesamte Unrechtsgehalt der Tat maßgeblich, dessen Erhöhung nicht zwangsläufig durch das Zusammentreffen mehrerer Alternativen zustande kommt. Auch die Alternativen des § 315c Abs. 1 Nr. 1 sind ein Beispiel dafür. Der Tatbestand des § 315c Abs. 1 wird auch dann nur einmal verwirklicht, wenn die Fahruntüchtigkeit des Täters nicht nur infolge des Genusses alkoholischer Getränke, sondern auch infolge geistiger Mängel herbeigeführt wird. Die Höhe der Bestrafung hängt mit dem gesamten Unrechtsgehalt der Tat und nicht damit zusammen, wie viele Alternativen erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr, wie stark die Fahruntüchtigkeit ist.

III. Konkurrenzverhältnis zwischen kollektiv gefassten Alternativen 1. Vorbemerkung zu einheitlichen Lösungsansätzen Bevor wir auf einzelne Lösungsvorschläge eingehen, ist eine Bemerkung vorauszuschicken. In der Literatur wird normalerweise keine Gruppierung bzw. Einteilung der Alternativen aufgestellt, sondern werden alle Typen einheitlich behandelt52. Dies klingt zunächst ziemlich einleuchtend, weil Alternativen in derselben Vorschrift – rein formell gesehen – bezüglich derselben Strafbedrohung gleichrangig zusammengefasst werden und demzufolge immer gleich zu behandeln sind. Betrachtet man aber die Typen der Alternativen, die oben bei 1. Teil B aufgestellt wurden, näher, ersieht man sofort die Lückenhaftigkeit der einheitlichen Lösungsvorschläge: Sie kommen mit der Vielfältigkeit der Erscheinungsformen der Tatbestandsalternativen überhaupt nicht zurecht. Die Rechtsfigur der Tatbestandsalternativen ist in der Tat als ein Sammelbegriff aufzufassen und kann in Form der Tautologien, der beispielhaften Umschreibungen, der Unrechtsabstufungen usw.53 erscheinen. Ließe man den Unterschied der einzelnen Gestaltungsformen außer Acht, würde man meistens zu merkwürdigen Resultaten kommen. Die These, nach der beim Zusammentreffen der Alternativen stets „Deliktsmehrheit“ 54 anzunehmen ist, erweist sich bei den Gruppen der im Einschlussverhältnis stehenden Alternativen – z. B. Tautologien, Unrechtsabstufungen oder beispielhafte Beschreibungen – als nicht haltbar. Die Annahme der Deliktsmehrheit oder Idealkonkurrenz führt also bei die52 Inzwischen hat man das auch bemerkt (etwa Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 7, 24 ff.; M. E. Mayer, AT, 125; Schmidt, Konkurrenzprobleme, 1965, S. 23) und versucht, Tatbestandsalternativen zu gruppieren (z. B. Günther, Verurteilungen, 1976, S. 57 ff.; Warda, FS-Stree / Wessels, S. 280 ff.; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39 f.; Rolofs, JA 2003, S. 306). Dennoch ist bis dato noch keine vollständige Einteilung aufgestellt worden. 53 Vgl. näher o. 1. Teil B. 54 Etwa die Meinung Bindings, s. u. 2.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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sen Gruppen unausweichlich zur Doppelverwertung. Das gilt gleichermaßen für jeden einheitlichen Lösungsvorschlag, sogar für die herrschende Gleichwertigkeitsthese. Die Gleichwertigkeitsthese scheitert zumindest an den Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen, weil einerseits beim Zusammentreffen dieser Alternativen die Annahme der Idealkonkurrenz bzw. der mehrfachen Tatbestandsverwirklichung zwangsläufig zum Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot führt und andererseits die leichtere und die schwerere Alternative keineswegs als „gleichwertig“ bewertet werden können. Es mag durchaus sein, dass man bei der Herausarbeitung der Lösungsvorschläge nur an andere problematische Fälle, nämlich nur an die kollektiv gefassten Alternativen, gedacht hat. Das macht diese Ansätze aber zumindest ungenau bzw. unvollständig. Im Folgenden werden wir vertieft darauf eingehen, ob diese Lösungsvorschläge überhaupt bezüglich der kollektiv gefassten Alternativen, für die sie schließlich entwickelt wurden, akzeptabel sind. 2. Die Lehrmeinungen und ihre Würdigung Im AT hat man bezüglich des konkurrenzrechtlichen Problems der Alternativen drei unterschiedliche Grundpositionen eingenommen: generelle Annahme der einmaligen Tatbestandsverwirklichung, generelle Annahme der Idealkonkurrenz sowie den differenzierenden Lösungsansatz. Binding sprach sich z. B. für „eine Mehrheit von Delikten“55 aus: Es liege keineswegs der quantitativ gesteigerte Fall eines Verbrechens vor, sondern immer ein echter Konkurrenzfall56. Denn seiner Normentheorie nach steckt hinter jeder Alternative stets ein eigener Imperativ bzw. eine Norm, weswegen bei jeder alternativ gefassten Strafvorschrift immer eine Mehrheit selbstständiger Verbrechen vorliege57. Dagegen ist nach Altenhain die Verwirklichung mehrerer Alternativen bei nur einmaliger Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale entweder nur als eine Tat (eine einmalige Tatbestandsverwirklichung) oder aber als ungleichartige Idealkonkurrenz anzusehen, wobei die Annahme nur einer Tat ihm vorzugswürdig erscheint58. Davon gehen auch viele Autoren aus, und zwar unter dem Stichwort: Zusammenfassung verschiedener gleichrangiger Tatmodalitäten59 oder Koordination der Be55 Vgl. dazu Binding, Normen, Bd. I, 1922, S. 209. Dagegen sprach er sich in einer früheren Phase für die Annahme einmaliger Tatbestandserfüllung aus (ders., Handbuch I, 1885, S. 547, 562 f.). 56 S. Binding, Normen, Bd. II / 2, 1916, S. 933. 57 Binding, Normen, Bd. II / 2, 1916, S. 931 f. 58 Vgl. dens., ZStW 107 (1995), S. 383 ff. Er hat zutreffend bemerkt, dass sich die Annahme der Idealkonkurrenz nur aufrechterhalten ließe, wenn jede Alternative mit den für alle Alternativen gemeinsam gültigen Tatbestandsmerkmalen einen eigenständigen Tatbestand bildet. Diese Deutung hält er dennoch mit dem Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit nicht für vereinbar; sie hätte aus seiner Sicht zudem die nicht angemessene Bestrafung des Täters wegen ungleichartiger Idealkonkurrenz zur Folge. 59 So z. B. Schmidhäuser, Studienbuch AT, 14 / 10; wohl auch Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 266; Wegscheider, Konkurrenz, 1980, S. 271.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

gehungsweisen60. Die beiden monistischen Lösungsvorschläge sind zwar die einfachsten, weil man die Antwort auf das Konkurrenzverhältnis ohne weitere Überlegung sofort geben kann. Dennoch lassen sie sich auch bei der kollektiv gefassten Alternativen nicht durchsetzen. Zunächst hat Binding übersehen, dass der Entstehungsgrund der Alternativen nicht selten in sprachlichen Schwierigkeiten liegt61, wobei der Gesetzgeber dort mit der alternativen Beschreibung die Schaffung mehrerer Deliktstypen bzw. Tatbestände keineswegs bezwecken will. Wenn die alternativ beschriebene Vorschrift formell – nämlich nach dem Kriterium der Formulierungseinheit62 – nur einen einzigen gesetzlichen Tatbestand darstellen würde, würde die Annahme der echten Konkurrenz bzw. Idealkonkurrenz gegen den Gesetzestext verstoßen. Insofern ist der These der einfachen Tatbestandsverwirklichung zwar zuzustimmen; jedoch lässt sie sich in den anderen Fallgruppen nicht halten, in denen die Alternativen auf keinen Fall zusammen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind. Es gibt die Alternative, die per se bereits eine komplexe Handlungsbeschreibung darstellt, nämlich mehrere Formulierungseinheiten enthält, weshalb sie sich schwer insgesamt als ein Merkmal begreifen lässt. Wäre eine solche komplexe Handlungsbeschreibung nicht als Tatbestandsalternative mit anderen Alternativen in derselben Vorschrift zusammengefasst, sondern allein in einer nicht disjunktiv gefassten Vorschrift geregelt, müsste man in dieser Vorschrift konsequenterweise nur ein Tatbestandsmerkmal annehmen, wobei das Tatbestandsmerkmal als solches völlig sinnlos wäre. Nimmt man dagegen dem allgemeinen Verständnis des Tatbestands-“Merkmals“ entsprechend an, dass mehrere Tatbestandsmerkmale innerhalb dieser nicht disjunktiv gefassten Vorschrift gegeben sind, wäre danach die Anwendung des Begriffs des Tatbestandsmerkmals auf Tatbestandsalternativen nichts weiter als ein Manöver, um ein intuitiv erwünschtes, aber sachlich unbegründetes Ergebnis zu erreichen: nämlich, dass der Tatbestand nur einmal erfüllt wird63. Daher beschreitet man in der Literatur überwiegend den Mittelweg, indem man das Problem von Tatbestand zu Tatbestand differenziert löst. Dazu dient die Lehre vom Mischgesetz64. Diese ist aber in Wirklichkeit nichts anderes als ein Hinweis darauf, dass die kollektiv gefassten Alternativen nicht einheitlich behandelt werden sollen; mit den neu aufgestellten Terminologien – „alternative“ bzw. „kumulative“ Mischgesetze – hat man das Problem nur umformuliert, aber immer noch keiner Lösung zugeführt. Um beide Arten von Mischgesetzen voneinander zu unterscheiden, hat man natürlich auch Kriterien aufgestellt, etwa die der Vollständigkeit und der Gleichwertigkeit65. Die heutige h. M. geht von der Gleichwertigkeitsthese aus, 60 61 62 63 64 65

So Geerds, Konkurrenz, 1961, S. 160 f. s. näher o. 1. Teil A. II. 4. Vgl. dazu o. 1. Teil C. IV. 3., V. und VI. Beispiele s. o. 1. Teil C. V. 2. und VII. 3. b). Vgl. dazu o. 1. Teil C. VII. 1. s. o. 1. Teil C. VII. 1 – 3.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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nämlich von der Frage, ob die einschlägigen Tatbestandsalternativen hinsichtlich des Unrechtsgehalts gleichwertig sind: Wenn die verwirklichten Alternativen bezüglich des Unrechtsgehalts gleichwertig sind, dann sollen sie zusammen als ein Tatbestandsmerkmal bewertet werden. Damit wird dasselbe Gesetz nur einmal (aber in mehreren, im Wesentlichen gleichwertigen Tatbestandsalternativen) verletzt und somit die Möglichkeit der Idealkonkurrenz bereits ausgeschlossen, weil nur eine Gesetzesverletzung bzw. Tatbestandsverwirklichung vorliegt. Laufen einschlägige Alternativen dagegen unterschiedlichen Schutzzwecken zuwider oder bestehen sie in unterschiedlichen Taterfolgen mit jeweils eigenständigem, selbstständigem Unwertgehalt66, dann ist die alternativ gefasste Vorschrift als eine rein kodifikationstechnische Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände aufzufassen, die bei ihrem Zusammentreffen zur Idealkonkurrenz führt. Im letzten Kapitel haben wir die Gleichwertigkeitsthese bereits allgemein angesprochen67 und wollen hier nur auf ihre konkurrenzrechtliche Auswirkung eingehen. Bei Annahme des Konkurrenzverhältnisses fehlt der Gleichwertigkeitsthese eine Erklärung über den Zusammenhang zwischen der Gleichwertigkeit und der Annahme der einmaligen Tatbestandsverwirklichung. Denn für das Strafzumessungsverfahren ist konkurrenzrechtlich ausschließlich entscheidend, dass die mehrfache Verwertung derselben strafzumessungsrelevanten Tatsache einerseits und die Vernachlässigung dieser Tatsache andererseits vermieden werden (Doppelverwertungsverbot und Ausschöpfungsgebot). Die Gleichwertigkeit zweier Tatsachen ist aber ihrer Identität nicht gleichzustellen; die Gleichwertigkeit zweier Alternativen bedeutet ja noch nicht, dass der Unrechtsgehalt der einen Alternative durch den Unrechtsgehalt der anderen abgegolten werden kann, weswegen es vorstellbar ist, dass zwei gleichwertigen Alternativen jeweils unterschiedliche strafzumessungsrechtliche Bedeutung zukommt. Solange man die logisch-notwendige Verbindung zwischen der Gleichwertigkeit und der Annahme der einfachen Tatbestandserfüllung nicht begründen kann, kann die Gleichwertigkeitsthese zur Lösung des konkurrenzrechtlichen Problems auch nichts beitragen.

3. Eigene Sicht Wie oben bei I. 2. gezeigt wurde, erledigt man das konkurrenzrechtliche Problem des Zusammentreffens mehrerer Alternativen durch eine Handlung bzw. Handlungseinheit entweder durch Ausschluss der einfachen Tatbestandsverwirklichung (tatbestandliche oder rechtliche Handlungseinheit), durch Ausschluss der Gesetzeseinheit oder durch Annahme von Idealkonkurrenz. Die beiden letzteren setzen freilich eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung voraus. Die Möglichkeit 66 Etwa Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rn. 28; Lackner / Kühl, StGB, § 52 Rn. 3; Samson / Günther in SK-StGB, § 52 Rn. 27; LK-Rissing van Saan, § 52 Rn. 38; T. Walter, JA 2004, S. 574; wohl auch Warda, JuS 1964, S. 87. 67 s. 1. Teil C. VII. 3.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

der Gesetzeseinheit ist zwar theoretisch nicht ausgeschlossen68, aber von geringer praktischer Bedeutung. Denn wenn Spezialität oder Subsidiarität zwischen einschlägigen Alternativen gegeben ist, gehören sie entweder zu den Alternativen, die im semantischen Einschlussverhältnis zueinander stehen, oder zu denen, die qualitative Unrechtsabstufungen ausdrücken, womit in beiden Fällen lediglich eine einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen ist. Von den Erscheinungsformen der Gesetzeseinheit übrig bleibt nur noch die Konsumtion bzw. die miterfüllte Begleittat, die in der Praxis selten vorkommt69. Von der sehr geringen Möglichkeit der Konsumtion abgesehen kommen nur die einmalige Tatbestandsverwirklichung und Idealkonkurrenz als Konkurrenzverhältnis in Betracht. Nimmt man Idealkonkurrenz an, muss sie ungleichartig sein. Denn die Annahme der Idealkonkurrenz besagt ja, dass die alternativ gefasste Vorschrift mehrere Tatbestände enthält. Hier von gleichartiger Idealkonkurrenz zu sprechen, ist nur möglich, wenn man den Ausdruck „Strafgesetz“ in § 52 nicht mit „Straftatbestand“, sondern rein formell mit „Vorschrift“ gleichsetzt 70; dies würde aber vom allgemeinen Verständnis71 abweichen. Letztlich ist noch eines zu bemerken, nämlich dass es auf der Ebene der Strafzumessung kaum einen Unterschied zwischen beiden Ergebnissen gibt. Zum einen kann die Höchststrafe des betreffenden Tatbestands nicht überschritten werden, egal, ob man Idealkonkurrenz oder einmalige Tatbestandsverwirklichung annimmt. Zum anderen kann bei der einfachen Tatbestandserfüllung die Tatsache, dass mehrere Alternativen erfüllt sind, im konkreten Strafmaß strafschärfend berücksichtigt werden72. Nur die Urteilstenorierung ist unterschiedlich: Bei Idealkonkurrenz ist wegen mehrfacher Gesetzesverletzung, bei der einmaligen Tatbestandsverwirklichung dagegen wegen einfacher Gesetzesverletzung ein Schuldspruch zu fällen73. 68 Nach der Gleichwertigkeitsthese kann Gesetzeseinheit dagegen nicht vorkommen, weil man eine einmalige Tatbestandsverwirklichung annehmen muss, wenn Alternativen aus der Sicht des Unrechts gleichwertig und zusammen als ein Merkmal anzusehen sind; so schon Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 396 f. 69 Ganz zu schweigen davon, dass manche Autoren die Berechtigung der Konsumtion als Form der Gesetzeseinheit völlig absprechen; etwa Puppe, in: NK-StGB, Vor § 52 Rn. 26 ff., 31, 33, 73; dies., Idealkonkurrenz, 1979, S. 313 ff. 70 Darauf hat Altenhain richtig hingewiesen (ders., ZStW 107 (1995), S. 385, 398, 400 f.). Die andere Möglichkeit, gleichartige Idealkonkurrenz anzunehmen, ist vom oben (1. Teil C. 1.) erwähnten Modell 2 auszugehen; das könnte aber mit dem rechtstheoretischen Tatbestandsbegriff nicht vereinbar sein; vgl. dazu näher o. 1. Teil C. II. 71 Zur Unterscheidung der gleichartigen und ungleichartigen Idealkonkurrenz, vgl. nur – statt vieler – Roxin, AT / 2, 33 / 2. 72 Vgl. dazu Jescheck / Weigend, Lb, S. 723 f.; Schönke / Schröder / Stree, StGB, § 52 Rn. 31; Altenhain, ZStW 107 (1995), S. 384, 392; Geppert, Jura 2000, S. 653. Demgegenüber ist die Strafe bei Tateinheit zwar im Prinzip zu erhöhen, weil mehrfache Gesetzesverletzung vorliegt. Eine Strafschärfung entfällt nach h. M. dann, wenn der Unrechtsgehalt der verschiedenen Tatbestände gleichgerichtet sei und der Annahme von Tateinheit nur klarstellende Bedeutung zukomme (Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rn. 47). 73 Schönke / Schröder / Stree, § 52 Rn. 31 u. 49; Puppe, Idealkonkurrenz, 1979, S. 316 ff.; s. auch u. c).

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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Das ist wohl der Grund dafür, warum man dem konkurrenzrechtlichen Problem der Tatbestandsalternativen kaum besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Im Folgenden behandeln wir anhand der These der Formulierungseinheit und ihrer strafrechtlich-systematischen Einschränkung die Frage, ob bzw. wann eine einfache Tatbestandsverwirklichung angenommen werden soll.

a) Mehrere Formulierungseinheiten darstellende Alternativen Wenn jede Alternative – nach der Verschiebeprobe und nach ihrer semantischen Regulierung – bereits mehrere Formulierungseinheiten enthält74, oder wenn einschlägige Alternativen – nach der Kontaktprobe – unterschiedliche Formulierungseinheiten darstellen75, dann sind sie nicht mehr als ein disjunktiv gefasstes Tatbestandsmerkmal zu behandeln. In diesen Konstellationen enthält die alternativ gefasste Vorschrift mehrere Tatbestände, weswegen bei Zusammentreffen dieser Alternativen eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung anzunehmen ist. Liegt keine Konsumtion zwischen diesen Tatbeständen vor, so ist ungleichartige Idealkonkurrenz annehmen. Bei der Strafzumessung darf die Verwirklichung mehrerer Alternativen freilich strafschärfend berücksichtigt werden, weil echte Konkurrenz vorliegt. Z. B. enthalten in § 184 Abs. 1 viele Alternativen bereits mehrere Formulierungseinheiten – etwa Nr. 2, 3, 5, 7, 8 sowie 9 – und können nicht mehr mit anderen wiederum zusammen nur als eine Formulierungseinheit angesehen werden. In § 219a Abs. 1 etwa enthält jede Alternative – „seines Vermögensvorteils wegen“ oder „in grob anstößiger Weise“ – zwar jeweils nur eine Formulierungseinheit, jedoch sind diese Formulierungseinheiten nicht die gleichen, und deshalb ebenfalls nicht zusammen als eine zu behandeln. Dies muss auch für die alternativen Qualifikationen gelten, z. B. in §§ 146 Abs. 2, 221 Abs. 2, 250 Abs. 1 oder 260 Abs. 1, es sei denn, die Qualifikationen sollte aufgrund ihres strafzumessungsrechtlichen Charakters von den allgemeinen Regeln abweichen76. Da die Frage, ob sich eine solche Abweichung sachlich begründen lässt, um die Rechtsnatur der Qualifikationen kreist, kann man das Problem im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt sein lassen. s. dazu o. 1. Teil C. V. 2. s. dazu o. 1. Teil C. V. 3. c). 76 Liegen mehrere Qualifikationsgründe des § 250 bei derselben Straftat vor, soll nach h. M. stets nur eine einfache Tatbestandsverwirklichung, nämlich ein einziger „schwerer Raub“ bzw. nur eine qualifizierter schwerer Raub, angenommen werden (Schmidhäuser, BT, 8 / 55; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 250 Rn 35; Günther, in SK-StGB, § 250 Rn. 57; Wessels / Hillenkamp, BT / 2, Rn. 348; BGH MDR 1973,191; NJW 1994, S. 2034 f.). Danach sind die Strafschärfungsgründe nebeneinander zu nennen, ohne dass dies etwa mehreren Delikten in Tateinheit entspräche, jedoch auf der Strafzumessungsebene zuungunsten des Täters zu berücksichtigen. Demgegenüber halten andere Autoren Tateinheit für möglich (NK-Kindhäuser, § 250 Rn. 32; Tröndle / Fischer, StGB, § 250 Rn. 13) und lassen es aber genügen, in die Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung „wegen schweren Raubes“ aufzunehmen (BGH, JR 1995, S. 124). Vgl. auch Fn. 66 in 1. Teil A m. w. N. 74 75

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

b) Dieselbe Formulierungseinheit darstellende Alternativen aa) Grundsatz Wenn sich alle einschlägigen Alternativen auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen, ist das Vorliegen nur eines Tatbestandsmerkmals indiziert. Liegt kein Anhaltspunkt für die Entkräftung dieser Vermutung vor, sollen diese kollektiv gefassten Alternativen endgültig zusammen als ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden. Demzufolge muss man bei ihrem Zusammentreffen nur eine einmalige Tatbestandserfüllung annehmen. Da das Tatbestandsmerkmal alternativ bzw. disjunktiv beschrieben und beim Zusammentreffen mehrerer seiner alternativen Bestandteile (Alternativen) intensiver erfüllt ist, hat das Zusammentreffen mehrerer Alternativen hier aber eine strafschärfende Folge. Einige Beispiele mögen das veranschaulichen: Bei den „objektiv-täterschaftlichen Merkmalen“77 sollte man einmalige Tatbestandserfüllung annehmen, wenn der Täter mehrere kollektiv gefasste Eigenschaften gleichzeitig besitzt und die übrigen Merkmale einmal verwirklicht; so z. B. im Fall, in dem der Täter ein fremdes Geheimnis i. S. v. § 203 Abs. 1 Satz 1 offenbart, das ihm nicht nur als Arzt (Nr. 1) anvertraut worden ist, sondern ihm auch als Angehöriger eines Unternehmens der privaten Krankenversicherung (Nr. 6) bekannt worden ist78. Hier liegt zwar nur einmalige Tatbestandsverwirklichung vor; dennoch darf man die Tatsache, dass mehrere Alternativen des Subjekts erfüllt sind, bei der Strafzumessung mit berücksichtigen. Jede Eigenschaft des § 203 Abs. 1 dem Täter eine bestimmte, von anderen Alternativen unabhängige Pflicht beimisst, weswegen die Geheimhaltungspflicht insgesamt gravierender verletzt wird. Es lässt sich insofern eine Parallele zur Konkurrenz mehrerer Garantenpflichten bei unechten Unterlassungsdelikten ziehen. Ist derselbe Unterlassende aufgrund verschiedener Garantenstellungen zur Abwendung desselben Erfolges verpflichtet, liegt zwar keine Tateinheit vor, doch wird durch die gleichzeitige Missachtung mehrerer Garantenpflichten das Unrecht intensiviert, was für die Strafzumessung bedeutsam sein kann79. Darüber hinaus wird die Vermutung für das Vorliegen nur eines einzigen Tatbestandsmerkmals bei allen Alternativen, die nur der Beschreibung des Handlungsunwertes in der alternativen Vorschrift dienen, keineswegs entkräftet. Denn diese Alternativen haben nichts mit der Bestimmung der Angriffsrichtung der sie zusammenfassenden Vorschrift zu tun, weshalb ihre Zusammenfassung als Einheit nicht zum Wertungswiderspruch führt. Dieser entsteht nur dann, wenn zwei (oder mehrere) vorher in anderen Tatbeständen als unterschiedlich angesehenen Angriffsrichtungen in einer neuen Vorschrift als Alternativen gleichrangig zusammengefasst und wiederum gleich behandelt werden. Niemand würde die mehrfache Verletzung des § 132a Abs. 1 Diese Ausdrucksweise stammt von Ebert / Kühl, Jura 1981, S. 233. Ähnlich: Lackner / Kühl, StGB, § 203 Rn. 29; nach ihnen liegt nur eine Gesetzesverletzung vor, wenn der Täter z. B. als Amtsarzt, zugleich gegen Abs. 1 und 2 verstößt. 79 s. dazu Eser, Strafrecht II, 3. Aufl. 1980, S. 69 ff., 72. 77 78

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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demjenigen Täter vorwerfen, der sich z. B. als „Rechtsanwalt und Patentanwalt“ oder als „Arzt und Zahnarzt“ (Dr. med., Dr. med. dent.) ausgibt80. Dazu gehören auch die Alternativen des § 223 Abs. 1 (körperliche Misshandlung sowie Gesundheitsschädigung), die sich auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen und deshalb zusammen als ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln sind. Wird das Opfer zugleich körperlich misshandelt und dadurch an der Gesundheit beschädigt, ist von vornherein nur eine einzige Tat gegeben, obwohl einerseits eine Misshandlung nicht notwendig eine Gesundheitsbeschädigung zur Folge haben muss und andererseits eine Gesundheitsschädigung nicht notwendig auf einer Misshandlung zu beruhen braucht81. Wenn dagegen die Vermutung für ein Tatbestandsmerkmal zu entkräften ist, nämlich wenn die Behandlung der Alternativen als nur ein Tatbestandsmerkmal zum Wertungswiderspruch führt, dann muss diese alternative Vorschrift als eine Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände behandelt werden, obwohl diese Alternativen dieselbe Formulierungseinheit darstellen82. Hier stellen sich zwei Fragen nacheinander, nämlich erstens, ob die Alternativen in anderen Tatbeständen selbstständig bzw. unterschiedlich bewertet werden, und zweitens, ob diese Alternativen sich in der alternativ gefassten Vorschrift auf das Erfolgsunrecht bzw. auf die Bestimmung der Angriffsrichtung beziehen. Die erste Frage ist leichter zu beantworten als die zweite, die freilich mit der Interpretation der einzelnen Tatbestände im BT sehr eng zusammenhängt. Diese Akzessorietät von Interpretationen des BT lässt sich unten anhand einiger Beispiele demonstrieren. bb) Bestimmung der Angriffsrichtung Die Selbstständigkeit der Alternativen zeigt sich dort am deutlichsten, wo der Straftatenkatalog eingesetzt wird. Dazu gehört § 138 (Nichtanzeige geplanter Straftaten). Es kann durchaus vorkommen, dass der Täter bei derselben Gelegenheit mehrere Straftaten nicht anzeigt83. Wenn die Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Straftaten in Abs. 1 als eine Einheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal zum Wertungswiderspruch führt, dann muss man diese Alternativen als mehrere Einheiten bzw. Tatbestandsmerkmale behandeln. Ob das der Fall ist, hängt von der Angriffsrichtung des § 138 ab. Da die hier geschützten Rechtsgüter nach h. M. die Vgl. Montenbruck, Strafrahmen, 1983, S. 195 f., 200. Schmidhäuser, AT, Studienbuch, 14 / 10. Zu beachten ist jedoch die Meinung Montenbrucks: Der typische Unrechtsgehalt der Körperverletzung sei im Misshandeln und Beschädigen der Gesundheit des Opfers zu sehen. Fehlt es also etwa am Misshandeln, so sei dies bei der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen (ders., Strafrahmen, 1983, S. 200). 82 s. dazu näher o. 1. Teil C. VI. 83 Beispiel: Ein Hausmeister hat beim Putzen zufällig erfahren, dass der Bewohner B vorhat, einen Supermarkt zu berauben und seinen Nebenbuhler N, der dort arbeitet, umzubringen. Jedoch zeigt er B weder bei der Behörde noch bei dem N und dem Geschäftsinhaber dieses Supermarkts an. 80 81

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

durch die Katalogtaten angegriffenen Rechtsgüter sind84, würde die Behandlung dieser Alternativen als eine Einheit zum Wertungswiderspruch führen, weil unterschiedliche Bewertungen einerseits in den jeweiligen Vorschriften (§§ 80, 81 – 83, 94 usw.) zum Ausdruck gebracht und andererseits in § 138 wiederum gleich behandelt werden, solange man die Katalogtaten als eine Einheit ansieht. Raub und Mord werden z. B. im Straftatenkatalog des § 138 zusammengefasst, obwohl sie unterschiedliche Rechtsgüter verletzen, nämlich Eigentum und Freiheit einerseits sowie Leben andererseits. Da diese Verschiedenheit bzw. Selbstständigkeit zwischen Raub und Mord ihrer Gleichbehandlung im Wege steht, liegen mehrere Tatbestände in § 138 Abs. 1 vor, weswegen mehrfache Tatbestandserfüllung dann anzunehmen ist, wenn der Täter bei derselben Gelegenheit sowohl die Anzeige des Mordes als auch die des Raubs unterlässt. Die Möglichkeit der Gesetzeseinheit ist auch hier ausgeschlossen, weil der Täter durch seine Nichtanzeige mehrere unterschiedliche Rechtsgüter verletzt. Daher liegt Idealkonkurrenz vor. Ein Paradebeispiel ist ferner die Zusammenfassung der Alternativen des § 315c Abs. 1 (Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen)85. In der Literatur wird lediglich der Fall zur Diskussion gestellt, in dem der Täter durch eine Fahrt, die nur zu einer konkreten Gefahrenlage führt, mehrere Personen gefährdet86. Dagegen hat man das Konkurrenzverhältnis in Fällen, in denen sowohl die Person als auch die Sache gleichzeitig gefährdet werden, kaum (zumindest nicht ausdrücklich) behandelt, obwohl diese Konstellation den Regelfall des § 315c darstellen dürfte87. Sicher ist allerdings, dass Menschen und Sachen im Strafrecht unterschiedlich zu bewerten sind. Die Selbstständigkeit und die Verschiedenheit dieser beiden Alternativen zeigen sich durch die Vorschriften der Tötung und Sachbeschädigung deutlich. Bei der Frage, ob man beide Alternativen in § 315c als eine Einheit ansehen darf, kommt es wiederum darauf an, ob beide Alternativen der Bestimmung der Angriffsrichtung in § 315c dienen. Denkbar ist, dass § 315c dem Schutz der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Verkehrssicherheit als einem Universalrechtsgut dient88. Wenn § 315c ausschließlich dem Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit dient, sind beide Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen, ohne dass ihre Gleichbehandlung zum s. o. 1. Teil C. Fn. 232 m. w. N. Bei der Formulierung eines konkreten Gefahrerfolges werden diese Alternativen oft eingesetzt; z. B. §§ 306 f. Abs. 2, 307 Abs. 1, 308 Abs. 1, 312 Abs. 1, 313 Abs. 1, 315 Abs. 1, 315a Abs. 1, 315b Abs. 1, 315c Abs. 1. 86 Nach h. M. wird der Tatbestand des § 315c Abs. 1 hier nur einmal verwirklicht (s. u. Fn. 95), während sich die Mindermeinung für die Annahme der gleichartigen Tateinheit ausspricht (s. u. Fn. 94 m. w. N.). 87 Beispiel: Der infolge Trunkenheit fahruntüchtige Fahrer hat bei derselben Fahrt nicht nur Menschen, sondern auch Autos gefährdet. 88 So z. B. Welzel, Lb, 1969, S. 460; Roxin, AT / 2, 33 / 209; Bockelmann, BT / 3, 1980, S. 172; Otto, BT, 80 / 1, 21; Arzt / Weber, BT, 38 / 19, 27, 37; wohl auch Geppert, Jura 1996, S. 51, 647; ders., Jura 2001, S. 567: § 315c diene vorrangig der allgemeinen Verkehrssicherheit und nur reflexhaft auch dem Schutz von Individualinteressen. 84 85

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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Wertungswiderspruch führen würde. Denn sie haben dann nichts mit der Bestimmung der Angriffsrichtung des § 315c zu tun, weswegen von einer Nivellierung der verschiedenen Wertungen keine Rede mehr sein kann. Demzufolge ist beim Zusammentreffen mehrerer Alternativen nur die Annahme einer einmaligen Tatbestandsverwirklichung folgerichtig89; hier liegt nur eine quantitative Unrechtssteigerung, aber keine mehrfache Tatbestandserfüllung vor90. Schützt § 315c dagegen ausschließlich Individualrechtsgüter, nämlich einerseits Leben und körperliche Unversehrtheit und andererseits fremdes Eigentum91, dann können beide Alternativen nicht mehr als eine Einheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden, weil sonst ein Wertungswiderspruch entstehen würde. Davon ausgehend enthält § 315c Abs. 1 zwei Tatbestände92, weswegen bei ihrem Zusammentreffen eine mehrfache Tatbestandserfüllung anzunehmen ist93. Darüber hinaus sollte sich die Zahl der Tatbestandsverwirklichungen auch nach der Zahl der konkret gefährdeten Objekte bestimmen, wobei bei der Gefährdung mehrerer anderer Personen durch eine Handlung stets Tateinheit angenommen wird94. Die überwiegenden Lehrmeinungen gehen demgegenüber davon aus, dass § 315c sowohl der allgemeinen Verkehrssicherheit als auch dem Schutz von Individualinteressen dient95. Nach dieser Position können die beiden Alternativen auch 89 Danach liegt freilich auch dann nur eine Tat vor, wenn ein einzelner Gefahrzustand zugleich mehrere Personen oder Sachen verschiedener Eigentümer betrifft (Otto, BT, 80 / 39). 90 In einigen richterlichen Entscheidungen zu Fällen, in denen der Täter sowohl einen Menschen als auch eine Sache gefährdet hat, wurde eine einmalige Tatbestandsverwirklichung angenommen, ohne überhaupt das Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Tatbestandsalternativen zu besprechen; das OLG Düsseldorf hat z. B. nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung des § 315c in dem Fall angenommen, in dem der Angeklagte das Leben des einen gefährdet und das Leben des anderen verletzt sowie zwei fremde Autos beschädigt hat (NZV 1999, S. 388 f.). 91 Z. B. Horn, in: SK-StGB, § 315c Rn. 2; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 50 / 11; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 315c Rn. 2; Krüger, Rechtsgutsbegriff, 2000, S. 159 ff. sowie BayObLG, VRS 63, S. 275; BGH, VRS 55, S. 185. 92 Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 50 / 5: Problematisch sei die Zusammenfassung so heterogener Rechtsgüter in einem Tatbestand mit dem gleichen Strafrahmen. 93 Da das Konkurrenzverhältnis in der Urteilsformel immer kenntlich zu machen ist, d. h. der Richter auch bei gleichartiger Tateinheit im Urteil angeben muss, wie oft der Tatbestand verwirklicht wurde (Meyer-Goßner, StPO, § 260 Rn. 26), würde ein technisches Problem bei der Feststellung der Zahl der Tatbestandsverwirklichungen entstehen, wenn hier Idealkonkurrenz anzunehmen wäre. Dies müsste bei der Gefährdung einer schwer zu überblickenden Vielzahl von Personen an sich überflüssige Ermittelungen über die genaue Zahl der gefährdeten Personen nach sich ziehen. 94 Horn, SK-StGB, § 315c Rn. 26; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT / 2, 50 / 11 (jedoch in 53 / 23: einmalige Tatbestandsverwirklichung). Demgegenüber spricht sich Tröndle (a. a. O., Rn. 22) für das Vorliegen nur einer Tat aus. 95 Lackner / Kühl, StGB, § 315c Rn. 1; Tröndle / Fischer, StGB, § 315c Rn. 2; Kindhäuser, LPK-StGB, § 315c Rn. 1; Wessels / Hettinger, BT / 1, Rn. 978; LK-Rüth, § 315c Rn. 1; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 315c Rn. 2; Gössel / Döllig, BT / 1, 42 / 29; Rengier, BT / 2, 44 / 1; Schroth, Irrtum, 1998, S. 68. Danach wird der Tatbestand des § 315c

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

nicht als eine Einheit angesehen werden. Denn solange die individuellen Güter bezüglich der Angriffsrichtung des § 315c tatsächlich eine Rolle spielen, wird die Gleichbehandlung beider Alternativen zur Nivellierung der verschiedenen Wertungen führen, und zwar gleichgültig, ob den individuellen Gütern ein ausschließlicher Schutz zukommt oder ein sekundärer. Daraus ergibt sich, dass man beim Zusammentreffen der beiden Alternativen nur dann zum Ergebnis der einmaligen Tatbestandserfüllung kommen kann, wenn § 315c ausschließlich dem Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit dienen würde. Anderen Positionen zufolge ist § 315c Abs. 1 als eine Zusammenfassung zweier Tatbestände anzusehen, wäre bei ihrem Zusammentreffen also eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung anzunehmen. Es wäre jedoch voreilig, zu sagen, dass Idealkonkurrenz bei ihrem Zusammentreffen unbedingt vorliege. Denn es muss weiter geprüft werden, ob Gesetzeseinheit vorliegt. Aus phänomenologischen Gesichtspunkten ist die Gefährdung von Menschen zwar nicht logisch-notwendig, aber doch typischerweise mit der Gefährdung von Sachen verbunden. Deshalb könnte der sachgefährdende Tatbestand ggf. als typische Begleittat vom menschengefährdenden Tatbestand konsumiert werden, soweit man die Konsumtion als eine der Typen der Gesetzeseinheit anerkennt96. Das Gleiche gilt auch für § 125 Abs. 1 Nr. 1. Wenn man der h. L. folgt, wonach Schutzrichtung des § 125 Abs. 1 die öffentliche Sicherheit ist, bezieht sich die Hinzufügung der beiden Alternativen nicht auf Erfolgsunrecht, sondern nur auf Handlungsunrecht. Die Schutzrichtung bestimmt sich also nach der Formulierung „in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise“, weswegen der Beschreibung der Gegenstände der Gewalttätigkeit nur sekundäre Bedeutung zukommt. Danach ist eine einfache Tatbestandsverwirklichung beim Zusammentreffen beider Alternativen anzunehmen97. Abs. 1 auch dann nur einmal verwirklicht, wenn der Täter durch eine Handlung, die nur zu einer konkreten Gefahrenlage führt, mehrere Personen gefährdet (so Engelhardt, DriZ 1982, S. 107; Lackner / Kühl, StGB, § 315c Rn. 35; Tröndle / Fischer, StGB, § 315c Rn. 23; Kindhäuser, LPK-StGB, § 315c Rn. 19; LK-Rüth, § 315c Rn. 74; Wessels / Hettinger, BT / 1, Rn. 985; Gössel / Döllig, BT / 1, 42 / 69; Janiszewski, NStZ 1994, S. 112; Geppert, Jura 1996, S. 51; ders., Jura 1996, S. 647; ders., Jura 2001, S. 567; auch in der Rechtsprechung, s. dazu BayObLG, VRS 63, S. 275; NJW 1984, S. 68; BGH, NStZ 1984, S. 112; NJW 1985, S. 2550 f.; NJW 1989, S. 320, 1227; JR 1990, S. 73 f.). Dagegen für Tateinheit: Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 315c Rn. 54: Gleichartige Tateinheit sei angesichts der Höchstpersönlichkeit der gefährdeten Güter nur dann anzunehmen, wenn in einer einheitlichen Gefahrensituation mehrere Personen gefährdet werden, während bei Gefährdung mehrerer Sachen nur eine Tat vorliege (so auch Jakobs, AT, 32 / 27 bei Anm. 42). 96 Erkennt man dagegen die Konsumtion nicht als Unterfall der Gesetzeseinheit an, dann ist hier Tateinheit anzunehmen. Die gleiche Struktur hat auch § 313 Abs. 1, dessen beiden Gefährdungserfolge vor dem 6. StrRG 1998 jeweils in § 312 (lebensgefährdende Überschwemmung) sowie § 313 (sachgefährdende Überschwemmung) geregelt wurden; zwischen beiden war nach h. M. Idealkonkurrenz anzunehmen (Horn, in: SK-StGB, 1988, § 312 Rn. 11, § 313 Rn. 3; LK-Wolff, in LK-StGB, 1985, § 313 Rn. 4; Schönke / Schröder / Cramer, StGB, 1997, § 313 Rn. 5; Tröndle, StGB, 1997, § 313 Rn. 3). 97 Beispiel: Der Täter hat sich an einem umfänglichen Krawall beteiligt, und den Polizeibeamten sowie den daneben stehenden Polizeiwagen mehrere Molotowcocktails hingeworfen.

A. Konkurrenzverhältnis zwischen Tatbestandsalternativen

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c) Abfassung des Urteilstenors Schließlich bleibt nur noch eine rein technische Frage übrig, nämlich wie zu tenorieren ist. Sind mehrere Tatbestandsalternativen durch eine Handlung erfüllt und liegen weder die einmalige Tatbestandsverwirklichung noch Gesetzeseinheit vor, so müssen sie theoretisch im Schuldspruch kumuliert werden. Denn im Urteilstenor ist einerseits der Umfang der Tat zu kennzeichnen und andererseits jeder Tatbestand zu nennen, der bei der Strafzumessung berücksichtigt wird. Dies lässt sich dort leichter vertreten, wo die Alternativen verschiedene gesetzliche Bezeichnungen haben98 oder unterschiedlich beziffert werden99. Das ist aber bei den meisten Tatbestandsalternativen nicht der Fall. Wenn die alternativ gefasste Strafvorschrift nur eine einzige gesetzliche Überschrift hat und deren Alternativen nicht beziffert sind, ist es freilich viel schwieriger, das tateinheitliche Verhältnis zwischen Alternativen bzw. zwischen den alternativ zusammengefassten Tatbeständen im Tenor auszudrücken. Man kann zwar die jeweilige Alternative charakterisierenden Beschreibungen, die sich an den Gesetzeswortlaut anlehnen, verwenden; aber sie würden zu dem Grundsatz, nach dem der Tenor klar und in knapper, verständlicher Sprache abgefasst sein soll100, oft im Spannungsverhältnis stehen. Sicher ist jedenfalls, dass diese Schwierigkeit kein Grund sein darf, das materielle Konkurrenzverhältnis anders zu bestimmen101. Angesicht der Besonderheit der Tatbestandsalternativen, dass sie sich in derselben Vorschrift befinden und dieselbe Strafdrohung auslösen, sowie um der Klarheit und Verständlichkeit des Tenors willen könnte man hier den Tenor in Form der gleichartigen Idealkonkurrenz102 abfassen, obwohl eine ungleichartige Idealkonkurrenz vorliegt. Freilich unterliegt es dem Ermessen des Gerichts, die Beschreibungsweise des Urteilsspruchs zu wählen, solange die Fassung der Urteilsformel mit ihren Aufgaben zurechtkommt. Im obigen Beispiel des § 138 kann man also den Urteilstenor sowohl in der Form ungleichartiger Idealkonkurrenz, wie etwa: „Der Angeklagte wird wegen der 98 Z. B. in § 244 Abs. 1 Nr. 1 und 2: „Wegen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Bandendiebstahl“ (BGH NStZ 1994, S. 286; so auch KMR-Stuckenberg, § 260 Rn. 49); a.A.: für eine Tat, z. B. Meyer-Goßner / Appl, Urteile, 2002, Rn. 58; Meyer-Goßner, StPO, § 260 Rn. 12. 99 NK-Puppe, Vor § 52 Rn. 17: Im Tenor werde das hinreichend dadurch ausgedrückt, dass die einschlägigen Absätze und Alternativen beziffert werden. 100 Vgl. dazu Granderath, MDR 1984, S. 988. 101 NK-Puppe, Vor § 52 Rn. 17; dagegen BGH NJW 1994, 2035: Man könne den Angeklagten nicht wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerem Raub verurteilen. 102 Dagegen genügt es nach BGH NStZ 1994, S. 285 f., in die Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung „wegen schweren Raubs“ aufzunehmen, obwohl eine Tateinheit angenommen wird. Zur Abfassung der Urteilsformel bei gleichartiger Idealkonkurrenz, vgl. KK-Schoreit, § 260 Rn. 34; Schäfer, Strafverfahren, Rn. 1387; dagegen Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 57: Von der Kenntlichmachung gleichartiger Tateinheit im Urteilsspruch könne ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dadurch der Tenor unübersichtlich würde; dies widerspräche nämlich dem auch zu berücksichtigenden Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Nichtanzeige von Mord in Tateinheit mit der von Raub zu . . . verurteilt“, als auch in der Form gleichartiger Idealkonkurrenz abfassen, etwa: „Der Angeklagte wird wegen einer Nichtanzeige in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu . . . verurteilt“.

IV. Zusammenfassung Wenn die Tatbestandsalternativen im (semantischen oder normativen) Einschlussverhältnis zueinander stehen, kann man das konkurrenzrechtliche Problem mühelos lösen. Hier ist stets eine einmalige Tatbestandsverwirklichung anzunehmen, wobei sich die Tatsache, dass mehrere Alternativen erfüllt sind, nicht strafschärfend auswirkt. Nur bei kollektiv gefassten Alternativen muss man die These der Formulierungseinheit und ihre Einschränkung der systematischen Betrachtung einsetzen. Dadurch lässt sich die erste, formelle Frage des konkurrenzrechtlichen Prüfungsschemas beantworten, nämlich ob eine einmalige oder mehrfache Tatbestandsverwirklichung vorliegt. Wenn sich kollektive Alternativen auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen und ihre Gleichbehandlung nicht zum Wertungswiderspruch führt, dann sind sie stets als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal anzusehen, weshalb nur eine einmalige Tatbestandsverwirklichung bei ihrem Zusammentreffen durch eine Handlung vorliegt. Dagegen ist mehrfache Tatbestandserfüllung dann anzunehmen, wenn einschlägige Alternativen mehrere Tatbestandsmerkmale darstellen. Dazu gehören die drei folgenden Konstellationen: (1) eine der verwirklichten Alternativen enthält an sich bereits mehrere Formulierungseinheiten; (2) die verwirklichten Alternativen enthalten zwar jeweils nur eine, jedoch nicht die gleiche Formulierungseinheit, und (3) die Alternativen beziehen sich zwar auf die gleiche Formulierungseinheit, aber ihre Koordination bzw. Gleichbehandlung stimmt mit anderen Entscheidungen des Gesetzgebers (in anderen Tatbeständen) nicht überein. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass die mehrfache Tatbestandsverwirklichung nicht unbedingt zur Idealkonkurrenz führt. Es ist hier also weiter zu prüfen, ob Gesetzeseinheit bzw. Konsumtion vorliegt. Nur wenn dies verneint wird, kommt man zum Ergebnis der Idealkonkurrenz. Zum Schluss stellt sich die Frage, ob unser Lösungsvorschlag auch dort einzusetzen ist, wo mehrere Gegenstände verfehlt als Alternativen in derselben Vorschrift zusammengefasst werden. An der Reformgeschichte der Begünstigung lässt sich das Problem gut veranschaulichen. Die Begünstigung (§ 257) und die Strafvereitelung (§ 258) waren vor dem 1. 1. 1975 in derselben Vorschrift als zwei Tatbestandsalternativen (die sachliche und die persönliche Begünstigung) zusammengefasst103. Da diese tatbestandliche Verbindung zwischen beiden in der Literatur 103 § 257 Abs. 1 erster Satz a. F. hatte folgenden Wortlaut: „Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vorteile des Verbrechens oder Vergehens

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen

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einhellig für verfehlt gehalten wurde104, nahm man damals stets Idealkonkurrenz an, wenn der Täter die persönliche und die sachliche Begünstigung durch dieselbe Handlung erfüllt hatte105. Es fehlte aber eine nähere Begründung, warum erstens eine mehrfache Tatbestandsverwirklichung vorlag und zweitens keine Gesetzeseinheit anzunehmen war, obwohl man die Schutzrichtungen beider Alternativen für die gleiche (Rechtspflege) hielt106. In der Tat stellten die beiden Alternativen die gleiche Formulierungseinheit dar, weshalb sie zusammen als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal (eine alternative Beschreibung der Absicht) angesehen werden mussten. Demzufolge war – entgegen der damals h. M. – eine einmalige Tatbestandsverwirklichung bei ihrem Zusammentreffen anzunehmen. Bei jeder legislativen Zusammenfassung der Alternativen trifft der Gesetzgeber eine Entscheidung für die Bildung eines einheitlichen Tatbestands und war bei der Bildung des § 257 a. F. ebenfalls davon ausgegangen, dass die persönliche sowie die sachliche Begünstigung als zwei unselbstständige Tatmodalitäten bzw. zwei Spielarten desselben Delikts – aber nicht zwei selbstständige Unrechtstypen – zu begreifen sind. Solange eine solche Koordination nicht mit anderen legislativen Entscheidungen (in anderen Tatbeständen) unverträglich ist, muss der Rechtsanwender diese legislative Entscheidung respektieren. Bei der Behandlung des Konkurrenzproblems des § 257 a. F. hat die damalige h. M. die hinter dem Gesetzestext stehende Entscheidung des Gesetzgebers völlig übersehen. Ohne besonderen Grund darf man aber – wie Köhler mit Recht betont hat – die verschiedenen zu einem Verbrechensbegriff zusammengefassten Fälle nicht als eine Mehrheit selbstständiger Delikte ansehen107. Will man den unpassenden Gesetzestext bzw. die verfehlte Zusammenfassung nicht hinnehmen, dann bleibt – unter Berücksichtigung der Gewaltenteilung und des Gesetzlichkeitsprinzips – nur ein einziger Ausweg übrig, nämlich diese Alternativen durch eine Gesetzesreform in unterschiedlichen Vorschriften zu regeln.

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen Auch bei alternativ gefassten Strafvorschriften können Unklarheiten bei der Sachverhaltsermittlung hinsichtlich Tatbestandsalternativen auftreten. Damit sind Konstellationen gemeint, in denen klar ist, dass die einschlägige Strafvorschrift erfüllt ist, nicht aber, nach welcher Tatbestandsalternative. Hier taucht die erste zu sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre. . . zu bestrafen“. In diesem Text unterscheidet man sachliche und persönliche Begünstigung. 104 Vgl. dazu Sturm, JZ 1975, S. 11; Schönke / Schröder, StGB, 17. Aufl. 1974, S. 1333. 105 Welzel, Lb, 1969, S. 395; Schönke / Schröder, StGB, 1974, § 257 Rn. 56; Dreher, StGB, 34. Aufl. 1974, § 257 6). 106 Vgl. Dreher, StGB, 1974, § 257, 1) B.; Lackner / Maassen, StGB, 8. Aufl., 1974, § 257 1. 107 A. Köhler, Grenzlinien, 1900, S. 56.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Frage auf, ob eine eindeutige Verurteilung noch möglich ist. Ist dies zu verneinen, stellt sich die nachfolgende Frage, ob und inwieweit eine wahldeutige Verurteilung in dieser Konstellation zulässig ist. Um diese Fragen genau beantworten zu können, sollen die Tatsachenfeststellung und die Behandlung der non-liquet-Situation im Strafverfahren zunächst einmal skizzenhaft vorgestellt werden.

I. Tatsachenfeststellung und Behandlung eines non liquet 1. Grundsatz „in dubio pro reo“ Allgemein anerkannt ist, dass die Strafe nur bei Gegebensein bestimmter Voraussetzungen legitimierbar ist. Nach § 261 StPO kann eine Rechtsfolge nur dann eintreten, wenn der Strafrichter davon überzeugt ist, dass alle Voraussetzungen der einschlägigen Straftat zweifelsfrei gegeben sind. Kann das Gericht das Gegebensein der Voraussetzungen dagegen nicht mit Sicherheit feststellen, so fehlt es an der legitimierenden Grundlage für eine Verurteilung und Bestrafung. Dies lässt sich auch von der materiellrechtlichen Garantiefunktion der Straftatbestände ableiten: Müsste man die im Strafgesetzbuch geregelten Voraussetzungen der Straftat im Strafverfahren nicht ernst nehmen, würde die Anforderung an die Bestimmtheit im materiellen Strafrecht in der Luft hängen bleiben, weil es dann gar keinen Unterschied machte, ob die Voraussetzungen im Gesetzbuch hinreichend präzise und bestimmt formuliert sind oder nicht. Die prozessrechtliche Kehrseite der materiellen Garantiefunktion des Strafgesetzes kommt zum Ausdruck in dem Satz: Keine Strafe ohne Tat- und Schuldnachweis1. Da das heutige Strafrecht Verdachtsstrafen nicht mehr kennt2, müssen das Vorliegen der strafbarkeitsbegründenden und das Fehlen der strafbarkeitsausschließenden Merkmale für eine Verurteilung unerlässlich nachgewiesen werden. Vergangene Sachverhalte festzustellen ist aber eine der schwersten Aufgaben des Strafrichters3. Da einem Menschen nicht jederzeit jede Information zur Verfügung steht bzw. zugänglich ist, kommt es freilich nicht selten vor, dass im Strafverfahren Unklarheit über das Vorliegen von Tatsachen herrscht. In einem solchen Falle darf das Strafverfahren aber nicht in der Schwebe bleiben, sondern muss aus Gründen der Rechtssicherheit innerhalb angemessener Frist abgeschlossen werden. Unerlässlich ist deshalb eine Regel, mit der man auch bei einem „non liquet“ zur Sachentscheidung kommen kann4. Dafür muss zunächst geklärt werden, welche Stree, In dubio, 1962, S. 18; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 145. Der gemeinrechtliche Inquisitionsprozess erlaubte bei ungenügendem Schuldbeweis, statt der ordentlichen Strafe eine mildere außerordentliche Strafe zu verhängen (poena extraordinaria, od. Verdachtsstrafe); vgl. dazu Stuckenberg, JA 2000, S. 569; Lesch, Strafprozeßrecht, 2 / 249. 3 Stree, In dubio, 1962, S. 1. 4 Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 144. 1 2

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen

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Rechtsfolge5 eintreten soll, wenn weder das Vorliegen noch das Fehlen rechtserheblicher Umstände vollständig geklärt werden können. Im Unterschied zum Zivilprozess, in dem man die Beweislast auf Kläger und Beklagten verteilt (Beweislastverteilung), liegt sie im Strafprozess nach dem Instruktionsprinzip für die eine Verurteilung tragenden Umstände allein beim Staat. Für ein rechtsstaatliches Strafverfahren kann es nur eine einzige Beweislastregel bzw. Entscheidungsregel6 geben, nämlich: in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten)7. Sind die vorgebrachten Beweise nicht hinreichend, fällt das Risiko des non liquet auf den beweispflichtigen Staat: Er darf nicht verurteilen8. In einem rechtsstaatlichen Strafprozess dürfen Umstände, die nicht voll nachgewiesen sind, dem Angeklagten nicht zur Last gelegt werden und muss der Richter bei einem nach sorgfältiger Beweiswürdigung nicht behebbaren Zweifel an den Tatsachen von der für den Angeklagten günstigeren Möglichkeit ausgehen9.

2. Ausnahme – Wahlfeststellung Würde der Grundsatz „in dubio pro reo“ ausnahmslos (auch in Fällen der Wahlfeststellung) angewendet werden, würde man in einigen Fällen zu einem lebensfremden, allgemeinen Rechtsgefühl und der Gerechtigkeit widersprechenden Ergebnis kommen. Es geht hier um die Fälle, in denen das Gericht zwar nach Ausschöpfung aller Beweismittel (§ 244 II StPO) einerseits zur Überzeugung gelangt, dass der Täter sich strafbar gemacht hat, jedoch andererseits wegen der tatsäch5 Nämlich: Beweislast. Hier darf die Beweislast nicht als Last i. S. eines Rechtsnachteils für eine Beteiligtenseite verstanden werden, ebenso wenig muss es eine Verteilung der Beweislast wie im Zivilprozess geben (Stuckenberg, JA 2000, S. 569). Rechtslogisch bedeutet die Beweislast eine Weisung an den Richter, wie er dort zu entscheiden habe, wo er eine rechtlich erhebliche Tatsache weder mit Sicherheit bejahen noch mit Sicherheit verneinen kann (Engisch, Einführung, 1997, S. 70). Ohne eine solche Entscheidungsregel wäre die Entscheidung dafür, dass die Rechtsfolge nicht eintritt (negative Ergänzungsnorm), bei einem non liquet auch nicht zu treffen, vgl. näher dazu Frisch, FS-Henkel, 1974, S. 280 f. 6 Das Wesen dieses Grundsatzes ist umstritten; für die Einordnung dieses Grundsatzes als Entscheidungsregel des Rechtsanwendungsrechts: Frisch, FS-Henkel, S. 283; Schlüchter, in: SK-StPO, § 261 Rn. 69; Lesch, Strafprozeßrecht, 2 / 250; Struckenberg, JA 2000, S. 569; Hebert, JA 2002, S. 193 ff.; als Beweislastregel wollen Baumann / Weber / Mitsch, AT, 9 / 107 ff.; Engisch, Einführung, 1997, S. 70; Deubner, JuS 1962, S. 21 den Grundsatz verstanden wissen; als Unterstellungsregel: LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 111; als Beweisregel: Hruschka, MDR 1967, S. 266. 7 Er wird auch als „Zweifelssatz“ oder „In-dubio-Satz“ bezeichnet. 8 Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 956; so auch Stuckenberg, JA 2000, S. 569. Volk betont dagegen, dass die Denkform der Beweislast auf die Verhältnisse im Strafverfahrensrecht kaum passe (ders., StPO, 18 / 18 f.). 9 Zu beachten ist noch, dass dieser Grundsatz nicht stets zum Freispruch, sondern auch ggf. zu einem weniger schwerwiegenden Ergebnis führt; günstiger ist also nicht nur die mögliche Sachverhaltsgestaltung, die sich nicht unter einen Straftatbestand subsumieren lässt, sondern auch eine solche, die zur Anwendung einer milderen Strafbestimmung als andere führt.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

lichen Unklarheit nicht festgestellt werden kann, welche dieser Tatsachenalternativen wirklich gegeben ist. Hier müsste eine gesonderte, wechselseitige Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ auf jede der beiden in Betracht kommenden Straftaten dazu führen, dass hinsichtlich der einen wie der anderen ein Freispruch mangels Beweisen erfolgen müsste10, wodurch der schuldige Angeklagte der Bestrafung entgehen würde. Ob ein solches Ergebnis, durch welches dem Täter ein unverdienter Vorteil zugute käme, hingenommen werden soll, oder ob man hier ein bestimmtes Institut schaffen muss, mit dem der Täter auch in diesen Fällen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können muss, ist der Anknüpfungspunkt der Wahlfeststellung11, die eine aus kriminalpolitischen Gründen notwendige Ausnahme12 vom In-dubio-Satz darstellt. a) Zulässigkeit der Wahlfeststellung Da man einerseits ungerechtfertigte Freisprüche13 vermeiden, andererseits aber den Angeklagten vor einer unverdienten Verurteilung bewahren will, spiegelt diese Thematik das Spannungsverhältnis wider, das zwischen gebotener Rechtssicherheit einerseits, und präventiven Erwägungen sowie materiellen Gerechtigkeitserwägungen (Einzelfallgerechtigkeit) andererseits herrscht14. Schon die Zulässigkeit der Wahlfeststellung15 ist in der Literatur und der Rechtsprechung nicht ganz unbe10 Zwei Schulbeispiele: (1) Beim Angeklagten wird ein gestohlenes Auto vorgefunden. Es steht schon fest, dass der Angeklagte es entweder selbst gestohlen (§ 242) oder unter den Voraussetzungen des § 259 an sich gebracht hat. Die Möglichkeit, dass er das Auto gutgläubig gekauft hat, ist also bereits ausgeschlossen. Es kann jedoch nicht mit Sicherheit bewiesen werden, ob er diese fremde Sache wirklich selbst gestohlen oder hehlerisch vom Dieb erworben hat. (2) Ein Zeuge hat in zwei verschiedenen Gerichtsverfahren zwei sich widersprechende eidliche Aussagen gemacht. Dass entweder die eine oder die andere Aussage falsch gewesen sein muss, steht zwar außer Zweifel. Jedoch lässt sich nicht aufklären, welche von den beiden falsch ist. 11 Oder: „Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage“, „wahldeutige Feststellungen“ (KK-Schoreit, § 261 Rn. 67), „doppel- oder mehrdeutige Feststellungen“ (Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 337). Einige Autoren halten den Terminus „Wahlfeststellung“ für irreführend; vgl. dazu Willms, JZ 1962, S. 628; ihm folgend: LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 64; LRGollwitzer, § 261 Rn. 125 bei Anm. 565; Dreyer, Wahlfeststellung, 1999, S. 39 f. 12 So etwa Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 144; Wessels / Beulke, AT, Rn. 805; Schroeder, Strafprozeßrecht, Rn. 284; Dreyer, Wahlfeststellung, 1999, S. 20. Ferner hält Rudolphi die Wahlfeststellung zugleich auch für eine gewisse Modifizierung des nullum-crimen-Satzes, der an sich gebietet, jede tatbestandsmäßige Tat isoliert zu betrachten (ders., in: SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 6). 13 Von ungerechtfertigten Freisprüchen ist freilich nur dann die Rede, wenn ein strafloser Geschehenablauf bereit mit Sicherheit ausgeschlossen ist. 14 Nach Angaben Schmollers ist im Jahre 1986 (Tatsachenaufklärung, 1986, S. 22) die Thematik der Wahlfeststellung bereits seit 130 Jahren wissenschaftlich erörtert worden. 15 Gegen diesen Ausdruck spricht Hruschka sich aus, weil nur eine Verurteilung aufgrund einer Alternativfeststellung „zulässig“ oder „unzulässig“ sein kann, nicht aber die Wahlfeststellung per se (ders., JuS 1982, S. 322, bei Fn. 32).

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen

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stritten. Die Mindermeinung spricht sich für eine konsequente Anwendung des Indubio-Satzes aus, also für die generelle Ablehnung der Wahlfeststellung: Die Wahlfeststellung führe immer in die Nähe des unerträglichen Verdachtsurteils, wenn sie keine individualisierbare Straftat mit Sicherheit zugrunde legen könne16. Darüber hinaus sei die Wahlfeststellung auch als eine verbotene analoge Anwendung des Strafgesetzes anzusehen, weil das mildere Gesetz nicht auf einen festgestellten und ihm subsumierbaren Sachverhalt bezogen werde, sondern auf den Vergleichs- od. Alternativitätssachverhalt insgesamt; dafür werde normlogisch ein dritter Tatbestand gleichwertigen oder identischen „Unrechtskerns“ vorausgesetzt, aus materiellrechtlicher Perspektive also eine gesetzesanaloge Rechtsanwendung vollzogen, aus prozessualer Sicht ein Verdachtsurteil17. Diese Position wird im Schrifttum zu Recht überwiegend abgelehnt. Angesichts klar erwiesener Strafbarkeit den Angeklagten freizusprechen, würde dem allgemeinen Rechtsempfinden grob zuwiderlaufen und wäre dem Angeklagten selbst unbegreiflich18. Der Vorrang des Zweifelssatzes darf den Angeklagten nicht ungerecht begünstigen19. Davon abgesehen könnte diese Stellungnahme zu „Unehrlichkeiten in der Rechtsprechung der Untergerichte“20 führen: Um einen lebensfremden und der Gerechtigkeit widersprechenden Freispruch zu vermeiden, müssten die Untergerichte mehr oder weniger gewaltsam eindeutige Feststellungen treffen, auch wenn sie in Wirklichkeit keinesfalls überzeugt sind, dass der Angeklagte gerade diese Tat begangen hat21. Für den Angeklagten kann dies Ungünstigeres zur Folge haben als die Einführung der Wahlfeststellung, weil die „wahrscheinlichere Möglichkeit“ nicht stets auch die mildere ist22. Letztlich widerspricht der Freispruch auch präventiven Erwägungen23, weil mit Sicherheit festgestellt ist, dass der Täter in rechtsfeindlicher Gesinnung ein bestimmtes Delikt begangen hat. Andererseits wäre es freilich auch bedenklich, die Gerechtigkeit in allen Fällen zum Siege führen zu wollen, indem man die Zulässigkeit der Wahlfeststellung unbegrenzt anerkennt. Dies hätte die Preisgabe eines unverzichtbaren Stücks an Rechtssicherheit zur Folge24. Denn würde man die Zulässigkeit der Wahlfeststellung unbegrenzt anerkennen, würde dem Angeklagten u. U. ein Delikt als möglicherweise begangen angelastet werden, das er in Wirklichkeit nicht begangen hat 16 Etwa Schmidhäuser, Lb, 5 / 44; Maurach, AT, 4. Aufl., 1971, S. 114; M. Köhler, AT, 1997, S. 96. Engisch hält die Wahlfeststellung sogar für logisch bedenklich (ders., Einführung, 1997, S. 71). 17 So M. Köhler, AT, 1997, S. 96. 18 s. dazu Sax, JZ 1965, S. 747; Röhmel, JA 1975, S. 371. 19 Schlüchter, SK-StPO, § 261 Rn. 101a. 20 Blei, AT, 1983, S. 37, 39. 21 Vgl. Deubner, JuS 1962, S. 21; Blei, AT, 1983, S. 37; Rudolphi in SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 2; LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 63; Stuckenberg, JA 2001, S. 221. 22 Deubner, JuS 1962, S. 21. 23 Vgl. Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 91. 24 Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 149.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

und im Vergleich zum anderen Delikt auf ganz unterschiedlicher Ebene (z. B. bei höchst unterschiedlichen Rechtsgütern oder sozialethisch ganz unterschiedlich bewerteten Verhaltensweisen) liegt. Deshalb beschreitet die h. M. einen Mittelweg und geht davon aus, dass man zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit die Wahlfeststellung zwar u. U. für zulässig erklären kann, aber an strenge Voraussetzungen knüpfen soll, die garantieren, dass die Rechtssicherheit nicht zu sehr beschnitten wird25. Heutzutage kann die Frage also nicht mehr lauten, ob Verurteilungen auf zwei- oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage zulässig sind, sondern, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang solche Verurteilungen rechtsstaatlich hingenommen werden können und sachlich geboten sind26.

b) Erscheinungsformen der Wahlfeststellung Die Wahlfeststellung tritt in den zwei möglichen Formen in Erscheinung: Tatsachenalternativität ohne alternative Gesetzesanwendung27 und alternative Gesetzesanwendung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage28. Bei der Tatsachenalternativität ohne alternative Gesetzesanwendung geht es um diejenigen Fälle, in denen zwar feststeht, dass der Täter durch eine von mehreren in Frage kommenden, möglichen Handlungen auf jeden Fall gegen ein bestimmtes Gesetz verstoßen hat, jedoch ungewiss ist, durch welche der Handlungen dies geschehen ist29. Die Tatsachenzweifel bleiben also immer nur innerhalb desselben Tatbestandsmerkmals. Obwohl hier nur ein einziger Tatbestand in Betracht kommt, ist die Anwendbarkeit dieses Strafgesetzes aber nicht von vornherein unbedenklich, weil das Beweisergebnis der Subsumtion keine vollkommen eindeutige Tatsachengrundlage wiedergibt, sondern einzelne Tatsachen nur wahlweise anzubieten vermag30. Deshalb muss man auch hier auf die Institution der Wahlfeststellung zurückgreifen, um eine Verurteilung zu ermöglichen. Diese Gruppe wird im Schrifttum als unbegrenzt zulässig angesehen31. Es ist lediglich darauf zu achten, ob die alternativen Tatsachen 25 Wessels / Beulke, AT, Rn. 805; vgl. auch Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 68 ff. m. w. N. 26 LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 63. Die Voraussetzungen sind (1) Tatsachenzweifel trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten, (2) exklusive Alternativität strafbarer Sachverhalte, (3) Rechtshängigkeit aller Sachverhaltsalternativen sowie (4) normative Gleichwertigkeit der in Betracht kommenden Tatbestände. 27 Diese Gruppe wird üblich auch als unechte, gleichartige Wahlfeststellung, Sachverhaltsalternativität (Kindhäuser, AT, 48 / 8) oder reine Tatsachenalternativität bezeichnet (Schlüchter, SK-StPO, § 261 Rn. 92; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 19). Gegen den Ausdruck „Tatsachenalternativität“ spricht sich Sax aus, weil Tatsachenalternativität eine Gemeinsamkeit in allen Wahlfeststellungsfällen sei und das gegenüber der Gesetzesalternativität Unterschiedliche gerade nicht hervorhebe. Stattdessen schlägt er „Tatalternativität“ vor (vgl. dazu JZ 1965, S. 747). 28 Oder: echte, ungleichartige oder eigentliche Wahlfeststellung. 29 Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 338. 30 Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 25 bei Anm. 39.

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen

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örtlich und zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie noch demselben Lebensvorgang, derselben Tat i. S. des § 264 StPO angehören32. Demgegenüber handelt es sich bei der alternativen Gesetzesanwendung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage nicht lediglich um die Erfüllung ein und desselben Delikts, sondern um verschiedene Tatbestände33. Bei alledem darf freilich der etwaige (nach wie vor bestehende) Verdacht einer schwereren Gesetzesverletzung bei der Strafzumessung (zuungunsten des Angeklagten) keine Rolle spielen34; der Richter darf m. a. W. die Strafe nicht wegen eines solchen Verdachts verschärfen.

II. Non liquet bei Tatbestandsalternativen Die Entstehung des Tatsachenzweifels hängt nicht immer nur von der konkreten Beweislage ab; es kommt auch auf die Ausgestaltung der Tatbestände an. Denn je allgemeiner bzw. je unbestimmter sie gefasst sind, desto mehr tatsächliche Zweifel werden irrelevant, m. a. W., desto weniger wirken sich Zweifel in den Einzelheiten des tatsächlichen Geschehens auf die rechtliche Subsumtion aus35. Insofern ist das Erfordernis von Wahlfeststellungen sozusagen auch ein Produkt der im Rechtsstaatsprinzip verankerten Tatbestandsbestimmtheit. Die gesetzgeberische Technik der Tatbestandsalternativen hat unausweichlich auch die prozessuale Problematik des Beweises mit sich gebracht. Es geht hier um die Frage, wie der Angeklagte in den Fällen zu verurteilen ist, in denen zwar mit Sicherheit feststeht, dass er entweder die eine oder die andere der Tatbestandsalternativen innerhalb derselben Strafvorschrift verwirklicht hat, jedoch der Strafrichter bei keiner der in Frage stehenden Alternativen zur Überzeugung gelangt, sie sei tatsächlich erfüllt. Im Schrifttum hat man zwar auch über diese Problematik bei den Tatbestandsalternativen diskutiert. Jedoch sind die aufgestellten Lösungsvorschläge meistens einheitlich und damit auch zu grob, da sie der Verschiedenheit der Erscheinungsformen bzw. den Typen der Tatbestandsalternativen, die ggf. zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, nicht hinreichend gerecht werden. Hier tritt – wie im Bereich der Konkurrenzproblematik – die alte Frage wieder auf, nämlich: ob eine einheitliche Behandlung, die für alle Typen der Tatbestandsalternativen allgemein gilt, möglich ist. Man braucht nur einen Blick auf die Verschiedenartigkeit der Tatbestandsalternativen zu werfen, um ohne Schwierigkeiten zu erkennen, dass man vergeblich nach einem einheitlichen Lösungsansatz suchen wird, der für alle Arten von Tatbestands31 Vgl. dazu NK-Frister, Nach § 2 Rn. 11, 36 ff.; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 149; Hruschka, MDR 1967, S. 265 f., 268; Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 47 f., 86, 116, 393. 32 LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 138; vgl. dazu auch unten 4. c). 33 Zur Abgrenzung zwischen gleichartiger und ungleichartiger Wahlfeststellung, s. auch u. II. 2. b) bb). 34 Vgl. KK-Schoreit, § 261 Rn. 70. 35 LK-Tröndle, § 1 Rn. 63; Blei, AT, 1983, S. 39.

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alternativen gelten kann36. Da die „Tatbestandsalternative“ nur ein Sammelbegriff ist, scheint es vernünftig und zweckmäßig zu sein, vorweg anhand der semantischen Struktur unterschiedlicher Tatbestandsalternativen die relativ unproblematischen Fälle auszuklammern.

1. Ausklammerung der unproblematischen Fälle a) Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen Wenn einschlägige Alternativen in einem semantischen Einschlussverhältnis zueinander stehen, kann die non-liquet-Situation zwischen Alternativen überhaupt nicht entstehen. Das zeigt sich am deutlichsten bei den tautologisch gefassten Alternativen: Man kann im Strafverfahren nur zu dem Ergebnis gelangen, dass entweder alle oder gar keine der Tatbestandsalternativen verwirklicht wurden; es ist also unmöglich, die Verwirklichung nur einer der beiden Alternativen zu beweisen. Deshalb taucht das Problem des non liquet hier überhaupt nicht auf37. Das gilt freilich auch für quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen und beispielhafte Umschreibungen. Bei diesen Gruppen kann es allenfalls zu einer einseitigen Sachverhaltsungewissheit kommen. Denn wenn die Verwirklichung einer der Alternativen bereits mit Sicherheit bewiesen ist, dann werden die Tatsachen, die die eingeschlossene Alternative erfüllen, ebenfalls zweifelsfrei nachgewiesen:

aa) Quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen Bei den quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen erfassen die Alternativen verschieden intensive Arten des Angriffs auf dasselbe Rechtsgut; auch das Anwendungsproblem bei einem non liquet kann ohne Schwierigkeiten gelöst werden. Hier ist eine Parallele zum begriffslogischen Stufenverhältnis zu ziehen, das ursprünglich zwischen mehreren Tatbeständen vorliegt. Ein begriffslogisches Stufenverhältnis liegt dann vor, wenn die einschlägigen Tatbestände strukturell im Verhältnis des „Mehr zum Weniger“ stehen, sowie bei Spezialität, wo der eine Tatbestand in dem anderen völlig aufgeht38. Bei Zweifeln, ob der An36 Vgl. dazu auch o. 1. Teil A. II. und B. Im Schrifttum wird zwar manchmal auch bemerkt, dass z. B. auch ein Stufenverhältnis zwischen den Tatbestandsalternativen vorliegen kann, das anders zu behandeln ist als andere Tatbestandsalternativen (z. B. Wolter, Wahlfeststel7lung, 1987, S. 34, 38; Günther, Verurteilungen, 1976, S. 274 bei Anm. 5). Es mangelt jedoch leider immer an einer systematischen, umfassenden Gesamtanalyse für alle Gruppen der Tatbestandsalternativen. 37 Ebenso Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 27 f. 38 Diese Tatbestände unterscheiden sich also nur durch die Hinzufügung eines weiteren Merkmals S. Stuckenberg, JA 2000, S. 573; Otto, AT, 24 / 4. Ein begriffslogisches Stufenverhältnis liegt beispielsweise zwischen allen Grundtatbeständen und den darauf aufbauenden

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen

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geklagte schwereres oder leichteres Unrecht verwirklicht hat, greift der In-dubioSatz unbestritten durch, womit eine wahldeutige Verurteilung ausgeschlossen ist39. Der Richter kann nämlich den Angeklagten jedenfalls nach dem milderen Gesetz eindeutig verurteilen. In die Urteilsformel soll allein das mildeste Gesetz aufgenommen werden40. Hier bleibt für die Wahlfeststellung kein Raum41. Die Belange des Angeklagten werden durch diese Verurteilung nicht beeinträchtigt; denn er wird wegen des Unrechts bestraft, das er auf jeden Fall verwirklicht hat, und nicht wegen eines qualitativ anderen Unrechts42. Dieses Vorgehen lässt sich ebenso auf die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen übertragen, obwohl sie in derselben Vorschrift geregelt sind. Da diese Alternativen meistens erfolgsbezogen sind, kann ein Tatsachenzweifel auf den ersten Blick gar nicht entstehen. Denn der Erfolg ist normalerweise immer feststellbar43. Dennoch sind Beispiele zu finden, so z. B. im folgenden Fall des § 305 Abs. 1 (bezüglich der Alternativen „ganz oder teilweise“): Das Gericht gelangt zwar zu der Überzeugung, dass der Angeklagte ein Gebäude eines anderen während eines Krawalls zumindest teilweise beschädigt hat. Es kann jedoch nicht feststellen, ob ihm auch der Enderfolg, nämlich die ganze Zerstörung dieses Gebäudes, zuzurechnen ist, weil einige andere dasselbe Gebäude gleichzeitig beschädigt haben, ohne dass Mittäterschaft zwischen ihnen und dem Angeklagten vorgelegen hat. In diesem Fall liegt ein (einseitiger) Tatsachenzweifel vor. Da die teilweise Zerstörung in der ganzen Zerstörung enthalten ist, kann das Gericht hier gemäß dem In-dubio-Satz den Angeklagten lediglich nach der zweifellos erfüllten Alternative (der teilweisen Zerstörung) eindeutig verurteilen. Zusammenfassend liegt hier nur eine einseitige Sachverhaltsungewissheit vor, weswegen der Angeklagte nach dem In-dubio-Satz wegen der leichteren Alternative eindeutig zu verurteilen ist. Für die Wahlfeststellung bleibt also kein Raum.

Qualifizierungen und Privilegierungen vor. Gegen diesen Begriff – begriffslogisches Stufenverhältnis –, z. B. Günther, Verurteilungen, 1976, S. 125 ff.; nach ihm bedarf es stets einer Bewertung und Auslegung der einschlägigen Tatbestände, um das Verhältnis zwischen den in Frage stehenden Delikte zu ermitteln; die Logik allein hilft bei diesen Frage also nicht weiter. 39 Vgl. KK-Schoreit, § 261 Rn. 69. Ist das strafrechtlich relevante Mehr (z. B. Qualifikation) nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, darf nur wegen des mit Sicherheit verwirklichten, weniger schweren Tatbestandes (z. B. Grundtatbestand) verurteilt werden (LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 129). 40 LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 169. 41 Wessels / Beulke, AT, Rn. 806. 42 Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 4. 43 Wenn ein Gebäude zerstört wird, taucht normalerweise nur eine Rechtsfrage auf, nämlich ob eine solche Zerstörung als eine ganze zu bewerten ist. Aber insofern sind Tatsachenzweifel kaum vorstellbar.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

bb) Beispielhafte Umschreibungen Da die im Gesetzestext angeführten Beispiele (jeweils enger gefasste Alternativen) nichts anderes als Konkretisierungen der sich an sie anschließenden generalklauselartigen Alternative darstellen, besteht auch hier ein begriffslogisches Stufenverhältnis, nämlich zwischen der generalklauselartigen Alternative einerseits und anderen beispielhaften Alternativen andererseits. Erfüllt der Täter die Alternativen mit Beispielscharakter, wird die Auffangklausel, nämlich die generalklauselartige Alternative, gleichzeitig mit verwirklicht44, d. h., die generalklauselartige Alternative ist bereits zweifelsfrei bewiesen45. Hier kann also allenfalls eine einseitige Tatsachenungewissheit vorliegen. Daher kann der Richter auf dieser Tatsachengrundlage den Angeklagten stets wegen einer zweifelsfrei bewiesenen Tatbestandsalternative unmittelbar, eindeutig verurteilen46.

b) Nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen aa) Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen Auch bei der Gruppe, in der Alternativen qualitative Unrechtsabstufungen darstellen, liegt eine Parallele zum Stufenverhältnis vor, und zwar zum normativen. Normatives47 Stufenverhältnis ist ein Verhältnis des „Schwächeren zum Stärkeren“, in dem einer der Tatbestände zum anderen subsidiär ist48. Ein solches VerVgl. o. 2. Teil A. II. 1. Wenn man dagegen Zweifel an der Verwirklichung der Auffangklausel nicht beseitigen kann, dann muss man die Subsumierbarkeit dieses Tatbestandes verneinen und den Angeklagten nach dem In-dubio-Satz freisprechen. 46 Beispiel 1: Die Beweisaufnahme ergibt, dass der Angeklagte ein Auto absetzte, das ein anderer durch ein Vermögensdelikt erlangt hat. Die Möglichkeit, dass dem Angeklagten die strafbare Herkunft dieses Autos nicht bewusst ist, ist auch bereits ausgeschlossen. Jedoch bleibt offen, ob der Vortäter dieses Auto gestohlen oder durch eine andere gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat. Beispiel 2: Es wurde schon festgestellt, dass der Angeklagte eine gefährliche Körperverletzung entweder mit einem Schlagring oder mit einem Hausschlüssel begangen hat. In § 259 Abs. 1 stellt Diebstahl nur ein plakativ hervorgehobenes Beispiel der einschlägigen Vermögensdelikte (Kindhäuser, LPK-StGB, § 259 Rn. 11) dar; in § 224 Abs. 1 Nr. 2 ist die Waffe als Unterfall des gefährlichen Werkzeugs anzusehen (Kindhäuser, LPK-StGB, § 224 Rn. 11). In beiden Fällen bleibt zwar noch zweifelhaft, ob eine andere beispielhafte Tatbestandsalternative erfüllt ist; jedoch steht zumindest schon fest, dass der Angeklagte das generalklauselartige Tatbestandsmerkmal mit Sicherheit verwirklicht hat. Der Richter kann auf dieser eindeutigen Tatsachengrundlage den Angeklagten eindeutig verurteilen, ohne sich auf Wahlfeststellung berufen zu müssen. A. A. im Beispiel 2: Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 339 (für Wahlfeststellung). 47 Oder: wertlogisches (LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 133), wertmäßiges (Stuckenberg, JA 2000, S. 573), wertethisches (Otto, AT, 24 / 5) Stufenverhältnis. 48 Vgl. Stuckenberg, JA 2000, S. 573. 44 45

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hältnis unterscheidet sich vom begriffslogischen Stufenverhältnis einerseits und von der Situation der Wahlfeststellung andererseits dadurch49: Anders als beim begriffslogischen Stufenverhältnis, das sich aus dem semantischen Tatbestandsaufbau ergibt und bei dem immer ein Tatbestand mit Sicherheit erfüllt ist, besteht hier eine wertende Abstufung bzw. abgestufte Intensität der Zurechnung bei der vergleichenden Unrechtsbewertung50, weshalb keine der in Betracht kommenden Straftaten mit Sicherheit festgestellt werden kann. Zur Situation der Wahlfeststellung besteht der Unterschied darin, dass hier keine gleichwertigen Tatbestände zur Wahl stehen, sondern ungleichwertige, die nach Art der Rechtsgutsverletzung in einer Weise miteinander korrespondieren, die bei vergleichender Unrechtsbewertung eine wertende Abstufung sicher ermöglicht51. Ein solches Verhältnis stellt eine „rein normative Subsidiarität der ungleichwertigen Angriffsarten (Handlungsunwerte) bei Identität des angegriffenen Rechtsguts und Rechtsgutsträgers“52 dar. Immerhin erfolgt beim normativen Stufenverhältnis – wie auch bei der gleichartigen Wahlfeststellung – eine eindeutige Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage53. Diese Überlegungen lassen sich auch auf Tatbestandsalternativen derselben Vorschrift übertragen. Das normative Stufenverhältnis ist vornehmlich zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit vorzufinden54. Obwohl Vorsatz und Fahrlässigkeit zwei unterschiedlich intensive subjektive Zurechnungsformen sind, werden sie als zwei Tatbestandsalternativen z. B. in §§ 316, 323a Abs. 1 gleichrangig zusammengefasst. Im Fall, in dem zwar schon feststeht, dass der Täter § 316 auf eine zurechenbare Weise verwirklicht hat, jedoch noch zweifelhaft ist, ob er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, ist der Angeklagte gemäß dem In-dubio-Satz wegen Fahr49 Man beschränkte den In-dubio-Satz früher auf begriffslogische Stufenverhältnisse; später wurde der Anwendungsbereich des In-dubio-Satzes durch Einbeziehung wertmäßiger Stufenverhältnisse auf Kosten der Wahlfeststellung ausgedehnt (h. M.; vgl. – statt vieler – nur Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 150). A. A. etwa Hruschka (MDR 1967, S. 265, 269), der die Fälle des in dubio pro reo und die des Auffangtatbestandes ebenfalls unter den Begriff der Wahlfeststellung subsumiert. Gegen ihn mit Recht z. B. LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 65. 50 Siehe LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 133; Rudolphi, SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 21. 51 LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 133. 52 Vgl. näher dazu Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 65 ff. 53 Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 90. 54 Da eine vorsätzliche Tat nicht die fahrlässige Begehung in sich enthält und vielmehr die beiden Begehungsweisen einander ausschließen, besteht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit nach h. M. kein begriffslogisches Stufenverhältnis, sondern es ist im Wege juristisch wertender Betrachtung ein normatives Stufenverhältnis zu ermitteln; vgl. etwa Roxin, AT / I, 11 / 44, 24 / 72 f.; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 15; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 91; Rudolphi, SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 20; LK-Gribbohm, § 1 Rn. 117; Heinitz, JR 1957, S. 128. Dagegen sprechen sich einige Autoren für ein begriffslogisches Stufenverhältnis aus; wie etwa Otto, FS-Peters, 1974, S. 378; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 143, § 15 Rn. 6; NK-Frister, Rn. 50 f. nach § 2; KMR-Stuckenberg, § 261 Rn. 101. Nach ihnen ist die Erkennbarkeit (Vorhersehbarkeit) eine notwendige Bedingung für die Verurteilung wegen Fahrlässigkeit. Demgegenüber erfordert Vorsatz Kenntnis der Tatumstände, die deren Erkennbarkeit voraussetzt. Damit ist der Vorsatz begrifflich dadurch gekennzeichnet, dass die Merkmale der Fahrlässigkeit um ein weiteres Merkmal ergänzt sind.

13 Tsai

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

lässigkeit eindeutig zu verurteilen55. Darüber hinaus liegt auch zwischen verschiedenen Beteiligungsformen ein normatives Stufenverhältnis vor. Z. B. sind in § 120 Abs. 1 die beiden Tatbestandsalternativen – Fördern und Verleiten – als zwei unterschiedlich intensive Begehungsformen der Teilnahme (nämlich: Anstiftung und Beihilfe) an der nicht mit Strafe bedrohten Selbstbefreiung anzusehen, die im normativen Stufenverhältnis zueinander stehen. Man kann deshalb die Regel für das Verhältnis zwischen Anstiftung und Beihilfe auch für die beiden Tatmodalitäten geltend machen56. Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass ein normatives Stufenverhältnis auch zwischen Tun sowie Unterlassen besteht und im Zweifel von einem Unterlassen des Beschuldigten auszugehen ist57, auch für diejenigen Vorschriften, in denen das Tun und das Unterlassen als Alternativen geregelt sind58. Zusammenfassend: Hier liegt ebenfalls lediglich eine einseitige Sachverhaltsungewissheit vor, weshalb der Angeklagte nach dem In-dubio-Satz unmittelbar wegen der leichteren Alternative eindeutig zu verurteilen ist. Für die Wahlfeststellung bleibt also kein Raum.

bb) Kontradiktorisch gefasste Alternativen Durch die kontradiktorische Formulierung von Alternativen bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass Tatsachen, durch welche diese Alternativen (z. B. der Herstellungsort der Propagandamittel in § 86 Abs. 1) erfüllt sind, insofern für die Feststellung des Unrechts keine Rolle spielen. Dies erweckt den Eindruck, als ob man sich bei der Subsumtion mit der Frage, ob die eine oder die andere Alternative erfüllt ist59, gar nicht befassen müsste, weswegen ein dahingehender Zweifel für die Gesetzesanwendung vollkommen bedeutungslos wäre60. Das ist jedoch miss55 Abweichend: Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 68 f., 138; nach ihm ist hier eine unechte Wahlfeststellung und damit ein wahldeutiger Tenor (wegen „vorsätzlicher oder fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr“) möglich. 56 Beispiel: Es steht mit Sicherheit fest, dass die Angeklagte einem Gefangenen heimlich einen Nachschlüssel und einen Hinweis auf den Fluchtweg lieferte. Es lässt sich jedoch nicht mehr erwiesen, ob der Gefangene seinen Tatentschluss zum Entweichen vorher schon gefasst hat oder seine Entscheidung erst durch die Abgabe der Geräte hervorgerufen wurde. Man kann die Angeklagte wegen Gefangenenbefreiung (i. S. v. Fördern) eindeutig verurteilen. 57 Vgl. Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 16. 58 Beispiel: Es steht nicht mit Sicherheit fest, ob der Täter widerrechtlich in ein Haus eindrang oder ohne Befugnis darin verweilte (§ 123); a.A. LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 70: Gleichartige Wahlfeststellung. 59 Beispiele: Es steht fest, dass der Angeklagte die Propagandamittel einer für verfassungswidrig erklärten Partei zur Verbreitung hergestellt hat. Offen bleibt jedoch, ob der Tatort im Inland oder im Ausland war. Oder: Es steht fest, dass der Täter einen fremden verschlossenen Brief unbefugt gelesen hat (§ 202 Abs. 1); jedoch bleibt ungeklärt, ob er den Brief geöffnet (Nr. 1) oder sich unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis vom Inhalt verschaffen (Nr. 2) hat. 60 So aber Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 28 f.

B. Behandlung eines non liquet bei Tatbestandsalternativen

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verständlich. Denn hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 86 Abs. 1 ist es zwar gleichgültig, wo die Propagandamittel hergestellt werden; jedoch muss man den Herstellungsort um der Sachverhaltskonkretisierung willen doch feststellen. Wenn nun die zur Sachverhaltskonkretisierung notwendige Feststellung der in Betracht kommenden alternativen Geschehensabläufe nicht möglich ist61, wird die Frage einer Verurteilung auf nicht eindeutiger Tatsachengrundlage durchaus relevant62. Sogar dort, wo der Gesetzgeber im Tatbestand nichts über den Tatort geäußert hat, muss eine eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage (gleichartige Wahlfeststellung) vorgenommen werden, wenn der Tatort im Strafverfahren nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann63. Dann muss die Tatsachengrundlage dort erst recht mehrdeutig sein, wo der Gesetzgeber den Tatort im Tatbestand besonders erwähnt hat. Demzufolge liegt auch hier eine eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage vor. Zu beachten ist nur, dass diese Verurteilung nicht auf gleichartiger Wahlfeststellung, sondern auf dem normativen Stufenverhältnis beruht, obwohl das Exklusivitätserfordernis der Wahlfeststellung – rein formell gesehen – ohne weiteres erfüllt ist, da diese Alternativen sich ja gegenseitig ausschließen. Vom materiellen Unrechtsgehalt ausgehend liegt hier – wie oben bei 1. Teil B. II. 2. b) erwähnt wurde – ebenfalls ein normatives Einschlussverhältnis zwischen kontradiktorisch gefassten Alternativen vor, weswegen alles, was zum normativen Stufenverhältnis ausgeführt wurde, auch für diese Gruppe gelten muss.

cc) Ursachen ausdrückende Alternativen Anders als die obigen Gruppen stehen die Ursachen ausdrückenden Tatbestandsalternativen weder in einem semantischen noch in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander. Deshalb liegt bei ihnen kein Stufenverhältnis vor. Die nonliquet-Situation lässt sich hier dennoch leicht lösen. Der Einsatz dieser Alternativen liegt – wie oben bei 1. Teil B. II. 3 erwähnt wurde – in sprachlichen Schwierigkeiten begründet: Der Gesetzgeber hält die Extension eines Merkmals zwar für zu breit, kann aber keinen einzigen Ausdruck finden, dessen Extension mit dem vom Gesetzgeber vorgestellten strafbaren Umfang ganz genau deckungsgleich ist; um dieses Merkmal einzuschränken, werden Alternativen als solche dem Tatbestand 61 D. h.: Wenn es entweder überhaupt keinen eindeutig festgestellten Sachverhalt gibt oder der eindeutig festgestellte Sachverhalt nicht bestimmt genug ist, um eine Verurteilung zu rechtfertigen. 62 NK-Frister, Nach § 2 Rn. 16. 63 Beispiel: Es steht zwar fest, dass der Angeklagte das Opfer ums Leben gebracht hat, aber offen bleibt, wo der genaue Tatort (im X- oder Y-Dorf) war. Da sich die Tatsachenungewissheit hier auf die Individualisierung der Tat bezieht, ist der Sachverhalt zur Konkretisierung der Tat „wahldeutig“ und muss deshalb nach überwiegender Meinung eine gleichartige (unechte) Wahlfeststellung vorgenommen werden, wenn die anderen Voraussetzungen der Wahlfeststellung erfüllt sind (vgl. nur LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 71, 88; Sax, JZ 1965, S. 747; a.A. NK-Frister, Nach § 2 Rn. 15; wohl auch Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 25 f.).

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hinzugefügt. Deshalb sind diese Alternativen und der mit ihnen verbundene Begriff stets zusammen als eine Einheit anzusehen, wobei der Schwerpunkt der Unrechtszurechnung in dem von Alternativen beschränkten Begriff besteht. Die ihn einschränkenden Alternativen spielen also lediglich eine sekundäre Rolle. Im Gesetzestext wird die Forderung des Beweises zum Ausdruck gebracht: Der Erfolg muss erstens eintreten und zweitens von den aufgezählten Alternativen verursacht werden. Betrachtet man entsprechende konkrete Vorschriften, etwa §§ 179 Abs. 164 oder 221 Abs. 1 a. F.65, lässt sich das unmittelbar erkennen. Da die Alternativen mit dem beschränkten Begriff zusammen eine Einheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal bilden, ist hier eine gleichartige Wahlfeststellung vorzunehmen.

2. Behandlung kollektiv gefasster Tatbestandsalternativen Viele Tatbestandsalternativen sind innerhalb einer Strafvorschrift einfach gleichrangig nebeneinander zusammengefasst, ohne dass ein bestimmter normativer Zusammenhang vom Gesetzestext sich ableiten ließe. Deshalb kann der oben erläuterte Grundsatz, der zu einer eindeutigen Verurteilung führt, bei dieser Gruppe nicht zur Anwendung kommen. Dann bleiben zwei Möglichkeiten übrig: Der Angeklagte ist entweder wegen einer wechselseitigen Anwendung des In-dubio-Satzes freizusprechen oder durch die Institution der Wahlfeststellung auf einer wahldeutigen Tatsachengrundlage zu verurteilen. In der Literatur beschäftigt man sich hauptsächlich (oder gar ausschließlich) mit dieser Fallgruppe. Darüber, dass die Möglichkeit der Wahlfeststellung bei dieser Fallgruppe nicht ausgeschlossen ist, herrscht in der Literatur zwar Einigkeit. Umstritten ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen eine Wahlfeststellung anzunehmen ist. Nachfolgend werden wir die unterschiedlichen Lehrmeinungen zuerst kurz zusammenfassen (a) und würdigen (b); schließlich wird unser Lösungsvorschlag – die These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich-systematische Einschränkung – auf diese Gruppe angewendet (c).

a) Lehrmeinungen Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Problem des non liquet zwischen Tatbestandsalternativen in der deutschen Strafrechtswissenschaft nach der Lehre vom Mischgesetz behandelt, die noch heute in der österreichischen Literatur herr64 Beispiel: Der Richter kann sich zwar darüber Gewissheit verschaffen, dass der Angeklagte eine andere Frau unter Ausnutzung ihrer Widerstandsunfähigkeit sexuell missbraucht. Es lässt sich aber nicht klären, ob sie wegen einer geistigen Krankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung widerstandsunfähig wurde. 65 Beispiel: Der Täter hat das hilflose Opfer ausgesetzt, wodurch der Tod des Opfers verursacht wurde. Es steht zwar fest, dass das Opfer zur Tatzeit entweder wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit hilflos war. Jedoch konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, welche der beiden Gründe die Hilflosigkeit verursacht hat.

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schend ist. Die non-liquet-Situation im Strafverfahren kann man wohl als das Hauptschlachtfeld dieser Lehre ansehen. Danach lassen sich Tatbestandsalternativen in „alternative“ und „kumulative“ Mischtatbestände einteilen66. Die alternative Feststellung ist bei alternativen Mischgesetzen stets zulässig, bei kumulativen Mischgesetzen dagegen unzulässig67. Nachdem die Institution der Wahlfeststellung im Großen und Ganzen vervollständigt wurde, fand ein Paradigmenwechsel bei der Behandlung der non-liquet-Situation zwischen Tatbestandsalternativen statt. Man hat – zumindest terminologisch – auf die Lehre vom Mischgesetz verzichtet und versucht, das Problem anhand des entwickelten Systems der Wahlfeststellung zu lösen. Viele Autoren gehen davon aus, dass die Wahlfeststellung zwischen Tatbestandsalternativen stets der Tatalternativität gleichzustellen ist, nämlich ebenfalls als eine Unterart gleichartiger (unechter) Wahlfeststellung. Sie wird als „Alternativität von Tatmodalitäten“ 68 oder „alternative Modalitätenfeststellung“69 bezeichnet. Umstritten ist jedoch, ob man die normative Vergleichbarkeit bzw. Gleichwertigkeit zwischen den einschlägigen Tatbestandsalternativen prüfen muss. Teils wird befürwortet, eine gleichartige Wahlfeststellung hier stets als zulässig anzusehen, also unabhängig von der normativen Vergleichbarkeit der Tatbestandsalternativen70. Dieser Auffassung nach ist die Alternativität hier nur scheinbar gegeben, weil es nicht um unterschiedliche Tatbestandsmerkmale, sondern nur um ein einziges Merkmal geht71. Demgegenüber gehen andere zwar auch von der gleichartigen Wahlfeststellung aus, stellen aber trotzdem auf normative Gleichwertigkeit ab72. Ihr Hauptargument ist die Zufälligkeit der Zusammenfassung der Tatbestandsalternativen: Die Zulässigkeit einer Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage dürfe nicht vom rein formalen Kriterium abhängen, ob die einschlägigen Tats. näher dazu o. 1. Teil C. VII. 1. Vgl. dazu Wertheimer, Mischgesetze, 1903, S. 18, 20, 24 ff.; M. E. Mayer, AT., 1923, S. 125; WK-Nowakowski, Vor §§ 3 – 5, Rn. 69; Triffterer, AT, 3 / 72 f., 19 / 73). 68 Nach Tröndle (LK-StGB, 1985, § 1 Rn. 69) ist die gleichartige Wahlfeststellung in zwei Unterarten einzuteilen, nämlich in die „Identität von Tatmodalitäten“ und die „Alternativität von Tatmodalitäten“; ihm folgend Zopfs, In dubio pro reo, S. 314 bei Anm. 239; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 19 ff. 69 Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 86, 137 ff. 70 So z. B. Schlüchter, SK-StPO, § 261 Rn. 94, 101e; KK-Schoreit, § 261 Rn. 72; LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 139; Meyer-Goßner, StPO, § 260 Rn. 27; Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 339; Wessels / Beulke, AT, Rn. 808; Hruschka, JuS 1982, S. 322. 71 Sog. Formalalternativen (Egle, Alternative Strafurteile, 1953, S. 27 bei Anm. 43; ihm insoweit folgend: Günther, Verurteilungen, 1976, S. 57 ff., 275 f.). 72 Also lässt sich gleichartige Wahlfeststellung nur bei Übereinstimmung des Unrechtsund Schuldgehalts nehmen; so etwa Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 21 ff.; Rudolphi in SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 28; LK-Tröndle, 1985, § 1 Rn. 70 (anders aber Tröndle / Fischer, StGB, § 1 Rn. 26); Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 31 ff., 35, 37 f., 87 ff., 137 f.; Dreyer, Wahlfeststellung, 1999, S. 44 f. Frister behält sich zwar die Möglichkeit einer „teleologisch begründeten Korrektur der Gesetzesformulierung“ zugunsten des Angeklagten für den extremen Ausnahmefall vor, dass das Gesetz in einer Strafdrohung „völlig unterschiedliche Deliktstypen“ zusammenfasst (z. B. im bis 1975 geltenden § 257), kann aber eine solche Ausnahme im geltenden StGB nicht mehr finden (NK-StGB, 1995, Rn. 109 ff. nach § 2) 66 67

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

bestandsalternativen in demselben Paragrafen geregelt seien. Denn ob der Gesetzgeber mehrere Tatmodalitäten oder Qualifikationen in einem Tatbestand, also unter einer einheitlichen Strafdrohung, zusammengefasst oder sie in mehreren Bestimmungen verselbstständigt habe, hänge bisweilen doch nur von der Willkür des Gesetzgebers ab. Maßgebend sei vielmehr ein materielles Kriterium, mit dem man beurteilen könne, wann verschiedene Modalitäten oder Qualifikationen noch Bestandteile eines einheitlichen Tatbestandes seien und wann sie bereits selbstständige Straftatbestände bilden73. Das sei jeweils durch Interpretation der einzelnen Strafdrohung des BT zu ermitteln74. Auch wenn die in Frage stehenden verschiedenen Verwirklichungsmöglichkeiten derselben Strafvorschrift in den meisten Fällen gleichwertig seien und damit diese materiellrechtliche Voraussetzung in der Regel erfüllt sei, rechtfertige dies noch nicht, die engen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Wahlfeststellung von vornherein außer Acht zu lassen75. Ferner ist man sich auch darüber noch nicht ganz einig, wie der Fall zu behandeln ist, in welchem die Unrechts- und Schuldgehalte der Tatbestandsalternativen nicht übereinstimmen. Nach Rudolphi scheidet in einer solchen Situation nur eine eindeutige Verurteilung auf Grund wahldeutiger Tatsachenfeststellung (gleichartige Wahlfeststellung) aus. Man müsse weiter prüfen, ob die verschiedenen, unter einer Strafdrohung zusammengefassten Tatbestände einer ungleichartigen Wahlfeststellung zugänglich seien oder wenigstens auf ihren gemeinsamen Grundtatbestand zurückzuführen seien76. Er hat also die Übereinstimmung des Unrechts- und Schuldgehalts zwischen den Tatbestandsalternativen als Voraussetzung gleichartiger Wahlfeststellung einerseits und ihre normative Gleichwertigkeit als Voraussetzung ungleichartiger Wahlfeststellung andererseits angesehen. Dagegen wird eine solche Differenzierung überwiegend für überflüssig gehalten, da – worauf Eser mit Recht hinweist – die Tatbestandsalternativen, soweit sie hinsichtlich ihres Unrechts- und Schuldgehalts nicht übereinstimmen, nicht als normativ gleichwertig anzusehen sind77. Nach überwiegender Meinung kann eine gleichartige Wahlfeststellung nur dann angenommen werden, wenn normative Gleichwertigkeit zwischen den einschlägigen Tatbestandsalternativen vorliegt; dagegen ist der Angeklagte bei der Verneinung der Gleichwertigkeit freizusprechen. Eine ungleichartige Wahlfeststellung kommt m. a. W. bei Tatbestandsalternativen überhaupt nicht vor. Im Gegensatz dazu qualifizieren einige Autoren die Wahlfeststellung bei Tatbestandsalterna73 s. Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 21; Rudolphi in SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 28; NK-Frister, nach § 2 Rn. 108 ff.; Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 87; Günther, Verurteilungen, 1976, S. 273 ff.; Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 31, 68 f.; Dreyer, Wahlfeststellung, 1999, S. 45; Jakobs, GA 1971, S. 270 f. 74 Rudolphi, SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 29; Jakobs, GA 1971, S. 271. 75 Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 87. Dagegen sieht Schlüchter die Diskussion über die Vergleichbarkeit von Tatbestandsalternativen als einen vornehmlich akademischen Streit und insofern als überflüssig an, als Tatbestandsalternativen in der Regel gleichwertig sind (dies., SK-StPO, § 261 Rn. 94; so auch J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 8 f., 11). 76 Ders., SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 28. 77 Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 88.

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tiven sogar stets als ungleichartige bzw. echte Wahlfeststellung78; danach hängt ihre Zulässigkeit freilich besonders von der normativen Vergleichbarkeit ab. Bei Verneinung der normativen Gleichwertigkeit muss man also – wie bei der letzten Auffassung – den Angeklagten freisprechen.

b) Würdigung aa) Zweifellosigkeit der Subsumierbarkeit unter die Vorschrift als Ganzes und alternativer Nachweis Da Tatbestandsalternativen in derselben Vorschrift geregelt sind und stets dieselbe Rechtsfolge auslösen, wird die Subsumierbarkeit des Sachverhalts unter diese Vorschrift als Ganzes nicht dadurch beeinträchtigt, dass nicht gesagt werden kann, welche Tatbestandsalternative erfüllt ist, solange man sagen kann, dass eine der Tatbestandsalternativen erfüllt ist. Deshalb drängt sich auf, eine Verurteilung bei einer solchen non-liquet-Situation immer als unproblematisch anzusehen: Mit der alternativen Fassung einer Vorschrift – ließe sich argumentieren – bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Bedingung für das Eintreffen der jeweiligen Rechtsfolge lediglich die Verwirklichung irgendeiner Alternative sei. Dies sei bereits in dem Moment bewiesen, in dem feststehe, dass jedenfalls eine der Alternativen vorliege. Deshalb brauche der Rechtsanwender sich gar nicht um eine eindeutige Klärung des Sachverhalts zu bemühen; er könne sofort die Subsumierbarkeit bejahen und damit die Vorschrift zur Anwendung bringen, sobald der alternative Nachweis erbracht sei, nach welchem bereits mit Sicherheit feststehe, dass der Angeklagte zumindest eine der Alternativen verwirklicht habe. Welche der Tatbestandsalternativen verwirklicht wurde, sei weder für die Tatbestandserfüllung noch für den Rechtsfolgeausspruch wesentlich und bedürfe deshalb keines Beweises79. 78 So z. B. Rüping, Strafverfahren, Rn. 522; Stuckenberg, JA 2001, S. 223; ders., in: KMR, § 261 Rn. 125; Kindhäuser, LPK-StGB, vor § 52 Rn. 50; ders., AT, 48 / 14; Tröndle / Fischer, StGB, § 1 Rn. 26; LK-Gribbohm, § 1 Rn. 128 (Gesetzesalternativität zwischen verschiedenen Tatmodalitäten); wohl auch Lackner / Kühl, StGB, § 1 Rn. 14 sowie Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 104 i. V. m. 87. 79 Schmoller, Tatsachenaufklärung, 1986, S. 45 f., 47; Blei, AT, 1983, S. 36. Einige Autoren gehen sogar noch einen Schritt weiter und meinen, eine genaue Abgrenzung der Tatbestandsalternativen voneinander sei nicht erforderlich, und zwar namentlich bei Alternativen, die vollständig aufgezählt sind und einen umfassenden Schutz bieten; so in bezug auf § 284 (Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels) Eberhard Schmidt, ZStW 41, 611. Dagegen haben Meuer / Bergmann mit Recht kritisiert: Diese Ansicht ist mit dem Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr zu vereinbaren. Denn, ob alle Tatbestandsalternativen im Sinne des Ermöglichens und Förderns des Glücksspiels ausgelegt werden müssen, kann erst festgestellt werden, wenn die einzelnen Tathandlungen hinreichend genau bestimmt sind. Zudem muss klargestellt werden, ob mit dem „Veranstalten“, „Halten“ und „Bereitstellen von Einrichtungen“ alle denkbaren Fälle des Ermöglichens bzw. Förderns des Glückspiels erfasst werden oder nur einige besonders strafwürdige Formen. Dass der historische Gesetzgeber möglicherweise die Absicht hatte, alle Arten des Ermöglichens und

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Sicher ist jedenfalls, dass der alternative Nachweis zum disjunktiv formulierten Merkmal gut passt. Dank der disjunktiven Formulierung des Tatbestandes können die Voraussetzungen der vorgesehenen Rechtsfolge in einer alternativ gefassten Vorschrift immer dann als erfüllt angesehen werden, wenn der Sachverhalt soweit aufgeklärt ist, dass die Bedingungen für das Eingreifen der Rechtsfolge insgesamt erwiesen sind. Dies setzt freilich voraus, dass die alternativ gefasste Vorschrift als ein Ganzes bzw. eine Einheit anzusehen ist, sonst wäre die Rede von der pauschalen Subsumierbarkeit unter diese Vorschrift völlig sinnlos. Dies hängt jedoch wiederum damit zusammen, ob die einschlägigen Tatbestandsalternativen zusammen ein einziges Tatbestandsmerkmal darstellen. Daraus ergibt sich, dass von einer zweifellosen Subsumierbarkeit jedenfalls dann gesprochen werden kann, wenn die Alternativen zusammen als ein disjunktiv formuliertes Merkmal anzusehen sind, wodurch eine Verurteilung auf dieser zweifellosen Subsumierbarkeit unter diesen Tatbestand beruhen kann. In diesem Fall reicht ein alternativer Nachweis für eine Verurteilung trotz der Tatsachenungewissheit aus. Jedoch gibt es auch andere Fälle, in denen eine Strafvorschrift mehrere Straftatbestände im rechtstheoretischen Sinne80 enthält. Wenn die einschlägige Strafvorschrift mehrere Tatbestände zusammenfasst, ist jeder dieser Tatbestände getrennt zu prüfen, da die Subsumierbarkeit unter diese lediglich zusammenfassende Vorschrift völlig sinnlos. In diesem Fall lösen die Alternativen – materiell gesehen – nicht mehr die selbe, sondern nur die gleiche Rechtsfolge aus. Die Subsumierbarkeit unter jeden dieser Tatbestände ist hingegen freilich nach wie vor fraglich, weswegen ein alternativer Nachweis an sich für eine Verurteilung nicht mehr ausreichend sein kann. Man muss also andere materielle Voraussetzungen der Wahlfeststellung prüfen, namentlich die normative Vergleichbarkeit bzw. Gleichwertigkeit der einschlägigen Tatbestände begründen. Darauf werden wir unten bei c) cc) wieder zurückkommen. bb) Gleichartige oder ungleichartige Wahlfeststellung? Aus der obigen Zusammenfassung ersieht man überraschenderweise, dass die Lehrmeinungen sogar schon bei der Grundfrage, ob die Wahlfeststellung gleichartig oder ungleichartig sein soll, weit auseinander gehen. Deshalb scheinen einige klärende und abgrenzende Bemerkungen zur Klassifikation der beiden Typen der Wahlfeststellung notwendig zu sein. Die Frage, wodurch sich die gleichartige Wahlfeststellung von der ungleichartigen unterscheidet, hängt nach weit verbreiteter Meinung davon ab, ob die Wahlfeststellung zwischen mehreren Strafvorschriften zu treffen ist81. Lässt sich der Täter trotz Tatsachenalternativität nur nach derFörderns tatbestandlich zu umschreiben, ist unbeachtlich, solange diese Absicht nicht in der gem. Art. 103 Abs. 2 GG vorgeschriebenen Form aus der Gesetzesfassung hervorgeht (ders., JuS 1983, S. 668 ff., 671; im Ergebnis auch: Beulke, Klausurenkurs im Strafrecht I, Rn. 56). 80 Zum Tatbestand im rechtstheoretischen Sinne, vgl. o. 1. Teil C. II. 81 So z. B. Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 19 mit Anm. 44, 10 / 37; Meyer-Goßner, StPO, § 260 Rn. 27; oder „anwendbares Strafgesetz“ (Lackner / Kühl, StGB, § 1 Rn. 9).

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selben Strafvorschrift verurteilen, dann liegt gleichartige Wahlfeststellung vor82. Die Heranziehung des formellen Begriffs „Strafvorschrift“ ist allerdings nur die direkteste Auslegungsmöglichkeit und beruht auch auf dem Gesetzlichkeitsprinzip, wonach die Abgrenzung – wie Frister ausführt – primär nach dem Wortlaut des Gesetzes vorzunehmen ist83. Konsequenterweise wäre die Wahlfeststellung zwischen Tatbestandsalternativen stets als gleichartig zu qualifizieren, da diese sich immer innerhalb derselben gesetzlichen Vorschrift befinden. Ein solches Kriterium ist zwar einfach und klar, aber nicht ganz unproblematisch. Wie oben (a) gezeigt, wird in der vorliegenden Konstellation auch die Ansicht vertreten, es sei eine ungleichartige Wahlfeststellung zu treffen. Bei genauerem Hinsehen kann man leicht erkennen, dass das Kriterium, um die Gleichartigkeit der Wahlfeststellung zu bestimmen, weder die Vorschrift noch der Paragraf, sondern – genauso wie bei der Unterscheidung zwischen der gleichartigen und ungleichartigen Idealkonkurrenz – der Tatbestand sein muss. Um über die Gleichartigkeit der Wahlfeststellung entscheiden zu können, muss also festgestellt werden, ob es sich um mehrere Tatbestände handelt84. Das lässt sich aus dem Sinn dieser Klassifikation ersehen: Bei der Schaffung des Tatbestandes hat der Gesetzgeber nicht nur den Umfang der Strafbarkeit bestimmt, sondern auch eine beweisrechtliche Entscheidung getroffen, nämlich inwieweit der Sachverhalt im Strafprozess aufgeklärt bzw. bewiesen werden muss, um die staatliche Bestrafung zu legitimieren. Durch die Formulierung des Tatbestandes werden bestimmte Tatsachen als beweisrechtlich relevant bzw. irrelevant qualifiziert. Wenn sich die Tatsachenungewissheit nur auf ein einziges Tatbestandsmerkmal bezieht, und der Tatbestand ansonsten in allen in Betracht kommenden Tatsachenversionen als verwirklicht bewiesen, dann ist die beweisrechtliche Forderung des Gesetzestextes bereits erfüllt. Das ist eben der Grund, warum die gleichartige Wahlfeststellung von jeher für zulässig gehalten wird. Demgegenüber kann man bei der ungleichartigen Wahlfeststellung keinen der einschlägigen Tatbestände mit Sicherheit als verwirklicht beweisen und muss deshalb explizit nach ihrer Vergleichbarkeit fragen, um eine unverdiente Bestrafung des Angeklagten zu vermeiden. Allerdings taucht diese Abgrenzungsschwierigkeit weder bei der Tatalternativität (reine Tatsachenalternativität) noch bei der Gesetzesalternativität im eigentlichen Sinne auf. Denn im typischen Fall der Tatalternativität geht es stets nur um ein und dasselbe Tatbestandsmerkmal und damit nur um ein und denselben Tatbestand – dann liegt logischerweise nur eine gleichartige Wahlfeststellung vor. Im typischen Fall der Gesetzesalternativität geht es dagegen um mehrere verschiedene Paragrafen, weswegen die Wahlfeststellung entsprechend nur als ungleichartig zu qualifiziert ist. Wenn aber die Frage zu entscheiden ist, welche von mehreren Tatbestandsalternativen erfüllt wurde, stellt sich ausnahmsweise das Problem ihrer systematischen Einordnung. Denn hier liegt sie genau an der Grenze. 82 83 84

Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 19. NK-Frister, nach § 2 Rn. 108. So z. B. Stuckenberg, JA 2001, S. 222.

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Bevor man auf diese Auseinandersetzung eingeht, muss freilich geklärt werden, welche Bedeutung sie bezüglich der Tatbestandsalternativen hat. Sicher ist jedenfalls, dass diese Einteilung dann eine absolut entscheidende Rolle spielt, wenn man der gleichartigen Wahlfeststellung eine andere Rechtsfolge oder andere Zulässigkeitsvoraussetzungen als der ungleichartigen zuordnet. Dies ist z. B. bei Frister der Fall; da er die ungleichartige Wahlfeststellung generell für unzulässig hält, stellt die Abgrenzung zwischen gleichartiger und ungleichartiger Wahlfeststellung für ihn gleichzeitig auch die Differenzierung zwischen zulässiger und unzulässiger Wahlfeststellung dar85. Nach h. M. ist die Rechtsfolge der gleichartigen Wahlfeststellung dagegen im Prinzip keine andere als die der ungleichartigen Wahlfeststellung; in beiden Fallgruppen ist der Angeklagte trotz des Sachverhaltszweifels auf einer wahldeutigen Tatsachengrundlage zu verurteilen. Insofern scheinen die beiden Arten der Wahlfeststellung nur rein faktische Erscheinungsformen darzustellen, die rein akademischen Charakter besitzen und keine materiell unterschiedliche Folge mit sich bringen. Man könnte freilich erwidern, eine solche Dichotomie sei angesichts der Abfassung des Urteilstenors (eindeutig oder wahldeutig) unerlässlich. Jedoch ist der Urteilstenor nicht deshalb eindeutig abzufassen, weil die Wahlfeststellung als gleichartig angesehen wird, sondern deshalb, weil hier nur ein einziger Tatbestand vorhanden ist. In dieser Hinsicht trifft die Fragestellung, ob die Wahlfeststellung zwischen den kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen gleichartig oder ungleichartig sein soll, den Kern der Problematik nicht direkt und ist allenfalls nur von sekundärer Bedeutung. Man muss vielmehr auf den dahinter stehenden, materiellen Streitpunkt abstellen: ob bzw. wann die Alternativen immer als eine Einheit bzw. als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind. Während Tatbestandsalternativen nach einigen Autoren ausnahmslos als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind und es damit nur einen einzigen Tatbestand in der alternativ gefassten Vorschrift gibt, führt die Zusammenfassung der Tatbestandsalternativen nach anderen Autoren nicht zwangsläufig zur Annahme eines einheitlichen Tatbestandes, weswegen die normative Gleichwertigkeit der Tatbestandsalternativen immer geprüft werden muss. Im Folgenden soll nun darauf eingegangen werden, ob und ggf. auf welcher Ebene die Gleichwertigkeit eine Rolle spielen kann.

cc) Gleichwertigkeit, Vergleichbarkeit bzw. Identität des Unrechtskerns Um den Täter durch eine Entscheidung mittels Wahlfeststellung nicht mit einem Makel zu belasten, den er nicht verdient hat, wird eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage sowohl von der Lehrmeinung als auch von der Rechtsprechung nur in engen Grenzen, nämlich nur bei normativer Vergleichbarkeit bzw. Gleichwertigkeit86 zwischen den in Frage kommenden Tatbeständen für zulässig 85

NK-Frister, Nach § 2 Rn. 11, 36 ff., 40, 93 ff., 108.

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gehalten. Liegt diese Vergleichbarkeit nicht vor, muss der Richter allen alternativ in Betracht kommenden Möglichkeiten gegenüber vom Grundsatz in dubio pro reo Gebrauch machen und den Angeklagten freisprechen. Zur Feststellung der normativen Gleichwertigkeit werden hauptsächlich die zwei folgenden Meinungen vertreten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt eine Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage voraus, dass die möglichen Tatbestände nach dem allgemeinen Rechtsempfinden rechtsethisch und psychologisch gleichartig sind. Es müssen im Wesen gleiche oder ähnliche Rechtsgüter verletzt sein87. Gegen die Vergleichbarkeitsformel des BGH wird vor allem eingewandt, dass ein solches Kriterium nur eine Leerformel sei, die der Rechtsunsicherheit Tür und Tor öffne. Demgegenüber wird die These von der „Identität des Unrechtskerns“ in der Literatur überwiegend als vorzugswürdig erachtet88, wonach es nicht allein auf das angegriffene Rechtsgut, sondern auch auf die Angriffsweise ankommt89. Diese Identität ist dann anzunehmen, wenn sich ein deliktischer Angriff gegen dasselbe Rechtsgut bzw. gegen ein Rechtsgut derselben Art, derselben Gattung, richtet und der Handlungsunwert der verschiedenen Delikte etwa gleichgewichtig erscheint90. Umstritten ist nur, ob die normative Gleichwertigkeit bzw. Vergleichbarkeit auch zu den gemeinsamen Voraussetzungen der gleichartigen und ungleichartigen Wahlfeststellung gehört. Von Tatbestandsalternativen abgesehen macht dieser Streit allerdings gar keinen Sinn. Denn bei der Tatalternativität handelt es sich stets um ein und dasselbe Tatbestandsmerkmal desselben Delikts, weswegen es selbstverständlich überflüssig ist, die Gleichwertigkeit zu prüfen. Dieser Streit hat praktische Bedeutung überhaupt nur bei Tatbestandsalternativen. In der Literatur hat man das Merkmal der Gleichwertigkeit von Tatbestandsalternativen auf zwei verschiedenen Ebenen in die Diskussion eingebracht. Sie kann sich zunächst auf die Behandlung der Frage auswirken, ob die Alternativen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal angesehen werden sollen. Wenn die Alternativen gleichwertig sind, sollen sie nach dieser These zusammen ein Merkmal bilden. Konsequenterweise darf eine gleichartige Wahlfeststellung bei Tatsachenungewissheit vorgenommen werden; bei Un86 Obwohl man – seit dem Verzicht auf die Lehre vom Mischgesetz – eher von der Vergleichbarkeit bzw. Identität des Unrechtskerns als von der Gleichwertigkeit spricht, gibt es keinen materiellen Unterschied zwischen beiden Terminologien; a.A. Hruschka, MDR 1967, S. 268. 87 BGHSt 9, 390 ff., 392 ff.; 23, S. 360 f.; so auch z. B. Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 80 f., 104 ff.; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 41 ff.; Arzt, Strafrechtsklausur, 2000, S. 146; KK-Schoreit, § 261 Rn. 73. Die Vergleichbarkeit hat man z. B. im Verhältnis von Diebstahl und Hehlerei stets bejaht. 88 So die h. M. im Schrifttum, vgl. dazu Rudolphi, SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 41 f.; Otto, AT, 24 / 9; Schlüchter, SK-SPO, § 261 Rn. 97a. Manche sehen die Identitätsthese als „einen nicht mehr über die Vergleichbarkeitsformel des BGH hinausführenden Versuch“ (NK-Frister, 1995, Rn. 77 ff. nach § 2; wohl auch Hruschka, JuS 1982, S. 322) oder als „eine Konkretisierung der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit“ (Maiwald, AK-StPO, § 261 Rn. 35) an. 89 Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 150. 90 Otto, AT, 24 / 9.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

gleichwertigkeit der Alternativen ist der Angeklagte dagegen freizusprechen. Dieser Meinung nach kommt m. a. W. entweder eine gleichartige Wahlfeststellung oder ein Freispruch in Betracht, weswegen die ungleichartige Wahlfeststellung auf keinen Fall auftritt. Demgegenüber geben andere Autoren der Gleichwertigkeit auf einer anderen Ebene eine Bedeutung, und zwar bei der Beantwortung der Frage, ob es zulässig ist, eine ungleichartige Wahlfeststellung anzunehmen. Hier geht man also davon aus, dass die alternativ gefasste Vorschrift mehrere Tatbestände enthält, weshalb die Wahlfeststellung zwischen ihnen stets eine ungleichartige ist. Danach muss man freilich alle Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Tatbestände, sorgfältig prüfen. Vom Ergebnis her besteht zwar kein Unterschied zwischen beiden Vorgehensweisen, weil es so oder so auf die Gleichwertigkeit bzw. Vergleichbarkeit ankommt. Jedoch lassen sich von den unterschiedlichen Ausgangspunkten beider Vorgehensweisen gerade auch unterschiedliche Aussagen über die Grundfrage ableiten, ob jeder Alternative die Qualität eines Tatbestandsmerkmals zukommt91. Die Vertreter der letzteren Meinung, nach der die Alternativen stets als mehrere selbstständige Merkmale zu behandeln sind, haben übersehen, dass die alternative Fassung der Beschreibung eines Begriffs dienen kann92. Im Gegensatz dazu haben die Befürworter der ersten Ansicht, nach der die Alternativen nur bei Bejahung ihrer Gleichwertigkeit als ein Merkmal angesehen werden können, außer Acht gelassen, dass man bei der Beantwortung der Frage, ob eine Strafvorschrift mehrere Tatbestände enthält, unter Berücksichtigung des Gesetzlichkeitsprinzips vom Gesetzestext ausgehen muss. Ein Tatbestandsmerkmal, das alternativ formuliert wird, darf nicht entgegen dem ausdrücklichen Gesetzestext in mehrere Merkmale gespaltet werden, auch wenn der Rechtsanwender seine alternativen Glieder für ungleichwertig und damit ihre Zusammenfassung bzw. Gleichbehandlung für verfehlt hält. Nur der Gesetzgeber ist befugt, die legislative Entscheidung darüber zu treffen, wie ein Tatbestandsmerkmal formuliert werden soll. Da sich der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung ausschließlich sprachlichen bzw. syntaktischen Regeln und verfassungsrechtlichen Geboten unterwirft93, darf man den Gesetzestext bei der Qualifizierung des Tatbestandsmerkmals nur anhand dieser Regeln analysieren. Auf dieser Basis werden die These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich systematische Einschränkung herausgearbeitet94, um gesetzestexttreu feststellen zu können, ob es in der alternativ gefassten Vorschrift nur einen einzigen Tatbestand, oder mehrere Tatbestände gibt.

91 Kommt jeder Alternative die Qualität des Tatbestandsmerkmals zu, dann ist diese alternativ gefasste Strafvorschrift konsequenterweise als eine rein formale Zusammenfassung mehrerer Tatbestände anzusehen; s. näher dazu o. 1. Teil C. I. sowie II. 92 Was auf sprachliche Schwierigkeiten zurückzuführen ist; vgl. näher dazu o. 1. Teil A. II. 4. 93 Vgl. dazu o. 1. Teil C. IV. 4, 10, VI. 2 und VIII. 94 Vgl. näher o. 1. Teil C. IV. 3 und VI.

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c) These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich-systematische Einschränkung aa) Ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal Wenn sich einschlägige Alternativen auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen und kein Anhaltspunkt für die Entkräftung der Vermutung eines Tatbestandsmerkmals zu finden ist, sind diese Tatbestandsalternativen endgültig zusammen als ein einziges, disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal zu behandeln. In diesem Fall lässt sich m. a. W. vom ausdrücklichen Gesetzestext darauf schließen, dass ein Tatbestandsmerkmal durch Alternativen disjunktiv formuliert wird. Demzufolge wird die Verwirklichung dieses alternativ gefassten Merkmals bereits dann nachgewiesen, wenn festgestellt werden kann, dass der Täter zumindest eine der Tatbestandsalternativen erfüllt hat (der alternative Nachweis). Der Zweifel darüber, welche der Alternativen verwirklicht wurde, behindert die eindeutige Feststellung des jeweiligen Tatbestandes auf wahldeutiger Tatsachengrundlage nicht95, weil die Subsumierbarkeit unter diesen (einzigen) Tatbestand schon zweifellos gegeben ist. Da es hier nur auf den Gesetzestext ankommt, spielt die normative Gleichwertigkeit zwischen Alternativen keine Rolle; die Beantwortung der Grundfrage, ob Alternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden, hängt also nicht von der normativen Bewertung des Rechtsanwenders ab, sondern ausschließlich von der Gestaltung des Gesetzestexts bzw. der Entscheidung des Gesetzesgebers. Diese Konstellation ist äquivalent mit der bei der Tatalternativität. Beide zusammen gehören zur Gruppe „Reine Tatsachenalternativität ohne Gesetzesalternativität“ (gleichartige Wahlfeststellung)96.

bb) Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände Stellen einschlägige Alternativen dagegen mehrere Tatbestandsmerkmale dar97, dann ist die Möglichkeit der gleichartigen Wahlfeststellung bei einem non liquet So auch Günther, Verurteilungen, 1976, S. 275. Beispiel: Der Angeklagte, der nicht nur als Arzt, sondern auch als Angehöriger eines Unternehmens der privaten Krankenversicherung tätig ist, hat ein fremdes Geheimnis i. S. des § 203 Abs. 1 Satz. 1 offenbart. Es kann nicht festgestellt werden, ob das Geheimnis ihm als Arzt (dann: Nr. 1) anvertraut worden ist, oder als Angehöriger (dann: Nr. 6) bekannt geworden ist. Eine andere Möglichkeit ist aber schon mit Sicherheit ausgeschlossen. Alle in § 203 Abs. 1 aufgezählten Eigenschaften, die dem Täter die Geheimhaltungspflicht auferlegen, sind als eine (disjunktiv formulierte) Einheit (Quelle der Geheimhaltungspflicht) anzusehen. Für die Feststellung dieser Pflicht braucht man im Strafverfahren lediglich zu beweisen, dass dem Angeklagten das Geheimnis des anderen durch diese aufgezählten Quellen bekannt geworden ist. Danach ist der Angeklagte in diesem Fall wegen Verletzung von Privatgeheimnissen eindeutig (aber auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage) zu verurteilen. 97 Nämlich die drei folgenden Konstellationen: (1) Es liegt bereits mehrere Formulierungseinheiten in einer Alternative vor; (2) jede Alternative enthält zwar jeweils nur eine, 95 96

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

bereits ausgeschlossen, weil es um mehrere Tatbestände geht. Trotzdem ist der Angeklagte bei einem non liquet nicht ohne weiteres freizusprechen. Bevor man den Angeklagten wegen Beweismangels freispricht, muss man weiter nachprüfen, ob eine ungleichartige Wahlfeststellung anzunehmen ist. Der Angeklagte kann nur dann wegen einer wechselseitigen Anwendung des In-dubio-Satzes freigesprochen werden, wenn die Zulässigkeit der ungleichartigen Wahlfeststellung verneint wird. Es kommt hier hauptsächlich auf die Vergleichbarkeit zwischen diesen Alternativen an, die wir im Hinblick auf deren besonderen Eigenschaften nun eigens behandeln werden. cc) Gesetzgeberische Entscheidung und Vergleichbarkeitsforderung Wie oben in Abschnitt a) gezeigt, gehen einige Autoren davon aus, dass die Zulässigkeit einer Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage nicht von dem rein formalen Kriterium, ob der Gesetzgeber mehrere Tatmodalitäten in einem Tatbestand zusammengefasst oder sie verselbstständigt hat, abhängen sollte, sondern von dem materiellen Kriterium, in welchem Verhältnis die Unrechtsgehalte der verschiedenen Geschehensweisen zueinander stehen, da die Aussiedlung von Modalitäten in einem oder in verschiedenen Tatbeständen bisweilen eher zufälliger Natur sei. Eine solche These scheint auf den ersten Blick einleuchtend zu sein, ist jedoch bei näherem Hinsehen bedenklich. Denn wo der Gesetzgeber alternative Tatbestände formuliert, gibt er sich ersichtlich Mühe, diejenigen Alternativen unter einer Ziffer zu vereinigen, die annähernd gleichartig und gleichwertig sind98. Die Gleichwertigkeit zwischen Alternativen muss eine gesetzgeberische Voraussetzung für die Anwendung einer alternativen Formulierung sein99. Hinter dem Gesetzestext versteckt sich also eine gesetzgeberische Entscheidung für die enge Unrechtsverwandtschaft zwischen Alternativen. Durch diese systematische Einordnung wird die Vergleichbarkeit bzw. die Nähe der Unrechtsverwandtschaft zum Ausdruck gebracht. Die Gewaltenteilung verlangt vom Rechtsanwender, diese legislative Entscheidung zu respektieren. Will man darin keine vom Gesetzgeber getroffene und für den Gesetzesanwender verbindliche Wertung sehen, so sind hierfür Argumente vorzutragen. Ansonst muss die Entscheidung des Gesetzgebers über die Vergleichbarkeit bzw. Gleichwertigkeit der Tatbestandsalternativen den Wertungen seiner Anwender grundsätzlich vorgehen100. Man könnte entgegnen, dass aber unterschiedliche Formulierungseinheit; (3) alle Alternativen beziehen sich zwar auf dieselbe Formulierungseinheit, ihre Gleichbehandlung führt jedoch zum Wertungswiderspruch; s. o. 1. Teil C. V. sowie VI. 98 NK-Puppe, § 16 Rn. 135; s. dazu auch o. 1. Teil A. II. 2. 99 So schon Wach, Legislative Technik, 1908, S. 64 f., 67; s. auch o. 1. Teil A. II. 2, C. VII. 3. d). 100 Schlüchter hat mit folgender Frage auf die oben erwähnte Stellungnahme geantwortet: Warum sollte die Wertung der Gesetzesanwender – in der Praxis oder der Wissenschaft – zuverlässiger sein als die des Gesetzes? (dies., in: SK-StPO, § 261 Rn. 94); s. auch o. 1. Teil C. VII. 3. c).

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der Entscheidung des Gesetzgebers deshalb keine maßgebende Bedeutung zukomme, weil er bei der Abfassung der Vorschrift mitunter gar nicht über die Angemessenheit der Zusammenfassung nachgedacht habe. Jedoch darf man nicht vergessen, dass der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung verpflichtet ist, die systematische Einordnung auch von Tatbestandsalternativen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat jedenfalls versucht, die in der Gesellschaft herrschenden Vorstellungen über die verschiedenen Arten von Straftaten im Gesetzesbuch zu regeln. Damit hat die tatbestandliche Systematik des Gesetzes keineswegs nur formale Bedeutung, sondern enthält in erster Linie eine Aussage über die Gleich- bzw. Verschiedenartigkeit von Unrecht101. Auch wenn der Auslegende klüger als der Gesetzgeber sein mag, so sind die Möglichkeiten einer Korrektur durch die Auslegung einer Vorschrift im Strafrecht sehr begrenzt. Das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip muss auch für die Frage nach der Artgleichheit des Unrechts gelten102. Es ist hier dem Rechtsanwender eine Argumentationslast auferlegt. Da die legislative Zusammenfassung mehrerer Alternativen eine Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten ihrer engen Unrechtsverwandtschaft darstellt, ist die ungleichartige Wahlfeststellung zwischen Alternativen als grundsätzlich zulässig zu qualifizieren; es sei denn, man kann erfolgreich argumentieren, warum eine im Gesetzesbuch so zum Ausdruck kommende Unrechtsverwandtschaft für die Bejahung der Vergleichbarkeit der Wahlfeststellung nicht genügt. Das lässt sich natürlich nur von Fall zu Fall, von Tatbestand zu Tatbestand ermitteln. Kann der Rechtsanwender die Argumentationslast nicht ausräumen, dann sind die verschiedenen Tatbestände mit der Ansiedlung in derselben Strafvorschrift als untereinander gleichwertig festgeschrieben. Kann dagegen die normative Gleichwertigkeit verneint werden, dann muss der Angeklagte wegen einer wechselseitigen Anwendung des In-dubio-Satzes freigesprochen werden. Eine solche Gegenargumentation ist dort einfacher anzubringen, wo die Alternativen, soll ein Wertungswiderspruch vermieden werden, nicht als eine Einheit angesehen werden können103. Hier hängt die Zulässigkeit der Wahlfeststellung in der alternativ gefassten Vorschrift wesentlich von der Zulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen den anderen Tatbeständen ab, aus denen die betroffenen Alternativen ursprünglich stammen. Die Wahlfeststellung innerhalb der alternativ gefassten Vorschrift ist m. a. W. nur insoweit möglich, als zwischen diesen anderen Tatbeständen eine Wahlfeststellung zulässig ist. Bei der Feststellung der Zulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen den Alternativen des § 138 Abs. 1104 muss z. B. berücksichtigt NK-Frister, Nach § 2 Rn. 102. NK-Frister, Nach § 2 Rn. 105. 103 Das sind die Fälle, in denen (1) die Alternativen in der disjunktiv gefassten Vorschrift der Bestimmung der Angriffsrichtungen dienen (z. B. die beiden Gefährdungsarten in § 315c), die in anderen Vorschriften voneinander völlig unanhängige Angriffsrichtungen darstellen (z. B. Angriffe auf das Leben in § 212 und auf das Eigentum in § 303). Oder (2) der Gesetzgeber fasst die unrechtsbezogenen Alternativen mit den schuldbezogenen in derselben Vorschrift als eine Einheit zusammen; vgl. dazu o. 1. Teil C VI. 2. b) und c); für die zweite Fallgruppe ebenso: Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 129. 101 102

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

werden, ob eine Wahlfeststellung zwischen einschlägigen Katalogtaten erlaubt ist. Allerdings kommt die non-liquet-Situation hier kaum vor. Denn nur dann, wenn Alternativen unterschiedliche Angriffsrichtungen in anderen Vorschriften einerseits und die Angriffsrichtung der disjunktiv gefassten Vorschrift andererseits bezeichnen, bringt ihre Gleichbehandlung einen Wertungswiderspruch mit sich. Alternativen als solche sind aber meistens „erfolgsbezogen“; der objektive Erfolg lässt sich normalerweise deutlich beweisen105. Die Schwierigkeit der Tatsachenrekonstruktion entsteht meistens bei Merkmalen, die sich auf Begehungsweisen oder auf die subjektive Tendenz des Täters106 beziehen.

III. Zusammenfassung Aus den obigen Erörterungen ergibt sich, dass nicht bei allen Tatbestandsalternativen im Falle eines non liquet eine Wahlfeststellung möglich ist. Bei der Gruppe der tautologisch gefassten Tatbestandsalternativen ist ein Tatsachenzweifel zwischen ihnen unvorstellbar. Darüber hinaus kann der Richter bei einigen Gruppen gemäß dem In-dubio-Satz ein eindeutiges Urteil fällen. Dazu gehört die Gruppe der Tatbestandsalternativen, die entweder in einem semantischen oder in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander stehen. Wenn es um die Wahlfeststellung geht, z. B. bei kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen, muss immer auch darauf geachtet werden, ob alle Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Wahlfeststellung erfüllt sind, z. B., ob sich die Anklage auf alle Tatsachenversionen erstreckt (Akkusationsprinzip). Umstritten ist nur, ob und ggf. wie sich die Vergleichbarkeit bzw. Gleichwertigkeit der Tatbestandsalternativen bei der Behandlung eines non liquet auswirkt. Sicher ist, dass man stets dort nach der Vergleichbarkeit zwischen einschlägigen Tatbeständen fragen muss, wo es um eine ungleichartige Wahlfeststellung geht. Die Frage, ob die Wahlfeststellung bei kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen gleichartig oder ungleichartig ist, lässt sich aber nicht einheitlich beantworten. Entgegen überwiegenden Lehrmeinungen der Literatur sind nach der hier vertretenen Meinung beide Formen möglich. Stellen die kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen ein Tatbestandsmerkmal dar, dann ist eine gleichartige Wahlfeststellung zu treffen; ganz genauso verhält es sich bei der reinen Tatsachenalternativität innerhalb desselben Tatbestandsmerkmals (Tatal104 Beispiel: Jemand hat Geldfälschung und Brandstiftung begangen. Aus der Beweisaufnahme ergibt sich, dass der Angeklagte von dem Vorhaben einer der beiden Taten glaubhaft erfuhr und es unterließ, ihn rechtzeitig anzuzeigen. Zweifelhaft ist jedoch, welche Tat er gekannt hat. 105 Lebensfremd wäre ein solches Beispiel: Der Richter kann sich zwar Gewissheit verschaffen, dass der fahruntüchtige Angeklagte ein Auto im Straßenverkehr fuhr und dadurch entweder den Leib eines anderen oder eine fremde wertvolle Sache gefährdete; dennoch bleibt noch unklar, welcher Gefährdungserfolg tatsächlich eintrat. 106 Z. B. die besondere Absicht in § 263: sich oder einem Dritten (vgl. dazu Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 339).

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ternativität). Der Richter kann ein eindeutiges Urteil auf einer wahldeutigen Tatsachengrundlage ohne weiteres fällen, ohne die Vergleichbarkeit zwischen Alternativen prüfen zu müssen. Demgegenüber kommt eine ungleichartige Wahlfeststellung dann vor, wenn die Alternativen mehrere Tatbestandsmerkmale verkörpern und damit mehrere Tatbestände in dieser alternativ gefassten Vorschrift bezeichnet sind. Hier muss man zwar die normative Gleichwertigkeit zwischen den Tatbestandsalternativen prüfen; sie ist jedoch wegen der Zusammenfassung der Tatbestandsalternativen an derselben Gesetzesstelle grundsätzlich zu bejahen. Wenn der Rechtsanwender eine Wahlfeststellung für unzulässig hält, hat er die Gegenargumente vorzutragen. Es ist hier also dem Rechtsanwender eine Argumentationslast auferlegt. Zu beachten ist ferner, dass die anderen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Wahlfeststellung – vor allem die exklusive Alternativität strafbarer Sachverhalte sowie die Rechtshängigkeit aller Sachverhaltsalternativen – immer erfüllt sein müssen. Letztlich bleibt noch eine technische Frage zu beantworten, nämlich wie der Urteilstenor bei der ungleichartigen Wahlfeststellung zwischen Alternativen, die mehrere Tatbestandsmerkmale darstellen, abzufassen ist. Obwohl in der geltenden StPO nicht besonders geregelt ist, wie die Urteilsformel bei Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage zu lauten hat, besteht im Schrifttum Einigkeit über die Abfassung der Urteilsformel bei der Wahlfeststellung zwischen Tatbestandsalternativen: Da die unterschiedlichen Tatsachenalternativen stets dieselbe Strafvorschrift erfüllen, ist hier eine eindeutige Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage zu fällen107. Dass allein die Tatsachenalternativität den Schuldspruch (die Urteilsformel) nach h. M. nicht berührt und nur in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommt108, ist auf die Wahlfeststellung zwischen Tatbestandsalternativen zu übertragen. Dies verträgt sich zwar formell gesehen nicht mit dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Urteilstenor bei der ungleichartigen Wahlfeststellung wahldeutig abzufassen ist. Jedoch scheint dieser formelle Mangel – angesichts der Besonderheit der Tatbestandsalternativen, dass es bei ihnen immer nur um ein und dieselbe Vorschrift geht – doch hinnehmbar zu sein. Dadurch lässt es sich auch vermeiden, die Abfassung der Urteilsformel unnötig zu verkomplizieren. Allerdings muss das Gericht die Behand107 Wessels / Beulke, AT, Rn. 808. Im Schrifttum werden gleichartige Wahlfeststellung, Stufenverhältnis sowie Post- und Präpendenzfeststellung manchmal auch zusammen als eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage bezeichnet; z. B. bei Baumann / Weber / Mitsch, AT, 10 / 4 ff. 108 Vgl. dazu Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 1 Rn. 87; LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 139 f., 166; KK-Schoreit, § 260 Rn. 35, § 261 Rn. 72; Meyer-Goßner / Appl, Urteile, Rn. 338; Schlüchter, SK-StPO, § 260 Rn. 27, § 261 Rn. 94; Meyer-Goßner, StPO, § 260 Rn. 27. Dagegen Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 138; nach ihm ist ein wahldeutiger Tenor auch bei unechter Wahlfeststellung, jedenfalls bei sog. zulässiger alternativer Modalitätenfeststellung, möglich, z. B.: eine Verurteilung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316), „weil die beiden Modalitäten genauso gut in verschiedenen Straftatbeständen hätten geregelt werden können“. Handelt es sich aber um gleichwertige „unselbstständige Modalitäten“ – etwa Ermöglichung oder Verdeckung einer Straftat bei § 212 –, so soll der Täter wegen „Mordes auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage“ verurteilt werden können.

14 Tsai

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

lung des non liquet in den Urteilsgründen klären und bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten stets von der Tatbestandsalternative ausgehen, die nach der konkreten Fallgestaltung für den Angeklagten am günstigsten ist109.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen Sind mehrere Verwirklichungsvarianten in derselben Strafvorschrift vorgesehen, ist es ohne weiteres denkbar, dass der Täter sich darüber irrt, welche dieser Alternativen er verwirklicht. Ein Beispiel aus der Rechtspraxis ist der „Strohfall“1, in dem der Täter annahm, der von ihm angezündete Strohhaufen sei ein Vorrat landwirtschaftlicher Erzeugnisse, während das Stroh tatsächlich zum Decken des Hausdaches bestimmt war und darum einen Vorrat von Baumaterialien darstellte. Der Täter hat hier ohne Zweifel einen Sachverhalt gekannt, der – wenn er der Wirklichkeit entsprechen würde – den Tatbestand der Brandstiftung erfüllen würde. Fraglich ist nur, ob dies für die Zurechnung der vollendeten Vorsatztat schon ausreicht. Im Schrifttum wird diese Konstellation üblicherweise „Irrtum über Tatbestandsalternativen“, „Alternativenirrtum“ oder „Irrtum im Alternationsbereich des Verbotes“2 genannt. Nicht selten wird auch vom „doppelten Tatbestandsirrtum“3 gesprochen, weil der Täter hier sowohl zu seinen Gunsten als auch zu seinen Ungunsten irrt. Der Alternativenirrtum wurde in der Literatur manchmal für rechtspraktisch irrelevant gehalten, weil er in der Gerichtspraxis kaum auftauche4. Dennoch sind heutzutage die meisten Vorschriften im BT alternativ gefasst5; auch die Strafvorschriften im Wirtschafts- und Umweltstrafrecht löst der Gesetzgeber immer mehr in Alternativen auf. Deshalb werden derartige Irrtumsmöglichkeiten immer häufiger6. Darüber hinaus werden Irrtumsfragen in der Strafrechtsdogmatik seit jeher als „Prüfstein“ angesehen7. Mit der Diskussion über den Alternativenirrtum lässt 109 Vgl. dazu LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 140; Rudolphi, SK-StGB, Anh. zu § 55 Rn. 27; Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 139. 1 RGSt 35, 285 ff. 2 So z. B. Bindokat, NJW 1963, S. 745; Haft, JuS 1980, S. 435. 3 Etwa Roxin, AT / 1, 12 / 123; Kühl, AT, 13 / 16a; Lackner / Kühl, StGB, § 16 Rn. 4; Rudolphi, in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11. 4 So Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 514; NK-Puppe, § 16 Rn. 130. 5 Ca. 95% aller Paragrafen des BT enthalten Alternativen; zu genauen statistischen Angaben, s. o. 1. Teil A. I. 4. 6 So auch Schroeder, GA 1979, S. 321; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11 und NK-Puppe, § 16 Rn. 130. Anhand konkreter Beispiele des § 326 zeigt Schittenhelm (GA 1983, S. 313) die hohe Wahrscheinlichkeit des Alternativenirrtums im Umweltstrafrecht. Ferner könnte die Seltenheit des Alternativenirrtums in der Rechtspraxis auch auf ein fehlendes Problemsbewusstsein zurückgeführt werden. 7 Etwa Tiedemann, FS-Geerds, 1995, S. 95.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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sich die Folgerichtigkeit und Gerechtigkeit der Verbrechenslehre – namentlich die Beziehung zwischen der objektiven und der subjektiven Seite einer Tat – noch mal überprüfen. Jedenfalls braucht der Rechtsanwender eine dogmatische Klärung des Alternativenirrtums. Im Folgenden wird der Alternativenirrtum zunächst von anderen Irrtumskonstellationen durch eine genauere Definition unterschieden (I). Da hier relativ viele Thesen – mehr als bei der Behandlung des Konkurrenzverhältnisses oder der non-liquet-Situation – aufgestellt werden, wird deren Zusammenfassung und Würdigung entsprechend mehr Raum einnehmen (II). Aus dieser Analyse der Lehrmeinungen wird sich die verfehlte Lokalisierung des Problems ableiten lassen. Bei ihrer richtigen Lokalisierung ist die Problematik des Alternativenirrtums – wie etwa auch die des Abweichens vom Kausalverlauf – nicht auf der Ebene der Prüfung des Vorsatzes, sondern auf der der Zurechnung zum Vorsatz zu behandeln (III. 1). Erst wenn man das Problem richtig lokalisiert hat, kann man es anhand der hier vertretenen Thesen dogmatisch einwandfrei lösen (III. 2 bis 5).

I. Begriffsbestimmung des Alternativenirrtums 1. Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen der Tatbestandsalternativen Unter dem Irrtum über Tatbestandsalternativen sind diejenigen Fälle zu verstehen, in denen der Täter eine bestimmte Alternative verwirklicht, dies aber nicht erkennt, sondern irrtümlich annimmt, sein Verhalten erfülle die tatsächlichen Voraussetzungen einer anderen Variante derselben Strafvorschrift8. Dadurch, dass sich der hier zu behandelnde Irrtum auf tatsächliche Voraussetzungen der Alternativen beziehen soll, wird die Konstellation des „doppelten Subsumtionsirrtums“ ausgeklammert. Wenn die irrige Annahme, eine andere als die objektiv erfüllte Alternative erfüllt zu haben, auf einem Auslegungsfehler des Täters beruht, ist der Irrtum nach den allgemeinen Regeln des Subsumtionsirrtums zu erledigen. Wer z. B. aufgrund seines Auslegungsfehlers ein Mofa des anderen für ein „Fahrrad“ gehalten und es gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch genommen hat, ist für ein vorsätzliches Vollendungsdelikt gemäß § 248b Abs. 1 zu bestrafen9. Denn der vorsätzliche Täter braucht nur die Tatsachen, die die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllen, und ihre sozialen Bedeutungen zu kennen, aber nicht die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale; der Vorsatz des Täters wird also nicht vom Sub8 Ähnlich: Warda, FS- Stree / Wessels, 1993, S. 267; er hat aber von Alternativen „desselben Tatbestandes“ gesprochen; das führt wohl zu einer Quasi-Zirkeldefinition (vgl. näher o. 1. Teil A. I. 1.). Die Frage, ob der Alternativenirrtum auch zwischen unterschiedlichen Paragrafen vorkommt, wird in dieser Arbeit bereits per Definition von vornherein aus dem Diskussionsumfang ausgeklammert; s. o. 1. Teil A. I. 2. 9 So Warda, FS-Stree / Wessels, S. 273; Roxin, AT / 1, S. 424 bei Anm. 250; Schroth, Irrtum, 1998, S. 67.

14*

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

sumtionsirrtum berührt10. Demgegenüber kennt der Täter beim Alternativenirrtum die tatsächlichen Voraussetzungen der objektiv verwirklichten Alternativen nicht, nimmt dafür aber die tatsächlichen Voraussetzungen der anderen irrig an. Gedacht ist etwa an den Täter des Hausfriedensbruchs (§ 123), dessen Vorsatz sich auf das Merkmal „Wohnung“ bezieht, der tatsächlich aber in die Geschäftsräume eines anderen eindringt.

2. Kein dolus alternativus Ferner darf man das Problem des Alternativenirrtums auch nicht mit der Konstellation des dolus alternativus verwechseln. Hat der Täter auch bezüglich der objektiv verwirklichten Alternative Vorsatz (insbesondere in Form des dolus eventualis), dann handelt er hinsichtlich beider Alternativen vorsätzlich – mit einem alternativen oder kumulativen Tatentschluss –, weswegen die Verwirklichung der objektiv erfüllten Alternative ihm unproblematisch als vorsätzlich vollendet zugerechnet werden kann, auch wenn der Täter einen Absichtsvorsatz (dolus directus 1. Grades) bezüglich der objektiv nicht verwirklichten Alternative besitzt11. Hier liegt gar kein Alternativenirrtum vor. Problematisch ist hier nur, wie man den anderen Teil (d. h. in Bezug auf die gewollte Variante) bewerten soll. Dies ist jedoch keine Besonderheit des Alternativenirrtums, sondern ein Problem, das man im Bereich des dolus alternativus behandeln soll12. 3. Auf der Abweichung vom Kausalverlauf oder aberratio ictus beruhender Alternativenirrtum Aus der folgenden Diskussion ist schließlich derjenige Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen der Tatbestandsalternativen auszuklammern, der auf dem Fehlgehen der Ausführung (aberratio ictus) bzw. der Abweichung vom Kausalverlauf beruht. Dafür hat Warda ein Beispiel des § 102 angeführt, in dem der auf ein Mitglied einer ausländischen Regierung abgefeuerte Schuss fehlgeht und den daneben stehenden Botschafter des fremden Landes trifft, womit der Täter gar nicht gerechnet hat13. In einer derartigen Konstellation führt das Fehlgehen der Tat zwar – der 10 So ist jedenfalls die h. M.; vgl. nur Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 15 Rn. 43 ff. m. w. N.; s. auch u. III. 1. c) aa) Fn. 107. Zu beachten ist ferner, dass der Vorsatz in der früheren Literatur teils deshalb beim Subsumtionsirrtum ausgeschlossen werden sollte, weil das Unrechtsbewusstsein damals noch zum Vorsatz gehörte (Vorsatztheorie), s. z. B.: v. Liszt / Schmidt, Lb, 1932, S. 270. 11 Es sei denn, dass dolus eventualis für die objektiv erfüllte Alternative nach dem Gesetzestext nicht genügend ist. 12 Vgl. dazu Joerden, ZStW 95 (1983), S. 565 ff.; Schmitz, ZStW 112 (2000), S. 301 ff. 13 Ders., FS- Stree / Wessels, S. 272; weitere Beispiele s. auch Warda, a. a. O.; Joecks, StGB, § 306 Rn. 26.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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Definition des Alternativenirrtums entsprechend – ebenfalls zur Verwirklichung einer anderen als der vom Täter ins Auge gefassten Alternative; man kann aber zur Lösung der entstehenden Probleme auf die allgemeinen Regeln zurückgreifen. Warda hat in diesem Zusammenhang nun zutreffend darauf hingewiesen, dass wenn schon das Abirren der Tathandlung auf ein gleichartiges Objekt die Strafbarkeit wegen vollendeter Vorsatztat ausschließt, dies erst recht dann gelten muss, wenn anvisiertes und verletztes Objekt zu verschiedenen Arten von Angriffsobjekten gehören14. Das gilt vor allem bei denjenigen Alternativen, die erfolgsbezogen sind. Da sie zur Tatzeit noch nicht vorhanden sind, stellt der Alternativenirrtum zwischen ihnen meistens eine aberratio ictus bzw. eine Abweichung vom Kausalverlauf dar15. Die Schwierigkeit liegt aber darin, ob der Alternativenirrtum als aberratio ictus zu qualifizieren ist, oder als eine Abweichung vom Kausalverlauf, weil die beiden Konstellationen nach h. M. unterschiedlich zu behandeln sind: Während es bei der Abweichung vom Kausalverlauf auf ihre Wesentlichkeit ankommt16, wird die Strafbarkeit wegen einer vollendeten Vorsatztat im Falle einer aberratio ictus immer verneint, und zwar gleichgültig, ob die beiden (das objektiv getroffene einerseits und das subjektiv anvisierte andererseits) Objekte tatbestandlich gleichwertig sind oder nicht17. Folgte man der h. M., würde das Ergebnis des Irrtums zwischen erfolgsbezogenen Alternativen ggf. davon abhängen, ob man ihn als eine Abweichung vom Kausalverlauf oder als aberratio ictus ansieht. Dies lässt sich anhand des Alternativenirrtums bei § 226 Abs. 1 erklären: Nach h. M. liegt eine erhebliche Abweichung vor, wenn die eingetretene Folge sich von der gewollten qualitativ wesentlich unterscheidet18; hier ist der Täter wegen versuchter Tat nach den §§ 226 14 Warda, FS- Stree / Wessels, S. 272, 284; ihm folgend: Roxin, AT / 1, 12 / 123 bei Anm. 250; Lackner / Kühl, StGB, § 16 Rn. 4; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; Joecks, in: MünchKommStGB, § 16 Rn. 71, 73; Rolofs, JA 2003, S. 305 f. 15 Es sei denn, dass der Täter sich über die Tatsachen irrt, die zur Tatzeit bereits vorhanden sind und von denen mögliche Erfolge ausgehen. So ist es der Fall im Beispiel Schroeders, in dem der Täter eine am Straßenrand stehende wertvolle Statue irrtümlich für einen Menschen hält und damit eine konkrete Gefahr für einen bedeutenden Sachwert irrig als eine Gefahr für das Menschenleben ansieht (Schroeder, GA 1979, S. 321). Dann liegt freilich keine aberratio ictus vor. Dies trifft bei denjenigen Alternativen, die Ursachen darstellen, ebenfalls zu; s. u. III. 4. Ferner kann es auch bei alternativen Modalitäten vorkommen: Der Täter will ein Opfer einsperren, hat es aber in Wahrheit auf andere Weise seiner Freiheit beraubt, so dass die schwungvoll zugeschlagene Tür nicht schließt, aber das Opfer am Kopf mit der Folge einer Ohnmacht trifft (Beispiel nach Jakobs, GA 1999, S. 382; vgl. auch Schroth, Irrtum, S. 69). Oder: Der Täter will durch Drohung zur Unterlassung nötigen, seine Drohung wirkt aber als absolute Gewalt (Beispiel nach Nagler, in LK-Reihs-StGB, Lieferung I, 6. Aufl. 1944, § 59 II 3 A d, S. 486). 16 Zur Abweichung vom Kausalverlauf, vgl. Roxin, AT / 1, 11 / 63 ff., 12 / 140 ff. 17 So ist jedenfalls die h. M.; s. dazu – statt vieler – Roxin, AT / 1, 12 / 149 ff. m. w. N. (auch abweichender Auffassung). 18 Beispiel: Der Täter will durch ein Gift die Zeugungsfähigkeit (oder das Sprechvermögen) eines anderen beseitigen, führt stattdessen jedoch (voraussehbarerweise) dessen Erblindung herbei.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Abs. 2, 23 zu bestrafen, eventuell in Tateinheit mit vollendeter Tat nach § 226 Abs. 119. In diesem Fall würde man auch dann nicht zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn man den Irrtum als aberratio ictus qualifizieren würde. Probleme entstehen jedoch dort, wo der Irrtum als eine unwesentliche Abweichung angesehen wird. In der Literatur wird ein Irrtum über unterschiedliche schwere Folgen (Alternativen) des Abs. 1 dann für unwesentlich gehalten, wenn Qualifikationsmerkmale berührt sind, von denen das eine in aller Regel im anderen enthalten ist, wie etwa bei Glied- oder Sehverlust auf der einen und dauernder Entstellung auf der anderen Seite. Der Täter will z. B. einem anderen das Auge ausstechen und entstellt aber stattdessen das Gesicht dauernd oder umgekehrt20. Wenn man den Irrtum dagegen als aberratio ictus behandelt, wäre die Strafbarkeit wegen vollendeter Vorsatztat nach § 226 stets zu verneinen. Die Frage, ob und ggf. wie sich die aberratio ictus von der Abweichung vom Kausalverlauf normativ unterscheiden lässt, kann in dieser Arbeit dahin gestellt bleiben, weil sie bereits über die Problematik der Tatbestandsalternativen hinausgeht. In diesem Kontext ist nur festzuhalten, dass die Behandlung der Fälle, die sich anhand der allgemeinen Regeln der Irrtumslehre lösen lassen und aus der folgenden Diskussion ausgeklammert werden sollen, umstritten ist. Zusammenfassend: Der Alternativenirrtum beschränkt sich im Folgenden auf diejenigen Fälle, in denen der Täter eine Alternative verwirklicht, dies aber nicht erkennt, sondern irrtümlich annimmt, sein Verhalten erfülle die tatsächlichen Voraussetzungen einer anderen Alternative derselben Strafvorschrift, wobei der Irrtum weder auf einer Abweichung vom Kausalverlauf noch auf einer aberratio ictus beruht. Zum einen ist dem Alternativenirrtum als solchem und dem error in objecto insofern gemeinsam, dass der Täter das von ihm gewünschte Objekt getroffen hat und die wirklichen und vorgestellten Kausalverläufe miteinander übereinstimmen. Sie beide unterscheiden sich insofern lediglich dadurch, dass es beim error in objecto nur um einziges gesetzliches Objekt geht, während beim Alternativenirrtum mehrere gesetzlich aufgezählte Alternativen betroffen sind21. Zum anderen besteht die Ähnlichkeit zwischen dem Alternativenirrtum als solchem, der Abweichung 19 Vgl. Schönke / Schröder / Stree, StGB, § 226 Rn. 14; Horn / Wolters, in: SK-StGB, § 226 25; NK-Paeffgen, § 226 Rn. 51; Joecks, in: MüchKommStGB, § 16 Rn. 73; Roxin, AT / 1, 12 / 146. 20 So etwa Horn / Wolters, in: SK-StGB, § 226 25; NK-Paeffgen, § 226 Rn. 51. Hingegen wirft Hardtung (in: MünchKommStGB, § 226 Rn. 44 mit Anm. 157) dieser Meinung eine Fehlklassifizierung vor, weil es hier nicht um bloße Kausalabweichung, sondern (fundamentaler) um Erfolgsabweichung gehe, und sieht einen Verstoß gegen die klare gesetzliche Trennung der schweren Folgen wie auch gegen die Vorsatzregeln. Der Irrtum soll ihm zufolge wegen der tatsächlichen Unkenntnis bezüglich der objektiv verwirklichten Alternative stets zum Vorsatzausschluss gemäß § 16 Abs. 1 S. 1, damit zur Strafbarkeit wegen fahrlässiger Verursachung der objektiv getroffenen Alternative und wegen versuchter Verursachung der subjektiv vorgestellten Alternative führen; im Ergebnis ebenso: LK-Schroeder, § 16 Rn. 12. 21 Deshalb drängt sich dem Schrifttum die Parallele zum Irrtum über das Handlungsobjekt auf (so z. B. Joecks, StGB, § 16 Rn. 19). Vgl. dazu u. II. 3.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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vom Kausalverlauf und der aberratio ictus darin, dass sowohl die objektive als auch die subjektive Seite bei isolierter Betrachtung tatbestandsmäßig sind und es in den drei Irrtumskonstellationen gerade an der Kongruenz fehlt. Die Frage ist ja nur, ob das objektive Unrecht dem Vorsatz zuzurechnen ist oder nicht22.

II. Die Lehrmeinungen und ihre Würdigung 1. Vorbemerkung – Untauglichkeit einer einheitlichen, undifferenzierten Behandlung In der Literatur werden viele unterschiedliche Lösungsansätze aufgestellt, aus denen jeweils unterschiedliche Resultate abgeleitet werden. Bei der Herausarbeitung eines Lösungsvorschlags hat man meistens die Verschiedenheit der Tatbestandsalternativen außer Acht gelassen und immer nach einem einheitlichen, auf alle Typen anwendbaren Kriterium gesucht. Der Hintergedanke dieses Ausgangspunkts ist zwar nachvollziehbar, weil die Alternativen in derselben Vorschrift von derselben Strafbedrohung gleichrangig umfasst sind. Daher wäre auch ein Irrtum zwischen ihnen insofern immer gleich zu behandeln. Angesichts der Vielfältigkeit der Tatbestandsalternativen ist jedoch ein solcher Ansatz zum Scheitern verurteilt. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist der Terminus „Tatbestandsalternative“ als ein Sammelbegriff aufzufassen und in verschiedene Gruppen einzuteilen 23. Ließe man im Streben nach einem einheitlichen Ergebnis den Unterschied einzelner Ausgestaltungen von Tatbestandsalternativen außer Acht, würde man oft ein ungerechtes Resultat erzielen. Niemand würde auf die Idee kommen, den Irrtum zwischen den im Einschlussverhältnis stehenden Alternativen als relevant zu erklären, wenn ein Täter z. B. ein Gebäude eigentlich nur teilweise zerstören wollte, dieses aber schließlich ganz zerstört wurde. Es ist schwer nachzuvollziehen, dass der Täter sich lediglich deshalb nicht wegen einer vollendeten, sondern einer versuchten Straftat der Bauwerkzerstörung (§ 305 II)24 strafbar gemacht haben soll, weil ein Irrtum über Tatbestandsalternativen (ganz oder teilweise) vorliegt25. Wenn das Gesetz weder fahrlässiges noch versuchtes Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht hätte26, würde der Täter sogar überhaupt nicht bestraft werden. Er könnte also der Strafbarkeit wegen des beiden gemeinsamen Erfolgsunrechts nur deshalb entgehen, weil er objektiv mehr Unrecht angerichtet hat, als er begehen wollte, oder umgekehrt mehr Unrecht begehen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat. 22 Viele Autoren verwechseln die Frage, ob der Tatbestandsvorsatz vorhanden ist, mit der anderen, ob das objektive Unrecht zum Vorsatz zuzurechnen ist. Bei der zweiten Frage kommt es also nicht mehr auf die psychische Kenntnis des Täters an, sondern auf die normative Kongruenz. Darauf kommen wir unten (III. 1) zurück. 23 s. 1. Teil B. 24 In § 305 ist die fahrlässige Tat nicht strafbar. 25 Ebenso Warda, FS- Stree / Wessels, S. 274, 278. 26 Z. B. im Fall des § 353 Abs. 1.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Diese Überlegungen gelten nicht nur für die These der generellen (Un-)Erheblichkeit des Alternativenirrtums, sondern auch für sog. differenzierende Lösungsvorschläge, wie etwa die Gleichwertigkeits- und die Vollständigkeitsthese. Bei denjenigen Alternativen, die verschieden intensive Unrechtsabstufungen darstellen, lässt sich eine Gleichwertigkeit zwischen ihnen wohl kaum begründen, unabhängig davon, dass ein Irrtum über diese Alternativen allgemein als irrelevant zu qualifizieren ist27. Auch die Vollständigkeitsthese erweist sich jedenfalls bei qualitative Unrechtsabstufungen darstellenden Alternativen, bei denen der Alternativenirrtum unstreitig irrelevant ist und aber gerade keine erschöpfende Aufzählung vorhanden ist, als unbrauchbar. Deshalb nehmen die Stimmen im Schrifttum zu, die eine kasuistische Behandlung des Alternativenirrtums je nach den unterschiedlichen Ausgestaltungsformen der betroffenen Alternativen fordern28, auch wenn bis dato noch keine vollständige Einteilung aufgestellt wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man bei der Herausarbeitung einheitlicher Lösungsvorschläge nur an den Brennpunkt, nämlich die kollektiv gefassten Alternativen, gedacht hat. Dann sind sie zumindest unvollständig und ggf. missverständlich. Im Folgenden wird darauf eingegangen, ob diese einheitlichen Lösungsvorschläge überhaupt bei den kollektiv gefassten Alternativen anwendbar sind.

2. Generelle Relevanz des Alternativenirrtums Zunächst gehen einige Autoren davon aus, dass jeder Alternativenirrtum zum Ausschluss des Vorsatzes führen muss. Auf der Basis seiner Normentheorie hat Binding klar und deutlich darauf verwiesen, dass bei den Tatbestandsalternativen immer eine Mehrheit selbstständiger Verbrechen vorliege, von denen jedes seinen eigenen Vorsatz erfordere und auf keinen Fall die Verschiedenheit der Vorsätze verwischen dürfe29. Da hinter jeder Alternative ein eigener Imperativ bzw. eine eigene Norm stecke, müsse bei Unkenntnis der verwirklichten Alternative stets ein vorsatzausschließender Irrtum angenommen werden. Eine ähnliche These hat Kuhlen aufgestellt. Nach ihm ist jede Alternative als eine eigene strafrechtliche Handlungsbeschreibung aufzufassen: Für eine Relevanzbestimmung, die die Akzessorietät des subjektiven gegenüber dem objektiven Tatbestand ernst nehme, führe das Problem des Irrtums über Tatbestandsalternativen zu der Frage, ob alternativ formulierte Tatbestände mehrere einfache Handlungen oder eine alternativ strukturierte Handlung beschreiben. Da die alternativ gefasste Vorschrift nicht eine in sich alternative Handlung, sondern mehrere einfache Handlungen beVgl. näher u. III. 2. c) sowie 3. a). Eine solche kasuistische Betrachtungsweise geht wohl auf Warda zurück (ders., FSStree / Wessels, S. 280 ff.); so auch Wessels / Beulke, AT, Rn. 246; Lackner / Kühl, StGB, § 16 Rn. 4; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39 f.; Schroth, Irrtum, 1998, S. 67 ff.; Rolofs, JA 2003, S. 306. 29 Binding, Normen II, 1916, S. 931 f. 27 28

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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schreibe, weiche der Irrende von einer strafrechtlichen Handlungsbeschreibung ab, weshalb der Irrtum über unterschiedliche Handlungsbeschreibungen bzw. Alternativen immer relevant sei30. Von diesem Standpunkt aus soll der Täter also stets wegen Versuchs der vom Täter angenommenen Alternative in Tateinheit mit fahrlässiger Verwirklichung der objektiv betroffenen Alternative bestraft werden, solange das Gesetz die Strafbarkeit des Versuchs und der Fahrlässigkeit ausdrücklich bestimmt. Binding und Kuhlen unterscheiden sich wohl nur terminologisch31. Da jede Alternative ihnen zufolge selbstständig bzw. isoliert zu betrachten ist, sind Alternativen letztendlich nur aufgrund legislativer Ökonomie in derselben Vorschrift zusammengefasst. Hinter dieser Zusammenfassung stünde nur eine gesetzgeberischtechnische Überlegung, aber keine Sachentscheidung des Gesetzgebers. Damit wird jedoch übersehen, dass die kollektiv gefassten Alternativen nicht selten sprachlicher Schwierigkeiten bzw. des Bestimmtheitsgebots wegen eingesetzt werden32. Um einen Begriff auszudrücken, behilft sich der Gesetzgeber einmal mit einem umfassenden Gattungsbegriff, ein anderes Mal mit der Aufzählung seiner Unterbegriffe33. Entscheidet er sich für die letztere Formulierungsweise, will er damit keinesfalls mehrere Tatbestände schaffen. Niemand würde auf die Idee kommen, dass § 174 a Abs. 2 nur deshalb mehrere Tatbestände enthalten sollte, weil der Gesetzgeber die Alternativen „eine Person, die in einer Einrichtung für kranke oder hilfsbedürftige Menschen stationär aufgenommen und ihm zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist“ eingesetzt hat34. Andere Bedenken gegen diese These richten sich gegen entstehende Strafbarkeitslücken. Nach den Thesen von Binding und Kuhlen soll der Täter stets wegen Versuchs der vom Täter angenommenen Alternative in Tateinheit mit fahrlässiger Verwirklichung der objektiv betroffenen Alternative bestraft werden. Beim Fehlen von Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafdrohungen35 wird der Täter dann aber gar nicht bestraft. Darauf hat Kuhlen erwidert, dass es deshalb keine kriminalpolitisch bedenklichen Strafbarkeits30 Vgl. dazu Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 512 ff., 517; im Ergebnis auch: Schlehofer, Vorsatz, 1996, S. 171 f. 31 Kuhlens Auffassung wird als eine moderne Version der Normentheorie Bindings angesehen; so Rolofs, JA 2003, S. 307: „Die Normentheorie im modernen Gewand“. 32 s. auch o. 1. Teil A. II 3 und 4. 33 Vgl. näher dazu o. 1. Teil II. 3. b) bb). 34 Obwohl Kuhlen die Zulässigkeit der disjunktiven Beschreibungsweise auch anerkennt, lehnt er nach dem „alltagssprachlichen Verständnis“ die Auffassung, die alternative Beschreibung stelle ein disjunktiv formuliertes Merkmal dar, ab und empfindet eine solche Beschreibung „regelmäßig als merkwürdig“ oder „ganz ungewöhnlich“ (ders., Irrtum, 1987, S. 513 f.). Er ist jedoch nach Warda den Beweis dafür schuldig geblieben, dass sich die – von ihm selbst als logisch möglich angesehene – Deutung von alternativen Formulierungen in Straftatbeständen als Beschreibungen jeweils eines komplexen, die in Rede stehenden Alternativen zu einer Einheit verbindenden, Tatbestandsmerkmals aus sachlichen Gründen durchweg verbietet (ders., FS-Stree / Wessels, S. 278); s. auch o. 1. Teil C. III. 2. 35 Z. B. im Fall des § 353 Abs. 1.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

lücken gebe, weil der Alternativenirrtum in der Praxis sehr selten vorkomme36. Dass dem nicht zuzustimmen ist, bedarf an dieser Stelle keiner vertieften Erörterung. Es handelt sich hier – worauf Warda zutreffend hinweist – um eine Frage nach der Angemessenheit der Nichtbestrafung wegen vollendeter Vorsatztat; ein bedenkliches Ergebnis wird nicht wegen der geringen Wahrscheinlichkeit des Entstehens des Problems unbedenklich37. Der Hinweis auf die mangelnde praktische Relevanz des Problems könnte allenfalls ein Argument dafür sein, sich überhaupt nicht damit auseinanderzusetzen, nicht jedoch kann es für die eine oder die andere Seite ins Feld geführt werden38.

3. Generelle Unerheblichkeit des Alternativenirrtums Im Gegensatz dazu wird im Schrifttum auch vertreten, dass der Alternativenirrtum stets unerheblich sei, wobei die Bestrafung der vollendeten Vorsatztat nicht von ihm beeinflusst werden dürfe. Nach einigen Autoren ist der Alternativenirrtum dem error in objecto gleichzustellen. Auf den ersten Blick würde diese Gleichstellung der Gleichwertigkeitsthese ähnlich sehen, weil z. B. nach Haft ein Alternativenirrtum unbeachtlich sei, „soweit die Varianten gleichwertig nebeneinanderstehen“39. Dennoch gehen sie davon aus, dass die Alternativen stets als gleichwertig anzusehen sind40 und wegen ihrer Gleichwertigkeit wie im Fall Rose-Rosahl zusammenzuziehen sind41. Danach liegt beim Alternativenirrtum ein error in objecto vor, und zwar stets ein gleichwertiger. Dies stößt jedoch auch innerhalb der Literatur auf heftige Kritik: Eine Parallele zum error in objecto liegt nach Schroeder schon deshalb nicht vor, weil die Unbeachtlichkeit hier damit begründet wird, dass die Gesichtspunkte, über welche sich der Täter geirrt hat, völlig außerhalb des tatbestandlichen Rahmens liegen. Beim Alternativenirrtum handelt es sich dagegen um eine Verwechslung zwischen Tatumständen, die unter unterschiedliche Tatbestandsmerkmale fallen42. Freilich lässt sich der Alternativenirrtum phänomenoVgl. Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 514. s. Warda, FS- Stree / Wessels, S. 278 bei Anm. 30. 38 So richtig Rolofs, JA 2003, S. 307. 39 Haft, AT, 2004, S. 256. 40 Nagler, LK (Reichs-StGB), Lieferung I, 6. Aufl. 1944, § 59 II 3 A d: Ein Irrtum sei unbeachtlich, „wenn der Täter nach rechtlicher Anschauung gleichwertige Qualitäten desselben Verbrechensmerkmales betrifft (Äquivalenzprinzip), also innerhalb der tatbestandsmäßigen Alternation spielt“. Der Täter hält z. B. das ausgesetzte Opfer wegen des Alters für hilflos, während die Hilflosigkeit in Wahrheit auf einer Krankheit beruht. Das gilt seiner Meinung nach auch für die Alternativen von Erfolg, Angriffsmittel und sogar der eigenen Täterqualitäten. 41 Haft, JuS 1980, S. 435; Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierung, 1971, S. 37 f. (der letztere allerdings nur in Bezug auf die Tatmittel). 42 Schroeder, GA 1979, 324; so auch Warda, FS- Stree / Wessels, S. 271 bei Anm. 15: Im Unterschied zum Fall Rose-Rosahl unterfallen die verwechselten Objekte nicht demselben 36 37

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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logisch vom error in objecto dadurch unterscheiden, dass es bei letzterem stets um einen einzigen Ausdruck im Gesetzestext geht, während beim Alternativenirrtum mehrere Ausdrücke eine Rolle spielen. Streitig ist nun, ob man diese alternativen Ausdrücke normativ als eine Einheit ansehen muss. Das ist gerade der Kern des Problems beim Alternativenirrtum. Nach Altenhain ist bei alternativen Beschreibungen „nicht jede Alternative als Tatbestandsmerkmal zu behandeln, sondern die ganze alternative Beschreibung als ein Tatbestandsmerkmal i. S. d. § 16 Abs. 1 zu begreifen, bei dessen Fassung sich der Gesetzgeber einer junktorischen Definition bedient“43. Die verwirklichte Alternative muss danach nicht mit der vorgestellten übereinstimmen, weswegen der Alternativenirrtum sowohl beim Täter als auch beim Teilnehmer unbeachtlich ist44. Dies heißt für ihn aber nicht, dass die Konkretisierung bei alternativ gefassten Beschreibungen völlig belanglos wäre. Denn um den Tatbestandsvorsatz zu bejahen, müsse der Täter sich wenigstens eine der gesetzlich aufgezählten Tatbestandsalternativen vorstellen; nicht erforderlich sei lediglich eine Kongruenz von vorgestellter und verwirklichter Alternative45. Die Frage, wann die Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln sind, wurde oben im 1. Teil C. V. und VI. bereits beantwortet. Dort wurde bereits festgestellt, dass der Begriffsinhalt eines Tatbestandsmerkmals nur vom Gesetzestext ausgefüllt werden darf, da der Rechtsanwender nicht befugt ist, eine Entscheidung entgegen dem Gesetzeswortlaut zu fällen. Behandelt man also eine alternativ gefasste Vorschrift unter allen Umständen als einen Tatbestand, muss man entsprechend alle Alternativen in dieser Vorschrift stets als ein Tatbestandsmerkmal ansehen46. Dies kann jedoch wiederum dort nur schwerlich angenommen werden, wo die einzelnen Alternativen jeweils eine komplexe Handlungsbeschreibung darstellen, also jeweils mehrere Formulierungseinheiten enthalten, und sich insgesamt kaum als ein Merkmal begreifen lassen. Würden diese Alternativen getrennt in mehreren Paragrafen geregelt, müsste man in jedem Paragrafen konsequenterweise ebenfalls nur ein Tatbestandsmerkmal annehmen. Damit würde aber der Begriff des Tatbestandsmerkmals seine Bedeutung verlieren47. 4. Differenzierende Lösungsvorschläge Im Schrifttum geht man überwiegend davon aus, dass die Rechtsfolge des Alternativenirrtums von einer sorgfältigen Analyse des jeweiligen Tatbestandes abhäntatbestandlichen Gattungsbegriff, sondern verschiedenen, wenn auch im Gesetz alternativ aufgeführten Merkmalen. 43 Ders., Exzeß, 1994, S. 45 (Hervorhebung nicht original). 44 Vgl. dazu Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39 ff., 45. 45 Altenhain, Exzeß, 1994, S. 40. 46 s. näher o. 1. Teil C. I. und II. 47 Vgl. o. 1. Teil C. V. 3. c) mit Beispielen.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

gig sein muss48. Lassen sich die einschlägigen Alternativen als eine Einheit qualifizieren, dann ist ein Alternativenirrtum zwischen diesen Alternativen irrelevant. Umstritten ist nur, mit welchem Bewertungskriterium. In der Literatur stellen die Vollständigkeitsthese und die Gleichwertigkeitsthese zwei Hauptlinien dar.

a) Vollständigkeitskriterium Nach Schroeder ist eine Fehlvorstellung über Tatbestandsalternativen nur dann unbeachtlich, „wenn das Gesetz die möglichen Angriffsformen oder Angriffsobjekte offensichtlich erschöpfend oder jedenfalls bis auf unbedeutende Randbereiche erfassen will“49. Wenn der Gesetzgeber hingegen nur einige von mehreren möglichen Angriffsformen oder Tatobjekten vorgesehen habe, dann greife § 16 Abs. 1 ein. Anhand der Beispiele von §§ 142 Abs. 1 und 315c hat er veranschaulicht, was unter „nahezu erschöpfender Beschreibung“ zu verstehen sein soll: In § 142 Abs. 1 seien alle möglichen Angriffsformen – das Sichentfernen bei Anwesenheit feststellungsbereiter Personen (Nr. 1) und bei Abwesenheit feststellungsbereiter Personen ohne Wartezeit (Nr. 2) – aufgezählt. Andere Verhaltensweisen seien nicht denkbar, weshalb es unbillig sei, dem Täter einen Alternativenirrtum zugute kommen zu lassen50. In § 315c seien es zwar nicht alle denkbaren Objekte der Gefährdung umfasst, sondern nur die Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert. Jedoch habe der Gesetzgeber der ganzen Gefährdungsbeschreibung „nur die Funktion von Randkorrekturen“ zugedacht, um die fremden Sachen von geringem Wert auszuklammern; „die Umreißung der Gefährdungsobjekte wirkt hier weniger strafbegründend als vielmehr derart, dass Bagatellfälle ausgeschieden werden sollen“51. M. a. W., je weniger der Tatbestand Wert auf die Spezifizierung durch die Alternativen lege, oder je weiter die Alternativen vom eigentlichen Kern des Tatbestandes entfernt seien, desto wahrscheinlicher solle es erscheinen, bei einer Abweichung innerhalb der Alternativen die Unbeachtlichkeit des Irrtums anzunehmen. In entsprechenden Fällen würden im Rahmen des Tatbestandes die verschiedenen Alternativen lediglich marginale Unrechtsabweichungen des Verwirklichten vom Plan bedeuten, wobei die Schwelle einer vorsatzrelevanten Abweichung nicht überschritten werde52.

Rudolphi, in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d. Vgl. Schroeder, GA 1979, S. 325, 327; ders., in: LK-StGB, § 16 Rn. 4; ihm folgend: Wessels / Beulke, AT, Rn. 246; Roxin, AT / 1, 12 / 123 (aber mit der Einschränkung der qualitativen Vergleichbarkeit); Lackner / Kühl, StGB, § 16 Rn. 4; Rudolphi, in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d; Joecks, in: MünchKommStGB, § 16 Rn. 72; Schlüchter, Irrtum, 1983, S. 104; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, 1992, S. 102 f. 50 Vgl. dazu Schroeder, GA 1979, S. 325. 51 A. a. O.; zum Ausschluss der Bagatellfälle, vgl. auch o. 1. Teil A. II. 5. a). 52 s. J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 158. 48 49

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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Von den allgemeinen Mängeln der Vollständigkeitsthese abgesehen, die bereits oben im 1. Teil C. VII. 2 ausführlich besprochen wurden, erscheint diese These auch aus Sicht der Vorsatzdogmatik problematisch. Es mangelt nach Warda an einer hinreichenden Begründung hierfür, warum die Unkenntnis der objektiv gegebenen Alternative entgegen § 16 Abs. 1 die Vorsatzhaftung nicht ausschließen solle53. Denn die Kenntnis der einen Alternative kann den Vorsatz der anderen, dessen Bejahung z. B. bei kontradiktorisch gefassten Alternativen sogar einen gegenteiligen Sachverhalt voraussetzt, nicht begründen. Lokalisiert man aber das Problem richtig, sollte man sich bei der Behandlung des Alternativenirrtums nicht mehr danach fragen, ob der Täter die Tatsache kennt, mit der die objektiv verwirklichte Alternative erfüllt ist: Einerseits muss die Antwort auf diese Frage, ob der Täter die objektiv gegebene Tatsache kennt, eindeutig negativ sein, weshalb der Täter sich in einem Tatsachenirrtum befindet. Andererseits hat der Täter auch zweifellos einen Tatbestandsvorsatz, weswegen sich die Strafbarkeit wegen eines Versuchs keineswegs vom Alternativenirrtum beeinflussen lässt. Demgegenüber muss die zu beantwortende Frage beim Alternativenirrtum so lauten: Ob das objektive Unrecht (bezüglich der einen Alternative) zum Vorsatz (bezüglich der anderen) zuzurechnen ist, damit sie zusammen eine vollendete Vorsatztat bilden54. Da man die normative Relevanz der Vollständigkeit nur bei logisch vollständigen Aufzählungen begründen kann und die Befürworter der Vollständigkeitsthese ihren Anwendungsbereich jedoch nicht auf die logische Vollständigkeit beschränken wollen55, kann man hier schon sagen, dass eine solche Vollständigkeit auch bei der richtigen Lokalisierung des Problems die Verantwortlichkeit einer vollendeten Vorsatztat nicht begründen kann. b) Gleichwertigkeitsthese Nach der verbreiteten Gleichwertigkeitsthese bzw. der These von der qualitativen Vergleichbarkeit hängt die Rechtsfolge des Alternativenirrtums demgegenüber davon ab, ob die betroffenen Alternativen qualitativ miteinander vergleichbar oder unterschiedlich sind: Wenn alle betroffenen Tatbestandsalternativen gleichwertige Unrechtsgehalte besitzen56, soll der Irrtum unbeachtlich sein; wenn es sich dagegen um qualitativ unterschiedliche Schutzgegenstände oder Angriffsarten handelt57, so ist die Strafbarkeit wegen einer vollendeten Vorsatztat ausgeschlossen und darf allenfalls nur ein Versuch angenommen werden58. Nach J. Fischer soll die Vgl. Warda, FS- Stree / Wessels, S. 275. Die Lokalisierung des Problems wird u. (III. 1) eigens behandelt werden. 55 Vgl. dazu näher o. 1. Teil C. VII. 2. b). 56 Das soll z. B. zwischen dem Ausnutzen der Unerfahrenheit und dem des Mangels an Urteilsvermögen beim Wucher der Fall sein. 57 Dies ist hinsichtlich des Handlungsobjektes bei Urkunden und technischen Aufzeichnungen in § 274 der Fall (Kühl, AT, 13 / 16a; Joecks, StGB, § 16 Rn. 19). 58 Vgl. dazu Kühl, AT, 13 / 16a; NK-Puppe, § 16 Rn. 134; Joecks, StGB, § 16 Rn. 19; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 146 ff., 171; Schittenheim, GA 1983, S. 315 ff.; Rolofs, JA 2003, 53 54

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Beachtlichkeit des Irrtums über Tatbestandsalternativen nur nach dem Grad der Abweichung des Unrechtsgehalts der Alternativen beurteilt werden, wobei der Grad der Abweichung von Plan und Wirklichkeit nur unter Berücksichtigung des Gesamttatbestandes, der Wertstellung der Alternativen in diesem sowie unter Berücksichtigung des objektivierten Willens des Gesetzgebers erfolgen darf59. Es sei nicht eine „qualitative Unwertdifferenz von tatbestandlicher Relevanz“, sondern eine „Unwertdifferenz von Relevanz für das Tatbestandsmerkmal im Gesamttatbestand“60 zu prüfen. Da allgemeine Probleme der Gleichwertigkeitsthese – etwa die Ungenauigkeit ihres Kriteriums und ihr verfehlter Ausgangspunkt – bereits oben (1. Teil C. VII. 3) behandelt wurden, konzentrieren wir uns im Folgenden nur auf die Probleme, die diese These ausschließlich in der Irrtumsdogmatik aufwirft. Gegen die Gleichwertigkeitsthese bzw. das Äquivalenzprinzip wird oft argumentiert, man müsse auch bei der aberratio ictus eine vollendete Vorsatztat annehmen, wenn die beiden (vermeintlichen und getroffenen) Tatobjekte gleichwertig seien; das werde aber für die aberratio ictus allgemein abgelehnt61. Dieser Kritik ist jedoch nicht zu folgen. Es geht hier in Wirklichkeit bereits um eine andere Frage, nämlich: wie der Fall der aberratio ictus zu behandeln ist. Es steht außer Zweifel, dass ein Alternativenirrtum – wie oben (I. 3) gezeigt wurde – auf einer aberratio ictus oder einer Abweichung vom Kausalverlauf beruhen kann. Jedoch lassen sich die meisten Fälle des Alternativenirrtums von der aberratio ictus sowohl phänomenologisch wie auch normativ klar unterscheiden, weswegen man von der Anwendbarkeit einer bestimmten These auf den Alternativenirrtum die Anwendbarkeit dieser These auf die aberratio ictus nicht direkt ableiten kann. Dann ist dieser üblichen Kritik der Boden entzogen, ganz davon zu schweigen, dass manche Autoren die Gleichwertigkeitstheorie ebenfalls bei aberratio ictus anwenden62. Darüber hinaus ist es nach Warda „noch grundsätzlich bedenklich, warum für die Vorsatzhaftung die (irrige) Vorstellung einer der verwirklichten Alternative qualitativ vergleichbaren Variante des Tatbestandes genügt“63. Denn das Faktum, dass der Täter den objektiv verwirklichten gesetzlichen Tatumstand nicht kennt, bleibt immer noch bestehen64. Auch ein Abstellen auf rechtsgutsbezogene Bedeutungsäquivalenz bzw. qualitative Gleichwertigkeit vermag für sich allein die Abkehr vom gesetzlich vorgesehenen Vorsatzausschluss in § 16 Abs. 1 noch S. 309 ff.; Schroth, Irrtum, 1988, S. 67 ff., 68 (Bedeutungsäquivalenz im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut); wohl auch Jakobs, AT, 8 / 43 Fn. 92 (Gleichartigkeit des Unrechts). 59 Stichwortartig: Gleicher Unrechtsgehalt im Kontext des Tatbestandes; vgl. dazu J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 146 u. 147 f. 60 J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 148. 61 Z. B. Schroeder, GA 1979, S. 323; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 116, 135. 62 Etwa Puppe, GA 1981, S. 1 ff. 63 Warda, FS- Stree / Wessels, S. 283. 64 Warda, a. a. O., S. 276.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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nicht zu legitimieren65. Darauf erwidern die Befürworter der Gleichwertigkeitsthese mit der Bildung eines disjunktiven Tatbestandsmerkmal: Mit § 16 sei eine solche Lösung vereinbar, wenn man „die betroffenen Varianten in ihrer alternativen Verknüpfung als ein (komplexes bzw. junktorisch definiertes) Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes“ auffasst66. Trotz des Alternativenirrtums sei eine Kongruenz zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand m. a. W. ohne Verstoß gegen den Wortlaut des Gesetzes dadurch herstellbar, dass man die objektiv und die subjektiv erfüllte Alternative – falls sie im Kontext des einschlägigen Strafgesetzes gleichwertig seien – zu einem junktorisch definierten Begriff zusammenfasse67. Dieser Erwiderung kann aber nur bei der richtigen Lokalisierung des Problems gefolgt werden. Behandelt man den Alternativenirrtum nämlich ausschließlich auf der Ebene der Feststellung des Vorsatzes, dann lässt sich die Kritik Wardas dadurch nicht widerlegen, gleichgültig, ob man die Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal ansieht oder nicht. Denn sicher ist jedenfalls, dass die Kenntnis der einen Tatsache – rein psychisch gesehen – keinesfalls durch die Kenntnis der anderen Tatsache ersetzt werden kann. Wenn man bei der Behandlung des Alternativenirrtums stets auf die psychische Seite des Täters, nämlich auf die Feststellung des Vorsatzes, abstellt, kann man mit der Kritik Wardas freilich nicht durchkommen. Jedoch darf das Problem des Alternativenirrtums nicht bei der Feststellung des Vorsatzes behandelt werden, da bezüglich der vermeintlichen Alternative der Vorsatz, den die Strafbarkeit wegen eines Versuchs voraussetzt, zweifelsfrei vorhanden ist; anderenfalls könnte bei Bejahung der Relevanz des Irrtums nicht einmal wegen eines Versuchs bestraft werden. Es geht beim Alternativenirrtum vielmehr um eine normative Frage, ob das objektive Unrecht zum Vorsatz zuzurechnen ist (die normative Kongruenz). Da das Schrifttum allgemein tendiert, die Lokalisierung des Problems auf der Ebene der Feststellung des Vorsatzes vorzunehmen, behandeln wir die Lokalisierung des Problems unten (III. 1) selbstständig und ausführlich68.

Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11. Etwa J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 39 ff.; Rolofs, JA 2003, S. 309 f., 311. 67 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 131, 134: In § 325 seien z. B. die Alternativen „Staub oder Gase oder Dämpfe oder Geruchsstoffe“ als ein Merkmal anzusehen. Folglich sei der Irrtum darüber, welchem Unterbegriff die Emission angehört, unbeachtlich, obwohl weder die Chemie, noch die technische Fachsprache, noch die Rechtssprache ein Wort dafür habe. Dies gelte auch für die Alternativen des § 151, auch wenn es außerhalb dieser Vorschrift – etwa in der Umgangssprache oder im Wertpapierrecht – keinen Begriff von Wertpapier gebe. 68 Schließlich wird im Schrifttum auch die Vereinigungsthese vertreten, in der die beiden obigen Hauptlösungsvorschläge, nämlich das Vollständigkeits- und das Gleichwertigkeitskriterium, kumulativ miteinander kombiniert werden; etwa J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 149, 154 ff., 171. Nach ihm ist ein Alternativenirrtum in zwei Fällen unbeachtlich, entweder (1) wenn das Gesetz die möglichen Angriffsformen oder Angriffsobjekte offensichtlich erschöpfend oder jedenfalls bei auf unbedeutende Randbereiche erfassen will, oder (2) wenn die beiden betroffenen Alternativen den gleichen Unrechtsgehalt im Kontext des Tatbestandes haben. Dadurch werden die Fehler beider Thesen jedoch nicht beseitigt, sondern kumuliert. 65 66

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

III. Eigene Sicht Bevor auf Einzelheiten eingegangen wird, muss vorausgeschickt werden, dass die subjektiven Alternativen69 im Folgenden außer Betracht bleiben. Da es bei diesen lediglich auf die Vorstellung des Täters ankommt und die Kongruenz zwischen objektiven Tatsachen und der subjektiven Vorstellung hier überhaupt nicht gefordert wird, bleibt natürlich auch kein Raum für die Möglichkeit eines Alternativenirrtums. 1. Lokalisierung des Streitpunktes – Zurechnung zum Vorsatz Es ist zwar allgemein anerkannt, dass das Problem des Alternativenirrtums in der Frage besteht, ob die Vorstellung des Täters und die Wirklichkeit hinreichend kongruent sind70 oder wann die Alternativen ein Tatbestandsmerkmal darstellen71. Jedoch wird diese Frage immer so gestellt, ob der Alternativenirrtum zum Vorsatzausschluss führe, bzw. ob § 16 Abs. 1 Anwendung findet. Folgend soll zunächst geprüft werden, ob diese traditionelle Lokalisierung des Problems (Feststellung des Vorsatzes) wirklich in der Lage ist, das Problem des Alternativenirrtums sachgerecht zu lösen. Da einerseits bezüglich der Lokalisierung des Problems der Alternativenirrtum mit der Abweichung vom Kausalverlauf vergleichbar ist und andererseits man dem Lokalisierungsproblem im Schrifttum überwiegend nur bei der Abweichung vom Kausalverlauf Aufmerksamkeit geschenkt hat, werden die Lehrmeinungen über die Abweichung vom Kausalverlauf unten mit einbezogen. a) Vorsatzausschluss? Genau so wie beim Alternativenirrtum ist in der Literatur auch bei wesentlichen Abweichungen von den Kausalverläufen die verkürzte Redeweise vom „Entfallen des Vorsatzes“ (unter Hinweis auf § 16) üblich72. Alle Abweichungsfälle bei der Feststellung des Vorsatzes zu behandeln, ist jedoch ungenau: einmal wegen der zeitlichen Dimension des Vorsatzes (aa), einmal wegen der unbestrittenen Strafbar69 Z. B.: in der Form von „absichtlich oder wissentlich“ (§§ 87 I, 145 I, II; 167a, 183a, 226 II, 258 I, II, 283 c I, 344 I, II), „vorsätzlich oder fahrlässig“ (§ 323a I), „nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder fahrlässig“ (§§ 109e V, 109g IV), „um . . . zu 8593 (§§ 89 I, 94 I Nr. 2, 100a I, II, 130 II Nr. 1 d, 130a II Nr. 2, 131 I Nr. 4, 177 III Nr. 2, 180b I, 180b II Nr. 2, 184 I Nr. 8, III Nr. 3, 234 I, 239a I, 239b I, 244 I Nr. 1 b, 263 I, 263a I, 265 I, 279, 316c I, 343 I), „zu. . .“(§§ 100 I, 249, 250, 306b II Nr. 2), „in der Absicht . . .“ (§§ 146 I Nr. 1, 148 I, 164 I, 242 I, 248 I, 249 I, 315 III Nr. 1). 70 Vgl. Kuhlen, Irrtum, 1987, S. 510; NK-Puppe, § 16 Rn. 131. 71 Vgl. Altenhain, Exzeß, 1994, S. 40; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 125. 72 Etwa Blei, AT, 1983, S. 121; Bockelmann / Volk, AT, 1987, S. 65, 71 f.; Meurer, AT, 1999, S. 96, 111; Ebert, AT, 2001, S. 150; Krey, AT / 1, Rn. 283, 386 f.; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 21 / 10; LK-Schroeder, § 16 Rn. 9.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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keit wegen Versuchs (bb) und schließlich aus der Sicht des geltenden Rechts, nämlich des § 16 Abs. 1 (cc).

aa) Zeitliche Dimension des Vorsatzes Einigkeit besteht darüber, dass Vorsatz bei Begehung der Tat vorhanden sein muss73. Bei Erfolgsdelikten kann jedoch niemand zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt (nämlich bei Begehung der Tat) „kennen“, dass der Erfolg eingetreten ist. Zwar gehört der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs auch zum Tatbestand des vollendeten Erfolgsdelikts, jedoch beziehen sich der Erfolgseintritt und der Kausalverlauf auf künftige Faktoren. Mit dem späteren Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs kann man zur Tatzeit allenfalls „rechnen“74. Deshalb wird in der Literatur auch vertreten, dass „Kennen“ in § 16 Abs. 1 mehrdeutig sein müsse: Außer der „Kenntnis“ der bereits gegebenen (vergangenen und gegenwärtigen) Umstände erfordere der Vorsatz noch die „Voraussicht“ bzw. „Vorstellung“ der zukünftigen, in der Außenwelt entstehenden Veränderung75 oder „eine Prognose über den Eintritt der tatbestandsmäßigen Rechtsgutsverletzung basierend auf aktuellem Wissen über eine Handlungssituation“76. Jedoch kann man sich einen solchen Aufwand für die Umschreibung des Kennens ersparen. Da jede Straftat stets eine Veränderung des gegebenen Zustandes darstellt77 und der Vorsatz bereits zum Zeitpunkt der Ausführung vorliegen muss, besitzt der Vorsatz unausweichlich einen zukunftsbezogenen Charakter. Für die Feststellung des Vorsatzes ist also ausschließlich die Vorstellung des Täters zur Tatzeit maßgeblich, und zwar gleichgültig, ob die Vorstellung des Täters bezüglich der bereits zur Tatzeit gegebenen Umstände der Wirklichkeit entspricht oder nicht. Der Tatbestandsvorsatz kann durchaus auf der Basis einer vermeintlichen, von objektiven Umständen abweichenden Vorstellung begründet werden. Sonst könnte der Täter beim untauglichen Versuch niemals einen Vorsatz haben78. Im Hinblick auf die zeitliche Dimension kann ein Vorsatz darüber 73 Deshalb sind „dolus antecedens“ und „dolus subsequens“ strafrechtlich belanglos; vgl. dazu – statt vieler – Roxin, AT / 1, 12 / 80 ff. 74 Vgl. dazu Freund, AT, 1998, S. 229 Rn. 41; Frisch, Vorsatz, 1983, S. 56 ff., 65 ff.; ders., Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 572 f. 75 Etwa Welzel, Lb, 1969, S. 72; Blei, AT, 1983, S. 119; Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 294; Hettinger, JuS 1989, L 19, JuS 1990, L 75 f., 1991, L 34; ähnlich: Haft, AT., 2004, S. 153, er hat „wissen“ durch „meinen“ ersetzt. Demgegenüber geht Frisch noch einen Schritt weiter und sieht nur das Verhalten in seiner tatbestandsrelevanten Dimension als Bezugspunkt des Vorsatzes an, nicht aber den Erfolgseintritt und den Kausalzusammenhang (ders., Vorsatz, 1983, S. 57 ff., 59 ff., 94 ff., 101, 115, 118 ff.; ders., Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 573 f.); ähnlich Freund, AT, 1998, S. 229 Rn. 41: Das tatbestandsmäßige Verhalten mit seinen maßgeblichen Unwertdimensionen. 76 Zielinski, in AK-StGB, §§ 15, 16 Rn. 31. 77 Während der Täter bei Begehungsdelikten den vorhandenen Zustand aktiv ändert, greift er bei Unterlassungsdelikten passiv nicht in die Änderung des jetzigen Zustands ein, obwohl er rechtlich verpflichtet ist, einzugreifen.

15 Tsai

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

hinaus bei der wesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf auch nicht nachträglich entfallen. Es ist m. a. W. kein Grund zu sehen, warum der zur Tatzeit schon vorliegende Vorsatz wegen später entstehender Faktoren (hier: wegen des von der Vorstellung des Täters abweichenden Kausalverlaufs) rückwirkend verneint werden sollte. Für die Annahme des subjektiven Unrechts reicht die Vorstellung des Täters, nach welcher alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, zur Tatzeit bzw. bei der Ausführung der Tat bereits aus. Dies trifft vor allem bei jenen Alternativen zu, die erfolgsbezogen sind oder Ursachen ausdrücken. Da es für die Feststellung des Vorsatzes ausschließlich auf die Vorstellung des Täters ankommt und die Vorstellung auch des sich im Alternativenirrtum befindenden Täters jedenfalls als tatbestandsmäßig zu bewerten ist, wird der Vorsatz, der bereits zur Tatzeit gegeben ist, nie vom Alternativenirrtum berührt. bb) Unbestrittene Strafbarkeit des Versuchs Es ist unbestritten, dass der Täter sich beim Alternativenirrtum zumindest wegen des Versuchs bezüglich der vermeintlichen Alternative strafbar gemacht hat. Um den Unrechtsgehalt der Tat vollständig zu bewerten, muss die Strafbarkeit wegen eines Versuchs, die das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes voraussetzt, angenommen werden. Würde der Alternativenirrtum zum Vorsatzausschluss führen, dann könnte ja nicht einmal wegen Versuchs bestraft werden79. Auf diese Kritik könnte man erwidern: Hier sei derjenige Vorsatz, der für die Annahme von Versuchsstrafbarkeit bezüglich der vorgestellten Alternative erforderlich sei, nicht identisch mit demjenigen Vorsatz, der für eine Vollendungsstrafbarkeit hinsichtlich der objektiv betroffenen Alternative notwendig sei80. Gegen diese Aussage ist zwar nichts einzuwenden, sie besagt aber auch nichts anderes als die hier vertretene Meinung, nur in einem anderen Vokabular. Gewiss ist jedenfalls, dass die Ausdrucksweise vom „Entfallen des Vorsatzes“ ungenau und ggf. irreführend ist81. Be78 Es sei denn, dass man davon ausgeht, dass der Vorsatz des Versuchs anders als der des Vollendungsdelikts sein solle (so z. B. bei Schlehofer und Herzberg). Diese abweichende These wird u. bb) näher behandelt. 79 Das gleiche Problem taucht auch bei der Abweichung vom Kausalverlauf auf. Die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes soll danach nicht nur bei der unwesentlichen, sondern auch bei der wesentlichen Abweichung angenommen werden. So schon Herzberg, JA 1981, S. 371; Samson, Strafrecht I, 1988, S. 98; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 574 bei Anm. 28; insofern auch Driendl, GA 1986, S. 253 ff. 80 Dies wird in Bezug auf Abweichungsfälle aufgestellt; z. B. Rath, Zur Unerheblichkeit des error in persona vel in objecto, 1996, S. 16; Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 16 Rn. 16; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 15 Rn. 55. 81 Die meisten Autoren, die sich für eine zusätzliche Prüfungsstation von Kongruenz aussprechen, haben auch hervorgehoben, dass die fehlende Kongruenz mit § 16 Abs. 1 Satz 1 nichts zu tun hat, also kein Unterfall des Tatbestandsirrtums ist; z. B. Eser / Burkhardt, Strafrecht I, 8 / A 11, 26 ff., 28, 9 / A 19; Burkhardt, FS-Nishihara, 1998, S. 38; NK-Puppe, § 16 Rn. 117 sowie Roxin, AT / 1, 12 / 142. Andere dieser Autoren lassen jedoch § 16 Abs. 1 Satz 1

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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merkenswert ist aber die These von Schlehofer und Herzberg. Nach ihnen ist § 16 Abs. 1 Satz 1 als eine „Kongruenznorm“, daher als der Schlüssel zur richtigen Lösung anzusehen, weswegen man zwischen dem „kongruenten“ Vorsatz des § 16 (Kenntnisvorsatz) und dem schlichten Vorsatz des § 22 (Vorstellungsvorsatz) unterscheiden muss82. Danach wird z. B. bei wesentlichen Abweichungen nur der kongruente Vorsatz ausgeschlossen. Dagegen ist die Vorstellung der Tatbestandsverwirklichung (Vorstellungsvorsatz) vorhanden, womit Versuchsstrafbarkeit angenommen werden kann. Dies ist jedoch mit der h. M. unvereinbar, nach welcher der Vorsatz des Versuchs inhaltlich vollkommen identisch mit dem Vorsatz des vollendeten Vorsatzdelikts ist83. Darüber hinaus hat der Täter nicht selten von der Beendigung des Versuchs bis zur Vollendung stets das gleiche Tatbild in seinem Kopf. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Täter nach dem unmittelbaren Ansetzen, jedoch vor der Vollendung den Tatort schon verlässt84. Hier kann von „Kennen“ im Sinne Schlehofers keine Rede sein. Um den Vorsatz in diesen Fällen feststellen zu können, muss also die Vorstellung des Täters zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden. Ferner ist der Versuch nach h. M. lediglich ein Durchgangsstadium zur Vollendung85. Es ist kaum nachvollziehbar, wie eine „Vorstellung“ in den obigen Fällen im Zeitpunkt der Vollendung der Tat plötzlich in eine qualitativ unterschiedliche „Kenntnis“ umgewandelt werden können soll. Damit ist – wie Burkhardt zutreffend gesagt hat – bestenfalls eine terminologische Variation gewonnen, mit der eine neue Verwirrung in die Debatte getragen wird86.

cc) § 16 Abs. 1 – Mindestforderung an den Vorsatz Aus dem obigen Gesagten geht hervor, dass der Alternativenirrtum im Licht des Vorsatzdogmas nicht den Vorsatzausschluss zur Folge haben kann. Im Folgenden wird darauf eingegangen, ob man nach geltendem Recht, namentlich nach § 16 Abs. 1, zu anderen Ergebnissen kommt. § 16 Abs. 1 bestimmt, dass derjenige nicht vorsätzlich handelt, der „bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört“. Durch diese Formulierung hat der Gesetzgeber den Inhalt des intellektuellen Elements (Wissenselement) des Vorsatzes indi(inkonsequent) bei Verneinung der Kongruenz Anwendung finden, obwohl sie den Vorsatz vorher schon bejaht haben (so etwa: Hruschka , Strafrecht, 1988, S. 14 bei Anm. 25 einerseits und S. 15 andererseits). 82 Vgl. dazu Schlehofer, GA 1992, S. 307 ff., 313; ders., Vorsatz, 1996, S. 4 ff., 19 ff. und passim; ihm folgend: Herzberg, JuS 1999, S. 224, 227; ders., NStZ 1999, S. 218 ff., 219, 220. 83 s. z. B. Roxin, AT / 2, 29 / 59 ff., 71; Kindhäuser, AT, 31 / 9; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 26 / 19, 24 ff.; Hillenkamp, FS-Roxin, S. 689 ff., 706 f.; ders., in: LK-StGB, § 22 Rn. 31; Puppe, AT / 2, 37 / 2; Krey, AT / 2, Rn. 406. 84 Beispiel: Nachdem der Täter eine Sprengfalle am Flughafen aufgestellt hat, fliegt er sofort ins Ausland. 85 So schon Hillenkamp, FS-Roxin, S. 706. 86 Burkhardt, Strafrechtsdogmatik, 2000, S. 142 Fn. 105. 15*

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

rekt bzw. negativ bestimmt. Geht man ausschließlich vom Wortlaut aus, darf man die Vorsätzlichkeit der Tat beim Alternativenirrtum nicht bejahen. Denn jede in der Strafvorschrift aufgezählte Tatbestandsalternative gehört ohne Zweifel zum gesetzlichen Tatbestand, weswegen der Täter bei der Begehung der Tat einen zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstand gerade nicht kennt, wenn er eine andere Tatbestandsalternative als die von ihm vorgestellte verwirklicht87. Rein psychisch gesehen kann die Unkenntnis des Umstandes einer Tatbestandsalternative nicht einfach dadurch kompensiert werden, dass der Täter irrig glaubt, stattdessen eine andere Alternative zu verwirklichen88. Das Faktum, dass der Täter den objektiv verwirklichten gesetzlichen Tatumstand nicht kennt, bleibt also beim Alternativenirrtum immer noch bestehen. Da es bei § 16 Abs. 1 ausschließlich um den psychischen Zustand des Täters geht, nämlich darum, ob er eine bestimmte Tatsache kennt oder nicht, ist die normative Frage, wie die einschlägigen Alternativen strafrechtlich zu bewerten sind, für die Prüfung des Vorsatzes ohne Belang. Daran kann – entgegen geläufigen Lehrmeinungen – nicht einmal die (Un-)Gleichwertigkeit des Unrechtsgehalts zwischen Alternativen etwas ändern89. Die Gestalt der positivrechtlichen Regelung des § 16 Abs. 1 würde deshalb auf den ersten Blick eine „kaum überwindbar erscheinende“ Barriere für die Irrelevanz des Alternativenirrtums errichten90, weshalb der Alternativenirrtum wegen der tatsächlichen Unkenntnis stets gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 zum Vorsatzausschluss führen müsste. Danach würde sich die normative Frage, ob ein Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit die Zurechnung des objektiven Geschehens zum Vorsatz ausschließt, überhaupt nicht stellen, weil diese Frage logischerweise erst nach Bejahung des Vorsatzes zu prüfen ist. Das Ergebnis steht aber dem allgemeinen Rechtsgefühl grob entgegen, das – wie Warda ausführt – zu Lösungsversuchen drängt, mit denen die Möglichkeit der Irrelevanz eines Irrtums über die realisierte Tatbestandsalternative zumindest nicht generell ausgeschlossen wird: Niemand wird Verständnis dafür haben, die Bestrafung wegen vorsätzlicher Brandgefährdung nach § 306 f. daran scheitern zu lassen, dass der Täter den allmählich verlöschenden Holzscheit, den er aus der Feuerstelle So auch Warda, FS-Stree / Wessels, 1993, S. 274 f. So auch Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; Warda, FSStree / Wessels, S. 275. 89 Dagegen: Warda, FS-Stree / Wessels, S. 277 ff.; Roxin, AT / 1, 12 / 123; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 31 ff., 162 ff., 174; Rolofs, JA 2003, S. 310); nach ihnen kann man die Irrelevanz des Alternativenirrtums trotz des § 16 Abs. 1 dann begründen, wenn die Alternativen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal zu bewerten sind. Davon abgesehen, dass man damit die Frage nach der psychischen Kenntnis des Täters (§ 16 I) mit der anderen, normativen Frage (Kongruenz bzw. Zurechnung zum Vorsatz) verwechseln würde, würde das Problem dadurch auch nicht wirklich gelöst. Denn, solange jede der Alternativen zum Tatbestand gehört, ist die Voraussetzung des § 16 Abs. 1 beim Alternativenirrtum immer erfüllt. Das lässt sich dagegen nur durch die Umgestaltung des § 16 Abs. 1 in die positive Form lösen. 90 So Warda, FS-Stree / Wessels, S. 274. 87 88

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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auf einem Picknickplatz in den nahen Wald wirft, irrtümlich nicht für einen „brennenden“, sondern für einen nur noch „glimmenden“ Gegenstand hält (etwa weil er die aus den Glutstellen an dem Holz zuckenden Flammenreste nicht wahrgenommen hat)91. Freilich kann das Rechtsgefühl nur als grober Wegweiser dienen und müssen andere normative, nachprüfbare Begründungen gefunden werden92. Das Argument für die Bejahung des Vorsatzes muss in der materiellen Bedeutung des § 16 Abs. 1 bestehen. Betrachtet man seinen Text genauer, so zeigt sich, dass der Gesetzgeber durch § 16 Abs. 1 nichts weiter als ein Zurechnungskriterium – Mindestforderung an den Vorsatz – aufstellen wollte und sich lediglich mit der Frage befasst hat, unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein tatbestandsmäßiger Vorsatz vorliegt93. Als Zurechnungskriterium muss dieser Text in eine positive, also unrechtsbegründende Form umgedeutet werden. Von der negativen Aussage bzw. vom Wortlaut des § 16 Abs. 1 lässt sich in der Tat eine positive Aussage ableiten: Ein vorsätzlicher Täter muss diejenigen Tatsachen kennen, die im gesetzlichen Tatbestand vorgesehen sind94. Die negative und die abgeleitete positive Aussage müssten eigentlich immer zwei Seiten ein und desselben Ganzen darstellen. Beim Irrtum über Tatbestandsalternativen führen sie allerdings – ausnahmsweise – zu unterschiedlichen Ergebnissen: Der Alternativenirrtum hat einerseits nach der negativen Aussage den Vorsatzausschluss zur Folge und ist andererseits nach der positiven Aussage als irrelevant bzw. vorsatzunschädlich zu bewerten. Angesichts des Charakters des Zurechnungskriteriums muss man bei der Feststellung des Unrechts nur die positive bzw. unrechtsbegründende Seite des § 16 Abs. 1 berücksichtigen. Damit steht § 16 Abs. 1 der Bejahung des Vorsatzes beim Alternativenirrtum nicht mehr im Wege; m. a. W., dem sich aus dem Vorsatzdogma ergebenden Ergebnis, dass der Alternativenirrtum nicht zum Vorsatzausschluss führt, steht das geltende Recht schließlich auch nicht entgegen. b) Mangel an Kongruenz Aus der obigen Diskussion ergibt sich, dass der Alternativenirrtum kein Tatbestandsirrtum i. S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 ist. In der Literatur geht man jedoch überwiegend davon aus, dass der Vorsatz nicht wegen des Alternativenirrtums gemäß § 16 Abs. 1 auszuschließen ist, solange Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal i. S. v. § 16 Abs. 1 anzusehen sind95. Eine solche Darstellung ist zumindest ungenau, denn dadurch wird die normative Frage nach der Kongruenz (ZurechDers., a. a. O. Kritik zur Berufung auf Rechtsgefühl, vgl. Rath, Zur Unerheblichkeit des error in persona vel in objecto, 1996, 16 f. 93 Puppe, Vorsatz, 1992, S. 8. 94 Über diesen Umkehrschluss bzw. die Umkehrung dieser Aussage des § 16 Satz 1 S. 1 ist man sich einig; s. Jescheck / Weigend, Lb, 1996, S. 293; Warda, Jura 1979, S. 3; Hettinger, JuS 1989 L17; Bloy, JuS 1989, L 2; Kühl, AT, 5 / 8; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 38, 47. 95 Sei es nach der Vollständigkeitsthese oder nach der Gleichwertigkeitsthese. 91 92

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

nung zum Vorsatz) mit der Frage nach der psychischen Kenntnis des Täters (Feststellung des Vorsatzes gemäß § 16 I) irreführend vermengt. Tatsächlich befasst sich § 16 Abs. 1 – wie oben gesagt – lediglich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein tatbestandsmäßiger Vorsatz vorliegt. Da der sich im Alternativenirrtum befindende Täter sich immer tatbestandsmäßige Tatsachen vorgestellt hat, ist die in § 16 Abs. 1 gestellte Mindestforderung an das intellektuelle Element des Vorsatzes zweifelsfrei erfüllt, weshalb ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum von vornherein ausgeschlossen ist96. Behandelt man aber den Alternativenirrtum nur als ein Problem des Tatbestandsirrtums i. S. des § 16 Abs. 1, dann würde man zu dem unerwünschten Ergebnis kommen, dass jeder Alternativenirrtum irrelevant wäre. Von der oben (II. 3) geübten Kritik an der generellen Anerkennung der Unerheblichkeit des Irrtums abgesehen, bleibt die Divergenz zwischen dem objektiven und dem subjektiven Unrecht immer noch unbehandelt. Da man bei der Feststellung des Vorsatzes nur auf die Vorstellung des Täters abzustellen braucht, wird die Kongruenz des Subjektiven mit dem Objektiven bei der Feststellung des Vorsatzes gar nicht berücksichtigt. Deshalb schließt die Bejahung des Vorsatzes nicht aus, dass subjektive Vorstellung und objektive Tatsachen atypisch bzw. rein zufällig miteinander verbunden sind97. Weil der vorhandene Vorsatz sich beim Alternativenirrtum auf eine andere Tatbestandsalternative als die objektiv erfüllte bezieht, stellt sich hier – wie bei Kausalverlaufsabweichungen oder aberratio ictus – die normative Frage, ob objektiv tatbestandsmäßige Tatsachen dem Vorsatz des Täters zuzurechnen sind. Bei Irrtümern über Tatsachen spielt § 16 zwar eine wichtige Rolle, kann jedoch nichts zur Lösung dieser Problematik beitragen98. Aus der Gleichwertigkeit des Unrechtsgehalts könnte allenfalls ein Argument für die normative Kongruenz (Zurechnung zum Vorsatz), keinesfalls aber die Bejahung bzw. Verneinung des – bereits zweifelsfrei gegebenen (!) – Vorsatzes abgeleitet werden. Die Problematik des Mangels an Kongruenz kann also nur jenseits der Feststellung des Vorsatzes gelöst werden. Ungeklärt bleibt jedoch, wo bzw. auf welche Ebene des Straftataufbaus das Problem zu behandeln ist.

Eben deshalb bleibt die Strafbarkeit des Versuchs unberührt; s. o. III. 1. a) bb). NK-Puppe, § 16 Rn. 91; Wolter, Objektive Zurechnung, 1995, S. 14, 18; vgl. auch unten c) bb). 98 Wie oben erwähnt wurde, lässt sich nur die Mindestforderung an den Vorsatz von § 16 Abs. 1 ableiten, nicht aber die Berechtigung einer zusätzlichen Prüfungsstation (Kongruenz); so schon Roxin, AT / 1, 12 / 148; Puppe, Vorsatz, 1992, S. 8; wohl auch Burkhardt, Strafrechtsdogmatik, 2000, S. 142 Fn. 105. Es wird auch im Schrifttum vertreten, dass sich das Prinzip der Kongruenz zwischen objektivem und subjektivem Unrecht zwar nicht direkt aus § 16 ergebe, aber als allgemeines Prinzip auch dem § 16, insbesondere § 16 Abs. 2 zugrunde liege (Puppe, Vorsatz, 1992, S. 8). Es ist richtig, dass es sich bei Abs. 2 in gewisser Weise um Zurechnung zum Vorsatz handelt; jedoch kann Abs. 2 nur als eine Spiegelung (od. ein Sekundärphänomen) eines normativen Prinzips im Gesetzbuch angesehen werden. Man sollte vielmehr weiter nach dem Prinzip, das hinter dieser Vorschrift steht, fragen. 96 97

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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c) Notwendigkeit und systematische Stellung der zusätzlichen Kongruenzprüfung aa) Kongruenz im ersten Sinne Der Terminus „Kongruenz“ taucht zwar manchmal in der strafrechtlichen Literatur auf, wird aber meistens nicht eindeutig definiert. Unter dem „Kongruenzprinzip“ versteht man meistens „die Orientierung des subjektiven Tatbestands am objektiven Tatbestand“99, wonach der objektive Tatbestand eine Sonderstellung hat, weil der subjektive Tatbestand sich am objektiven Tatbestand orientieren muss; der subjektive Tatbestandsteil stellt sich als eine bloße Widerspiegelung, also als ein passiver, lediglich empfangener Reflex des objektiven Tatbestandsteils dar (der sog. sekundäre Charakter des subjektiven Elements)100. Der Täter muss z. B. bei einer vorsätzlichen Tötung wissen, dass er einen Menschen tötet; der Dieb muss wissen, dass er eine fremde bewegliche Sache aus fremdem Gewahrsam wegnimmt101. Damit wird nichts weiter verlangt, als dass der vorsätzliche Täter die Tatsachen kennen muss, die den objektiven Tatbestand erfüllen. Mit Ausdrücken wie etwa „Kongruenz“, „Zurechnung zum Vorsatz“, „subjektive Zurechnung“ oder „Vorsatzzurechnung“ haben die meisten Autoren nur die Kongruenz in diesem Sinne gemeint102. In diesem Sinne ist die Kongruenzforderung trivial. Auf Grund des Prüfungsschemas der Tatbestandsmäßigkeit versteht sich eine solche Kongruenzforderung von selbst: Aus praktischen Gründen muss ein Prüfungsschema für die Falllösung entwickelt werden, um das Ergebnis intersubjektiv nachprüfbar zu machen. Im modernen Prüfungsschema der Vorsatztat wird die Prüfung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit von der der subjektiven Tatbestandsmäßigkeit getrennt. Unter allen Unrechtstatbeständen sollen „Zurechnungskriterien“ 103 des Unrechts zu verstehen sein, mit denen der Strafgesetzgeber ausdrücklich bestimmt hat, unter 99 Z. B. Engisch, Strafrechtswissenschaft, 1972, S. 39 ff., 44; Samson, JA 1989, S. 451 f. ; Maurach / Zipf, AT / 1, 20 / 22, 24; Wessels / Beulke, AT, Rn. 208; Kindhäuser, AT, 13 / 10; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 454. 100 Vgl. dazu Maurach / Zipf, AT / 1, 20 / 17. 101 Engisch, Strafrechtswissenschaft, 1972, S. 44. 102 Bei diesen Autoren geht es nur um die Feststellung des Vorsatzes; so z. B. Mezger, Lb, 1949, S. 311 f.; Wessels / Beulke, AT, Rn. 202, 208; Gómez Benítez, Gefahrverwirklichung, 1995, S. 28, 31, 33. Bei Schlüchter ist dies auffälliger. Sie hat zwar einerseits das Tatplankriterium Roxins übernommen, das eigentlich zur Feststellung der subjektiven Zurechnung (nicht aber zu der des Vorsatzes) dienen soll (s. u. Fn. 118), meinte aber, dass der Vorsatz des Täters damit ggf. durch den Irrtum über den Kausalverlauf ausgeschlossen werden könne (dies., AT., 2000, S. 25). 103 Solche Zurechnungskriterien sind der Maßstab für die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit und werden im Schrifttum seit jeher als objektiver Tatbestand bezeichnet. Jedoch können sie für sich genommen weder objektiv noch subjektiv sein. Diese Zurechnungskriterien als normative Aussagen sind weder den objektiv vorhandenen Tatsachen noch der Vorstellung des Täters gleichzusetzen; sonst würde der Prüfungsmaßstab sich mit dem Prüfungsgegenstand irreführend vermengen.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

welchen Voraussetzungen ein Tatgeschehen im Prinzip strafrechtlich missbilligt werden soll. Werden alle Merkmale eines bestimmten Zurechnungskriteriums verwirklicht, dann liegt eine prinzipiell unerträgliche Störung für das Zusammenleben der Menschen in dieser Gesellschaft vor, über die sich die Strafrechtspflege nicht hinwegsetzen darf. Bei der Prüfung nach der Tatbestandsmäßigkeit muss der Rechtsanwender zunächst einmal die objektiv vorliegende Wirklichkeit104 einerseits und die vom Täter vorgestellten Tatsachen andererseits feststellen. Danach werden beide Prüfungsgegenstände (also die objektiv vorliegenden wie auch die subjektiv vorgestellten Tatsachen) anhand desselben Kriteriums (desselben Tatbestandes) mit dem gleichen Operationsvorgang (Subsumtion) geprüft, um festzustellen, ob alle Tatbestandsmerkmale einerseits objektiv (objektive Tatbestandsmäßigkeit) und andererseits in der Vorstellung des Täters (Feststellung des Vorsatzes105) erfüllt sind. Die Maßstäbe sowohl für die objektive Tatbestandsmäßigkeitsprüfung als auch für die Feststellung des Vorsatzes sind also stets identisch. Der einzige Unterschied zwischen den beiden liegt lediglich im geprüften Gegenstand, also ob es sich um einen objektiv vorhandenen oder um einen vom Täter vorgestellten Sachverhalt handelt. Bei der Feststellung des Vorsatzes ist ausschließlich der rein psychische Zustand des Täters zu berücksichtigen106. Sind alle Tatbestandsmerkmale in der vom Täter vorgestellten Tatsache erfüllt, handelt der Täter vorsätzlich107. 104 Damit sind jedoch nicht uneingeschränkte, d. h. alle objektiv vorhandenen Tatsachen gemeint. Denn man kann die Tatsachen – nämlich den gesamten Zustand der Welt – niemals vollständig beschreiben. Es ist vielmehr dem Sprecher überlassen, welche Angaben er in die Beschreibung seiner Prämissen aufnimmt (s. dazu Puppe, NK-StGB, Vor § 13 Rn. 72; dies., GA 1994, S. 301, 316). Deswegen müssen die Tatsachen, die den Gegenstand der objektiven Tatbestandsmäßigkeit bilden sollen, speziell für den zu prüfenden Tatbestand zugeschnitten werden, und zwar durch eine Art von „Hin- und Herwandern des Blicks zwischen Norm und Lebenssachverhalten“ (vgl. näher dazu Engisch, Logische Studien, 1963, S. 15; Arthur Kaufmann, Analogie, 1982, S. 40). 105 Hier setzen wir uns über das umstrittene Element des Willens hinweg und stellen nur auf das Wissen ab. Zu beachten ist ferner auch, dass es Delikte gibt, in denen das spezifisch subjektive Element zusätzlich zum Vorsatz gefordert wird, z. B. besondere Absicht bei den Absichtsdelikten. In diesen Fällen muss man im Rahmen der subjektiven Tatbestandsmäßigkeit diese speziell-subjektiven Unrechtselemente extra prüfen. 106 Dieses Modell stimmt auch mit dem geltenden Recht (§ 16 I S. 1) überein, nach dem die Vorsatzgrenze an zumindest einer Stelle starr nach psychischen Fakten bestimmt wird (Kenntnis, Unkenntnis), nicht aber nach einer Wertung dieser Fakten, so Jakobs, AT, 8 / 5a, 13, 69, 100. 107 Daran lässt sich die Unbeachtlichkeit des Subsumtionsirrtums deutlich erkennen. Der Täter braucht sich lediglich Tatsachen vorzustellen, aber nicht den Text des Tatbestandes (Tatbestandsmerkmale) zu kennen. Nicht der Täter, sondern nur der Rechtsanwender muss also den Gesetzestext bzw. Tatbestandsmerkmale kennen. Jedoch sind einige gängige Definitionen des Vorsatzes im Schrifttum irreführend, wie etwa: „das Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale“ (z. B. Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder / , StGB, § 15 Rn. 9) oder das der „Tatbestandsverwirklichung“ (z. B.: Haft, AT, 2004, S. 150; Cramer / Sternberg-Lieben, a. a. O., Rn. 15; Baumann / Weber / Mitsch, AT, 20 / 6; Ebert, AT, 2001, S. 54; ähnlich: Tröndle / Fischer, StGB, § 15 Rn. 3 f.).

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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Dies ist nichts anderes als die Forderung nach Übereinstimmung des Vorsatzes am Prüfungsmaßstab der objektiven Tatbestandsmäßigkeit und wird in dieser Arbeit als „die Kongruenz im ersten Sinne“ bezeichnet. Über die Kongruenz im ersten Sinne besteht Einigkeit, auch wenn die Kongruenz terminologisch nicht immer als solche bezeichnet wird. Kongruenz in diesem Sinne gehört zu den wichtigsten Grundprinzipien im Strafrecht. Denn es würde zu sonderbaren Ergebnissen führen, wenn das Kriterium für die objektive Tatbestandsmäßigkeit anders als das für die Feststellung des Vorsatzes wäre. Hat der Gesetzgeber darüber entschieden, dass das Strafrecht in eine bestimmte Handlungsweise nicht eingreifen soll, dann ist der Handelnde auch nicht wegen Versuchs zu bestrafen, wenn er eine solche Handlung vorsätzlich108 begangen hat; seine Vorstellung darf m. a. W. auch nicht als ein strafrechtlicher Vorsatz bewertet werden, gleichwohl eine solche Vorstellung oder Planung unmoralisch sein mag109. Da die Kongruenz im ersten Sinne nur bei der Feststellung des Vorsatzes (§ 16 I S. 1) bzw. beim vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum110 eine Rolle spielen kann, hat die so verstandene Kongruenz nichts mit dem Irrtum über Tatbestandsalternativen zu tun. Der sich im Alternativenirrtum befindende Täter hat sich zur Tatzeit jedenfalls die Tatsachen vorgestellt, bei deren Vorliegen Tatbestandsmäßigkeit anzunehmen ist. Fraglich ist jedoch, ob ein solcher Vorsatz bezüglich der einen Alternative und das objektive Unrecht bezüglich der anderen zusammen eine vollendete Vorsatztat bilden können. Hier geht es nicht mehr um die Frage nach dem Vorsatz, sondern um die nach der Kongruenz in einem anderen Sinne, nämlich: ob das objektive Unrecht dem (bereits festgestellten) Vorsatz zuzurechnen ist.

Nimmt man diese geläufigen Definitionen wörtlich, dann würde der Subsumtionsirrtum deshalb zwangsläufig zum Vorsatzausschluss führen, weil der das Gesetz unrichtig auslegende Täter einschlägige „gesetzliche Tatbestandsmerkmale“ gerade nicht kennt. Richtig dagegen T. Walter, Lehre vom Irrtum, 2004, 8. Kap. 1. a). 108 Nicht im technischen Sinne. 109 Das Gleiche gilt auch für die Verengung eines Tatbestandes durch die Hinzufügung der ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale. Fügt man einer bestimmten Straftat bzw. einem Tatbestand ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – z. B. die objektive Zurechenbarkeit – durch Auslegung hinzu, dann muss dieses hinzugefügte Merkmal nicht nur bei der Feststellung objektiver Tatbestandsmäßigkeit, sondern auch bei der des Vorsatzes berücksichtigt werden; sonst würde nur eine Bestrafung des Versuchs übrig bleiben. 110 Beispiel: Der Täter hält einen anderen in der Dunkelheit für eine Vogelscheuche und verletzt ihn tödlich (ungleichwertiger Objektsirrtum). In einer solchen Irrtumskonstellation können die Tatsachen, die sich der Täter zur Tatzeit vorgestellt hat, nicht alle Tatbestandsmerkmale des Tötungsdelikts erfüllen. Daher hat er keinen Tötungsvorsatz; oder mit dem geläufigen Sprachgebrauch: der Vorsatz wird wegen eines relevanten Irrtums ausgeschlossen. Das gilt freilich auch für die Fälle, in denen dem Täter trotz Tatsachenkenntnis eine sog. „Parallelwertung in der Laiensphäre“ fehlt.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

bb) Notwendigkeit einer zusätzlichen Kongruenzprüfung Während die Kongruenz im ersten Sinne allgemein anerkannt ist, scheint derselbe Terminus in einem anderen Sinne hoch umstritten zu sein. Hier geht es um die Frage, ob eine zusätzliche, jenseits der objektiven und der subjektiven Tatbestandsmäßigkeit liegende Prüfungsstation für die Kongruenz zwischen objektivem und subjektivem Unrecht nötig ist, um eine vorsätzliche Vollendung annehmen zu können. Diese Kongruenzforderung wollen wir als Kongruenz im zweiten Sinne bezeichnet. Bei Bejahung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmäßigkeit ist eine hinreichende Kongruenz zwischen dem objektiven und dem subjektiven Unrecht für die Annahme eines vorsätzlich-vollendeten Delikts zwar in den meisten Fällen gegeben. Trotzdem ist eine zusätzliche Prüfung der hinreichenden Kongruenz nötig. Da mit dem objektiv tatbestandsmäßigen Unrecht nur festgestellt wird, dass ein objektiver Sachverhalt gegeben ist, der die Mindestbedingungen des Tatbestandes erfüllt, und bei der Prüfung des subjektiven Unrechts lediglich, dass der Vorstellungsinhalt des Täters die Mindestbedingungen des subjektiven Tatbestandes erfüllt, schließen die gleichzeitige Bejahung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit und des Vorsatzes nicht aus, dass die subjektive Vorstellung des Täters und objektive Tatsachen atypisch (i. S. einer Tateinheit von Versuch und Fahrlässigkeit) miteinander verbunden sind111. Die Straftat soll immer als eine Einheit bzw. Ganzheit verstanden werden, obwohl sie aus fallprüfungstechnischen Gesichtspunkten in ihre Teilmomente, nämlich in die objektive und die subjektive Seite, zerlegt wird112. Objektive und subjektive Seiten einer Straftat bilden m. a. W. nicht einen zusammengeworfenen „Merkmalshaufen“, sondern es muss auch ein integrierender Zusammenhang zwischen den beiden Seiten bestehen113. Beide Seiten sind Gliedmerkmale oder Momente, welche ihren bestimmten Sinn nur innerhalb eines ganzheitlichen Begriffes haben, und können nicht wie zwei selbstständige Entitäten einer Gliederpuppe mechanisch zusammengesetzt werden114. Um das Gesamtbild der Straftat stets im Auge zu behalten, muss 111 Dies lässt sich an Fällen der Abweichung vom Kausalverlauf deutlich erkennen: Zu finden sind immer wieder Fälle, in denen sich von Anfang an ein anderes adäquates (objektiv zurechenbares) Risiko entwickelt als der Täter planvoll in die Tat umsetzt und trotz der zurechenbaren Verursachung eines tatbestandsmäßigen Erfolges durch eine vorsätzliche Handlung eine vollendete Vorsatztat nicht angenommen werden kann; vgl. Wolter, Objektive Zurechnung, 1995, S. 14, 18. 112 Vgl. Schild, Straftat, 1979, S. 120 f. 113 Vgl. dazu Hruschka, JuS 1982, S. 318; ders., Strafrecht, 1988, S. 21 f. 114 So schon H. Mayer, AT, 1953, S. 101, 105. Zur Begründung der Kongruenzforderung soll man nach Burkhardt von der Natur der Handlung bzw. Vorsatztat ausgehen: es geht hier also darum, unter welchen Voraussetzungen das objektive Geschehen und der Vorsatz zu einer kompletten vorsätzlichen Handlung zusammengefügt werden können (Eser / Burkhardt, Strafrecht I, 8 / A 24 ff., 9 / A6 ff.; Burkhardt, Strafrechtsdogmatik, 2000, S. 142 Fn. 105). Darüber hinaus geht Hruschka vom allgemeinen Prinzip rationaler Rede aus, dessen Verlet-

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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nach Prüfung des äußeren und inneren Tatbestandes (Feststellung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit und des Vorsatzes) ein dritter Schritt, nämlich eine weitere Prüfungsstation der Kongruenz, extra in den Aufbau des Vorsatzdelikts115 eingefügt werden. Nur auf diese Weise kann – trotz der fallprüfungstechnischen Schematisierung des Straftatbegriffs – die sachliche Einheit der Straftat (und ihrer Momente) und damit der systematische Straftatbegriff gewahrt bleiben116. Bei vorsätzlich-vollendeten Delikten erscheint – wie Frisch zutreffend dargestellt hat – das (schon als solches) unwertige objektive Geschehen in besonderem Maße unwertig, weil es sich als spezifische Verwirklichung des Unwerts (auch) der betätigten Entscheidung begreifen lässt; oder aus der Sicht der Entscheidung des Täters: Deren Unwertigkeit muss sich, wegen des besonderen Zusammenhangs, überzeugend am objektiven Geschehen demonstrieren lassen – so dass die Sinnhaftigkeit des Verbots der Betätigung einer bestimmten unwertigen Entscheidung überzeugend auch an den Folgen aufzeigbar ist117. Für die Bejahung einer vollendeten Vorsatztat muss es also jenseits des objektiven und des subjektiven Unrechts noch ein „Kettenglied“ zwischen beiden geben. Die zusätzliche Kongruenzforderung dient gerade der Feststellung eines solchen Kettengliedes118. An der allgemein anerkannten Rechtsfigur „gleichartige Idealkonkurrenz zwischen Versuch und Fahrlässigkeit“ lässt sich die Notwendigkeit einer solchen zusätzlichen Kongruenzprüfung auch deutlich erkennen: Geht man von der Strukturgleichheit der vorsätzlichen und der fahrlässigen Straftat aus, dann kann man ohne eine zusätzliche Prüfungsstation von Kongruenz gar nicht zum Ergebnis der zung in der Rechtslehre genauso wie anderswo zur Irrationalität des Geredeten führe, und stellt das „Referenzprinzip“ auf (ders., JuS 1982, S. 317 ff.; Strafrecht, 1988, S. 21 f., 65). 115 Beim Fahrlässigkeitsdelikt wird Kongruenz im Schrifttum mitunter auch gefordert und betrifft die Frage, ob und inwieweit sich das äußere Geschehen (missbilligte Risikoschaffung, die objektiv zurechenbar zum Erfolgseintritt führt) als Folge der unvorsätzlichen Vernachlässigung der dem Täter gegenüber dem Gut möglichen und von ihm erwarteten Achtung einstufen lässt (Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 635). Im Folgenden wird dies außer Acht gelassen. 116 Schild, Straftat, 1979, S. 120 f.: Die „dialektische“ Einheit. 117 Ders., Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 585. 118 Bis dato wurde diese zusätzliche Anforderung an das vorsätzlich-vollendete Delikt zwar nur teilweise ausdrücklich anerkannt, jedoch nehmen diese Stimmen allmählich zu. Eine chronologische Übersicht: Roxin, FS-Würtenberger, 1977, S. 109 ff., 114 ff., 128; Schild, Straftat, 1979, S. 77, 121 f., 132 ff. (Zurechnung zur Handlung bzw. zur Unterlassung); Frisch, Vorsatz, 1983, S. 266 Fn. 49, 496; Wolter, Zurechnung zum Unrecht, 1984, S. 114 f. m. Fn. 25, 122 f. m. Fn. 39a (Vorsatzadäquanz); Samson, Strafrecht I, 1988, S. 17, 98 f., 105 f., 186, 257; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 569 ff., 582 ff.; Hruschka, Strafrecht, 1988, S. 15, 21 f. (Referenzprinzip); Schild, in: AK-StGB, 1990, Rn. 185 vor § 13; Wolter, GA 1991, S. 540 Fn. 18; Eser / Burkhardt, Strafrecht I, 1992, 8 / A 2 ff., besonders A 24 ff., 9 / A 6 ff., 19 (Deckungsverhältnis); Puppe, Vorsatz, 1992, S. 1 ff.; dies., in: NK-StGB, 1995, § 16 Rn. 88 ff., insbesondere 91; Wolter, Objektive Zurechnung, 1995, S. 14 ff. (die spezifische objektive Zurechnung zur Vorsatztat); Hoyer, AT / 1, 1996, S. 59 ff.; Roxin, AT / 1, 1997, 12 / 140 ff.; Freund, AT, 1998, 7 / 109 ff.; Burkhardt, Strafrechtsdogmatik, 2000, S. 141 ff.; Freund, in: MünchKommStGB, 2003, Vor §§ 13 ff. Rn. 341 ff.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Bestrafung wegen fahrlässiger Erfolgsherbeiführung in gleichartiger Tateinheit mit versuchter vorsätzlicher Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges kommen. Denn ein solches Ergebnis besagt geradewegs, dass objektive und subjektive Tatbestandserfüllung hinsichtlich ein und desselben Tatbestandes selbst dort nicht zwangsläufig zu einem vollendeten Vorsatzdelikt verschmelzen, wo sie durch ein und dieselbe Handlung verklammert werden. Die Meinung, das Erfordernis einer bestimmten Kongruenz sei überflüssig, stellt sich als eine moderne Version der Versari-Lehre119 dar, weil ein vorsätzlich Handelnder die volle Verantwortung tragen müsste, gleichgültig, ob ein bestimmter Zusammenhang zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven gegeben ist oder nicht. Auf dem Boden dieser Vorstellung bliebe nach Frisch schlicht unerfindlich, „wieso das Gesetz die vollendete Vorsatztat sowohl der Extension als auch der Intensität der Pönalisierung nach völlig anders behandelt als gewisse andere Fälle, in denen ebenfalls eine betätigte Entscheidung gegen das Rechtsgut und eine sich im tatbestandsmäßigen Erfolg (objektiv) zurechenbar realisierende missbilligte Gefahrschaffung gegeben ist – wie dies z. B. im Falle eines fehlgeschlagenen Versuchs mit anschließender Fahrlässigkeitstat in Bezug auf denselben tatbestandsmäßigen Erfolg zutrifft“120. Tatsächlich wird die Bestrafung des vollendeten Vorsatzdelikts samt der ihr zugrunde liegenden Annahme erhöhten Unrechts – im Vergleich zum Fall gleichartiger Tateinheit zwischen Versuch und Fahrlässigkeit – nur verständlich, wenn man im vollendeten Vorsatzdelikt mehr als die bloße Addition einer objektiven und subjektiven Unrechtskomponente innerhalb einer Tat, also mehr als eine mathematische Aufsummierung von Versuch und fahrlässiger Vollendung sieht121. Dies zeigt sich dort umso deutlicher, wo weder der Versuch noch die fahrlässige Begehungsweise ausdrücklich mit Strafe bedroht werden und daher straflos sind.

cc) Kongruenz im zweiten Sinne – Zurechnung zum Vorsatz Nach der hier vertretenen Meinung muss die Frage nach der Kongruenz (im zweiten Sinne122) dann gestellt werden, wenn der objektive Tatbestand erfüllt 119 Der Grundsatz des versari in re illicita besagt: Wer sich in eine unerlaubte Situation hineinbegibt, haftet voll aus dem ganzen Delikt (versanti in re illicita imputantur omnia quae sequntur ex delicto). Dies ist mit dem modernen rechtsstaatlichen Zurechnungsgedanken nicht vereinbar. Hier kann man sich auf die Kritik Bindings berufen: „Auf dieses Faulbett konnte sich die strafrechtliche Praxis legen, wenn sie nicht untersuchen wollte, ob der eingetretene Erfolg wirklicher Zufall oder zur Fahrlässigkeit oder zum Vorsatz zuzurechnen war. Hatte der in re illicita versirt, so verstand sich dann die Zurechnung zum Vorsatz von selbst.“ (ders., Normen IV, 1919, S. 116) 120 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 583. 121 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 584 f. 122 Da die Anerkennung der Kongruenz im ersten Sinne völlig unbestritten ist, ist im Folgenden nur die Kongruenz im zweiten Sinne mit dem Terminus „Kongruenz“ gemeint.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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ist123 und der Täter auch vorsätzlich gehandelt hat, jedoch zweifelhaft bleibt, ob das objektive Unrecht vom Vorsatz abgedeckt ist, wobei ihr Fehlen nicht zum Ausschluss des bereits gegebenen, festgestellten Vorsatzes führt, sondern zur Verneinung der Annahme einer vollendeten Vorsatztat. Das besondere Kongruenzerfordernis ist systematisch nicht mit dem Vorsatzerfordernis (mit der Folge des Vorsatzausschlusses bei seinem Fehlen) zu verwechseln, sondern vielmehr als jenseits des Vorsatzes stehendes besonderes Erfordernis zwischen objektivem Tatbestand und Vorsatz einzustufen124. Bei der Feststellung des Vorsatzes geht es m. a. W. um eine die Psyche des Täters betreffende Frage, die sich auf der Basis einer naturalistischen Betrachtung beantworten lässt, bei der Feststellung der Kongruenz (Zurechnung zum Vorsatz) dagegen um eine Wertungsfrage, nämlich darum, was alles bei spezifisch normativer Betrachtung zur Extension der Täterentscheidung gehört125. Man muss also entscheiden, ob die Vorstellung des Täters mit der objektiv zurechenbaren Erfolgsverursachung insofern hinreichend kongruent ist, als ihm die Erfolgsherbeiführung zum (bereits vorhandenen, festgestellten) Vorsatz zuzurechnen ist, oder kurz: ob ein gewisses Maß an Übereinstimmung zwischen dem objektiven Sachverhalt und dem Inhalt des Vorsatzes bzw. der Vorstellung des Täters vorliegt126. Diejenigen Tatsachenirrtümer, die nichts mit Tatbestandsirrtum i. S. des § 16 zu tun haben und auf der Ebene der zusätzlichen Kongruenzprüfung zu behandeln sind, sind durch Folgendes gekennzeichnet: Der objektive und der subjektive Tatbestand sind zwar je für sich genommen erfüllt; jedoch liegt eine Diskrepanz zwischen den beiden Seiten vor, die ggf. verhindert, das äußere, der Vorstellung des Täters nicht ganz entsprechende Geschehen als Ausdruck des normativ relevanten Teils der bewussten Entscheidung des Täters gegen das Rechtsgut zu begreifen127. Darum geht es auch beim Irrtum über Tatbestandsalternativen128. Durch die systematische Unterscheidung zwischen der Feststellung des Vorsatzes und der der Kongruenz können terminologische Missverständnisse vermieden werden: So wird klar, dass es beim Alternativenirrtum nicht etwa um das Ob des Vorsatzausschlus123 Wenn die objektive Tatbestandsmäßigkeit verneint wird, bleibt allenfalls eine eventuelle Bestrafung wegen Versuchs übrig. Die Frage nach Kongruenz taucht dann freilich nicht mehr auf. 124 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 572, 582 ff., 125 s. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, Vorwort VIII-IX. 126 Vgl. dazu NK-Puppe, § 16 Rn. 88; dies., Vorsatz, 1992, S. 1; Roxin, AT / 1, 12 / 142 f. 127 Hier behandelt man die Probleme etwa des Irrtums über Unrechtsquantität, der sog. Kausalabweichungen, des vorzeitigen Erfolgseintritts, des verspäteten Erfolgseintritts (sog. dolus generalis), der aberratio ictus und teilweise des error in objecto (so schon Roxin, AT / 1, 12 / 181). Ferner tritt die Frage nach Kongruenz im Rahmen der Beteiligung ebenfalls auf; vgl. dazu eingehend: Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 624 ff. 128 So schon NK-Puppe, § 16 Rn. 88 ff. Roxin hat zwar einerseits die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Prüfungsstation der normativen Kongruenz anerkannt (ders., AT / 1, 12 / 140 ff.), aber andererseits den Alternativenirrtum – inkonsequent – nur als ein Problem über den Gegenstand des Tatbestandsvorsatzes angesehen (a. a. O., Rn. 123).

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

ses überhaupt geht, sondern um das Ob der vorsätzlich-vollendeten Strafbarkeit. Beim Fehlen der Kongruenz bleibt also der Vorsatz bestehen, der die Grundlage einer Versuchsbestrafung bildet129. Dadurch lässt sich auch der mögliche Vorwurf der „Vorsatzfiktion“ leicht vermeiden, da nicht behauptet wird, der Täter habe die objektiv betroffene Alternative auch gekannt bzw. sich vorgestellt, sondern: Die Verwirklichung dieser Alternative kann auch dem Vorsatz, der sich auf die andere Alternative bezieht, zurechenbar sein130. Sinnvoll ist eine Lehre von der Zurechnung zum Vorsatz allerdings nur dann, wenn sie mehr als eine abstrakt-ungenaue Reformulierung der Lehre vom Vorsatz ist, also wenn sie Konstellationen behandelt, in denen es nicht schon einfach am Vorsatz überhaupt fehlt. Deshalb muss man die Einschränkungen gewissermaßen außerhalb des Vorsatzinhalts suchen131. Im vorliegenden Zusammenhang brauchen wir nicht auf alle Einzelheiten der Kongruenz (Zurechnung zum Vorsatz) einzugehen und können uns im Folgenden ausschließlich auf Fragen beschränken, die den Alternativenirrtum betreffen.

2. Im semantischen Einschlussverhältnis stehende Alternativen a) Tatsächliche Kongruenz Es ist zwar richtig, dass man bei der Feststellung der normativ relevanten Einschränkungen zur Kongruenz nicht von einer ganz naturalistischen Betrachtungsweise ausgehen darf132. Dies ergibt sich schon daraus, dass die normative Kongruenz immer dort ohne Schwierigkeiten anzunehmen ist, wo die objektive und die subjektive Seite miteinander bereits auf der Tatsachenebene – also bei naturalistischer Betrachtung – kongruent sind133. Innerhalb des Bereichs, in dem die vom Täter vorgestellten Tatsachen den objektiven tatsächlich entsprechen134, kann der 129 Vgl. Eser / Burkhardt, Strafrecht I, 8 / A 11; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 574; Herzberg, JA 1981, S. 470 f. 130 Dadurch bleibt der Vorwurf der „Vorsatzfiktion“ gegen die Mindermeinung (Gleichwertigkeitstheorie) bei aberratio ictus (so z. B. Koriath, JuS 1997, S. 902, 906; krit. Puppe, JuS 1998, S. 287 f.) auch in der Luft hängen, weil sie nicht behauptet, der Täter habe auch einen Vorsatz hinsichtlich des getroffenen Objekts, sondern: Das objektive Geschehen könne auch dem Vorsatz, der sich auf das andere, tatbestandlich gattungsgleiche Objekt abstellt, zurechenbar sein. Die Frage, ob die tatbestandliche Gattungsgleichheit bei aberratio ictus eine hinreichende Kongruenz und daher eine Bestrafung der vollendeten Vorsatztat begründen kann – vor allem im Hinblick auf den Charakter der Abweichung vom Kausalverlauf –, ist aber eine andere Frage, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann; vgl. näher dazu Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 600 f., 616 f. 131 So schon Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 569 f., 590. 132 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 598. 133 So auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 606 bei Anm. 176. 134 Wenn der Täter z. B. auf das Opfer mit dem Ziel schießt, es durch einen Herzschuss zu töten, und das Opfer der Vorstellung des T entsprechend auch wirklich an einem Treffer ins Herz stirbt, dann würde Niemand die Bejahung der vollendeten Vorsatztat auf der Ebene der

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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Täter für eine vorsätzliche Vollendung unproblematisch zur Verantwortung gezogen werden. Da die objektiv geschehenen und die vorgestellten Tatsachen in allen maßgeblichen Punkten übereinstimmen, kann das objektive Geschehen ohne weiteres als Ausdruck der Entscheidung des Täters gegen die einschlägige Strafnorm angesehen werden. Mehr kann man für eine Bestrafung wegen vollendeter Vorsatztat nicht verlangen135. Das Gleiche gilt für die Tatbestandsalternativen, die zueinander in einem semantischen Einschlussverhältnis stehen. Bei dieser Gruppe kann man die Frage nach der normativen Kongruenz rasch beantworten, weil eine tatsächliche Kongruenz zwischen den objektiv gegebenen und den vom Täter vorgestellten Tatsachen innerhalb des gemeinsamen Teils bzw. der eingeschlossenen Alternative auf jeden Fall vorliegt. Im Folgenden werden wir auf alle sich stellenden Einzelfragen eingehen.

b) Tautologisch gefasste Alternativen und beispielhafte Umschreibungen Zunächst steht fest, dass der Alternativenirrtum zwischen den tautologisch gefassten Alternativen genau gesagt überhaupt nicht auftauchen kann. Da sie nur sprachlich unterschiedliche Formulierungen ein und desselben Sachverhalts darstellen, also begrifflich vollkommen identisch sind, kann keine Rede davon sein, dass der Täter eine Tatsache kennt, die nur die eine Alternative, nicht aber die andere erfüllt. Allenfalls kann hier ein irrelevanter Subsumtionsirrtum136 vorkommen. Darüber hinaus kann der Alternativenirrtum zwar bei beispielhaften Umschreibungen vorkommen, wo er sich aber einfach lösen lässt. Bei dieser Gruppe hat der Gesetzgeber durch die Beschreibung der Auffangklausel auch eine Mindestbedingung der Vollendung festgelegt. Da es bei der Annahme einer Vollendung in dieser Gruppe lediglich darauf ankommt, ob eine die Auffangklausel erfüllende Tatbestandsmäßigkeit bezweifeln, weil die im Bewusstsein genau gefasste Möglichkeit des für das Opfer tödlichen Geschehensverlaufs Wirklichkeit geworden ist. Freilich ist weder nötig noch möglich, dass die Vorstellung des Täters ganz genauso wie das objektive Geschehen sein muss, weil es stets eine kleinere oder größere Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Täters und dem gegebenen Geschehen gibt. Schon aus erkenntnistheoretischen und wahrnehmungspsychologischen Gründen ist eine vollständige Abbildung von Realität auf bildhafte, gedankliche, begriffliche, sprachliche Vorstellungsinhalte unmöglich (Zielinski, in: AKStGB, §§ 15, 16 Rn. 31). Der Täter kann also von den aktuell vorliegenden Tatumständen (der Handlungssituation) niemals ein vollständiges Vorstellungsbild haben, weswegen das Handeln bei unvollständigen Informationen der Normalfall bei vorsätzlichem Handeln ist. Das ist umso deutlicher bei der Vorstellung über den Kausalverlauf. Vorgestellter und wirklicher Kausalverlauf decken sich in Wahrheit niemals, weil niemand einen künftigen Kausalverlauf in allen seinen Einzelheiten genau voraussehen kann (Mezger, Lb, 1949, S. 311). Dennoch kann nicht jede Diskrepanz normrelevant sein; die meisten Abweichungen sind daher bedeutungslos (unrechts- und schuldirrelevant). 135 Über das Ergebnis besteht Einigkeit; vgl. Kühl, AT, 13 / 41; Freund, AT, 7 / 117 f.; ders., in: MünchKommStGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 344. 136 Vgl. o. I. 1 und III. 1. c) bb).

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

Tatsache schon gegeben ist, hängt die Annahme einer vollendeten Vorsatztat auch nur davon ab, ob der Täter diejenigen Tatsachen kennt, die die Auffangklausel erfüllen. Wenn das der Fall ist, steht der subjektiven Zurechnung nichts im Wege, weil eine tatsächliche Kongruenz bezüglich der generalklauselartigen Alternative immer gegeben ist. Die Fehlvorstellung bezüglich der verwirklichten Alternative ist also unbeachtlich, sofern der Täter das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzung des umfassenden Gattungsbegriffs (Auffangklausel) gekannt hat, gleichgültig, ob der Täter eine spezielle Alternative mit der generellen Alternative oder zwei Spezialfälle miteinander verwechselt hat137. c) Quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen Bei der Gruppe, in der Alternativen quantitative Unrechtsabstufungen darstellen, kann man immer eine tatsächliche Kongruenz bezüglich der leichtesten Alternative annehmen und damit die Zurechnung zum Vorsatz bejahen. Im Einzelnen ist dies jedoch nicht ganz unbestritten. Bei der Begehung der Tat rechnete der Täter z. B. nur mit der Zerstörung von Teilen eines fremden Gebäudes, bewirkte jedoch eine komplette Vernichtung des Tatobjekts. Hier hat der Täter sich über beide Alternativen des § 305 Abs. 1 (die ganze oder teilweise Zerstörung) geirrt. Sicher ist jedenfalls, dass ein solcher Irrtum die Bestrafung einer vollendeten Vorsatztat nicht berührt138; sonst könnte der Täter der Strafbarkeit allein dadurch entgehen, dass er objektiv mehr Unrecht angerichtet hat, als er begehen wollte, oder umgekehrt mehr Unrecht begehen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat. Zu beantworten bleibt nur noch, bezüglich welcher Alternative ein vorsätzlich-vollendetes Delikt angenommen werden soll. Warda hat den Alternativenirrtum in dieser Konstellation zwar ebenfalls für unbeachtlich gehalten139, kommt jedoch im obigen Beispielsfall zu folgendem Ergebnis: Es sei die vorsätzliche Vollendung bezüglich der schwereren Alternative anzunehmen, wobei die Tatsache, dass ein geringerer als der tatsächlich eingetretene Zerstörungsgrad gewollt war, (nur) bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden könne140. Diese Ansicht Wardas ist allerdings bedenklich. Denn der objektiv überschrittene Teil kann gerade nicht vom Vorsatz, der auf die leichtere Alternative abstellt, abgedeckt werden; in diesem Übermaß des Unrechtsquantums kann die Zurechnung zum Vorsatz wegen Mangels an Kongruenz zwi137 Im Ergebnis ebenso: Warda, FS-Stree / Wessels, S. 282; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39; Schroth, Irrtum, 1988, S. 69; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11. 138 So im Ergebnis denn auch die herrschende Meinung; vgl. dazu Wessels / Beulke, AT, Rn. 246; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; Lackner / Kühl, StGB, § 16 Rn. 4; Warda, FS-Stree / Wessels, S. 280, 283; Altenhain, Exzeß, 1994, S. 39; Schroth, Irrtum, 1988, S. 69. 139 Jedoch mit unterschiedlichen Gründen; vgl. dens., FS-Stree / Wessels, S. 280 einerseits und S. 283 andererseits. 140 Ders., FS-Stree / Wessels, S. 282 f.; krit. (mit Recht) dazu Cramer / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, StGB, § 16 Rn. 11.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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schen dem objektiven Geschehen und der Entscheidung des Täters nicht begründet werden. Dies wird verständlicher, wenn wir eine Parallele zur Diskussion über einen Irrtum bezüglich der Unrechtsquantität zwischen mehreren Tatbeständen ziehen. Da viele Unrechtserfolge quantifizierbar sind, kann der tatbestandsmäßige Schaden größer oder kleiner sein. Dann ist das dem Täter zuzurechnende objektive Unrecht seinem Gewicht nach auch vom Ausmaß des Erfolges abhängig. Geht in Wirklichkeit ein höheres Ausmaß an Schaden bzw. Unrecht über die Vorstellung des Täters hinaus, so liegt eine dem Exzess vergleichbare Konstellation vor. Zum Vorsatz kann dem Täter nach h. M. nur dasjenige Unrechtsquantum zugerechnet werden, das er sich als möglich vorgestellt hat141. Der Überschuss (das weitere überschießende Unrechtsquantum) gegenüber dem, was der Täter sich als möglich vorgestellt hat, kann ihm allenfalls als fahrlässiges Verhalten oder im Rahmen der Strafzumessung als verschuldete Folge der Tat angelastet werden142. Es ist kein Grund zu sehen, warum dieser Grundsatz bei den Tatbestandsalternativen, welche Unrechtsabstufungen ausdrücken, nicht gelten soll. Danach muss im obigen Beispielsfall eine vollendete Vorsatztat bezüglich der teilweisen Zerstörung angenommen werden, während der objektiv überschrittenen Unrechtsanteil, der nicht vom auf die leichtere Alternative abstellenden Vorsatz abgedeckt werden kann, nur im Rahmen der Strafzumessung als strafschärfender Grund zu berücksichtigen ist. Das muss auch für den umgekehrten Fall gelten, in dem der Täter z. B. die ganze Zerstörung intendiert, diese aber nur teilweise verwirklicht hat. Der subjektive überschießende Anteil wird zwar nicht vom objektiven Sachverhalt abgedeckt. Jedoch ist die Tatsache, die die leichtere Alternative erfüllt, auch von der Vorstellung des Täters eingeschlossen. Deshalb ist eine tatsächliche Kongruenz bezüglich der leichteren Alternative immer vorhanden, weswegen man hier eine vorsätzliche Vollendung bezüglich der leichteren Alternative (der teilweisen Zerstörung) annehmen muss. Das subjektive Übermaß kann man nur auf der Ebene der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigen; im Hinblick auf die Kongruenz zwischen verwirklichten und vorgestellten Tatsachen ist das intendierte Mehr an Unrechtsverwirklichung nicht als Versuch zu ahnden143. Zusammenfassend: Bei quantifizierten Erfolgen kann dem Täter nur das von der Tat erfasste Quantum, nämlich die leichtere Alternative zum Vorsatz zugerechnet werden. Sofern der Täter die leichtere Alternative zum einen objektiv verwirklicht und zum anderen sich subjektiv vorgestellt hat, reicht das für die Bestrafung wegen einer vollendeten Vorsatztat hinsichtlich der leichteren Alternative im jeweiligen Tatbestand auf jeden Fall schon aus, und zwar gleichgültig, ob er schwereres Un141 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 589 Fn. 100, 597 f.; NK-Puppe, § 16 Rn. 88; dies., AT / 1, 2002, 19 / 6, 8; dies., Vorsatz, 1992, S. 8 f.; Stratenwerth / Kuhlen, AT / 1, 8 / 82. 142 NK-Puppe, § 16 Rn. 88, 92; dies., AT / 1, 19 / 6. Zur verschuldeten Folge, vgl. Frisch, GA 1972, S. 321 ff. (im Hinblick auf Irrtumskonstellationen). 143 Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

recht verwirklicht hat, als er wollte, oder schwereres Unrecht wollte, als er verwirklicht hat. 3. Im normativen Einschlussverhältnis stehende Alternativen Demgegenüber komplizierter ist die Begründung der Kongruenz bei denjenigen Tatbestandsalternativen, die nicht zueinander im semantischen Einschlussverhältnis stehen. Da keine tatsächliche Kongruenz zwischen den objektiven und subjektiven Tatsachen vorliegt, kann Ausgangspunkt hierfür nur eine rein normative Betrachtungsweise sein. Zunächst lässt sich eine normative Kongruenz bzw. ein normatives Substrat für die Bejahung einer vollendeten Vorsatztat bei den Gruppen unproblematisch begründen, in denen die Alternativen in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander stehen. a) Qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen Bei Alternativen, die qualitative Unrechtsabstufungen ausdrücken, liegt zwar keine tatsächliche Kongruenz vor, weil die Unrechtsabstufungen dieser Alternativen sich nicht direkt aus der tatsächlichen bzw. naturalistischen Betrachtung, sondern aus der normativen ergeben. Jedoch stellen diese Alternativen unterschiedlich intensive Angriffe auf dasselbe Rechtsgut dar und stehen zueinander vom Unrechtsgehalt her in einem normativen Einschlussverhältnis. Demzufolge kann die Zurechnung zum Vorsatz bzw. die Bestrafung für eine vorsätzlich vollendete Tat nicht vom Irrtum berührt werden, da bezüglich der eingeschlossenen Alternative ein normatives Substrat für die Zurechnung zum Vorsatz stets vorliegt. Würde man dagegen den Alternativenirrtum hier als relevant ansehen, käme man – wie oben bereits zu den quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen ausgeführt – zum folgenden absurden Ergebnis: der Täter könnte der Strafbarkeit allein dadurch entgehen, dass er bezüglich desselben Rechtsguts objektiv mehr Unrecht angerichtet hat, als er begehen wollte, oder umgekehrt mehr Unrecht begehen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat. In § 120 Abs. 1 etwa stellen die Alternativen „Verleiten“ und „Fördern“ unterschiedlich intensive Formen der Teilnahme (nämlich Anstiftung und Beihilfe) an der nicht mit Strafe bedrohten Selbstbefreiung dar. Ein Alternativenirrtum zwischen beiden Alternativen entsteht dann, wenn sich der Täter über das Gewicht seiner Beteiligung irrt144. Da die beiden Begehungsformen als zwei unterschiedlich intensive Beteiligungsformen anzusehen sind, kann man allgemeine Regeln für das Verhältnis zwischen Anstiftung und Beihilfe auch für die beiden Tatmoda144 Beispiel: Der Täter liefert einem Gefangenen heimlich einen Nachschlüssel und einen Hinweis auf den Fluchtweg in der Vorstellung ab, dieser Gefangene habe den Tatentschluss des Entweichens schon gefasst und es fehlten ihm nur diese Geräte, während in Wirklichkeit seine Entscheidung für das Entweichen erst durch die Übergabe der Geräte hervorgerufen wird.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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litäten geltend machen145. Danach ist eine normative Kongruenz zwischen den objektiven und subjektiven Seiten hinsichtlich des Förderns stets anzunehmen, weil das Fördern gegenüber dem Verleiten subsidiär ist. Der Täter ist also wegen einer vorsätzlich vollendeten Gefangenenbefreiung i. S. eines Förderns zu bestrafen. Ebenso ist auch ein Alternativenirrtum zwischen den Alternativen („dem Wild nachstellen“ und „es erlegen“) in § 292 Abs. 1 irrelevant: Der Täter will z. B. Wild aus dem Jagdrevier des anderen treiben, um es im eigenen Revier zu fangen, während einige Tiere – entgegen dem Plan – direkt durch seine Treibungshandlung im Revier des anderen getötet werden. Hier hat der Täter sich zwar die andere Tatsache (dem Wild nachzustellen) vorgestellt als die, die objektiv erfüllt wurde (die Erlegung). Daran scheitert die Annahme einer normativen Kongruenz bzw. die Zurechnung zum Vorsatz jedoch nicht. Geht man hier vom normativen Abstufungsverhältnis zwischen den Alternativen aus, ist eine normative Kongruenz bzw. die Zurechnung zum Vorsatz trotz des Mangels der tatsächlichen Kongruenz zu begründen, weshalb der Täter wegen eines vorsätzlichen Vollendungsdelikts des Nachstellens bestraft werden muss. Innerhalb des Bereichs der leichteren Alternative (hier: das Nachstellen) besteht – von normativem Unrechtsgehalt gesehen – eine für die Annahme eines vorsätzlichen vollendeten Delikts hinreichende Kongruenz zwischen dem objektiven und dem subjektiven Unrecht. Die Tatsache, dass der Täter den Tod der Tiere schon verursacht hat, ist nur im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. b) Kontradiktorisch gefasste Alternativen Da die kontradiktorisch gefassten Alternativen widersprechende Elemente enthalten und sich logisch zwangsläufig ausschließen, kann keine tatsächliche Kongruenz zwischen ihnen vorliegen. Jedoch wäre es vorschnell, deswegen die Zurechnung zum Vorsatz zu verneinen. Die Unbeachtlichkeit des Irrtums zeigt sich am deutlichsten dann, wenn die beiden kontradiktorisch gefassten Alternativen fast „unrechtsneutral“ sind, wie z. B. „im Inland oder im Ausland“146. Auch wenn die Alternativen nicht ganz unrechtsneutral sind, kann nur eine der beiden unrechtsrelevant sein, m. a. W., nur eine der beiden entgegengesetzten Alternativen kann unrechtsbegründenden Charakter besitzen. Deshalb stehen sie beide hinsichtlich des Unrechtsgehaltes doch in einem normativen Einschlussverhältnis zueinander147, weshalb ein Alternativenirrtum zwischen diesen Alternativen immer als irrelevant anzusehen ist. Der Alternativenirrtum des § 142 ist gerade dafür ein Paradebeispiel148. In § 142 Abs. 1 werden alle möglichen Angriffsformen, das SichentVgl. dazu o. 1. Teil B. II. 1. Beispiel: Der Täter, der ein Mitglied einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei ist, fährt mit dem Zug von Frankreich nach Deutschland und macht Propagandamittel durch seinen Laptop in Datenspeichern öffentlich zugänglich. Während der Zug zur Tatzeit noch in Frankreich ist, denkt der Täter, er sei schon in Deutschland. 147 Dazu vgl. o. 1. Teil B. II. 2. b) und c). 145 146

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

fernen bei Anwesenheit feststellungsbereiter Personen (Nr. 1) und bei Abwesenheit feststellungsbereiter Personen ohne Wartezeit (Nr. 2), aufgezählt. Wenn der Täter die Anwesenheit der feststellungsbreiten Person nicht bemerkt oder ihre Abwesenheit irrig annimmt, muss ihm mit der Verurteilung aus § 142 Abs. 1 Nr. 2 ein Vorwurf gemacht werden, weil Nr. 2 gegenüber Nr. 1 subsidiär ist und deshalb stets eine normative Kongruenz bzw. ein normatives Substrat für die Zurechnung der vollendeten Vorsatztat innerhalb der Nr. 2 anzunehmen ist149.

4. Ursachen ausdrückende Alternativen In der Gruppe der Ursachen ausdrückenden Alternativen hat der Gesetzgeber Ursachen bezüglich des bestimmten Erfolgs disjunktiv aufgezählt. Hier tritt der Alternativenirrtum zwischen diesen alternativ zusammengefassten Ursachen oft in der Form der Abweichung vom Kausalverlauf auf und lässt sich damit anhand der allgemeinen Regel, die bei Abweichungsfällen in der Literatur ausgearbeitet wird, lösen. Bei „normalen“ Abweichungsfällen deckt die normative Entscheidung des Täters gegen das Rechtsgut nicht nur den Kausalverlauf ab, den sich der Täter im Rahmen seiner subjektiven Gefahrendeutung vorgestellt hat; sie taugt als Fundament auch für andere vom Tatbestand erfasste Geschehensabläufe, die durch die Handlung des Täters ausgelöst werden und vom normativen Substrat abgedeckt sind, für dessen Verwirklichung sich der Täter entschieden hat150. Im Vergleich mit anderen Abweichungsfällen liegt die Besonderheit hier darin, dass die alternative Zusammenfassung der bestimmten Ursachen in derselben Gesetzesstelle stets ein normatives Substrat für die Bejahung der Zurechnung zum Vorsatz bilden kann. Es kommt also dem Gesetzgeber überwiegend auf den Erfolg und weniger auf die Art seiner Herbeiführung an, weshalb die Kausalverlaufsvorstellungen des Täters eine geringere Bedeutung hat als seine Erfolgsvorstellungen. Da der Gesetzgeber durch die alternative Zusammenfassung in derselben Gesetzesstelle die Gleichwertigkeit dieser Ursachen zum Ausdruck gebracht hat, kann der Alternativenirrtum der Zurechnung der vollendeten Vorsatztat nicht im Wege stehen. Beim Betrug (§ 263 I) 148 Beispiel: Der Unfallbeteiligte hat die Anwesenheit der am Straßenrand stehenden feststellungsbreiten Person wegen seiner Panik nicht bemerkt und irrtümlich geglaubt, dass niemand dieses Ereignis gesehen hat; um sich der Verantwortung zu entziehen, bewegt er sich sofort vom Unfallort weg, ohne irgendeine Information über seine Personalidentität zu hinterlassen. Oder umgekehrt: Am Unfallort ist nur ein der deutschen Sprache unkundiger Ausländer anwesend; der Unfallbeteiligte nimmt jedoch irrig an, er sei feststellungsbereit, und entfernt sich sofort vom Unfallort. 149 Im Ergebnis auch so: Mitsch, GS-Keller, 2003, S. 165 ff., 175 f.; Schroeder, GA 1979, S. 325; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; Maurach / Schroeder, BT / 1, 49 / 46. 150 Beispiel: Der Täter glaubt, das Opfer durch einen Schuss ins Herz zu töten; dies stirbt bei der lebensgefährlichen Notoperation oder an der Lähmung irgendwelcher durch den Täter schwerwiegend verletzter innerer Organe (Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 588).

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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werden z. B. die Tatmodalitäten auf folgende Weise vorgesehen: „durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält“151. Für die rechtliche Beurteilung der Tat ist es letztlich gleichgültig, als welche Variante ein täuschendes irreführendes Verhalten zu qualifizieren ist. Man braucht sich daher nicht auf einen der drei Unterbegriffe festzulegen152; wichtig ist ja nur, dass der Irrtum des Opfers durch eine der aufgezählten Modalitäten erregt oder unterhalten wird153, m. a. W., dass das vorsätzlich geschaffene Risiko (genauer: der Bedingungskomplex, der aus der Sicht des Täters die Gefahr konstituiert) den Schadensverlauf kausal erklärt. Fehlvorstellungen in Bezug auf die Art und Weise der Verwirklichung des erkannten Risikos sind insoweit ohne Belang. Darüber hinaus kann der „normale“ Alternativenirrtum, also derjenige, der nicht auf einer Abweichung vom Kausalverlauf beruht, auch in dieser Gruppe vorkommen, und zwar dann, wenn die Tatsache, durch die eine Ursache beschreibende Alternative erfüllt ist, zur Tatzeit bereits gegeben ist, der Täter sich jedoch darüber irrt. Ein Beispiel des § 179 Abs. 1 Nr. 1 mag das veranschaulichen: Der Täter glaubt, das Opfer sei wegen einer geistigen Krankheit zum Widerstand unfähig, und nimmt unter Ausnutzung dieses Zustandes sexuelle Handlung an dem Opfer vor, dessen Widerstandsunfähigkeit jedoch in Wirklichkeit aus einer seelischen Krankheit stammt154. Für die rechtliche Bewertung steht der Erfolg der Widerstandsunfähigkeit, nicht aber ihr Entstehungsgrund, im Vordergrund. Vom Schutzgut gesehen ist bei § 179 Abs. 1 völlig gleichgültig, auf welcher Ursache die Widerstandsunfähigkeit des Opfers beruht, solange die Ursache einer der aufgezählten Alternativen entspricht.

5. Kollektiv gefasste Alternativen a) Feststellung des normativen Substrats: gesetzliches Tatbestandsmerkmal Die Gruppe der kollektiv gefassten Alternativen muss nach wie vor der Brennpunkt in der Diskussion über die Problematik der Tatbestandsalternativen sein. Sieht man das Problem des Alternativenirrtums als eines der Zurechnung zum Vorsatz an, spielt die psychische Tatsache, dass sich der Täter die Verwirklichung der objektiv getroffenen Alternative nicht vorgestellt hat, keine Rolle; jedoch muss 151 Dieser Umschreibung der Tathandlung wird im Schrifttum oft direkt durch einen Oberbegriff – wie etwa „Täuschung über Tatsachen“ oder „Vorspiegeln von Tatsachen“ – ersetzt; s. o. 1. Teil B. Fn. 98 m. w. N. 152 Mitsch, BT / 2 – 1, 7 / 17 153 Tröndle / Fischer, StGB, § 263 Rn. 36. 154 Oder ein Beispiel in § 221 Abs. 1 a. F.: Der Täter hält das ausgesetzte Opfer wegen Alters für hilflos, während die Hilflosigkeit in Wahrheit auf einer Krankheit beruht; s. Nagler, in: LK-Reichs-StGB, 1944, § 59 II 3 A d, S. 486.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

man sich aus normativer Sicht155 entscheiden, ob die objektiv gegebenen Tatsachen dem bereits einwandfrei vorhandenen Vorsatz zuzurechnen sind, bzw. ob eine für die Zurechnung der vollendeten Vorsatztat hinreichende Kongruenz zwischen der objektiven und der subjektiven Seite gegeben ist. Solange beide Seiten gemeinsam ein normatives Substrat bilden, kann eine vollendete Vorsatztat trotz der Divergenz zwischen der Wirklichkeit und der Vorstellung bejaht werden. Ein solches normatives Substrat zu suchen, ist bei Tatbestandsalternativen viel leichter als bei anderen Abweichungsfällen, weil der Gesetzgeber dafür Hinweise im Gesetzestext hinterlassen hat156: Maßgebend ist, ob die Vorstellung in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Dies bedarf freilich einer näheren Erklärung. Mit dem Tatbestand hat der Gesetzgeber bestimmt, welche Voraussetzungen für die Annahme einer Straftat erfüllt sein müssen. Bei der Beschreibung der Straftat muss der Gesetzgeber die zu regelnden Tatsachen selbst konstituieren und auf Informationen, die er für uninteressant bzw. irrelevant hält, verzichten. Nach der Herausarbeitung des Tatbestandes wird auch festgelegt, welche Informationen bzw. Eigenschaften der konkreten Fälle relevant sein sollten und welche nicht157. Bezüglich der irrelevanten Eigenschaften fällt die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und der Vorstellung des Täters für die Annahme dieser Straftat überhaupt nicht ins Gewicht. Wenn dagegen sich die Diskrepanz auf eine im Tatbestand formulierte Eigenschaft bezieht, dann entscheiden über das Ob der Vorsatzzurechnung allein die nach dem Tatbestand für den Vorsatz notwendigen Vorstellungen158. Jeder einzelne Tatbestand stellt ein gesetzliches Kriterium für die Kongruenzforderung auf und damit eine Wortlautschranke gegen das Überspringen der Tatbestandsgrenzen159. Jedes gesetzliche Tatbestandsmerkmal bildet bezüglich einer bestimmten Dimension des Geschehens ein normatives Substrat für die dem Täter zuzurech155 Hier soll man freilich nicht von einer ganz naturalistischen Betrachtungsweise ausgehen, sondern von einer gerade das nach dem Tatbestand maßgebliche Substrat betreffende Beschränkung der Entscheidung (s. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 598). 156 Hingegen ist die Annahme der Kongruenz bei der Abweichung vom Kausalverlauf oder bei aberratio ictus deshalb viel schwieriger, weil die Abirrung sich nicht auf ein geschriebenes Tatbestandsmerkmal bezieht und man sich daher entscheiden muss, unter welchen Umständen sich ein normatives Substrat für die Zurechnung der vollendeten Vorsatztat begründen lässt. 157 s. näher dazu o. 1. Teil C. IV. 3. a). 158 Für das Ergebnis scheint die unterschiedliche Lokalisierung des Problems nicht von Belang zu sein, wenn es bei der Zurechnung zum Vorsatz – wie bei der Feststellung des Vorsatzes – auch nur auf gesetzliche Tatbestandsmerkmale ankommt, m. a. W., bei der Feststellung der Kongruenz keine anderen Forderungen aufgestellt würden als bei der Feststellung des Vorsatzes. Deshalb wäre es harmlos, wenn man der h. M. folgt und das Problem als eines des Vorsatzes behandelt. Abgesehen davon, dass die Problematik des Alternativenirrtums aufgrund der dogmatisch-systematischen Gründe nicht auf die Feststellung des Vorsatzes bezogen werden sollte, würde die h. M. zumindest dann scheitern, wenn dem Alternativenirrtum eine Abweichung vom Kausalverlauf oder aberratio ictus zugrunde liegt. 159 Insofern auch so: Puppe, in: NK-StGB, § 16 Rn. 136; dies., Vorsatz, 1992, S. 9

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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nende Vorsatztat. Es kommt beim Alternativenirrtum ausschließlich darauf an, ob die einschlägigen Alternativen zusammen ein (disjunktiv formuliertes) Tatbestandsmerkmal darstellen. Wenn sie zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden, hat der Gesetzgeber mit der disjunktiven Fassung eigentlich nur einen einzigen Begriff beschreiben wollen, weswegen der Alternativenirrtum genau so zu behandeln ist wie der Irrtum, der sich lediglich auf ein solches Tatbestandsmerkmal bezieht, das anhand eines einzigen Wortes formuliert wird. Danach müssen die Wirklichkeit und die Vorstellung des Täters lediglich innerhalb dieses disjunktiv gefassten Merkmals kongruent sein. Davon geht auch die h. M. aus, jedoch übersieht sie, dass es nicht um die Feststellung des Vorsatzes geht, sondern um eine normative Entscheidung über die subjektive Zurechnung.

b) Die These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich-systematische Einschränkung Die entscheidende Frage, ob jeder Alternative die Qualifikation des Tatbestandsmerkmals zukommt, muss der Rechtsanwender beantworten, und zwar nach Prinzipien, denen sich der Gesetzgeber unterwerfen muss160. Nach unserer These sollen die Tatbestandsalternativen dann ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal darstellen, wenn sie sich auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen, es sei denn, dass eine solche Annahme zu einem Wertungswiderspruch führen würde161. Durch die These der Formulierungseinheit lässt sich konstatieren, ob die Alternativen deshalb eingesetzt werden, weil das auszudrückende Merkmal wegen sprachlicher Schwierigkeiten nicht mit einem einzigen Ausdruck beschrieben werden konnte; durch die strafrechtlich-systematische Einschränkung dieser These, nämlich das Differenzierungsgebot, wird weiterhin festgestellt, ob der Gesetzgeber berechtigt ist, diese Alternativen gleich zu behandeln. Nur wenn einerseits die einschlägigen Alternativen sich in derselben Formulierungseinheit befinden und andererseits ihre Gleichbehandlung nicht zum Wertungswiderspruch führt, verkörpern diese Alternativen gemeinsam ein Merkmal, und zwar völlig unabhängig davon, ob sie aus Sicht des Rechtsanwenders gleichwertig sind. Es kommt also ausschließlich auf den Gesetzestext an, nicht aber auf die Wertung des Rechtsanwenders. Von daher unterscheidet sich die hier vertretene Meinung materiell 162 von den überwiegenden Lehrmeinungen.

160 Nämlich die sprachlichen Regeln und die verfassungsrechtlichen Grundsätze; vgl. näher dazu o. 1. Teil C. IV. 4, 10, VI. 2. sowie VIII. 161 Vgl. näher dazu 1. Teil C. V. und VI. 162 Nämlich nicht nur bei der Lokalisierung des Problems, sondern auch bei dem materiellen Inhalt des Kriteriums.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

c) Ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal Wenn die einschlägigen Alternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden, sind die subjektiven und die objektiven Tatsachen innerhalb dieses Merkmals auch beim Alternativenirrtum kongruent, weshalb ein normatives Substrat für die Strafbarkeit wegen eines vorsätzlichen Vollendungsdelikts in jedem Fall vorliegt. In diesem Fall ist der Alternativenirrtum genau so zu behandeln wie jener Irrtum, der sich lediglich auf ein Tatbestandsmerkmal bezieht, das mit einem einzigen Wort formuliert wird. Die Alternativen des § 123 Abs. 1 bieten ein Schulbeispiel für die Unbeachtlichkeit des Alternativenirrtums. Da diese Alternativen sich auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen, ist ein Alternativenirrtum zwischen diesen stets irrelevant163. Wer den Körperteil eines verstorbenen Menschen irrtümlich für dessen Asche hält und ihn unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten wegnimmt, ist für eine vollendete Vorsatztat des § 168 Abs. 1 trotz des Alternativenirrtums zu bestrafen. Da Nr. 1 – 4 des § 326 Abs. 1 der Beschreibung derselben Formulierungseinheit (Eigenschaften des tatbestandsmäßigen Objekts) dienen, stellen diese Alternativen zusammen ein Merkmal dar. Folglich ist der Irrtum darüber, welcher Unterart die Emission angehört, unbeachtlich. Danach hat sich auch derjenige Lkw-Fahrer wegen einer vollendeten Vorsatztat des § 326 Abs. 1 strafbar gemacht, der im Auftrag eines Unternehmens Abfälle auf eine nicht zulässige Weise beseitigt und davon ausgeht, dass es sich um gifthaltige Abfälle handele, während sie in Wahrheit Erreger einer gemeingefährlichen und übertragbaren Krankheit enthalten. Ebenso hat sich strafbar gemacht, wer glaubt, er fahre explosionsgefährliche Abfälle, während diese tatsächlich geeignet sind, den Boden oder ein Gewässer zu verändern164. Man könnte natürlich noch sehr viel mehr Beispiele anführen. Soweit die einschlägigen Alternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden, steht die Divergenz zwischen der Wirklichkeit und der Vorstellung des Täters der Zurechnung der vollendeten Vorsatztat nicht im Wege. Der Irrtum ist hier also lediglich als ein unbeachtlicher Motivirrtum – wie beim gleichwertigen Objektsirrtum (error in objecto) – zu behandeln.

163 Beispiel: Der Täter verkennt, dass er in eine Wohnung statt in einen Geschäftsraum (i. S. v. § 123) eindringt. Nach der Gleichwertigkeitsthese oder der Vollständigkeitsthese gelangt man zu demselben Ergebnis, freilich mit einer anderen Begründung, dass die beiden Tatbestandsalternativen im Kontext des Tatbestandes gleichwertig seien, oder dass sie nur Auffächerung eines einheitlichen Schutzgegenstandes, nämlich „abgeschlossene Räume unter fremdem Hausrecht“ seien (Rudolphi, in: SK-StGB, § 16 Rn. 28d; Joecks, StGB, § 16 Rn. 19; Roxin, AT / 1, 12 / 123; Kühl, AT, 13 / 16a; Kindhäuser, AT, 27 / 34; Warda, FS-Stree / Wessels, S. 282; a.A. Schlehofer, Vorsatz, 1996, S. 171 ff. 164 Beispiele nach Schittenhelm, GA 1983, S. 313. Im Ergebnis auch so J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 169; a.A. Schittenhelm, a. a. O., S. 316 f.; Schroth, Irrtum, 1998, S. 68.

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

249

d) Mehrere selbstständige Tatbestandsmerkmale Wenn die Alternativen dagegen mehrere selbstständige Tatbestandsmerkmale darstellen, muss die alternativ gefasste Vorschrift als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände begriffen werden. Da die äußerste Grenze der Kongruenz durch den Begriff des Tatbestandes bereits gezogen wird, ist es unmöglich, dass das objektive Unrecht des einen Tatbestandes mit dem subjektiven Unrecht des anderen Tatbestandes zusammen eine vollendete Vorsatztat bilden kann, ohne dass der Begriff des Tatbestandes seine Bedeutung verlieren würde. Denn mehrere Tatbestände bedeuten eben mehrere Straftattypen. Eine Zusammensetzung eines Delikts aus objektivem Tatbestand des einen und subjektivem Tatbestand des anderen würde die Wortlautgrenze des Gesetzes eindeutig überschreiten165. Erfüllt der Täter objektiv ein bestimmtes Delikt, während er sich subjektiv ein anderes vorstellt, ist die Strafbarkeit wegen einer vollendeten Vorsatztat ausgeschlossen, auch wenn man die disjunktive Definition anerkennt. Daran könnte auch nichts ändern, dass beide Tatbestände ähnliche Rechtsgüter schützen, oder dass sogar eine Wahlfeststellung zwischen ihnen zulässig ist. Dies lässt sich dort deutlich ersehen, wo es um mehrere Paragrafen geht. Das objektive Unrecht der Hehlerei kann z. B. nicht mit einem Vorsatz des Diebstahls zusammen eine vollendete Vorsatztat begründen166, obwohl eine Wahlfeststellung zwischen den beiden Deliktstypen von jeher zulässig ist. Davon, dass das objektive Unrecht (bezüglich der Hehlerei) als Werk des Vorsatzes (bezüglich des Diebstahls) anzusehen ist, kann nicht die Rede sein. Das Gleiche muss auch dann gelten, wenn mehrere selbstständige Tatbestände in derselben Strafvorschrift alternativ geregelt sind. Unserer These nach ist eine alternativ gefasste Vorschrift dann als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände anzusehen, wenn (1) jede Alternative bereits mehrere Formulierungseinheiten enthält, (2) die einschlägigen Alternativen jeweils unterschiedliche Formulierungseinheiten darstellen, oder (3) sie sich zwar auf dieselbe Formulierungseinheit beziehen, aber zur Vermeidung des Wertungswiderspruchs nicht als ein Merkmal behandelt werden können167. Für die letzte Fallgruppe stellen die Katalogtaten des § 138 (Nichtanzeige geplanter Straftaten) ein Paradebeispiel dar. Sie befinden sich zwar in derselben Formulierungseinheit, können jedoch nicht als ein Merkmal behandelt werden, weil sie einerseits außerhalb § 138 unterschiedlich zu bewertende Güter darstellen und andererseits die Angriffsrichtung des § 138 bestimmen168. So gehören z. B. Raub und Totschlag zu 165 So schon NK-Puppe, § 16 Rn. 88, 136; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11 (allerdings nur in Bezug auf die alternativen Paragrafen). 166 Beispiel: A verkauft B ein angeblich gestohlenes Auto und gibt ihm den Autoschlüssel, während A den Schlüssel nur nachgemacht hat und das Auto noch im Gewahrsam des echten Eigentümers steht. B ist nur wegen der versuchten Hehlerei zu bestrafen, wenn er das Auto in der Meinung abholt, es werde von A geklaut und stehe im Gewahrsam des A. In diesem Fall kann das objektive Unrecht des Diebstahls nicht dem Vorsatz der Hehlerei zugerechnet werden. 167 Vgl. näher o. 1. Teil C. V. und VI.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

diesen Katalogtaten, verletzen jedoch unterschiedliche Rechtsgüter, nämlich Eigentum und Freiheit einerseits sowie Leben andererseits. Die Verschiedenheit dieser Güter hat der Gesetzgeber durch die Schaffung der Tatbestände des Raubs (§ 249) und des Totschlags (§ 212) zum Ausdruck gebracht. Solange diese Alternativen die Angriffsrichtung des § 138 bestimmen, können sie nicht als eine Einheit bzw. ein Merkmal behandelt werden, ohne einen Wertungswiderspruch zu erzeugen. Demzufolge enthält § 138 Abs. 1 mehrere Tatbestände. Da die Alternativen zu unterschiedlichen Tatbeständen gehören und nicht zusammen ein normatives Substrat bilden können, steht der Alternativenirrtum zwischen diesen alternativ zusammengefassten Katalogtaten169 der Strafbarkeit wegen einer vollendeten Vorsatztat stets im Wege. Das Gleiche gilt auch für die Alternativen des tatbestandlichen Erfolgs in § 315c Abs. 1, die Gefährdung für „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert“. Da sie die Angriffsrichtung des § 315c zumindest teilweise bestimmen, ist der Alternativenirrtum in Schroeders Beispiel, in dem die konkrete Gefahr für das Menschenleben eintritt, der – den Menschen für eine wertvolle Statue haltenden – Täter aber eine Gefahr für einen bedeutenden Sachwert annimmt, stets relevant170. Letztlich ist noch eine formale Kleinigkeit anzusprechen. Unbestritten ist, dass eine Idealkonkurrenz zwischen Versuch (bezüglich der vorgestellten Alternative) und Fahrlässigkeit (bezüglich der objektiv verwirklichten Alternative) vorliegt, wenn der Alternativenirrtum relevant ist. Diese Idealkonkurrenz ist nach der hier vertretenen These aber keine gleichartige, sondern eine ungleichartige171. Denn es geht stets um mehrere unterschiedliche Tatbestände, wenn die Zurechnung zum Vorsatz deshalb verneint wird, weil die einschlägigen Alternativen mehrere unterschiedliche Tatbestandsmerkmale darstellen. Daraus ergibt sich, dass der Alternativenirrtum, der nicht einer Abweichung vom Kausalverlauf oder aberratio ictus zugrunde liegt, entweder irrelevant ist oder zur ungleichartigen Idealkonkurrenz zwischen einem Versuch und einem Fahrlässigkeitsdelikt führt. Eine gleichartige Idealkonkurrenz kann dagegen nur dann vorkommen, wenn der Irrtum zwischen denjenigen Alternativen, die ein Tatbestandsmerkmal darstellen, auf einer Abweichung vom Kausalverlauf oder aberratio ictus beruht und die Zurechnung zum Vorsatz wegen der Abirrung zu verneinen ist.

So die h. M.; vgl. die Zusammenfassung in o. 1. Teil C. Fn. 232. Beispiel: Ein Hausmeister H hat beim Putzen zufällig erfahren, dass der Bewohner B vorhat, eine Straftat gegen seinen Vermieter V zu begehen. Während H irrtümlich annimmt, B wolle V seiner Antiquität berauben, geht das Vorhaben tatsächlich um einen Totschlag. Da H sich oft über V und seine überall herumliegenden Zigarettenstummel geärgert hat, zeigt er B weder bei der Behörde noch bei V an, um V einen Denkzettel zu verpassen. 170 Im Ergebnis auch so: Jakobs, AT, 8 / 43 Fn. 92; NK-Puppe, § 16 Rn. 135; Schroth, Irrtum, 1998, S. 68; Schönke / Schröder / Cramer / Sternberg-Lieben, StGB, § 16 Rn. 11; dagegen Schroeder, GA 1979, S. 325; J. Fischer, Irrtum, 2000, S. 147, 158, 168, 172; Rolofs, JA 2003, S. 310. 171 Vgl. auch o. 2. Teil A. III. 3. 168 169

C. Irrtum über Tatbestandsalternativen

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IV. Zusammenfassung Da sich das Unrecht einer vollendeten Vorsatztat nicht in der Addition des objektiven Unrechts mit einem Vorsatz erschöpft und es einen bestimmten Zusammenhang zwischen den beiden geben muss, braucht man eine zusätzliche Prüfungsstation, um festzustellen, ob ein solcher bestimmter Zusammenhang (Kongruenz) gegeben ist. Bei dieser Kongruenzprüfung geht es m. a. W. darum, ob die (in naturalistischer Sicht) nicht genau zueinander passenden objektiven und subjektiven Teilstücke sich zu einer vollendeten Straftat und damit zu einem vom Gesetz als besonders unwertig angesehenen Geschehnis – nämlich zu einer vollendeten Vorsatztat – verbinden lassen172. Obwohl bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Problemstellung bei den Abweichungsfällen von verschiedenen Autoren exakt unter der Rubrik der „Zurechnung des Geschehens zum Dolus (od. zur Culpa)“ eingeordnet worden ist173, harrt – so Roxin – die Figur der subjektiven Zurechnung bzw. der Zurechnung zum Vorsatz bis dato immer noch der Anerkennung, weil „der Wissenschaft die Notwendigkeit einer von der Irrtumslehre unabhängigen objektiven Zurechnung zum Vorsatz überhaupt noch nicht bewusst geworden ist“174. Der Alternativenirrtum ist richtigerweise auch auf dieser Prüfungsebene zu behandeln. Es geht beim Alternativenirrtum – wie bei der Abweichung vom Kausalverlauf oder aberratio ictus – nicht um die Feststellung des Vorsatzes, der zur Tatzeit schon eindeutig vorliegt. Vielmehr betrifft der Alternativenirrtum ausschließlich die normative Frage, ob und inwieweit das objektive Unrecht bezüglich der einen Alternative zu jenem Vorsatz, der sich auf die andere Alternative bezieht, zuzurechnen ist. Angesicht der Vielfältigkeit der Tatbestandsalternativen muss man bei der Feststellung der Rechtsfolge des Alternativenirrtums unausweichlich auf ein einheitliches Ergebnis (die generelle Un- bzw. Beachtlichkeit des Irrtums) verzichten. Bei tautologisch gefassten Alternativen ist der Alternativenirrtum gar nicht vorstellbar; bei denjenigen Alternativen, die in einem semantischen oder normativen Einschlussverhältnis zueinander stehen, lässt sich die Unbeachtlichkeit des Irrtums mühelos begründen. Nur bei kollektiv gefassten Alternativen ist die Bejahung bzw. Verneinung der Zurechnung des Vorsatzes etwas komplizierter. Ob eine hinreichende Kongruenz für die Begründung der vollendeten Vorsatztat vorliegt, hängt davon ab, ob die einschlägigen Alternativen ein Tatbestandsmerkmal darstellen. Wenn dies zutrifft, dann ist der Alternativenirrtum genauso zu behandeln wie derjenige Irrtum, der nur jenes Tatbestandsmerkmal betrifft, das durch ein Wort beschrieben wird. Innerhalb eines disjunktiv formulierten Tatbestandsmerkmals ist die Divergenz zwischen der Wirklichkeit und der Vorstellung stets irrelevant. Die hier verfochtene These unterscheidet sich von h. M. nicht nur durch die abweichende Loka172 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, 1988, S. 581 571 ff., 585 ff.; ders., GS-Armin Kaufmann, S. 333 f. 173 s. Burkhardt, in: Strafrechtsdogmatik, 2000, S. 141 m. w. N. 174 Roxin, AT / 1, 12 / 148.

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2. Teil: Einzelne Problemfelder

lisierung des Problems, sondern auch bezüglich des Kriteriums für die Qualifikation des Tatbestandsmerkmals: Auf die Schlüsselfrage, ob die einschlägigen Alternativen zusammen als ein Tatbestandsmerkmal oder als mehrere anzusehen sind, muss man ausschließlich auf der Basis des geschriebenen Gesetzestextes antworten.

Schlussbetrachtung Vielen strafrechtlichen Institutionen liegt der Begriff des Tatbestandes zugrunde. Die Frage, ob das betroffene Strafgesetz einen einzigen Tatbestand oder mehrere enthält, lässt sich normalerweise einfach beantworten und wird nur bei den alternativ gefassten Strafvorschriften problematisch1. Dies stellt gerade die Besonderheit der alternativ gefassten Strafvorschriften dar. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit drei Hauptproblemen von Tatbestandsalternativen, in denen sich diese Besonderheit deutlich zeigt: Bezüglich der Wahlfeststellung kann die umstrittene Frage, ob die normative Vergleichbarkeit auch zu den gemeinsamen Voraussetzungen für gleichartige und ungleichartige Wahlfeststellung gehört, nur dort einen Sinn machen, wo es Tatbestandsalternativen angeht2. In Bezug auf das Zusammentreffen mehrerer Alternativen lässt sich die Frage nicht einfach beantworten, ob – falls eine Idealkonkurrenz anzunehmen ist – diese eine gleichartige oder eine ungleichartige sein soll. Darüber hinaus ist der Tatsachenirrtum bei Tatbestandsalternativen anders als andere „normale“ Tatbestandsirrtümer geartet. Entgegen der h. M. ist der Alternativenirrtum kein Tatbestandsirrtum i. S. v. § 16 Abs. 1. Denn der sich im Alternativenirrtum befindende Täter handelt ohne Zweifel vorsätzlich. Fraglich ist nur, ob das objektive Unrecht bezüglich der einen Alternative zu dem bereits einwandfrei vorhandenen Vorsatz bezüglich der anderen zuzurechnen ist (Zurechnung zum Vorsatz). Es kommt also – anders als bei der Feststellung des Vorsatzes – nicht auf die psychische Kenntnis an; man muss sich dagegen aus normativer Sicht entscheiden, ob eine für die Zurechnung einer vollendeten Vorsatztat hinreichende Kongruenz zwischen dem objektiven Unrecht und dem Vorsatz zu begründen ist3. In dieser Arbeit wird versucht, diese Probleme dogmatisch konsequent zu lösen. Da all diese Probleme um die gleiche Kernfrage kreisen, darf man die Verträglich1 Dies hängt wiederum mit der Frage zusammen, ob jeder Tatbestandsalternative die Qualifikation des Tatbestandsmerkmales zukommt. Wenn jede Tatbestandsalternative ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal verkörpert, dann muss man entsprechend auch mehrere Tatbestände innerhalb derselben Vorschrift annehmen. Denn jede Tatbestandsalternative bildet dabei jeweils mit den übrigen, für sie alle geltenden Tatbestandsmerkmalen einen eigenständigen Tatbestand. Damit soll diese Gesetzesstelle (Strafvorschrift) als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände angesehen werden. Sollen dagegen all die Tatbestandsalternativen zusammen als ein (disjunktiv formuliertes) Tatbestandsmerkmal angesehen werden, dann bilden sie zwangsläufig mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen einen (alternativ gefassten) Tatbestand; vgl. dazu näher 1. Teil C. I. und II. 2 2. Teil B II. 2. b) bb) und cc). 3 2. Teil C. III. 1.

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Schlussbetrachtung

keit der einzelnen Lösungsergebnisse bezüglich der Qualifikation des Tatbestandsmerkmals nicht aus den Augen lassen4. Im Folgenden werden die Forschungsergebnisse dieser Untersuchung kurz zusammengefasst. (1) Notwendigkeit der Einteilung der Tatbestandsalternativen. Jeder einheitliche Lösungsvorschlag scheitert unabwendbar an der Vielgestaltigkeit der Tatbestandsalternativen; z. B. die Gleichwertigkeitsthese, ein weit verbreiteter einheitlicher Lösungsansatz, kommt zumindest nicht zurecht mit denjenigen Alternativen, die Unrechtsabstufungen darstellen und auf keinen Fall als gleichwertig bewertet werden können. Angesichts der vielfältigen Gestalt der Tatbestandsalternativen ist demzufolge eine sorgfältige Gruppierung unentbehrlich. Man muss also die unterschiedlichen Gruppen der Tatbestandsalternativen jeweils gesondert behandeln. Dadurch lassen sich die Probleme der Konkurrenz, des non liquet und des Irrtums bei Tatbestandsalternativen in gewissem Maße (jedoch nicht ganz) lösen. (2) Semantische Einteilung. Nach der semantischen Struktur gliedern sich die Tatbestandsalternativen in zwei Grundabteilungen, je nachdem, ob die Alternativen semantisch in einem Einschlussverhältnis zueinander stehen oder nicht. Während die erste Grundgruppe noch in drei Untergruppen (die tautologisch gefassten, die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Tatbestandsalternativen sowie die beispielhaften Umschreibungen) einzuteilen sind, besteht die zweite Gruppe aus vier Untergruppen, nämlich aus den qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden, den kontradiktorisch gefassten, den Ursache ausdrückenden sowie den kollektiv gefassten Alternativen. Die beispielhaften Umschreibungen einerseits und die kollektiv gefassten Alternativen andererseits stellen jeweils in ihrer Gruppe die „Auffangabteilung“ dar und umfassen alle Fälle, die keinen anderen Typen entsprechen. Um bei der Zusammenfassung gleichzeitig prüfen zu können, ob einzelne Ergebnisse miteinander vereinbar sind bzw. ob einzelne Probleme bei unterschiedlichen Gruppen konsequent gelöst werden, scheint es sinnvoll zu sein, später von der eigentlichen Reihe der Kapitel abzuweichen und stattdessen horizontal alle einzelnen Probleme nach der obigen Einteilung der Tatbestandsalternativen5 durchzugehen. (3) Unproblematische Fälle: i) Im Einschlussverhältnis stehende Tatbestandsalternativen. Zunächst kann man die tautologisch gefassten Alternativen aus der Diskussion ausscheiden, weil die oben erwähnten Probleme bei ihnen gar nicht auftauchen. Da diese Alternativen intensional identisch sind, können die Konstellation des non liquet und des Irrtums auf keinen Fall entstehen. Diese Alternativen treffen ferner zwangsläufig 4 In der Literatur werden diese Probleme dagegen meistens gesondert behandelt. Dabei besteht die Gefahr, dass man in verschiedenen Problemfeldern zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, die bezüglich der Qualifikation des Tatbestandsmerkmals miteinander unvereinbar sind. Durch die Vorgehensweise dieser Arbeit lässt sich eine solche Gefahr vermeiden. 5 1. Teil B. I. und II.

Schlussbetrachtung

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zusammen, ihr Zusammentreffen verursacht aber kein konkurrenzrechtliches Problem: Die einfache Tatbestandsverwirklichung (Handlungseinheit i. S. von einmaliger Tatbestandsverwirklichung) ist stets anzunehmen6. Nicht nur bei den tautologisch gefassten Alternativen, sondern allgemein bei denjenigen Alternativen, die im Einschlussverhältnis zueinander stehen, lassen sich die Probleme des Konkurrenzverhältnisses, des non liquet und des Irrtums leicht erledigen. Das Einschlussverhältnis kann ein semantisches (wie etwa die quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden Alternativen und die beispielhaften Umschreibungen) oder ein normatives (wie etwa die qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückenden und die kontradiktorisch gefassten Alternativen) sein. Bei Zusammentreffen dieser Alternativen stellt ihr konkurrenzrechtliches Verhältnis eine Parallele zur Spezialität bzw. Subsidiarität der Gesetzeseinheit dar. Man darf nur eine einfache Tatbestandsverwirklichung bezüglich der einschließenden Alternative annehmen, sonst würde die Tatsache, durch die die eingeschlossene Alternative erfüllt ist, mehrmals bewertet7. Im Strafprozess ist eine Verurteilung bezüglich der eingeschlossenen Alternative trotz des non liquet zwischen diesen Alternativen stets zulässig. Zwischen denjenigen Tatbestandsalternativen, die zueinander im Einschlussverhältnis stehen, kann also nur die einseitige Tatsachenungewissheit entstehen: Während bei den im semantischen Einschlussverhältnis stehenden Alternativen ein begriffslogisches Stufenverhältnis vorliegt, ist bei den im normativen Einschlussverhältnis stehenden Alternativen ein normatives Stufenverhältnis anzunehmen. Da man die Erfüllung der einschließenden Alternative nicht zweifelsfrei feststellen kann, ist der Täter unter der Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo nur gemäß der eingeschlossenen Alternative zu verurteilen8. Letztlich steht der Alternativenirrtum über diese Alternativen der Begründung der vollendeten Vorsatztat auch nicht im Wege. Nicht nur liegt bei den im semantischen Einschlussverhältnis stehenden Alternativen eine tatsächliche Kongruenz innerhalb der eingeschlossenen Alternative immer vor; es kann auch eine hinreichende normative Kongruenz bezüglich der normativ eingeschlossenen Alternative ohne weiteres angenommen werden, weshalb die Begründung einer vollendeten Vorsatztat vom Tatsachenirrtum unberührt bleibt9. ii) Ursachen darstellende Tatbestandsalternativen. Der Grund für ihren Einsatz liegt in der sprachlichen Schwierigkeit: Der Gesetzgeber hält die Extension eines Merkmals zwar für zu breit, kann aber keinen einzigen Ausdruck finden, dessen Extension mit dem vom Gesetzgeber vorgestellten strafbaren Umfang ganz genau deckungsgleich ist. Um es einzuschränken, werden Alternativen als solche dem Tatbestand hinzugefügt. Deshalb sollen sie und der mit ihnen verbundene Begriff stets zusammen als eine Einheit angesehen werden, wobei der Schwerpunkt der 6 7 8 9

1. Teil B. I. 1.; 2. Teil A. II. 1., B. II. 1., C. III. 2. b). 2. Teil A. I. 1. 2. sowie II. 1., 2. a), b). 2. Teil B. II. 1. a), b) aa) und bb). 2. Teil C. III. 2. sowie 3.

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Schlussbetrachtung

Unrechtszurechnung in dem von Alternativen (bestimmte Ursachen) beschränkten Begriff (Erfolg) besteht10. Damit muss man bei ihrem Zusammentreffen immer eine einmalige Tatbestandsverwirklichung annehmen. Da diese Ursachen – im Vergleich zum Erfolg – lediglich eine sekundäre Rolle spielen, ist für die Strafbemessung nur der gesamte Unrechtsgehalt der Tat maßgeblich, der durch das Zusammentreffen mehrerer Alternativen nicht zwangsläufig erhöht wird11. Ferner ist eine Verurteilung bei einem non liquet zwischen diesen Alternativen stets zulässig12, weil die Alternativen mit dem beschränkten Begriff zusammen eine Einheit bilden und die im Gesetzestext ausgedrückte Forderung des Beweises13 auch beim non liquet erfüllt wird. Schließlich steht auch der Alternativenirrtum hier der Zurechnung der vollendeten Vorsatztat nicht im Wege, weil die alternative Zusammenfassung der bestimmten Ursachen ein normatives Substrat für die Bejahung der Zurechnung zum Vorsatz sein kann. Es kommt also dem Gesetzgeber überwiegend auf den Erfolg und weniger auf die Art seiner Herbeiführung an. Damit wird den Kausalverlaufsvorstellungen des Täters geringere Bedeutung beigemessen als seinen Erfolgsvorstellungen. (4) Brennpunkt – Kollektiv gefasste Alternativen. Im Gegensatz zu obigen Gruppen lassen sich die Probleme der Rechtsanwendung bei den kollektiv gefassten Tatbestandsalternativen nicht einheitlich lösen. Hier ist die alternativ gefasste Strafvorschrift mal als ein Tatbestand zu behandeln, mal als eine Zusammenfassung mehrerer Tatbestände zu begreifen, je nachdem, ob die einschlägigen Tatbestandsalternativen zusammen eine Einheit bzw. ein Tatbestandsmerkmal bilden oder nicht: Stellen die kollektiv gefassten Alternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal dar, dann liegt bei ihrem Zusammentreffen durch eine Handlung nur eine einfache bzw. einmalige Tatbestandsverwirklichung vor14. Beim non liquet ist dementsprechend eine gleichartige Wahlfeststellung anzunehmen, die von jeher zulässig ist15. Schließlich ist eine vollendete Vorsatztat beim Alternativenirrtum stets zu begründen, weil die objektive und die subjektive Seite – nach dem Hinweis des Gesetzgebers – gemeinsam ein normatives Substrat für die vollendete Vorsatztat erschaffen16. Kommt aber dagegen jeder kollektiv gefassten Alternative die Qualifikation 1. Teil B. II. 3. 2. Teil A. II. 2. c). 12 In der Form der gleichartigen Wahlfeststellung; s. 2. Teil B. II. 1. b) cc). 13 Nämlich: Der Erfolg muss erstens eintreten und zweitens von den aufgezählten Alternativen verursacht werden. 14 2. Teil A. I. 2., III. 3. b). 15 2. Teil B. II. 2. c) aa). 16 Da der Gesetzgeber seinen Hinweis im Gesetzestext hinterlässt, kommt es hier ausschließlich darauf an, ob die Vorstellung in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Danach ist der Irrtum über diejenigen Alternativen, die zusammen ein Merkmal darstellen, genau so zu behandeln wie derjenige Irrtum, der nur dasjenige Tatbestandsmerkmal betrifft, das durch ein Wort beschrieben wird. Innerhalb eines disjunktiv 10 11

Schlussbetrachtung

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des Tatbestandsmerkmals zu, dann liegen bei ihrem Zusammentreffen durch eine Handlung mehrere Tatbestandsverwirklichungen vor, wobei die Frage, ob eine Gesetzeseinheit (i. S. v. Konsumtion) oder eine (ungleichartige) Idealkonkurrenz anzunehmen ist, von allgemeinen konkurrenzrechtlichen Regeln abhängt17. Beim non liquet ist dementsprechend eine ungleichartige Wahlfeststellung anzunehmen, weswegen die normative Vergleichbarkeit geprüft werden muss18. Die Kongruenz für die vollendete Vorsatztat ist beim Alternativenirrtum stets zu verneinen, weil ein vollendet-vorsätzliches Delikt nicht aus Teilelementen unterschiedlicher Tatbestände bestehen kann19. Man kann zwar den abstrakten Grundsatz als solchen eindeutig aufstellen; Schwierigkeiten entstehen aber gerade bei der Antwort auf die Kernfrage, ob die einschlägigen Tatbestandsalternativen ein einziges Tatbestandsmerkmal oder mehrerer Tatbestandsmerkmale darstellen. Dort ist der Hauptkriegsschauplatz. (5) Richtige Fragestellung. Die Lehrmeinungen kreisen stets um die Frage, ob einschlägige Alternativen als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen sind. Wenn man aber den Begriff des Tatbestandsmerkmals genau definieren kann, dann muss die richtige Fragestellung so lauten, ob ein Tatbestandsmerkmal alternativ bzw. disjunktiv formuliert wird20. Diese Umstellung des Gedankengangs spielt in dieser Untersuchung die entscheidende Rolle und stellt den Ausgangspunkt der These der Formulierungseinheit dar. Dies ist die Frage, die ausschließlich im Zusammenhang mit Tatbestandsalternativen auftaucht, oder genauer gesagt, die man nur hier exakt beantworten muss. Bei der Annahme des Tatbestandsmerkmals handelt es sich darum, wie man den Tatbestand sinnvollerweise segmentieren soll. (6) Gesetzestext als Ausgangspunkt. Sicher ist allerdings, dass der Gesetzestext bei der Zerlegung eines Tatbestandes stets der notwendige Ausgangspunkt ist. Dies hat seinen verfassungsrechtlichen Grund. Art. 103 Abs. 2 GG stellt sicher, dass ausschließlich der Gesetzgeber imstande und befugt ist, sowohl über die Strafbarkeit einer Handlung als auch über die Ausgestaltungsform des Tatbestandes zu entscheiden. Wenn der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal alternativ bzw. disjunktiv formuliert, darf der Rechtsanwender dieses Tatbestandsmerkmal bei der Ausformulierten Tatbestandsmerkmals ist m. a. W. die Divergenz zwischen der Wirklichkeit und der Vorstellung stets irrelevant. Vgl. 2. Teil C. III. 5. a) sowie c). 17 2. Teil A. III. 3. a). 18 Die Vergleichbarkeit kann sich aber aus der Zusammenfassung der Alternativen in derselben Gesetzesstelle ergeben. Es handelt sich hier also um eine Umkehrung der Argumentationslast: Da die legislative Zusammenfassung mehrerer Alternativen eine Entscheidung des Gesetzgebers für eine enge Unrechtsverwandtschaft darstellt, sollte die ungleichartige Wahlfeststellung zwischen Alternativen als grundsätzlich zulässig qualifiziert werden; es sei denn, dass der Rechtsanwender erfolgreich argumentieren kann, warum eine solche im Gesetzesbuch zum Ausdruck gebrachte Unrechtsverwandtschaft für die Bejahung der Vergleichbarkeit der Wahlfeststellung nicht genügend ist. Vgl. dazu 2. Teil B. 2. c) cc). 19 2. Teil C. III. 5. d). 20 1. Teil C. IV. 1. 17 Tsai

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Schlussbetrachtung

legung bzw. Anwendung nicht als mehrere Merkmale behandeln, es sei denn, dass dies zum Wertungswiderspruch führen würde (s. u. 8 sowie 9). Es darf also nicht darauf ankommen, ob der Rechtsanwender das Gesetz für richtig gestaltet hält oder nicht. Würde die rechtliche Qualifikation der Alternativen von der Gleichwertigkeit bzw. der qualitativen Vergleichbarkeit abhängen, dann stünde es im Belieben des Gesetzesanwenders, ob die einschlägigen Tatbestandsalternativen als ein oder als mehrere Tatbestandsmerkmale anzusehen sind; es könnte also somit vorkommen, dass der Rechtsanwender einen vom Gesetzgeber geschaffenen Tatbestand in mehrere Tatbestände zerlegt21. Damit würde die Grenze der Gewaltenteilung überschritten werden, ganz zu schweigen davon, dass die Vagheit des maßgebenden Kriteriums noch nicht beseitigt wird22. Jeder Lösungsvorschlag soll auf den ausdrücklichen Gesetzestext beruhen. Auf dieser Basis entfaltet sich die These der Formulierungseinheit als die erste Prüfungsstufe. (7) Die erste Grenze – These der Formulierungseinheit i) Tatbestandsmerkmal. Jedes Tatbestandsmerkmal verkörpert eine sinntragende Einheit des Tatbestandes, die eine relativ selbstständige Bedeutung hat. Im Kontext der Problematik der Tatbestandsalternativen ist nach derjenigen Einheit zu suchen, die sich bei der Fassung des Tatbestandes eigens, relativ selbstständig – nämlich relativ unabhängig von restlichen Teilen desselben Satzes – formulieren und betrachten lässt (Formulierungseinheit)23. Danach besteht jeder Tatbestand aus mehreren sprachlichen Formulierungseinheiten, die gleichzeitig auch das Kriterium der Einzelsubsumtion darstellen24. Nur der Gesetzgeber ist kompetent, zu entscheiden, wie jede Einheit beschrieben werden soll. Die Auswahl der Ausdrucksweisen steht ausschließlich der Gestaltungsfreiheit des Strafgesetzgebers zu. Entscheidet er sich bei der Fassung einer Formulierungseinheit für eine alternativ gefasste Wortgruppe25 und damit gegen die Verwendung eines einzigen Ausdrucks, soll diese Vorschrift trotz des Einsatzes der alternativen Beschreibungsweise nicht in mehrere Tatbestände gespalten werden. Die Ganzheit dieser Straftat ist bei der alternativen Fassung unberührt geblieben; eine alternativ gefasste Formulierungseinheit ist 21 Man könnte freilich einen speziellen Begriff des Tatbestandsmerkmals, der vom allgemeinen Verständnis des Tatbestandsmerkmals abweicht, nur um der Tatbestandsalternativen willen erfinden. Danach könnten Alternativen immer dann als ein solches „Tatbestandsmerkmal“ angesehen werden, wenn sie „gleichwertig“ sind, ohne darüber nachzudenken, ob die einzelne Alternative bereits mehrere unterschiedliche Tatbestandsmerkmale nach dem allgemeinen Verständnis enthält oder nicht. Damit würde aber der Begriff des Tatbestandsmerkmals seine Bedeutung verlieren; ein solcher Ansatz ist m. a. W. nichts weiter als ein Manöver, mit dem man einen intuitiv erwünschten, aber sachlich unbegründeten Erfolg erreichen kann. 22 Zur Würdigung anderer Lehrmeinungen, vgl. 1. Teil C. VII. und 2. Teil A. III. 2., B. II. 2. b). C. II. 23 1. Teil C. IV. 3. 24 Denn mit einer Formulierungseinheit hat der Gesetzgeber auch vorgeschrieben, welche Tatsache bezüglich jeder bestimmten Dimension vorhanden sein bzw. bewiesen werden muss; s. 1. Teil C. IV. 3. b) 25 Der disjunktive Begriff, vgl. dazu 1. Teil C. III. 1.

Schlussbetrachtung

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genauso zu behandeln, als ob sie durch ein einziges Wort beschrieben würde. Hier wird die disjunktive Formulierung nur wegen der sprachlichen Schwierigkeit eingesetzt, weil der Gesetzgeber kein einziges passendes Wort für die Beschreibung dieser Einheit finden kann. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass die sprachliche Schwierigkeit logischerweise stets die potentielle sprachliche Möglichkeit voraussetzt, die Alternativen einheitlich zu formulieren. Die These der Formulierungseinheit dient der Feststellung dieser potentiellen sprachlichen Möglichkeit. Falls sich die Alternativen auf unterschiedliche Formulierungseinheiten beziehen, liegt freilich keine solche Möglichkeit mehr vor. ii) Syntaktisch-semantisches Kriterium. Um den Zweck der Intersubjektivität zu erreichen, hat der Gesetzgeber seinen Gedanken durch die Sprache zum Ausdruck zu bringen. Da jeder Gesetzestext schriftlich gefasst und erlassen werden muss, unterwirft sich der Gesetzgeber unausweichlich allgemeinen Sprachregeln. Ohne die Berücksichtigung der Sprachregeln wären Gesetzestexte für Normadressaten gar nicht zugänglich. Bei der Suche nach der Formulierungseinheit gilt es festzustellen, welche Zeichen im Satz (Tatbestand) zusammengehörig sind und sich bei der Fassung des Tatbestandes eigens, relativ selbstständig formulieren und betrachten lassen. Da es sich um die Zerlegung eines Satzes (hier: Tatbestand) handelt, drängen sich linguistische Ansätze auf. Hier braucht man ein Kriterium, mit dem ein Tatbestand sowohl sinnvoll als auch vollständig segmentiert werden kann. Dank ihrer semantischen Neutralität kann die Verschiebeprobe die Vollständigkeit der Segmentierung gewährleisten. Die Stellungseinheit, die sich aus der Verschiebeprobe ergibt, darf nicht weiter zerlegt werden können, ohne die Segmentierung unsinnig zu machen26. Wörter innerhalb einer Stellungseinheit sind deshalb zusammengehörig, weil sie in einer Bestimmungsrelation zueinander stehen, in der die Bedeutung eines Ausdrucks (Attribut) die eines anderen (Bezugswort) näher bestimmt. Wenn es aber bei einschlägigen Alternativen um ein Verb geht, kann die Verschiebeprobe als ein syntaktisches Kriterium freilich nicht weiter helfen. Um die Bestimmungsrelation in diesem Fall festzustellen, muss man die semantische Regulierung27 mit einbeziehen. Anhand der syntaktischen Verschiebeprobe und der semantischen Regulierung wird ein syntaktisch-semantisches Kriterium für die Feststellung der Formulierungseinheit herausgearbeitet. Daraus lässt sich die erste Grenze ziehen: Diejenigen Tatbestandsalternativen, die sich auf unterschiedliche Formulierungseinheiten beziehen, können niemals als ein Tatbestandsmerkmal behandelt werden. Nur dann, wenn alle Alternativen ein und dieselbe Formulierungseinheit darstellen, Zur Verschiebeprobe und Stellungseinheit, s. 1. Teil C. IV. 7. c). Die semantische Regulierung: Das Verb soll mit denjenigen Satzteilen, die sich semantisch auf das Verb beziehen, zusammen eine Formulierungseinheit bilden, obwohl sie ggf. unterschiedliche Stellungseinheiten bei der Verschiebeprobe darstellen. Zu dieser Gruppe zählen das verbbezogene Adverb, das Objekt des Verbs und diejenige Präpositionalphrase, die das Verb semantisch modifiziert; s. dazu 1. Teil C. IV. 8. 26 27

17*

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Schlussbetrachtung

sind sie im Prinzip zusammen als ein disjunktiv formuliertes Tatbestandsmerkmal aufzufassen. Nur innerhalb derselben Formulierungseinheit kann der Grund für den Einsatz von Alternativen die sprachliche Schwierigkeit sein. (8) Gesetzgeberische Vermutung. Eine Formulierungseinheit alternativ zu formulieren, ist zwar eine Entscheidung des Gesetzgebers für die Bildung eines Tatbestandsmerkmals. Jedoch muss sich der Gesetzgeber in einem Rechtsstaat nicht nur allgemeinen Sprachregeln, sondern auch verfassungsrechtlichen Grundsätzen unterwerfen. Deshalb kann diese gesetzgeberische Entscheidung nicht absolut verbindlich sein, sondern nur als eine Vermutung für das Vorliegen eines einheitlichen Tatbestandes angesehen werden. Ist ein Anhaltspunkt gegen diese Vermutung gegeben, muss man diese alternativ gefasste Vorschrift als eine Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Tatbestände auffassen. Da es bei der Gestaltung der Formulierungseinheit um die Kompetenz des Gesetzgebers geht, kann diese Vermutung angesichts des Gewaltenteilungsprinzips nur dann entkräftet werden, sobald er die Grenze seiner Kompetenz überschreitet. Da die Koordination mehrerer Alternativen ihre Gleichbehandlung darstellt, hängt die Frage, wann die Vermutung entkräftet sein soll, mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz eng zusammen. Eine solche Vermutung muss danach dann entkräftet sein, wenn die Gleichbehandlung der Alternativen zum Wertungswiderspruch führt. Von der Selbstbindung des Gesetzgebers ist hier die Rede. Es geht um die strafrechtlichsystematische Auslegung. (9) Die zweite Grenze – Selbstbindung des Gesetzgebers. Ein Wertungswiderspruch entsteht dann, wenn der Gesetzgeber eine Formulierungseinheit durch Alternativen, die in anderen Vorschriften selbstständig bzw. unterschiedlich bewertet werden, beschreibt und der Rechtsanwender diese Alternativen trotzdem gleich, nämlich zusammen als ein Tatbestandsmerkmal, behandelt. Die Selbstständigkeit der Alternative kann sich entweder aus dem gesamten Verbrechensaufbau oder aus dem strafrechtlichen Unrechtsbegriff ergeben. Beim ersteren Fall, der in der Tat selten vorkommt, geht es darum, dass der Gesetzgeber eine Formulierungseinheit sowohl durch die unrechtsbezogene als auch durch die schuldbezogene Alternative beschreibt. Da die Unterscheidung von Unrecht und Schuld einer der Grundsteine des modernen StGB ist, darf man diese Alternativen nicht gleich, nämlich nicht als eine Einheit bzw. ein einziges Merkmal behandeln28. Beim letzteren handelt es sich demgegenüber um Fälle, in denen die einschlägigen Alternativen in der alternativ gefassten Vorschrift der Bestimmung der Angriffsrichtung dienen und gleichzeitig unterschiedliche Angriffsrichtungen in anderen Vorschriften darstellen29. Obwohl sie sich innerhalb derselben Formulierungseinheit befinden, darf man sie nicht als ein Tatbestandsmerkmal behandeln. Sonst würden die eigentlich verschieden bewerteten Angriffsrichtungen nachträglich an anderer Stelle, nämlich in der alternativ gefassten Vorschrift, wiederum als gleich angesehen werden. Eine solche 28 29

1. Teil C. VI. 2. b). 1. Teil C. VI. 2. b) und c).

Schlussbetrachtung

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Gleichbehandlung würde aber zum Wertungswiderspruch führen, da der Gesetzgeber aus dem selbst statuierten System ausbricht. Diese alternativ gefasste Vorschrift besitzt zwei verschiedene Schutzrichtungen, für deren Heterogenität sich der Gesetzgeber woanders schon entschieden hat, und enthält mehrere selbstständige Tatbestände. Zusammenfassend kann man sagen, dass allgemeine Sprachregeln und verfassungsrechtliche Grundsätze zwei dem Gesetzgeber unüberschreitbare Grenzen darstellen. Dies bildet die Basis unseres Lösungsvorschlags (die These der Formulierungseinheit und ihre strafrechtlich-systematische Einschränkung). (10) Zusammenhang einzelner Problemfelder. Allgemein anerkannt ist der Zusammenhang zwischen dem Konkurrenzverhältnis und der Behandlung des non liquet. Zwischen denjenigen Tatbeständen, bei deren Zusammentreffen die Spezialität oder Subsidiarität anzunehmen ist, lässt sich das Problem der Tatsachenungewissheit stets durch das Stufenverhältnis gemäß dem Grundsatz „in dubio pro reo“ erledigen. Dies kann auf diejenigen Alternativen übertragen werden, die sich im Einschlussverhältnis stehen, obwohl es nicht um mehrere Tatbestände geht. Fraglich ist nur, ob irgendein Zusammenhang zwischen einzelnen Lösungen unterschiedlicher Problemfelder bei den Alternativen, die weder im semantischen noch im normativen Einschlussverhältnis zueinander stehen, auch vorliegt. Aus der vorstehenden Analyse kann man schließen, dass eine bestimmte Verbindung zwischen der Behandlung des non liquet, des Irrtums und des Konkurrenzproblems bei Tatbestandsalternativen gegeben ist, solange es um die Frage geht, ob die einschlägigen Alternativen zusammen ein Tatbestandsmerkmal bilden: Bezüglich derselben Alternativen darf man also nicht einerseits die einmalige Tatbestandsverwirklichung bei ihrem Zusammentreffen annehmen und andererseits eine ungleichartige Wahlfeststellung in der non-liquet-Situation zwischen ihnen bejahen. Ungewiss ist nun, ob eine dogmatisch zwangsläufige Verknüpfung zwischen verschiedenen Problemsfeldern auch dann vorliegt, wenn die einschlägigen Alternativen mehrere selbstständige Tatbestandsmerkmale darstellen. Da es zum einen hier nicht mehr um die rechtliche gemeinsame Qualifikation der Alternativen geht und zum anderen diese Institutionen – Konkurrenzlehre, Wahlfeststellung und Zurechnung zum Vorsatz – der Lösung verschiedener Probleme dienen, lässt sich eine dogmatisch feste Verbindung zwischen einzelnen Lösungsergebnissen verschiedener Problemfelder nicht begründen30. Hier hängen die Lösungen dieser oben erwähnten Probleme vielmehr ausschließlich von den eigentlichen Regeln der jeweiligen Institutionen ab: Bei der Frage nach dem konkurrenzrechtlichen Verhältnis dieser Alternativen, nämlich ob die mehrfache Tatbestandsverwirklichung zur Annahme der Gesetzeseinheit (i. S. v. Konsumtion) oder Idealkonkurrenz führen soll, kommt es nicht auf die Vergleichbarkeit dieser Alternativen an, 30 Über die Übertragbarkeit des Resultats der Wahlfeststellung auf den Alternativenirrtum wird auch im Schrifttum diskutiert. Gegen die Übertragbarkeit etwa Schroeder, GA 1979, S. 322 f.; ihm folgend: Wolter, Wahlfeststellung, 1987, S. 127 f.

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sondern darauf, ob der Unrechts- sowie der Schuldgehalt mit einem einzigen der Tatbestände vollständig geklärt bzw. abgegolten werden können31. Demgegenüber ist die normative Vergleichbarkeit zwischen diesen Alternativen bei der Prüfung der Wahlfeststellung wegen des gesetzgeberischen Hinweises auf die enge Unrechtsverwandtschaft im Prinzip zu bejahen32. Am strengsten ist die Annahme der Kongruenz für die vollendete Vorsatztat. Solange jeder Alternative die Funktion zukommt, ein Tatbestandsmerkmal zu qualifizieren, und es damit um mehrere Tatbestände geht, ist eine vollendete Vorsatztat beim Irrtum über diese Alternativen stets ausgeschlossen, weil die hinreichende Kongruenz für die vollendete Vorsatztat nicht tatbestandsübergreifend begründet werden kann. Jeder Tatbestand typisiert eine Straftat und eine vollendete Vorsatztat kann nicht aus unterschiedlichen Teilen verschiedener Tatbestände bestehen, ohne dass der Tatbestand in seiner Bedeutung verloren ginge33.

31 32 33

2. Teil A. III. 3. a) und b). 2. Teil B. II. 2. c) cc). 2. Teil C. III. 5. d).

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Sachwortverzeichnis Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seiten bzw. die Fußnoten der Untersuchung. Bei häufig vorkommenden Stichworten sind nur die wichtigeren Fundstellen angegeben. Hauptfundstellen sind durch Fettdruck hervorgehoben. Aberratio ictus 212 ff., 222, 230, 237 (Fn. 127), 238 (Fn. 130), 246 (Fn. 156), 250, 251 Abhängigkeit des Handlungsunwertes vom Erfolgsunwert 138 f. Abweichung vom Kausalverlauf 212 ff., 222, 224 ff., 226 f., 230, 234 (Fn. 111), 237 (Fn. 127), 238 (Fn. 130), 244 f., 246, 250, 251 Abfassung des Urteilstenors s. Urteilstenor Abstufung des Unrechts s. Unrechtsabstufung Adjektiv 63 (Fn. 12), 87, 106, 108, 114 Adverbial 96 f., 101 f., 108 (Fn. 118), 112 (Fn. 140) Adverbialsätze 115 (Fn. 149) alternative Mischgesetze s. Mischgesetze Alternativen s. Tatbestandsalternativen Alternativenirrtum s. Irrtum über Tatbestandsalternativen alternative Gesetzesanwendung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage 188 f. alternative Paragrafen 28, 78 (Fn. 1), 249 (Fn. 165) alternativer Nachweis 199 f., 205 Alternativität – scheinbare und verkappte 33 f. Alternativität der Sachverhalte s. Sachverhaltsalternativität Alternativität von Tatmodalitäten 197 Alternativität zwischen Tatbeständen 72 f. Angriffsformen 30 (Fn. 22), 45, 58, 68, 73, 145, 146, 168, 220, 223 (Fn. 68), 243 Angriffsintensivitäten 45, 68

Angriffsobjekte 30 (Fn. 22), 58, 138, 144 (Fn. 256), 145, 146 (Fn. 264, 266), 149, 213, 220, 223 (Fn. 68) Angriffsrichtung 46, 48, 133, 137 ff., 149, 161, 176 f., 177 ff., 207 (Fn. 103), 208, 249 f., 260 Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) 109 (Fn. 133), 224 (Fn. 69) Anschlusswort 114 f. Äquivalenzprinzip s. Gleichwertigkeitsthese Argumentationslast 43, 128, 207, 209, 257 (Fn. 18) Artbegriffe 58, 148 Attribute 71, 96, 102, 106 Auffangklausel 53 ff., 64 (Fn. 22), 65, 166, 192, 239 f. Ausschöpfungsgebot 158, 173 Aussetzung (§ 221 StGB) 74 f., 110, 169, 175, 196, 245 (Fn. 154) Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) 114 Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) 24 (Fn. 2), 31 f., 115 (Fn. 150) Austauschbarkeit s. sprachliche Austauschbarkeit Austauschbarkeit auf vertikaler Achse s. paradigmatische Beziehung Austauschprobe s. Ersatzprobe Bagatellfälle 41 ff. Bedeutungsgleichheit 119 Begehungsweise s. Tatmodalitäten begriffslogisches Stufenverhältnis s. Stufenverhältnis Begünstigung (§ 257 StGB) 60 (Fn. 160), 182

Sachwortverzeichnis beispielhafte Umschreibungen 54 f., 62, 64 ff., 74, 77, 166, 170, 190, 192, 239, 254 f. Beleidigung (§ 185 StGB) 39 (Fn. 69), 89 (Fn. 41), 159 (Fn. 7) Beschreibung des Erfolgs 110 f., 112, 125 (Fn. 175), 127, 139 Beschreibung der Tatmodalitäten 29, 111 f. Bestimmtheitsgrundsatz bzw. -gebot 41, 45, 48, 53, 55, 59, 82, 89 (Fn. 41), 116, 129, 131, 171 (Fn. 58), 184, 189, 199 (Fn. 79), 217 Bestimmungsrelation 106 f., 108, 110, 112, 115, 117, 259 Beteiligungsformen 194, 242 Betiteln eines Tatbestandes 89 Betrug (§ 263 StGB) 57 (Fn. 152), 75 f., 88 f., 106 (Fn. 114), 110, 115, 125, 127 (Fn. 178 f.), 148 (Fn. 277), 161, 244 Beweislast 185 Beweislastregel s. Entscheidungsregel Bezugssatzglied 115 Bezugswort 87, 106 (Fn. 114), 107 f., 259 Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB) 139 f. Blankettmerkmale 35 ff. De Morgansche Gesetze 34, 73 Deckungsverhältnis 235 (Fn. 118) Definitionslehre 81, 84 Determinationsrelation s. Bestimmungsrelation differenzierende Lösungsvorschläge 171 f., 216, 254, 219 ff. Differenzierungsgebot 129 ff., 247 Disjunktion 30 f., 32 (Fn. 41), 33 f., 57, 82 f., 84 f. disjunktiver Begriff s. Disjunktion Distributivgesetz 40 dolus alternativus 212 dolus eventualis 212 Doppelbezeichnungen s. (tautologisch gefasste) Tatbestandsalternativen doppelter Subsumtionsirrtum 211 doppelter Tatbestandsirrtum 210 Doppelverwertungsverbot 158, 165, 166, 168, 171, 173

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echte Konkurrenz s. Konkurrenz einfache bzw. einmalige Tatbestandsverwirklichung 23, 41 (Fn. 79), 124, 126 (Fn. 177), 135 (Fn. 211), 139, 159, 162 ff., 165 ff., 169, 171 ff., 173 ff., 179 ff., 181, 182 f., 255 f., 261 einheitliche Lösungsansätze 170 ff., 189 f., 215 ff., 254, Einleitewort 114 Einschlussverhältnis 21 (Fn. 5), 48, 60 f., 77, 141 (Fn. 236), 170, 215, 261 – normatisches 68 ff., 71 ff., 77, 166 ff., 182, 195, 208, 242 ff., 251, 255 – semantisches 61 f., 72, 77, 165 f., 174, 190, 238 ff., 251, 254, 255 einseitige Tatsachenungewissheit 190 f., 192, 194, 255 Einzelsubsumtion 86 f., 93 ff., 111, 258 Entscheidungsregel 185 Entfallen des Vorsatzes s. Vorsatzausschluss Entweder / oder 30, 67, 73, s. auch Oder Enumeration der zu umfassenden Gegenstände 55 Erfolg s. Beschreibung des Erfolgs Erfolgsdelikte ohne nähere Verhaltensbeschreibung 103, 110 (Fn. 136), 124, 125 (Fn. 175), 137, 146 Ergänzung des Verbs 108, 110, 112, 117, 123, 125 f. Ergängzungsfragesätze s. Fragetest Error in objecto 214, 218 f., 226 (Fn. 80), 237 (Fn. 127), 248 Ersatzprobe 98 f., 114 (Fn. 149), 119 (Fn. 158), 121 erschöpfende Aufzählung bzw. Kasuistik 145 ff., 147, 149, 216, 220 Ersetzbarkeit auf vertikaler Achse s. paradigmatische Beziehung Exemplifikation s. beispielhafte Umschreibungen exemplifizierende Methode s. beispielhafte Umschreibungen Exklusion s. höchstens / oder Exklusionsprobe 101 (Fn. 96), 121 ff., 123, 129 exklusives Oder s. Oder Exklusivität – zwischen Tatbeständen 71 f.

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Sachwortverzeichnis

– zwischen Tatbestandsalternativen 67, 70 ff. Exklusivitätserfordernis der Wahlfeststellung 195 Exklusor 30 Expansion 122 Extension 45, 49, 65, 71, 74, 82 (Fn. 13), 85, 103, 108, 110, 137, 165, 195, 255 extensionale Beschreibung 48 ff., 50 (Fn. 110), 93 (Fn. 52) Förmlichkeit des Strafgesetzes 152 ff. Formulierungseinheit 37 (Fn. 62), 38 (Fn. 66), 90 ff., 93 ff., 95 f., 97, 99, 101 f., 103 f., 104 ff., 107 ff., 113, 115, 116 f., 118 ff., 128 f., 130, 133, 137, 139, 146, 152, 154, 155 f., 172, 175 ff., 182 f., 196, 204, 205 ff., 219, 247 ff., 257 f., 260 f. Fragetest 101, 102 ff., 109 (Fn. 134) funktionaler Aspekt 101 f. Funktionsverbgefügen 109 ff., 110 Gattungsbegriff s. Oberbegriff Gattungsbezeichnung 145 Gebot der Bestimmtheit s. Bestimmtheitsgrundsatz Gebot der Vermeidung von Wertungswidersprüchen 132, 249 Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) 75, 147, 208 (Fn. 105) Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) 69, 194 (Fn. 56), 242 f. Generalklausel 50 (Fn. 110), 51 (Fn. 118), 52 (Fn. 125), 64, 192, 240 Generelle Beschreibungsweise s. prinzipielle Beschreibungen Gesamtsubsumtion 86 (Fn. 33), 94 f. Gesetzesalternativität 188 (Fn. 27), 199 (Fn. 78), 201, 205 Gesetzeseinheit 64 (Fn. 20), 82, 136, 158, 159 ff., 162 ff., 165, 167, 168, 173 ff., 178, 180, 181, 182, 183, 255, 257, 261 Gesetzeskonkurrenz s. Gesetzeseinheit Gesetzgeberische Entscheidung 128, 129 f., 152, 206 ff., 260 gesetzgeberische Ökonomie 40 ff., 60 f., 78, 94, 133, 153, 217

Gesetzlichkeitsprinzip 31 (Fn. 38), 32, 45 ff., 47, 57 (Fn. 152), 60, 89, 130, 149, 151, 152, 183, 201, 204, 207 Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers 131, 134, 155, 258 gleichartige Idealkonkurrenz bzw. Tateinheit 23, 75, 124, 135 (Fn. 211), 163, 178 (Fn. 86), 179 (Fn. 93), 180 (Fn. 95), 181 f., 235 f., 250 gleichartige und ungleichartige Wahlfeststellung s. Wahlfeststellung gleiche grammatische Kategorie 98, 118, 119 (Fn. 158), 121 ff. Gleichheitsprinzip 41, 46, 131 ff., 136, 139, 140, 156, 260 Gleichwertigkeit 43, 65, 144, 148, 188 (Fn. 26), 197 ff., 202 ff., 205 ff., 208 f., 230, 244 – als gesetzgeberische Überlegung 47 f., 154 – subjektive 150 (Fn. 283) Gliedsatz s. Teilsatz Gleichwertigkeitsthese 144, 148, 150 ff., 254, 258 – beim Konkurrenzverhältnis 171, 172 f., 174 (Fn. 68) – beim Alternativenirrtum 216, 218, 221 ff., 228, 248 (Fn. 163) Handlungseinheit und -mehrheit 30 (Fn. 30), 41 (Fn. 79), 82, 158 f., 160, 162 ff., 164 f., 167, 169, 173, 255 Handlungsobjekt s. Tatobjekt Handlungs- und Erfolgsunrecht 136 ff., 180 Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) 51 (Fn. 117), 194 (Fn. 58), 212, 248 Herbeiführen einer Überschwemmung (§ 313 StGB) 132, 180 (Fn. 96) Hilfeleisten im Sinne des § 27 I StGB 82 Hilfsnormen 36 f., 38, 89 (Fn. 43), 135, 139 höchstens / oder 30 horizontale Relation s. syntagmatische Beziehung horizontale Segmentierung s. Segmentierung eines Satzes Idealkonkurrenz 23, 124, 135 (Fn. 211), 141, 144, 158, 160, 162 ff., 165, 166, 167

Sachwortverzeichnis (Fn. 41), 168, 170, 171 ff., 175, 178, 179 (Fn. 93), 180, 181 ff., 201, 235, 250, 253, 257, 261 Identität des Unrechtskerns 43, 193, 202 ff. Identität von Tatmodalitäten 197 (Fn. 68) in dubio pro reo 23, 184 f., 185 f., 191, 192 ff., 196, 203, 206, 207, 208, 255, 261 Informationsfunktion des Straftatbestandes 84 integrierender Zusammenhang zwischen objektivem Unrecht und Vorsatz 234 Intension 49, 50 (Fn. 110), 62, 63 (Fn. 10), 71, 103, 165, 254 intensionale Beschreibung 48 ff., 50 (Fn. 110), 93 (Fn. 52) Irrtum im Alternationsbereich des Verbotes s. Irrtum über Tatbestandsalternativen Irrtum über Tatbestandsalternativen 22, 48, 57, 60, 85, 88, 118, 144 f., 149, 157, 210 ff., 253 ff. – auf der Abweichung vom Kausalverlauf od. aberratio ictus beruhender Alternativenirrtum 212 ff., 222, 246 (Fn. 158), 250 – Definition 211 ff. – Rechtsfolge 224 ff., 247 ff., 251 f., 253 ff. Irrtum über Tatumstände (§ 16 StGB) 35 f., 72, 134, 214 (Fn. 20 f.), 221, 224 ff., 227 ff., 231 ff., 233 (Fn. 110), 237, 253 junktorisch definierter Begriff s. Disjunktion kasuistische Aufzählungen 25, 29 (Fn. 22), 39, 42 (Fn. 84), 48 ff., 50 ff., 53 f., 56, 58, 59 (Fn. 157), 64, 84, 143 (Fn. 243), 145 (Fn. 262), 152 Kasuistik 50 (Fn. 110 f.), 52 f., 55, 64, 145 Katalogtaten 139 ff., 177 f., 208, 249 f. keine Strafe ohne Tat- und Schuldnachweis 184 „Kennen“ in § 16 I StGB 225, 227, 229, 231 Kenntnisvorsatz 227 Kindestötung (§ 217 a. F. StGB) 56 Klammerfügung 40 kollektiv gefasste Alternativen s. Tatbestandsalternative Kombinierbarkeit auf horizontaler Achse 97, s. auch syntagmatische Beziehungen

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komplexes bzw. junktorisch definiertes Tatbestandsmerkmal s. Disjunktion Konditionalprogramme 79 Kongruenz – im ersten Sinne 231 ff. – im zweiten Sinne 72, 215, 219, 223, 224, 226 f., 228 (Fn. 89), 229 ff., 231 ff., 234 ff., 236 ff., 238 f., 240 f., 242 ff., 247 ff., 251, 253, 255, 257, 262 – normative 215 (Fn. 22), 223, 229, 230, 237 (Fn. 128), 238 f., 242, 243, 244, 255 – Notwendigkeit der zusätzlichen Kongruenzprüfung 226 (Fn. 81), 230 (Fn. 98), 231 ff., 234 ff., 237, 251 – Systematische Stellung der zusätzlichen Prüfung 231 ff., 236 ff. – tatsächliche 238 ff. Konkurrenz 22 f., 48, 60, 143, 144, 157 ff., 164 ff., 261 f. – echte 162 ff. – scheinbare 164 (Fn. 29) – unechte 159 Konstituente s. Syntagma Konsumtion 160, 161, 168, 174, 175, 180, 182, 257, 261 Kontaktprobe s. Koordinationsprobe kontradiktorisch gefasste Alternativen s. Tatbestandsalternative Kontravalentor 31 Kontravalenz s. entweder / oder Koordinationsprobe 101 (Fn. 96), 121 ff., 127, 135 Korrelat zur Rechtsfolge 79 Körperverletzung (§ 223 StGB) 76, 110, 111 (Fn. 138), 125, 177 kumulative Mischgesetze s. Mischgesetze Legaldefinition 24, 26, 29, 35 ff., 38, 49 logisches Abhängigkeitsverhältnis der Subordination s. (semantisches) Einschlussverhältnis Luftverunreinigung (§ 325 StGB) 42, 43, 54, 55, 65 (Fn. 31) Mangel an Kongruenz 229 f. Mengenbezeichnungen 47, 63, 68 mindestens / oder 31 Minimalfall in der Syntax 100

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Sachwortverzeichnis

Mischdelikt 27, 142, 144 (Fn. 255) Mischgesetze 25, 39 (Fn. 70), 142 ff., 172, 196 f., 203 (Fn. 86) mitbestrafte Vor- und Nachtat 158, 160, 168 (Fn. 44) Miteinandervorkommen von Sprachelementen s. syntagmatische Beziehung Modalitätenfeststellung 197, 209 (Fn. 108) Modifikand 108 Modifikationsbeziehung s. Bestimmungsrelation monistische Lösungsvorschläge s. einheitliche Lösungsvorschläge Mord (§ 211 StGB) 37 ff., 71, 135, 140, 178, 182, 209 (Fn. 108) negative Ergänzungsnorm 185 (Fn. 5) Nenner einer bestimmten Dimension 92 f. Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB) 109 (Fn. 133), 139 f., 177 f., 182, 249 f. normatives Substrat 242, 244, 245 f., 248, 250, 256, s. auch Kongruenz Nominalphrase 100 (Fn. 93), 109 non liquet 23, 48, 57, 60, 85, 88, 95, 118, 130 (Fn. 185), 157, 183 ff., 189 ff., 199 ff., 208 ff., 254 ff., 257, 261 normatives Stufenverhältnis s. Stufenverhältnis

Qualifikationen 38 (Fn. 66), 76, 119 f., 140, 175, 191, 198, 214 qualitative Gleichwertigkeit s. Gleichwertigkeit qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen s. Tatbestandsalternative qualitative Vergleichbarkeit s. Gleichwertigkeit quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende Alternativen s. Tatbestandsalternative Quantitätssteigerung 163, 179 Quantitative Unrechtssteigerung s. Quantitätssteigerung Quantor s. Mengenbezeichnungen

Oberbegriff 75 (Fn. 98), 84, 91, 145, 148 f., 245 (Fn. 151) objektiv-täterschaftliche Merkmale 176 Oder 24, 29 ff., 81 – im ausschließenden Sinne 30, 67, 73 – im einschließenden Sinne 30 f., 32, 62, 85

Realkonkurrenz 144, 158, 159, 160, 162, 164, 167 rechtsethische und psychologische Gleichartigkeit s. Vergleichbarkeitsforderung der Wahlfeststellung Rechtsgüter 45, 46 f., 60, 62, 64, 68, 135 f., 137 f., 139 ff., 144 (Fn. 256), 146 (Fn. 264), 147, 151, 161, 168, 177 ff., 188, 190, 193, 203, 242, 249 f. Rechtssicherheit 23, 51, 55, 64, 151, 184, 186, 187 f. Regelbeispiele 37 f., 39 (Fn. 68), 54, 88, 119 f., 139 (Fn. 229) Referenzprinzip 235 (Fn. 114, 118) reine Tätigkeitsdelikte 103, 111, 124 reine Tatsachenalternativität 188 (Fn. 27), 201, 205, 208 relative Selbstständigkeit 95 f., 100 (Fn. 93)

paradigmatische Beziehung 97 f., 99 (Fn. 87), 118 f. (Fn. 158), 121 ff., 125, 127, 128 Paradigmen 98, 118 f. (Fn. 158), 123, 124 Paradigmenklasse 98, 123 Phrase 100, 112 Plus-minus-Verhältnis s. (semantisches) Einschlussverhältnis Präpositionsphrase 112, 122 prinzipielle Beschreibungen 49 f., 51 (Fn. 118), 55 prinzipielle Regelung 51 (Fn. 118)

Sachbeschädigung (§ 303 StGB) 111 (Fn. 138), 131, 178 Sachverhaltsalternativität 95, 188 Satzadverbiale 108 (Fn. 118) satzbezogenes Adverb s. Satzadverbiale Satzerweiterung s. Expansion Satzgefüge 88 f., 113 (Fn. 143), 114 (Fn. 145), 115 Satzglied 99, 100 (Fn. 93), 101 ff., 104 ff., 114 f., 118 (Fn. 158) Satzteil s. Satzglied scheinbare Alternativität s. Alternativität

Sachwortverzeichnis scheinbare Konkurrenz s. Konkurrenz scheinbare, unechte Normwidersprüche s. unechte Wertungswidersprüche schwerer Raub (§ 250 StGB) 28 (Fn. 21), 44, 61 (Fn. 2), 67 (Fn. 44), 76, 85, 88 (Fn. 39), 94 (Fn. 56), 109 (Fn. 128), 119, 152 (Fn. 290), 175, 224 (Fn. 69) Segmentierung – eines Satzes 90, 98 ff., 107 (Fn. 116), 113, 114 – eines Tatbestandes 86, 89, 105, 107, 117, 259 Selbstbindung des Gesetzgebers 130 ff., 154 (Fn. 300), 155, 156, 260 Selbstständigkeit der Alternativen 134 ff., 138, 177 semantische Bedeutungsgleichheit s. Bedeutungsgleichheit semantisches Einschlussverhältnis s. Einschlussverhältnis semantisch handlungsbezogenes Verb 124 semantische Regulierung 107 ff.,117, 118 (Fn. 155), 123, 125 f., 127, 151, 156, 175, 259 sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB) 87, 106 sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) 75, 109 (Fn. 128), 196, 245 sozialer Sinn- oder Wertgehalt 144 Spezialität 64 (Fn. 20), 72, 160, 165, 174, 190, 255, 261 Spezifikationsrelation s. Bestimmungsrelation spezifische objektive Zurechnung zur Vorsatztat 235 (Fn. 118) sprachliche Austauschbarkeit 87 ff., 90 f., 98 f., 118, 124 (Fn. 172) sprachliche Schwierigkeiten 39, 50 (Fn. 111), 55 ff., 59, 61, 75, 76 f., 82, 87 ff., 91, 99, 116, 119 f., 123, 127, 129, 156, 172, 195, 204 (Fn. 92), 217, 247, 255, 259 f. sprachliche Sparsamkeit 127 Stellungseinheit 104 ff., 107 ff., 111, 117, 125, 127, 259 Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) 56, 76, 124, 248

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Strafbarkeit des Versuchs 217, 221, 223, 226 f., 233 ff., 241 strafrechtlich-systematische Einschränkung 118 (Fn. 155), 119 (Fn. 159), 129, 130 ff., 175, 196, 205, 247, 261 Straftatenkatalog s. Katalogtaten Strafvereitelung (§ 258 StGB) 36, 42, 43, 59, 63, 182, 224 (Fn. 69) Strafzumessung 64 (Fn. 21), 70, 120, 124, 135 (Fn. 211), 157, 158, 162, 166, 167, 173 f., 175 ff., 181, 189, 210, 240 f., 243 Strukturgleichheit der vorsätzlichen und der fahrlässigen Straftat 235 Stufenverhältnis 46 f., 209 (Fn. 107), 261 – begrifflogisches 69 (Fn. 65), 190 ff., 193, 255 – normatives 192 ff., 255 subjektive Zurechnung s. Zurechnung zum Vorsatz Subsidiarität (im Sinne der Gesetzeseinheit) 160 f., 168, 174, 193, 255, 261 Subsidiarität semantischer Regeln 107 (Fn. 116) Substitutionstest s. Ersatzprobe Subsumierbarkeit des Sachverhalts unter die alternativ gefasste Vorschrift 199 ff., 205 Subsumtionsirrtum 211, 232 f. (Fn. 107), 239 Subventionsbetrug (§ 264 StGB) 37 (Fn. 61), 109 (Fn. 133) Symmetrie zwischen Gesetzgebungstechnik und Rechtsanwendungsmethode 91 ff. Syntagma 97 ff., 100, 124 (Fn. 172) syntagmatische Beziehungen 97 f., 100, 121 f., 124 (Fn. 172) Tat im Rechtssinne 162 f., 164 (Fn. 29), 171, 179 (Fn. 89), 180 (Fn. 95), 181 (Fn. 98) Tatalternativität 188 (Fn. 27), 197, 201, 203, 205 Tatbestand – als die Wenn-Komponente 113 ff. – im rechtstheoretischen Sinne 27 f., 79 ff., 94, 174 (Fn. 70), 200 tatbestandliche Handlungseinheit 41 (Fn. 79), 159, 167, 173, 255 Tatbestandseinheit 164, 168 (Fn. 46) Tatbestandsmäßigkeit 33, 46, 73, 79, 231 ff.

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Sachwortverzeichnis

Tatbestandsmerkmal 22 f., 24, 26 f., 29, 37, 44, 48 f., 50 f., 71 f., 74, 85 ff., 93 ff., 95 ff., 116 f. – disjunktiv formuliertes 22 f., 38 (Fn. 66), 39 f., 42, 44, 57 ff., 60 f., 76 f., 78 ff., 81 ff., 117 ff., 124 ff., 128 f., 176 ff., 205, 248 Tateinheit s. Idealkonkurrenz Tatbestandsalternativen – beispielhafte 53 ff., 62, 64 ff., 74, 77, 145, 166, 170, 190, 192, 239, 254 f. – Definition 25 ff. – dieselbe Formulierungseinheit darstellende 37 (Fn. 62), 120 f., 123, 124 f., 126 (Fn. 177), 128, 129 f., 133, 139, 156, 176 f., 182, 205, 206 (Fn. 97), 247 f., 249, 259 – eine einzige Formulierungseinheit enthaltende 120 ff., 126 f., 129 – Gruppierung 61 ff. – im semantischen Einschlussverhältnis stehende 62 ff., 72, 165 f., 174, 190, 238, 255 – kollektiv gefasste 22, 68, 76 f., 77 ff., 118 ff., 146, 166, 170 ff., 176, 182, 196 ff., 202, 208, 216 f., 245 ff., 251, 254, 256 – kontradiktorisch gefasste 30 (Fn. 30), 67, 70 ff., 123 (Fn. 171), 146, 166, 169, 194 f., 221, 243 f., 254 f. – mehrere Formulierungseinheiten enthaltende 38 (Fn. 66), 91, 119 f., 126, 129, 172, 175, 182, 205 (Fn. 97), 219, 249 – nicht im semantischen Einschlussverhältnis stehende 67 ff., 166 ff., 192 ff., 242 ff. – qualitative Unrechtsabstufungen ausdrückende 47 f., 68 ff., 77, 166, 170 f., 174, 192 ff., 216, 242 f., 254 f. – quantitative Unrechtsabstufungen ausdrückende 46, 63 f., 166, 170 f., 190 f., 216, 240 ff., 254 f. – tautologisch gefasste 62 f., 66 (Fn. 34 f.), 165, 170, 190, 208, 239 f., 251, 254 f. – Ursachen ausdrückende 28, 74 ff., 166, 169 f., 195 f., 213 (Fn. 15), 226, 244 f., 255 f. Tatbestandsirrtum s. Irrtum über Tatumstände (§ 16 StGB)

Tatmittel 104, 112 f., 117, 120, 218 (Fn. 41) Tatmodalitäten 29, 47, 69 (Fn. 63), 75, 96, 108, 111 f., 120, 125 (Fn. 175), 135 (Fn. 211), 145 (Fn. 262), 146, 171, 183, 194, 197 f., 206, 245 Tatobjekt 21, 56, 61, 63, 96, 111 ff., 126, 148, 220, 222 Tatsachenalternativität ohne alternative Gesetzesanwendung 188, 200 f., 205, 208, 209 Tatsachenungewissheit s. non liquet Tatsachenzweifel s. non liquet tautologisch gefasste Alternativen s. Tatbestandsalternative Teilsatz 98, 113 ff. teleologisch begründete Korrektur der Gesetzesformulierung 197 (Fn. 72) Temporaldimension 97 These von der Formulierungseinheit s. Formulierungseinheit – als erste Grenze 128 ff., 258 f. typische Begleittat 160 f., 174, 180 Typus 82 Übereinstimmung des Vorsatzes am Prüfungsmaßstab der objektiven Tatbestandsmäßigkeit 233 überschießendes Unrechtsquantum 240 f. umgekehrte Subsumtion (Rechtsanwendung) 52 (Fn. 120) unechte Konkurrenz s. Konkurrenz unechte Wertungswidersprüche 118 unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) 34 (Fn. 48), 71, 73 f., 116, 146, 220, 243 f. unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (§ 326 StGB) 21, 124 ff., 147 (Fn. 270), 210 (Fn. 6), 248 ungleichartige Idealkonkurrenz 23, 163 (Fn. 24), 171, 174, 175, 181, 250 Unrechtsabstufungen 45 ff., 70, 77, 170 f., 216, 254 f. – quantitative 46, 63 ff., 166, 190, 240 ff. – qualitative 47 f., 68 ff., 174, 192 ff., 242 ff. unrechtsbezogene und schuldbezogene Elemente 134 f., 207 (Fn. 103), 260 Unrechtskern 43, 73, 187, 202 ff.

Sachwortverzeichnis Unwertdifferenz von tatbestandlicher Relevanz 222 Urkundenfälschung (§ 267 StGB) 32, 47, 111 (Fn. 138), 112, 113 (Fn. 142), 133, 158, 164, 167 f. Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB) 110, 133, 136, 221 (Fn. 57) Ursachen ausdrückende Alternativen s. Tatbestandsalternativen Urteilsformel s. Urteilstenor Urteilstenor 158 f., 162, 164, 174, 181 f., 202, 209 Verb 107 ff. Verbalphrase 109 verbbezogenes Adverb 108 f. Verbot der Doppelverwertung s. Doppelverwertungsverbot verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen (§ 353d StGB) 24 (Fn. 1), 33, 64 (Fn. 17), 73 (Fn. 83), 85, 380 (Fn. 131 f.), 119 Verbrechensaufbau 134 ff., 260 Verbrechenseinheit 164 (Fn. 29) Verbreitung pornographischer Schriften (§ 184 StGB) 44, 54, 63 (Fn. 15), 65 (Fn. 27), 88 (Fn. 39), 112, 120, 127 (Fn. 178), 152 (Fn. 290), 175 Verdachtsurteil 187 Vergleichbarkeitsforderung der Wahlfeststellung 28, 154, 197 ff., 202 ff., 206 ff., 253, 257, 262 verhaltensgebundene Erfolgsdelikte 110 (Fn. 136), 111, 124 verkappte Alternativität s. Alternativität Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB) 27, 54, 66, 70, 109 (Fn. 132), 116, 194 (Fn. 59) Verletzung des Privatgeheimnisses (§ 203 StGB) 31 (Fn. 38), 176, 205 (Fn. 96) Vermutung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals 129 ff., 136, 139, 140, 154, 156, 176, 177, 205, 260 Versari-Lehre 236 Verschiebeprobe 99, 100 (Fn. 91, 93), 101, 104 ff., 107 (Fn. 116), 108, 117, 125, 156, 175, 259

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vertikale Relation s. paradigmatische Beziehung Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage 186 (Fn. 11), 188, 193, 195, 196, 202, 206, 209 Verwandtschaft des Unrechtsgehalts 43 ff., 48, 60, 144 (Fn. 256), 153, 206 f., 257, 262 Verwirklichungsvarianten 21, 25 f., 29, 31 f., 35, 38, 55 (Fn. 141), 210 Vollständigkeitsthese 144 ff., 172, 220 f., 223 (Fn. 68), 229 (Fn. 95), 248 (Fn. 163) Vor-die-Klammer-Ziehen s. Klammerfügung Vorrangigkeit der Sprachregeln 155 Vorsatz – Mindestforderung (§ 16 StGB) 227 ff., 230, 233, s. auch Irrtum über Tatumstände – zeitliche Dimension 224, 225 ff. – zukunftsbezogener Charakter des 225 Vorsatzadäquanz 235 (Fn. 118) Vorsatzausschluss 214 (Fn. 20), 222, 224 ff., 226, 227 ff., 233 (Fn. 107), 237 Vorsatzfiktion 238 Vorsatzzurechnung s. Zurechnung zum Vorsatz Vorstellungsvorsatz 27 Vorteilsannahme (§ 331 StGB) 59 (Fn. 157), 71 (Fn. 75) wahldeutige Feststellung 186 (Fn. 11) Wahlfeststellung 23, 43, 95, 154, 185 ff., 191, 193 f., 195, 196, 197 ff., 200 ff., 205 ff., 208 ff., 249, 253, 256 f., 261 f. – Erscheinungsformen 188 f., 202 – gleichartige (unechte) 23, 95, 188 (Fn. 27), 193, 194 (Fn. 58), 195, 196, 197 ff., 200 ff.., 203 f., 205, 208 f., 253, 256 – ungleichartige (echte) 23, 154, 188 (Fn. 28), 200 ff., 204, 206 f., 208 f., 253, 257, 261 – Unterscheidung zwischen gleichartiger und ungleichartiger 23, 188, 200 ff. – Zulässigkeit 186 f. Wahltatbestand 25 W-Frage s. Fragetest Wenn-Satz 113 ff.

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Sachwortverzeichnis

Wertungswidersprüche 131 ff., 135 ff., 137 f., 149, 152 (Fn. 292), 154, 156, 176, 177 ff., 182, 206 (Fn. 97), 207 f., 247, 249 f., 258, 260 f. Wortgruppe 90, 93, 98, 100, 103 (Fn. 106), 105 f., 110, 116 f., 118, 155, 258

Zurechnung des objektiven Geschehens zum Vorsatz 231 ff., 236 ff., 240, 242 f., 244, 245 f., 250, 251, 253, 256, 261, 517 Zurechnungskriterium 229, 232 Zweifelssatz s. in dubio pro reo Zwischenrechtsgüter 140