128 8 17MB
German Pages 179 Year 1988
MATTHIAS-GABRIEL KREMER
Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 61
Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht im GWB
Von
Dr. Matthias-Gabriel Kremer
Duncker & Humblot . Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kremer, Matthias-Gabriel: Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde: zug!. e. Beitr. zur Lehre vom subjektiven öffent!. Recht im GWB / von Matthias-Gabriel Kremer. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Wirtschaftsrecht; Bd. 61) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1986 ISBN 3-428-06438-0 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41
Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06438-0
Meinen lieben Eltern
Vorwort Die vorliegende Untersuchung hat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. im Wintersemester 1986/87 als Dissertation vorgelegen. Herr Professor Dr. Fritz Rittner hat die Arbeit angeregt und betreut sowie für einen zügigen Ablauf des Promotionsverfahrens gesorgt. Hierfür möchte ich ihm auch an dieser Stelle von Herzen Dank sagen. Dank schulde ich auch der Bund-Stiftung für die Gewährung eines Promotionsstipendiums sowie der Studienvereinigung Kartellrecht e. V. für die Beteiligung an den Druckkosten. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand von Februar 1987; lediglich die 2. Auflage des Lehrbuchs "Wirtschaftsrecht" von Professor Dr. Fritz Rittner konnte nachträglich noch berücksichtigt werden. August 1987
Matthias-Gabriel Kremer
Inhaltsübersicht Einleitung ............................................................
19
1. Teil Rechtssystematische Einordnung der karteUverwaitungsrechtlichen Beschwerde 1. Kapitel: Die Stellung im System der Verfahrensordnungen ................
21
A. Der Aufgabenbereich im Überblick .................................
21
I. Der Gegenstand der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde nach der gesetzlichen Regelung .........................................
21
11. Das Verhältnis zu den sonstigen Kartellrechtsstreitigkeiten ..........
21
B. Die Zuweisung an die ordentlichen Gerichte .........................
22
I. Die gesetzliche Regelung ......................................
22
11. Die Zuweisungsrege1ung als Instrument zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung im GWB ...............................
22
2. Kapitel: Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde: Klage oder Rechtsmittel? ............................................................
24
A. Vorbemerkungen ................................................
24
B. Argumente für die Einordnung als Rechtsmittel ......................
25
I. Die Anlehnung an die FGG-Beschwerde .........................
25
11. Die Anlehnung an andere Rechtsmittelvorschriften ................
25
III. Die Ausgestaltung der Anfechtungsbefugnis ......................
26
C. Argumente für die Einordnung als Klage ............................
27
I. Die Orientierung an für die verwaltungsgerichtliche Klage entwickelten Prinzipien ...................................................
27
11. Die BeteiligtensteIlung der Kartellbehörde .......................
27
III. Das Fehlen des Devolutiveffekts ................................
27
D. Ergebnis ............................................. . ..........
28
10
Inhaltsverzeichnis
3. Kapitel: Das Verhältnis zwischen Kartellverwaltungsprozeß und Verwaltungsgerichtsprozeß ........................................................
28
A. Vorbemerkungen ................................................
28
B. Ergänzende Anwendbarkeit der VwGO im Kartellbeschwerdeverfahren ...
29
1. Direkte Anwendung
29
H. Analoge Anwendung
29
III. Exkurs: Analogie zu Vorschriften anderer Verfahrensordnungen .....
30
C. Verwaltungsrechtsweg in Kartellverwaltungssachen? ...................
30
1. Klagen gegen die Kartellbehörde ................................
30
H. Klagen seitens der Kartellbehörde ...............................
33
III. Öffentlichrechtliche Streitigkeiten mit kartellrechtlicher Vorfrage
35
2. Teil
Grundbegriffe im Recht der karteUverwaitungsrechtlichen Anfechtungs- und Verpffichtungsbeschwerde 1. Kapitel: Die kartellbehördliche Verfügung ..............................
36
A. Die weite Auslegung .............................................
36
B. Die enge Auslegung ..............................................
39
C. Stellungnahme ..................................................
39
2. Kapitel: Die Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte durch den Erlaß bzw. Nichterlaß kartellbehördlicher Verfügungen .............................
42
A. Vorbemerkungen ................................................
42
B. Die Grundrechte- als subjektive öffentliche Rechte ....................
43
1. Der Adressat einer belastenden Verfügung
43
H. Drittschutz gegen belastende Verfügungen
44
III. Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte aufkartellbehördliche Verfügungen .....................................................
46
C. Schutznormen des GWB ..........................................
47
1. Die Selektion des berechtigten Personenkreises ...................
48
1. Wortlaut ................. . ...... . ........ . ................
48
2. Entstehungsgeschichte ..... . ................................
49
3. Systematische Auslegung ....................................
49
Inhaltsverzeichnis
11
4. Teleologik des GWB und Drittschutz ..........................
50
a) Das allgemeine Ziel des GWB .............................
50
b) Drittschutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Rechtsprechung ..............................................
51
c) Drittschutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als Verfassungsgebot? ..................................................
54
d) Drittschutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und rechtserhebliches Betroffensein .......................................
57
e) Lösung .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ausgangspunkt ..................................
58 58
bb) Die Ermittlung des drittschützenden Gehalts ............
59
cc) Die Feststellung des im Einzelfall berechtigten Dritten ....
61
11. Bestimmtheitsgrad ............................................
62
1. Die Tatbestandsseite
63
2. Die Rechtsfolgeseite
67
a) Die Struktur des kartellbehördlichen Ermessens ..............
67
b) Die Reichweite des kartellbehördlichen Aufgreifermessens ..... aa) Kein Aufgreifermessen in Antragsverfahren .............. bb) Aufgreifermessen in den Amtsverfahren ................. (1) Die Existenz privatrechtlicher Drittschutzmöglichkeiten (2) Das Fehlen privatrechtlicher Drittschutzmöglichkeiten "
70 70 71 74 76
c) Die aa) bb) cc)
80 80 83 84
Reichweite des Handlungsermessens im engeren Sinn. . . . . Die Erlaubnis eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens Das Einschreiten gegen Wettbewerbsbeschränkungen ..... Das Beiladungsermessen .............................. 3. Teil
Die Zulässigkeit der Anfechtungsbeschwerde
1. Kapitel: Das Rechtsschutzziel .........................................
85
2. Kapitel: Die Beschwerdebefugnis ......................................
85
A. Die Beschwerdebefugnis kraft Verfahrensbeteiligung ..................
85
I. Die Ausdehnung der Anfechtungsbefugnis über das von Art. 19 IV GG gebotene Maß ................................................
86
11. Das aus der Formalisierung resultierende Rechtsschutzdefizit gegenüber Art. 19 IV GG ...............................................
89
1. Beispiele rur die mögliche Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte durch kartellbehördliche Verfiigungen ..........................
89
12
Inhaltsverzeichnis a) Der Adressat einer belastenden Verfiigung ..................
89
b) Drittschutz .............................................
91
2. Die Verfahrensbeteiligung kraft Gesetzes für die möglicherweise in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzten Personen ........
94
a) Der Adressat einer belastenden Verfiigung ..................
94
b) Die Verfahrensbeteiligung Dritter ..........................
94
3. Die Verfahrensbeteiligung kraft notwendiger Beiladung für die möglicherweise in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzten Dritten
95
III. Kritik des Modells der formalisierten Anfechtungsbefugnis .........
100
B. Die Beschwerdebefugnis kraft möglicher Rechtsverletzung .............
100
3. Kapitel: Die Beschwer
101
A. Formelle Beschwer
102
B. Materielle Beschwer ..............................................
103
4. Kapitel: Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen ..........................
105
A. Die Einlegung der Beschwerde ....................................
105
I. Die Beschwerdefrist ...........................................
105
11. Form und Inhalt der Beschwerdeschrift ..........................
106
B. Die Beschwerdebegründung .......................................
107
I. Die Beschwerdebegründungsfrist ................................
107
11. Form und Inhalt der Beschwerdebegründung .....................
107
C. Das Beschwerdegericht ......................................... . .
108
D. Beteiligtenfahigkeit, Prozeßfahigkeit und Postulationsfahigkeit ..........
108
E. Beschwerdegegner
108
4. Teil Die Begrüßdetheit der Anfechtungsbeschwerde
1. Kapitel: Die Rechtswidrigkeit der kartellbehördlichen Verfiigung
109
A. Der Umfang der gerichtlichen Kontrolle .............................
109
I. Die gerichtliche Kontrolle der Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe und der Ermessensausübung ..............................
109
11. Der für die Beurteilung maßgebende Zeitpunkt ...................
110
1. Die herrschende Meinung ...................................
110
Inhaltsverzeichnis
13
2. Einwände
111
3. Stellungnahme. . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . .
111
III. Die Einbeziehung tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte, die während des Kartellverwaltungsverfahrens schon vorlagen, auf die die VerfUgung aber nicht gestützt war ...............................
114
B. Die Verletzung formellen oder materiellen Rechts ....................
115
I. Allgemeines .................................................
115
11. Besonderheiten bei Verstößen gegen formelles Recht ..............
115
1. Heilung von Form- und Verfahrensfehlern .....................
115
2. Unbeachtlichkeit von Form- und Verfahrensfehlern .............
116
2. Kapitel: Rechtsverletzung des Beschwerdeführers? .......................
117
A. Die Anfechtungsbeschwerde als "Interessentenklage" des am Kartellverwaltungsverfahren Beteiligten .........................................
117
B. Die Anfechtungsbeschwerde als "Verletztenklage"
118
5. Teil Die ZuJässigkeit der Verpffichtungsbeschwerde
1. Kapitel: Das Rechtsschutzziel .........................................
119
2. Kapitel: Der erfolglose Antrag ........................................
120
A. Der Antragsbegriff des § 62 III GWB ................................
120
B. Die Weigerungsbeschwerde ........................................
120
C. Die Untätigkeitsbeschwerde .......................................
120
3. Kapitel: Die Beschwerdebefugnis ......................................
121
A. Die Beschwerdebefugnis kraft möglicher Rechtsverletzung gern. § 62 III GWB ..........................................................
121
I. Die Behauptung eines Rechts auf die beantragte VerfUgung bzw. auf Bescheidung analog §113 IV 2 VwGO ............................
121
11. Die eingeklagten subjektiven öffentlichen Rechte ..................
122
1. Das Vorliegen besonderer Antragsrechte .......................
122
2. Weitere subjektive öffentliche Rechte .........................
122
a) Die Untersagung von Behinderung und Diskriminierung nach §§37all,26IIGWB .....................................
123
b) Das Einschreiten gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Austauschverträgen gern. § 118 GWB ...........................
123
14
Inhaltsverzeichnis aa) § 18 I lit. a GWB
123
bb) § 18 I lit. b GWB
125
cc) § 18 I lit. c GWB
126
c) Die Mißbrauchskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen gern. § 22 GWB .........................................
126
aa) §22 IV 2 Nr. 1, V GWB ...............................
126
bb) §22 IV 2 Nr. 2 und 3, V GWB .........................
128
cc) §22 IV 1, V GWB .................................... dd) Einschränkungen aufgrund entgegenstehender Wertungen des Zivilrechts? .........................................
128 129
d) Die Zusammenschlußuntersagung gern. §24 I, II 1 GWB ......
129
e) Die Freistellung von Widerspruchskartellen ..................
130
B. Beschwerdebefugnis kraft Verfahrensbeteiligung? .....................
132
4. Kapitel: Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen ..........................
134
A. Grundsätzliche Übereinstimmung mit der Anfechtungsbeschwerde ......
134
B. Die Beschwer ...................................................
134
c.
Die Einlegung der Beschwerde ....................................
135
I. Die Beschwerdefrist ...........................................
135
II. Form und Inhalt der Beschwerdeschrift ..........................
135
D. Die Beschwerdebegründung .......................................
135
6. Teil
Die Begriindetheit der Verpffichtungsbeschwerde 1. Kapitel: Der Umfang der gerichtlichen Kontrolle ........................
136
2. Kapitel: Der Anspruch des Beschwerderuhrers auf die begehrte Verfiigung ..
137
A. Die Selektionsfrage ...............................................
137
B. Die Verpflichtung zum Erlaß der begehrten Verfiigung ................
137
3. Kapitel: Der Bescheidungsbeschluß analog §113 IV 2 VwGO ..............
139
7. Teil Gerichtsschutz nach § 70 II 2 und § 70 III GWB 1. Kapitel: Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ........................
141
A. Der Anwendungsbereich ..........................................
141
Inhaltsverzeichnis
15
B. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen ..................................
142
I. Die Erledigung ...............................................
142
1. Die Erledigung der Verfügung als maßgebendes Kriterium? ......
142
2. Die Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens .......
142
II. Der Feststellungsantrag ........................................
143
III. Die Zulässigkeit des erledigten Rechtsschutzbegehrens .............
143
IV. Das Feststellungsinteresse .....................................
143
C. Die Begründetheit des Fortsetzungsfeststellungsantrags
146
2. Kapitel: Die Feststellungsentscheidung nach §70 III GWB
146
A. Der Normzweck .................................................
146
B. Die analoge Anwendung auf andere Schutzverfügungen ...............
147
C. Die Erledigung ..................................................
147
I. Die Erledigung der angefochtenen Verfügung .....................
147
II. Die Erfolglosigkeit des kartellbehördlichen Zurückweisungsantrags ...
147
D. Der Feststellungsantrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
I. Der Antrag der Kartellbehörde .................................
148
II. Der Antrag eines Dritten ......................................
148
8. Teil
Die Erweiterung der anerkannten Beschwerdearten
1. Kapitel: Die allgemeine Leistungsbeschwerde ...........................
150
A. Der Anwendungsbereich ..........................................
150
I. Leistungsbeschwerden gegen die Kartellbehörde ..................
150
II. Leistungsbeschwerden seitens der Kartellbehörde .................
153
B. Verfahrensregeln .................................................
156
2. Kapitel: Existenz einer Feststellungsbeschwerde?
157
Zusammenfassung .....................................................
159
Literaturverzeichnis ....................................................
165
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abg. Abs. abw. AcP a.E. a.F. AG AGBG AktG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordneter Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Die Aktiengesellschaft Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) Archiv für öffentliches Recht AöR Artikel Art. BauR Baurecht BayVBI. Bayerische Verwaltungsblätter BB Der Betriebs-Berater Begründung (siehe Materialien) Begr. besonders bes. Beschwerdeführer Bf. Bürgerliches Gesetzbuch BGB Bundesgerichtshof BGH Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ Bonner Kommentar BK Bundeskartellamt BKartA Baurechtssammlung BRS Beispiel Bsp. Bundestag BT BT-Drucks. Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht BVerfG Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE Bundesverwaltungsgericht BVerwG Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE der, die, das d. DB Der Betrieb Diss. Dissertation DÖV Die Öffentliche Verwaltung DRiZ Deutsche Richterzeitung DVBI. Deutsches Verwaltungsblatt EGGVG Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz einsehr. einschränkend
Abkürzungsverzeichnis ESVGH
f. FAZ ff. FGG FGO GebrMG GenG GewArch GG GK GmbHG grdl. grds. GRUR GS GVG GWB HDSW h.M. HS i.S.d. i.V.m. JA JuS Justiz JZ Kap. KartKostV KartVO
KG lit. LKartB I.Sp. MDR MRVO Nr.165 m.w.Bsp. m.w.N. Nachw. NJW NVwZ 2 Kremer
17
Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder folgend/für Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Gebrauchsmustergesetz Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gewerbearchiv Grundgesetz Gemeinschaftskommentar Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundlegend grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handwörterbuch der Sozialwissenschaften herrschende Meinung Halbsatz im Sinne des (der) in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung Die Justiz Juristenzeitung Kapitel Verordnung über die Kosten der Kartellbehörden Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen vom 2. 11. 1923 (RGBI. I, S. 1067) Kammergericht littera LandeskarteUbehörde linke Spalte Monatsschrift für Deutsches Recht Verordnung Nr. 165 der Militärregierung Deutschland - Britisches Kontrollgebiet (Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Britischen Zone), Verordnungsblatt für die Britische Zone 1948, S. 263 mit weiten Beispielen mit weiteren Nachweisen Nachweis(e) Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
18 OLG OLGZ OVG OWiG PatG r.Sp. Rdn. RegE RGBI. Rspr.
Abkürzungsverzeichnis Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Patentgesetz rechte Spalte Randnummer(n) Regierungsentwurf (siehe Materialien) Reichsgesetzblatt Rechtsprechung
S. seil. sog. st. Sten.Ber. StPO str.
Satz/Seite scilicet sogenannt ständig Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte Strafprozeßordnung streitig
TB Teils. Tz. unzutr. u.U. UWG VBIBW VerwArch. VG VGG
Tätigkeitsbericht (siehe Materialien) Teilsatz Textzahl unzutreffend unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verwaltungs-Archiv Verwaltungsgericht Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (für Württemberg-Baden: Gesetz Nr. 110 vom 16.10.1946, Regierungsblatt, S. 221) Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und - soweit hier erheblich: gleichlautend - der Länder
VGH VVDStRL VwGO VwVfG WiR WRP WuW WuW/E WZG ZGR ZHR zit. ZPO zust. zutr. ZZP
Wirtschaftsrecht Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb Entscheidungssammlung zu Wirtschaft und Wettbewerb Warenzeichengesetz Zeitschrift für Untemehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozeßordnung zustimmend zutreffend Zeitschrift für Zivilprozeß
Einleitung Das Verfahrensrecht des GWB (§§ 51- 96) führt bereits seit der Entstehung des Gesetzes 1 eher ein Schattendasein in der - vorwiegend von wettbewerbstheoretischen Kontroversen geprägten - kartellrechtlichen Diskussion 2 • So stand auch die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde lange am Rand des wissenschaftlichen Interesses, obwohl die eigenständige Regelung des Kartellverwaltungsprozesses in den §§ 62 ff. GWB eine Reihe diffiziler Fragen aufwirft. Erst in jüngerer Zeit 3 haben sich - aufbauend auf ihren Konzeptionen zum materiellrechtlichen Drittschutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - R. Scholz4 und vor allem K"§t/.!midt 5 der Aufgabe angenommen, die Grundlagen des Gerichtsschutzes,~;Kartellverwaltungssachen zu erarbeiten. Zu der damit in Gang gekommenen Diskussion sowohl über das subjektive öffentliche Recht im GWB als auch über Ausgestaltung und Reichweite des Kartellbeschwerderechts will die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Im 1. Teil der Arbeit wird eine rechtssystematische Einordnung der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde vorgenommen. Sodann werden im 2. Teil gemeinsame Grundprobleme der im GWB geregelten Beschwerdearten einer Klärung zugeführt. Zu besprechen sind das Institut der kartellbehördlichen Verfügung, an dem sich die §§ 62ff. GWB orientieren, und die Frage nach der Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte durch den Erlaß bzw. Nichterlaß solcher Verfügungen. Die Ermittlung dieser subjektiven öffentlichen Rechte ist zum einen Voraussetzung für die Betrachtung der Anfechtungsbeschwerde (§ 62 I, 11 GWB) im Lichte des Art. 19 IV GG, zum anderen bestimmt sie die Reichweite des mit der Verpflichtungsbeschwerde (§ 62 III GWB) einklagbaren Gerichtsschutzes. Die Erörterung des subjektiven öffentlichen Rechts wird zeigen, daß vor allem der Drittschutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Schwierigkeiten bereitet. Aufbauend auf den Erkenntnissen ihrer beiden ersten Teile kann sich die Untersuchung den einzelnen Beschwerdearten zuwenden. Die Teile 3 und 4 1 Symptomatisch ist die Eile, in der sich der Gesetzgeber mit dem Vierten Teil des GWB befaßte, vgl. Schmid, FAZ v. 22. Oktober 1957, Nr. 245, S. 9. 2 Rittner, ZHR 145 (1981), 599, 603. 3 Vgl. zuvor insbes. Kuli, JZ 1961, 681 fT.; Bettermann, Festschrift Bötticher, S. 13, 18ff.; ders., Beschwer, S. 27ff. 4 R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 78ff., 197ff. 5 Vgl. insbes. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.513ff.; ders., Gerichtsschutz, passim sowie K. Schmidts Erläuterung der §§ 62ff. GWB in dem Kommentar von lmmengaj Mestmäcker.
20
Einleitung
beinhalten die Analyse der Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen der Anfechtungsbeschwerde, die Teile 5 und 6 haben die korrespondierenden Fragenkreise im Recht der Verpflichtungsbeschwerde zum Gegenstand. Wie bereits angedeutet, wird die Drittschutzproblematik auch in diesem Kontext einen Schwerpunkt bilden. Die folgenden Ausführungen sind dem Gerichtsschutz nach § 70 11 2 und § 70 III GWB gewidmet (7. Teil). Abschließend wird auf die Frage nach der Erweiterung der Beschwerdearten durch die Einführung einer allgemeinen Leistungsbeschwerde und einer Feststellungsbeschwerde eingegangen (8. Teil).
1. Teil
Rechtssystematische Einordnung der karteUverwaltungsrechtlichen Beschwerde 1. Kapitel
Die Stellung im System der Verfahrensordnungen A. Der Aufgabenbereich im Überblick I. Der Gegenstand der karteUverwaltungsrechtIichen Beschwerde nach der gesetzlichen Regelung Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde ist in den §§ 62 ff. GWB, also im Ersten Abschnitt ("Verwaltungssachen") des das "Verfahren" behandelnden Vierten Teils des GWB unter 11. ("Beschwerde") geregelt. Bereits aus dieser systematischen Stellung der Beschwerde im GWB - in unmittelbarem Anschluß an das unter I. normierte "Verfahren vor den Kartellbehörden" erschließt sich ihre Funktion: Sie dient der gerichtlichen Kontrolle des kartellbehördlichen Verwaltungsverfahrens. Explizit normiert sind die sog. Anfechtungsbeschwerde (§ 62 I GWB) gegen Verfügungen der Kartellbehörde und die sog. Verpflichtungsbeschwerde (§ 62 111 GWB), die dann offensteht, wenn eine Verfügung der Kartellbehörde begehrt wird. Gegenstand der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde ist demnach eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, für die - gäbe es die §§ 62ff. GWB nichtder Verwaltungsrechtsweg und nicht der ordentliche Rechtsweg eröffnet wärel. 11. Das Verhältnis zu den sonstigen Kartellrechtsstreitigkeiten Während die Beschwerde nach §§ 62 ff., 92 ff. GWB die gerichtliche Kontrolle des kartellbehördlichen Verwaltungsverfahrens gewährleistet 2 , ist bei bürgerli1 Ganz h.M., vgl. BGHZ34, 53, 58f.=WuWjE BGH 419, 420; ImmengajMestmäcker j K. Schmidt, § 62 Rdn. 1; GKj Hinz, Vorbem. 1 f. vor §§ 62-75; Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn.5; Langenj Niederleithinger j Ritter j U. Schmidt, § 62 Rdn.3; Müller j Gießler j U. Scholz j Schreven, Vorbem. 2 vor § 62; Loewenheim j Belke, Vorbem. 1 vor § 62. 2. Zu beachten sind jedoch die besonderen Rechtsschutzmöglichkeiten der §§ 54 II 2, 55 III GWB gegen bestimmte Beweiserhebungsanordnungen der Kartellbehörde. Die
22
1. Teil: Rechtssystematische Einordnung
ehen Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem GWB oder aus Kartellverträgen bzw. -beschlüssen ergeben, der Kartelizivilprozeß nach §§ 87ff., 92ff. GWB i. V. m. der ZPO gegeben und gegen kartellbehördliche Bußgeldbescheide bietet der Karteliordnungswidrigkeitenprozeß gern. §§ 81ff., 92ff. GWB i. V.m. dem OWiG (und - wegen § 71 OWiG - der StPO) Rechtsschutz. Die im materiellen Kartellrecht angelegte Dreiteilung des Wettbewerbsschutzes - kartellbehördliches Verfahren, zivilrechtliehe und Bußgeldsanktionen - findet demnach ihr Pendant im Karteliprozeßrecht 3 • Der Gesetzgeber hat nicht nur für den Karteliverwaltungsprozeß, sondern für alle Kartellprozesse, wenn auch mit unterschiedlicher Regelungsintensität, jeweils eine eigene "maßgeschneiderte"4 Verfahrensordnung, ein "Verfahren nach Maß"5 geschaffen.
B. Die Zuweisung an die ordentlichen Gerichte I. Die gesetzliche Regelung Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde ist durch §§ 62 IV 1, 73 I GWB den ordentlichen Gerichten, nämlich den Oberlandesgerichten 6 und - in der Rechtsbeschwerdeinstanz - dem Bundesgerichtshof, i.S.d. § 40 I VwG07 zugewiesen.
11. Die Zuweisungsregelung als Instrument zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung im GWB Gegen die Abweichung der §§ 62ff. GWB von dem Prinzip der generellen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gern. § 40 I VwGO sind verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den in Art. 95 GG8 niedergelegten Beschwerde nach § 46 IV 2 GWB gehört dagegen nicht unmittelbar in diesen Zusammenhang (a. A. offenbar Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn. 9), denn sie richtet sich gegen die Durchsuchungsanordnung des Amtsrichters. 3 Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen, Rdn. 1120; Pfeiffer, Schwerpunkte 1978/79, S. 1 ff. 4 Rittner, ZHR 145 (1981), 599, 601 (zu den §§ 62ff. GWB). 5 Kull, JZ 1961, 681, 682, 685; rechtspolitisch ablehnend Rinck, Rdn.1092; GK/ Zweigert, 2. Aufl., Vorbem. 7 vor§§ 62-75; F. Baur, ZZP 72 (1959),3,31 (alle zu den §§ 62ff. GWB). 6 Mit Kartellverwaltungssachen sind also weder Amts- noch Landgerichte befaßt; zu hieraus resultierenden Problemen vgl. Hintze, DRiZ 1968,89,90; ders., WuW 1970, 571, 572. 7 Vgl. Kopp, VwGO, § 40 Rdn. 54. Zum Tatbestandsmerkmal "ausdrücklich" in § 40 I VwGO vgl. unten 1. Teil, 3. Kap. C I, S. 31. 8 Z.Zt. des Erlasses des GWB waren Art. 95 GG a.F. und Art. 96 I, II GG a.F. einschlägig.
1. Kap.: Stellung im System der Verfahrensordnungen
23
Grundsatz der Spartentrennung erhoben worden 9 ; indes zu Unrecht. Das Spartentrennungsprinzip schützt nämlich die Verwaltungsgerichtsbarkeit lediglich als Institution gegen Abschaffung und Aushöhlung, garantiert aber kein Entscheidungsmonopol der Verwaltungsgerichte für alle öffentlichrechtlichen Streitigkeiten schlechthin 10. Die Zuweisung der Kartellverwaltungssachen an die ordentlichen Gerichte ist zudem in hohem Maße zweckmäßig l l und vernünftig: Da die ordentlichen Gerichte ohnehin schon für die Entscheidung von Kartellzivil- und Kartellordnungswidrigkeitenprozessen zuständig sind, wird im Wege der Zuständigkeitskonzentration für "alle (seil. Kartell-)Rechtssachen"12 sehr viel eher eine einheitliche Auslegung des GWB durch die Rechtsprechung gewährleistet als dies bei gespaltenem Rechtsweg der Fall wäre 13 . Diesem Ziel trägt das GWB weiterhin in den §§ 92, 95 I dadurch Rechnung, daß es innerhalb der OLGe und des BGH im Wege der gesetzlichen Geschäftsverteilung 14 auch eine Zuständigkeitskonzentration bei speziellen Spruchkörpern, den Kartellsenaten, vorschreibt. Diese besonders sachkundigen 1S Kartellsenate entscheiden über dieselben Fragen des materiellen Kartellrechts - je nach Verfahrensart - einmal als Verwaltungs-, dann als Zivil- und schließlich als "Strafgericht" nach dem OWiGI6. Hierdurch wird nicht nur die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefördert, sondern es wird auch gewährleistet, daß der engen Verflechtung zwischen Kartellzivil-, Kartellverwaltungs- und Kartellordnungswidrigkeitenrecht die erforderliche Beachtung zuteil wird 17. 9 Vgl. vor allem Zweigert, DVBl. 1953,225, 226ff.; ders., Festschrift Isay, S. 129, 142162; ders., DVBl. 1958, 733, 737fT.; GK/ ders., 2. Aufl., Vorbem. 2-6 vor §§ 62-75. 10 BVerfGE 4, 387, 399; Tettinger, S. 337; Rinck, Rdn. 1096. 11 Deshalb ist auch dann, wenn man die Zuweisungskompetenz des Bundesgesetzgebers von der Zweckdienlichkeit der Zuweisung abhängig macht (so Zweigert, Festschrift Isay, S. 129, 148), kein Verfassungsverstoß festzustellen. 12 Begr. RegE, Anl. 1 zu BT-Drucks. II/1158, S. 29. 13 Begr. RegE, a. a. O. mit einem Hinweis auf die unter der KartVO aufgetretenen Rechtsprechungsdivergenzen; Rittner, Konvergenz, S. 31, 33; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 517. 14 Löscher, Ehrengabe Heusinger, S. 289, 290; Kissel, § 21 e Rdn. 76; a. A. Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S. 73. 15 GK/v. Renthe gen. Fink, § 87 Rdn.2. Keine Überzeugungskraft entfalten die Befürchtungen von Forsthoff, Festschrift Isay, S.95, 118; GK/ Zweigert, 2. Aufl., Vorbem.6 vor §§ 62-75, mit der Einrichtung besonderer Kartellsenate werde die kartellrechtliche Judikatur von der übrigen Rspr. in Wettbewerbssachen abgetrennt. Die OLGe und der BGH können die Kartellsenate mit Richtern besetzen, die zugleich in den mit anderen Wettbewerbssachen befaßten Senaten tätig sind. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht, wie der Geschäftsverteilungsplan des BGH für das Geschäftsjahr 1986 (Beilage zum Bundesanzeiger v. 28.1. 1986, S.3, 5, 8fT.) zeigt; vgl. auch Hintze, WuW 1970, 571, 572; ders., DRiZ 1968, 89, 90. Zu weiteren Möglichkeiten der Harmonisierung der Rspr. vgl. den Geschäftsverteilungsplan des BGH, a. a. 0., S. 10 sowie Pfeiffer, Schwerpunkte 1978/79, S. 1, 2. 16 Pfeiffer, a.a.O., S. 1; Hintze, WuW 1970, 571f.
24
1. Teil: Rechtssystematische Einordnung
2. Kapitel
Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde: Klage oder Rechtsmittel? A. Vorbemerkungen Sehr umstritten war lange Zeit die Rechtsnatur der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde 18 • Während manche sie als ein Rechtsmittel einstuften 19, wurde sie von anderen als erstinstanzliches Verfahren, als modifizierte verwaltungsrechtliche Klage angesehen 20 • Der letztgenannte Standpunkt hat sich inzwischen durchgesetzt 21 • Der rechtstheoretischen Systematisierung als Klage oder als Rechtsmittel kommt allerdings - für sich genommen - keine unmittelbare Bedeutung zu, weil an diese Einordnung nicht automatisch eine bestimmte Rechtsfolge geknüpft wird 22 • Dennoch bleibt sie für die Rechtsanwendung relevant. Abgesehen davon, daß die Ermittlung klage- bzw. rechtsmitteltypischer Elemente den Blick für die korrekte Handhabung der so systematisierten einzelnen Vorschrift schärft, kann die Klassifizierung der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde als Klage bzw. als Rechtsmittel auch Bedeutung für die Antwort auf die Frage nach der (systemgerechten!) Beseitigung von Unvollkommenheiten der gesetzlichen Regelung erlangen 23 • Voraussetzung für den Rekurs auf die Rechtsnatur der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde ist allerdings, daß sich im Einzelfall nicht schon dem Gesetz selbst ein Anhaltspunkt für die Behebung des Mangels entnehmen läßt. Unter einem Rechtsmittel versteht die h.M.24 einen Rechtsbehelf, der den Eintritt der formellen Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung hemmt und diese der Kontrolle einer höheren Instanz unterbreitet; Charakteristika des Rechtsmittels sind danach vor allem der Devolutiv- und der Suspensiveffekt. Ohne daß im Rahmen dieser Arbeit auf die Diskussion um den RechtsmittelbeBegr. RegE, a.a.O.; Pfeiffer, a.a.O., S. 5; K. Schmidt, a.a.O. Zu dem ähnlich gelagerten Problem bei der patentgerichtlichen Beschwerde vgl. Benkardl Ballhaus, Vorbem. 1 ff. vor § 73 und - allerdings zum PatG a. F. - Bettermann, Festschrift Bötticher, S. 13, 16ff. 19 Rittner, Festschrift Kaufmann, S. 307,321; wie die h. M. aberjetztders., Wirtschaftsrecht, § 21 C III 1; ders., Einführung, § 14 C III 1. 20 Bettermann, a. a. 0., S. 18; ders., Beschwer, S. 27 f.; Hintze, WuW 1970, 571, 574f.; K. Schmidt, Gerichtsschutz, S. 3f.; Skouris, S. 184. 21 Vgl. nur den Beschluß des BVerfG 1 BvR 872/82 - vom 3. 12. 1986, S. 4. 22 Vgl. allg. SteinlJonaslGrunsky, Allg. Einl. I 2 vor § 511 und im besonderen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 539f. 23 Hintze, a.a.O., 575; vgl. auch Kuli, JZ 1961, 681, 682. 24 Eyermann1 Fröhler, § 58 Rdn.3; Redekerlv. Oertzen, § 124 Rdn.1; Stein 1Jonas 1Grunsky, a. a. 0.; Zöller 1Schneider, Vorbem. 2 vor § 511. 17 18
2. Kap.: Klage oder Rechtsmittel?
25
griff2 5 näher eingegangen werden kann, ist anzumerken, daß der Suspensiveffekt - verstanden als Hemmung des Eintritts der formellen Rechtskraft - in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten kein taugliches Differenzierungskriterium darstellt. Denn auch einer Anfechtungsklage kommt bestandskrafthemmende Wirkung ZU26. Der Suspensiveffekt bleibt deshalb im folgenden außer Betracht.
B. Argumente für die Einordnung als Rechtsmittel I. Die Anlehnung an die FGG-Beschwerde
Für die Qualifizierung der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde als ein Rechtsmittel spricht zunächst ihre partielle Anlehnung an die FGG-Beschwerde gern. §§ 19 ff. FGG. Diese Anlehnung war vom Gesetzgeber beabsichtigt27 und hat auch in der Terminologie des GWB ihren Niederschlag gefunden, welches von einer "Beschwerde" und nicht von einer "Klage" spricht 28 . Ferner entspricht § 62 I 2 GWB dem § 23 FGG29, § 65 V HS 1 GWB dem § 29 I 2 FGG30 und § 77 GWB31 ist dem § 13 a FGG nachgebildet 32 . 11. Die Anlehnung an andere Rechtsmittelvorschriften
Neben der partiellen Anlehnung an die FGG-Beschwerde können für die Einordnung als Rechtsmittel die in § 65 GWB statuierten Frist- und Formerfor2S So will z. B. F. Baur, Festschrift Fragistas, S.359, 366 auf das Erfordernis des DevolutivefTekts verzichten; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.535f. wendet sich gegen eine an den Merkmalen des Devolutiv- und des Suspensiveffekts orientierte Dichotomie zwischen Rechtsmittel und Klage; Gilles, S. 49, 106 sieht Rechtsmittel sogar als selbständige Klagen mit dem Ziel der Beseitigung der vorinstanzlichen Entscheidung an. 26 Vg!. etwa Pietzner / Ronellenfitsch, § 44 Rdn. 1. 27 Begr. RegE, An!. 1 zu BT-Drucks. II/1158, S. 30. 28 Aus dem Sprachgebrauch der Begr. RegE (a. a. 0., S. 28, 51: "Rechtsmittel") lassen sich dagegen keine Schlußfolgerungen ziehen, weil sie (a.a.O., S. 28) auch die Klage als Rechtsmittel bezeichnet. 29 Sachlich regelt § 62 I 2 GWB aber kein Rechtsmittelspezifikum, vg!. K. Schmidt, a.a.O., S. 538 m.w.N. 30 Begr. RegE, a. a. 0., S. 52 (zu § 52 IV RegE). Auch insoweit handelt es sich aber der Sache nach nicht um ein Rechtsmittelspezifikum, denn die Klageschrift im Zivilprozeß, in dem ein als Vertreter der Partei ausgewiesener Anwalt auftritt, muß ebenfalls von diesem unterzeichnet sein, vg!. BGHZ 92, 251, 255f.=NJW 1985,328,329. 31 Vg!.zur Auslegungdes§ 77 GWBden Beschluß des BVerfG-1 BvR 872/82-vom 3.12.1986, S. 18fT. 32 Hintze, WuW 1970, 571, 574; auch hier gilt das in Fn. 29f. Gesagte entsprechend. Die in § 72 GWB enthaltenen Verweisungen können dagegen nicht einmal als Beleg für die (förmliche) Anlehnung an das FGG dienen (a.A. Hintze, a.a.O. hinsichtlich § 72 Nr. 2 GWB). Dem Gesetzgeber standen insoweit nämlich nicht die FGG-Normen, sondern die Regelungen verwaltungsgerichtlicher Gesetze vor Augen, vg!. Begr. RegE, a. a. 0., S. 52 (zu § 58 RegE).
26
1. Teil: Rechtssystematische Einordnung
dernisse für die Einlegung und Begründung der Beschwerde angeführt werden, welche an den Rechtsmittelvorschriften der §§ 103 der süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetze 33 , 83 MRVO Nr. 165 34 und 11, 12 der Verfahrensordnung des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet v. 8.4.1949 35 ausgerichtet sind 36 • Auch die Gerichtsgebührenregelung des § 78 I 2 GWB, die auf die für die Berufung in Zivilsachen geltenden Vorschriften verweist, deutet auf ein Rechtsmittel hin. § 57 I 2 GWB spricht sogar ausdrücklich von einem Rechtsmittel. 111. Die Ausgestaltung der Anfechtungsbefugnis Waren die bisher genannten Aspekte eher äußerlicher Natur, so beinhaltet die Ausgestaltung der Anfechtungsbefugnis gern. § 62 11 GWB einen materiellen Grund für die Klassifizierung der Beschwerde als Rechtsmittel. Durch die formalisierte Einräumung der Anfechtungsbefugnis an die am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten ohne das Erfordernis der Geltendmachung einer Rechtsverletzung seitens des Beschwerdeführers übernimmt die Beschwerde Elemente des "Rechtsmittelmodells" , bei dem die Parteien des Rechtsmittelverfahrens - vom Nebenintervenienten abgesehen - mit denen der Vorinstanz identisch sind 37. Allerdings kommt dem Gesichtspunkt der rechtsmittelähnlichen Ausgestaltung der Anfechtungsbefugnis kein allzu großes Gewicht zu, weil die Befugnis zur Erhebung der Verpflichtungs beschwerde gern. § 62111 GWB - vergleichbar der Klagebefugnis gern. § 42 11 VwGO - nicht an die Verfahrensbeteiligung, sondern ausschließlich an die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers anknüpft 38 , die Beschwerde insoweit also nicht Rechtsmittel-, sondern Klagecharakter hat 39 • Diese Erkenntnis leitet zu den Argumenten über, die den Klagecharakter der Beschwerde stützen. 33
232f.
Vgl. z. B. VGG für Württemberg-Baden v. 16.10.1946, Regierungsblatt, S.221,
Vgl. Verordnungsblatt für die Britische Zone 1948, S. 263,270. Verordnungsblatt für die Britische Zone 1949, S. 127, 128f. In der Begr. RegE, a.a.O., S. 52 (zu § 52 I-III RegE) ist als Datum der 8. August 1949 genannt. 36 Begr. RegE, a.a.O.; vgl. ferner Griesshaber, S. 40f. 37 Bettermann, Festschrift Bötticher, S. 13, 20; ders., Beschwer, S.28. Dagegen verkennt K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 537 f., daß in der Einordnung der Anfechtungsbefugnis als rein prozessuales Problem das rechtsmitteltypische Element liegt, vgl. Bettermann, Staatsbürger und Staatsgewalt II, S. 449, 450. 38 A. A. K. Schmidt, a.a.O., S. 522ff.; ders., Gerichtsschutz, S. 56ff.; lmmenga/Mestmäcker / K. Schmidt, § 62 Rdn.32, auf dessen Einwände unten 5. Teil, 3. Kap. B eingegangen wird. 39 Bettermann, Festschrift Bötticher, S. 13, 20f.; ders., Beschwer, S.29. 34
35
2. Kap.: Klage oder Rechtsmittel?
27
C. Argumente für die Einordnung als Klage I. Die Orientierung an rur die verwaltungsgerichtliche Klage entwickelten Prinzipien Für die Einordnung der Beschwerde als erstinstanzliche Klage läßt sich anführen, daß sich der Gesetzgeber nicht nur von der FGG-Beschwerde, sondern auch von für die verwaltungsgerichtliche Klage entwickelten Prinzipien leiten ließ40, was vor allem die §§ 62111 41 ,63 42 und 63a GWB43 zeigen 44 •
11. Die BeteiIigtensteUung der KarteUbehörde Zu beachten ist ferner die durch § 66 I Nr. 2 GWB angeordnete BeteiligtensteIlung der Kartellbehörde 45 • Sie deutet auf ein von Parteien betriebenes Klageverfahren hin 46 •
111. Das Fehlen des Devolutiveffekts Für die Einstufung der Beschwerde als erstinstanzliche Klage spricht jedoch entscheidend das Fehlen des Devolutiveffekts. Zwischen Kartellbehörde und Kartellbeschwerdegericht besteht nämlich kein durchlaufender Instanzenzug. Dies gilt ohne weiteres dann, wenn man einen einheitlichen Instanzenzug nur zwischen Staatsorganen gleicher Qualität für möglich hält 47 • Aber auch dann, wenn man nicht auf die Stellung im Staatsaufbau, sondern darauf abstellt, ob die höhere Instanz in die Befugnisse der unteren eintritt, muß ein Devolutiveffekt verneint werden. Zwar kontrolliert das Gericht auch die Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe und die Ermessensausübung durch die Kartellbehörde prinzipiell in vollem U mfang 48 • Die Kartellbehörde behält jedoch, wie § 70 11 Begr. RegE, An!. 1 zu BT-Drucks. II/1158, S. 30. Diese Regelung geht auf § 35 II der süddeutschen VGG zurück, vgl. Begr. RegE, a.a.O., S. 51 (zu § 49 III RegE). 42 Vorbilder waren §§ 51 der süddeutschen VGG, 51 MRVO Nr. 165, vg!. Begr. RegE, a.a.O. (zu § 50 I RegE). 43 Diese durch die 2. GWB-Novelle eingeführte Regelung orientiert sich an den §§ 80 VwGO, 69 FGO, vgl. Begr. RegE 2. GWB-Novelle, An!. 1 zu BT-Drucks. VI/2520, S. 36. 44 Auf verwaltungsprozeßrechtliche Vorbilder gehen auch die §§ 68 II, 69 III und 72 GWB zurück, vg!. Begr. RegE, a.a.O., S. 52 (zu §§ 55 II, 56 II, 58 RegE). 45 Entgegen ihrem Wortlaut gilt diese Vorschrift auch für die Verpflichtungsbeschwerde, vg!. nur Langen / Niederleithinger / Ritter / U. Schmidt, § 66 Rdn. 2. 46 Bettermann, Festschrift Bötticher, S.13, 20; Hintze, WuW 1970, 571, 575; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 536. 47 So Abg. Dr. Arndt, Rechtsausschuß, Protokoll II/217, S. 51; W. Bernhardt, § 49 I; Begr. RegE des 6. ÜG, An!. 1 zu BT-Drucks. III/ 1749, S.42 (bei 2a); einschr. W. Bernhardt / Kraßer, § 23 II a 1; a.A. BGH GRUR 1969, 562, 563; Benkard/ Ballhaus, Vorbem. 3 vor § 73; Bettermann, Festschrift Bötticher, S. 13, 16. 40
41
28
1. Teil: Rechtssystematische Einordnung
2 GWB zeigt, auch nach der Beschwerdeerhebung die Verfügungsmacht über die angefochtene Entscheidung 49 • Dem entspricht es, daß das Gericht bei begründeter Verpflichtungs beschwerde die erstrebte Verfügung nicht selbst erlassen, sondern nur die Kartellbehörde zum Erlaß der Verfügung verurteilen kann 50.
D. Ergebnis Festzuhalten bleibt demnach: Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde ist eine besondere erstinstanzliche Verwaltungsklage, die sich teils ausdrücklich, teils stillschweigend an verschiedene Verfahrensordnungen (Verwaltungsgerichtsprozeß, FGG-Beschwerde, Zivilprozeß, GVG) anlehnt und partiell sogar Rechtsmittelelemente aufweist; sie kann als ein Schulbeispiel für die Schwierigkeiten, die mit der Systematisierung von Rechtssätzen verbunden sein können, angesehen werden. 3. Kapitel
Das Verhältnis zwischen Kartellverwaltungsprozeß und Verwaltungsgerichtsprozeß A. Vorbemerkungen Handelt es sich bei der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde um eine den ordentlichen Gerichten zugewiesene besondere Verwaltungsklage, stellt sich die Frage nach ihrem Verhältnis zu dem allgemeinen Verwaltungsprozeß nach der VwGO. In diesem Kontext müssen zwei Problemkreise auseinandergehalten werden: Zum einen die Frage nach einer ergänzenden Anwendbarkeit der VwGO durch die Kartellbeschwerdegerichte, soweit die §§ 62ff. GWB in der Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens, in der "Binnenstruktur" des Kartellverwaltungsprozesses, Lücken aufweisen, zum anderen die Frage nach etwaigen Rechtsschutzmöglichkeiten in Kartellverwaltungssachen durch die Verwaltungsgerichte, d. h. die Frage nach der äußeren Reichweite des Kartellbeschwerdeverfahrens.
Sehr str.; zur Begründung unten 2. Teil, 2. Kap. eIl 1, 2a. Bettermann, a. a. 0., S. 19f.; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 536f.; a.A. Kuli, JZ 1961, 681, 686. so Bettermann, a.a.O., S. 19; ders., Beschwer, S. 27f. 48
49
3. Kap.: Kartellverwaltungsprozeß und Verwaltungsgerichtsprozeß
29
B. Ergänzende Anwendbarkeit der VwGO im Kartellbeschwerdeverfahren I. Direkte Anwendung Soweit die Auslegung der §§ 62ff. GWB im Einzelfall das Bestehen einer Regelungslücke offenbart 51 , ist zunächst eine direkte ergänzende Anwendung der VwGO zu erwägen, der dann die Rolle einer subsidiären Auffangregelung zukäme. Ein solcher direkter Rückgriff auf die VwGO erscheint angesichts des materiellen Charakters der Kartellbeschwerde als besonderes Verwaltungsstreitverfahren naheliegend. Dabei würde aber übersehen, daß dieses Verwaltungsstreitverfahren gerade nicht den Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsprozesses, sondern einer eigenständigen, an verschiedenen Verfahrensordnungen orientierten Regelung unterworfen wurde. Eine generelle subsidiäre Anwendung der VwGO liefe diesem spezifischen Regelungsgehalt der §§ 62ff. GWB zuwider und ist deshalb abzulehnen 52.
11. Analoge Anwendung Aus diesen Überlegungen ergeben sich auch die Grenzen, die einer analogen Anwendung von Normen der VwGO im Kartellverwaltungsprozeß gesetzt sind. Zwar kommt eine Analogie 53 durchaus in Betracht, wenn die betreffende Vorschrift der VwGO eine vergleichbare Interessenlage regelt S4 • Ob diese Voraussetzung vorliegt, muß aber in jedem Einzelfall unter sorgfältiger Berücksichtigung des besonderen Charakters der kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerde und der ihr zugrunde liegenden eigenständigen Wertungsgedanken ermittelt werden 55. Demgegenüber erscheint die Auffassung 56 , es müsse danach unterschieden werden, ob die fragliche Bestimmung der VwGO eine den Vgl. hierzu Canaris, Lücken, passim; Larenz, S. 354ff. Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn. 5; Langen j Niederleithinger j Ritter j U. Schmidt, § 62 Rdn. 3. 53 Vgl. dazu Larenz, S. 365ff. 54 Vgl. z.B. KG WuW JE OLG 1731, 1732. 55 BGHZ 67, 104, 110f.=WuW JE BGH 1435, 1438; KG WuW JE OLG 1776, 1778f.; 1731,1732; 1046, 1047; GKj Hinz, Vorbem. 7vor§§ 62-75; FrankfurterKommentar,§ 62 Rdn.8; Loewenheimj Belke, Vorbem. 3 vor § 62; Rittner, ZHR 145 (1981), 599, 601 f.; Müller j Gießler j U. Scholzj Schreven, Vorbem. 2 vor § 62; Langenj Niederleithinger j Ritter j U. Schmidt, § 62 Rdn. 3. 56 So GK j v. Renthe gen. Fink, Vorbem. 5 vor § 76 mit unpräzisen Nachweisen für seine, von ihm als herrschend bezeichnete, Ansicht: Die zitierten Entscheidungen WuW JE BGH 1047,1363 betreffen Kartellzivilprozesse, KG WuW JE OLG 966 behandelt das Verwaltungsverfahren vor der Kartellbehörde. Die weiter angeführten Entscheidungen WuW JE BGH 1174, KG WuW JE OLG 1047, OLG Saarbrücken WuW JE OLG 825 u. OLG Stuttgart WuW JE OLG 404 beziehen sich zwar auf das Kartellbeschwerdeverfahren, doch ist nicht ersichtlich, weshalb sie die von G K j v. Renthe gen. Fink, a. a. O. befürwortete Differenzierung stützen sollten. 51
52
30
1. Teil: Rechtssystematische Einordnung
Betroffenen belastende Regelung treffe (in diesem Fall sei die Analogie nur zulässig, wenn sich die VwGO-Norm als Ausdruck eines allgemeinen, auch in anderen Prozeßgesetzen enthaltenen Rechtsgrundsatzes darstelle) oder nicht (dann sei die Analogie ohne weiteres möglich), als zu schematisch. Erforderlich bleibt im Einzelfall stets das "Zu-Ende-Denken eines Gedachten"s7, die möglichst widerspruchsfreie Ausfüllung der im gesetzlichen Normenprogramm enthaltenen Lücken. III. Exkurs: Analogie zu Vorschriften anderer Verfabrensordnungen Auf der Suche nach einer analogiefähigen Norm wird man zwar zuerst die VwGO befragen, weil diese dem Kartellverwaltungsprozeß am nächsten steht S8 • Wegen der Beschränkungen, denen eine analoge Anwendung der VwGO unterliegt, ist aber eine Analogie zu Vorschriften anderer Verfahrensordnungen keineswegs ausgeschlossen. Vor allem sind die Regelungen des FGG, an welchem sich der Gesetzgeber in weiten Teilen orientierte, und der ZPO im Auge zu behalten S9. Aber auch sonstige Prozeßrechtsnormen, wie z. B. die §§ 73 ff. PatG, sind zu beachten 60 •
C. Verwaltungsrechtsweg in Kartellverwaltungssachen? I. Klagen gegen die Kartellbehörde Klagen, die in kartellverwaltungsrechtlichen Streitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten gegen die Kartellbehörde erhoben werden, sind stets als unzulässig abzuweisen 61 . Dabei wird unter einer Kartellverwaltungssache jede Streitigkeit verstanden, die zwischen dem Betroffenen und der Kartellbehörde aus einem aktuellen oder im Hinblick auf ein potentielles - nicht notwendig förmliches i. S. d. §§ 51 ff. GWB61 - Verwaltungsverfahren vor der Kartellbehörde entsteht, welches die Durchsetzung materieller Kartellrechtsvorschriften bezweckt. Radbruch, S. 207., KGWuWjEOLG 1731, 1732. 59 Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn.8; GKj Hinz, Vorbem.7 vor §§ 62-75; Langen j Niederleithinger j Ritter j U. Schmidt, § 62 Rdn. 3. 60 Insoweit zutr. GKjv. Renthe gen. Fink, Vorbem. 5 vor § 76; vgl. auch BGHZ 84, 320f.=WuWjE BGH 1947, 1948. 61 VG Berlin Wu W j E VG 208; Langen j Niederleithinger j Ritter j U. Schmidt, § 62 Rdn.4; GKj Hinz, Vorbem.2 vor §§ 62-75; lmmengaj Mestmäcker j K. Schmidt, § 62 Rdn.1. 62 Gemeint ist hier ein "Verwaltungsverfahren in einem weiten Sinn", vgl. Langenj Niederleithinger j Ritter j U. Schmidt, § 51 Rdn. 3, allerdings mit unzutr. Beurteilung der Reichweite der Anfechtungs- und der Verpflichtungsbeschwerde. 57
58
3. Kap.: Karteliverwaltungsprozeß und Verwaltungsgerichtsprozeß
31
Soweit das betreffende Rechtsschutzbegehren (z. B. die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gern. § 42 I VwGO) bereits in den §§ 62ff. GWB eine eigenständige Regelung erfahren hat (hier in der Anfechtungsbeschwerde gern. § 62 I GWB), ergibt sich der Ausschluß des Verwaltungsrechtswegs bereits aus dem Wortlaut der §§ 62 IV, 96 I GWB, 40 I 1 VwGO. Die Verdrängungswirkung der §§ 62ff. GWB erschöpft sich jedoch nicht in einer lediglich enumerativen Sonderkompetenz der Kartellbeschwerdegerichte, sondern wirkt umfassend 63 • Denn das Erfordernis einer ausdrücklichen Zuweisung i. S. d. § 40 I VwGO bedeutet nur, daß der Wille des Gesetzgebers, für einen bestimmten Bereich in seiner Gesamtheit eine Zuständigkeitsregelung zu treffen, im Gesetz Ausdruck gefunden haben muß, ohne daß dies auch für alle einzelnen diesem Rechtsgebiet zuzurechnenden Streitigkeiten besonders gesagt sein müßte 64. Der eindeutige Wille des Gesetzgebers, "alle (scil. Kartell-) Rechtssachen den ordentlichen Gerichten" zuzuweisen 6s und durch diese Zuständigkeitskonzentration eine Rechtswegspaltung in Kartellsachen zu vermeiden, hat aber - was die abweichende Auffassung 66 verkennt - in dem Zusammenspiel der beiden Absätze des § 96 GWB, also auch im Gesetz selbst, einen hinreichend bestimmten, objektivierten Niederschlag 67 gefunden 68 • Während § 96 I GWB für Streitigkeiten mit kartellrechtlichem Streitgegenstand die ausschließliche Zuständigkeit der Kartellgerichte anordnet, erweitert § 96 11 GWB diese "Hauptsachenkompetenz"69 noch um die "Vorfragenkompetenz"70, d.h. um die Zuständigkeit zur Entscheidung kartellrechtlicher Vorfragen, die in Prozessen mit nichtkartellrechtlichem Streitgegenstand auftreten. Allerdings erfaßt § 96 I GWB nach seinem Wortlaut nicht alle, sondern nur die im GWB ausdrücklich normierten Kartellrechtssachen und der Aussetzungszwang des § 96 11 GWB unterliegt vielfachen Einschränkungen 71. In § 96 GWB manifestiert sich aber - und nur darauf kommt es nach dem oben Gesagten an - die legislatorische Zielsetzung, die Entscheidung von Kartellrechtsfragen 63 Vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.518f.; ders., Gerichtsschutz, S.4f.; Rittner, ZHR 145 (1981), 599, 600; Müller j Gießler (U. Scholz( Schreven, Vorbem. 5 vor § 62 sowie die oben Fn. 61 genannten Literaturstellen. 64 So BVerwGE 15,34,36; Schwarz, WuW 1967, 175, 191; Kopp, VwGO,§ 40 Rdn. 49f. 6S Begr. RegE, Anl. 1 zu BT-Drucks. 11(1158, S. 29. 66 Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn. 9, auch Rdn. 42 a. E.; Buschmann, BB 1961,434, 435; Krüger, DB 1958,71,73; Forsthoff, Festschrift Isay, S. 95, 111, 115; irrigerweise zitiert der Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn. 9 auch F. Baur, ZZP 72 (1959),3, 13f. für seine Meinung, obwohl F. Baur, a. a. O. der hier vertretenen Ansicht folgt. 67 Zur allgemeinen Bedeutung dieses Kriteriums für die Gesetzesinterpretation vgl. BVerfGE 11, 126, Bor.; Radbruch, S. 207; Larenz, S. 30iff., 313ff., 329f. 68 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 518. 69 Immengaj Mestmäcker (K. Schmidt, § 96 Rdn. 4. 70 Immenga( Mestmäcker (K. Schmidt, a. a. O. 71 Vgl. dazu eingehend GK(v. Renthe gen. Fink, § 96 Rdn. 8ff., 17ff.; Immengaj Mestmäcker (K. Schmidt, § 96 Rdn. 7ff.; v. Winterfeld, NJW 1985, 1816, 1818ff.
32
1. Teil: Rechtssystematische Einordnung
allein den Kartellgerichten zu übertragen. Der Verwaltungsrechtsweg ist demnach in Kartellverwaltungssachen selbst dann nicht eröffnet, wenn die Auslegung ergibt, daß die fragliche Rechtsschutzform (z. B. eine Feststellungsbeschwerde) in den §§ 62 ff. GWB keine Regelung gefunden hat, die VwGO aber diese Rechtsschutzform (hier also die Feststellungsklage gern. § 43 VwGO) bereitstellt 72 • Deshalb muß an Stelle einer pauschalen Flucht in den Verwaltungsrechtsweg im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um ein - auch im Hinblick auf Art. 19 IV 1 GG zulässiges - "beredtes Schweigen" des Gesetzes oder um eine planwidrige Regelungslücke handelt. Im ersten Fall kann das fragliche Rechtsschutzbegehren überhaupt nicht verfolgt werden, im zweiten ist die Lücke im Wege richterlicher Rechtsfortbildung 73 - insbesondere durch entsprechende Anwendung der im Verwaltungsgerichtsprozeß geltenden Regeln - zu schließen 74 • Dies alles gilt nicht nur für Klagen Privater, sondern auch für Klagen, die von Hoheitsträgern, etwa von Körperschaften des öffentlichen Rechts, gegen die Kartellbehörde erhoben werden. Dies ist unproblematisch, soweit der Hoheitsträger als Unternehmen i. S. d. § 98 I GWB angesehen werden kann 7S. Aber auch wenn der Hoheitsträger nicht als Unternehmen i.S.d. Kartellrechts zu qualifizieren ist, ergibt sich hinsichtlich der Rechtswegfrage keine abweichende Beurteilung. Denn auch dann geht es um die Kontrolle des kartellbehördlichen HandeIns im Kartellverwaltungsverfahren und diese Kontrollaufgabe ist - wie gezeigt - nicht den Verwaltungsgerichten, sondern den Kartellbeschwerdegerichten zugewiesen 76. Handelt es sich dagegen nicht um kartellrechtliches, sondern um sonstiges Verwaltungshandeln der Kartellbehörde, so ist der Verwaltungsrechtsweg oder - im Fall einer Sonderzuweisung - ein sonstiger Rechtsweg eröffnet 77 • Eine 72 Die Entscheidung BGHZ 41, 194=WuW jE BGH 582 steht dieser Auffassung nicht entgegen, denn dort ging es nicht um eine kartellverwaltungsrechtliche Streitigkeit, sondern um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit mit kartellrechtlicher Vorfrage, vgl. unten 1. Teil, 3. Kap. C III. 73 Hierunter wird im Anschluß an Larenz, S. 351 ff. sowohl die gesetzesimmanente als auch die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung verstanden. 74 Die Fortbildung des Kartellbeschwerderechts genießt Vorrang gegenüber der Subsidiärzuständigkeit der allgemeinen ordentlichen Gerichte gern. Art. 19 IV 2 GG, vgl. Hertin, S.154; K. Schmidt, Gerichtsschutz, S.5 bei und in Fn.19; zu der damit angesprochenen Frage nach einer Ausdehnung der Beschwerdearten vgl. unten 8. Teil. 7S ZU dieser sehr umstrittenen Frage vgl. einerseits BGH NJW 1980, 1046 = WuW jE BGH 1661, 1663; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 253ff.; ders., Kartellrecht, S. 28ff. und andererseits Rittner, Wirtschaftsrecht, § 14 A I 3; ders., Einführung, § 6 A I 3 mit zahlreichen Bsp. 76 Unrichtig deshalb v. Köhler, NJW 1961, 2093, 2096 r. Sp.; vgl. auch die treffende Kritik von Decker j Müller, WuW 1963, 307, 311 unter Nr. 14. 77 Langenj Niederleithingerj Ritterj U. Schmidt, § 62 Rdn.5; Immengaj Mestmäckerj K. Schmidt, § 62 Rdn. 1; ders., Gerichtsschutz, S. 5 Fn. 18.
3. Kap.: Karteliverwaltungsprozeß und Verwaltungsgerichtsprozeß
33
kartellverwaltungsrechtliche Streitigkeit kann nicht allein deshalb verneint werden, weil sich die Kartellbehörde auf andere Vorschriften als das GWB stützt. Maßgeblich ist vielmehr, ob es sachlich um die Durchsetzung materieller Kartellrechtsnormen geht oder nicht. Deshalb ist z. B. ein auf das Verwaltungsvollstreckungsgesetz gestützter Verwaltungsakt zur Durchsetzung einer kartellrechtlichen Untersagungsverfügung mit der Anfechtungsbeschwerde gern. § 62 I, IV GWB vor dem Kartellsenat des zuständigen OLG anzugreifen 78, während etwa ein Hausverbot, das gegen den Syndikus eines am Kartellverwaltungsverfahren beteiligten Unternehmens verhängt wurde, der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage gern. § 42 I VwGO unterliegt 79 und für Streitigkeiten aus dem Vollzug des § 20 AGBG der Rechtsweg nach §§ 23ff. EGGVG zum KG jedoch nicht zu dessen Kartellsenat! - gegeben ist so .
11. Klagen seitens der KarteUbehörde Das Problem des Rechtswegs in Kartellverwaltungssachen stellt sich auch, wenn die Kartellbehörde einmal nicht die Beklagtenstellung innehat, sondern außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 62 I, 11 i. V.m. 51 III GWB - als Klägerin auftritt. Diese Fragestellung wird vor allem dann akut, wenn die an einem Zusammenschluß beteiligten Unternehmen zur Vermeidung einer auf § 24 I, 11 1 GWB gestützten Untersagungsverfügung Zusagen hinsichtlich bestimmter struktureller Maßnahmen für die Zeit nach Ablauf der Untersagungsfrist - sog. Nachfristzusagen - gegenüber dem Bundeskartellamt (§ 44 I Nr. 1 c GWB) abgegeben haben, diese Zusagen aber nach Fristablauf nicht einhalten 81 • Die zwischen dem Bundeskartellamt und den beteiligten Unternehmen getroffene Vereinbarung wird von der h. M. 82 als grds. zulässiger (subordinationsrechtlicher) öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. d. §§ 54ff. VwVfG angeseLangen 1Niederleithinger 1Ritter 1U. Schmidt, a. a. O. Frankfurter Kommentar, § 62 Rdn. 42. 80 KG OLGZ 1980, 394; Wolfl Horn 1Lindacher, § 20 Rdn.9; Langen 1Niederleithinger 1Ritter 1U. Schmidt, a. a. 0.; Klemp, BB 1977, 1121. 81 Dies ist, soweit ersichtlich, bisher nicht vorgekommen, vgl. auch Traumann, DB 1981, 976, 977. Entgegen Emmerich, Kartellrecht, S. 302 ergibt sich auch aus dem Verfahren "Bayer 1Metzeler" nichts anderes, weil in diesem Fall die Erfüllung der Zusage nach Auffassung des BKartA (TB 1979/80, S. 69) nicht mehr erforderlich war. 82 BGH NJW 1979, 2563f.=WuW/E BGH 1556, 1557f.; KG WuW/E OLG 1758, 1763; R. Scholz, Festschrift Günther, S. 223, 225ff; Riesenkampff, WuW 1977,291, 299f.; Langen 1Niederleithinger 1Ritter 1U. Schmidt, § 24 Rdn.60; Harms, Schwerpunkte 1976/77, S. 43,62; Traumann, Zusage, S. 55ff., 65ff.; ders., DB 1981, 976, 977; Schultz, WuW 1982, 429, 434ff.; KleinmannlBechtold, §24 Rdn.179ff.; CanenbleylMoosecker, S. 100ff., 299f.; dagegen jedoch Monopolkommission, 1. Hauptgutachten, Tz. 936ff.; Satzky, ZHR 141 (1977),554, 570ff.; Wolter, WuW 1979, 213, 217ff.; ImmengalMestmäcker, § 24 Rdn. 181 ff.; Windhichler, Verfahren, S. 46; Möschel, Wettbewerbsbeschränkungen, Rdn. 884; Emmeric".