Recht als Symmetrie: Ein Beitrag zur Theorie des subjektiven Privatrechts 9783161541834, 9783161532238

In der Privatrechtsordnung gibt es scheinbar unzählige Grundsätze und Normen, nach denen Vor- und Nachteile nach symmetr

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German Pages 371 [373] Year 2016

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Vorläufige Phänomenologie der symmetrischen Ordnungswirksamkeit im Privatrecht
II. Die Symmetrie in einer auf subjektiven Rechten aufbauenden Privatrechtsordnung – Theoretische Standortbestimmung
1. Genealogie des subjektivrechtlichen Paradigmas
a. Die humanistische Ius-Semantik als Ausgangslage vor der Aufwertung der subjektiven Rechte
b. Vom Übergang von der norma agendi zur facultas agendi im Naturrecht der Neuzeit bis zum Primat des subjektivrechtlichen Paradigmas
c. Perpetuierung des wertverlorenen subjektivrechtlichen Paradigmas trotz Dekonstruktion der Willenslehren nach 1870
d. Perpetuierung des wertverlorenen subjektivrechtlichen Paradigmas durch Formallogik und Schuldrechtsdogmatik nach 1945
2. Die anti-symmetrische Tendenz der subjektivrechtlichen Theorie – Von der dreifachen Problemverkürzung durch das subjektivrechtliche Paradigma als einem natur- und vernunftrechtlichen Erbe
a. Die Theorien der Befugnis als heimliche Abstraktion der Eigentumslehre
b. Die Vergessenheit der Pflicht
c. Die Theorielücke bei Befugnissen am Verhalten anderer
3. Entgrenzung des subjektiven Rechts für und durch eine Symmetrietheorie
III. Grundannahmen zum Symmetriesatz
1. Die Symmetrieglieder: objektbezogene Vorteile und Nachteile
2. Die Symmetrieobjekte: Ding, Verhalten, Person
3. Die Symmetrierelation: Konzentration und Komplementarität
IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre
1. Eine symmetrische Theorie als Teil der subjektivrechtlichen Theorienfamilie
2. Wider die formorientierte Denkungsart – Zur Paradoxie der relativen Berechtigung
3. Der Symmetriesatz als Sollensbefehl
4. Umkehr der Verhältnisse: vom Perzeptionsmittel zum Primärphänomen
Erster Hauptteil. Die statische Verteilungsordnung
Erster Abschnitt. Grundformen privatrechtlicher Rechtszuständigkeiten
§ 1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen
I. Die formale Rechtszuständigkeit
1. Verkehrsbedürfnisse als Formkraft im deutschen Vermögensrecht
2. Die Abschirmungswirkung der formgefassten Rechtszuständigkeit – Eine Fortsetzung
3. Die rechtssichernde Funktion von formalen Zuständigkeitstypen
II. Die Fixierung der subjektivrechtlichen Vermögensbefugnis in der Form – Rückbezug
III. Durchbrechung der Formenordnung durch materiale Symmetriebildung
IV. Plan der Darstellung
Zweiter Abschnitt. Die formale Rechtszuständigkeit
Erster Unterabschnitt. Die formale Rechtszuständigkeit für Dinge
§ 2 Eigentum als Konzentration und Komplementarität
I. Eigentum als Konzentration: lucrum sentit dominus – casum sentit dominus
1. Der Konnex von lucrum und casum als freiheitsfunktionales Axiom bei der Handlung
2. Derselbe Konnex als freiheitsfunktionales Axiom beim äußeren Mein
II. Eigentum als Komplementarität im Vindikationsfolgenrecht: actiones directae – actiones contrariae
1. Zur spezifischen Komplementarität und heterochiralen Verteilung
2. Zwischenbemerkung zur Dogmatik des Vindikationsfolgenrechts
3. Die Verschlüsselung der Symmetrik im Lauf der Dogmenentwicklung
4. Einzelne Symmetriezwänge und Symmetrieursachen
a. Der Symmetriedruck der Nutzungsobliegenheit: accessorisches commodum – periculum
b. Der Symmetriedruck der Gefahrbelastung: periculum – commodum
Zweiter Unterabschnitt. Die formale Rechtszuständigkeit für Verhalten und Person
§ 3 Die Wirkungszuständigkeit bei stellvertretendem Handeln
I. Die durch das Primat der Willenslehren gehemmte Entwicklung des Instituts der direkten Stellvertretung
II. Das Verteilungsprinzip von Anrechnung und Ausschließung
§ 4 Die Organschaft als notwendige Zuständigkeitsform
I. Die Negation des Organs als Anrechnung positiver Handlungsfolgen
II. Die Wirkungszuweisung durch die strikte Organhaftung und ihre symmetrietopische Rechtfertigung
1. Bedeutung der juristischen Konstruktionen
2. Konsens über einen symmetrietopischen Kern
3. Die Organmetapher und die freiheitsaxiomatische Verbindung von lucrum und casum
§ 5 Die negotiorum gestio als fiktive Wirkungszuständigkeit
I. Vorbemerkung zu den Gestionstypen im System bürgerlich-rechtlicher Geschäftsführung
II. Das Gestionsverhältnis als Konzentration und Komplementarität
III. Die negotiorum gestio als fingierte Rechtszuständigkeit am Verhalten für andere
1. Die drei Hauptkonzeptionen der negotiorum gestio in ihrer Entwicklung
2. Deutungsversuche zur modernen negotiorum gestio in der Lehre
3. Die fiktive Rechtszuständigkeit an den Handlungsfolgen .
Dritter Abschnitt. Durchbrechung der formalen Verteilungsordnung
§ 6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung
I. Wesentliche Theorieentwürfe zur Entformalisierung der Verteilungsordnung
II. Die Semantik der relativen Befugnis als Abstraktionsproblem
III. Die binäre Kodierung der materialen Symmetrieklassen – Theoretische Grundlegung
IV. Wesentliche Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung
Erster Unterabschnitt. Der Schutz relativer Rechte im Schadens-und Vollstreckungsrecht
§ 7 Der Schutz relativer Positionen durch das Institut der Schadensliquidation für Dritte
I. Bestandsaufnahme zum liquidationsrechtlichen Drittschutz
1. Vorbemerkung zum Ordnungsrahmen
2. Genealogie des liquidationsrechtlichen Drittschutzes
3. Typologie des liquidationsrechtlichen Drittschutzes
4. Topik des liquidationsrechtlichen Drittschutzes
II. Geltungsgrund der Liquidationsbefugnis
1. Die Verteilungsrelevanz des Dinganspruchs
2. Ausgleichsgrund und Drittschutz
3. Vorteilszuweisung an den Gefahrträger
III. Die Drittschadensliquidation als materiales Symmetrieverhältnis
1. Das kulpose Handeln des Schädigers als Wertungsmoment
2. Frustrierung des Vermögensopfers oder Entwertung einer unentgeltlichen Zuwendung für den Dritten
3. Die hypothetische Asymmetrie zwischen Opfer und Entlastung im Rückbezug zur Formteleologie
4. Zur Figuration der relativen Liquidationsbefugnis
§ 8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe
I. Bestandsaufnahme zum vollstreckungsrechtlichen Drittschutz
1. Genealogie des vollstreckungsrechtlichen Drittschutzes
2. Typologie des exekutionsrechtlichen Drittschutzes
3. Topik des Drittschutzes bei Gläubigerzugriffen
II. Die Axiologie der Bestandsfestigkeit obligatorischer Positionen
1. Doppelsträngigkeit des Treugeberprivilegs
2. Treuhandkriterien und Treuhandparadox
III. Das Privileg als verschlüsseltes materiales Symmetrieverhältnis zwischen Drittbetroffenen und Gläubiger
1. Die hypothetische Asymmetrie zwischen Gläubigervorteil durch drittwirksame Exekution und exekutionsbewirktem Drittnachteil
2. Der unwiederbringliche Drittnachteil im historischen Rückblick
3. Wider die Abstraktionstendenz des relativen Eigens zur tripolaren Symmetriefigur
4. Das Rechtfertigungsdefizit bei einer hypothetischen Asymmetrie
Zweiter Unterabschnitt. Die Schwächung der formalen Rechtszuständigkeit
§ 9 Prinzipien der kondiktions- und haftungsrechtlichen Version
I. Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs
1. Entstehung und historische Begründung der Versionsprinzipien von 1900
2. Wirkungsbeispiele aus der Rechtsprechung
II. Schwäche des unredlichen Erwerbs
III. Die Prinzipien der Schwächung formaler Rechtszuständigkeit als Symmetriesätze
§ 10 Die Unbeständigkeit unredlichen oder unentgeltlichen Erwerbs bei Gläubigeranfechtung – Fortsetzung und Rückbezug
I. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs
II. Die Schwäche des unredlichen Erwerbs
III. Die Prinzipien der Schwächung formaler Rechtszuständigkeit als Symmetriesätze – Zusammenfassung zu materialen Symmetrien
Dritter Unterabschnitt. Symmetrische Risikobelastung im privaten Haftungsrecht
§ 11 Symmetriegerechte Wagnisumschichtung durch objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen
I. Die Begründungen für Wagnisabwälzung durch objektive Haftung
1. Sprachlich begründete Scheinunterschiede
2. Sprachliche Überprüfung der Meinungsdifferenz
3. Zum untergründigen Konflikt zwischen Effizienzkalkül und Symmetriegerechtigkeit
II. Die Erkennbarkeit der materialen Symmetrie an der Umbruchstelle vom Prinzip zur Regel
1. Das preußische Eisenbahngesetz und das Haftpflichtgesetz
2. Elemente objektiver Haftung im Bürgerlichen Gesetzbuch
3. Die Haftung für Kraftfahrzeuge und Flugzeuge
4. Die Haftung für Kernanlagen und Gentechnik
5. Sozialer Opferschutz und Nutznießungsgedanke als zentrale Topoi
III. Die symmetriewirksame Konturierung der Haftungstatbestände
§ 12 Elemente symmetriegerechter Wagnisverteilung bei der Verschuldenshaftung
I. Bestandsaufnehmende Stoffbegrenzung
II. Symmetrietopische Begründung von Verkehrspflichten
1. Gesetzliche Wurzeln der Verkehrspflichten
2. Symmetrietopische Kriterien der Pflichtbegründung
III. Ansätze zu einer Wirkungsanalyse symmetrierechtlicher Haftungselemente in der Judikatur
§ 13 Die Wagnisumschichtung durch deliktische Einstandspflichten für Leute und Gehilfen
I. Bestandsüberblick über die Mittel der verhaltensbezogenen Wagnisabwälzung
II. Symmetrietopische Rechtfertigung der Gehilfen-und Leutehaftung
III. Wirkungsanalyse symmetrierechtlicher Haftungselemente in der Judikatur
Vierter Unterabschnitt. Die symmetrische Risikoentlastung von Aufwendungen und Opfern
§ 14 Die gestionsrechtliche Entlastung
I. Vorbemerkung zur Bestimmung der gestionsrechtlichen Fremdheit durch Rechts- und Interessenkreise
II. Die wahren Sinn- und Wertkriterien für die gestionsrechtliche Wagnisverteilung
1. Zur Figur des „mittelbaren Interesses“
2. Heimliche Wagniszuweisung auch im Gestionsrecht
3. Die gestionsrechtliche Enthaftung bei Aufwendungen für Leute und Arbeitnehmer
Zweiter Hauptteil. Die dynamische Verteilungsordnung
Erster Abschnitt. Die symmetrische Ordnung in den normativen Vertragstypen und ihren Ergänzungen
§ 15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit
I. Kaufrechtliche Konzentration von ›Gefahr, Nutzen, Lasten‹ zur synthetischen Einheit bei der Übergabe
1. Erste Verbindungslinie: Faktischer Zugriff – Gefahr, § 446 S. 1
2. Zweite Verbindungslinie: Nutzen – Lasten
3. Dritte Verbindungslinie: die Verknotung zur synthetischen Einheit
II. Der Rechtfertigungsdruck auf asymmetrische Verteilungen
1. Der Rechtfertigungsdruck für asymmetrische Gefahrabwälzung beim Versendungskauf
2. Die Vermeidung asymmetrischer Verteilungsmuster bei Lücken in Gesetz oder Vertrag
§ 16 Verträge auf Arbeit als Zuständigkeit an den Arbeitsergebnissen gegen Risikoübernahme
I. Das Prinzip von Anrechnung und Ausschließung am positiven Arbeitsergebnis
1. Die vertragsbegründete Zuständigkeit des Arbeitgebers hinsichtlich der (positiven) Arbeitsergebnisse
2. Die Gründe der Anrechnung positiver Arbeitsfolgen
II. Die Grundarten dienst- und arbeitsvertraglicher Nachteilsabnahme für Arbeitnehmer als Komplement
1. Die dienstvertragliche Verteilung des Substratrisikos gegen die arbeitsvertragliche Überwälzung von Betriebsrisiken beim Lohn ohne Arbeit
2. Nachteilsabnahme bei Aufwendungen und Schäden sowie Haftungsprivilegien bei abhängiger Arbeit
III. Die dienst- und arbeitsvertragliche Verteilungstypik aus symmetrierechtlicher Sicht
1. Symmetrische Formung des arbeitsvertraglichen Zuweisungsprogramms durch Anrechnung positiver und negativer Arbeitsfolgen
2. Die symmetrische Deutung von Seite und Sphäre im dienst- und arbeitsvertraglichen Leistungsstörungsrecht
Zweiter Abschnitt. Die Restitutionsordnung für den gescheiterten Vertrag
§ 17 Der Liquidationsplan bei Rücktritt und Widerruf
I. Die Verteilungsschlüssel im alten und reformierten Recht – Stoffübersicht
1. Kontrastierung von Grundzügen und Grundgedanken des alten und neuen Rechts
2. Kontrastierung von altem und neuem Verteilungsschlüssel
II. Rehabilitierung der symmetrischen Verteilungsidee
1. Der reformierte Wertekanon: Pflichtwidrigkeit, Vertrauen, Verbraucherschutz
2. Der symmetrische Verteilungsgedanke als Gegenkonzeption
III. Beispiele für Symmetriedruck oder Symmetriezwang im reformierten Recht
1. Der Rechtfertigungszwang für asymmetrische Verteilungen am Beispiel des § 357 Abs. 3 Nr. 3
2. Die synthetische Einheit als Auslegungshilfe im pluralistischen Verteilungssystem beim Begriff der Ingebrauchnahme in § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 2. HS
Schlussteil. Allgemeine Symmetrielehre
§ 18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem (Ding, Verhalten, Person) als heterochirale Symmetrie
I. Das Primat der Verteilung von Vorteilen und Nachteilen durch heterochirale Formtypen
1. Die heterochirale Formtypik in der statischen Verteilungsordnung
2. Die heterochirale Formtypik in der dynamischen Verteilungsordnung
3. Heterochiralität als Harmonie der Form
II. Die materiale Symmetrie als binäres Verteilungsverhältnis, das auf die formale Verteilungsordnung bezogen bleibt
1. Die materialen Symmetriebildungen in der Güter-und Erwerbsordnung
2. Die materialen Symmetriebildungen in der Haftungsordnung
3. Die Logik des materialen Symmetrieschlusses
III. Die Antinomie von formaler und materialer Symmetrie als Abstraktionsproblem, ihre Auflösbarkeit nur durch Annahme eines chiralen Zentrums einer kohärentiell zu denkenden subjektivrechtlichen Befugnis
IV. Folgerung für den Subjektbezug des subjektiven Rechts
§ 19 Die Entschlüsselung der Theoriefiguren für materiale Befugnisse (wirtschaftliches Eigentum, Treuhand)
§ 20 Symmetrie als konsensualer und kohärentieller Sollensbefehl
I. Symmetrie als konsensuales und kohärentielles Sollen in der bürgerlichrechtlichen Verteilungsordnung
II. Die zweifache dialektische Spannung des symmetrischen Sollens
III. Keine Auflösung der dialektischen Spannung durch Abstraktionssteigerung eines prinzipiellen oder wertgebundenen Sollens
§ 21 Umkehr der Verhältnisse: Symmetrie als Primärphänomen des Rechts
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Recht als Symmetrie: Ein Beitrag zur Theorie des subjektiven Privatrechts
 9783161541834, 9783161532238

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 198

Tim Florstedt

Recht als Symmetrie Ein Beitrag zur Theorie des subjektiven Privatrechts

Mohr Siebeck

Tim Florstedt, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaften in Münster und Kiel; Promotion 2005; Habilitation 2013; seit 2013 Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht.

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. e-ISBN PDF 978-3-16-154183-4 ISBN 978-3-16-153223-8 ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Stempel Garamond gesetzt, auf alte­ rungsbeständiges Werk­druck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Otters­ weier gebunden.

Vorwort Unter dem Titel „Recht als Symmetrie“ lassen sich in allen Rechtskreisen der Welt wiederkehrende Symmetriemuster beobachten, nach denen Vor- und Nachteile an etwas Äußerem unter den Rechtssubjekten verteilt werden. Überfluss und Häufigkeit solcher symmetrischen Ordnungen sind auch im deutschen Privatrecht gut nachzuvollziehen: bei den institutionellen Zuständigkeitsformen (Eigentum, Stellvertretung), den Prinzipien gesetzlicher Risikoverteilung (Gefährdungs- und Leutehaftung), den modernen Versionsformen (Gläubigeranfechtung) oder bei vertragsrechtlichen Umsatz- oder Abwicklungsprogrammen. Das vorgelegte Buch enthält die erste geschlossene Betrachtung des Symmetrischen im Zivilrecht. Eine solche Symmetrietheorie beschreibt die innere Harmonie der auf subjektiven Rechten aufbauenden Institutionen. Das subjektive Recht hat seit zweihundert Jahren eine schubweise Abmagerung bis hin zu einer verblassten, nur noch logisch-analysierbaren Schutzhülle hinter sich. Die rechts-systematisch angelegte Arbeit ist ein Versuch der Umkehr einer Entwicklungsrichtung, die bei Kant ansetzt, im Neukantianismus von Kelsen bis Bucher ihren Höhepunkt findet und bis zur Stunde unseren Blick von dem materialen Gehalt subjektiver Rechte ablenkt – im Innern subjektiver Rechte hat man sich Zielpunkte symmetrischer Verknüpfungen vorzustellen. Ich habe viele persönliche und fachliche Gründe, meinen akademischen Lehrern, Theodor Baums und Karsten Schmidt, meine Dankbarkeit und Verehrung auszusprechen. Sie haben mit ihren großen systematischen und ordnungspolitischen Werken meinen Entwicklungsweg ermöglicht und geprägt. Mit dem Dank an sie verbinde ich den besonderen Dank an alle, die das Entstehen der Arbeit durch ihre unermüdliche Hilfe unterstützt haben. Die Arbeit wurde als Frankfurter Habilitationsschrift von Theodor Baums und Katja Langenbucher begutachtet. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat den Druck des Buches durch eine erhebliche Bezuschussung gefördert. Wiesbaden, im November 2015

Tim Florstedt

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Vorläufige Phänomenologie der symmetrischen Ordnungswirksamkeit im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Die Symmetrie in einer auf subjektiven Rechten aufbauenden Privatrechtsordnung – Theoretische Standortbestimmung . . 9 1. Genealogie des subjektivrechtlichen Paradigmas . . . . . . 10 a. Die humanistische Ius-Semantik als Ausgangslage vor der Aufwertung der subjektiven Rechte . . . . . . . 10 b. Vom Übergang von der norma agendi zur facultas agendi im Naturrecht der Neuzeit bis zum Primat des subjektivrechtlichen Paradigmas . . . . . . . . . . . . . . 13 c. Perpetuierung des wertverlorenen subjektivrechtlichen Paradigmas trotz Dekonstruktion der Willenslehren nach 1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 d. Perpetuierung des wertverlorenen subjektivrechtlichen Paradigmas durch Formallogik und Schuldrechtsdogmatik nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Die anti-symmetrische Tendenz der subjektivrechtlichen Theorie – Von der dreifachen Problemverkürzung durch das subjektivrechtliche Paradigma als einem naturund vernunftrechtlichen Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 a. Die Theorien der Befugnis als heimliche Abstraktion der Eigentumslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b. Die Vergessenheit der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . 27 c. Die Theorielücke bei Befugnissen am Verhalten anderer 29 3. Entgrenzung des subjektiven Rechts für und durch eine Symmetrietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Grundannahmen zum Symmetriesatz . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Die Symmetrieglieder: objektbezogene Vorteile und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

VIII

Inhaltsverzeichnis

2. Die Symmetrieobjekte: Ding, Verhalten, Person . . . . . . . 34 3. Die Symmetrierelation: Konzentration und Komplementarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre . . . . . . . 38 1. Eine symmetrische Theorie als Teil der subjektivrechtlichen Theorienfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Wider die formorientierte Denkungsart – Zur Paradoxie der relativen Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Der Symmetriesatz als Sollensbefehl . . . . . . . . . . . . . 44 4. Umkehr der Verhältnisse: vom Perzeptionsmittel zum Primärphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Erster Hauptteil. Die statische Verteilungsordnung . . . . . . . . 49 Erster Abschnitt. Grundformen privatrechtlicher Rechtszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 §  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Die formale Rechtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Verkehrsbedürfnisse als Formkraft im deutschen Vermögensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Die Abschirmungswirkung der formgefassten Rechtszuständigkeit – Eine Fortsetzung . . . . . . . . . . . 55 3. Die rechtssichernde Funktion von formalen Zuständigkeitstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Die Fixierung der subjektivrechtlichen Vermögensbefugnis in der Form – Rückbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Durchbrechung der Formenordnung durch materiale Symmetriebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Plan der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Zweiter Abschnitt. Die formale Rechtszuständigkeit . . . . . . . . . . 65 Erster Unterabschnitt. Die formale Rechtszuständigkeit für Dinge . . . 66 §  2 Eigentum als Konzentration und Komplementarität . . . . . . . . 67 I. Eigentum als Konzentration: lucrum sentit dominus – casum sentit dominus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Inhaltsverzeichnis

IX

1. Der Konnex von lucrum und casum als freiheitsfunktionales Axiom bei der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Derselbe Konnex als freiheitsfunktionales Axiom beim äußeren Mein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Eigentum als Komplementarität im Vindikationsfolgenrecht: actiones directae – actiones contrariae . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Zur spezifischen Komplementarität und heterochiralen Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Zwischenbemerkung zur Dogmatik des Vindikationsfolgenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Die Verschlüsselung der Symmetrik im Lauf der Dogmenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Einzelne Symmetriezwänge und Symmetrieursachen . . . 79 a. Der Symmetriedruck der Nutzungsobliegenheit: accessorisches commodum – periculum . . . . . . . . . . 80 b. Der Symmetriedruck der Gefahrbelastung: periculum – commodum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Zweiter Unterabschnitt. Die formale Rechtszuständigkeit für Verhalten und Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 §  3 Die Wirkungszuständigkeit bei stellvertretendem Handeln . . . . 89 I. Die durch das Primat der Willenslehren gehemmte Entwicklung des Instituts der direkten Stellvertretung . . . . . . . . . . . . 89 II. Das Verteilungsprinzip von Anrechnung und Ausschließung 91 §  4 Die Organschaft als notwendige Zuständigkeitsform . . . . . . . . 93 I. Die Negation des Organs als Anrechnung positiver Handlungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Die Wirkungszuweisung durch die strikte Organhaftung und ihre symmetrietopische Rechtfertigung . . . . . . . . . . 96 1. Bedeutung der juristischen Konstruktionen . . . . . . . . . 97 2. Konsens über einen symmetrietopischen Kern . . . . . . . 98 3. Die Organmetapher und die freiheitsaxiomatische Verbindung von lucrum und casum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 §  5 Die negotiorum gestio als fiktive Wirkungszuständigkeit . . . . . 101 I. Vorbemerkung zu den Gestionstypen im System bürgerlich-rechtlicher Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . 102 II. Das Gestionsverhältnis als Konzentration und Komplementarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Die negotiorum gestio als fingierte Rechtszuständigkeit am Verhalten für andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

X

Inhaltsverzeichnis

1. Die drei Hauptkonzeptionen der negotiorum gestio in ihrer Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Deutungsversuche zur modernen negotiorum gestio in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Die fiktive Rechtszuständigkeit an den Handlungsfolgen . 110

Dritter Abschnitt. Durchbrechung der formalen Verteilungsordnung 113 §  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Wesentliche Theorieentwürfe zur Entformalisierung der Verteilungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Die Semantik der relativen Befugnis als Abstraktionsproblem 118 III. Die binäre Kodierung der materialen Symmetrieklassen – Theoretische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Wesentliche Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Erster Unterabschnitt. Der Schutz relativer Rechte im Schadensund Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 §  7 Der Schutz relativer Positionen durch das Institut der Schadensliquidation für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Bestandsaufnahme zum liquidationsrechtlichen Drittschutz . 126 1. Vorbemerkung zum Ordnungsrahmen . . . . . . . . . . . . 127 2. Genealogie des liquidationsrechtlichen Drittschutzes . . . 128 3. Typologie des liquidationsrechtlichen Drittschutzes . . . . 131 4. Topik des liquidationsrechtlichen Drittschutzes . . . . . . 134 II. Geltungsgrund der Liquidationsbefugnis . . . . . . . . . . . . 137 1. Die Verteilungsrelevanz des Dinganspruchs . . . . . . . . . 138 2. Ausgleichsgrund und Drittschutz . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Vorteilszuweisung an den Gefahrträger . . . . . . . . . . . 143 III. Die Drittschadensliquidation als materiales Symmetrieverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Das kulpose Handeln des Schädigers als Wertungsmoment 146 2. Frustrierung des Vermögensopfers oder Entwertung einer unentgeltlichen Zuwendung für den Dritten . . . . . . . . 147 3. Die hypothetische Asymmetrie zwischen Opfer und Entlastung im Rückbezug zur Formteleologie . . . . . . . 149 4. Zur Figuration der relativen Liquidationsbefugnis . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis

XI

§  8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Bestandsaufnahme zum vollstreckungsrechtlichen Drittschutz 153 1. Genealogie des vollstreckungsrechtlichen Drittschutzes . . 154 2. Typologie des exekutionsrechtlichen Drittschutzes . . . . 156 3. Topik des Drittschutzes bei Gläubigerzugriffen . . . . . . . 157 II. Die Axiologie der Bestandsfestigkeit obligatorischer Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Doppelsträngigkeit des Treugeberprivilegs . . . . . . . . . 161 2. Treuhandkriterien und Treuhandparadox . . . . . . . . . . 162 III. Das Privileg als verschlüsseltes materiales Symmetrieverhältnis zwischen Drittbetroffenen und Gläubiger . . . . . . . . . . . 164 1. Die hypothetische Asymmetrie zwischen Gläubigervorteil durch drittwirksame Exekution und exekutionsbewirktem Drittnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Der unwiederbringliche Drittnachteil im historischen Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Wider die Abstraktionstendenz des relativen Eigens zur tripolaren Symmetriefigur . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Das Rechtfertigungsdefizit bei einer hypothetischen Asymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Zweiter Unterabschnitt. Die Schwächung der formalen Rechtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 §  9 Prinzipien der kondiktions- und haftungsrechtlichen Version . . . 177 I. Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . 178 1. Entstehung und historische Begründung der Versionsprinzipien von 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Wirkungsbeispiele aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . 180 II. Schwäche des unredlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Die Prinzipien der Schwächung formaler Rechtszuständigkeit als Symmetriesätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 §  10 Die Unbeständigkeit unredlichen oder unentgeltlichen Erwerbs bei Gläubigeranfechtung – Fortsetzung und Rückbezug . . . . . . 183 I. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . 183 II. Die Schwäche des unredlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . 184 III. Die Prinzipien der Schwächung formaler Rechtszuständigkeit als Symmetriesätze – Zusammenfassung zu materialen Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

XII

Inhaltsverzeichnis

Dritter Unterabschnitt. Symmetrische Risikobelastung im privaten Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 §  11 Symmetriegerechte Wagnisumschichtung durch objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Die Begründungen für Wagnisabwälzung durch objektive Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Sprachlich begründete Scheinunterschiede . . . . . . . . . 196 2. Sprachliche Überprüfung der Meinungsdifferenz . . . . . . 199 3. Zum untergründigen Konflikt zwischen Effizienzkalkül und Symmetriegerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Die Erkennbarkeit der materialen Symmetrie an der Umbruchstelle vom Prinzip zur Regel . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Das preußische Eisenbahngesetz und das Haftpflichtgesetz 205 2. Elemente objektiver Haftung im Bürgerlichen Gesetzbuch 206 3. Die Haftung für Kraftfahrzeuge und Flugzeuge . . . . . . 210 4. Die Haftung für Kernanlagen und Gentechnik . . . . . . . 211 5. Sozialer Opferschutz und Nutznießungsgedanke als zentrale Topoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Die symmetriewirksame Konturierung der Haftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 §  12 Elemente symmetriegerechter Wagnisverteilung bei der Verschuldenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Bestandsaufnehmende Stoffbegrenzung . . . . . . . . . . . . 217 II. Symmetrietopische Begründung von Verkehrspflichten . . . . 219 1. Gesetzliche Wurzeln der Verkehrspflichten . . . . . . . . . 219 2. Symmetrietopische Kriterien der Pflichtbegründung . . . . 220 III. Ansätze zu einer Wirkungsanalyse symmetrierechtlicher Haftungselemente in der Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . 221 §  13 Die Wagnisumschichtung durch deliktische Einstandspflichten für Leute und Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Bestandsüberblick über die Mittel der verhaltensbezogenen Wagnisabwälzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 II. Symmetrietopische Rechtfertigung der Gehilfenund Leutehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Wirkungsanalyse symmetrierechtlicher Haftungselemente in der Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

XIII

Vierter Unterabschnitt. Die symmetrische Risikoentlastung von Aufwendungen und Opfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 §  14 Die gestionsrechtliche Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Vorbemerkung zur Bestimmung der gestionsrechtlichen Fremdheit durch Rechts- und Interessenkreise . . . . . . . . . 231 II. Die wahren Sinn- und Wertkriterien für die gestionsrechtliche Wagnisverteilung . . . . . . . . . . . 232 1. Zur Figur des „mittelbaren Interesses“ . . . . . . . . . . . . 232 2. Heimliche Wagniszuweisung auch im Gestionsrecht . . . . 234 3. Die gestionsrechtliche Enthaftung bei Aufwendungen für Leute und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Zweiter Hauptteil. Die dynamische Verteilungsordnung . . . . . 239 Erster Abschnitt. Die symmetrische Ordnung in den normativen Vertragstypen und ihren Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 §  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit . . . . . . 243 I. Kaufrechtliche Konzentration von ›Gefahr, Nutzen, Lasten‹ zur synthetischen Einheit bei der Übergabe . . . . . . . . . . . 244 1. Erste Verbindungslinie: Faktischer Zugriff – Gefahr, §  446 S.  1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Zweite Verbindungslinie: Nutzen – Lasten . . . . . . . . . . 247 3. Dritte Verbindungslinie: die Verknotung zur synthetischen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Der Rechtfertigungsdruck auf asymmetrische Verteilungen . 251 1. Der Rechtfertigungsdruck für asymmetrische Gefahrabwälzung beim Versendungskauf . . . . . . . . . . 253 2. Die Vermeidung asymmetrischer Verteilungsmuster bei Lücken in Gesetz oder Vertrag . . . . . . . . . . . . . . 256 §  16 Verträge auf Arbeit als Zuständigkeit an den Arbeitsergebnissen gegen Risikoübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Das Prinzip von Anrechnung und Ausschließung am positiven Arbeitsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Die vertragsbegründete Zuständigkeit des Arbeitgebers hinsichtlich der (positiven) Arbeitsergebnisse . . . . . . . . 260 2. Die Gründe der Anrechnung positiver Arbeitsfolgen . . . . 261

XIV

Inhaltsverzeichnis

II. Die Grundarten dienst- und arbeitsvertraglicher Nachteilsabnahme für Arbeitnehmer als Komplement . . . . . 264 1. Die dienstvertragliche Verteilung des Substratrisikos gegen die arbeitsvertragliche Überwälzung von Betriebsrisiken beim Lohn ohne Arbeit . . . . . . . . . . . 264 2. Nachteilsabnahme bei Aufwendungen und Schäden sowie Haftungsprivilegien bei abhängiger Arbeit . . . . . . 267 III. Die dienst- und arbeitsvertragliche Verteilungstypik aus symmetrierechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Symmetrische Formung des arbeitsvertraglichen Zuweisungsprogramms durch Anrechnung positiver und negativer Arbeitsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Die symmetrische Deutung von Seite und Sphäre im dienst- und arbeitsvertraglichen Leistungsstörungsrecht 270

Zweiter Abschnitt. Die Restitutionsordnung für den gescheiterten Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 §  17 Der Liquidationsplan bei Rücktritt und Widerruf . . . . . . . . . 274 I. Die Verteilungsschlüssel im alten und reformierten Recht – Stoffübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Kontrastierung von Grundzügen und Grundgedanken des alten und neuen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Kontrastierung von altem und neuem Verteilungsschlüssel 278 II. Rehabilitierung der symmetrischen Verteilungsidee . . . . . . 278 1. Der reformierte Wertekanon: Pflichtwidrigkeit, Vertrauen, Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Der symmetrische Verteilungsgedanke als Gegenkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Beispiele für Symmetriedruck oder Symmetriezwang im reformierten Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Der Rechtfertigungszwang für asymmetrische Verteilungen am Beispiel des §  357 Abs.  3 Nr.  3 . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Die synthetische Einheit als Auslegungshilfe im pluralistischen Verteilungssystem beim Begriff der Ingebrauchnahme in §  346 Abs.  2 S.  1 Nr.  3, 2. HS. . . . 288

Inhaltsverzeichnis

XV

Schlussteil. Allgemeine Symmetrielehre . . . . . . . . . . . . . . . . 291 §  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem (Ding, Verhalten, Person) als heterochirale Symmetrie . . . . . . . 292 I. Das Primat der Verteilung von Vorteilen und Nachteilen durch heterochirale Formtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Die heterochirale Formtypik in der statischen Verteilungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Die heterochirale Formtypik in der dynamischen Verteilungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 3. Heterochiralität als Harmonie der Form . . . . . . . . . . . 296 II. Die materiale Symmetrie als binäres Verteilungsverhältnis, das auf die formale Verteilungsordnung bezogen bleibt . . . . 297 1. Die materialen Symmetriebildungen in der Güterund Erwerbsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Die materialen Symmetriebildungen in der Haftungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Die Logik des materialen Symmetrieschlusses . . . . . . . . 299 III. Die Antinomie von formaler und materialer Symmetrie als Abstraktionsproblem, ihre Auflösbarkeit nur durch Annahme eines chiralen Zentrums einer kohärentiell zu denkenden subjektivrechtlichen Befugnis . . . . . . . . . . 300 IV. Folgerung für den Subjektbezug des subjektiven Rechts . . . 302 §  19 Die Entschlüsselung der Theoriefiguren für materiale Befugnisse (wirtschaftliches Eigentum, Treuhand) . . . . . . . . . . . . . . . . 304 §  20 Symmetrie als konsensualer und kohärentieller Sollensbefehl . . . 307 I. Symmetrie als konsensuales und kohärentielles Sollen in der bürgerlichrechtlichen Verteilungsordnung . . . . . . . . 307 II. Die zweifache dialektische Spannung des symmetrischen Sollens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 III. Keine Auflösung der dialektischen Spannung durch Abstraktionssteigerung eines prinzipiellen oder wertgebundenen Sollens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 §  21 Umkehr der Verhältnisse: Symmetrie als Primärphänomen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Einleitung In den drei großen Theorieentwürfen eines subjektiven Rechts, dem naturrechtlich-aufklärerischen, dem kantisch-savigny’schen und dem neukantisch-reinen, ist die Symmetrie der am meisten übersehene Inhalt von Recht. „Gerechtigkeit“, schreibt der Moralphilosoph Spaemann, „ist die Anerkennung einer fundamentalen Symmetrie in den Beziehungen von Menschen, und zwar dort, wo es um die Verteilung knapper Güter geht“1. Wenn dieser Satz zutrifft, gibt es auch für Erkenntnisse zu privatrechtlicher Gerechtigkeit kaum einen Analyseansatz, der sich dringlicher anböte, kaum eine Fragestellung, die mehr Gewinn verspräche, als die einer juridischen Symmetrieforschung. Könnte es sein, dass die aufklärerischen, verkehrsgläubigen und sozialen Prinzipienschichten der letzten zwei Jahrhunderte, so wie sie Schule und Forschung erkannt haben, noch eine tiefere, eine von symmetrischen Ordnungen bestimmte Ebene verbergen? Lässt man sich einen Augenblick auf die Vermutung ein, es gebe auch im Bereich des zivilrechtlichen Wertesystems einen solchen verbindlichen Satz, so ist schon bloß phänomenologisch die Feststellung unausweichlich, dass in schier unzählbaren singulären Regelungslösungen Vorteile und Nachteile nach analogen Paarungsund Verteilungsmustern zugeordnet werden, während der juristischen Forschung eine Theorie für diese Phänomene fehlt. Es ist schwer anzugeben, was Symmetrie ist, aber es lässt sich vermuten, warum das Symmetrische in der Jurisprudenz kaum bekannt ist: Es ist eine frag­ lose Selbstverständlichkeit, die erst zur Reflektiertheit kommt, wo die Pole der symmetrischen Verteilungsellipse längst schon zu weit auseinander liegen und die Asymmetrie als Problem im juristischen Fachbezug wahrgenommen und bearbeitet wird. „Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, – weil man es immer vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf“2 . Zu erkennen, dass Symmetrisches im Recht ist, verlangt gar keine große kognitive Leistung, sondern ist eher trivial. Aber das Symmetrische ist axiologisch fundamental und in dieser Qualität unzureichend erkannt und verstanden.

1  2 

Spaemann, Moralische Grundbegriffe, S.  50. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen I, S.  43, Nr.  129.

2

Einleitung

Aus dem Blickwinkel eines fachentgrenzten Forschungsansatzes, der so weit wie möglich aus den vorhandenen Einsichten gewinnt, wird die Rechtswissenschaft bereichert, vor allem um einen in den empirischen Wissenschaften gefestigten, symmetrischen Denkansatz. Dort ist Symmetrieforschung längst über ihre Anfänge in Physik und Quantenchemie hinausgewachsen: Die Entdeckung der Wellenfunktion von Molekülen in der Gruppentheorie, die Relativitäts­ theorie in der Physik oder unlängst der Nachweis einer fünfzähligen Drehsymmetrie als ein zuvor für undenkbar gehaltenes Beugungsmuster von Kristallen sind nur wenige bekannte Beispiele3. Es geht der naturwissenschaftlichen und mathematischen Forschung auch längst nicht mehr um abseitige Fachfragen, sondern um Grundlagenwissen, welches auf das Innerste der Welt, das Verhältnis von Materie zu Molekül, von Raum zu Zeit, bezogen ist. Die Denkungsart wurde mit der Relativitätstheorie populär und im Ineinanderspielen von gegenintuitiv erwogener Symmetrik und Öffnung des Blickfeldes hat sie als Forschungsansatz viele Fächer, die Architektur oder Anthropologie, die Zoologie oder Soziologie, begünstigt4. Man kann natürlich kritisch fragen, ob die Denkungsart darin schon überbewertet ist. Das Recht darf das nicht einfach ignorieren, um bei der deduktiven Denkungsart, bei Systemen in Wurzelform, stehen bleiben zu können. Im Mittelpunkt der Arbeit werden deswegen symmetrische Phänomene im Privatrecht stehen. Es wird nach einem Symmetriesatz als einem Axiom des Privatrechts gesucht, nach dem rechtliche Vorteile und Nachteile auf einer Linie zur Konvergenz gebracht werden. Sie hat zur Aufgabe, die Ordnungswirksamkeit eines solchen Satzes zu beweisen und die Konvergenzlinie zu bestimmen.

I. Vorläufige Phänomenologie der symmetrischen Ordnungswirksamkeit im Privatrecht Der Leser von ›Recht als Symmetrie‹ wird dem Recht einen Begriff, der Symmetrie aber nur vage Anschauungen, bezogen auf singuläre Rechtsphänomene aus seiner Lebenswelt, zuordnen können. Auch entspricht es einer dialogtheoretischen Grundforderung, die Analyse mit einer klaren Begrifflichkeit von Symmetrie einzuleiten. Aber leicht ist die Anstrengung, den Begriff in diesem frühen Stadium zu entwickeln, auch vergeblich und nutzlos. Es wären Analyseer3  Besonders charakteristisch ist die Entdeckung des Quasikristalls durch Shechtman, der für diese Leistung im Jahr 2011 den Nobelpreis für Chemie erhielt, s. zu dieser Entdeckung Tritt, Semiconductors and semimetals, S.  78 und aus der fachübergreifenden Literatur Kempf, Symmetrie, S.  269; Stakhov/Stakhov/Olsen, The mathematics of harmony, S.  169. 4  Fachübergreifende Übersichten aus einem inzwischen umfangreichen Angebot etwa bei Steward, Die Macht der Symmetrie, 2008; Tarassow, Strukturprinzipien, 1999, sowie die zuvor Genannten.

I. Vorläufige Phänomenologie der symmetrischen Ordnungswirksamkeit

3

gebnisse voranzustellen und in der Folge würden komplexe und neu betrachtete Symmetriephänomene leicht verkürzt, weil die Analyse nur danach ausgerichtet wäre, den einmal propagierten Symmetriebegriff zu verifizieren. So ist eine exaktere Definition einem späteren Abschnitt vorbehalten. Und doch ist es für den Ertrag einer symmetrie-phänomenologischen Studie ganz offenbar wichtig, den Forschungsgegenstand zu benennen. Die Worte συμμετρία und das lateinische symmetria meinten das rechte Maß, die rechte Länge usf., also nicht nur die geometrisch figürliche Erscheinung, sondern eine wechselseitige Entsprechung von Teilen eines Ganzen, das Harmonische schlechthin. Symmetrie hat seiner griechischen und lateinischen Wortbedeutung nach eine im Deutschen schwer nachvollziehbare Zweideutigkeit: die von Gleichmaß und Gerechtigkeit. Man sieht: So wie der Systembegriff leicht ins Unendliche abzugleiten droht, lässt sich vom Wort „Symmetrie“ dieselbe Gefahr des Abirrens und Abgleitens befürchten. Symmetrien sind – wie Systeme – zunächst einmal Wahrnehmungsmuster, die helfen, einen ausgedehnten Betrachtungsgegenstand auf ein Wesentliches zu kürzen. In der Erscheinungsvielfalt der Rechtssymmetrien das Wesentliche zu erkennen, soll durch eine provisorische Symmetrietypologie des Rechts vorbereitet werden, deren Aufbau sich am Grad ihres juristischen Geltungsanspruchs, von der Rhetorik zum Rechtsprinzip, leiten lässt. Erstens: die spontane rhetorische Symmetrie. Es ist bereits bemerkenswert, wie oft Juristen symmetriebezogene Argumente intuitiv verwenden. Das lässt sich vorerst anhand eines sehr kleinen Ausschnitts aus dem Bereich der sogenannten Gefährdungshaftung zeigen. Es gibt drei hervorzuhebende Stellen: 1. Die Gründe der Gefährdungshaftung sind längst in Formeln wie ›Erlaubnisnutzen gegen Risikoübernahme‹ (Esser) erstarrt. Aber wir kennen die Gefährdungshaftung durchaus auch in statu nascendi, im Vorfeld der Entstehung des §  25 des preußischen Eisenbahngesetzes von 18385. Damals war die strikte Haftung alles andere als selbstverständlich. Denn die schuldunabhängige Haftung bedeutete für das noch junge Eisenbahngewerbe eine durchaus erklärungsbedürftige Ungleichbehandlung mit Dampfschiffbetrieben, Zuckerraffinerien, Schmieden, die ähnliche Feuergefahren für Menschen und Umwelt mit sich brachten. Eine Haftung ohne Verschulden war im frühen 19. Jahrhundert entsprechend kontrovers, aber es setzte sich eine Überlegung v. Savignys durch: „Die Eisenbahn sei von anderen feuergefährlichen Anlagen wesentlich darin verschieden, daß der Gefahr nicht durch polizeiliche Vorkehrungen vorgebeugt werden könne, die Bahn sich auf großen Strecken durch das Land ziehe, die Gefahr eine weit ausgedehntere sei und die benachbarten Grundbesitzer und Einwohner derselben in Folge der zum Vortheil der Eisenbahnen bewirkten

5 Näher

Baums, SZ (Germ.) 104 (1987), 277 ff.; Lenz, Haftung ohne Verschulden, S.  57 ff.

4

Einleitung

Expropriation ausgesetzt würden“6 . Es werden also zwei gegenübergestellte Bestandteile als ein Ungleichgewicht gesehen. Der eine ist der Vorteil der Eisenbahngesellschaft aus der Unternehmung, der andere ein doppelter Nachteil für den Grundbesitzer, der zunächst enteignet wird und dann die Verwüstung seines übrigen Gutes ersatzlos hinnehmen soll. Ersatzlos, denn eine Culpa-Haftung liefe leer: die Feuergefahr der torfbeheizten Bahn war damals nicht beherrschbar. 2. Die berühmte Kritik an dem ersten Entwurf, an der Verfehlung der „so­ zialen Aufgabe des Privatrechts“ (v. Gierke) wird für das Deliktsrecht allein symmetrietopisch begründet: „Es gibt keine gesellschaftswidrigeren Gedanken, als daß es gestattet sein soll, alle Vortheile aus einem die Mitmenschen gefährdenden Eigenthum zu genießen, ohne das entsprechende Risiko zu tragen“7. Die Kritik hatte einen wesentlichen Anteil an der Normierung von Gefährdungstatbeständen im Bürgerlichen Gesetzbuch und mündete später in die dogmatische Zweiteilung des Haftpflichtrechts. 3. Bemerkenswerterweise kehrt das ursprüngliche Argumentationsmuster, das lange vergessen war, gleichsam später noch einmal zurück, und zwar als die strikte Haftung für den Bestand und Betrieb elektrischer Anlagen und Fernleitungen, die bereits der 31. Juristentag (1912) unterstützt hatte8 , im Reichshaftpflichtgesetz von 1943 endlich umgesetzt wurde9. Die bisherigen „unbilligen Ergebnisse, daß der Geschädigte seinen Schaden selbst tragen muß“ werden in den Materialien anhand eines „Falls, der sich immer wieder ereignet“ erläutert: „Ein Bauer, der die Anlage einer Starkstromleitung über seinem Grundstück dulden muss, erleidet dadurch einen Schaden, daß der Draht der Leitung reißt und daß weidendes Vieh mit dem am Boden liegenden oder herabhängenden Draht in Berührung kommt und getötet wird“10 . Ein Verschulden liege allgemein nicht vor oder sei nicht nachweisbar. Es ist bis zur Stunde nicht aufgefallen, dass sich hier 100 Jahre nach v. Savigny die Argumentation wiederholt. Das sind nur punktuelle Beispiele aus einer schier endlosen Zahl symmetriegestützter Argumentationen. Zwei weitere müssen vorerst genügen: 1. Die allzu bekannte Argumentationsart sei am Beispiel derjenigen eines Bundesrichters erwähnt, nach dem Folgendes auszuschließen ist: „Je wilder er spekuliert, desto besser für den Bereicherungsschuldner, Risiko hat er nicht, er kann nur gewinnen (allgemeiner Rechtsgedanke)“11. 2. Die Privilegien für Hinterleute im Konkurs des Vordermanns hatten in Art.  284 des preußischen Entwurfs zu einem 6  Antrag zitiert nach Lehmann, Körperverletzung, S.  48; zur Autorschaft v. Savignys s. Baums, SZ (Germ.) 104 (1987), 277, 278 f. 7  v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2.  Aufl., S.  26. 8  31. DJT 1912, Dritter Band, S.  345, 961. 9  Amtl. Begründung zum Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes, DJ 1943, S.  430. 10  Wie zuvor. 11  Fischer, Festschrift Zitelmann, S.  32 f.

I. Vorläufige Phänomenologie der symmetrischen Ordnungswirksamkeit

5

Handelsrecht einen wichtigen Vorläufer. In der Schlussberatung setzte sich die Einsicht durch, der „sehr ungünstigen Lage“ des Kommittenten, der kein Eigentum erwerbe, abzuhelfen: Denn andernfalls würden „ihm nur die Nachteile der Sache übergebürdet, die Vorteile aber vorenthalten“12 . Zweitens: die gefestigte topische Symmetrie. Die symmetrischen Einsichten sind vielfältig als Rechtsparömien erhalten. Das Symmetrische hat sich als Rhetorikmuster – gewissermaßen der Symmetrietopik – etabliert und gefestigt. Vielfalt und zeitliche Konstanz sind sehr beachtlich. ›Commodum eius esse debet cuius periculum est‹, das ist der wohl bekannteste Nexus zwischen Vorteil und Gefahr, der so nur in den Inst. 3.23.3 steht13. Eine gewissenhafte Darstellung darf die zahllosen ähnlichen Parömien nicht ganz unerwähnt lassen. Eine ebenfalls in den Institutionen aufgenommene Variante ist das ubi emolumentum, ibi onus14. In Fragmenten bei Paulus und Bonifaz enthalten ist der erweiterte Korrelationsgedanke ›wer die Last hat, muß auch den Vorteil haben, und umgekehrt‹15 und bei Damasus heißt es ad quem spectat onus, et emolumentum16 . Eine allgemeine Verteilungsregel des Inhalts, dass wer am Gewinn Anteil hat, auch am Verlust zu beteiligen ist, nennt Ulpian: cuius participavit lucrum, participet et damnum17. Oder kürzer bei Justinian: ubi periculum, ibi lucrum18 . Noch eine solche Korrelation von periculum und commodum im Corpus Iuris zur Anschauung: Der Eigentümer eines Schiffes konnte vom bösgläubigen Besitzer auch das commodum in Gestalt eines gar nicht vereinnahmten Frachtlohns fordern. Die Begründung lautet: Denn obwohl der Frachtlohn nicht von Natur aus entstehe, sondern erst erzielt werden müsse, kann er deswegen gefordert werden, weil der Besitzer gegenüber dem Kläger nicht die Gefahr des Schiffes tragen muss19. Auch dass derjenige, der andere für sich einsetzt, für Schäden, die diese Dritten zufügen, einzustehen hat, ist bereits bei Ulpian erwähnt 20 . Von den späteren Rechtssprichwörtern sind nur einige zu nennen: ›wo der Pflug hingeht, da geht auch der Zehnt hin‹21, ›wer einsammelt, soll auch aus­

12 

ADHGB-Protokolle, S.  1442 f. Paulus Dig. 18.6.7.; ähnl. Dig. 50.17.10. Sowohl die Stelle Inst. 3.23.3. als auch Dig. 18.6.7. beziehen sich auf eine Vorteilszuweisung für denjenigen, der, wie man heute sagt, die Preisgefahr trägt. Bei Paulus geht es um ein Grundstück, das durch Anschwemmung größer wird, in der Terminologie Mommsens ein sog. accessorisches commodum, s. näher zu den Fragmenten Harder, Festschrift Kaser, S.  351 ff., 363 und später im Text. 14  S. Inst. 1.17 a. E. 15  Qui sentit onus, sentire debet commodum, et contra, so im Liber sextus 5.13.55, Bonifaz VIII, s. auch Dig. 50.17.10 (Paulus). 16  Damasus, Regulae canonicae, S.  75. 17  Dig. 17.2.55 a. E. (Ulpian). 18  Wo die Gefahr, da der Gewinn, s. Cod. Just. 6.2.22 §  3. 19  Dig. 6.1.62. 20  ex qua persona quis lucrum capit, ejus factum praestare debet, s. Dig. 50.17.149 (Ulpian). 21 S. Grimm/Heusler, Deutsche Rechtsalterthümer, S.  393. 13 Inhaltsgleich

6

Einleitung

säen‹22 ; ›wer zäunt, soll auch allein lesen‹, ›wer zäunt, kehret die Äste in seinem Hof‹. Die wichtigste ›wer den guten Tropfen genießt, muss auch den bösen genießen‹ war, wie im gemeinen Recht üblich, Ausdruck für einen allgemeinen Grundsatz der Risikoverteilung23. Er galt auch negativ: ›wer den bösen Tropfen hat, genießt auch den guten‹. Der anschauliche Ausdruck stand stets für einen allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken. Man würde den Sprichwörtern also nicht gerecht, wenn man in ihnen nur das Kasuistische sieht. Die Pandektistik hat die römischen Parömien rezipiert. In zwei grundlegenden Abhandlungen zur Regel commodum eius esse debet cuius periculum est durch Jhering und Mommsen festigte sich eine gemeinrechtliche Doktrin, die weitgehend als allgemeine Regel akzeptiert war24 : Mommsen sagte „wenn durch ein und dasselbe Ereignis auf der einen Seite eine (völlige oder theilweise) Unmöglichkeit der Leistung herbeigeführt, auf der anderen Seite ein commodum gewonnen ist, so steht der Anspruch auf das commodum demjenigen zu, der in Ansehung dieses bestimmten Ereignisses die Gefahr trägt“. Gefahr ist situativ verstanden als „Nachtheil des Ereignisses“, also als Rechtsverlust 25. Man wollte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts als etwas Neues abgrenzen und erfand in Verdrängung des Alten andere Wendungen. Aber die alten Gedanken schimmern weiter durch. Im Haftungsrecht sind symmetrietopische Muster längst bestimmend 26 und werden als allgemeiner „Zusammenhang von Risiko- und Chancenverteilung“ oder gar „anerkanntes Gerechtigkeitspostulat“ gedacht27. Ungers „Eigenes Interesse – eigene Gefahr, fremdes Interesse – fremde Gefahr“ wurde bald zum verbreiteten Schlagwort, das seit Essers 22 

Freybe, Züge deutscher Sitte, Band 1, S.  202. Hildebrand, Deutsche Rechtssprichwörter, S.   50, Nr.   71; Grundmann/Stich/Richey, Rechtssprichwörter, 1980, S.  61. 24  Jhering, Abhandlungen, S.  1 ff.; Mommsen, Erörterungen, passim; s. Kuhlenbeck, Von den Pandekten zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, S.  77 ff., 95; so auch Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, §  264 I.; s. näher Höhn, Die Beeinträchtigung von Rechten durch Verfügung, S.  22 f. Allgemein war nach den Arbeiten Jherings und Mommsens vor allem danach gefragt, ob der Konnex wie in Inst. 3.23.3 und Dig. 18.6.7. – der ein accessorisches commodum betraf – auch auf das stellvertretende commodum bezogen werden könne, s. dazu aus der modernen Romanistik gegen Jhering und Mommsen vor allem Harder, Festschrift Kaser, S.  351 ff.; für eine Einbeziehung des stellvertretenen commodum s. Kaser, ZRGRA 96 (1979), 115 ff. Auf die weiter gehende Bedeutung der Parömie über diese Fragestellung hinaus weist Knütel hin, ZEuP 1994, 264, der in Fn.  85 zu Mommsen anmerkt, dieser lege die Parömie zu eng aus. 25  Mommsen, Erörterungen, S.  7 7; so auch Jhering, Abhandlungen, S.  57. 26  In unterschiedlichen Kontexten s. Canaris, RdA 1966, 41, 43; A. Huber, Haftung des Geschäftsherrn, S.  49 ff.; Genius, AcP 173 (1973), 481; Honsell, Festschrift v. Lübtow, S.  485; v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1.  Aufl., S.  33; Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden, S.  65 f.; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 367 f.; Unger, Jherings Jahrb. 33 (1894), S.  229 ff.; weitere Nachweise bei Wilburg, Elemente des Schadensrechts, S.  11 f.; Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse, S.  50 und viele mehr, worauf in §  11 und später zurückzukommen sein wird. 27 Staudinger/Reuter, §  653 Rn.  92. 23 

I. Vorläufige Phänomenologie der symmetrischen Ordnungswirksamkeit

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„Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung“ als ungenau gilt, aber auf verschiedene Art vertieft wurde, und bis in die jüngsten Forschungsarbeiten sind symmetrierechtliche Grundgedanken nachweislich 28 . Auch die Parömie ›cuius periculum eius commodum‹ wird wieder in der Lehre verwendet, ohne dass eine Begrenzung auf bestimmte Bereiche des Privatrechts erkennbar ist 29. Drittens: die regelförmige Symmetrie. Oft sind solche Topoi längst zur ab­ strakten Regel angehoben. Einige allgemeine plastische Beispiele: actiones heredi et in heredem competunt ist in §  1922, §  196730 , das res transit cum onere suo in der Bindung der Belastungen an das Eigentum nach §  936 oder §  892 enthalten. Die regelförmige Symmetrik lässt sich heute in Gruppen aufteilen. Es wird erstens ein Nachteil als Gegenposition zu einem Vorteil in Abzug gebracht, so die Gewinnungskosten (fructus intelleguntur deductis impensis), der heutige §  10231 ; es gibt zweitens einen evidenten axiologischen Nexus, der aber über ein Gegenrechnen schon hinausgeht: zu denken ist an Zusammenschlüsse von ›Gefahren, Nutzungen, Lasten‹ in kaufrechtlichen (§  446) oder restitutionsrechtlichen (§  346 – §  347) Verteilungsprogrammen; es scheint fast schon zu trivial, auch von §  164 zu sprechen, welcher rechtsgeschäftliches Handeln für und gegen einen anderen wirken lässt; schließlich sind Rechte und Gegenrechte in Institutionen zusammengefasst, wie es beim Legalverhältnis von Vindikation oder Gestion, etwa im Gegenüber der actiones directae (§  677 – §  682) gegen actiones contrariae (§  683 – §  686) augenfällig wird. Viertens: die prinzipielle Symmetrie. Zuletzt müssen Anzeichen für ein Sollen von prinzipiellem Rang erwähnt werden. Als Sinnbild eines solchen Satzes kann schon das alte Utilitätsprinzip gelten, nach dem die am Schuldverhältnis nicht interessierte Partei nur für dolus, die Interessierte auch für culpa haftete – der Haftungsmaßstab hing vom Grad des Nutzens ab32 . Die beiden großen Verfechter des Gedankens ›cuius periculum eius commodum‹ fanden die Regel „als so natürlich, daß es einer besonderen Rechtfertigung nicht bedarf“33. Im Haftungsrecht ist das Symmetrische längst dem Bereich des bloß Rhetorischen entkommen. Anschaulich ist das schon in den Verhandlungen zum Reichshaftpflichtgesetz gesagt worden: „Das juristische Prinzip, das allein ein solches Gesetz rechtfertigt, ist der Gesichtspunkt: daß es gewisse Gewerbe gibt, wobei 28 

Ausf. §  11 bis §  13. Einige charakteristische Beispiele bei Staudinger/Gursky, §  987 Rn.  21 (zur Begrenzung des nach §  987 abzuschöpfenden Gewinns); Altmeppen, NZG 2010, 361 (zur Begründung der Verlustausgleichspflicht im Konzern); Staudinger/Reuter, §  653 Rn.  92 (zur Vergütung des Maklers bei nichtigem Hauptvertrag); Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 552 (zur urheberrechtlichen Störerhaftung). 30  Dig. 5.6.3 §  2 (Ulpian) und Dig. 21.1.48 §  5 (Pomponius). 31  Dig. 5.3.36 §  5 a. A. (Paulus). 32  S. etwa Kübler, Festgabe v. Gierke, Band 2, S.  234 ff.; ders., ZRG (RA) 38 (1917), 73 ff. 33  Soweit der Gläubiger die Gefahr trage, Mommsen, Erörterungen, S.   123; ähnlich der Ausgangspunkt bei Jhering, Abhandlungen, S.  3. 29 

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erfahrungsmäßig Unglücksfälle der bezeichneten Art auch durch einen vorsichtigen Betrieb niemals ganz vermieden werden können, daß also der Unternehmer, der ein solches Gewerbe ergreift, um einen Gewinn, einen Vorteil daraus zu ziehen, dieses Moment bei seinem Unternehmen ebenso gut in Anschlag bringen und darauf rechnen müsse, daß solche Fälle eintreten, wie er etwa Beschädigungen an seinen Betriebswerkzeugen und dergleichen mit in die Berechnungen zu ziehen hat“34. Bis zur Stunde überwiegen für die Rechtfertigung strikter Haftung die verschiedensten Erklärungsversuche mit symmetrischem Kern. Auch das Einstehenmüssen für Fehler von Organen und Gehilfen wird nahezu streitfrei symmetrietopisch begründet und ist in den Motiven auf allgemeine Rechtsgedanken zurückgeführt, es heißt etwa, dass „der Schuldner, der sich der Hilfe Dritter bei der Bewirkung der Leistung bedient, im eigenen Inter­ esse und folgeweise auf eigene Gefahr handelt“35. Schon die Risikohaftung für Leute in Art.  1384 (5) des Code Civil wurde mit der rhetorischen Frage begründet: „N’est-ce pas en effet le service dont le maître profite, qui a produit le mal qu’on le condamme à réparer?“36 . Es sei ein auch auf dem Gebiete des Rechts geltendes Gebot der Ethik, dass jeder auf eigene Gefahr zu handeln hat und die nachteiligen Folgen, welche aus seinem Unternehmen entstehen, nicht auf schuldlose Dritte abwälzen darf, hat schon Unger gesagt37. Das Gleichgewicht von Vor- und Nachteilen sei ein „Elementarsatz unserer Rechtsanschauung“, „ein ideales Gerechtigkeitspostulat jeder rechtlich verfassten Gemeinschaft“ dessen Verwirklichung „schiere Gerechtigkeit“ sei (Picker) 38 . Vielen Schuldrechtslehrern von Rang gilt der Symmetriegedanke als ein nicht näher beschreibbares Fundamentalprinzip (Canaris) 39, als verbindliche Wertmaxime der ausgleichenden Gerechtigkeit (Bydlinski) 40 , „anerkanntes Gerechtigkeitspostulat“41, „Grundwahrheit“ (Müller-Erzbach) 42 . Worauf weist dieser Überfluss an Symmetrietopik in deutschen und fremden, in vergangenen und gelebt-positiven, in strengen und billigen Rechten hin? Die Analogie zwischen den historischen Parömien und den rechtsvitalen Topoi müsste die Prinzipienforschung dazu verleiten, einen übergeordneten Fundamentalsatz genauer zu erwägen und die Bahnen, die zahllose Detailhinweise andeuten, dankbar einzuschlagen. Aber das Naheliegende wurde übersehen. 34 

RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  4 46 (Schulze). Mot. II, S.  30. 36 S. Fenet, Recueil complet, XIII S.  476 und Rives-Langes, JCP 1970 I 2309, S.  24 f., denen dies als Basisgedanke deliktischer Haftungsprinzipen gilt. 37  Unger, Jherings Jahrb. 33 (1894), S.  2 29. 38  Picker, AcP 183 (1983), 369, 462. 39  Canaris, JZ 1996, 347; ders., AcP 190 (1990), 410, 440; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, 13.  Aufl., §  84 I 2 a, S.  605, s. auch v. Caemmerer, Festschrift Rabel I, S.  333, 334. 40  Rechtsgrundsätze, S.  292 f. 41 Staudinger/Reuter, §  653 Rn.  92. 42  AcP 106 (1910), 309, 310. 35 

II. Symmetrie in einer auf subjektiven Rechten aufbauenden Privatrechtsordnung

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Symmetrie ist nicht einmal eine ranghafte Belegnummer in den wenigen und nachlässig geführten Katalogen, welche die Topikforschung selbst nach dem Erfolg der „Topik und Jurisprudenz“ Viewegs allzu zögerlich aufstellte43. Aber warum gibt es so vielfältige Symmetrien in der rhetorischen oder topischen Jurisprudenz fern von Ableitungs- und Überlieferungsbezügen zu allen Zeiten neu und spontan, weil sie einem tieferen Grundsatz entlehnt sind, der sich für neue Ordnungsfragen in Rechtsregeln verwandelt und konkretisiert?

II. Die Symmetrie in einer auf subjektiven Rechten aufbauenden Privatrechtsordnung – Theoretische Standortbestimmung Die Gewährung eines subjektiven Rechts ist die Grundform der privatrechtlichen Güterzuordnung. Eine Symmetrietheorie, die von allgemeinen juridischen Verteilungssätzen über rechtliche Vorteile und Nachteile handelt, ist offenbar – gewollt oder ungewollt – zugleich ein Beitrag zur Theorie des subjektiven Rechts. Eine symmetrische Verteilungslehre, der eine Standortbestimmung zu diesem dogmatischen Zentralbegriff fehlt, droht bald wieder überlagert und in positivistische Einzelphänomene abgedrängt zu werden. Es geht offenbar über die Kraft der Forschung, die moderne Phänomenologie der subjektiven Rechte – absolute und relative, öffentliche und private, Gefälligkeit und Einwilligung, Anwartschaften und Aneignung, Ansprüche auf Unterlassen und Dulden, Einreden usf. – auf eine exakte Linie hin über eine Substanz von Recht festzulegen44. Die folgenden Erwägungen versteigen sich nicht zur Bewältigung einer Einheitserfassung subjektiver Rechte, nicht zur Diskussion und nicht zur lexikalischen Zusammenstellung der großen Theorien des subjektiven Rechts. Eine Befassung mit dem subjektiven Recht ist aber auch ein notwendiger Übergang: die subjektivrechtliche Theorie als eine Universaltheorie für die Verortung von Vorteilen (und Nachteilen) zwischen Rechtssubjekten, kann vorläufige, für eine symmetrische Denkweise wichtige Anstöße und Ansätze enthalten; ihre aufmerksame Verfolgung kann zu den Grundlagen und Bedingungen einer Symmetrieforschung hinführen. Eine solche theoretische Standortbestimmung wird begreiflicher machen, wie Unbemerktheit und Unsichtbarkeit des Symmetrischen im Recht auf das Primat des subjektivrechtlichen Paradig43  Nach der Polarisierung von Problemdenken gegen Systemdenken in der frühen Rezeptionsphase zu Viewegs „Topik“ von 1953, also bis in die 1960er hinein, setzte eine sachliche Auseinandersetzung über mögliche „Orientierungsmöglichkeiten und Leitfäden“ (Vieweg, a. a. O., S.  38) gerade nicht ein. Solche Topikkataloge fehlen. Referat zur Topikdiskussion der 1960er Jahre bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  596 f. Anm.  48; ausführlich Launhardt, Topik und Rhetorische Rechtstheorie, S.  24 ff. 44  Die Chimäre einer Erfassung aller Rechte durch einen Begriff des „subjektiven Rechts“ haben schon Bekker, System, (1886) und Kasper, Das subjektive Recht, (1969), bloßgestellt.

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mas rückführbar sind und sie zeigt, wie symmetrie- und subjektivrechtliche Theorie einander berühren und ergänzen.

1. Genealogie des subjektivrechtlichen Paradigmas Das Dogma des subjektiven Rechts hat eine anti-symmetrierechtliche Tendenz. Die Tendenz wird in einem dreistufigen dogmengeschichtlichen Abriss klarer, deren Akzente auf den Anfang im Humanismus und Naturrecht, der Blüte im 19. Jahrhundert in deutscher Rechtswissenschaft und Pandektistik und dem Zerfall mit Auflösung in die Einzeldisziplinen, wie er uns im 20. Jahrhundert begegnet, zu legen sind. Kurze Referate der Herrschaftsströmung werden genügen. a. Die humanistische Ius-Semantik als Ausgangslage vor der Aufwertung der subjektiven Rechte Die Eingangsbestimmung des Corpus Juris Civilis, das ulpianische honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere! enthält kategorische Befehle. Lebe ehrenhaft, tue niemandem Unrecht, gewährleiste jedem das Seine, sind abendländische Rechtsprinzipien. In freiheitlichen Rechtskulturen sind dann Garantien subjektiver Rechte das selbstverständliche Ordnungsmittel, um die Bereiche für Einzelne, Gruppen, Organisationen, Familien zu bestimmen und abzugrenzen, in denen sich autonomes, voluntaristisches Handeln vollziehen kann. Auch diesen selbstverständlichen Basisannahmen liegt eine gestufte Entwicklung zugrunde. Denn erst die humanistische Logik hat die hierin liegende neuzeitliche Aufwertung des Subjektiven im Recht45 vorbereitet, als sie dieses Aktionensystem neu ordnete und einen eigenen Ius-Begriff in die Mitte ihrer Systemgebäude stellte46 . Der Stand der Theorie des subjektiven Rechts ist als eine Entwicklung von dieser Ausgangslage her, der humanistischen Ius-Semantik, am leichtesten, vielleicht allein begreiflich. Hier liegt der Keim des modernen subjektiven Rechts. Die facultas agendi, der frühe individuelle Zug von ius auf primärer Entwicklungsstufe, ist nur ein Teil im humanistischen Dogmenbau, dessen wahre 45  Coing, Geschichte des Privatrechts, S.  32 ff. Den Naturrechtslehrern der Antike wäre die Hervorhebung individueller Rechte zu ihren weltanschaulichen – der Polis verpflichteten – Prämissen widersprüchlich erschienen, s. Flückiger, Geschichte des Naturrechts, S.  186. Und unter der Dominanz des aktionenrechtlichen Denkens im römischen Recht ist die materielle Entsprechung der Klagebefugnis jedenfalls etwas Subsidiäres, weswegen der erbitterte Streit über die Existenz des subjektiven römischen Rechts für uns unfruchtbar ist; einen Überblick geben Kaser, Zum Ius-Begriff der Römer, S.  67 ff.; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  313 ff. 46  Diese Abkehr war vorbereitet von Duarenus und schon bei Donellus, dessen Schüler, vollendet s. Vogt, Duarenus, S.  48 ff.; Troje, Humanismus, S.  759 ff.

II. Symmetrie in einer auf subjektiven Rechten aufbauenden Privatrechtsordnung

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Grundlage noch ein objektives Ius-Verständnis ist. Die These: Diese Semantik verkümmerte in den letzten vierhundert Jahren schrittweise bis hin zu den Radikalformen des subjektiven Rechts, der Imperativenlehre und ihren Nachfolgern, die Recht mit Zwang in eins setzen. Der Aufstieg des subjektivrechtlichen Paradigmas ist zugleich ein Degenerationsprozess mit einer ständig zunehmenden perspektivischen Verengung. Um das zu verstehen, müssen wir diesen Ausgangspunkt, die humanistische Ius-Semantik besser kennen lernen. Die Humanisten blickten auf die ersten nachchristlichen Jahrhunderte zurück, die eine rechtsgarantierte Begünstigung nicht als Ausgangsbedingung des Rechts empfunden hatten. Im römischen Aktionenwesen genügte die Auslegung der Klageformel, ohne nähere Betrachtung seiner materiellen Grundlage47. Ungeklärt ist, ob und wie die römischen Juristen diese materiale Unterlage wahrgenommen haben, und die radikale Annahme Villeys, den Römern bedeute das ius ungefähr so viel wie ein unkörperliches Rechtsgut und habe überhaupt keinen Subjektbezug48 , hat so viele Anhänger wie Gegner gefunden. Ob damals das voluntative Moment im oder nur neben dem Recht war, ist in der Romanistik ganz offen49. Der Streit wird von einer erheblichen Textambivalenz begünstigt: Im Fragment aus den Büchern des Paulus zum Ius Civile des Sabinus kommt der Ius-Begriff ohne subjektives Moment aus (Recht ist bestimmt als Naturrecht, positives Recht eines Staates, Gerichtsort), in anderen Fragmenten wurde die facultas des Subjekts durchaus hervorgehoben. Diese Textambivalenz des Corpus Juris Civilis hat es den Humanisten erleichtert, die Idee des Subjektiven zu stiften, wo man exegetisch zu arbeiten meinte. Die humanistische Ius-Semantik bereitete es vor, das subjektive Recht (facultas agendi) nicht als etwas von dem Begriff des objektiven Rechts (norma agendi) Abgeleitetes zu verstehen, sondern, wie es bei Kant mit dem einzigen angeborenen Recht der Freiheit auf die Spitze gebracht wird, ihm vorzuschalten. Erst eine nähere Betrachtung lässt das moderne subjektive Recht verständlicher werden. Anhand der Arbeiten des Donellus, die durch Vermittlung v. Savignys bis in die späte Pandektistik gewirkt haben, wird nachvollziehbar, wie die facultas agendi einen gesicherten Systemplatz bekommt50 . Bei Donellus wird 47  S. schon Fn.  45. Im Römischen Recht dachte man bekanntlich aktionenrechtlich, also von der Klageformel, nicht von einer materiellen Befugnis her. Deswegen wird ius bei Paulus (Dig. 1.1.11) beschrieben als Naturrecht, positives Recht eines Staates und der Gerichtsort – an individuelle Machtbefugnisse ist nicht gedacht. Den seit den Arbeiten Villeys geführten Streit in der Romanistik, welchen Stellenwert die Römer dem subjektiven Recht gaben, können wir dabei übergehen, Villey, Revue historique de droit français et étranger, Band 24–25, 1946/47, S.  201 ff., s. dazu Coing, Geschichte des Privatrechts, S.  76. 48  Villey, a. a. O. 49  Dargestellt von Seelmann, Die Lehre des Fernando Vázquez de Menchaca vom dominium, S.  10 ff. 50  Schon die Glossatoren hatten das ius zur causa materialis der actio erklärt. Ius wird als eine materiellrechtliche Unterlage begriffen, zu deren Schutz das Klagerecht wird. In der

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der dreigliedrige Ius-Begriff in Dig. 1.1.11 um die vertraute, in Dig. 1.1.10 erwähnte, Formel des ius suum cuique tribuere ergänzt und dies als ea quae sunt cuiusque privatim iure tamen illi tributa und dann auf tieferer Begriffsebene als facultas et potestas iure tributa bestimmt51. Diese Gleichsetzung von Recht und Macht ist die Urzelle der späteren auf subjektive Rechte gestützten Systembemühungen von der Aufklärung bis in die späte Pandektistik, mit Ausläufern in unsere Tage. Es wird genügen, zwei Einzelaspekte von wichtiger Bedeutung zu erwähnen. Erstens: Die humanistische Vorstellungswelt ließ keinen Raum für so etwas wie eine von der norma agendi gelöste facultas agendi, auch dort nicht, wo sie terminologisch unseren aufklärerisch geprägten Begriffen von subjektiven Rechten nahe zu stehen scheint. Äußerlich fällt bei Donellus die Loslösung von der gaianischen Institutionenordnung (res, personae, actiones) zugunsten einer rationalen Neuordnung des vorgefundenen römischen Rechtsstoffes auf, indem von dem inneren Zentralbegriff des ›quod nostrum est‹ aus ein neues System des Privatrechts entfächert wird52 . Der Begriff, „was das Unsrige ist“, bildet die Systemmitte und wird dichotomisch unterteilt in das wahrlich, eigentümlich Unsrige (quod vere et proprie nostrum est) und das, was uns geschuldet ist (quod nobis debeatur) 53. Kennzeichen des proprie nostrum ist es, dass es in keinem Teil einem anderen zusteht54. In derart weiträumigen Begriffen finden persönliche Rechte (Leben, Freiheit, guter Ruf), das Haben äußerer Dinge (Eigentum, eigentumsähnliche Rechte), aber auch Obligationen hinreichend Platz. Die assoziative Parallele zum Dogma der absoluten und relativen subjektiven Rechte, die ein heutiger Leser leicht zieht, lenkt aber von Sinnunterschieden ab. Donnellus meint – das ist entscheidend – eben noch keine subjektivrechtlichen Begünstigungen im modernen Sinne: das quod nostrum est bedeutet für das Subjekt, wenn man schon eine Zuordnung zu modernen Kategorien versuchen will, eher einen Rechtsreflex, nicht einen Anspruch55. Deswegen sind Rechte ohne Subjekte ius im humanistischen Sinne. Und in großer Distanz zum neuzeitlich-subjektiven Ansatz ist das, was uns „gebührt“, Neuzeit, in den französischen und niederländischen Rechtsschulen des 16. Jahrhunderts, wird der Übergang von der norma agendi zur facultas agendi vorbereitet. Diese Auswahl liegt deswegen auf der Hand, weil die Arbeiten des Donellus nicht nur in seiner Zeit, sondern vor allem später auf v. Savigny nachhaltig gewirkt haben, s. auch Coing, Geschichte des Begriffs „subjektives Recht“, S.  14 f. und Troje, Wissenschaftlichkeit und System, S.  80 ff. 51  Commentarii, Lib. I. Cap. III. 52  Referate bei Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S.  168 ff.; Troje, Wissenschaftlichkeit und System, S.  80 ff. Im Humanismus zielte die Systemarbeit auf Verbesserung der stofflichen Präsentation; man wusste noch nichts von dem hohen Wissenschaftlichkeitspostulat des Naturrechts, s. die Diskussionsbeiträge zu Troje, Wissenschaftlichkeit und System, S.  89. 53  Donellus, Commentarii, Lib. II. Cap. VIII §  1. 54  Proprie nostrum voco, quod ita nostrum factum est, ut nulla ex parte sit alterius und debetur nobis id, ad quod praestandum nobis alius obligatus est; Stelle wie zuvor. 55  Ich folge der Argumentation Dubischars, Grundlagen, S.  48 ff.

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auch diejenige Last, die uns durch Rechte anderer aus dem ,unseren‘ entsteht. Anders gesagt: das rerum nostrarum ius ist auch das, was wir durch andere in dieser Sache gezwungen sind zu erleiden (quod nos ab aliis in his rebus pati cogimur) 56 . Man sieht, dass im humanistischen Ius-System nicht das Subjekt, sondern das quod nostrum est im Zentrum steht. Ius ist noch nicht die einseitige Begünstigung oder Garantie. Zweitens: Noch bezeichnet ius die Objektivität der Rechtsnormen. Man kann sagen, bei Donellus war die actio ein erstes, das ius eine schon mitgedachte materielle Unterlage, dies aber nicht im Sinne eines Geflechts aus individuellen Begünstigungen, sondern als ein subsidiärer, reflexiv-wirksamer Bezug zur Rechtsordnung57. Wenn bei Donellus das Subjekt schon hervorgehoben ist – etwa: ea qua sunt cuiusque privatim iure tamen illi tributa, facultas et potestas iure tributa –, ist dies nur eine Seite des Ganzen 58 . Es entsprach calvinistischem Denken, die Rechte dem Einzelnen zu garantieren, um die Gesellschaftsordnung zu erhalten und zu festigen 59. Aber genau darin – und darauf gilt es aufmerksam zu machen –, liegt schon ein Riss im paulinischen Ius-Begriff60 , der zugunsten des ulpianischen Gebots des honeste vivere mit den nachgeordneten Nebenbestimmungen des alterum non laedere und des suum cuique tribuere abgewertet wird. Dieser Bruch wird die spätere Formalisierung des Rechts vorbereiten, die mit der Überbetonung des alterum non laedere einhergeht. Sie geschieht im Natur- und Vernunftrecht. b. Vom Übergang von der norma agendi zur facultas agendi im Naturrecht der Neuzeit bis zum Primat des subjektivrechtlichen Paradigmas In der Naturrechtsdogmatik der Aufklärung setzt sich die subjektivrechtliche Seite des Rechts durch. In ihr substituiert das Dogma des subjektiven Rechts die noch fehlende deutsche Staatstheorie – das subjektive Recht hat eine Schutzenklave gegen den Staat herzustellen. Der Paradigmenwechsel von der norma agendi zur facultas agendi ist in diesem Bezugsfeld leichter zu erklären. Die Freiheit als Recht! und Recht nur als Netz individueller Rechte und Pflichten: das ist die wesentliche Neuerung61. 56 

Donellus, Commentarii, Lib. V. Cap. I §  17. bedarf von hier aus also noch der erheblichen Verschiebung dogmatischer Akzente bis hin zu dem streng anspruchsbezogenen Denken, wie es sich mit Windscheids Trennung von actio und Anspruch seit 1856 durchsetzte. 58  S. bereits Stintzing, Geschichte, Band 1, S.  380; später Coing, Geschichte des Begriffs „subjektives Recht“, S.  15. Auf Textambivalenzen, welche zusammen den Eindruck eines objektiven Rechtsverständnisses plausibler machen, hat Dubischar, Grundlagen, S.  48 ff. hingewiesen, ähnlich später Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S.  158 ff. 59 Näher Bohatec, Calvin und das Recht, S.  10, 62; Heise, Grundriss eines Systems, S.  126 f. 60  Dig. 1.1.11. 61 Bei Pufendorf etwa ist ius bereits: potentia moralis activa, personae competens ad aliquid 57  Es

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Wenn Recht seither wesentlich ein Gegenüber von Rechten und Pflichten Einzelner ist, rückt auch das alterum non laedere, der zweite ulpianische Ius-Imperativ, vor und man könnte, sehr grob, sagen, es verdrängt den dritten Imperativ des suum cuique tribuere aus dem Zentrum der Ius-Semantik. Viele neuzeitliche Naturrechtslehren waren nun in erster Linie Pflichtensysteme. Bei Wolff wird die Rechtsperson eine persona moralis dadurch, dass sie Träger von Rechten und Pflichten ist62 . Ihre erste Pflicht zielt auf die eigene Pflicht, sich zu vervollkommnen, die aus der Menschennatur, der Lex Naturalis abgeleitet wird. Das subjektive Recht ist dieser Pflicht nachgeordnet. Der Umbau der neuzeitlichen Privatrechtssysteme, wie sie das mittelalterliche und aufklärerische Naturrecht hervorgebracht hatten, in die Formalsysteme, wie sie bei Windscheid den „logischen Formalismus“ des Rechts (Weber) zur Größe bringen63, ist ganz erheblich von der kantischen Transzendentalphilosophie und ihrem Fortwirken in einer epochalen Faszination für das handlungsorientierte Subjekt beeinflusst64. Sie wird durch die Vermittlung v. Savignys und anderer zum wichtigen Bindeglied, das bis ins Bürgerliche Gesetzbuch hineinwirkt. Es ist im Folgenden dieser Übergang anhand einiger Aspekte näher zu betrachten. Erstens: das Naturrecht überlebt paradoxerweise durch Vermittlung der transzendentalen Philosophie. In der kantischen Transzendentalphilosophie sind naturrechtliche Lehren verarbeitet und ein naturrechtlicher Kern, auf den die Philosophie gehörig eingewirkt hat, ist durch die wirkungsgeschichtliche Dominanz des kantischen Œuvres konserviert und erhalten. Denn durch Kant hatte sich das Recht den Inhalten nach gar nicht allzu weit von diesen aufklärerischen und naturrechtlichen Vorarbeiten entfernt, so dass es, von seiner formalphilosophischen Einkleidung befreit, mühelos noch in ein naturrechtliches System hätte zurückkehren können65. Zu einer schulmäßigen Verfestigung der ab altero necessario habendum – Freiheit ist hier schon ein Recht, Pufendorf, Elementorum Jurisprudentiae universalis libri duo, 1660, zit. nach Behme, Samuel Pufendorf, S.  80 ff. Bei Molina findet sich die einflussreiche Bestimmung: facultas aliquid faciendi, sive obtinendi aut in eo insistendi vel aliquo modo habendi, cui ei sine legitima causa contraveniatur, iniuria fit eam habenti, s. Molina, Ludovicus, De iustitia et iure opera omnia, Venetiis 1611–14, tract. II, disp.  1, zit. nach Coing, Europäisches Privatrecht, Band 1, §  29 S.  172. 62  Institutiones iuris naturae, §  96. 63  Wirtschaft und Gesellschaft, S.  397, 495. 64  Man weiß heute durch die Arbeiten Wieackers, Kiefers, Rückerts und anderer, wie stark die transzendentale Philosophie die historische Rechtsschule und frühe Pandektistik beeinflusst und mitgeprägt hat, s. näher dazu Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S.  248 mit Nachweisen in Fn.  261. 65  Die Naturrechtslehrer der Aufklärung hatten ihre Systeme von dem Ausgangspunkt eines weltanschaulichen Freiheitsaxioms aus errichtet, Nachweise bei Kasper, Das subjektive Recht, S.  51, Fn.  11. Übersichten bei Wolf, Große Rechtsdenker, S.  371 ff. Selbst die Zentrierung des Rechtsbegriffs auf das Attribut der Willensmacht hat Kant nicht erdacht, sondern dem Naturrecht entnommen. Umgekehrt lagen Kant auch Naturrechtslehren vor, welche seine Gedanken aufgenommen hatten. Hufelands Lehrsätze des Naturrechts waren zwei Jahre

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kantischen Rechtslehre durch historische Rechtsschule und Pandektistik konnte es überhaupt nur kommen, weil er sich in hohem Maße an Inhalte der Naturrechtsdoktrin anlehnte, also an bereits bewährte und gefestigte Dogmensysteme. Die Aufgabe für Kant, die er sich für seine Rechtslehre selbst stellte, war unheilvoll schwierig: Im kantischen Idealismus werden Rechtsbegriff und transzendentale Freiheitsidee mit dem Zweck verbunden, das ästhetische Ideal eines geschlossenen Werkesystems zu vollenden: Die Anfangsgründe der Rechtslehre gehören mit zu dem Firmament des Systemgebäudes, in dem die alten Naturrechtslehren nach den Vorgaben der Kritik der reinen Vernunft und der praktischen Vernunft umgestaltet werden. Dieser Umgestaltung waren zwei Axiome vorgegeben: die Zurückweisung der empirischen Erkenntnismethode und die Trennung von Legalität und Moralität als Postulat der praktischen Ethik. Die kritische Erkenntnislehre aber hatte die spekulativen und empirischen Prämissen der vorgefundenen Rechtslehren – vor anderen Pufendorfs, Wolffs, Baumgartens und vor allem Achenwalls ›ius naturae‹ 66 – in eine Tiefe des nicht Erkennbaren gedrängt. Da aus Begriffen analytische Urteile, keine synthetischen Urteile apriori möglich sind, hatte Kant den Fremdstoff von erfahrungsabhängigen Momenten (synthetischen Urteilen) zu reinigen, kurz: das Recht ohne Naturrecht darzustellen67. Die nicht eben leichte Lösung Kants bestand nun in einer zunächst verblüffenden Adaption des vorgefundenen naturrechtlichen Materials. Am Anfang seines Systems wird die „äußere Freiheit“ eingeführt; sie ist „der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“68 . Mein Recht „ist dasjenige, womit ich verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte, mich lädieren würde“69 ; gegen diese schlichte Negativ­ formel heben sich alle anderen wie Verwicklungen ab. Dieser im Grunde unauffälligen Rückkehr der ›Art, etwas Äußeres als das Seine zu haben‹ zum Gedanken neminem laedere, welcher im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts ohnehin vorherrschend war, schließt sich die eigentliche philosophische Fundamentierung erst noch an. Kant füllte die notwendig entstandene Leerstelle im nach Erscheinen der praktischen Vernunft bereits kantisch inspiriert, wenn er als oberstes Postulat formuliert: Die „Vorschriften nach denen Du handelst“ haben so zu sein, „daß sie allgemeine Gesetze sein können“, Lehrsätze des Naturrechts, S.  32. 66  Kant hielt Vorlesungen u.  a. nach Baumgartens „Initia Philosophiae Practicae“ und Achenwalls „Jus Naturae“, vgl. van der Pfordten, Kant-Studien, 2007, 431; s. näher zur Verarbeitung des Vorgefundenen Buchda, Das Privatrecht Immanuel Kants, S.  4 ff. 67  Eine empirische Rechtslehre verglich Kant mit dem „hölzernen Kopf in Phädrus’ Fabel, der schön sein mag, – nur schade! daß er kein Gehirn hat“, s. Kant, Metaphysik der Sitten, AA VI, S.  273. 68  Kant, Metaphysik der Sitten, Erster Teil, Einleitung in die Rechtslehre, S.  357. 69  Kant, Metaphysik der Sitten, Erster Teil, Einleitung in die Rechtslehre, S.  353.

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moralischen Inneren dieses negativen Rechtsbegriffs mit seiner praktischen Philosophie gleichsam auf. Er leitet alle Verbindlichkeit von Recht aus dem transzendentalen Vorverständnis, seinem Freiheitsbegriff, schlicht ab, dessen Geltungsanspruch apriori bestehe. Ohne Rückführbarkeit auf das Sittengesetz seiner praktischen Ethik ist Recht willkürliches, sittenwidriges Unterdrückungsmittel. Zweitens: der kantische Einfluss auf die subjektivrechtliche Theorie. In diesem Bund von Transzendentalphilosophie und Naturrechtslehre sind zwei wesentliche Tendenzen angestoßen70 . Man kann sagen, das subjektive Recht hat eine transzendentale Färbung, und zwar durch zwei Aspekte: die Formalisierung des Rechts und die Verkümmerung der Pflicht. Es kommt also zum einen zu einer gewissen Formalisierung. Kant legte vor allem eine Staatslehre vor, die erste geschlossene in deutscher Sprache71. Die Leerstelle im eigentlichen Inneren des Rechts, das Loch im Zentrum des Normenkreises, ist bei Kant philosophisch besetzt. So wird dem Staat die rechtsfreie Sphäre des Subjekts gegenübergestellt: Ein Freiheitsbereich wird nach Kant vorgefunden, der keines weiteren Rückgriffs auf naturrechtliche Empirien bedarf. Die nähere Güterzuordnung ist dann bei Kant eine Frage der Güterbewegung. Es kommt zum anderen zur berühmten Trennung von Recht und Moral: Bei Kant steht das Recht gegenüber der Grundnorm in einem untergeordneten Verhältnis. Das ist der zentrale Gedanke seiner praktischen Philosophie. Recht ist deswegen auf die Regelung der äußeren Beziehungen von Menschen beschränkt72 . Recht reicht nicht in die individuellen Innenräume hinein, die dem Einzelnen in dieser Ordnung aller äußeren Beziehungen verbleiben, andernfalls wird es falsch und sittenwidrig. Umgekehrt formt die durch den kategorischen Imperativ determinierte Moral das Recht ebenso wenig, es entsteht die bekannte Alternative von Recht und Moral. Im kantischen System ist also die Pflicht, das Sittengesetz zu befolgen, eine stets mitgedachte Vorherigkeit von Recht. Pflicht ist mehr als eine Immanenz, denn ohne die Legitimation der praktischen Philosophie bleibt das Recht Willkür. Das ist eine starke Aufwertung der Pflicht, als ein philosophisches Apriori, zugleich aber die faktische Fixierung des Denkens auf Sphären positiver Rechts­ privilegien. Ius ist die Kompetenz, den Willen eines anderen zu beschränken, 70  Kritisch zu dem Versuch zu zeigen, dass der transzendentale Freiheitsbegriff von der kantischen Rechtslehre unabhängig zu denken ist und mit Referat zum Meinungsstand etwa Oberer, Kant-Studien, 2010, 380, 385 ff. 71  Kants Metaphysik der Sitten ist ein Entwurf einer Staatslehre, in der dem Einzelnen eine Freiheitssphäre zugedacht ist, an deren Grenzen die politische Macht des Souveräns endet. Der Staat ist die „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“, s. Kant, Metaphysik der Sitten, §  45. 72  Kant, Metaphysik der Sitten, Erster Teil, Einleitung in die Rechtslehre, S.  230.

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nicht ein Dürfen oder eine Erlaubnis, und schon gar nicht mehr die Pflicht gegen einen anderen. Dieser kantische Formalismus etablierte sich. In der historischen Rechtsschule v. Savignys lebten die naturrechtlichen Freiheitslehren in der Formalgestalt der idealistisch-kantischen Rechtsphilosophie fort. Bei v. Savigny ist Recht „die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht“73. Dieses Willensdogma der historischen Schule gelangte in der Pandektenwissenschaft schnell zur Herrschaft und Blüte74. Die ganze nächste Generation, etwa v. Savignys „System des heutigen Römischen Rechts“ mit der Metaphysik Kants in Bezug zu setzen, ist insofern eine legitime Verkürzung, als die transzendentale Rechtslehre die gedankliche Basis gewesen ist, von der aus die Begründer der deutschen Rechtswissenschaft von v. Savigny bis Feuerbach ihre dogmatischen Systeme errichteten75. Wie, braucht nicht im Einzelnen nachvollzogen zu werden, aber es ist zu fragen, was im System nicht berücksichtigt ist, um den kantischen Wissenschaftsanspruch einlösen zu können. Die Antwort könnte lauten: nichts!, wenn man sich auf die Prämisse einlässt, das Rechtssystem als artikuliertes Ganzes sei wirklich durch einen einzigen Systemgedanken, Recht ist Willensmacht, erfassbar. Aber dann ist es notwendig, wie andere hinlänglich gezeigt haben, zahlreiche Problembereiche dem Systemerhalt zu opfern. Es war, wie man heute weiß, gerade die Kantrezeption, die das starre Verständnis der Personenrechte im bürgerlichen Recht begünstigte und den Streit um das Wesen der juristischen Person im 19. Jahrhundert derart hat eskalieren lassen76 . Es ist nun zu betrachten, welche Abstraktionsverluste für die spätere subjektivrechtliche Theorie auf diese Weichenstellungen folgen. c. Perpetuierung des wertverlorenen subjektivrechtlichen Paradigmas trotz Dekonstruktion der Willenslehren nach 1870 Spätere subjektivrechtliche Begriffe bleiben gefangen in der Perspektivik der späten Aufklärung, so wie sie der deutsche Idealismus vorgegeben und die Pandektistik konserviert haben. Im ausgehenden 19. Jahrhundert verkümmert die Willensdoktrin zum Stärkungsmittel der sprachlichen Ausdrucks- und Dar73 System des heutigen römischen Rechts, Band 1, S.   7. Kant verwendet das Wort vom „subjektiven Recht“ nirgends. In rückwärtsgewandter Lesart mag Kants Rechtslehre ein System subjektiver Rechte errichten, aber für Kant war das unwesentlich. Selbst bei v. Savigny heißt es a. a. O. vorsichtig: „Diese Macht nennen wir ein Recht der Person (…): Manche nennen es das Recht im subjektiven Sinne“. 74  Nachweise bei Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  330, Fn.  438. 75 S. bereits Fn.   64. Der kantische Einfluss ist durch die Savignyforschung hinlänglich nachgewiesen, s. Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, S.  10. Näher nachgezeichnet von Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S.  261 mit Nachweisen. 76  Fikentscher hat überzeugend dargelegt, wie v. Savigny die von ihm geforderte Wertfreiheit des Rechts selbst nicht einzulösen vermochte, Methoden, Band 3, S.  69.

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stellungskraft und erfährt ab 1870 offene und scharfe Gegnerschaft. Nach dem Ende einer bürgerlichen Epoche blickt eine wissenschaftsgläubige Generation auf die Nachahmung der Rechtslehren, die aus dem Innern von Aufklärung und deutschem Idealismus entsprungen waren, misstrauisch zurück. Die auf den Verteidigungszustand des Eigentums orientierte Problemausrichtung erscheint ihr für die Rechte des Dürfens unvollständig. Die Willensmacht auch der Willensunfähigen, Kinder oder Kranken gilt als fragwürdig. Die Macht des Gläubigers über den Schuldnerwillen, die Gewaltrechte des Familienvaters oder des Ehemanns erscheinen dem Bürgertum dieser Zeit bereits als lebensabgewandte Fiktionen77. Die berühmte Imperativentheorie (Thon) und Interessenlehre (Jhering) bilden die Ränder eines weitläufigen Skeptizismus78 . An diesen Rändern orientieren sich zwei Strömungen: die eine will die mit Kant einsetzende Formalisierung eher verschärfen, die zweite zurücknehmen. Es reicht aus, diese Frontstellung nachzuzeichnen. Erstens: In der reduktionistischen Imperativenlehre Thons wird Recht in radikaler Verkürzung des Begriffsfeldes mit der prozessualen Schutzhülle gleichgesetzt79. Die Vielfalt, in der Rechte erscheinen, wird in einer kruden Reduktion auf ein Geflecht von Geboten und Verboten heruntergebrochen und auf etwas Begreifbares, Darstellbares eingegrenzt80 . Denn das, was dem Subjekt gebühre, bestehe in „dem durch die Gebote und Verbote der Rechtsgemeinschaft [dem Einzelnen] gewährten Schutz (…), welcher Schutz zum Rechte des Geschützten insoweit werde, als ihm behufs Realisierung der Imperative ein Rechtsmittel verhiessen sei“81. Ein Nihilismus des subjektiven Rechts, das zum Schutzreflex, ja zur bloßen Aussicht wird, dass sich ein im Objektiven schlummernder Imperativ in eine Klagebefugnis – Thon sagt: Ansprüche – verwandelt. Recht ist danach nicht: Macht, Wille, Interesse, Wert, Genuss oder Befugnis, sondern: „Verheißung eventueller Ansprüche“82 . Das imperative Gebot soll dem Einzelnen einen Genuss ermöglichen; das imperative Verbot soll eine bestehende Genussaussicht erhalten. Die norma agendi wird wieder zur Quelle von Recht, die Befugnis des

77 

Die Kritik ist zusammengefasst bei Kasper, Das subjektive Recht, S.  65. als mit der Unzeitgemäßheit des Willensdogmas ist die pathetische Kritik Jherings kaum zu erklären; allerdings setzt Heck in den 1920er Jahren die Kritik im Kampfton fort, diesmal gegen einen erfundenen Gegner, gegen die „Begriffsjurisprudenz“, s. zum Verhältnis von Begriffs- und Interessenjurisprudenz statt vieler Wiethölter, Festschrift Kegel, S.  213 ff.; eine Übersicht gibt Petersen, Interessenjurisprudenz, S.  6 ff. 79  Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S.  3 ff. Damit verwandt ist die Lehre Bierlings, Juristische Prinzipienlehre I, S.  30. 80  Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S.  1 ff., 8. 81  Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S.  325. 82  Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S.  218. 78  Anders

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Subjekts ist ein Zweites, Abgeleitetes83. „Folgeweise“ sagt Thon, „hat es die Rechtsordnung mit dem Genusse, dessen Ermöglichung ihre Verbote bezwecken, nicht zu tun“84. Zweitens: In der substantiellen Interessenlehre Jherings äußert sich die Enttäuschung seiner Zeit über die Systemjurisprudenz im Anschluss an Kant, d. h. über ihren propagierten Wissenschaftlichkeitsanspruch und ihre Einlösung durch die Willenslehren. In Jherings „Geist des römischen Rechts“ ist der Satz jus privatum, quod ad singulorum utilitatem spectat dem Abschnitt über die subjektiven Rechte als programmatischer Wahlspruch vorangestellt85. Mit polemischer Expressivität wird der „Willensformalismus“ bekämpft: Es könne das „Recht nicht des Willens, sondern der Wille des Rechts wegen“ sein86 . „Berechtigt ist nicht, wer das Wollen, sondern den Genuß beanspruchen kann“. Und weiter: „Subjekt des Rechts ist der, dem der Nutzen desselben vom Gesetz zugedacht ist (der Destinatär); der Schutz des Rechts hat keinen anderen Zweck, als die Zuwendung dieses Nutzens an ihn zu sichern“87. Der Abkehr vom Willensformalismus folgt die Zuwendung zum Innern des Schutzkreises von Recht. Der Kerngedanke lautet: „Zwei Momente sind es, die den Begriff des Rechts constituieren, ein substantielles, in dem der praktische Zweck desselben liegt, nämlich der Nutzen, Vorteil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll, und ein formales, welches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage. Ersteres ist der Kern, letzteres die schützende Schale des Rechts“88 . Die Momente stehen in notwendigem Wechselbezug: „Jenes für sich allein begründet lediglich einen thatsächlichen Zustand des Nutzens oder Genusses (faktisches Interesse), der jederzeit ohne weitere Folgen von Jedem, der dazu thatsächlich in der Lage ist, aufgehoben werden kann. Den Charakter der Zufälligkeit, Hinfälligkeit verliert dieser Zustand erst dadurch, daß das Gesetz ihn unter seinen Schutz nimmt, der Genuß oder die Aussicht auf den selben wird dadurch gesicherter: ein Recht“. Diese Anleihe am Utilitarismus Benthams hat sich nicht durchgesetzt, die ›Entmythisierung‹ solcher Willenskonzepte aber, die Recht zu einer Schutzsphäre gleichsam mit einem blinden Loch in der Mitte erklärten, war nach Jherings Polemik nicht mehr rückgängig zu machen89. 83  Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S.  147 f., insb. S.  178 ff., s. auch Bierling, Kritik juristischer Grundbegriffe, S.  49 f., s. dazu auch Funke, Allgemeine Rechtslehre, S.  24 ff. 84  Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S.  218. 85  Jherings Ausführungen sind auch Ausdruck einer Abwendung von der kantisch-protestantischen Ethik der Pflicht hin zu einer Ethik des Glückwillens. 86  Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  331. 87  Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  335. 88  Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  317 ff., 327 f. 89  Die Formel des ›Rechts als geschütztem Interesse‹ ist vage. Soziologen haben ihre Theorien nachträglich in den ambivalenten Text hineingelesen; Heck konnte sie für seine Wertungsjurisprudenz, Radbruch für einen apriorischen Rechtsbegriff (Vorschule der Rechts-

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d. Perpetuierung des wertverlorenen subjektivrechtlichen Paradigmas durch Formallogik und Schuldrechtsdogmatik nach 1945 Im vergangenen Jahrhundert geriet das subjektive Recht in eine vom Bedeutungsverfall gezeichnete Krisis, die sich in eine episodenhafte Pervertierung durch die Kieler Schule steigerte. Die Krisis hatte sich angekündigt, indem Regelsberger 90 eine theorieverlorene Kompromissformel bildete, welche für die Schule von v. Tuhr, Enneccerus bis hin zu Lehmann annehmbar war91 : „Rechtsmacht, die dem Einzelnen durch die Rechtsordnung verliehen ist, seinem Zwecke nach ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Interessen“92 . Dagegen hebt sich das Bekenntnis des Bonner Grundgesetzes zum gottgegebenen Naturrecht wie ein läuternder Ausklang ab, bleibt aber in gewisser Weise auch aufgesetzt und kann den Subjektbezug des subjektiven Rechts gerade nicht ideologiefrei erklären. Nach dieser Krisis ohne Katharsis werden sich die Theorienstränge in unübersichtlichere Vielfalt auflösen. Man findet ältere naturrechtliche Ansätze, welche das subjektive Recht bereits in Funktion und Wertigkeit geleugnet hatten, unter neuen Aspekten durch Usappa fortgedacht; man findet ebenso die Erneuerung der subjektivrechtlichen Theorie auf positivistischer, totalitärer oder realismusbezogener Basis93. In den letzten fünfzig Jahren bildeten sich aber zwei Hauptströmungen heraus, in denen die alte Frontstellung zwischen Imperativ und Interesse wieder aufgenommen und fortgesetzt wird, nunmehr mit fachübergreifender Frontstellung in Logik und Dogmatik. Erstens: Die reduktionistischen Formallehren stehen unter dem Einfluss der „reinen Rechtslehre“ Kelsens. Die transzendentale Erkenntnistheorie hatte eine Wertfreiheit postuliert, aber nicht eingelöst. Nach neukantischer Forderung waren die mitgeschleppten Einverleibungen naturrechtlicher Gehalte, kurz: die „ideologische Funktion“ des subjektiven Rechts, zu überwinden94. Das Postulat einer wertreinen Normativität des Sollens sei einzulösen durch eine „von allem ethisch-politischen Werturteil befreite, möglichst exakte Strukturanalyse des philosophie, S.  10 f.) nutzen; eine kritische Zusammenstellung dieser Interpretationen erfolgte zuletzt durch Mestmäcker, Festschrift Karsten Schmidt, S.  1197, 1200 ff. 90  Regelsberger, Pandekten, §  14. 91  v. Tuhr, Allgemeiner Teil, I, §  1; Lehmann, Allgemeiner Teil, S.  70 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, 1. Halbband, S.  428 f.; Staudinger/Honsell, vor §  1 Rn.  20. 92  Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, 1. Halbband, S.   428 f.; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, I, §  1; Lehmann, Allgemeiner Teil, S.  70 ff. Das ist keine dialektische Synthesis zweier Gedanken, sondern eine unmotivierte Verflachung. Im 19. Jahrhundert hätte niemand, schon gar nicht Jhering, geleugnet, dass Recht irgendeine Willensmacht vermittelt – es liegt im Willen des Berechtigten, einzufordern, zu klagen oder zu erzwingen – oder umgekehrt, dass Recht der Interessenbefriedigung dient. 93  Vorzügliche Übersichten bei Kasper, Das subjektive Recht, und ausf. Fezer, Teilhabe und Verantwortung. 94  Eine erste Formulierung des Programms dieser Rechtstheorie findet sich bereits im Vorwort der Internationalen Zeitschrift für Theorie des Rechts (1), 1926/27, S.  1 ff., deren Mitherausgeber Kelsen war.

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positiven Rechts“95. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Forderung nach einer Rechtstheorie ohne ideologische Beimischungen geschichtlich zu einer Kraft geworden. Die subjektivrechtliche Fragestellung wurde in den fünfziger und sechziger Jahren überwiegend auf die Klärung normlogischer Strukturen konzentriert. Bucher und Aicher entwickelten eine neukantische Imperativendoktrin, die Kelsens Rechtslehre in eine gemäßigte Form variierte, welche eine Außerachtlassung der berüchtigten „hypothetischen Grundnorm“ kennzeichnete und annehmbar machen sollte96 . Diese normlogischen Arbeiten bilden den Referenzpunkt für einen Formaldiskurs über die Struktur subjektiver Rechte. Die erste der gegensätzlichen Positionen ist die der modernen Imperativenlehren, etwa der Theorie der Normsetzungsbefugnis (Bucher). Recht sei eine Summe von Sollenssätzen, von Geboten und Verboten. Recht sei nicht die Befugnis zu handeln. Die Erlaubnis, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (§  903), ist für diesen Ansatz eine umständliche bis verfehlte Verlegenheitswendung97. Nach der breiten Gegenströmung muss zum „subjektiven Recht“ neben dem Verboten-Sein für andere ein Zweites, ein entsprechendes Erlaubt-Sein der Handlung, ergänzt werden (Theorie der Erlaubnisnorm) 98 . Es wäre aber ein Missverständnis, in der Erlaubnis eine materiellrechtliche Befugnis zu verstehen. Die Erlaubnis ist von Jürgen Schmidt, in der Adaption des hohfeldschen Verständnisses von Recht als right and privilege, bestimmt worden als Ermächtigung zur Setzung von Sachverhalten für den Berechtigten, die flankiert wird durch ein Generalverbot zur Setzung desselben Sachverhalts für Nichtberechtigte99.

95 

Kelsen, Reine Rechtslehre, S.  61.

96 Nach Bucher ist der Einzelne Hüter der objektiven Ordnung; der Grund der Einsetzung

gehöre nicht zum Begriff des Rechts. Vom „normativen Denken“ zurück zum „aktionenrechtlichen Denken“ lautet die auf Rückkehr zur römischen Tradition gerichtete Losung, nach der „subjektives Recht“ mit der Summe der Aktionen eins ist, Bucher, AcP 186 (1986), 1; dazu Unberath, Vertragsverletzung, S.  170 ff. 97  Als widerlegt gilt heute der Ansatz Buchers (Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, passim), durch Nachdenken (ohne Ansehung des gelebten Rechts) auf eine Einfachstruktur von Recht dergestalt zu kommen, nach der Recht nichts als die Befugnis sei, anderen eine Handlung zu ge- oder verbieten. Hier werden die Lehren Thons und Kelsens verbunden, die so angreifbare Hauptannahme Kelsens zur „hypothetischen Grundnorm“ wird von Bucher dabei vorsichtig vermieden. Genauere Analysen durch Kasper, Das subjektive Recht, S.  149 f.; Dörner, Dynamische Relativität, S.  57 ff. und andere haben gezeigt, dass diese Verengung zu weit gehen dürfte. Insbesondere Dörner hat ein vollständigeres Bild der Rechtsstruktur gezeichnet, dessen Komplexität die wirklichen Schwierigkeiten jeder subjektivrechtlichen Einheitsformel erkennbar macht, Dörner, Dynamische Relativität, insbes. S.  13 ff. und S.  34 ff. 98  Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  56. 99  Die Restmenge an Theoriedifferenzen ist viel geringer, als man zunächst meint und für ein positivrechtliches Thema zu vernachlässigen.

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Diese Logik der subjektivrechtlichen Form als solche ist nicht zu beanstanden. Sie zielt auf eine verfeinerte Erklärung logischer Teilaspekte und ihr genügt eine scientivistische Minimalaussage zu subjektiven Rechten. Im Formalstreit ist das Erkenntnisziel weithin vom Programm des Neukantianismus bestimmt und beschränkt sich von vornherein auf eine Hilfeleistung durch eine Logik der Forschung. Die Leerstelle im rechts-reinen Innern von Recht (und mit ihr das Symmetrische) ist ausgenommen. Wie immer man sich auf dem formalen Diskursfeld hin oder her bewegt, die echten Zuordnungsfragen und Befugnisgründe werden überhaupt nicht mehr berührt. Jeder Begründungszusammenhang zwischen Verbot (und Erlaubnis) einerseits und dem Grund für die rechtsimplizite Zuweisung von Vorteilen und Nachteilen andererseits ist schon lange zuvor definitionsweise ausgegrenzt worden100 . Zweitens: Eine substantielle Befugnislehre bildet die zweite und vorherrschende Strömung. Befugnis formt nach ihr den theoretischen Vorbehalt, der eine stärker auf das Innere des Rechts bezogene Fragestellung des subjektiven Rechts einfordert als es die Imperativenlehre moderner Prägung leistet. Die Theorie der subjektivrechtlichen Befugnis wird von der Schuldrechtsdogmatik erarbeitet. Es ist, als hätte der Formaldiskurs seit den 1960er Jahren über die Struktur subjektiver Rechte die Einheit von rechtlicher Theorie und fachbezogener Dogmatik nicht begünstigt, sondern beschädigt – vielleicht eine Nebenfolge des neukantischen Programms, über der angewandten Jurisprudenz stehen zu wollen101. Subjektives Recht gilt der Zivilrechtsdogmatik der Nachkriegszeit als Befugnis, Berechtigung, Zuständigkeit102 oder, – in Rückanbindung an Platon – wieder als „etwas, was jemandem rechtens zukommt oder gebührt“103. Esser be100 Dem Versuch Jürgen Schmidts, diese allgemeine Tendenz durch Einbeziehung einer neuen, in die Theorie zurückgeholten Vermögenslehre zu durchbrechen, ist die Forschungsgemeinde mit Nichtachtung begegnet. Die Theorie der Vermögensberechtigung, welche für die Lehre Jürgen Schmidts zentral ist, wird in den meisten Forschungsarbeiten, die sich eher auf die normlogische Seite der Theorie von Jürgen Schmidt konzentrieren, mehr oder weniger übergangen, vgl. Fezer, Teilhabe und Verantwortung, passim; Portmann, Wesen und System der subjektiven Privatrechte, passim; Dörner, Dynamische Relativität, passim; Bork, Der Vergleich, S.  193 ff. Anders nunmehr im Fachbezug Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S.  420 ff.; s. auch Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S.  204 ff. 101  Der normlogische Diskurs hatte sich von der fachbezogenen Dogmatik entfernt, die ihre eigene Theorie für ihre Zwecke entwickelt hatte. Die Leerstelle, der „blinde Fleck“ im Rechtsinneren, wurde in der Rechtstheorie offenbar zu wenig betrachtet. Wo die Dogmatik die logischen Ansätze der Zeit einzubeziehen versucht, verwirft sie das Vorhaben wieder oder muss die Vorgaben der sozialen und positiven Rechtswirklichkeit anpassen oder korrigieren, s. etwa Dörner, Dynamische Relativität, insbes. S.  13 ff. und S.  34 ff.; noch deutlicher wird diese Entfernung bei Habersack, Mitgliedschaft, S.  26 ff. 102  Statt vieler Müller-Freienfels, Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  103; s. aus der Rechtstheorie auch Robles, Rechtsregeln und Spielregeln, S.  51 (Handlungszuständigkeit). 103  So in der Tat Larenz, Allgemeiner Teil, S.  198 ff., 201 mit inzwischen hinlänglich bekanntem Problemhintergrund.

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schreibt es als „ein sozialgebundenes Bestimmungsrecht – und zwar über die zugeteilten Waren selbst (Genuß- und Verfügungsfunktion) wie über fremdes, die Zuweisung herstellendes (Durchsetzungsfunktion) oder störendes (Schutzfunktion) Verhalten“104. Bei Larenz wird es ganz offen gesagt: „Die Vermögenszuweisung ist also doch wohl nur ein, allerdings sehr wichtiger und vielleicht noch nicht genügend beachteter Aspekt aller subjektiven Rechte, die einen Vermögenswert darstellen“105. Zahlreiche dogmatische Arbeiten zeigen im Grunde dieselbe Basisannahme: eine Befugnis im Kern des subjektiven Rechts106 . Es ist von anderen erkannt worden, wie sehr die Erweiterung der subjektiven Rechte um rechtstechnische Neben- und Begleitrechte gleichsam einen Schleier über die Befugnissubstanz der ursprünglichen subjektiven Rechte gelegt hat. So hat in Deutschland zuerst Raiser die Ausgrenzung solcher „sekundären Rechte“ – Ansprüche, Gestaltungsrechte – gefordert. „Hier handelt es sich um Werkzeuge der Rechtstechnik, die dem Schutz und der Verwirk­ lichung jeder Rechtsstellungen und Rechtsverhältnisse dienen“. Von primären subjektiven Rechten sei zu sprechen, „und zwar entweder selbständigen Rechten, die aus jenen Rechtsstellungen erwachsen, oder unselbständigen, weil vom Bestand und Inhalt der besonderen Rechtsverhältnisse abhängigen Rechte“ 107.

2. Die anti-symmetrische Tendenz der subjektivrechtlichen Theorie – Von der dreifachen Problemverkürzung durch das subjektivrechtliche Paradigma als einem natur- und vernunftrechtlichen Erbe Die Skizze ließe sich offenbar noch vertiefen oder erweitern. Mehr bedarf es nicht um nachzuvollziehen, warum die Theorie des subjektiven Rechts seit der Aufklärung eine anti-symmetrische Tendenz hat. Im Zentrum der privatrechtlichen Theorie steht das subjektive Recht, gedacht als ein vom Subjekt Ausgehendes (facultas, Wille, Imperativ, Dürfen, Können, Rechtsmacht, Befugnis, Berechtigung). Diese Perspektive auf Recht als etwas individuell Gebundenes, 104 

Einführung in die Grundbegriffe des Rechts und des Staates, S.  158. Festschrift Sontis, S.  129, 141. 106  Einige Beispiele: v. Caemmerer sieht die Zuweisung als Kern des subjektiven Rechts, s. Wandlungen des Deliktsrechts, S.  55; ders., Bereicherung und unerlaubte Handlungen, Festschrift Rabel, Band 1, S.  333, 353 ff., 398 ff.; s. weiter Müller-Freienfels, Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  86, der das subjektive Recht mit Zuständigkeit gleichsetzt; ähnl. Rudolf Reinhardt, JZ 1961, 713 für §  823; Westermann, Sachenrecht, S.  6 ff. für das Sachenrecht. Die Schuld­rechtsdidaktik spricht meist von Befugnissen und Zuständigkeiten, etwa Bork, All­ gemeiner Teil, S.  116 oder „Berechtigungen“, etwa Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  20, Rn.  9. S. noch Burckhardt, Methode und System des Rechts, S.  156; Dabin, Droit subjectif et prérogatives juridiques, Acad. Roy. de Belgique, II. Band 54, S.  14. Weitere Nachweise bei Aicher, Eigentum, S.  74; Kasper, Das subjektive Recht, S.  138. Die Theorien des Zuweisungsgehalts sind zusammengefasst bei Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S.  353 ff. 107  JZ 1961, 465, 466; aufgenommen bei Bucher, Subjektives Recht, S.  110 ff.; s. auch Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.  322. 105 

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vom Einzelnen Kommendes, schneidet alles, was der humanistischen Ius-Semantik noch immanent war, einschließlich der Dialektik von Recht und Pflicht, von Rechtsmacht und Rechtslast, definitorisch ab. Erstaunlicherweise ist aber seit dem Mittelalter, bis Kelsen, Dubischar, Raiser dies einforderten, Recht nicht mehr theoretisch aus breiterer Perspektive erörtert worden; bezeichnend für die Theoriebildung von Kant, Savigny über Jhering, Bierling, Thon bis Bucher oder Jürgen Schmidt ist es, – sei sie pandektistisch, neukantisch, formal-logisch, materiell-dogmatisch –, dass das Recht im Innern durch Derivate des Subjekts gekennzeichnet bleibt. Die Theoriengeschichte des subjektiven Rechts ist zunächst durch Formalisierung, später von einer Bereinigung von Wertinhalten wesentlich geprägt. Die Einheit des meum iuris wurde in einer ständigen Verkleinerung des Betrachtungsausschnittes und bisweilen bei einer selbst auferlegten Pflicht zur vereinfachenden Schablonisierung der subjektiven Rechte unweigerlich unkenntlich. Aber eine Symmetrieanalyse kann sich von einer subjektiven Theorie nicht einfach lösen. Sie hat zunächst in Konversation mit dem überlieferten Theo­rienstoff ihren Ausgangspunkt für den Prüfungsverlauf zu entwickeln. Dafür ist erforderlich, die drei wesentlichen Begrenzungen genauer zu benennen. a. Die Theorien der Befugnis als heimliche Abstraktion der Eigentumslehre Welche Befugnis ist im Innern des primären Rechts? Seit Jhering wird nach diesem Innern gesucht. Gehen wir noch einmal zurück zu Jhering. In dem kurzen Schlusskapitel im „Geist“ vollzieht sich zugleich die epochemachende Abkehr von der Schule Puchtas, von der sogen. Begriffsjurisprudenz. Auf dieser Emanzipation, nicht der klaren Bestimmung des substantiellen Moments, lag das Gewicht. Jhering genügte es zu sagen: „Der Begriff des Rechts beruht auf der rechtlichen Sicherheit des Genusses, Recht sind rechtlich geschützte Interessen“108 . Das substantielle Moment wird in einer Vorstellungsreihe beschrieben: Gut, Wert, Genuss, Interesse109. Wenn bei Jhering das, was er ›Interesse, Genuss‹ nennt, nicht nur vorläufige Entleihung der utilitaristischen Ideen Benthams, sondern Beginn einer ernsten Suche nach Substanz von Recht gewesen wäre – als Rückbesinnung auf die humanistische Ius-Semantik –, hätte dies einen echten Übergang von der formalisierenden Epoche hin zu einer Zeit der Vereinigung von Form und ausgeklammerter Materie, zu einem modernen quod nostrum est einleiten können. Aber so ist es nicht gekommen. Die unbestimmte Weite von ›Interesse, Genuss‹ ist nur in einen Bedeutungsverfall des Rechtsbegriffs gemündet. Wem dieser theoretische Hinweis nicht genügt, der 108 

Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  328. Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  329 ff. Diese Momente seien auf das zu begrenzen, was dem Destinatär durch das Recht zugewiesen sei. 109 

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braucht nur zu beobachten, wie sich die angewandte Schuldrechtsdogmatik seit v. Caemmerer bemüht, die subjektivrechtliche Befugnis zu bestimmen. Er schrieb 1960: „Der Kern des subjektiven Rechts liegt in der Zuweisung von Gütern, in der Zuweisung eines dem einzelnen zugehörigen Interessenbereichs“110 . Das war in deliktsrechtlichem Zusammenhang gesagt, aber die Nähe zu seiner kondiktionsrechtlichen Zuweisungslehre ist unverkennbar111. Später weist auch Canaris darauf hin, der „Zuweisungsgehalt“ der Rechte in §  823 Abs.  1 sei das Primäre, Entscheidende, Maßgebliche (nicht die Ausschlussfunktion) 112 . Die Idee einer zugewiesenen Rechtsbefugnis springt von diesen und zahlreichen anderen Ansichten auf die Judikatur über113. Was die Befugnis ist, wird nicht abstrakt gedacht, sondern konkret auf die Fachbegriffe „etwas“ in §  812 oder „sonstiges Recht“ in §  823 bezogen114. Aber genügt es, über Befugnis, Zuweisung, Zuordnung erst im engen Fachbezug etwas sagen zu können? Vielleicht ist es am besten, den Mangel einer fachübergreifenden Befugnislehre anhand des fruchtbarsten Versuches seiner theoretischen Behebung durch Jürgen Schmidt zu erklären. Sein Ansatz besteht kurz gesagt in einer trennklaren Distinktion von einem Recht zum Handeln (Aktionsberechtigung) und dem Recht, einen Vermögenswert für sich zu beanspruchen (Vermögensberechtigung) 115. Kraft einer Vermögensberechtigung „gehöre“ ein Ding einem Subjekt wertmäßig. „In der Vermögensberechtigung ist der Berechtigte Bezugssubjekt einer Vermögenszuweisung“116 . Das bedeutet: „Der Berechtigte hat das Recht, daß ihm der Vermögenswert des Sachverhaltsbereichs rechtens zukommt. Er darf diesen Wert beanspruchen (nicht in dem Sinne, daß er etwas ,verlangen‘ kann – das wäre ein Handeln-Dürfen – sondern in dem Sinne, daß 110 

Wandlungen des Deliktsrechts, S.  55. des Deliktsrechts, S.  70, 89; ders., Bereicherung und unerlaubte Handlung, S.  399 f. 112  Larenz/Canaris, Schuldrecht, II/2, S.   396; so auch Kraßer, Schadensersatz, S.  259 f.; Habersack, Mitgliedschaft, S.  130 ff. 113  S. etwa ein Urteil des BGH NJW 2010, 2354, 2357; älterer Überblick bei RGRK/Steffen, §  823 Rn.  6. Medicus, Besitzschutz durch Ansprüche auf Schadensersatz, S.  116 f., 136 hat den Gedanken auf die Besitzschutzlehre übertragen, haftungsbegründend sei die positive Zuweisung der Sache; dem hat sich Canaris, Verdinglichung obligatorischer Rechte, S.  392 ff. angeschlossen, s. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht, II/2, S.  396. 114  Mit zum Teil erheblichen Unterschieden Mestmäcker, JZ 1958, 521, 523; Raiser, JZ 1961, 465 ff.; Rudolf Reinhardt, Die subjektiven Rechte, S.  6 ; Emmert, Stellung der Markenlizenz, S.  54 f.; Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Band 1, S.  146; auch bei Heck, Grundriß des Schuldrechts, S.  421 heißt es: „In Anerkennung eines subjektiven Rechts liegt m.E. immer die Zuweisung desjenigen Erwerbes, der durch Veräußerung und Ausübung erzielt wird“. Die Nachweise sind zusammengestellt bei Bälz, Eingriffsschutz, S.  21, Fn.  40. 115  Für den ersten Moment mag es den Schein für sich haben, als sei diese Teilung ein logisch unangreifbarer Arbeitsschritt, und eine Kritik könnte allenfalls an einigen dogmatischen Prämissen und Folgerungen von Jürgen Schmidt zweifeln. Für die Einsicht in Symmetriewerte ist eine glatte Teilung von Handlungs- und Vermögensbefugnis aber ein zu einfaches Verfahren, wie noch näher zu zeigen ist, s. später im Text unter II. 3. 116  Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  57. 111 Wandlungen

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der Wert ihm ,gebührt‘)“. Auf den Punkt gebracht bedeute Vermögensberechtigung: „Die Vermögensberechtigung hat also den Inhalt, den Vermögenswert des Sachverhalts dem Berechtigten ausschließlich zuzuweisen. Das Risiko der Bewertung einer Position durch einen Dritten (die Unsicherheit der Bestimmung des ,Wieviel‘) trägt der Begünstigte der Vermögensberechtigung, der Vermögensberechtigte“117. Bei Jürgen Schmidt ist die Gegenseite dieser Berechtigung mitgedacht: „Jeder Nichtberechtigte, dem dieser Vermögenswert zufließt, ist im Unrecht. Er darf diesen Wert nicht beanspruchen; ihm gebührt dieser Wert nicht“118 . Ist das etwas anderes als eine abstrakte Version der Lehre vom Zuweisungsgehalt? Nach den Selbstbekundungen Jürgen Schmidts kaum119. Die Verallgemeinerung einer fachbezogenen Theorie birgt erhebliche Gefahren. Durch Abstraktion des „Zuweisungsgehalts“ wird diese Theorie nicht richtig, sondern es wird ein von der Dogmatik gesetzter Inhalt präserviert, der dann ganz anderen subjektiven Rechten untergeschoben wird. Und gerade die Zuweisungsdoktrin steht bekanntlich in einem äußerst schwierigen, kaum übertragbaren Problemzusammenhang120 . Man kann also von einer Linie der Verkümmerung mit Abstraktionsgewinn sprechen. Dem steht ein Abstraktionsverlust gegenüber, denn mit der Abstraktion eines vom Eigentum abgeschauten Zuweisungsgehalts lassen sich obligatorische Befugnisse nicht abbilden. Für den ganzen Bereich der relativen Befugnisse wird die Theorie blind. Wenn wir sagen, auch der Treugeber, der wirtschaftliche oder relative Eigentümer, sei befugt, ihm gebühre ein Ding oder Schutz, lässt sich das mit dieser Befugnistheorie gar nicht einordnen. Keine der Dichotomien, das „Haben“ und „Schulden“, die „wahre Inhaberschaft“ und das „Bekommensollen“, die absoluten und relativen Rechte, bilden vollständige Disjunktionen; stets bleibt eine unauflösliche Restmenge des relativen Innehabens, des relativ-absoluten Rechts 117 

Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  58. Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  58. 119  Das wird dem Leser nur in einer Fußnote erklärt, s. Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  57, Fn.  111. Es lohnt dies zu zitieren, da es für die Denkungsweise der Befugnistheorie charakteristisch ist: „Mit Vermögensberechtigung ist im Ergebnis teilweise das gleiche gemeint, was die moderne Bereicherungstheorie – auf das Gebiet des Bereicherungsrechts beschränkt – als ,Zuweisungsgehalt‘ subjektiver Rechte bestimmt“. Was „teilweise“ bedeutet, erfährt man auch: „Der hier entwickelte Begriff der Vermögensberechtigung überwindet diese Beschränkung auf das Gebiet des Bereicherungsrechts“. 120  Sie reagiert auf die Enge des vom Abstraktionsprinzip beherrschten Sachenrechts. Sie hat eine im Grunde stets mitzudenkende Systemstütze in einem stark aufgewerteten gestionsrechtlichen Anmaßungsschutz, welche ihr die Herauslösung des lucrum ex negotiatione aus ihrem Zuweisungskern im Grunde erst erlaubt, s. nur Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S.  3 ff. und S.  101 ff. Es muss vorerst bei diesen Andeutungen bleiben, um zu sehen, dass von hier aus nicht ohne Weiteres auf einen allgemeinen Inhalt von Befugnis geschlossen werden kann. 118 

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usf. Als modernes ius ad rem, relatives Eigentum, Treuhand, wirtschaftliches Eigentum bezeichnet die Dogmatik diese Restmenge. Bei allen Versuchen sie aufzulösen, denkt man im Grunde von den Formen (Eigentum, Mitgliedschaft, Organschaft usf.) her: Nach meist intuitiv gegriffenen Vergleichspunkten betrachtet man das Phänomen und beurteilt es abwägend als zulänglich formähnlich, wirtschaftlich oder materiell mit der Form vergleichbar. Die Autorität dieses Verfahrens galt lange durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Steuerlehre, weit über deren Anwendungsfeld hinaus, als hinlänglich gedeckt. Es muss auch auffallen, dass durch keine der Theorien für relative Zuweisungen ein befriedigender Rechtszustand erreicht worden ist121, nirgends ist es gelungen, sich auf einen für die Praxis operablen Merkmalsbestand zu einigen122 . b. Die Vergessenheit der Pflicht Ein zweiter Abstraktionsverlust, der mit der formalisierenden Reduktion des subjektiven Rechts seit Kant einherging, ist die Vergessenheit der Pflicht. Der Satz ›ius et obligatio sunt correlata‹ gehört noch zum humanistischen Theorienkern (der im formalisierenden und abstrahierenden Entwicklungsgang mehr und mehr verloren ging). Die mittelalterlichen Systeme hatten die christliche Moralvorstellung als Pflichtenethik suggestiv festigen wollen. Noch späte Naturrechtslehren waren Rechts- und Pflichtenlehren zugleich, bei Hufeland, Heineccius, Wolff ist das Subjekt in erster Linie Empfänger von Pflichten123 : In den prolegomena juris naturae von Wolff wird gleich im Kopfsatz auf den Dualismus hingewiesen, wenn es heißt: per ius naturae hic intellegimus scientiam iuris naturalis hominum et obligationum eidem respondentium124. Und bei Heineccius wird die facultas agendi noch als Pflichtenreflex begriffen125. Ius et obligatio sunt correlata hat einen Doppelsinn, denn es meint 1. die triviale Beziehung von Recht und spiegelbildlichem Verletzungsverbot für andere, ohne die Recht ein sinnloses Wort ist; 2. den Rückbezug auf das objektive Recht, auf die norma agendi, von dem sich die subjektive Macht ableitet126 . In einem Ineinanderspielen soziologischer und philosophischer Einflüsse geht diese Sicht verloren. Im Umbruch vom Feudalsystem zum Wohlfahrtsstaat war ein am Paradigma der erzwingbaren Pflicht orientiertes System nicht justitiabel. Es ist 121 

Siebert, Treuhandverhältnis, S.  333 ff. Man kann sogar fragen, ob der orientierungslose Zustand der deutschen Treuhandlehre, die in den letzten zwei Jahrzehnten Anlass zu fünf Habilitationen gab (Armbrüster, Bitter, Geibel, Grundmann, Löhnig), nicht gerade hier ihre Ursache hat. 123  Hufeland, Naturrecht, §  94; auch ders., Praecognita, §  14. 124  Wolff behandelt in den Einzeldarstellungen die Pflichten stets vor den Rechten, Prolegomena Juris Naturae, Pars I. Cap. I, §  11, §  13, §  17, §  18, §  26, §  35. 125  Heineccius, Grundlagen, §  126. 126  Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  325. 122 

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spekulativ, aber plausibel, wenn Luhmann meint: „Nur auf dem Umweg über die Konditionierung von Rechten, die aus Pflichtverhältnissen herausgelöst verfügbar waren, konnte das Zivilrecht ,privatisiert‘ und der Zugang zu staatlichen Zwangsmitteln für jedermann nach Maßgabe selbstgestalteter Lebensverhältnisse geöffnet werden“127. Für die Umgestaltung des Systems, in dem der Einzelne mit staatlichen Zwangsmitteln ausgestattet ist, eignet sich nur das Anspruchssystem128 . Aber es ist eine ebenso gut mögliche Annahme, dass die Juristen sich schlicht von Kant leiten ließen. Für die nachfolgenden Systemdenker jedenfalls bis 1870 erschien es legitim, die Pflicht als etwas gleichsam Mitgedachtes ganz einfach definitorisch auszublenden. Bei v. Savigny wird die Pflicht, die bei Kant noch mitgedacht ist, herausgetrennt. Die metaphysische Pflichtenbindung – das Herzstück der Transzendentalphilosophie – als ein Gegengewicht fällt fort. Aber damit ging auch der volle Sinnzusammenhang zwischen Recht und Pflicht endgültig verloren und in der Tat wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg die Frage nach der subjektiven Pflicht erneut systematisch gestellt129. Ein kritisches Fazit: Der humanistischen Logik war die Dialektik zwischen Recht und Pflicht noch so geläufig wie der naturrechtlichen Dogmatik130 . Erst in dem transzendentalphilosophisch gefärbten Rechtsdenken verkümmert die Bedeutung des Satzes ›ius et obligatio sunt correlata‹ unmerklich. Wir finden weder bei der Willensdoktrin noch bei ihren Nachfolgetheoremen die volle Bedeutung expliziert, was das Mein an etwas außer mir ist. Für eine solche Verengung der Perspektivik auf Recht fehlt den modernen Theorien aber die Rechtfertigung. In einer genaueren Morphologie der Pflicht gelangt sie zurück ins Bewusstsein. Es gibt die logisch-komplementäre Pflicht. Das subjektive Recht entspricht gleichsam wie im Spiegel der Pflicht des anderen, und umgekehrt. Die Pflicht als logisch-notwendige Entsprechung von Recht klingt trivial, fast so, als müsse der Satz vom Widerspruch ausdrücklich wiederholt, als müsse klargestellt werden, dass das Recht nicht mit einem (inhaltsgleichen) Recht, sondern einer Pflicht korrespondieren muss, um Recht zu sein. Diese einfache Art eines binären Kodes, das ›was dem einen gebührt, gebührt nicht einem anderen‹, findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch dort, wo der Anspruch, wie in §  433, als Verpflichtung eines anderen formuliert ist. Es gibt die immanente Pflicht. Das Verhältnis zu anderen Subjekten wird in einem Recht zusammengefasst, die Pflicht erscheint als Immanenz des Rechts, 127 

Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, Band 2, S.  83 ff., Zitat auf S.  86. „subjektive Pflicht“ erschien der Aufklärung im Kampf um verbürgte, gegen den Staat einklagbare Abwehrrechte der Menschen als Barriere von Freiheit durchaus noch hinnehmbar und die ersten nachkritischen Naturrechtslehren, die sich mit der kritischen Philosophie zu verbinden suchten, hatten noch versucht, ihre Systeme an der Pflicht auszurichten, s. oben, Fn.  65. 129  Zuvor allerdings auch Kelsen, s. sogleich im Text. 130  Kelsen, Reine Rechtslehre, S.  46: die Pflicht werde auffallend stiefmütterlich behandelt. 128  Die

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als Inhaltsbestimmung. Die Beschränkung des ›Eigentum verpflichtet‹ in der Weimarer Verfassung gilt als Prototyp131. Die Denkkategorien sind solche der Beschränkung und verlangen Güterabwägung, Missbrauchsverbot, Zumutbarkeit, Verhältnismäßigkeit. In der zivilrechtlichen Theorie des Eigentums werden die öffentlichen Lasten als solche immanenten Pflichten, als ein Minus des Rechts gesehen und mitbedacht. Sie sind im Blick, wenn die Theorie die Einbeziehung der vernachlässigten Pflicht (Kelsen) einfordert132 . Es gibt schließlich eine reziproke Pflicht. Diese dritte Pflichtenart, welche für die humanistische Wissenschaft noch wichtig war, resultiert aus dem Verhältnis zu den subjektiven Rechten anderer. Als Reziprozität bezeichnet der Soziologe den Grund der Verknüpfung bei einem doppelten Leistungsverhältnis. Für das Gegeneinander von Rechten und Gegenrechten an etwas Äußerem fehlt eine analoge juristische Kategorie. Die juristischen Analysen der ,reziproken‘ Kopplungen bei privatrechtlichen Rechtsverhältnissen, welche nicht der Logik des do ut des im Synallagma entsprechen, sind, wie schon erwähnt wurde, auf den vertraglichen Austausch, nicht die Institutionen der Verteilung bezogen. Und die soziologische Forschung ist seit Durkheim an vorpositiver Reziprozität interessiert, gedacht als ein reines Sozialprogramm für Wechselbezüglichkeit von Leistungen133. Man kann sagen: die wechselseitigen Verflechtungen von Rechten und Pflichten zu einem Verhältnis, zur Harmonie der Institution, die eben nicht mit den Begriffen der logisch-komplementären oder immanenten Pflichten voll erfassbar ist, bedarf eines Wortes, das man mit Reziprozität in einem juristischen Sinn benennen kann. c. Die Theorielücke bei Befugnissen am Verhalten anderer Der dritte Abstraktionsverlust, den das Primat des subjektiven Rechts bewirkt hat, ist vielleicht der wichtigste. Was es bedeutet, wenn etwas einer Person juristisch gehört, ist eine im juristischen Diskurs über die Kategorienbildung von persönlichem und dinglichem Recht mitgedachte und mitbehandelte Frage. Mit der Dichotomie von Sachen- und Schuldrecht verbindet die Didaktik eine unmittelbare Beherrschung oder Beherrschbarkeit als trennendes Kennzeichen des Sachenrechts; das Schuldrecht erschöpft sich in der Erwartung eines bestimmten Verhaltens: der Leistung, welche ein Tun oder Unterlassen ist. Es wurde schon festgestellt, wie dieses Schuldenken am engen Sachbegriff hängt und sich so um die Wahrnehmung von verhaltensbezogenen Zuständigkeiten gebracht hat. Für die Römer waren die Begriffspaare von dominus-posses­ sor und dominus-gestor sinnverwandt. Der aufgeklärten Neuzeit fehlt schon ein 131 

Art.  153 Abs.  3 S.  1 WRV. Reine Rechtslehre, S.  46. 133  Durkheim, Physik der Sitten und des Rechts, S.  289.

132 

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Begriff für die Zuständigkeit, eine Befugnis am Verhalten eines anderen oder an einer fremden Person. Diese Lücke in der Fachsprache geht zurück auf eine Theorielücke, die schwer wahrnehmbar ist. 1. Es ist zunächst zu klären, worauf sich diese Tradition begründet. Sie ist vorbereitet durch v. Savignys Lehre der Obligation als Herrschaftsverhältnis. Der willenstheoretische Ausgangspunkt bei v. Savigny ist, die zukünftige Handlung, die obligatorisch geschuldet ist, einer Sache gleichzustellen. Dies ist das theorieevolutionäre Bindestück, welches die Theorie der vollzogenen Handlung so gehemmt hat. Die Lehre hat auch die schuldogmatische Teilung der relativen und absoluten Rechte vorbereitet. Um über diese Entwicklung zu urteilen, müssen wir die Lehre v. Savignys etwas näher betrachten. v. Savigny bestimmte das „Wesen des Rechtsverhältnisses als ein Gebiet unabhängiger Herrschaft des individuellen Willens“. Die Objekte, v. Savigny sagt sinnfällig: „Hauptgegenstände“, sind „die eigene Person, die unfreye Natur, fremde Personen“134. Aber an eine solche Analogiemöglichkeit zwischen den dingbezogenen und leistungsbezogenen Rechten unter dem Paradigma „Herrschaft“ glaubt man schon lange nicht mehr. Die Systemtreue führt, nach heutigem Verständnis, hier ganz offenbar zu einem Analogiezwang, der sich nur im Künstlichen auflösen lässt. Man lese, wie v. Savigny die Analogiemöglichkeiten vorsichtig erwogen hat: „Die erste mögliche Beziehung zu einer fremden Person ist die, worin dieselbe, auf ähnliche Weise wie eine Sache, in das Gebiet unserer Willkür hinein gezogen, also unserer Herrschaft unterworfen wird“. Er verwirft dies, weil es den Begriff von „Freiheit und Persönlichkeit“ aufhebe, über eine Person wie über eine Sache zu herrschen, „so wie es das Römische Sklavenverhältnis in der That ist“135. Es bleibt die zweite Möglichkeit, ein Verhältnis, das in der „Herrschaft über eine fremde Person, ohne Zerstörung ihrer Freyheit, besteht, so daß es dem Eigenthum ähnlich, und doch von ihm verschieden ist, so muß die Herrschaft nicht auf die fremde Person im Ganzen, sondern nur auf eine einzelne Handlung derselben bezogen werden; diese Handlung wird dann, als aus der Freyheit des Handelnden ausgeschieden, und unserm Willen unterworfen gedacht. Ein solches Verhältnis der Herrschaft über eine einzelne Handlung der fremden Person nennen wir Obligation“136 . Die eigentumsbezogene Denkungsart wird deutlich. Man erkennt, dass außervertragliches, willenloses oder auch vollzogenes Verhalten als Gegenstand der Zuordnung oder Befugnis in diesem System schlecht oder gar nicht möglich ist. 2. Es ist für ein volles Verständnis wichtig, auch die kantische Rechtslehre vertiefend zu betrachten und mit der v. Savignys zu vergleichen. v. Savigny war der wichtigste Vermittler der kantischen Rechtsphilosophie an die Pandektistik. Durch seine Weiterführung des kantischen Systems wird der Abstraktionsver134 

v. Savigny, System, Band 1, S.  335. v. Savigny, System, Band 1, S.  338 f. 136  v. Savigny, System, Band 1, S.  339. 135 

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lust verstärkt. Um das zu sehen, hat man nur zu beobachten, wie v. Savigny die kantische Rechtslehre hier verkürzt hat. Kant hatte als Beziehung des Willens zur freien Natur das auf persönliche Art dingliche Recht, als ein Verhältnis anerkannt, in der eine Person ähnlich einer Sache behandelt werde137. Diese Kategorie gilt als Verstiegenheit der kantischen Systembemühungen, die das systemgläubige Zeitalter vergaß oder mit den großen Leistungen verrechnete. Für Kant war der Gedanke wesentlich, ja entscheidend138 . Er verteidigte den Gedanken gegen „trotzige und seichte Absprechungen“ in einer frühen Rezension. Die aus bloßen „Gemeinplätzen“ bestehende Dichotomie des dinglichen und des persönlichen Rechts erschien Kant unwissenschaftlich und unvollkommen. Eine Rechtswissenschaft, die nicht bloß statutarisch sein wolle, könne „über die Sicherung der Vollständigkeit ihrer Einteilung der Rechtsbegriffe nicht gleichgültig hinwegsehen; weil jene Wissenschaft sonst kein Vernunftssystem, sondern bloß aufgerafftes Aggregat sein würde“139. Mit dem berühmten Zitat hat Kant das auf dingliche Art persönliche Recht als „neues Phänomen am juristischen Himmel“ als „stella mirabilis (eine bis zum Stern erster Größe wachsende, vorher nie gesehene, allmählich aber wieder verschwindende, vielleicht einmal wiederkehrende Erscheinung)“ in Schutz genommen140 . 3. Die Theorielücke, die Kants Selbstverteidigung nicht abwenden konnte, wird zurückgehen auf eine evolutionsbedingt zufällige Rezeptionsverweigerung. Die Kantrezeption der historischen Schule, vor allem die zwischen 1838– 1842, geschah, nachdem die deutschen Formen der gemilderten Sklaverei (Erbhörigkeit, Erbuntertänigkeit, Leibeigenschaft) weithin abgeschafft waren (in Preußen 1810, in Österreich 1848) und allgemein im Spätherbst der Sklaverei, die in den amerikanischen Nordstaaten schon zwanzig Jahre vor den Sezessionskriegen überwunden war141. Die Denkrichtung, welche die kantische Kategorie (von 1797) vorgab, schien ganz einfach kein legitimer Gegenstand des Rechtsdenkens mehr zu sein. Alle Rezensenten hatten das nunmehr von der moralischen Verwerfung sehr bedrohte auf dingliche Art persönliche Recht irgendwie zu ändern. Thibaut spricht nur noch von „Zustandsrechten“ und nennt: „Alieni juris sind die Personen, welche in der ganz oder zum Theil eigennützigen unbeschränkten Gewalt eines Anderen stehen, also 1) die, welche in potestate stehen, nämlich Sclaven (…) und alle unter väterlicher Gewalt stehenden Hauskinder 2) Weiber, welche in manu ihrer Ehemänner wären (…) 3) Hauskinder in mancipio“142 . Man wird verstehen, wieso sich v. Savigny so 137 

Zusatz zu den Anfangsgründen, B 162, 168, S.  482, 485. Kersting, Kant über Recht, S.  88 ff. 139  Zusatz zu den Anfangsgründen, B 161 ff., S.  481 ff. 140  Zusatz zu den Anfangsgründen, B 163 f., S.  482 f. 141  S. näher Blickle, Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. 142  Thibaut, Lehrbuch der Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, S.  173; s. auch Bekker, System, Band 1, S.  47 der dazu zählt: die Gewalt des Vaters gegen Kinder, des Herren gegen die Sklaven. Deswegen beschreibt und unterteilt Bekker die Arten der Rechte 138 

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schwer mit seiner Antwort tat und weshalb er gleich die ganze Kategorie ins Familienrecht verschob143. 4. Aber auch v. Savignys willenstheoretischer Standpunkt wird heute von niemandem mehr geteilt. Am klarsten hat das G. Husserl gesagt, der auf die Verschiedenheit von „Werkzeugen mit zugewiesener instrumentaler Funktion“ und „Manifestationen des menschlichen Willens, die wir Handlungen nennen“ hinwies. Kennzeichen des sachlichen Werkzeugs seien: „Sie sind Gegenstände des Nehmens und des Gebens: man kann sie sich zueignen, sie veräußern oder sonstwie über sie verfügen. In der Lebenspraxis handelnder Menschen treten Werkzeuge in Erscheinung als Objekte unterschiedlicher Herrschaftsverhältnisse, von denen die Sachgewalt, die ,Eigentum‘ heißt, die stärkste ist“. Diese herrschaftsbezogene Sicht gilt nur für Gegenstände: „Es bedeutet eine radikale Verfälschung ihres Sinnes, wenn Handlungen unter Verkennung ihres durchgängig subjektiven Charakters (und ihrer dynamischen Struktur) begriffen werden als Dinge unter anderen Dingen, die dem Sachbestand unserer Umwelt zugehörig, Standort, Geburtsstätte und Heimat in der sozialen Wirklichkeit haben“144. Und dennoch blieb es bei der Dichotomie von persönlichem und dinglichem Recht – ohne dass die Leerstelle, die sich für personen- oder verhaltensbezogene Zuständigkeiten aufgetan hatte, in der subjektivrechtlichen Theo­ riegeschichte wieder gefüllt worden wäre.

3. Entgrenzung des subjektiven Rechts für und durch eine Symmetrietheorie Man sieht: Das relative Haben, die Pflicht und die Befugnis am Verhalten anderer sind die drei abgetrennten, von der theoretischen Betrachtung ausgeschlossenen Gegenstände. Wendet man sich nun der Frage zu, welches Maß an Entgrenzung für die Wahrnehmung des Symmetrischen erforderlich ist, lassen sich drei positive Folgerungen näher benennen. Eine Symmetrielehre darf erstens ihrem Verständnis von Befugnis nicht einfach eine Abstraktion von Eigentum zugrunde legen. Das Leerbleiben des Zentrums von Recht kann aber ebenso wenig durch Auffüllung mit verkappten Abstraktionen fachbezogener Befugnisinhalte, etwa mit einer Abstraktion der Lehre vom Zuweisungsgehalt, abgewendet werden. Man muss sich vielmehr für die positivrechtliche Wirklichkeit öffnen und einen erweiterten Befugnisbegriff in Betracht ziehen. nach unterschiedlichen Gesichtspunkten: nach dem Objekt, dem Schutz, der Norm, S.  76 ff. Neu ist die Kategorie der negativen Rechte: Rechte, die auf Zerstörung des positiven Rechts eines anderen gerichtet sind, a. a. O., S.  89 f. 143  v. Savigny, System, Band 1, S.  339 f. Man lese, wie vorsichtig Kants dritte Kategorie bei v. Savigny abgewandelt wird, System, Band 1, S.  347 f., und Band 3, S.  318 ff. 144  G. Husserl, Person, S.  69.

III. Grundannahmen zum Symmetriesatz

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Eine Symmetrielehre, die gerade von den zusammengefassten Bindungen zwischen Vorteilen und Nachteilen handelt, darf die Kategorie der reziproken Pflicht, gewissermaßen als Gegenbefugnis für den Nichtberechtigten, nicht perspektivisch ausblenden. Ihr muss im Gegenteil gerade die Dialektik von Recht und Pflicht besonders wichtig sein. Es ist einseitig und ungenügend, die ding- und verhaltensbezogenen Zuweisungen nur als ›Macht‹ oder Abgrenzung von ›Freiheitssphären‹ darzustellen, und für mit der Zuweisung verbundene Gegenrechte anderer oder von Staaten von vornherein blind zu sein. Man verzichtet darauf, die Zuweisung als ein Problemganzes überhaupt erkennen zu können. Die Zuweisung, das meum ius, ist aber nicht nur von Vorteil oder von Nachteil hin zu seinem Empfänger, sondern in unlösbarem Verhältnis beides. Eine Symmetrielehre, welche ein genaueres Verständnis einer allgemeinen zivilrechtlichen Verteilungslogik erreichen soll, muss die Rechte und Pflichten am Verhalten anderer einbeziehen. Wir haben gesehen, dass die verengte Wahrnehmungsweise für Zuständigkeiten am Verhalten anderer dem Erbe der historischen Schule inhärent ist, sodass die Möglichkeit eines nicht-dinghaften, personenbezogenen Zueigenhabens undenkbar geworden ist. Aus einer auf Symmetrien konzentrierten Fragestellung kann aber die Kopplung von Vorteilen und Nachteilen aus Verhalten anderer unmöglich ausgenommen sein, wie schon die vorläufige Symmetrietopik bei der Haftung für Leute, den rechtsgeschäftlichen Wirkungen der Stellvertretung und den vielfältigen Zuweisungen von Organhandeln gezeigt hat. Es ist also gegen die Tradition zu erwägen, ob es eine Befugnis, Zuständigkeit, Zuweisung auch an fremdem Verhalten oder an Personen gibt.

III. Grundannahmen zum Symmetriesatz Aus alledem folgt: Eine Analyse, die sich von dem Primat des eigentumsorientierten Denkens löst, darf und muss wert- und vorurteilsfrei erwägen, ob Verteilungs- und Paarungsmuster in Bezug auf Vorteile und Nachteile aus Dingen, Handlungen, Personen gleich oder verwandt sind. Sie darf keines der möglichen Objekte der Zurechnung von vornherein ausblenden. Nach dieser theoretischen Vorarbeit lassen sich nun erste Grundannahmen zur Symmetrie aufstellen. Drei conditiones sine quibus non an analytischer Vorbereitung beziehen sich auf die adäquaten Endpunkte von Symmetrien, die Symmetrieglieder (1.), ihre Wurzel, also die Gegenstände, welche die Bezugspunkte zu dem Rechtssubjekt sind (2.) und die Art der Symmetrieverknüpfung, den Symmetrieschluss (3.). Diese Grundannahmen sind notwendig etwas Vorläufiges und noch ohne abgrenzungsbestimmte Konturen.

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Einleitung

1. Die Symmetrieglieder: objektbezogene Vorteile und Nachteile Als Endpunkte der symmetrischen Verteilungsellipse werden Vorteile und Nachteile an und aus etwas Äußerem begriffen. Symmetrie im Recht ist die ausgleichende oder austeilende Ordnung objektbezogener Vorteile und Nachteile hin zu einem Empfänger. Andere Korrelationen, wie Anspruch und Zwang, Einfluss und Verantwortung, Handlung und Strafe, Herrschaft und Haftung, usf. sind keine eigenständigen Gegenstände des hier erwogenen Symmetriesatzes. Eine Analyse, die vom Ballast der historischen Zufälligkeiten unbefangen verlaufen soll, muss von näheren Vorbestimmungen weithin absehen. Wie die Symmetrieglieder, faktische oder rechtsförmige Vorteile und Nachteile, exakt zu bestimmen sind, muss sich im Analyseverlauf erweisen. Ein Symmetrieglied soll deswegen schon Rechtsvorteil heißen, wenn diese Wirkung das Vermögen des Empfängers mehrt, und Rechtsnachteil, wenn es dies vermindert. Die zahlreichen durch reine Überlegung gewonnenen Bestimmungen, wie der Nutzen als „Vorteil, Genuss des Gewinns, Gut, Bedürfnis und Interesse“ (Jhering) 145 oder als „Beitrag der einzelnen Güter an die Erhaltung und Entfaltung der Person“ (Imhof) 146 werden bewusst nicht übernommen. Im frühen Analysestadium kann noch nicht genauer unterschieden werden und Nutzen, Früchte, Zugriffsmöglichkeiten, Besitz, Reflexnutzen aus Herrschaftsbefugnissen, aber auch fundierte Aussichten und Chancen sollen zunächst Vorteil heißen. Ein Symmetrieglied soll nach gleichen Regeln Nachteil heißen, also ohne dass bereits näher zu unterscheiden wäre zwischen Lasten, Pflichten aus Rechten anderer, Kosten, Risikozuweisungen aller Art, Gefahrübernahme jeden Typs. Einige Symmetrieglieder sind durch Anschauung eines Objektes erkennbar, andere rechtlicher Art und nicht empirisch wahrnehmbar. Die Sachfrucht und Sachbeschädigung haben einen solchen Sachbezug, der Rechtsverlust nicht. Wie der Objektbezug ausgeprägt sein muss, wird erst die weitere Darstellung ergeben können.

2. Die Symmetrieobjekte: Ding, Verhalten, Person Der nächste Schritt der Eingrenzung ist die Erkenntnis, wie sich die Zuweisungsbegründung von Personenwerten und äußeren Werten unterscheidet. Personenwerte werden anerkannt, Außengüter verteilt. Was dem Subjekt wegen seines Subjekt-Seins gebührt, die persönlichen Güter, wie Leistungsfreiheit, Name, Ehre, ist vor einer Umbildung in ein Außengut (Immaterialgüterrecht) symmetrieanalytisch weniger interessant. Vorteile oder Nachteile des Personenseins und der Personenhandlungen sind solche der Person. 145 

146 

Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  338 f. Imhof, Obligation und subjektives Recht, S.  21.

III. Grundannahmen zum Symmetriesatz

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Die Außengüter sind ein adäquates Bezugsobjekt für die rechtliche Symme­ trie, d.i. für positive oder negative Wirkung zum Subjekt hin. Für die Frage „Wie werden die Außengüter als denkbare Bezugspunkte der Symmetrieglieder zugeordnet?“ sind die Bezugsgrößen umfangsgleich mit den allgemeinen Kategorien des Äußeren zu Mir. Die in den Rechtsepochen durchaus verschiedenen Kategorientafeln haben im Grunde stets die Trichotomie der institutiones Gaii (persona, res, actio) variiert. Kant hat (unter dem Zuordnungsgedanken der Willensherrschaft) gemeint, die Gegenstände der Willkür (des Äußeren Mein und Dein) könnten nur drei sein: „1) eine (körperliche) Sache außer mir; 2) die Willkür eines anderen zu einer bestimmten Tat (praestatio); 3) der Zustand eines anderen im Verhältnis auf mich“147. Auch die Symmetriezuweisung ist also in dem durch ›Person, Verhalten, Ding‹ abgesteckten Möglichkeitsrahmen zu erwägen. Es hat sich als notwendig erwiesen, die Verengungen der theoretischen Überlieferung mehrfach zu korrigieren. Der erste Bezugspunkt der positiven und negativen Verteilungselemente, der Symmetrieglieder, ist das Gut. Wir wollen bei den Bedingungen und Möglichkeiten von Zuordnung der leblosen Natur, um nicht unnötig von der Enge des deutschen Sachenrechts begrenzt zu sein, nicht von „Sachen“, sondern von „Dingen“ sprechen148 . Die Veränderungen von dinghafter Beschaffenheit oder Verknüpfungen können für und gegen das Subjekt wirken. Als zweiter Bezugspunkt ist, wie wir sahen, das Verhalten eines anderen zu erwägen. Es kann nach dem Vorstehenden nicht um ein künftiges Handeln, sondern nur um die Wirkungen instrumentellen – vollzogenen – Handelns gehen149. Die zuordnungswirksame Funktion des Anspruchs ist ein ungemein kantischer Topos. Dass mit dem Versprechen schon ein gedachtes Stückchen Willenssubstanz übertragen wird, ist in den „metaphysischen Anfangsgründen“ der systematische Brückenbau von der Eigentums- zur Vertragslehre, und damit Fundament des ganzen Systembaus. Durch künstliche und konstruktive Deutung des Leistungsversprechens (als eingeräumte Herrschaft über ein Stück Willen) hat sich das kantische Rechtssystem rückblickend selbst kompromittiert. Die Blendkraft, die von den idealistischen und pandektischen Systemen ausging, wurde schon beschrieben und darf nicht fehlleiten. Die Macht des Eigentümers war, wie gesehen, im ganzen 19. Jahrhundert die Normalschablone, auf die andere Sachverhaltsbereiche, das Leistungsversprechen oder Sorgebeziehungen, zurechtgelegt wurden. Das ist ungenau und unvollständig und zu Recht heute überwunden. Das Leistungsversprechen ist die rechtsgesicherte 147 

Kant, Metaphysik der Sitten, Erster Teil, Einleitung in die Rechtslehre, S.  247. Das entspricht dem weiten Sachbegriff des ABGB, nach dem „alles, was von der Person unterschieden ist und zum Gebrauche der Menschen dient“, Sache ist. 149  Das ist sehr klar formuliert worden durch G. Husserl, Person, S.  57 ff. 148 

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Erwartung eines Verhaltens. Es ist aber kein personen- oder verhaltensbezogener Symmetriegegenstand150 . Für die Analyse der Rechtszuständigkeit ist nach dem Gesagten eine exakte Trennung zwischen Person und Verhalten als Symmetrieobjekte weder möglich noch sinnvoll. Schon das einfache Beispiel der passiven Stellvertretung zeigt, dass der Vertreter, der eine Erklärung empfängt, nicht handelt151. Handlung und Person sind miteinander verbunden. Es ist widersinnig, eine Handlung ohne Person zu denken. Richtig hat G. Husserl gesagt: „Alles menschliche Tun – begriffen als das, was es seinem Wesen nach ist – bleibt der Bewusstseinslage, der es entsprang, verhaftet“152 . Die Handlung wird erst im Rückbezug auf die Person zu einem zurechenbaren Äußeren. Ohne Weiteres kann ein Logiker diese Relationsmuster leicht aufschlüsseln und lesen. Der Jurist steht weiter vor der Verlegenheit, keine Sprache für ein verhaltens- und personenbezogenes Befugnisobjekt zu haben. Aber wenn es wirklich dieselben Verteilungsmuster sein sollten, welche das Verhältnis von Person zum Ding und das von Person zum Verhalten bestimmen, so muss ein Wort für dieses Befugnisobjekt gesetzt werden. Thibaut sagte, wie gesehen, Zustandsrecht und Müller-Freienfels erkennt die Stellvertretung als eine Zuständigkeit am stellvertretenden Handeln an153. Es sollen also die personen- und verhaltensbezogenen von den dinghaften Rechtszuständigkeiten als Befugnisse getrennt werden.

3. Die Symmetrierelation: Konzentration und Komplementarität Die Befugnis eines Subjekts hinsichtlich eines Symmetrieobjektes (Ding, Verhalten, Person) lässt sich gegen die Nichtbefugnis aller anderen Subjekte rein analytisch abgrenzen, die Symmetrieglieder (objektbezogene Vorteile und Nachteile) lassen sich analytisch vollständig verteilen. Alle Befugnisfolgen sind entweder dem Befugten oder einem der Nichtbefugten jeweils positiv oder negativ (je nach Wirkung hin zu seinem Empfänger) zuzuordnen, wie folgende Darstellung zeigt.

150  Die Forderung hat Doppelnatur und durch ihre Mobilität wird sie gleichsam zur Hälfte dingähnlich, s. schon Oertmann, AcP 123 (1925), 143 ff.; nach wie vor lesenswert auch Wieacker, Deutsche Rechtswissenschaft, 1951, S.  49 ff.; umfassend Dörner, Dynamische Relativität, passim. 151  Es ist künstlich, wenn Gebhard als Redaktor des allgemeinen Teils die Entgegennahme einer Erklärung als „stellvertretende Tätigkeit“, aber nur „in einem gewissen Sinne“ bezeichnet, bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Allgemeiner Teil, Band 2, S.  159; richtig Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  55. 152  G. Husserl, Person, S.  67. 153  Thibaut, Lehrbuch der Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, S.   173; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  103.

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III. Grundannahmen zum Symmetriesatz

Befugnis positive Schutz vor Eingriffen, Verfolgungsrechte, Fruchtzuweisung

negative Gefahrtragung, objektbezogene Haftung, Lasten und Kosten

Nichtbefugnis negative positive Unbeständigkeit unverdienter Vorteile

Entlastung von fremdnützigen Opfern, Entschädigungsrechte

Auf der Befugnisseite erscheinen die positiven Befugnisfolgen als subjektivrechtliche Schutzgewähr, gerichtet auf Abwehr, Herausgabe, Schadensersatz. Die positive Befugnis zeigt sich etwa in der Abwehrsituation, in der Fruchtzuweisung für den Eigentümer oder im Besitz des Organträgers. Als ein negatives Gegenstück sind Grundlasten oder das allgemeine casum sentit dominus zu erwägen. Auf der rechten Seite sind dem Befugten die anderen Rechtssubjekte als Nichtbefugte gegenübergestellt. Hat der Nichtbefugte Vorteile aus dem Befugnisobjekt, gebühren sie dem Befugten, aber umgekehrt können aus der Nichtbefugnis Vorteile erwachsen, und Aufwendungen auf das Objekt durch den Nichtbefugten sind vom Befugten zu erstatten. Die formale Analyse eines Befugnisverhältnisses zeigt eine logische Ordnung, welche die axiologischen Verbindungen in einer tieferen Schicht noch nicht erkennen lässt. Die logische Konsistenz allein ist leer. Man kann für ein genaueres Verständnis die vier Befugnisarten nach ihrer Wirkung hin zu einem Empfänger ordnen. Diese vier Typen – positive und negative Befugnis, negative und positive Nichtbefugnis – stehen nach aktionenund anspruchsorientierter Denkungsart gewissermaßen für sich. Sie erhalten eine axiologische Bedeutung, die mit subjektivrechtlicher Befugnis gemeint ist, erst in ihren Verbindungen entweder zu horizontalen Komplementärpaaren wie positive Befugnis – negative Nichtbefugnis (oder umgekehrt: negative Befugnis – positive Nichtbefugnis) oder zu vertikalen Konzentrationspaaren wie positive – negative Befugnis (oder positive – negative Nichtbefugnis). Das Verhältnis zwischen Befugtem und Nichtbefugtem lässt sich nun im Viereck abbilden. Dann ergibt sich: Befugnis Positive Befugnis (+) Rechte

Nichtbefugnis Komplementarität

Konzentration Negative Befugnis (–) Pflichten

Negative Befugnis (–) Nicht-Rechte Konzentration

Komplementarität

Positive Befugnis (+) Nicht-Pflichten

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Einleitung

Die subjektivrechtliche Befugnis und Zuständigkeit an einem Symmetrieobjekt (Ding, Verhalten, Person) werden auf das schlichte Prinzip der doppelten Polarität, Konzentrationsregel und Komplementaritätsregel, reduziert. Alle Vorteile und Nachteile an einem Symmetriegegenstand sind in wechselbezüglicher Verbindung dem Empfänger zugewiesen (Konzentrationsregel). Dieser Satz beschreibt die Konzentrierung der Symmetrieglieder hin zu einem Subjekt. Durch seine Umkehrung entsteht Komplementarität. Sie lautet: Alle wechselbezüglich verbundenen Vorteile und Nachteile an einem Symme­ triegegenstand sind nicht einem Nichtbefugten zugewiesen (Komplementaritätsregel). Im Ineinandergreifen der Regeln entsteht ein heterochirales Muster (Prinzip der Heterochiralität). Die konzentrierenden und komplementären Verbindungslinien, in welche die privatrechtliche Befugnis auflösbar ist, können logischer oder axiologischer Art sein. In der Terminologie Kants: Die Kopplung kann auf einem analytischen oder synthetischen Urteil beruhen. Die einfache gedanklich-logische Umkehrung, als eine Bildung analytischer Urteile, in einem Viereck ist ein sehr einfaches, noch ganz leeres Prinzip, wie anhand der logischen Komplementärpflichten für den Doppelsinn des Satzes ius et obligatio sunt correlata näher gezeigt wurde (logisch-komplementäre Pflicht). Die Nichtbefugnis ist dann einfach die aus dem Satz des Widerspruchs folgende Einsicht, dass ein anderer befugt ist. Komplementarität kann aber auch bedeuten, dass Vorteile und Nachteile an einem Symmetriegegenstand, die einen Nichtbefugten treffen, nicht aus logischen, sondern aus wertenden Aspekten auszugleichen sind. Was für eine Symmetrik wesentlich ist und was nicht, wird an dieser Stelle klar sein: in erster Linie werden für die symmetrische Wirkungsart die axiologischen, wertbegründeten Korrelationen nachzuvollziehen sein154. Welche Rechtfertigung diese zwei Sätze, Konzentration und Komplementarität, im Einzelnen haben, welches Gewicht ihnen zukommt und wie sie sich wechselseitig aufeinander beziehen, wird der Verlauf der Analyse zeigen. Überall aber, wo sie nicht ganz verwirklicht sind, wird sich zwangsläufig die Frage stellen, ob sich noch von symmetrischer Relativik sprechen lässt. Es kann vollkommene oder unvollkommene Symmetriebildungen geben. Auch darauf ist im Weiteren zurückzukommen.

IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre Für das ganze große Vorhaben, die symmetrierechtliche Ausdeutung der Rechtsordnung, ist ein einziges Buch nicht ausreichend. Das Ziel muss darauf 154  Der Symmetriebegriff der Logik meint nur die analytische Entsprechung, wie bei Klug, Juristische Logik, S.  77, näher dargestellt ist.

IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre

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begrenzt sein, eine erste Grundlegung für eine Symmetrielehre als eine Zivilrechtsdisziplin und Disziplin jeder juridischen Forschung zu sein. Der Entwicklungsgang der Theorie des subjektiven Rechts hat klarer gemacht, was die Theorie, deren Erkenntnisziel kontinuierlich verkleinert wurde, nicht ist. Eine Symmetrielehre, die im Grunde die wechselseitige Entsprechung von Teilen eines Ganzen zum Gegenstand hat, hat notwendig eine gegenläufige Richtung einzunehmen, die in einer Lösung vom einseitigen subjektivrechtlichen Paradigma zu sehen ist. Deswegen mussten durch eine Öffnung der Theorie erst einmal die Perzeptionsmöglichkeiten erweitert werden. Eine Theorie, die von den symmetrischen Kopplungen von Vorteilen und Nachteilen handelt, muss, um das Symmetrieganze zu erkennen, die Perspektive wechseln, darf weder die Befugnis mit dem erzwingbaren Vorteil gleichsetzen, noch einfach von der positiven Eigentumsbefugnis abstrahieren. Sie hat die Negativfolgen einzubeziehen und darf sich nicht auf dinghafte Gegenstände begrenzen.

1. Eine symmetrische Theorie als Teil der subjektivrechtlichen Theorienfamilie Welche Aussicht hat eine derart erweiterte Fragestellung, sieht man einmal von den Erkenntnissen zu den theorieverlassenen Bereichen des relativen Habens, der Pflicht und der Zuständigkeit am Verhalten oder an Personen ab? Die Aufhellung des symmetrischen Motivs wird ermöglicht und es geraten drei Bereiche in den Sehepunkt, die kritisch mit zu reflektieren sind. Erstens: das reziproke Moment im Rechtsverhältnis. In der soziologischen Grundlagenforschung ist Symmetrie längst etabliert, und zwar als Teil der Reziprozitätsforschung, als deren Pionier Gouldner gilt155. Hare, um sich auf das wichtigste Beispiel zu beschränken, hat nachweisen können, dass es apriorische Grundregeln gibt, und als solche ist die goldene Regel – Urtypus einer Symmetrieregel – gegenwärtig weithin gebilligt. Wenn Luhmann rügt, dass die distributiven Einschübe, wie man in der Dogmatik heute sagt156 , „die innere Harmonie der Rechtsinstitute, die mathematische Musik der Gerechtigkeit“ beschädigen, „um eine höhere adaptive Elastizität des Rechts als Struktur der Gesellschaft zu erreichen“157, hat das zwei Aussagen: die Problematik der Verschleifung von öffentlichem und privatautonomem Recht, und: es gibt eine innere reziproke Harmonie der Institute. Wo kommt diese Reziprozität her? „Was ius ist, wird ermittelt und zugeteilt auf Grund einer schon vollzogenen Ordnung mit einem ihr innewohnenden Interessenausgleich. Daher ist ius typisch eine Einheit von 155  The Norm of Reciprocity, American Sociological Review 25 (1960), S.  161 ff. Überblicke bei Röhl, Festschrift Schlesky, S.  435 ff. und Kilian, Festschrift Wassermann, S.  715. 156  Solche Einschübe sind bei Canaris für das Vertragsrecht zusammengestellt, in: „Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht“. 157  Luhmann, Zur Funktion des subjektiven Rechts, S.  371, mit mietrechtlichem Beispiel.

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Rechten und Pflichten und, sozial gesehen, konsolidierte Reziprozität“158 . Dem Juristen fällt es dagegen schwer anzugeben, was eine solche innere Harmonie, die er kaum leugnen kann, genau ausmacht. Eine anerkannte Lehre einer juristischen Reziprozität, die über das zum Synallagma angehobene paulinische do ut des hinausginge, gibt es nicht159. Einzelne Versuche, von der soziologischen Reziprozitätsforschung zu lernen, haben wenige Nachahmer gefunden160 . Sie bezogen sich, wie gesagt, auch auf den vertraglichen Austausch, nicht die institutionelle Verteilungsart161. Der Begriff der Symmetrie hat aber nunmehr als ein Wesentliches seiner Kohärenzbezüge nicht mehr ein einseitig vom Subjekt Ausgehendes zum Ideal, sondern fordert geradezu die Rückkehr der reziproken Pflicht in die Betrachtung ein. Die Konzentration im komplementären Verhältnis ist eine Form juristischer Reziprozität. Es soll hier nicht zur Frontbegradigung von Rechtstheorie und Rechtssoziologie beigetragen werden, indem das theoretische Bindeglied in der symmetrischen Reziprozität als einer juristischen Reziprozität nachgewiesen wird. Es gilt vielmehr, den Blick für das Reziproke im Recht über das Paradigma des do ut des hinaus auf komplizierte Verflechtungen zu heben. Zweitens: der Subjektbezug der subjektivrechtlichen Befugnis. Die Krisis des subjektiven Rechts liegt auch an seinem sinnverlorenen Subjektbezug. Seit sich die Theorie des subjektiven Rechts nicht mehr auf ein philosophisches oder religiöses Ideal des Subjekts verlässt, ist nicht klar, worin der Subjektbezug noch besteht. Die rechtstheoretische Überprüfung hat erhebliche Zweifel angebracht, ob es sich nicht um eine wertverlorene Konstruktion handelt, und die profunden Angriffe der Soziologie sind nicht vollkommen widerlegt worden. Wir sahen, wie die stetige Entfaltung des subjektiven Rechts begleitet war von einer heimlichen Auffüllung mit apriorischen Werten, die in der zeitlichen Kontextbeziehung unhinterfragt bleiben konnte, außerhalb von ihr aber mehr oder weniger unverständlich wird. Die ›Herrschaft‹ hat eine ästhetisch-theologische, ›Wille‹ eine aufklärerische und später transzendentalphilosophische Substanz. Diese Aufladungstendenz ist verschwunden, aber ein Inhalt, der die Leerstelle füllen konnte, nicht gefunden. Daran schließt sich zwangsläufig die Frage an, worin, wenn nicht in der Idee, der Subjektbezug besteht. Das Subjekt steht weiter dort, worauf die sehr beachtliche französische und skandinavische Kritik hinweist, wo früher Gott oder ein von Gott abgeleiteter Anspruch die norma agendi zu erklären und zu rechtfertigen hatte, nur hat sich die Perspek158 

Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, Band 2, S.  50. Dig. 19.5.5. 160  Man kann in Deutschland Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  233 ff., 250 ff. herausstellen; s. auch Schulze, Naturalobligation, S.  309 ff.; aus der amerikanischen Literatur Macneil, Southern Californian Law Review 47 (1974), S.  691, 808; Macaulay, in: Franchising and the Law, S.  179, 185 f. 161  Ebenda, insbes. die Darstellung mit aktuellen Nachweisen bei Schulze. 159 

IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre

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tive gedreht. Die Reihung Gott – Natur – Subjekt ist mehr oder weniger schon nach Hegel philosophisch abgebrochen, aber das Subjekt ist mangels eines geeigneten Ersatzes erhalten geblieben. Nur selten fragen Juristen, um was das Adjektiv ›subjektiv‹ das Recht noch ergänzt. Seit dem Verlust seines transzendentalen Apriori droht die Selbstbezüglichkeit des subjektiven Rechts sich aufzulösen. Wenn Recht nur Zwang oder Imperativ ist, bedarf es eines Subjektes in der Tat nur noch für einen voluntaristischen Impuls, um den Erzwingungsprozess gewissermaßen anzustoßen. Von vertieften Einsichten in das Symmetrische im Recht ließe sich erwarten, dass sie die Zweifel über diese rudimentären Selbstbezugsreste (Zwang, Interesse an Zwang) überwinden helfen, wenn eine hinausgehende Verknüpfung von Subjekt und Objektivität nachweislich ist. Man kann nun fragen: Bedarf es des Subjektes als Empfänger für konzentrierte Vorteile und Nachteile? Lässt sich etwa eine negative Nichtbefugnis wirklich wie in der ›Systemtheorie‹ die Kommunikationsteilnehmer wegdenken? Drittens: das Rechtsinnere zwischen Form und Materie. Die vorgestellte geschichtliche Fraktur des subjektiven Rechts hat gezeigt, was einer Entfaltung einer Befugnislehre im Weg stand, die in der humanistischen Logik des Donellus mit dem Zentralbegriff des quod nostrum est und der Lösung vom paulinischen Begriff des ius an sich angelegt ist. Bei der Aufwertung des subjektiven Rechts gab es aber eine philosophisch determinierte Formalisierung, die latent eine Feindschaft von Materie und Form war. Die kantische Transzendentallehre war es letztlich, welche den Rechtsbegriff gegen ethische, anthropologische, soziologische und andere Bezugnahmen abschirmte. Auch der Appell Jherings, endlich auf den Kern des subjektiven Rechts zurückzukommen, hat, verbunden mit seiner Rückbindung an den Utilitarismus Benthams, die alte vorgegebene Richtung nicht verlassen, obwohl er die verengte, formalisierte Sicht auf Recht als eine zu einseitige Sicht am entschiedensten bekämpfte. Denn die Aufschüttung des substanzentleerten subjektiven Rechts mit Rechts- und Interesseninhalten ist eine semantische Begriffsoperation geblieben. Die Notwendigkeit einer Befugnistheorie, der allein die aufkommende Herrschaftsströmung der Wertungsjurisprudenz die Basis hätte reichen können, ist zwar nicht verkannt oder geleugnet worden. Und doch gibt es kaum mehr als Ansätze zu einer solchen Theorie. Der symmetrische Denkansatz kann als solcher für die Rechte an etwas Äußerem, nicht für die Personenrechte, nicht für das Leistungsversprechen einer künftigen Handlung, verstanden werden. Die Aussicht besteht in einer kohärentiellen, holistischen Deutung der subjektivrechtlichen Befugnis – Befugnis als Inneres des Rechts nicht als ewige Idee, sondern Endpunkt einer symmetrischen Kopplung.

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Einleitung

2. Wider die formorientierte Denkungsart – Zur Paradoxie der relativen Berechtigung Die tradierten Befugnislehren sind, wie erwähnt, verkappte Verallgemeinerungen der Eigentumsform. Es erschien sinnvoll, diese Perspektive zu verlassen. Damit ist ein weiteres theoretisches Ziel vorgegeben: Aufbau und Erprobung einer alternativen – alias: der symmetrierechtlichen – Denkungsart zur Überwindung des eigentumsgeprägten Paradigmas. Es verlangt nach einer kontraintuitiven Strategie der juristischen Behandlung, nicht von der institutionellen Form (Eigentums-Form, Vertretungs-Form, Gesellschaftsanteils-Form usf.), sondern von der Symmetrie her zu denken. Dieses gegenintuitive Denken soll die Befugnistheorie vor allem auf bislang ausgegrenzte Theorieelemente (relatives Recht, Pflicht, Verhalten) aufmerksam machen. Es zeichnet sich zugleich die Aussicht für ein besseres Verständnis relativer Befugnisse ab, also für die dogmatisch schwer erfassbare Restmenge im Zwischenbereich von „Haben“ und „Bekommen-Sollen“, welche die Dogmatik modernes ius ad rem, relatives Eigen, Treuhand, wirtschaftliches Eigentum und anders nennt. Die Aussicht ist, kurz gesagt: Erst eine Symmetrietheorie ermöglicht in diesem Zwischenbereich eine Loslösung von der formbezogenen Perspektivik. Eine Umkehr der formbezogenen Denkungsart erleichtert es, gegenüber dem Herkömmlichen genauere Einsichten zu erhalten. Das ist keine bloß akzidentielle Unterscheidung. Es ist vielleicht am besten, diese umgekehrte Denkungsart anhand der Unbegrifflichkeit und Paradoxie des relativen Habens zu erklären. Ein relatives Eigentum ist schon wegen der Abstraktheit dinglicher Rechte ein Paradox, aber es verbirgt in der Tiefe noch ein zweites, viel schwierigeres Paradox. Die Treuhand, um mit einem Beispiel zu beginnen, ist noch immer kein geschlossenes Rechtsinstitut. Auf dem Weg vom Treuhandwesen hin zu einem Treuhandbegriff kommt man seit der Blüte der Treuhanddiskussion in den 1920er Jahren nicht entscheidend weiter, man bleibt stehen bei aussagearmen Abstraktionen oder in einer Paradoxie162 . Die Wendungen, die zunächst als Fortschritt erschienen, sind nur Ausdruck einer Unbegrifflichkeit; bald soll Treuhänder sein, wer Rechte als Eigenrechte empfangen habe mit der Bestimmung, sie nicht in eigenem Interesse zu gebrauchen; bald wird Treuhand charakterisiert durch eine die „Interessenlage berücksichtigende Beschränkung“163 ; bald die Treuhandpflicht darauf bezogen, „das Treugut nur entsprechend der Treuabrede zu gebrau162  Man begnügt sich meist mit einer Typologie, in der Sicherungs- und Verwaltungstreuhand unterschieden und einige Nebenformen ergänzt werden (etwa Erfüllungstreuhand, Treuhandkommanditist, Anderkonten). Über alles wird der Bogen einer äußerst vagen Begriffsannäherung gespannt. Nach wie vor aktuell ist die Zusammenstellung bei Liebig/ Mathews, Treuhand, S.  597 ff. Davon zu trennen sind die „Außenwirkungen“ der Treuhand, zu ihnen Bitter, Rechtsträgerschaft, passim und näher unten, §  7, §  8 , §  10 III., §  19. 163  Hemmerle, Gutachten, S.  668.

IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre

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chen“164. Die Folgen, die man an derlei Begriffe knüpft, werden selten durch Angabe eines Treuhandsubstrats verständlich gemacht, sondern durch appell­ artige Rhetorik gestützt wie: es könne „keinem Zweifel unterliegen, daß Billigkeit und Verkehrsanschauung es erfordern, das Treugut dem Zugriffe der Gläubiger des Treuhänders zu entziehen“, „andernfalls würde man das gesunde Rechtsempfinden aufs Schwerste verletzen“ und dergleichen mehr165. Aber auch die Unterbegriffe Handeln für fremde Rechnung, fiduziarische Pflichtenbindung, Überschuss an Rechtsmacht, lösen das Treuhandparadox nicht, sondern verstärken eher die Krisis, die von dem Paradox ausgeht. Was ist das Treuhandparadox? Es entsteht, wenn konkretere Treuhandkriterien benannt werden. Dann werden das fiduziarische Pflichtenprogramm selbst oder einige für Treuhandabrede und Treuhandverhältnis typische Einzelzüge als subtilere und gehaltvollere Rechtfertigungskriterien ausgegeben: Treuhänder sei, wem Vorteile, Chancen, Nutzen oder Nachteile, Risiken, Gefahren oder Weisungsmacht, Herrschaft, Zugriff gebühren. Das Paradox besteht stets darin, dass jedes dieser Kriterien leicht nur als Folge der übrigen erscheint. Ist die Gefahrtragung nicht notwendiges Gegenstück der Berechtigung oder Weisungsmacht? Lässt sich ein fiduziarisches Pflichtenprogramm denken, ohne dass der Pflichtunterworfene von der Gefahr nach innen freigestellt ist? Und so fort. Niemals ist man sich ganz sicher, das richtige Kriterium benannt zu haben, vermögen doch die übrigen Kriterien, es wertend zu ersetzen oder zu begründen166 . Aber irgendeines dieser Treuhandkriterien muss scheinbar die übrigen hervorbringen. Welches? Jedenfalls nicht eine Bestimmtheit wie Assfalg und zahlreiche Nachfolger wollen167. Denn dann ist die Frage wieder nur, was bestimmt sein muss und bei der Antwort, das Treuhandverhältnis!, fragt man, ohne etwas gewonnen zu haben, was dessen Kennzeichen sei168 . Aber dann bleibt es bei 164  Böhm, Auslegung, S.   69; ähnliche Wendungen sind bei Diehle, Rechtsträgerschaft, S.  66 ff. gesammelt. 165  Hönsch, Stellvertretung, S.  51, weitere Appelle sind dargestellt bei Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  159 ff. 166  Wenn es in RGZ 27, 118, 126 als Begründung für Treugeberschutz heißt, diesen träfen in „letzter Reihe die Vorteile und die Nachteile aus den vom Kommissionär abgeschlossenen Geschäften“ und deshalb sei er der „materiell Interessierte“, ist man geneigt, Vorteil oder Nachteil oder beides zum Treuhandkriterium zu erheben – so entsteht die Paradoxie. Ist Treuhand im Kern: Handeln für fremde Rechnung (so Schless, Stellvertretung, S.  79) oder Gefahrtragung (so Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  189 ff.) oder Übernahme eines unternehmerischen Risikos (so Wackerle, Verwaltungstreuhand, S.  71) oder zudem Teilhabe am Ertrag (so Hugo Emmerich, GmbHR 1931, Sp.  153, 156) oder nur Teilhabe am Ertrag (so wird es in Art.  1 Abs.  1 Principles of European Trust Law, ZEuP 1999, 745, 748 suggeriert)? Näher unten, §  7 II. 3, §  8 II. 2. 167  Die Behandlung von Treugut, passim und eingehender auch dazu noch unten, §  8 I. 168  Sie ist auch nicht mit der Gleichsetzung von Treuhand und Gesamthand, wie Geibel (Treuhand als Gesellschaftsrecht, passim) sie unlängst vorgeschlagen hat, bereits mitbestimmt. Käme es zu einer solchen Aufwertung der deutschrechtlichen Gesamthand, wäre noch nicht erklärt, warum das so gewährte Schutzprivileg verdient ist.

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der dogmatischen Kapitulation vor der pluralistischen Erscheinung ›Treuhand‹, deren rechtliche Relevanz allenfalls noch in einem Ableitungsverhältnis zu einer konkreten Norm erkennbar ist. Von hier aus wird eine Flucht in die bekannte Metaphorik (Recht als Sphäre, Kreis, Als-Ob-Form, formgleich, Quasiform) und in leere Begriffe fast notwendig, etwa in die Annahme wirtschaftlicher Zugehörigkeit von Vermögen169, welche die Treuhandabrede „nach Außen“ wirken lässt, oder in andere geräumige Abstraktionen von „wert- und haftungsmäßiger Zuordnung“ als vollzogener Wertumsatz170 , als Haftungsunterworfenheit171. Hat man es nicht erkannt, dass dieses Problem der Paradoxie im Grunde bei allen Phänomenen relativer Rechtszuständigkeit, beim wirtschaftlichen, relativen, materiellen Eigentum usf. stets dasselbe ist? Offenbar nicht, denn es fehlt an jeder Metatheorie für relative Berechtigungen, seit Dulckeit sich mit seiner Theorie des „relativen Eigens“ (1937 und 1955) mit gutem Grund nicht durchsetzte. Es ist an dieser Stelle vorerst nur auf die Möglichkeiten der Ent-Paradoxierung aufmerksam zu machen. Die bisherige Denkungsweise bei allen Phänomenen des An-sich-Gehörens ist die der Imitation. Materielles Eigentum, Quasi-Mitgliedschaft, Als-ob-Berechtigung, wirtschaftliches Parteisein sind gedankliche Analogien zu institutionellen Formen. Dieses Analogiedenken mündet leicht in einer Begriffskrisis. Kann es sein, dass diese formbezogene Perspektivik diese Krisis selbst bewirkt? Sind die zahlreichen Korrekturen der formalen Rechte- und Güterordnung nicht allein übersehene Zeichen eines allgemeinen Symmetriesatzes? In dieser sich anbietenden These ›materielles Gehören sind unerkannte Symmetrien‹ ist bereits enthalten, was als Gegenstück zum formbezogenen Denken die Lösung der Unbegrifflichkeit und des Paradoxons erahnen lässt – erforderlich ist ein Wechsel der Perspektive. Die symme­ trierechtliche Denkungsart ermöglicht diesen Wechsel: Sie betrachtet die Erscheinungen des relativen Habens, Gehörens, Berechtigt-Seins als Zusammensetzung von Symmetrieverhältnissen, nicht von der Form her.

3. Der Symmetriesatz als Sollensbefehl Die Vielfalt und Konstanz des Symmetrischen, wie sie schon in der vorläufigen Phänomenologie deutlich wurde, lässt sich kaum als zufällig angehäufte Rhetorik, durchaus aber prinzipiell-grundsätzlich denken. Darum muss sich eine 169  Häufiger Topos zur Begründung eines Interventionsrechts nach §  7 71 ZPO, zuerst bei RG JW 1890, 373 = Seuff. Arch. 46, Nr.  91 und seither ständig, etwa BGHZ 11, 37, 41. Gleiche Formulierung für andere Treuhandfragen bei BGH BB 1976, 10, 11 (im Erbrecht); BGHZ 118, 107, 113 f. = NJW 1992, 2033, 2034 (zur Strohmanngründung). 170  Scharrenberg, Rechte, S.  156. 171  Walter, Unmittelbarkeitsprinzip, S.  65 ff.

IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre

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Darstellung um ein besseres Verständnis der Qualität des Symmetrischen als eines Sollens bemühen. Ist es so, dass Symmetrien stets in einem so engen Verhältnis zu einer sozialen Ordnungsaufgabe stehen, dass sich darüber nichts Allgemeines sagen lässt, oder ist es einfach nur ein Defekt, ein unerklärliches Versäumnis der Dogmatik, wenn uns heute eine tiefere Einsicht in Rechtsymme­ trien fehlt? Oder ist das Symmetrische im Recht in die Transzendenz verbannt, als Immanenz im juristischen Bewusstsein eingeschlossen und wirksam, aber das wäre gleichbedeutend mit: für den Rechtsanwendenden unerkennbar? Warum entstehen symmetrische Ordnungs- und Argumentationsmuster, durch Ableitungen und Überlieferung, aber auch zu allen Zeiten neu und spontan – weil sie in einem tieferen Grundsatz wurzeln, der sich für neue Ordnungsfragen in Rechtsregeln verwandelt und konkretisiert? Es gibt eine Faktizität des Symmetrischen im Recht. Und doch gibt es keine unmittelbare Einsicht in ein fundamentales Sein – sie ist für den Soziologen Anlass zu empirischer Forschung, für den Juristen aber eine Hypothese, welche eine Transzendenzlinie hin zur Unerkennbarkeit überschritten hat, – die Symmetrieanalyse hat sich auf den Nachweis im geschriebenen, judiziellen, positiven Recht zu konzentrieren. Da sie aber offenbar zugleich nach Letztbegründungen sucht, steht sie vor einem erkenntnistheoretischen Problem. Sie kann auch nicht aus fremden Rechten oder aus fremden Wissensgebieten ganz einfach Einsichten übernehmen. Es darf nicht um eine Anleihe auf fremden Gebieten, einen Import fremden Stoffes gehen, sondern die Analyse muss im positivrechtlichen Referenzrahmen bleiben, soll der Blick auf einen im geltenden Recht ordnungswirksamen Satz nicht verfälscht werden. Dass fundamentale Axiome mit den juridischen Erkenntnismitteln nicht unmittelbar einsichtig sind, berechtigt weder zur Flucht in Wertesubstitution noch gibt es Grund zur resignativen Gleichgültigkeit gegen das Prinzipielle schlechthin172 . Die Analyse kann das berührte Rechtsquellenproblem nicht abhandeln. Ist das Prinzip unbestimmter Rechtssatz oder eine „Formel für eine Reihe von typisch zutreffenden Gesichtspunkten“ (Esser)? Sind Prinzipien im richterlichen, „judiziellen“ Entscheidungsstoff lebendig, abhängig (Esser), oder haben sie eine 172  Eine Analyse der Ordnungsqualität kann sich, soll sie nicht in einer empirisch naturrechtlichen Methode verhaften, nicht an Phänomenen orientieren, die „der unveränderlichen, unveräußerlichen, dauernd gültigen Ordnung der Gesetzlichkeit innerhalb der Erfahrungswelt, der Wirklichkeit des Kosmos“ entspringen, kurz: nicht vom Sein auf ein Sollen schließen, s. aber die aristotelischen Analogieschlüsse, die von den Physiognomien – etwa dem Symmetrieverhältnis von Seele zu Körper, den Proportionen bei den Nasenflügeln (Nikomachische Ethik, V. 9.1309 b S.  23 ff.; s. auch VII. 3.1326 a S.  35 ff.) auf die Strukturähnlichkeit von Staat und Organismus kommen. Es gebe ein Maß für die Größe des Staats wie für Lebewesen, Werkzeuge, Pflanzen (s. dazu Kullmann, Aristoteles und die moderne Wissenschaft, S.  321) – das ist Koloration ohne Beweisgehalt. Eine juridische Symmetrielehre muss, anders gesagt, in erster Linie auf Einsicht in positiv sedimentierte Werte gerichtet sein. Also gerade nicht: eine Rechtseschatologie, die sich in einer abstrakten Konstruktion oder gar Idee erfüllt, sondern nur Sichtbarmachung des lange und allgegenwärtig im Recht Vorhandenen.

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Einleitung

soziologische, politische oder sonst vorpositive Wirkung, an denen sich Rich­ ter­recht ausrichtet (Böckenförde) 173? Weder die Perspektivik auf prinzipielles Sollen – vom richterlichen Urteil oder von dem historisch-soziologischen Apriori aus – noch der nötige Konkretisierungsbeleg kann, gleichsam im Vorbeigehen, ein adäquater Analysegegenstand sein. Die Exemplifikation anhand der erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch überwiegend anerkannten Methoden zu begrenzen, die auf Konsens und Kohärenz abstellen, muss genügen. Die fundamentalistische Rechtfertigungsart ist konsensabhängig, aber das exakte Maß an notwendiger Akzeptanz lässt sich nicht aussprechen, schon gar nicht hier festlegen174. Und ebenso lässt sich bei den Kohärenztheorien – gewissermaßen der Metatheorie zu den juristischen Systemlehren – natürlich an dieser Stelle weder fragen, welches Maß an Übereinstimmung mit anderen wahren Aussagen erreicht werden muss175 , noch nach der theoretisch richtigen Kombination von konsensualen oder kohärentiellen Aspekten suchen176 . Die Analyse zielt deswegen auf ein Erfassenkönnen der symmetrischen Wahrheit, nicht auf Schöpfung eines Theorems, sondern auf die Sichtbarmachung vorhandener, unverrückbarer Wertungszusammenhänge. Sie kann also nicht einfach das Vordergründige umgehen und die von praktischen Zwängen verunreinigte, durch Zusammenwirken mit anderen Prinzipien vermengte Existenz des Symmetrischen in der Rechtswelt außer Acht lassen, um zu einer reinen, vorpositiven Symmetrienatur durch Nachdenken vorzudringen, sondern hat umgekehrt die symmetrischen Einlagerungen im positiv-gelebten Recht herauszupräparieren.

4. Umkehr der Verhältnisse: vom Perzeptionsmittel zum Primärphänomen Die Arbeit zielt nicht auf ein Systemangebot. Es geht nicht darum, den Methodenkanon um ein neues Verfahren zu bereichern, das sich in der angewandten Jurisprudenz wie ein Präzisionsinstrument verwenden lässt. Es geht auch nicht darum, das Recht nach Vorgaben und Postulaten einer neuen Theorie zu ver173  Die Historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechts, in: Collegium Philosophicum, 1965, S.  33 Anm.  70 in Bezug auf Esser. 174  So entspricht es insbes. dem aristotelischen Wahrheitsverständnis, dass Wissen auf der Kenntnis einleuchtender Prämissen beruht, die ihrerseits nicht weiter begründbar sind; s. dazu und zu den modernen fundamentalistischen Ansätzen Künne, Conceptions of Truth, S.  94 ff. 175 Allgemein Young, The Coherence Theory of Truth, passim; aus dem juristischen Schrifttum s. Alexy/Peczenik, Ratio Juris 3 (1990), 130, 131; ausf. Darstellung, welche die allgem. Kohärenzlehren und juristischen Systemlehren darstellt bei Bracker, Kohärenz und juristische Interpretation. 176  Aus den zahlreichen Übersichten s. etwa die von Baumann, Erkenntnistheorie, S.  78 ff., 215 f.

IV. Der Ausblick auf eine juristische Symmetrielehre

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bessern. Die Frage nach dem Anwendungsnutzen ist – wie es dem Wissenschaftsideal entspricht –, dem primären Erkenntnisziel nachzuordnen. Die symmetrische Betrachtungsart zielt darauf, die Programmatik der Verteilungen von Vorteilen und Nachteilen im Recht unter dem Gesichtspunkt der Korreliertheit zu sehen. Sie ist ein Perzeptionsmittel. Die Wahl des Sehepunktes ist keinem Richtigkeitspostulat unterworfen. Sie kann unsinnig oder einseitig sein, aber falsch sein kann sie nicht, da sie die Sache nicht ändert. Der Symme­triesatz als Sehepunkt, als Vermutung, symmetrische Elemente in den Verteilungsprogrammen seien auf ein Sollen rückführbar, ist also ein Prüfansatz, der im ungünstigen Fall die Betrachtung ins Nichts abirren, im günstigen ein Unbekanntes sichtbar werden lässt. Aber symmetrische Phänomene setzen nun eine causa voraus. Nur auf diesem Weg hat die allgemeine Symmetrieforschung ihre außerordentliche Bedeutung erlangt, die sie heute hat: indem sie stets eine an sich undenkbare, verbotene, unmögliche Symmetrie unterstellte, und das Universum, die Kristallform, die geometrische Figuration unter dieser Prämisse unvoreingenommen neu und kritisch überdenkt. Die Symmetrie, im Recht evident und doch unkenntlich, findet vielleicht ihren tiefsten Grund, so die in der Arbeit miterwogene Annahme, in der Rechtsidee selbst. Der Sehepunkt von einem Symmetriesatz her ist insofern nicht nur ein experimenteller Wechsel der Denkungsart: er ermöglicht erst eine tiefere Hypothese. Gemeint ist: das Recht folgt nicht (nur) einer Entität wie Idee, Wert, Prinzip auch nicht (nur) pragmatischen, ökonomischen Zwängen, sondern hat eine eigentümliche, planmäßige – symmetrische – Funktionsweise.

Erster Hauptteil

Die statische Verteilungsordnung Im Vermögensrecht erscheint die Befugnis, Zuweisung, Zuständigkeit an etwas außer mir (Ding, Verhalten, Person) in zwei Teilsystemen, welche – gedanklich gelöst von der technisch-künstlichen, dem pandektischen Systematisierungswunsch geschuldeten Zerstreuung über die Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuches – den Ist-Zustand aller Innehabung zwischen den Subjekten fixieren, bewahren und (als vorwiegend negative Ordnung) Abweichungen korrigieren, d. h. ausgleichen sollen (statische Verteilungsordnung) oder die Änderungskonditionen für die Überwindung des Ist-Zustandes in Richtung eines neuen, beständigen Soll-Zustandes festhalten (dynamische Verteilungsordnung). Man kann also zur adäquaten Stoffabschichtung von der Ordnung zum einen der Rechtszuständigkeiten, zum anderen des Bekommensollens im Sinne zweier heuristischer Kategorien sprechen. Die Analyse des Symmetrischen im Recht wird in zwei entsprechenden Hauptteilen erfolgen. Durch diese Kategorienbildung werden Kernbereiche des Privatrechts erfasst, wenn auch nicht geschlossen abgedeckt. Es wird eine ausreichende Substanz an Rechtsstoff einbezogen werden können – auch wenn klar bleibt, dass eine scharfe begriffliche Trennlinie zwischen diesen Kernbereichen nicht gezogen und Verwebungen mit nur am Rande erwähnten oder ganz ausgeblendeten Kategorien nicht vermieden werden können.

Erster Abschnitt

Grundformen privatrechtlicher Rechtszuständigkeiten Die Verteilung von Rechtszuständigkeiten geschieht durch institutionell gefasste Formen. Der Vorteil oder Nachteil aus dem ›Mein und Dein‹ ist an rechtliche Formtypen gebunden, der Eigentümer trägt die Früchte, das Rechtsgeschäft wirkt für und gegen den Vertretenen, weil die Institutionen ›Eigentum‹ und ›Stellvertretung‹ es so vorsehen. Schon eingangs wurde auf die Philosophie Spaemanns hingewiesen, Gerechtigkeit sei Anerkennung fundamentaler Symmetrie in den Beziehungen von Menschen1. Gerechtigkeit allerdings, so seine auch für das Recht zu erwägende Einschränkung, sei „in erster Linie ein Gesichtspunkt bei der Verteilung knapper Güter innerhalb bereits bestehender und institutionalisierter Beziehungen“2 . Die Betrachtung des ›Mein und Dein‹, gedacht als symmetrische Kohärenz (bezogen auf Ding, Verhalten, Person), hat dann bei diesen institutionellen Formen anzusetzen. ›Mein und Dein‹, subjektivrechtliche Befugnis, Rechtszuständigkeit bedeutet das Innehaben einer institutionellen Form, die ihrerseits symmetrisch ist. Aber es gibt ganz offenbar daneben noch ordnungswirksame Symmetrien, wie die vorläufige Phänomenologie gezeigt hat, welche nicht durch Formen geordnet sind, sondern, im Gegenteil, die formale Verteilungsordnung ergänzen oder durchbrechen. Es sind in einer Grundlegung deswegen Distinktion und Dialektik von formaler und materialer Symmetrie zu erklären.

1  Es heißt weiter im Kontext: „Wo ein Mensch diskriminierenden Maßnahmen unterworfen wird, die ihm selbst gegenüber gar nicht gerechtfertigt werden können, wo er als Staatsbürger benachteiligt wird, weil er z. B. Jude, Neger oder Sohn eines Großgrundbesitzers ist, da ist jene fundamentale Symmetrie verletzt, ohne die es keine Gerechtigkeit gibt“, s. Spaemann, Moralische Grundbegriffe, S.  50 f. 2  Spaemann, Moralische Grundbegriffe, S.  53.

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen Die ›Rechtszuständigkeit‹ als ein Innehaben (hier nicht im historischen Sinne der römischen detentio gemeint) fungiert als übergreifende Chiffre für das Gehören, Gebühren, Zueigenhaben von etwas außer mir (Ding, Verhalten, Person). Sie soll die geschilderte Begrenzung der subjektivrechtlichen Theorie der Befugnis überwinden helfen. Man kann die Rechtszuständigkeiten kategorial in zwei Hemisphären des Vermögensrechts teilen. Die formale Verteilungs­ ordnung begünstigt den Verkehr gegenüber denjenigen Subjekten, denen ein Vorteil an sich gebührt, indem Rechte und Pflichten mit den institutionellen Formen verbunden sind. Nur dem Inhaber der Form stehen die Vorteile und Nachteile aus der Form zu. Die deutsche Erwerbsordnung, in welcher die Zuwendungen in abstrakten Aktstypen – den Verfügungen – erfolgen, welche von der causa isoliert werden, kann als vorläufiges Paradigma dienen. In der materialen Verteilungsordnung sind die Formen einem wahreren ›juristischen‹ Innehaben als ein Vorläufiges, anhand materieller Rechte- und Pflichtenbegründungen Korrigierbares hintenan gesetzt. Die juridische Form kann zugunsten einer idealeren Gerechtigkeitsästhetik stets gleichsam wie eine dünne Hülle durchstoßen werden. Die einleitend beschriebenen Figuren von relativem Eigen, Treuhand, wirtschaftlichem Eigentum sind einfache Beispiele für solche Durchgriffsmittel. Formale und materiale Verteilungsordnung – beides sind Extreme, zwischen denen jede Rechtsordnung ihre Mitte sucht. Keine Rechtsordnung, auch nicht das deutsche Vermögensrecht, dem Weber noch 1911 als perfektem „logischen Formalismus“ anderen Rechten gegenüber den Vorrang gab1, gehört nur in eines der Lager2 . In der deutschen Vermögensordnung gibt es schon zahlreiche Regelungsbereiche, in denen formalistische Institutionen schlicht fehlen, und sie muss systemwichtige Einbrüche in die Formenordnung dulden, in denen sich materielle Befugnisse die Bahn brechen. Ein Verständnis von Rechtszu-

1 Das Lob auf den „Höchstgrad methodisch-logischer Rationalität“ entstammt „Wirtschaft und Gesellschaft“, S.  397, 495, und war für viele eine am Vorabend des Ersten Weltkriegs noch plausible Annahme. 2  S. zum Teilaspekt der sachenrechtlichen Typizität ausf. die Darst. von Kern, Typizität als Strukturprinzip, S.  35 ff., 228 ff.

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen

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ständigkeit als Rechtssymmetrie muss bei dieser Spannung zwischen Form und Materie ansetzen.

I. Die formale Rechtszuständigkeit Was die formale Rechtszuständigkeit ist, wird durch Rechtsinstitute vorgegeben, die privatrechtliche Verteilungsaufgaben übernehmen. Die Gründe, welche die Formausgestaltung bestimmen, sind verschieden. Man denkt intuitiv an die Abstraktion als eine juristische Technik zur Abspaltung des Kausalmomentes: der neue, „abstrakte“ Rest soll helfen, standardisierte und verkehrssichere Befugnistypen zu formen. Daneben treten andere Formkräfte, welche zu Legitimationswirkungen oder den Regeln zum Gutglaubenserwerb geführt haben 3. Aber auch damit ist nur ein erster Schritt getan. Rechtsinstitute haben gemeinhin zur Aufgabe, juridische Normen, die sich auf einheitliche Lebenssachverhalte beziehen, zu einer normativen Einheit zusammenzufügen. Soweit also ein Rechtsinstitut die Grundlage einer Rechtszuständigkeit bildet, ist es nur im institutionellen Ganzen, gedacht als ein „Gebotsgebilde“, eine „Gebotssumme“, zu begreifen4. Die Form in der Summe wird erst ganz nachvollziehbar, wenn die formbildenden Kräfte, die abschirmende Formwirkung und der Zweck der Formalisierung näher betrachtet werden (I.); erst dann kann der Versuch einer präziseren Erklärung der formalen Befugnis unternommen werden (II.).

1. Verkehrsbedürfnisse als Formkraft im deutschen Vermögensrecht Für ein genaueres Verständnis der formalen Zuständigkeit betrachten wir in einem ersten Schritt zunächst Eigentum, Stellvertretung und umlauffähige Forderungen. Alle drei Rechtsinstitute haben im 19. Jahrhundert eine Entwicklung zunehmender Abstraktion hinter sich. Den Bedürfnissen des industriegesellschaftlichen Wirtschaftsverkehrs mit seinen sozialtypischen Ketten- und Netzbeziehungen war es nicht mehr angemessen, ,freie‘ Drittwirkungen außerhalb der Erwerbs- und Vertragsverhältnisse zuzulassen: Der Käufer sollte sich nicht mit den Vorlieferanten, der Erwerber von Gütern nicht mit früheren Erwerbern auseinandersetzen müssen; Mängeleinreden und Rückabwicklungen sollten auf das Synallagma begrenzt sein; im Handelsverkehr musste die Legitimation des 3  Auch Rechtsordnungen ohne Abstraktionsgrundsatz bedienen sich fester Formtypen. Für die Formbildung ist die Abstraktion nicht erforderlich, aber die parallele Abstrahierung vom Kausalbezug bei den verschiedenen Formtypen im deutschen Recht weist den Weg für ein besseres theoretisches Verständnis der formalen Rechtszuständigkeit. 4  Das Rechtsinstitut als Gebotsgebilde zu sehen, geht auf Heck, Begriffsbildung, S.  5 4 zurück. Problematischere Teile anderer Institutsbegriffe wie Offenheit, Wesen usf. sind für unsere gesetzespositive Analyse unwesentlich und werden ausgeblendet, zu ihnen Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 1.  Aufl., S.  289 ff.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Prokuristen klar sein; die Anleihe musste ein umlauffähiges Finanzinstrument sein. Der Prozess der Abstraktion für Eigentum, Vertretung, Anleihe folgte analogen Begründungsmustern, denen es nachzugehen lohnt. Die Lehre vom selbständigen dinglichen Vertrag, die v. Savigny zugeschrieben wird, gibt der Erwerbsordnung des Bürgerlichen Gesetzbuches ihre Eigenart5. Nach ihr ist die alte Frage, ob die traditio eine iusta causa erfordert6 , zugunsten einer erleichterten Erwerbsordnung zu verneinen. Der Kerngedanke ist, den dinglichen Geschäftswillen von Motiv- und Kausalelementen frei zu halten. In den Worten der Motive zum Erstentwurf: „Aus der selbständigen Stellung, welche das Sachenrecht in dem Systeme des Privatrechts einnimmt, folgt mit Notwendigkeit, daß die Gesetzgebung auch die Rechtsgeschäfte, welche den sachenrechtlichen Verkehr vermitteln, unabhängig von den Rechtsgeschäften anderer Teile des Systems auffassen und gestalten muß“. Knapper gesagt: „Die sachenrechtlichen Geschäfte sind demnach in dem Entwurfe lediglich nach ihren eigenen Zwecken geordnet“. Oder noch pointierter: „Die sachenrechtlichen Geschäfte sind notwendig abstrakter Natur“7. Wer ein Sachenrecht erwirbt, soll nur das dingliche Recht des Veräußerers beurteilen müssen. Nicht zu beurteilen hat er: die Fehlerfreiheit der schuldrechtlichen Unterlage, die Erwerbsrechte Dritter oder obligatorische Erwerbsbeschränkungen8 . Ebenso wichtig und mit verwandten Ordnungsaufgaben vertraut sind die Regeln des Gutglaubenserwerbs. Die bereits in den Sachsenspiegel aufgenommene Rechtsparömie ›Hand wahre Hand‹ galt schon im 18. Jahrhundert als berechtigte Einwendung gegen die römischrechtliche Vindikation, wenn der Eigentümer die Sache freiwillig aus der Hand gegeben und der Besitzer sie guten Glaubens erworben hatte9. Das Ziel war es zwar schon damals, den Verkehr von Waren zu erleichtern10 . Das Prinzip ist im Handelsgesetz von 1861 zum gesetzlichen Gutglaubenserwerb im Handelsverkehr konkretisiert und wurde in das Bürgerliche Gesetzbuch für private Verhältnisse übernommen. Als weiteres anschauliches Beispiel ist die Anleihe anzuführen11. Bei v. Savigny ist nachzulesen, der Inhaber der Anleihe müsse gegenüber dem früheren Inhaber, Schuldner und Verkehr eine unzweifelhafte Rechtsposition haben; zahlt 5 S. v. Savigny, Obligationenrecht, Band 2, S.  254 ff. und die enge Anlehnung hieran bei Windscheid, Pandekten, Band 1, §  171 Anm.  5, §  172 Anm.  16a, Band 2, §  330 Anm.  5. Näher nachgezeichnet bei Felgenträger, Einfluß, passim; U. Huber, Festschrift Canaris I, S.  471 ff. 6  Was bei Ulpian (Dig. 12.1.18.7) angenommen, aber bei Iulian (Dig. 41.1.36.13) verworfen wird, s. dazu Strohal, Jherings Jahrb. 27 (1889), S.  335, 337 und näher Fuchs, Iusta causa traditionis, passim. 7  Mot. III, S.  6 . 8  Sehr klar Mot. II, S.  280 ff. zur Miete (noch ohne Anerkennung des Grundsatzes, „Kauf bricht nicht Miete“), s. näher Löning, Die Grundstücksmiete als dingliches Recht, passim. 9  Darstellung bei Hübner, Rechtsverlust, S.  16 ff. 10  Danz, Handbuch, Band 2, §  199, S.  247. 11  Zur Typizität der Wertpapiere allgemein und ausf. Kern, Typizität als Strukturprinzip, S.  253 ff.

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen

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der Schuldner gegen Vorlage des Papiers, muss dies eine sichere befreiende Wirkung haben12 . Zum Schutz der Gläubiger einer solchen Partialobligation sei im Gesetz vorzusehen, dass der Besitz der Inhaberschuldverschreibung als Legitimationserfordernis genüge13. Gefordert war eine Rechtssicherheit zum einen für den Gläubiger, der die Forderung leicht und sicher veräußern will, zum anderen für den Schuldner, der vor allem wissen muss, an wen er befreiend leisten kann. Einzulösen war dies durch Abstraktion, also eine Kappung von dem Ausgangsvertrag zugunsten eines Wertpapierrechts, so wie es bis heute in seinen Grundzügen gilt. Die Entwicklung des Instituts der direkten Stellvertretung verläuft in parallelen Bahnen. Sie geht auf Forderungen eines Handels zurück, der an der Schwelle zur Industrieepoche schon von Arbeitsteilung und anonymen Abläufen gekennzeichnet war und die Vergütungs- oder Ausgleichsansprüche, die Auseinandersetzung über Mängel, die Einheit von Rechten und Gegenrechten im Rechtsverhältnis unter den Vertragspartnern konzentrieren musste, also jeden Drittbezug zu begrenzen hatte. Für die Vertretung bedeutete das, dass den Verkehr das Kausalmoment der Vollmacht, das Innenverhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter schlechthin, nichts mehr anging. Ganz durchsetzen konnte sich diese Teilung erst mit den Arbeiten Jherings, Goldschmidts, Labands, denen gemeinsam ist, dass sie die überkommene Vermischung von Vollmacht und Auftrag bis etwa 1850 hin zu einer klaren Trennung der causa und der Vertretung nach außen hin auflösen14. Der Auftrag, so heißt eine markante Stelle bei Laband, „ist also für die Stellvertretungsbefugnis irrelevant“. Vollmacht und Mandat seien „zwei ganz verschiedene Rechtsgeschäfte, die andere Voraussetzungen, einen anderen Inhalt und andere Wirkungen haben“15.

2. Die Abschirmungswirkung der formgefassten Rechtszuständigkeit – Eine Fortsetzung Die Eigenart der formalen Rechtszuständigkeit ist mit dem Prinzip der Verkehrssicherung durch Abstraktion, Gutglaubensschutz, Legitimation ohne Beachtung ihrer ganzen Wirkung nur unvollständig beschrieben. Die Form hilft, die materialen Anrechte, Befugnisse und Rechte anderer abzuschirmen. Was wäre das aber für eine Sicherheit, wenn der Erwerber einer formalen Position diese Position auf scheinbar tieferer Ebene, durch restitutionelle oder delikti12  Weder im allgemeinen Landrecht noch im Schuldverschreibungsgesetz von 1833 war das erreicht, insbes. war ungesichert, ob der Inhaber des Scheins auch Klagerechte gegen den Emittenten hatte, näher Baums, Das preußische Schuldverschreibungsgesetz, S.  1098 ff. 13  Obligationenrecht, Band 2, S.  88 ff. 14  S. Jherings Jahrb. 1 (1857), S.  313 und Jahrb. 2 (1858), S.  84; Goldschmidt, Krit. Z.f.d.ges. RW 4 (1857), 129 f.; Laband, ZHR 10 (1866), 183, 204 ff. 15  ZHR 10 (1866), 183, 206 bzw. 208.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

sche Verfolgungsrechte, gleich wieder aufgeben müsste? Klar ist, dass es eine restitutionelle Abschirmungswirkung geben, ein unbegrenzter restitutioneller Durchgriff (im „Dreieck“) ausgeschlossen sein muss. Ein Recht auf die Sache ist deswegen heute kategorisch vom Recht aus der (zugewiesenen) Sache getrennt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch vollzieht sich eine fast programmatische Abkehr vom ius ad rem, einem drittwirksamen obligatorischen Recht auf die Sache, das als „Verkennung des Gegensatzes zwischen dinglichem und persönlichem Rechte“, als eine „Verdunkelung der Grenzen zwischen Schuld- und Sachenrecht“ in den Motiven stigmatisiert wird16 . „Das Sachenrecht muß, um seine Selbständigkeit zu wahren, die Erwerbung der dinglichen Rechte nach Gesichtspunkten ordnen, die auf seinem Gebiete liegen. Es hat die Tatsachen, an welche die Erwerbung zu knüpfen ist, nicht minder als den Inhalt der einzelnen Rechte nach deren Wesen und Zwecke zu bestimmen“17. Die Zurückdrängung der Version, die hier ihren Grund hat, ist nicht der einzige, aber ein charakteristischer Ausdruck des formalen Stils. Im preußischen Recht und nach gemeinrechtlicher Lehre war es noch für denjenigen möglich, der wusste, wo sein Vermögen wirtschaftlich hingeflossen war, sein Restitutionsbedürfnis aus mangelhafter oder fortgefallener causa, ganz ohne Weiteres bei jedem Letztempfänger zu befriedigen. Der Nutzen des Erwerbers war stets durch denjenigen, den die Aufwendung traf, kondizierbar18 . Solche Verfolgungsrechte wurden weithin abgeschafft. Sie wurden gezielt aufgegeben. Einen Nachläufer der actio de in rem verso utilis, eine wertmäßige Verfolgung der Sache gelöst von den unmittelbaren Beziehungen, sollte es nicht geben19. Diese Abschirmung ist eine Wirkung der Form, die bei der Stellvertretung, als einem Paradigma der Zuständigkeit am Handeln anderer, nahezu gleich ist. Zunächst allerdings war Anderes erwogen worden: die gemeinrechtliche actio de in rem verso utilis und die preußische Verwendungsklage sollten anerkannt werden, die sogenannte „mittelbare Stellvertretung“ sollte eine institutionelle Verfestigung erhalten. Die Abstraktion dinghafter und verhaltensbezogener Form wurde dann doch parallelisiert. Die mittelbare Stellvertretung blieb ungeregelt, ein Schutz für Treugeber nach dem Vorbild des Handelsrechts wurde verworfen 20 . Kurz, die legitimierenden und abstrakten Formtypen der Rechts16 

Mot. III, S.  3. Mot. III, S.  3. 18  §  262 I 13 Pr. ALR lautete: „Derjenige, aus dessen Vermögen etwas in den Nutzen eines Andern verwendet worden, ist dasselbe entweder in Natur zurück, oder für den Werth Vergütung zu fordern berechtigt“. Die restriktive Handhabung der Norm durch die Gerichte ist näher dargelegt bei Koenig, Der Bereicherungsanspruch gegen den Drittempfänger einer Vertragsleistung, S.  109 ff. 19  S. zum Erfordernis einer unmittelbaren Vermögensverschiebung: „Nur diejenigen, welche bei dem Geschäft als Beteiligte einander gegenüber treten, sind auch Parteien im Kondiktionsstreit“, v. Kübel, Teilentwurf Ungerechtfertigte Bereicherung, 1882, S.  11 und 33 f. = Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  671. 20  Durch die 1. Kommission (Mot. II, S.  871 ff.), worauf noch zurückzukommen sein wird. 17 

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen

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zuständigkeit, die vor allem in der Industrialisierungsepoche als Kinder des Handelsrechts entstanden waren und in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurden, sollen Rechte oder Befugnisse von Dritten, ja jede Rechtsbeziehung zu ihnen überhaupt abschneiden. Weniger klar ist, dass die Formalisierung der Eingriffskondiktion durch das Dogma vom „Zuweisungsgehalt“ in diesen Kontext gehört. Denn die Zuweisungen mit Eingriffsschutz sind von dem Innehaben einer institutionellen Form abhängig. Auch dieser Formbezug wird im Negativen, also anhand der schutzlos gestellten Positionen, offenbarer als in der Betrachtung der kasuistischen Mikrologie des restitutionsrechtlichen Eigentumsschutzes: Der Eingriff berechtigt den – formalen – Eigentümer, und nicht: den Treugeber, Hintermann, Interessierten, wirtschaftlich Befugten oder einen anderen. Die formlose Befugnis (gedacht als ein materielles, wirtschaftliches, fiduziarisches, obligatorisches Anrecht) gilt nicht als geschütztes Etwas im Sinne des §  81221. Die römischen oder naturrechtlichen „allgemeinen“ Bereicherungsverbote bei Pomponius oder Wolff geben das so wenig vor wie die weitläufigen Nachfolger22 . Von solchen Formeln aus hätte sich ohne Weiteres ein ganz anderes Verständnis von „Etwas“ oder „Zuweisungsgehalt“ entwickeln können. Ein Restitutionsschutz für den mittelbar Vertretenen hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Folgen und für den Treugeber hinsichtlich des Treuguts wäre von hier aus ohne Weiteres möglich. Dass es ihn nicht gibt, konkretisiert die Abstraktionsprinzipien. Das Deliktsrecht ist in ähnlicher Art und Weise formalisiert. So wird das neminem laedere erst in Subprinzipien, gleichsam eine Ebene tiefer, durch die Kardinalpflichten des Deliktsrechts – Verbot vorsätzlicher Schädigungen, Beachtung fremden Eigentums, pflichtgemäße Sorgfalt – konkretisiert und in tatbestandlicher, anwendungsbereiter Form dem Richter vorgegeben. Die Enge der deliktischen Schutzgewähr (§  823 Abs.  1, §  823 Abs.  2, §  826) haben die Gerichte in viele Richtungen erweitert. Es ist zur Ausbildung ganz neuer Schutzformen (Gewerbebetrieb, Personenrechte, Besitz) gekommen. Aber stets galt auch: Wenn eine Form, sei sie gesetzlich oder judiziell geschaffen, existiert, kommt es wieder primär auf das formale Innehaben an, und nicht auf Herr21 S. Canaris, Festschrift Flume I, S.  371 ff.; einen seltenen Versuch, den Treugeberschutz im Bereicherungsrecht zu stärken, hat Grundmann, Treuhandvertrag, S.  307 ff. unternommen. 22  Dig. 50.17.206; Wolff, Grundsätze des Natur- und Völckerrechts, S.  86. In den Worten des Reichsgerichts: „Daß Vermögenswerte, die jemandem zugeflossen sind, dem sie nach den unterliegenden Wirtschaftsbeziehungen nicht zukommen, demjenigen zugeführt werden, dem sie gebühren“, sei der zentrale Grundgedanke, RGZ 120, 299 f.; s. auch RGZ 120, 349, 351. Bei Esser findet sich eine genauere Formel: Die Bereicherungsklage diene der Korrektur einerseits ordnungsfremder (planloser) Güterbewegung, andererseits solcher Leistungen, die den Grund und Zweck, um dessentwillen sie rechtlich gebilligt und gefordert waren, verfehlten, Schuldrecht, 2.  Aufl., S.  435.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

schaft, Interesse, obligatorisches Anrecht, Vertrauen usf. In diesem Zusammenhang vom Formbezug zu sprechen, ist sprachlich ungewohnt, aber der Sache nach steht der Formbezug gar nicht in Zweifel, sondern gehört zum fast streitfreien Dogmenbestand des deliktischen Schutzes: die materialen Verfolgungsrechte, moderne Varianten des ius ad rem, sind keine „sonstigen Rechte“23.

3. Die rechtssichernde Funktion von formalen Zuständigkeitstypen Die Teilung der Rechtsverhältnisse in Kategorien von ›Innen‹ und ›Außen‹ zum einen; die Abschirmung des ›Außen‹ gegen Fehler, Irrtümer, Motive im Kausalbereich, gegen Rechte auf Verfolgung und Durchgriff gleichsam über die Linie zwischen ›Innen‹ und ›Außen‹ hinweg zum anderen – dies ist als wesentliches Kennzeichen derjenigen Formen zu verzeichnen, die Verteilungsmittel für Vorteile und Nachteile sind. Wozu also die Formbindung? Sicher sollte die Abstraktion, die nur ein Teilaspekt ist, historisch gesehen die Erwerbs- und Vertragsordnung leichter und sicherer machen, aber das beschreibt die Aufgaben der formalen Verteilungsweise nicht mehr vollständig und es ist nicht ganz falsch, von einem Funktionswandel zu sprechen 24. Die Legitimation und Umlauffähigkeit sind nicht die einzigen Formkräfte, wie zwei Beispiele aus verschiedenen Bereichen, die gestionsrechtliche „Fremdheit“ und der vollstreckungsrechtliche Vermögensbegriff, zeigen sollen. Erstens: Wer bei auftragsloser Geschäftsbesorgung als Geschäftsherr berechtigt und verpflichtet wird, ist nach der Judikatur anhand objektiver Kriterien, nicht allein anhand des Gestorwillens, zu ermitteln. Fremd ist nach einer geläufigen Formel, was in den „Rechts- und Interessenkreis“ eines anderen gehört. Sobald aber in absolute Sachenrechte eingegriffen wird (formale Verteilungsformen), ist der „Rechtskreis“ berührt. Das erscheint selbstverständlich, ist es aber keineswegs. Man muss auf die Diskussion vor 1900 zurückkommen, um das zu sehen. Jhering und Chambon haben 1844 und 1848 die Fremdheit des Geschäfts etwa danach bestimmt, wen das periculum negotiationis trifft 25. Von hier aus entwickelte sich ein heute fast vergessener Bestimmungsstreit im gemeinen Recht. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, den Einfluss der formalen Zuständigkeiten für den „Rechts- und Geschäftskreis“ insgesamt durch die Judikate hindurch nachzuweisen. Um das Grundprinzip zu sehen, genügt das Beispiel eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 11.10.1979 (VII ZR 285/78), das zu folgendem Sachverhalt erging: Im Mai 1971 bestellte die Klägerin einen gebrauchten Haubenkipper und gab ihren Lastwagen mit Anhänger in Zahlung26 . 23 

Ausf. Erörterung im dritten Abschnitt, §§  6 ff. Zutreffend weist für den sachenrechtlichen Typenzwang auch Kern, Typizität als Strukturprinzip, S.  463 ff., darauf hin, dass sich ein „eindimensionales“ Verständnis verbiete. 25  Jhering, Abhandlungen, S.  4 4, 73 ff.; Chambon, Negotiorum Gestio, S.  33 ff. 26  BGHZ 75, 203 = NJW 1980, 178. 24 

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen

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Ein Kaufvertrag wurde später aber nicht mehr geschlossen. Die Beklagte, die den Lastzug zu Eigentum erworben hatte, wurde in der Folge zur Rückübertragung verurteilt, hatte den Lastzug aber zwischenzeitlich veräußert. Es ist an dieser Stelle nur wichtig, dass der Bundesgerichtshof der Revisionserwiderung, es läge eine angemaßte Geschäftsführung der beklagten Eigentümerin vor, nicht gefolgt ist. Die angemaßte Geschäftsführung setze „die Führung eines objektiv fremden Geschäfts voraus“ und die Veräußerung einer Sache sei „in erster Linie ein Geschäft des Eigentümers“27. In casu richtete sich der Anspruch auf Gewinnherausgabe jedenfalls gegen den ehemaligen Eigentümer, nicht einen Erwerber! Es geht also weder um die Umlauffähigkeit oder die Legitimationswirkung der Eigentumsform noch um den Schutz des Verkehrs. Wo liegt dann der Bestimmungsgrund, wozu noch diese Anbindung an die verkehrsgünstige Form? Man sieht es leichter, wenn man umgekehrt fragt, was den „Rechtsund Geschäftskreis“ nicht (mehr) festlegen soll. Es ist nicht das wie auch immer zu bestimmende periculum, das Interesse des Klägers, die allgemeine Verkehrs­ ansicht über Fremdheit. Der gemeinrechtliche Streit war zugunsten eines formbezogenen Verständnisses überwunden. Das Streben nach Sicherheit ist also eine über die verkehrsbezogenen Formzwecke hinausgehende Komponente, die Klarheit und Einheitlichkeit der Verteilungsordnung schlechthin, die zur Rechtssicherheit beiträgt. Zweitens: Zur Bedeutung der Form für die Sicherheit von Recht noch ein letztes Beispiel: Das Vollstreckungsrecht versucht die Spannung zwischen den öffentlich-rechtlichen Eingriffsbefugnissen und den mitbetroffenen materialen Fremdrechten (wie schuldnerfremdes Eigentum) in einem abgestuften Verfahren zu lösen. Die Rechte anderer werden in einem dem Zugriff nachgelagerten Verfahrensabschnitt, etwa durch Interventionsklage oder Aussonderung, gewahrt. Aber was bedeutet in diesem Kontext fremd? Es entspräche doch dem gemeinhin bejahten Postulat der teleologischen Rechtsanwendung, wenn ›fremd‹ durch das Vollstreckungsrecht, nicht durch die sachenrechtlichen Teleologien bestimmt wäre. Es ist unter einer Verfassung mit weiter Eigentumsgarantie charakteristisch, wenn sich derjenige, dessen Vermögensverlust sich zum Vorteil für den Schuldner oder für Gläubiger wendet, mit dem Verlust nicht zufrieden geben braucht, dass ihm Hinweise auf Effizienz der Exekution nicht genügen müssen 28 . Angesichts des Drucks einer solchen Rechtfertigungslast bedürfte es erheblicher Anstrengung, um den Ausgleich (Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG) bei einer exekutionsrechtlichen Adaption des engen, sachenrechtlich determinierten Fremdheitsbegriffs begründen zu können. Auch historisch gesehen ist die Abhängigkeit des Prozessrechts vom materialen Recht beinahe seltsam. Die 27  BGHZ 75, 203 = NJW 1980, 178; es heißt dort auch: „Der Eigentümer einer Sache, der diese heraus- oder zurückgeben muß, besitzt sie gleichwohl als ihm gehörend und führt deshalb kein fremdes Geschäft, wenn er sie veräußert“. 28  Darstellung der Judikatur bei N. Fischer, Vollstreckungszugriff, S.  232 ff.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Tendenz, die in der Absonderung der Widerspruchsklage von der Gruppe der Eigentumsklagen begann und sich mit der Anerkennung als prozessualer Kla­ ge­ typus durch die führenden Prozessualisten Richard Schmidt, Stein oder Oertmann zum Ende des 19. Jahrhunderts vollzog, war eine andere gewesen: Es schien der Weg frei für ein vom bürgerlichen Recht emanzipiertes Verständnis von Schuldnervermögen, indem die Wendung „die Veräußerung hinderndes Recht“ ganz eigenständig gedeutet wurde. Das wäre konsequent gewesen, auch als die Prozessualistik später mehr und mehr die Kategorie der Gestaltungsklage als Klageart heranzog – und eben nicht mehr eine einfache Leistungsklage wie beim negatorischen Rechtsschutz29. Alles das spricht für eine Emanzipation des vollstreckungsrechtlichen Fremdheitsbegriffs von der bürgerlichrechtlichen Verteilungsweise. Aber ein echtes Exekutionseigentum hat es nie gegeben, im Gegenteil30 . Das sachenrechtliche Abstraktionsprinzip schlägt weiter ins Exekutionsrecht durch, wie das Schicksal des nur kausal fehlerhaft übertragenen Eigentums deutlich zeigt. Durch formale Zuweisung ist auch das fehlerhaft erworbene Eigentum des Erwerbers dem Zugriff seiner Gläubiger ausgesetzt. Gläubiger erlangen, anders gesagt, auf Kosten des kausalgeschädigten Verkäufers Befriedigung. Die formalabstrakte Zuweisung, die jederzeit kausalbezogen korrigierbar, also vorläufig gedacht ist, wird erst durch den Gläubigerzugriff endgültig. Damit wird, wie schon v. Tuhr als Negativfolge des Abstraktionsprinzips notierte, der Gläubiger höher bewertet als der Kausalgeschädigte31. Und doch wurde diese Entscheidung zulasten der kondiktionsrechtlich Berechtigten ganz bewusst vorgenommen. Warum, zeigt ein Satz aus den Protokollen: Ein Aussonderungsrecht für die Kondiktion „würde die Bedeutung des dinglichen Vertrags für das Sachenrecht in einer Weise abschwächen, dass es zweifelhaft wäre, ob dieses Institut noch praktisch brauchbar wäre“32 . Was fremd ist, bleibt bürgerlichrechtlich bestimmt, von hier aus geschehen Korrekturen. Die Hoffnung, dass aus teleologischen Erwägungen über den Vollstreckungszweck zugleich ein juristisch operabler Begriff des Exekutionseigentums herauskommt, der sich ganz von der bürgerlichrechtlichen Vertei-

29 

109.

Insbes. seit BGHZ 58, 207, 214; aus dem Schrifttum statt vieler Henckel, AcP 174 (1974),

30  Stein, Allg. Österr. GerichtsZ 1897, 68; Oertmann/Hellwig, System II, §  308, 3 b, S.  276; eingehende Darstellung bei Frommhold, Widerspruchsklage, S.  177 ff. 31  Das ist bei v. Tuhr (Allgemeiner Teil, II/1, S.  111 f.) als Mangel begriffen, was viel beachtet wurde, worauf in §  8 zurück zu kommen sein wird. 32  Prot. II, Bd.  2 , S.  721 ff., insbes. S.  724. Als zufällige Fernwirkung der abstrakten Formausprägung kritisiert etwa durch Lange, AcP 146 (1941), 28, 32 f.; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, II/2, S.  111 f.; Assfalg, Die Behandlung, S.  151 ff.; Heck, Das abstrakte dingliche Rechts­ geschäft, S.  18 ff.; für gut befunden bei Flume, Allgemeiner Teil, Band 2, §  12 III 3, S.  176 f.; Grigoleit, AcP 199 (1999) 379, 387 ff.

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen

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lungsordnung emanzipieren kann (ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ in einem wirklich eigenständigen Sinne), ist von vornherein trüb oder vergeblich33. Ganz offenbar liegt in den formalen Verteilungsmitteln des Bürgerlichen Rechts doch eine Aussage über den Vermögensbestand einer Person; die öffentlich-rechtlichen Teile der Rechtsordnung können darüber nicht einfach hinweggehen, da es nicht gelingt, spezialgesetzliche Teleologien in sichere eigene Begriffe (Konkurseigentum, wirtschaftliches Eigentum) zu konkretisieren. Man kann anhand dieser Beispiele sehen, wo der Grund für Formalisierungen der zivilistischen Verteilung zu suchen ist: nicht in einer Erleichterung des kaufmännischen Verkehrs, sondern allgemeiner in der Klarheit der rechtlichen Vermögensverteilung schlechthin.

II. Die Fixierung der subjektivrechtlichen Vermögensbefugnis in der Form – Rückbezug Diese sicher nur kursorischen Bemerkungen gewinnen volle Bedeutung erst im Rückbezug zur Theorie der Vermögensbefugnis als einer der Herrschaftsströmungen der subjektivrechtlichen Theoriegruppe34. Denn nach dem Gesagten ist klar, dass die Befugnis an etwas Äußerem nicht einfach ganz von den juristischen Formtypen gelöst gedacht werden kann. In den Formen sollen offenbar die Vorteile und Nachteile an etwas Äußerem (Ding, Verhalten, Person) eingebunden werden. Auszüge aus den Fortschritten der rechtstheoretischen Erfassung der Vermögensbefugnis werden klarer hervortreten lassen, was eine formvermittelte Befugnis bedeutet. Jürgen Schmidt hat gesagt: „Eine Rechtsordnung, die für die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu sein, einen zumindest potentiellen Bestand von Vermögen fordert, eine Rechtsordnung, die zumindest in ihrem vermögensrechtlichen Haftungssystem davon ausgeht, daß jeder Rechtsgenosse Vermögenssubjekt ist, kann die Anwendung von Rechtssätzen, die in ihrem Tatbestand an bestehende Vermögensberechtigungen anknüpfen, nicht vom Nachweis der ›wahren‹ Berechtigung abhängig machen“35. Der Rechtsverkehr sei auf die Einbindung von Befugnissen in Formen angewiesen. Denn: „Zuweisung eines ausschließlichen intersubjektiven Wertbereichs zur Befriedigung der Interessen des Begünstigten würde völlig verkehrt werden, da der Begünstigte nicht mehr der rechtlich zu schützende, der Geschützte aber in der Regel nicht mehr 33  Deutlich geworden ist das bei dem gescheiterten Versuch der Steuerlehre, sich vom Zivilrecht vollständig zu emanzipieren. Es gelingt eben nicht, ganz neue Begriffe für Eigentum, Ehe, Geschäftsführer mit Hilfe einer steuerrechtlichen Teleologie – welcher auch – hinlänglich sicher zu bestimmen, s. ausf. Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S.  129 ff. 34  Einleitung, II. 1 d, 2 a. 35  Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  129.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

der zu begünstigende wäre“36 . Das sind neue Ausdrucksweisen, die schildern, was die abstrakten Formen, ›Eigentum‹ oder ›Vertretung‹, hervorgebracht hat. Jede Güter- und Erwerbsordnung fordert ein Mindestmaß an Erwerbssicherheit. Vor allem bei Veräußerungsketten, bei denen ein zeitlich früherer Erwerb fehlerhaft ist, sollte die Befugnis aller späteren Erwerber nicht fraglich oder ausgeschlossen sein 37. Insofern ist die kausale Gestaltung der Eigentumsübertragung geeignet, „die Sicherheit im Rechtsverkehr zu gefährden“38 . Der Verkehrsschutz in der Erwerbssituation ist, wie gesagt, aber nicht der einzige Vorzug einer formalen Verteilungsart. Gegen solche weiteren Aspekte hat Jürgen Schmidt seine Theorie geöffnet. Dass ein „Zur-Deckung-Bringen“ der „Vermögensverantwortung“ und der formalen „Vermögensberechtigung“ nur in der Vollstreckung notwendig wird, ist für ihn entscheidend39. Denn eine Rechtsordnung, in der die materiale, die „wahre“ Vermögensbefugnis im Zugriffsmoment der Vollstreckung oder Haftung festgestellt werden müsste, wäre nicht funktionsfähig40 . Diese erste Öffnung ist nach dem Geäußerten noch nicht zureichend41. Die Theorie der Befugnis soll nicht weiter verkappt vom Eigentum her denken und verhaltensbezogene Zuständigkeiten ausblenden. Gerade bei den verhaltensbezogenen Formen, die im blinden Fleck der Theorien subjektiver Rechte lagen und vergessen wurden, ist es doch beachtlich, wie sich die Zuständigkeitstypen ›abstraktes Sachenrecht‹ und ›Vertretung‹ parallel entwickelt haben. Laband hatte das so ausgedrückt: Im Verkehr gelte der Kaufmann als befugt, über die angebotene Ware zu verfügen. „Für den Verkehr … muß eine Prüfung dieser materiellen Befugnisse durch formelle Kriterien ersetzt werden. An die Stelle der Berechtigung tritt die Legitimation“42 . Vollmacht ist nichts als eine „selbständige Verkehrslegitimation“. Das bedeutet: „Der Stellvertreter ist Dritten gegenüber befugt, Rechte eines anderen geltend zu machen, gleichviel in welchem Rechtsverhältnis er zu diesem Anderen steht, ob er dessen Mandatar oder Zessionar ist, ob er dessen Interessen materiell fördert oder verletzt“43. Auch die Legitimationsform der Vertretung ist, kann man sagen, theoretisch von einer Konzentrierung der Vorteile und Nachteile bei einem anderen Subjekt gekenn-

36 Ebenda. 37 

Das hat ganz offenbar auch Jürgen Schmidt im Sinn, s. Vermögensberechtigung, S.  132. Mot. III, S.  7. 39  Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.  129. Man muss der Distinktion von Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung nicht folgen, um hier den fruchtbaren Gedanken der Fixierung einer Vermögensbefugnis zu erkennen. 40  Wie zuvor, mit Verweis auf v. Caemmerer, Festschrift Boehmer, S.  148. 41  Sie erfasst vor allem nur die logische, nicht die axiologische Komplementarität, was später noch näher zu erklären ist, s. näher unter III. 3. 42  ZHR 10 (1866), 183, 241. 43  ZHR 10 (1866), 183, 240. 38 

§  1 Privatrechtliche Verteilung durch formale und materiale Befugnistypen

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zeichnet. Wo ist das gemeinsame Bindeglied, das uns die formale Befugnis – positiv und negativ, dinghaft und verhaltensbezogen – erklärt? Die Bedeutung der formalen Inhaberschaft hängt damit zusammen, dass die institutionellen Formen restitutionelle, deliktische, insolvenzrechtliche Abschirmungswirkungen haben, und dass es für diese Wirkungen durchaus eine gemeinsame Basis gibt: Die Form erlaubt die rechtssichernde Fixierung von Vorteilen und Nachteilen, die Formsymmetrie. Der Wesenszug der formalen Rechtszuständigkeit ist das Bestreben nach Rechtsicherheit der zivilen Verteilung schlechthin.

III. Durchbrechung der Formenordnung durch materiale Symmetriebildung Auch in der formalen Verteilungsordnung des Bürgerlichen Rechts sind, wie gesagt, die Vorteile und Nachteile nicht nur durch Formen verteilt, nicht alle sind in Formtypen fixiert. Nicht einmal die Abstraktion der Eigentumsform ist streng durchgehalten, wenn der obligatorisch berechtigte Besitzer die Sache verlangen kann (§  1007), wenn das obligatorische Mietrecht durch Verkauf nicht zerstört wird (§  566) und andere obligatorische Positionen bei der Fahrnis nicht entwertet werden können (§  986 Abs.  2). Auch die Vormerkung sichert schuld­ rechtliche Ansprüche, indem Verfügungen für relativ unwirksam erklärt werden (§  883 Abs.  2) und der Erwerber daran mitwirken muss, das Grundbuch zu ändern (§  888); darin kann man ein ius ad rem sehen44. Eine materiale Befugnis haben auch Treugeber, denen ein gewisser Bestandsschutz gegen die Vollstreckung in das Treugut gewährt wird. Und die actio pauliana hat sich erhalten und eine Verfolgung nach Rechtsverlust ist doch wieder bei unentgeltlichem Erwerb nach §  822, §  816 Abs.  1 S.  2 möglich. Im Prätendentenstreit kann der Erstkäufer aufgrund seines Rechts zur Sache jedenfalls gegen bestimmte dolose Zweitkäufer vorgehen45. Die Wirkungskräfte, die zu einer Durchbrechung der verkehrsfreundlichen Formenordnung führen, sind sehr unterschiedlich: Die sozialrechtliche Weiterleitung des Mietverhältnisses, die marktgläubige Begünstigung des (nicht besonders verwerflich) handelnden Zweitkäufers im Prätendentenstreit oder die Bewahrung des anvertrauten Treuguts gegen den Vollstreckungszugriff von Gläubigern – hier gibt es keinen Einheitsgedanken, der die Verwischung der Trennlinie zwischen relativer und absoluter Rechtswirkung erklärte oder verständlich machte. 44  Zudem wird die Abstraktion der Aktstypen nicht nur durch die positiven Ausnahmen (wie bei Vormerkung oder Mieterschutz), sondern auch im Restitutionsrecht oder durch die Irrtumslehre zum Teil wieder zurückgenommen. 45  S. dazu Ernst, Festschrift Heldrich, S.  113, 116 und 120 ff.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Beide Kommissionen hätten sich vor der Anmaßung gehütet, die Formenordnung als geschlossen anzusehen. Die dialektische Spannung der alten Prinzipien, die im Zuge der Formalisierung begrenzt wurden, bestimmte die Dogmatik des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche, wenn auch nicht alle Durchbrechungen der formalen Ordnung lassen sich als materiale Symmetrien beschreiben: Der Widerstand gegen eine starre Vermögensverteilung durch Formtypen verhindert gewissermaßen eine Asymmetrie, ein Ungleichgewicht zwischen den dinghaften oder verhaltensbezogenen Vorteilen für ein Subjekt und dem Nachteil für ein anderes Subjekt. Man kann auch sagen, materiale Symmetrieverhältnisse korrigieren eine ungerechte Asymmetrie, welche die formale Verteilungsweise an sich hervorbringen müsste. Im Widerstand gegen die Form hat man Zeichen für die Ordnungswirksamkeit von Symmetriesätzen zu vermuten. Es wird also später zu fragen sein, welche symmetrischen Sollenssätze die Begrenzung der Formenordnung auf die Probe gestellt haben.

IV. Plan der Darstellung Das Symmetrische im Recht steht offenbar im Wechselbezug zu den Institutionen, in denen es sich entfaltet. Der Unterschied zu den spontanen, topischen, materialen Symmetrien lässt sich in eine Arbeitsthese fassen: Im Zivilrecht werden Rechtsvorteile und -nachteile symmetrisch in eine institutionelle Zuordnungsform eingelagert und damit fixiert (Eigentum, Stellvertretung, Organschaft) oder auf Grund von prinzipiengebundenen Symmetriesätzen verteilt. Bei der formalen Symmetrie ist die Form das Substitut einer symmetrierechtlichen Verteilung von Vorteil und Nachteil. Das Symmetrische erscheint formbegründend, formbrechend, form­ übersteigend, hat aber stets in der Form einen festen Referenzpunkt. Die Perzeption des Symmetrischen in ausgewählten Formtypen ist Aufgabe des zweiten Abschnittes. Erst im dritten Abschnitt ist auf die materialen Symmetrieverhältnisse zurückzukommen. In der materialen Symmetrieordnung werden die Formen transzendiert. Es entstehen symmetrische Verteilungsverhältnisse ohne Ansehung der juristischen Formen, die dann meist wirtschaftliches Eigentum, wirtschaftliches Partei-Sein oder ähnlich genannt werden.

Zweiter Abschnitt

Die formale Rechtszuständigkeit Es ist nun in einem weiteren Abschnitt die symmetrische Formung der Rechtszuständigkeiten zu behandeln. Aus der Masse der Formen, durch deren bloßes Innehaben die Vorteile und Nachteile an einem Verteilungsobjekt (Ding, Verhalten, Person) unter den Subjekten verteilt werden, muss eine sinnvolle Auswahl gefunden werden. Anhand dieses Ausschnitts soll die Sichtbarmachung der vierstelligen Semantik versucht werden, welche diesen Formen inhärent ist, die wir aber nicht sehen. Es geht noch nicht darum, die Ordnungswirksamkeit von Symmetriebefehlen zu belegen, schon gar nicht um eine geschlossene Darstellung aller Befugnistypen des Privatrechts, sondern überhaupt erst einmal um den Nachweis formgebundener Symmetrik schlechthin. Dazu werden in den jeweiligen Paragraphen wesentliche Formtypen vorgestellt und auf Verteilungsmuster hin untersucht.

Erster Unterabschnitt

Die formale Rechtszuständigkeit für Dinge Unter den dinghaften Rechtszuständigkeiten überragt das Eigentum alle anderen an theoretischer und praktischer Bedeutung. Zudem bleiben andere Sachenrechte – die Dienstbarkeiten, die Erbbaurechte (Eigentum auf Zeit), die inhaltliche Aufteilung der Befugnis an einem Objekt auf zwei Subjekte (Nießbrauch) oder die gemeinsame Berechtigung (Bruchteilsgemeinschaft) –, auf die Eigentumsform bezogen, sie sind mehr oder weniger von ihr abgeleitet. Auch dies ist nur ein Ausschnitt des Spektrums und weitere Formen, unter denen auch das Anwartschaftsrecht als richterlich geschaffener Befugnistypus (Anwartschaft nicht als Aussicht, sondern ein dem Eigentum kategorial Gleiches), wären zu nennen. Angesichts dieser Stellung des Eigentums wäre es unnatürlich, an anderer Stelle, mit anderem Akzent zu beginnen.

§  2 Eigentum als Konzentration und Komplementarität Voran ist zu sagen, dass es den richtigen Begriff von Eigentum nicht gibt. Jeder Begriff von Eigentum hat seine Wurzel in der geschichtlichen Situation; auch ist er meist bezogen auf ein bestimmtes Verständnis des subjektiven Rechts. Die einfachste Art der Definition ist es gewesen, Eigentum mit Herrschaft oder Macht gleichzusetzen. Unter dem willenstheoretischen Primat wurde Eigentum als universale Herrschaftssphäre mit rechtlicher Leerstelle im Zentrum gedacht. Dass dies auf einer starken Verkürzung der Ius-Semantik beruht, haben wir schon für subjektive Rechte allgemein gesehen. Eine weitere Einordnung wäre es, Eigentum als Summe der gewährten positiven Befugnisse zu bestimmen. Die negative Seite, die Wirkung gegen den Eigentümer aus der Form, bleibt noch ausgegrenzt, aber im Rechtsinnern ist die rechtsfreie Sphäre schon gegen eine Befugnissubstanz als ein Gegenelement des rechtsförmigen Schutzes getauscht1. Eine dritte Einordnung wiederum hält am Herrschaftselement fest, erkennt aber die Sozialbindung des Eigentums als eine „Schranke in seinem Begriff“ an. Eigentum ist danach von vornherein so beschränkt, wie es „das von der Rechtsordnung gebilligte und mit Rücksicht auf die Beschaffenheit und Zweckbestimmung der einzelnen Sachgüter abgegrenzte rechtliche Interesse erfordert“. Es ist keine „reine Befugnis“, sondern enthält „Pflichten gegen die Familie, Nachbarn und die Allgemeinheit“2 und man könnte öffentliche oder steuerliche Pflichten und weitere negative Befugnisse ergänzen. Das ist eine grobe und unvollständige Skizze der möglichen oder vorhandenen Begriffsansätze3. Diesen Ansätzen ist nunmehr einer entgegenzusetzen, welcher die institutionelle Befugnisform ›Eigentum‹ heterochiral, also als vier-

1 Bei Windscheid sind die Befugnisse aus Eigentum gegen die Pflichten kontrastiert: „Aus der Gesamtheit der Beziehungen, in welcher kraft des Eigenthums die Sache dem Willen des Berechtigten unterworfen ist, kann durch eine besondere That des Rechts eine oder die andere Beziehung herausgenommen und dem Willen des Eigenthümers entzogen werden“. Die „Beschränkungen von doppelter Art“ beruhen nach Windscheid entweder auf einer „allgemeinen Rechtsregel“, oder auf dem „erworbenen Rechte eines Dritten“, s. Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 1, §  167, S.  562 f. 2  v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Band 2, Sachenrecht, §  120, S.  358. 3  Umfangreiche Darstellung der Ansätze in der späten Pandektistik bei Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 6.  Aufl., §  167, S.  561 f.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

stellige Kohärenz denkt. Diese Semantik der Eigentumszuständigkeit besteht also aus den Elementen der Konzentration und Komplementarität.

I. Eigentum als Konzentration: lucrum sentit dominus – casum sentit dominus Dass die Eigentumsform Vorteile und Nachteile beim Inhaber der Form konzentriert, wird in der Didaktik allenfalls beiläufig gewürdigt. Die tradierte Darstellungsweise summiert: Positiv sichert Eigentum Besitz und Nutzungen, die sie dem Eigentümer zuweist, indem er die Sache von Dritten herausverlangen kann, die Früchte zu Eigentum erwirbt; bei Verbindung und Vermischung erlangt er an der neu geschaffenen Sache (§  947, §  948) ebenso Eigentum wie an eingefügten wesentlichen Bestandteilen (§  946); beim Schatzfund erwirbt er immerhin Miteigentum (§  984); gegen Störungen ist der Inhaber der Eigentumsform durch Vindikation, Berichtigungsanspruch (§  894), Abwehr- und Abholungsrechte (§§  1004 f.), haftungs- und kondiktionsrechtliche Schutzflanken oder Ausgleichsansprüche (§  904, §  912, §  951) umfassend geschützt. Negativ ist Eigentum nach gängigen didaktischen Darstellungen haftungsunterworfen, dient also den persönlichen Gläubigern des Eigentümers als Haftungsobjekt, es ist mit der Gefahr des Untergangs belastet, und Weiteres wird als Konkretisierung der Maxime ›Eigentum verpflichtet‹4 begriffen und als Eigentumsbindungen bei Wohn- und Lebensraum, bei Nahrungs- und Güterversorgung beiläufig erwähnt. Aber könnte es sein, dass eine basale Konzentrationskraft uns in derartigen Phänomenologien kaum weiter auffällt? Die Antwort ist: durchaus. Die Eigentumstheorien hängen an den Fäden der subjektivrechtlichen Theorie und wir haben schon gesehen, wie das Primat der Willenslehren mit dem „Loch im Zentrum des Rechts“ durch Interesse oder Zuweisung nie ganz gefüllt wurde. Auch die Theorie des subjektiven Eigentumsrechts hat deswegen einen blinden Fleck 5. Ihre Vertreter haben das als unschädliche Vereinfachung hingenommen. Noch in den Motiven wird vermutet, es müsse gar nicht gefragt werden, was Eigentum außer Ausschließung sonst sei. Man fragt: was ist in der Rechtsmitte? und erhält als Antwort, die „natürliche Verteilung“! Den Eigentümer trifft als Sachherrscher ja zunächst rein faktisch – natürlich – ein Zuwachs oder Schwund der Sache. Wozu die Berufung auf Natur? Wie ist ein naturvorgegebener Verteilungsmechanismus im rechtsblinden Fleck zu denken? Für eine Antwort betrachten wir in einem ersten Schritt nochmals Elemente der Verteilungslogik, wie sie in Parömien erhalten und eingangs geschildert 4  5 

Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste, Art.  153 Abs.  3 WRV. Die Gründe sind einleitend unter II. 2 geschildert.

§  2 Eigentum als Konzentration und Komplementarität

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wurden. Der negative Grundsatz casum sentit dominus, wie er von der Lehre heute mitgeschleppt wird, gilt mehr als didaktische Erinnerungsformel. Er bedeutet nichts, als dass Beeinträchtigungen ohne Kompensation bei der Person bleiben, die sie treffen. Im Text steht der Satz nicht, er ergibt sich aus dem Gegenschluss zu einem System, in dem Schäden von anderen nur unter besonderen Umständen ersetzt werden. Es ist bemerkenswert, dass die römischen Parömien, die noch den Konnex lucrum sentit dominus – casum sentit dominus als res crescit vel perit domino bestimmten, heute ebenso verdrängt sind wie die Verallgemeinerung zu casum sentit is, quem tangit6 . Denn beide Parömien, die Verknüpfung von Zuwachs und Zufall und die Erweiterung auf alle Rechte, sind Kennzeichen einer axiomatischen Zuweisungslogik. Um diese sichtbar zu machen, sollen zwei Eigentumstheorien – orientiert an der freiheitlichen Privatwirtschaft und lenkender Einheitsverwaltung – in Streitthesen kontrastiert werden. In theoretischer Hinsicht ist Eigentum – entweder: eine rechtliche Absicherung der vorgefundenen Güterverteilung. Die Privatrechtsverfassung regelt nur den Erwerb, das Haben und dessen Schutz durch Ansprüche, die als Peripherie erscheinen, als schützender Panzer. Beschränkungen des Eigentums sind gewissermaßen ideenferne Verkleinerungen der geschützten Sphäre und werden als Einschnitte begriffen. Die Verteilungslogik besteht dann in der Tat nur darin, die „natürlichen“ Wirkungen juristisch anzuerkennen. – oder: ein dem Individuum von der Gemeinschaft zugewiesener, gleichsam „geliehener“ Zugriff auf Gemeingut. Macht, Ausschließungsrecht, Befugnis gegen andere stehen unter einem Vorbehalt zugunsten des Ganzen, der Gemeinschaft, dem Wohl aller. Eigentumsbefugnisse sind abgeleitet: die Vorteile gebühren primär allen, umgekehrt wirken die Negativfolgen gegen die Gemeinschaft. Es ist nicht schwer zu sehen, dass die Privatrechtsordnungen der freien Welt die Fixierung der „natürlichen Verteilung“ nicht als bloße Technik nutzen7. Die juridische Anerkennung der ›Naturwirkungen‹ in Sphäre, in Rechtsmitte, im Kern, ist bereits eine basale, philosophische und politische Wertung, die man in der freiheitlichen Privatrechtsordnung kaum noch wahrnimmt. Wie funktio6  Res crescit vel perit domino (Zuwachs oder Untergang einer Sache spürt der Eigentümer), und res perit domino (die Zufallsgefahr liegt beim Eigentümer), s. Cod. Just. 4, 24, 9 a. A. (Diokletian); oder auch als Verallgemeinerung: casum sentit is, quem tangit. Das wird heute selten behandelt. Eine Ausnahme sind die Beiträge von Wacke, Festschrift Hübner, S.  669 und dems., Casum sentit dominus: Liability for accidental damages in Roman and modern German law of property and obligation, in: Estudios de derecho romano y moderno en cuatro idiomas, S.  367. 7  Das ZGB von 1975 der DDR unterschied zwischen sozialistischem Eigentum an Produktionsmitteln und im Produktionsprozess erarbeitetem Eigentum der Arbeiter, §  17, §  20 ZGB, ferner Art.  10 Verfassung DDR, s. zu den Vorgaben des Kommunistischen Manifestes, Peter, Wandlung der Eigentumsordnung, S.  3.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

niert dieser scheinbar naturbelassene, basale Mechanismus eigentumsförmiger Verteilung? Er hat zwei Teile, die in den Parömien lucrum sentit dominus – casum sentit dominus beschrieben werden. Beides im Wechselbezug ist ein Primäres, nicht ein Sekundäres, wie kurze vertiefende Überlegungen klarer werden lassen.

1. Der Konnex von lucrum und casum als freiheitsfunktionales Axiom bei der Handlung Lässt man sich auf die frühere Pandektistik zurückfallen, wird die eine Verbindungslinie bereits klarer. Böcking hat gesagt: „Die juristische Wirkung eines jeden Ereignisses kann nur die Person treffen, unmittelbar (casum sentit persona) oder mittelbar, durch die Sache (casum sentit dominus, d. h. der an der Sache berechtigte): wer anders sollte die Vor- oder Nachtheile des seinem Willen fremden Ereignisses für sich hinnehmen dürfen oder müssen?“8 Der schadende Zufall ist als periculum, der vorteilhafte Zufall als commodum rei vorgestellt. Die Wirkungsart ist für Handlung und Sache gleich9. Hat man für ein Verständnis eigentumstypischer Verteilung von der Handlungsfreiheit her zu denken? Zur opinio communis lässt sich die Einsicht rechnen, dass die Folgen des eigenen Handelns an sich und seinen Gütern in einer freiheitlichen Rechtsordnung den Handelnden selbst treffen, günstige ebenso wie ungünstige Folgen. Weiter unkontrovers ist, dass die juristische Abwälzung solcher Folgen dann eines juristischen Grundes bedarf. Warum genau das so ist, lässt sich nicht so leicht sagen. Eine luzide Analyse aus jüngerer Zeit der rechtlichen Verbindung von lucrum und casum stammt von Jürgen Schmidt. Sie bezieht sich auf einen verkleinerten Problemausschnitt, aber in ihr wird der allgemeine Gedanke erkennbar. Er behandelt die Frage, ob die Handlungsbefugnis (er sagt, wie schon bemerkt wurde, „Aktionsberechtigung“) eines Emittenten bereits eine zugewiesene Vermögensbefugnis umfasst, oder ob die Befugnis aufgrund ökonomischer Erwägungen „frei“ und „offen“ verteilt werden kann, wenn sich eine Verknappungssituation (die Handlung belastet die Umwelt) ergibt. Aber es gibt nichts, wie Schmidt richtig sagt, was neu zu verteilen wäre. „Ein Gut, das durch Verknappung ein Wirtschaftsgut wird (bzw. auch umgekehrt: das infolge des Fehlens der Nachfrage und der daraus resultierenden Beendigung der Verknappungssituation aufhört, ein Wirtschaftsgut zu sein) wird deshalb für das Recht nicht zu einem Gut, das es stetig neu zu ordnen gilt (ge8 

Einleitung in die Pandekten, §  102, S.  341 f. §  1311 ABGB bestimmt ausdrücklich: „Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlaßt; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten; oder, sich ohne Noth in fremde Geschäfte gemengt; so haftet er für allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre“. 9 

§  2 Eigentum als Konzentration und Komplementarität

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nauer: auf das bezogen es stetig Verteilungsentscheidungen über Vermögensberechtigungen zu fällen gibt). Vielmehr ist (mangels sonstiger Regelungen) die Möglichkeit, daß solche Situationen eintreten, dem Inhaber der Aktionsberechtigung als Chance (etwa: auf einer ihm gehörenden wertlosen Steinwüste wird Erdöl entdeckt) und als Risiko (etwa: die entdeckte Erdölquelle versiegt nach zwei Wochen wieder) zugewiesen“10 . Hier ist die allgemeine Verteilungslogik der freiheitlichen Ordnung anhand einer umweltrechtlichen Problemsituation beschrieben. Freiheit bedeutet also nicht nur: Was sich durch die Handlung an mir und meinen Gütern abspielt, ein Zuwachs oder Schwund, geht primär mich an. Sondern auch: Soweit andere Werte und andere Güter positiv oder negativ mit betroffen sind, ist das primär eine von der Ordnung hingenommene Konsequenz der Freiheit. Das neminem laedere oder der Ausgleich bei culpa ist ein Zweites, als Freiheitsgrenze Hinzukommendes. Dies erst verleiht der zivilistischen Freiheit ihren eigentümlichen Charakter. Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 ist dieser Ansatz bekanntlich sehr wirksam. Es schien seinen Verfassern tatsächlich zu genügen, wenn jeder den Bereich des anderen achte und sich widerrechtlicher Eingriffe enthalte: neminem laedere!11 Die Zeit war in einem dogmatischen Schlummer, von dem das Reichsgericht mit seiner Haftung für Unterlassen durch die systemaufbrechende Konstruktion der Verkehrs­pflicht aufschreckte12 . Das Beispiel der Emission legt noch den weiteren Gedankengang frei, dass es ganz unplausibel wäre, danach zu unterscheiden, ob der Emittent selbst handelt, ein Gewerbe betreibt, dazu Leute hinzuzieht oder sein Eigentum einsetzt. Die freiheitsaxiomatische Konzentration erscheint dann als ein kategorieloses Erstes.

2. Derselbe Konnex als freiheitsfunktionales Axiom beim äußeren Mein An diesem Punkt wird es notwendig, diese assoziative Parallele aufzugeben und sich den Grundlagen der freiheitlichen Ordnung als wahrem Erklärungsgrund zuzuwenden. Da es nicht um eine philosophische Abhandlung gehen kann, muss es ausreichen, die für das Bürgerliche Gesetzbuch wesentliche Entwicklungslinie zurückzuverfolgen. Sie beginnt in der vernunftrechtlichen Epoche, in der die neuzeitliche Vermögensordnung durch Hobbes ihre entscheidende Prägung erhält. Der fiktive Zustand des bellum omnium contra omnes wird bei Hobbes zum hermeneutischen Ausgangspunkt seiner Staatsphilosophie13. Nach ihm ist die Drohung des tödlichen Kriegszustandes nur durch Festigung der frühkapitalistischen Marktgesellschaft abwendbar. Dazu befiehlt das „Recht 10 

Jürgen Schmidt, AcP 175 (1975), S.  222, 240. Mot. II, S.  725; Prot. S.  2711 ff. = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1073 ff. 12  RGZ 52, 373, 379; RGZ 54, 53, 58 f. 13  Leviathan, 13. Kap., 14. Kap. 11 

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der Vernunft der Menschheit, (zu ihrer eigenen Erhaltung) Land und Güter so zu verteilen, daß jeder Mensch wissen kann, was sein eigen ist, und daß kein anderer darauf ein Recht beanspruchen oder ihn an der Benutzung derselben hindern kann. Diese Festlegung bedeutet erst Gerechtigkeit, und dies ist genauso genommen gemeint, wenn wir sagen, daß jeder ,das Seine‘ haben soll“14. Eine distributive Gerechtigkeit im aristotelisch-thomasianischen Sinne kommt nicht vor. Genau das ist bei Kant übernommen. Zwar hatte Hobbes die Vernunft noch anders bestimmt und nur verlangt, „daß das Gesetzesrecht ein notwendiges Mittel für die Sicherheit und das Wohlergehen des Menschen in dieser Welt ist und daß es von allen Bürgern zu befolgen ist“15. Bei Kant ist dieser Befolgungsgrund bekanntlich gegen das Postulat des Sittengesetzes getauscht, aber die Verbannung des distributiven Elements aus der Gerechtigkeit ist ganz gleich: Gib jedem das Seine – das bedeutet bei Kant nur: „Tritt in einen Zustand, worin Jedermann das Seine gegen jeden Anderen gesichert sein kann“16 . Im kantischen Denken hat das Vermögensrecht nur noch zur Aufgabe, Erwerbsgründe und -typen zu bestimmen, die Zwanglosigkeit der Erwerbsart zu garantieren und den Erhalt zu schützen. Es ist ausreichend von anderen beschrieben worden, wie sehr diese wesentliche ethisch-philosophische Grundlage das Bürgerliche Gesetzbuch von 190017, nicht zuletzt durch die Vermittlung der treuen Rezipienten Kants – vor allem v. Savignys und Windscheids – mitgeprägt hat18 . Zurück zur Konzentration beim Eigentum. Man erkennt von hier aus, wieso die ,natürliche‘ Verteilungslogik für Handlungsfolgen und Eigentum tatsächlich gleich ist. Schon bei Kant ist das ›Ich‹ und das ›Mein und Dein‹ (an etwas außer mir!) parallelisiert, und zwar indem der Gedanke des neminem laedere, 14 

Zit. nach Kersting, Kant über Recht, S.  81.

15 Ebenda. 16 

Kant, Metaphysik der Sitten, Erster Teil, Einleitung in die Rechtslehre, S.  237. Die 1. Kommission hatte das pandektistisch-abstrakte Eigentumsverständnis übernommen, wie bei Peter, Wandlung der Eigentumsordnung, S.  83 näher dargestellt wird. Die germanistische Kritik, etwa die v. Gierkes, wandte sich gegen eine atomistische Auffassung und die Unbeschränktheit des Eigentums der Pandektistik, s. v. Gierke, Soziale Aufgabe des Privatrechts, S.  14; auch dazu näher Peter, Wandlung der Eigentumsordnung, S.  105; ferner Rosenlöcher, Entwicklung, S.  108. Erst die Reichstagskommission folgte einem Kompromissvorschlag Preußens, der das Eigentum unbeschränkt ließ, aber unter das allgemeine Schikaneverbot stellte. Auch dies musste lange debattiert werden, s. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Sachenrecht, Band 1, S.  4 44 f.; s. auch Mot. I, S.  274 f. 18  Die rechtshistorische Forschung hat zahlreiche Belege dieser Sichtweise in den Vorarbeiten nachgewiesen. Es heißt etwa: „Vermöge des Prinzips der Vertragsfreiheit, von welchem das Recht der Schuldverhältnisse beherrscht wird, können die Parteien ihre Rechts- und Verkehrsbeziehungen nach ihrem Ermessen mit obligatorischer Wirkung unter sich bestimmen“, Mot. II, S.  2 ; s. auch Mot. III, S.  3 und S.  77; Hinweis durch Hofer, Freiheit, S.  250. Beim Redaktor v. Kübel heißt es, der „die Rechtsordnung zur Anerkennung der rechtsgestaltenden Kraft der Willenserklärung bestimmende Grund beruht in der Erkenntnis der Notwendigkeit der Autonomie der Person im Privatrecht und der Vertragsfreiheit insbesondere im Verkehrsrecht“, s. die Redaktionsvorlage bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  125 ff., Zitat auf S.  136. 17 

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der aus einem menschenrechtlichen Kontext gelöst wurde, zum Verbindungselement wird, indem das subjektive Eigentumsrecht formalisiert und als Schutzhülle gedacht wird19. Man sieht: Der Konzentrationssatz von lucrum – commodum sentit dominus ist als freiheitsfunktionales Axiom der institutionellen Ausformung von ›Eigentum‹ vorgegeben. Schon dieses Axiom gibt dem Eigentum eine heterochirale Grundstruktur.

II. Eigentum als Komplementarität im Vindikationsfolgenrecht: actiones directae – actiones contrariae Was eigentumsvermittelte Komplementarität ist, zeigt sich in der Restitutionssituation. Unter den wesentlichen Restitutionsarten, den gestions- und vindi­ kationsfolgenrechtlichen, den delikts- und kondiktionsrechtlichen, dem negatorischen Rechtsschutz, ist das Vindikationsfolgenrecht mit seiner offenkundig reziproken Anordnung von actiones directae und actiones contrariae herauszuheben. Dieses Legalschuldverhältnis20 besteht aus Rechten, die „aus dem gesetzlichen Inhalt des Eigentums fließen“21. Diese „Ansprüche aus dem Eigentum“22 formen mit, was Eigentum letztlich ist.

1. Zur spezifischen Komplementarität und heterochiralen Verteilung Wesentliche Eckpunkte des Komplementärverhältnisses mit seinen Abschichtungen nach Art des Besitzers – gutgläubig, unredlich oder verklagt, pönal – sind: Die actiones directae sind zum einen auf Herausgabe oder Ersatz von gezogenen und nicht gezogenen gewöhnlichen Nutzungen (§  987 Abs.  1 und 2) gerichtet. Der gutgläubige und unverklagte Besitzer behält die Nutzungen; Ausnahmen sind für Übermaßfrüchte (§  993) und den unentgeltlichen Erwerb (§  988) vorgesehen. Das Privileg entfällt bei Rechtshängigkeit, Unredlichkeit oder Verzug (§  990). Nur der deliktische Besitzer muss alle Nutzungen herausgeben (§  992). Zum anderen sind die actiones directae ein besonderes Schadensersatzrecht mit gleicher Abstufung: Es lässt den redlichen und unverklagten Besitzer gar nicht (§  993 Abs.  1), den unredlichen oder verklagten nur für culpa und nur

19  S. Dig. 1.1.10. s. auch Kersting, Kant über Recht, S.  60. Man hält insofern mit dem alten Willensdogma durchaus schon den Schlüssel für ein Verständnis der „natürlichen“ Verteilung in den Händen. 20  So noch Mot. III, S.  395. 21  RGZ 93, 281, 283; ähnlich RGZ 143, 374, 377. 22  Wilburg, Bereicherung, S.  30; Gräber, Bereicherung durch Leistung, S.  162.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

bei Verschlechterung, Untergang, Unmöglichkeit, also weder für Verzug noch für Zufall haften (§  989, §  990). Der Deliktsbesitzer steht für Zufall ein (§  992). Die actiones contrariae privilegieren den Besitzer in gutem Glauben insofern, als ihm notwendige (§  994 Abs.  1), nützliche und wertsteigernde (§  996), landwirtschaftliche (§  998) Verwendungen zu ersetzen sind, andernfalls immerhin die notwendigen nach den Regeln der auftragslosen Geschäftsbesorgung (§  994 Abs.  2). Erhaltungskosten sind, soweit die Nutzungen dem Besitzer verbleiben (§  994 Abs.  1), ebenso wenig zu ersetzen wie alle anderen Verwendungen, für die dann nur das Recht zur Wegnahme bleibt (§  997). Durch diese reziproke Komplementarität wird das Verhältnis von Eigentümer und Besitzer weiter in der vierstelligen Relativik geordnet. Zu dieser heterochiralen Ordnung eine Übersicht. Im Konzentrationsverhältnis aus Eigentum gibt es – die positive Befugnis, denn durch die Vindikation und ihre Schutzflanken, mit besonderer Strenge gegen den bösgläubigen und verklagten Besitzer und, besonders markant, mit klar pönalen Elementen gegen deliktische Besitzer bis hin zur Abwälzung der Zufallsgefahr auf einen Nichtberechtigten, wird dem Eigentümer das lucrum im Verhältnis zum Besitzer zugewiesen; –  die negative Befugnis, denn die Risikozuweisungen gehen über die verkehrsbegünstigenden Beschränkungen, den „Minimalschutz des guten Glaubens“ hinaus: Erträge aus Nutzungen sind zu teilen (§  987 Abs.  1, §  993 Abs.  1), es sei denn der Besitz ist deliktisch. Der Eigentümer muss Eingriffe dulden und Aufwendungen ersetzen, §  994 Abs.  2. Für notwendige Verwendungen von gutgläubigen Besitzern trägt er das volle Erfolgsrisiko23. Er trägt das Risiko der Beschädigung, §  989 Abs.  1, §  993 Abs.  1, und hat selbst dem unredlichen oder verklagten Besitzer die Zufallsgefahr abzunehmen. Im Komplementärverhältnis ist die Nichtbefugnis des Besitzers nicht einfach nur die logische Entsprechung der positiven und negativen Befugnis – ganz wie es in der einleitenden Hypothese formuliert ist. Es gibt – negative Folgen aus der Nichtbefugnis für den Besitzer, am markantesten die Obliegenheit der Nutzung (§  987 Abs.  2); die Obliegenheit ist auf seine Person bezogen, denn maßgeblich ist hier, ob er (nicht der Eigentümer) den Nutzen hätte ziehen können; ersichtlich gibt es aber auch – positive Folgen für den Nichtbefugten, und zwar die entlastenden Gegenrechte des Gestors (gedacht als positive Folgen der Nichtberechtigung) oder das Wegnahmerecht. Das genügt für eine einleitende Übersicht. Die Dekonstruktion des verteilenden Rechtsverhältnisses in eine vierstellige Relativik bringt zahlreiche korrelative Spannungen und Verbindungen zutage. Klar ist bereits, dass die Nichtbefugnis 23  Bei Verwendungen, die seinem Interesse und Willen entsprochen haben und die der Besitzer für erforderlich halten durfte, §  994 Abs.  2, §  683, §  670. Beachtlich ist auch §  999 Abs.  2, denn die Verwendungen liegen gleichsam in der Sache.

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des Besitzers nicht logisch-analytisch nur darin besteht, dass er Vindikation und Begleitansprüchen ausgesetzt ist, wie besonders die Nutzungsobliegenheit zeigt.

2. Zwischenbemerkung zur Dogmatik des Vindikationsfolgenrechts Was bedeutet dieses reziproke Gegenüber? In einem ersten Schritt soll ein kurzer, vorbereitender Rückblick auf die Dogmengeschichte erfolgen. Der idealisierte Kodifikationswunsch hatte die Entstehung des Legalverhältnisses begünstigt, denn das Recht der Vindikation war in den Partikulargesetzen und im gemeinen Recht besonders uneinheitlich 24. Aus dem gemeinen Recht hat es seinen Akzent auf dem Schutz für redliche Besitzer geerbt, das den Besitzer quasi rem suam neglexit stellte. Man stand vor der Aufgabe, über eine Vielzahl äußerst streitbarer Einzelfragen entscheiden zu müssen 25 und das historische Ziel bestand letztlich nur in der Einheitlichkeit des Rechts, der Entscheidung der Streitfragen 26 . Später hat man oft gefragt, wie die kompromisshafte Lösung der §§  987 ff. auf einen Schutzgedanken gebracht werden könne und ihn in der Privilegierung des gutgläubigen Besitzers oder umgekehrt des Eigentümers oder in dem Lastenausgleich gesehen. Die Einseitigkeit dieser Deutungen folgt aus einer verengten Problemsicht, die besonders in historischer Perspektive irritiert. Denn das Kodifikationsziel war auf Klärung des wechselseitigen Verhältnisses zwischen Eigentümer und Besitzer schlechthin, nicht nur auf eine besondere Schutzrichtung bezogen. Eine solche Vorrangstellung einer Schutzrichtung widerspricht schon dem äußerlichen Nebeneinander von Schutzelementen für gutgläubige Besitzer, als auch für Eigentümer. Erst Bälz hat wieder betont, dass Verwendungsersatz ein „funktionell abgestimmtes Korrelat“ des Nutzungsersatzes sei 27. Eigentum wirke hier negativ, gedacht als Lastenzuweisung, als Gegenstück der güterzuweisenden Funktion. Zwischen 1973 und 1974 erschienen Ar-

24  Eine Übersicht zum vormaligen Rechtszustand ist in Anlage 1 der Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs enthalten, RT-Drucks. Nr.  87 der Session 1895/97; Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  602 ff. 25  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9.  Aufl., Band 1, §  194 Anm.  3. 26  Angriffe gegen die leblose Technizität, wirre Verweisungen, falsches Misstrauen in gerichtliche Fortbildungskräfte usf., welche sich gerade gegen das Legalverhältnis in §§  989 ff. richteten, haben so gesehen etwas Unhistorisches. Es stimmt zwar, dass es – mehr als andere Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches – ein Übergangsrecht ist, denn dem römischrechtlichen Aufdrängungsschutz, auf den die Unterscheidung der impensae necessariae, utiles, voluptuariae zielt, stand vor 1900 noch kein kondiktionsrechtliches Komplement gegenüber: die Impensenkondiktion, wie wir sie kennen, bricht sich später die Bahn. Welchen Weg das Restitutionsrecht nehmen würde, war um 1900 nicht absehbar. Einzelheiten sind dargestellt bei Verse, Verwendungen, S.  36 ff. 27  Bälz, Eingriffsschutz, S.  371.

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beiten Pingers, der den Gedanken eines Korrelationsverhältnisses aufnimmt 28 . Er versucht, darin ein System wechselseitig verschärfter Haftungselemente für den Eigentümer und den Besitzer sichtbar zu machen. Das beruht zum Teil auf überholten Prämissen 29, hat aber die Vielschichtigkeit der Reziprozität in den §  987 – §  1004 deutlich gemacht30 . Belastungen für den Eigentümer werden dabei als „negative Herrschaftsmacht“ oder Verantwortung aus einer Zuordnung gekennzeichnet 31.

3. Die Verschlüsselung der Symmetrik im Lauf der Dogmenentwicklung Die Versuche, das Verhältnis zwischen dominus und possessor seit der Antike dogmatisch-konstruktiv zu bestimmen, sind bei einer Oberflächenbetrachtung sehr verschieden. In einer tieferen Schicht besteht eine Konstante, auf die aufmerksam zu machen ist, bevor Einzelheiten näher zu betrachten sind, denn, so die These, im Durchlauf der Konstruktionen zeigt sich eine verschlüsselte vierstellige Symmetrik. Nicht durch eine besondere Meinung, doch im Wandel eines jahrhundertelangen Prozesses, dessen wesentliche Stufen nachzuzeichnen sind, zeigt sich ein Gesamtbild. 1. Für Papinian hatte ein bildhafter Vergleich ausgereicht, wenn die nicht gezogenen Nutzungen dem Eigentümer zukommen, „genauso wie bei einem Laden oder Hofraum, die gewöhnlich vermietet werden“32 . Der bösgläubige Besitzer wird als Verwalter bezeichnet33. Im gemeinen Recht deutscher Prägung gab es, wie gesagt, zwischen dem 18. Jahrhundert bis in die Pandektistik einen sehr pluralistischen und kontroversen Zustand des Eigentumsrechts. Hinzu kamen zahllose Detailunterschiede in Partikularrechten; so sah etwa preußisches Recht vor, dass der redliche und verklagte Besitzer die versäumten Früchte nicht ersetzen musste34. Gegen diese Regel wandte sich v. Savigny. Jedem Beklagten könne man zumuten, „daß er die Möglichkeit bedenke den Prozeß zu verlieren, 28 In „Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses“, 1973; s. auch ders., MDR 1974, 185. Beachtlich ist der Versuch, die subjektivrechtliche Pflicht einzubeziehen; s. mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Raiser, JZ 1981, 465 ff., 472 in Funktion, S.  168, Fn.  787. 29  Pinger zum Beispiel meint, die Regeln sollten den Eigentümer schlechter stellen, und führt die im Zeitpunkt seiner Aussage in Auflösung begriffene Unmittelbarkeitslehre an: Der besondere Verwendungsersatz privilegiere jeden Besitzer, denn er setze keine unmittelbare Vermögensverschiebung voraus, MDR 1974, 185. 30  Pinger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass §  819 positive Kenntnis verlangt, §  989, §  990 aber grobe Fahrlässigkeit für eine verschärfte Haftung genügen lassen; bei §  988 genügt, dass obligatorisch etwas unentgeltlich erlangt wurde – hingegen ist für §  816 Abs.  1 S.  2 eine Verfügung erforderlich, und schließlich fordern die §  987, §  988, §  993 weder (echtes) Handlungs-Verschulden noch einen Schaden, vgl. Pinger, wie zuvor. 31  Pinger, Funktion, S.  168. 32  Dig. 6.1.62. 33 Ebenda. 34  Pr. ALR I 7 §  2 29.

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und für den möglichen Fall sich als den Verwalter eines fremden Gutes ansehe, dem eine besondere Sorgfalt obliegt“35. Der Standpunkt wird später herrschend und bei Windscheid ist gesagt: „Der Beklagte, welcher von seinem Rechte überzeugt ist, muß nach dem Beginn des Prozesses sich wenigstens das zum Bewußtsein bringen, daß er trotz seiner redlichen Überzeugung möglicherweise den Prozeß dennoch verlieren könne; er darf daher den Prozeßgegenstand, welcher ihm immerhin abgesprochen werden kann, nicht mehr als den seinigen behandeln, nicht mehr über denselben verfügen und ihn nicht mehr vernachlässigen, er ist für den Prozessgegenstand verantwortlich, wie für einen fremden“36 . Was genau fremd bedeutet, blieb noch unbestimmt. 2. Dies zu ändern und die unübersichtliche Vielfalt, die regionales und gemeines Recht war, hatte sich der Redaktor Johow mit seiner Vorlage 1880 selbst zur Aufgabe gesetzt. Die Antwort war ganz einfach, dass der Beklagte für „Nutzbarmachung und Verwahrung“ der Sache wie bei „wissentlicher Führung fremder Geschäfte ohne Auftrag“ verantwortlich sei37. Johow hielt das für passend, „da der Beklagte nicht über die Verwahrung und Verwaltung der Sache mit dem Kläger kontrahiert, wohl aber sein Wissen, daß er für den Fall des klägerischen Obsiegens objektiv in fremden Angelegenheiten handelt, das beiderseitige Rechtsverhältniß unter die Grundsätze der negotiorum gestio stellt“38 . Mit dieser etwas tautologischen Begründung wollte Johow vermeiden, den Besitzer zum „einstweiligen Verwahrer und Verwalter der Streitsache für Rechnung“ des Eigentümers zu machen. Er befürchtete, es könne das Missverständnis entstehen, der Besitzer sei für die Nichtbeachtung von Weisungen des Eigentümers, die während der Prozessschwebe erfolgten, im Nachhinein verantwortlich 39. Aus genau diesem Grund verwarf die 1. Kommission diesen gestionsrechtlichen Ansatz, weil man den Beklagten „dadurch für die Zeit des Prozesses zu einer Rücksichtnahme“ anzuhalten meinte, welche man „wegen der Ungewißheit des Ausfalls des Prozesses“ nicht verlangen könne40 . 3. Ein anderes Konzept war es, den Besitzer gemeinschaftsrechtlichen Verwaltungspflichten im gemeinsamen Interesse zu unterwerfen. Dieser Gegenentwurf Plancks hatte also dasselbe Problem im Blick: dass man den Beklagten nicht schon vor dem Urteil den Interessen des Klägers unterwerfen könne. Diese neue Konzeption wollte die Grundsätze anwenden, nach denen „ein zu dieser Geschäftsbesorgung im Interesse beider Theile Beauftragter (bestellter Sequester) verantwortlich“ sei41. Statt einer solchen Verpflichtung auf „das subjektive 35 

v. Savigny, System, Band 6, S.  120 f. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 1, §  124, S.  369. 37  §  181 des Entwurfs. 38 S. Johow bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1034. 39  Wie zuvor, S.  1034 f., Fn.  2. 40  Prot. I, S.  4168 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Sachenrecht, Band 1, S.  782. 41  Wie zuvor. 36 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Interesse beider Theile“ schien es der 1. Kommission „angemessener, die Verwaltungspflichten des Beklagten lediglich objektiv in der Weise zu bestimmen, daß der Beklage die Fürsorge eines ordentlichen Hausvaters anzuwenden habe“. Ausdrücklich für richtig hielt die 1. Kommission aber sowohl den gestions- als auch den sequestrationsrechtlichen Denkansatz insofern, als dass man zu einer Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen gelangte, welche der Kläger gar nicht gemacht hätte42 . 4. In Motiven und Denkschrift heißt es wieder: Der Besitzer muss mit einem ungünstigen Prozessausgang rechnen und sei „gewissermaßen als Verwalter einer fremden Sache zu betrachten“43. Diese Rückkehr auf die metaphorische Beschreibung („als Verwalter“) der Verteilungssituation ist aber nicht das Entscheidende, sondern die doppelte Konstanz, die im Durchgang der erwogenen Konstruktionen (Miete, Verwaltung, Gestion, Sequestration usf.) unverändert blieb. Verfolgt man die konstruktiven Versuche Schritt für Schritt, von den Digesten bis zur historischen Rechtsschule, über die Pandektistik bis zu den Arbeiten am Bürgerlichen Gesetzbuch, wo die Konstrukte stärker in verschiedene Richtungen ausschlugen, um schließlich wieder auf den Ausgangspunkt, das Bild des Verwalters, zurückzukommen, so treten zwei Konstanten zutage. Zum einen: die harten, hier allein interessierenden Kriterien der Verteilungslösung (positive und negative Eigentumsbefugnis gegen negative und positive Nichtbefugnis) sind unverändert. Dem Mieter, Entleiher, Verwalter, Sequester, Gestor gebühren weder lucrum noch periculum. Zum anderen: die Befugnis des Eigentümers wird ergänzt und konturiert, indem der Besitzer als Handelnder im Fremdinteresse gedacht wird. Es handelt sich um Rechtsfiktionen, wie der Redaktor des Vorentwurfs durchaus sieht, wenn er meint, die Gestion würde dem „wahren Rechtsverhältnis nicht völlig entsprechen“, sie sei aber als Fiktion möglich44. Diese Fiktion hat zur Aufgabe, die Verteilungslogik nicht nur zu „erreichen“, sondern zu „erklären und unter einen einheitlichen Gesichtspunkt“ zu bringen45. Aus seiner Gestionskonzeption erklärten sich „alle Konsequenzen“ von selbst: „Anstatt daß aufgezählt wird, der Prozeßbesitzer hafte für die von ihm ziehbaren Früchte, für die durch sein Verschulden herbeigeführten Verschlechterungen und den Untergang der Sache, im Fall des freiwilligen oder verschuldeten Besitzverlustes, ist es korrekter, die Verbindlichkeit zu definieren, deren Verletzung eben jene Arten der Haftung zuwege bringt“46 . Man sieht 42 

Prot. I, S.  4169 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Sachenrecht, Band 1, S.  783. Denkschrift, S.  132. 44  Redaktionsvorlage bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1032 ff., 1036; s. auch Mot. III, S.  407. 45  S. die Begründung von Johow bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1035. 46  Wie zuvor. 43 

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also im Rückblick, wie im Durchlauf der Konstruktionsentwürfe eine vierstellige Relation als Grundstruktur nicht verändert worden ist47. Die Vertauschung der Konstruktionsfiguren hat das Kontinuum der vierstelligen Verteilungsrelation unberührt gelassen.

4. Einzelne Symmetriezwänge und Symmetrieursachen Eigentum ist also in ein Verhältnis von Konzentration und Komplementarität dekonstruierbar. Gehen wir nochmals zurück auf die einleitende Hypothese, nach der das subjektive Eigentumsrecht analytisch-logisch in eine vierstellige Relation aufteilbar ist, und erst in dieser dekonstruierten Situation die axiologische Relativik (im Viereck) erkennen lässt. Die bildhaften Erklärungen (Besitzer als Mieter, Verwalter, Sequester, Gestor) geben hier einen Annäherungswert für diese axiologischen Verwebungen. Deren Gründe sind im Einzelnen vielfältig und schillernd. Einige Beispiele verdeutlichen das: 1. Die Fruchtgewinnungskosten und Verwendungen waren im 1. Entwurf bei der Vindikation nicht getrennt, die Kosten der Fruchtgewinnung waren dann nur unter strengen Voraussetzungen zu erstatten. Das war beim Nießbrauch bereits anders geregelt48 und wurde später korrigiert, weil man meinte, es bestehe eine irgendwie sachlich geartete Korrelation von Nutzungen und Kosten, ganz ähnlich wie bei notwendigen Verwendungen, §  99449. 2. Ein zweites Beispiel ist das alte Lösungsrecht, das noch in Vorlage und Erstentwurf für den gutgläubigen Besitzer vorgesehen war. Der Besitzer konnte verlangen, dass ihm der aufgewandte Kaufpreis erstattet wird und dies dem Herausgabeverlangen des Eigentümers entgegen halten50 . Als der zweite Entwurf gegen die beachtliche Kritik am Gutglaubensschutz und auch an §  993 Abs.  1 HS.  2 festhielt, gab man gleichsam im Gegenzug das Lösungsrecht auf51. 3. Schließlich wurde erwogen, ob der Abnutzungsschaden, den ein bösgläubiger Besitzer in Ausübung seiner Nutzungsobliegenheit nach §  987 Abs.  2 notwendig bewirkt, vom Besitzer zu ersetzen ist. 47  Nicht in diesen Kontext scheint die Theorie von Wendehorst (Anspruch und Ausgleich, passim) zu gehören, die abstrakte Muster von Regeln des Ausgleichs ausarbeitet, durch die auch das Vindikationsfolgenrecht als „wechselseitige Verschränkung seiner Bestimmungen“ wahrnehmbar wird, in der „die Restvorteile des Eigentümers vielfach spiegelbildlich den Restnachteilen des Besitzers“ gegenüber stehen (S.  349). Diese Theorie eines „Statikprinzips“ zielt auf ein genaueres Verständnis der gesetzlichen Ausgleichsmechanismen, also gerade nicht der (symmetrischen) Ausgleichsgründe selbst oder der Wertungen, welche die Verteilung von Vor- und Nachteilen gerecht erscheinen lassen, s. dazu auch ausdr. Wendehorst, a. a. O., S.  596 ff. 48  §  1009 des 1. Entwurfs. 49  S. dazu näher Bähr, Gegenentwurf, S.  515 f. 50  §  939 des 1. Entwurfs; s. bereits §  181 des Vorentwurfs. 51  Prot. II, Bd.  3, S.  349 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Sachenrecht, Band 1, S.  8 08. Später war ein Lösungsrecht nochmals erwogen worden, scheiterte aber, weil es die Hehlerei begünstige, Jakobs/Schubert (Hrsg.), a. a. O., S.  826 f.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Das wurde verneint, und zwar wegen der Obliegenheit zur Nutzung: Der Eigentümer, dessen Nutzen ökonomisch abgesichert ist, trägt die damit verbundenen Kosten52 . Man sieht für ein erstes Verständnis, wie einzelne Schutzelemente miteinander „verzahnt“ sind, und dass Rechtszuständigkeit als Form eine Vielheit von Einzelrelationen ist. Es lässt sich auch erkennen, dass die Symmetrik der Eigentumsform zum Teil fundamental ist, in anderen Verhältnissen folgt sie einfacheren sachlichen Zwängen. Anders gesagt: In den Relationsverhältnissen (Konzentration und Komplementarität) sind nicht nur Zeichen fundamentaler Imperative, sondern auch viel schlichtere Lösungsansätze für Symmetrieprobleme zu finden, deren sachlicher Problemdruck auch hätte anders aufgelöst werden können. Die volle Darstellung aller axiologischen Bezüge erfordert eine weitere Arbeit. Zwei Beispiele, die schon in der gemeinrechtlichen Literatur einen wichtigen Raum in der Eigentumsdogmatik und darüber hinaus einnahmen, müssen genügen, um die Korrelationen zwischen commodum und periculum zu betrachten. Diese Korrelationen von commodum und periculum werden im Corpus Iuris noch offener erwähnt. Das Fragment im Corpus Iuris, in der die Zuweisung des lucrum an den Gefahrträger erfolgt, haben wir eingangs erwähnt53. Der identische Gedanke findet sich bei Paulus im 21. Buch zum Edikt: Dem Eigentümer gebühre die Sachfrucht (dort das Kind der eingeklagten und verstorbenen Sklavin): non enim post litem contestatam utique et fatum possessor praestare debet54. Für die bereits erwähnte Forschung seit Jhering und Mommsen hatte die Frage nach diesem Konnex, vor allem dem von periculum und stellvertretendem commodum, noch eine Priorität vor anderen, welche sie in der modernen Dogmatik mehr und mehr verliert. Die These vorab: Bestimmte Verbindungslinien sind uralt und nie unterbrochen worden. a. Der Symmetriedruck der Nutzungsobliegenheit: accessorisches commodum – periculum Der unredliche, verklagte oder pönale Besitzer ist der Obliegenheit ausgesetzt, die Sache zu nutzen, andernfalls Wertersatz zu leisten, §  987 Abs.  2. Diese Obliegenheit der Nutzung wirkt ökonomisch wie eine Pflicht. Andererseits hat weder der verklagte und noch der unredliche Besitzer für zufälligen Schaden einzustehen. Man kann fragen: Folgt aus der Nutzungsobliegenheit des bösgläubigen oder verklagten Besitzers nach §  987 Abs.  2, dass der Eigentümer, dem auf diesem Weg die Nutzungen gesichert werden, umgekehrt die Gefahr 52 S. Johow bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1035 zum einen und den weiteren Verlauf bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Sachenrecht, Band 1, S.  804 f. zum anderen. 53  Dig. 6.1.62. 54  Dig. 6.1.16.

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tragen muss? Wie sind Fruchtziehungspflicht und Gefahrtragung aufeinander bezogen? Worauf ist die Verknüpfung, die sich im Vorteilsschutz gegen Gefahrlast artikuliert, zurückzuführen? Wenn man von den verschiedenen Konzeptionen her denkt, wenn der Besitzer als Mieter oder „gewissermaßen als Verwalter einer fremden Sache“ gesehen wird, dann ist klar, dass ein Verwalter die Gefahr nicht trägt 55. Das ist durchaus so gemeint, denn die Konstrukte sind kein Selbstzweck, sondern sollen gerade die Korrelationen wenigstens metaphorisch nachvollziehbar machen. Die Suche nach einem genaueren Grund hat von der Nutzungsobliegenheit auszugehen, die praktischen, ökonomischen Vorgaben folgt. Das Legalverhältnis ist von der Prozesssituation her gedacht. Wie soll sich der Besitzer, der den Ausgang des Prozesses nicht kennt, hinsichtlich der eingeklagten Sache stellen, soll er sie gebrauchen oder verwahren? Eine Pflicht zur Verwahrung ist volkswirtschaftlich schlechter, weil Güter für die Prozessdauer brach liegen 56 . Und der Besitzer kann auf Ersatz angewiesen sein, den er finanzieren muss. Kosten für Finanzierung und Ersatz trüge der Unterliegende (obschon ein nutzungsfähiges Gut zeitgleich brach liegt) 57. Der Eigentümer wird sich seinerseits gegen Wertminderungen durch Abnutzung verwahren wollen. Die Lösung, den Gebrauch gegen einen Ausgleich für Abnutzung und Minderwert zu erlauben, liegt nahe. Als ein solcher Ausgleich ist die Nutzungsvergütung zu verstehen. Der lakonische Hinweis v. Savignys, dem Trägen, der den streitigen Acker nicht bestelle, eine Entschädigungspflicht für diese versäumten Früchte „mit allem Recht“ aufzuerlegen, harmonierte mit dem nationalökonomischen Denken, wie es im ausgehenden 19. Jahrhundert vorherrschte58 . Soweit zu Sinn und Hintergrund der Obliegenheit in §  987 Abs.  2. Kehren wir zurück zur Komplementarität zwischen commodum mit dem periculum. Der Besitzer hat von Prozessbeginn an die Pflicht, den Gegenstand für den Eigentümer zu bewirtschaften, wozu er den Gegenstand einer erhöhten Gefahr aussetzen muss. Verwalterpflicht und Gefahrtragung setzen offenbar erheblich gegenläufige Anreize59. Die Abwälzung des Zufallsrisikos ist im System ein Druckmittel gegen den Schuldner im Verzug, vor allem gegen den Dieb60 . Schon bei Paulus ist erwähnt, dass umgekehrt das Zufallsrisiko den redlichen Prozessbesitzer nicht treffen soll, um auf ihn keinen Druck zur vorzeitigen Herausgabe auszuüben61. Hier ist der tiefere Wechselbezug ›commodum gegen periculum‹ zu sehen. Der Gedankengang lässt sich auch anhand der Vorlage Johows nachvoll55 

Denkschrift S.  132 = Mugdan, Materialien, Band 3, S.  987. Wacke, Festschrift Hübner, S.  669, 672 ff., 678. 57  S. auch die Argumentation in BGH NJW 1958, 1773, 1774; und bezogen auf die Ersatzkosten vgl. RGZ 145, 79, 84; s. auch Dörner, NJW 1977, 1970. 58  Das ist näher dargestellt bei Schön, Nießbrauch, S.  23 ff. 59  Von offenbarer Unbilligkeit geht Kohler, Rückabwicklung, S.  354 aus. 60  §  990 Abs.  2 , §  992, §  848. 61  Dig. 5.3.40 a. E. 56 

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ziehen. Er geht aus von der Ansicht v. Savignys, nach dem der Besitzer die Früchte zu ziehen hat, und, wie Johow betont, „als Verwalter eines fremden Guts“ anzusehen ist. Da hierin dem redlichen Prozessbesitzer auch eine Last auferlegt wird, erwägt und verwirft er, „ob nicht dem Beklagten freizulassen sei, der ihm eventuell aus dem Besitze während des Prozesses erwachsenden Verpflichtungen sich durch Herbeiführung gerichtlicher Verwahrung und Verwaltung zu entschlagen“. Das genüge zwar, meint Johow, der Pflicht aus der Fremdheitsfiktion, aber der „Wunsch der Partei“ sei unzureichend, die „öffentlichen Organe zu belasten“. Im unmittelbaren Anschluss hält er es dann für „zweckmäßiger“ die strengere Haftung (für Zufall) nur „dem Gesichtspunkte des Verzugs“ zu unterstellen. Die Gedankenlinie verkürzt dargestellt: Der redliche Prozessbesitzer ist verpflichtet, Früchte zu ziehen, kann die Sache nicht pflichtbefreiend verwahren lassen, trägt deshalb aber auch nicht das periculum 62 . b. Der Symmetriedruck der Gefahrbelastung: periculum – commodum Auch die umgekehrte Denkrichtung, der axiologische Schluss vom periculum auf das commodum ist zu erwägen. Es erscheint hart, wenn der Eigentümer nach §  990 Abs.  2, §  992 das periculum sowohl im Verhältnis zum unredlichen als auch zum verklagten Besitzer zu tragen hat. Konvergiert damit, dass ihm das commodum gebührt? Zwar fehlt im Text des Legalverhältnisses selbst der schlichte Fall, dass der Besitzer die Sache veräußert, belastet, umgestaltet oder verändert. Aber in verstreuten Regelungen erhält der Eigentümer die Surrogate der Vindikation, den Erlös nach §  816 Abs.  1 S.  1 und Abs.  263, sowie nach §  951, nach §  812 als Auffanglösung bei Vollstreckung in schuldnerfremde Sachen und schließlich nach §  285, der als allgemeine Vorschrift im Sinne von §  818 Abs.  4 gilt, wenn der Schuldner nicht gutgläubig ist64. Unter der Herrschaft der „Zuweisungslehre“, in der die angemaßte Geschäftsbesorgung im evolutionären Zufall zum wichtigsten Mittel der Gewinnabschöpfung geworden ist und die das lucrum ex negotiatione seit v. Caemmerer gerade nicht mit der Eingriffskon­ diktion erfasst65 , muss dieses Recht des Eigentümers auffallen, welches ihm das commodum – als einem lucrum ex negotiatione – gerade zubilligt66 . Nach diesen 62  Johow bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1035. S. auch die Pa­ rallelisierung mit der Sequestrationsordnung (in Anlehnung an einen Vorschlag Plancks, s. dazu im Text bei §  2 II. 3) mit gleichem Ergebnis bei Kohler, Rückabwicklung, S.  367 ff. 63  Die Regel in §  816 Abs.  1 S.  1 hat Doppelnatur, die Vindikationsähnlichkeit ist nur die eine Seite, s. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 I 3, S.  307 ff. In anderen Kontext gehört §  816 Abs.  1 S.  2, was unten in §  9 dazustellen ist. 64  BGHZ 75, 203 = NJW 1980, 178, 179. 65  Die höchstrichterliche Praxis weiß nichts von diesem ganz oder gar nicht, aber man kann doch die Tendenz erkennen, die gegen die Gewinnherausgabe gerichtet bleibt. Das ist ausreichend bekannt und aufbereitet, ausf. auch Helms, Gewinnherausgabe, S.  25 ff. 66  S. nur Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S.  105 ff. Die Opposition derjenigen, die versuchen ihre einschränkende Auslegung des §  818 Abs.  2 auf §  816 Abs.  1 zu übertragen, ist bei

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flüchtigen Bemerkungen lässt sich nunmehr die Frage genauer stellen: Gebührt dem Eigentümer der Ersatz für sein Eigentum, das verbraucht, vermischt, verbunden oder wirksam veräußert ist, weil er das Risiko des Substanzverlustes auch im Verhältnis zu dem unredlichen oder verklagten Besitzer tragen musste? Der klassische Dogmenstreit, der mit den Stichworten von Eingriffs- oder Zuweisungslehre zu kennzeichnen ist, kann ausgespart werden. Um sich nicht in dem Problemstoff und dem dogmatischen Kampf um das lucrum ex negotiatione zu verlieren, muss es ausreichen, auf den Umbruch von Pandektistik zum Bürgerlichen Gesetzbuch zurückzugehen. Eine Kernpassage in den Motiven lautet: „Die Verpflichtung des Nichtberechtigten, die Bereicherung, welche er durch die Veräußerung oder die Belastung des Rechtes oder durch eine auf Grund derselben an ihn erfolgte Leistung erlangt hat, an den Berechtigten herauszugeben, ist in der Billigkeit begründet; sie entspricht im Allgemeinen auch dem geltenden Rechte“67. Welche Billigkeit, erfährt man hier nicht und später nicht. Es soll nun versucht werden, die Bedeutung dieses Privilegs durch einen historischen Rückbezug und eine punktuelle Wirkungsanalyse besser zu verstehen. Erstens: Offenbar sinnvoll ist der Rückgang auf den gemeinsamen Vorläufer von der besonderen und allgemeinen Surrogatherausgabe (§  816 und §  285). Es wurde schon erwähnt, dass in wesentlichen gemeinrechtlichen Arbeiten beides noch in einer universalen Doktrin zu der Parömie ›cuius periculum eius commodum‹ eins war. Nach der Lehre Jherings und Mommsens, der sich, wie gesagt, die Pandektistik sehr weitgehend anschloss, galt die Parömie als allgemeine Rechtsregel68 . Gesagt war das auch und gerade für den Konnex von periculum (gemeint als situativem Verlust) und stellvertretendem commodum. Und noch das Reichsgericht hat die beiden Regeln vermengt und der Bundesgerichtshof parallelisiert die beiden Normen bis heute bei strenger Restitutionshaftung69. den höchstrichterlichen Gerichten am Wortlaut und dem klaren historischen Material stets gescheitert. §  839 E I sah für unberechtigte Verfügungen über Immobilien „die Herausgabe der dadurch erlangten Bereicherung“ vor. Die Norm sollte ausweislich der Motive eine Kondiktion geben, die nach der gedachten Kernnorm des Bereicherungsrechts nicht zweifelsfrei wäre, „da er aus dem Vermögen des Berechtigten nichts erhalten hat, insbesondere die nach dem Veräußerungsgeschäfte dem Erwerber obliegende Gegenleistung dem bis dahin Berechtigten niemals zugestanden hat“. Das nimmt Bezug auf das alte Unmittelbarkeitserfordernis, s. Mot. II, S.  853. Wenn im gleichen Kontext ausgeführt wird, die „eigentümliche“ Regel fülle eben diese Lücke, wird die Gegenleistung als Bereicherungsgegenstand gemeint sein, s. aber auch Höhn, Die Beeinträchtigung von Rechten durch Verfügungen, S.  51 ff. 67  Dabei wird auf ALR I, 15 §  28; bayr. LR II, 2 §  10 Nr.  3, 4 u. a. verwiesen, Mot. III, S.  2 24. 68  S. schon einleitend I. Anders als Jhering und Chambon (s. §  1, Fn.  25) wollte Mommsen, Erörterungen, S.  3 f. die Regel cuius periculum eius commodum nicht auf dingliche Ansprüche beziehen. 69  Das Verhältnis zur Surrogationsherausgabe nach dem alten §  281 war lange ungeklärt, wie in RGZ 138, 45, 47 deutlich wird; in §  1 I. 3 wurde schon gesagt, dass der BGH in NJW

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Der an sich nahe liegende Versuch, die alte Regel als Urkeim der Vorteils­ herausgabe zu begreifen, erweist sich für die heutige Zivilistik angesichts eines Gesetzes, das in §  285 weder auf Gefahr noch auf Unmöglichkeit abstellt, scheinbar als untauglich. Und doch, die erwähnte, von der Pandektistik vorgezeichnete Verbindungslinie zwischen commodum und periculum ist im Teilvorentwurf v. Kübels, den die 1. Kommission 1882 beraten hat, als Wertung anerkannt70 . In den Vorentwürfen der Redaktoren Johow zum Sachenrecht und v. Kübel zum Obligationenrecht war noch ein einheitlicher Eigentumsanspruch enthalten, der eine Bereicherungshaftung des redlichen Besitzers „auf Herausgabe des erlangten Vorteils“ vorsah. Nach v. Kübel lasse sich die Verknüpfung von Ersatzanspruch und Preisgefahr für das römische Recht nicht bestreiten. Auf den Satz commodum eius esse debet, cuius periculum est und die führenden Vertreter der gemeinrechtlichen Literatur wird verwiesen71. Der allgemeine commodum-Anspruch im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 ging über diese Regel hinaus, denn die alten §  281, §  323 sahen eine Ersatzpflicht auch dann vor, wenn der Schuldner die Preisgefahr gar nicht trug oder wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hatte72 . Bedeutet dies die Preisgabe des alten Gedankens? Die Antwort wird zu lauten haben: Die Wertung ist von anderen überlagert und unkenntlich, nicht verworfen und aufgegeben. Versuchen wir also diesen Wandel zu verstehen! Die Ersatzpflicht war bei v. Kübel noch mit Billigkeitsgesichtspunkten begründet73. Erst später erhielt die Surrogatherausgabe ihre charakteristische, dem Präventivdenken geschuldete, überschießende Tendenz. Die Kaskaden von Verlegenheits- und Leerformeln bei v. Kübel haben die 1. Kommission nicht weiter gestört74. 1980, 178 den alten §  281 zu den allgemeinen Vorschriften im Sinne von §  818 Abs.  4 rechnete, s. näher Staudinger/St. Lorenz, §  816 Rn.  24. 70  Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  851. 71  Für Erweiterungen auf Fälle ohne Unmöglichkeit wurde ganz einfach Bezug genommen auf Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, 5.  Aufl., §  264 Anm.  6, S.  57; Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S.  297. 72  Die Schuldrechtsreform ließ – gemäß dem Vorschlag Hubers – die Norm „praktisch unverändert“, s. Gutachtenvorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts I, S.  802 ff., 811 und die Begr. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I, S.  3138. 73  Es sei schon in der „Verbindlichkeit selbst enthalten, sofern es der Gerechtigkeit und Billigkeit, wie meistens der Intention des Schuldverhältnisses entspricht, daß er [scl. der Schuldner] das an die Stelle des nächsten Obligationsgegenstandes in sein Vermögen Gekommene seinem Gläubiger herausgibt“, s. bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  877. 74  Sie billigte die erweiterte Herausgabepflicht und ihre Begründung, s. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  214, und berief sich ihrerseits auf einen kaum umrissenen Surrogationsgedanken und einen fiktiven Vertragswillen: beides Topoi, welche die Dogmatik bis heute beschäftigen. Ferner wird auf §  960 Sächsisches BGB verwiesen.

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Der Redaktionsausschuss der 1. Kommission hatte sich noch auf das nicht zu 238 des ersten Entvertretende Unmöglichwerden beschränken wollen (§   wurfs) 75. Auf Anregung Struckmanns wurde §  238 durch die Vorkommission des Reichsjustizamtes auf die verschuldete Unmöglichkeit erweitert76 und dies setzte sich bei den Verhandlungen der zweiten Kommission durch77. Am Ende der Entwicklung steht der geltende §  285 als Normhybrid mit uneinheitlichen Gründen und Folgen, bald entlastet er den Gläubiger – denn wenn der Gläubiger die Preisgefahr trägt, erhält er das Surrogat für den Preis; bald stützt er das Synallagma – denn ein Gläubiger kann seine Leistung im Austausch gegen das commodum gewissermaßen (mit Gewinn) verwerten; bald sanktioniert er den Schuldner – denn die Abschöpfungsregel soll bei zu ver­ tretender Unmöglichkeit den Vertragsbruch, vor allem den Doppelverkauf, unlukrativ machen. Nur in dem Bereich, in welchem die Norm abschreckend wirken soll, gibt es eine Art Dingschutz für den Anspruchsinhaber. Ist der ›cuius periculum eius commodum‹-Gedanke damit als überwölbender Gedanke noch möglich oder ist er als historisch überholt zu verwerfen? Man sieht zunächst eine dem Zweckdenken geschuldete Unkenntlichmachung der römischen Regel, nicht deren Aufgabe78 . Das Reichsgericht hielt als Zweck des alten §  281 fest, dass Vermögenswerte, die jemandem zugeflossen sind, die ihm nicht zukommen und gebühren, abzuführen sind79. Die Versuche einer Einheitsbestimmung münden dann leicht in dürren Abstraktionssätzen. Der alte Gedanke ist in einen unlöslichen Plural von axiologischen und pragmatischen Wertungen verschmolzen, und daher unsichtbar. Aber man kann auch sagen, dass der Konnex des commodum – periculum als eine ursprüngliche Wertung ein historisches Faktum ist, das in der folgenden Normentwicklung nicht geschwächt, sondern um weitere Gedanken ergänzt wurde. Denn selbstverständlich erhält der Eigentümer, der die Gefahr trägt, ja weiter das commodum. Nur lässt sich der Korrelationsgedanke nicht mehr als Universalschlüssel für die neuen Problemkonstellationen des §  285 ausgeben. Zweitens: Dass dies auch keine bloße Theorie ist, lässt sich anhand eines Wirkungsbeispiels zeigen. In dem schon erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.10.1979 (VII ZR 285/78) war zu klären, ob ein verschärft haftender 75 

Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  219. Kisch, Unmöglichkeit, S.  211 waren Anregungen Labands maßgeblich. 77  Prot. II., Bd.  1, S.  316 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  230 f. unter Berufung auf Mommsen, worauf sogleich zurückzukommen ist. 78  Es gibt also einen unhistorischen Zug dieser Dogmatik, der sich vielleicht auch durch ihre Absichten erklärt, einen eigenen Entwurf, ein System der Vorteilsherausgabe, möglichst aus einem Gedanken heraus zu leisten. Es ist seltsam, wie man dazu übergegangen ist, den ursprünglichen Gedanken als überholt anzusehen. Stattdessen sucht man nach einheitlichen Lösungskonzepten. Um ein Einheitskonzept errichten zu können, wird der Gedanke in jüngeren Forschungsarbeiten nicht mehr verfolgt, s. etwa Bollenberger, Das stellvertretende Commodum, S.  4 4 ff., 75 ff. und Stellungnahme ab S.  197 ff. 79  RGZ 120, 347, 348; zuvor bereits RGZ 120, 297, 299 f. 76 Nach

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Schuldner einen Veräußerungserlös an den nur obligatorisch Berechtigten he­ raus­zugeben habe80 . Der Bundesgerichtshof löste, wie gesagt, nicht gestionsrechtlich mit §  687 S.  2, sondern half mit einer Anwendung des §  281, der als allgemeine Vorschrift im Sinne des §  818 Abs.  4 angewandt wurde81. Wichtig ist nur die Art der Begründung: Es gilt als „sach- und interessengerecht“, weil sich ein verklagter Schuldner „statt dem Gläubiger die Vorteile aus der Weiterveräußerung“ verschafft. Denn: „Durch die Weiterveräußerung entgeht ihm stets die Substanz des Gegenstandes, auf den sein Herausgabeanspruch gerichtet war“82 . Was in dieser Begründung hervortritt, ist weit mehr als ein begrifflicher Kon­ struktivismus oder karge Billigkeitsformeln. Die Erlösherausgabe ist „sachund interessengerecht“, wenn sich der Schuldner die Vorteile zulasten dessen, der die Substanz des Gegenstandes verliert, verschafft, dies aber nur, wenn kein restitutioneller Schutz des guten Glaubens geboten ist.

80 

BGHZ 75, 203 = NJW 1980, 178. S. §  1 I. 3. 82  BGHZ 75, 203 = NJW 1980, 178, 179 (Herv. des Verf.). 81 

Zweiter Unterabschnitt

Die formale Rechtszuständigkeit für Verhalten und Person Es lässt sich über die Symmetrik formaler Rechtszuständigkeiten als Ganzes noch nichts Abschließendes sagen. Es ist deutlich, dass die dinghafte Form als ein Verhältnis von Anrechnung und Ausschließung dekonstruierbar ist, wie es in der eingangs aufgestellten Hypothese formuliert wird. Es entspricht dem Grundton der Arbeit, die Rechtszuständigkeiten am Verhalten anderer, am personenbezogenen ,Bereich‘ vorurteilsfrei auf analoge Symmetriemuster hin zu überprüfen1. Die Formen für dinghafte Rechtszuständigkeit sind am Eigentumsmodell orientiert, den Formen der verhaltensbezogenen Rechtszuständigkeit fehlt ein solcher Fixpunkt. Es gibt: Stellvertreter, Organe, Vorstände und besondere Vertreter, Geschäftsführer mit und ohne Auftrag, Boten, Sequester, Testamentsvollstrecker und andere – alles Typen, für die positive Institutionen regeln, dass und wie deren instrumentelles Verhalten für oder gegen andere Subjekte rechtlich wirkt. Die Herausstellung einer dieser institutionellen Formen oder einer Formenart scheint nicht leicht begründbar, denn die tatsächlich wichtigste Form ›Stellvertretung‹ ist auf einen abstrakten Minimalinhalt begrenzt, der zudem nur rechtliches Handeln betrifft; die übrigen Typen stehen in einem unüberschaubaren System scheinbar lose nebeneinander. In den folgenden drei Paragraphen soll diese Typenvielfalt in einer Dreiteilung für Vertretung, Organschaft und Gestion exemplarisch untersucht werden. Für ein schärferes Gesamtbild verschieben die Abhandlungen jeweils den Akzent: Bei der Vertretung stehen die Fremdwirkungen rechtsgeschäftlichen, bei der Organschaft die des faktischen Handelns und bei der Gestion das reziproke Moment im Vordergrund. Diese Akzentuierung bietet sich deshalb an, weil die Vertretung thematisch auf rechtsgeschäftliches Tun begrenzt, die Organschaft gerade für Faktisches offen ist, und die Gestion kann als durchaus schwieriger Zwischentypus, (halb Regressmittel, halb Quasi-Mandat), schon wegen der actiones directae (§  677 – §  682) gegen actiones contrariae (§  683 – §  686) nicht übergangen werden. Diese Akzentuierung ist diktiert von der Notwendigkeit zu einer stoffbegrenzenden Auswahl. Es wird nicht überprüft, ob und wie sich die formkonzentrierten Vorteile oder Nachteile – die Symmetrieglieder – bis in die Details 1  Es wurde schon betont, dass sich diese beiden Symmetrieobjekte: Verhalten und Person gar nicht klar trennen lassen, weswegen vereinfachend von der Rechtszuständigkeit für das Verhalten anderer gesprochen werden soll, s. Einleitung, III. 3.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

gleichen oder unterscheiden. Die Phänomenologie der Formen, der institutionellen Zuständigkeiten, ist sogar von einer Vielfalt der Konzentrationstypen, von Verknüpfungen ganz verschiedener Vorteile und Nachteile, bestimmt. Gefragt wird vorerst nur, ob sich Vertretung, Organschaft, Gestion als ›Rechtszuständigkeiten‹ mit symmetrischer Verteilungsrelativik erweisen, die wie die dinghaften Verteilungsformen den Regeln der Konzentration und Komplementarität folgen. Der formübergreifende Gedanke als Hypothese formuliert: Wirkungen (positive und negative Folgen) aus instrumentellem Handeln werden dem Prinzipal (Vertretenen, Organträger, Geschäftsherrn), ‚angerechnet‘ und – als Komplement – dem Handelnden ‚abgerechnet‘.

§  3 Die Wirkungszuständigkeit bei stellvertretendem Handeln Man darf beim Institut der Vertretung keinen oberflächlichen Konstruktionsdivergenzen aufsitzen oder die Theoriedetails überbewerten: Stellvertretung bedeutet zuerst Rechtswirkung „für und gegen den Vertretenen“, also positive und negative Folgenzurechnung. Das ist für die Stellvertretung ebenso evident wie bei der Organschaft. Schon Nawiasky hat festgehalten, dass sich „Stellvertretung und Organschaft im wichtigsten Punkt, der Wirkung der Handlungen des Repräsentanten für den Repräsentierten gleichen, während in Bezug auf andere Punkte sowohl eine übereinstimmende wie eine abweichende Regelung möglich ist, worüber die positivrechtliche Ordnung entscheidet“1. Im Folgenden ist zu fragen, was dieser „wichtigste Punkt“ gleichartiger Wirkungszuständigkeit eigentlich ist 2 .

I. Die durch das Primat der Willenslehren gehemmte Entwicklung des Instituts der direkten Stellvertretung Das Institut der direkten Stellvertretung entsteht zwischen Vernunftrecht und Pandektistik als Paradoxon. Eine direkte Vertretung im Willen dürfte es unter aufklärerisch-willenstheoretischem Primat an sich gar nicht geben. Die autonome Selbstbestimmung des einen Subjekts kann unmöglich den (autonomen) Willen eines anderen Subjekts hervorbringen 3. Aber der alte Ausweg durch konstruktive Umwege, in denen der Vertreter eine Art Durchlaufposten wird, um zu einer Fremdwirkung der Handlung zu gelangen, war dem vorindustriellen Handelsverkehr nicht mehr zweckentsprechend4. Die Brücke, die in einem willenstheoretischen System zum Zweck reicht, war die äußerst künstliche Negation der Fremdgestaltung. Bei v. Savigny ist der Vertreter als „Organ des 1 

Allgemeine Rechtslehre, 2.  Aufl., S.  195. Die gesetzlichen Zurechnungsformen für die vom Privatrechtsverkehr ausgeschlossenen Personen werden nicht weiter betrachtet. 3  Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft, S.  191. 4 Entsprechend hatte Art.   49 des Entwurfes eines ADHGB von 1857 vorgesehen, dass durch Geschäfte des Prokuristen der Prinzipal „dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet“ wurde, s. bei Lutz, Protokolle, Band 1, S.  78. 2 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

wahren Kontrahenten“ bildlich umschrieben5. Auch noch bei Laband, welcher der Lehre der unmittelbaren Vertretung zum Durchbruch verhalf, heißt es: Es könne von „zwei oder mehreren physischen Personen zu privatrechtlichen Zwecken der Eine das Willens-Organ des Anderen werden“6 . Aber ob sich eine Vertretertheorie an die Organlehre ankristallisieren darf oder sich scharf gegen diese absetzen muss, war eine ernst geführte Diskussion im 19. Jahrhundert7. Die weitere Entwicklung in der Mitte des Jahrhunderts, die zur Abstraktion der Stellvertretung geführt hat, wurde bereits skizziert8 . In den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist bewusst nicht versucht, dem Entwurf einen konstruktiven Glanz zu geben; lieber gibt man die Impulse, die aus der handelsrechtlichen Praxis kamen, offen an9. Dieses Nachgeben des Gesetzgebers gegen praktische Bedürfnisse und die damit verbundene Aufgabe für die Dogmatik, nunmehr das richtige Konzept nachzuliefern, wirkte sich oft so aus, dass man forthin weiter fragte, was es ermöglicht, dass rechtliches Handeln des einen für und gegen einen anderen wirkt. Auf welcher Grundlage geschieht diese Auswechselung der Zuständigkeit für Verhaltensfolgen? Von hier aus ist es nur ein Schritt zu der kaum fruchtbaren Fragestellung, wie die Kompetenz des Vertretenen in eine Theorie des subjektiven Rechts einzubeziehen sei. Bei Leonhard wird dann die Vertretung als „Handlung aus der Rechtsmacht eines anderen“ bestimmt. Damit ist das in Wahrheit interessierende Verteilungsmuster nicht nur in das Unbestimmte eines Bildes herabgerückt; es muss sich mit der schon bekannten Leerformel von der Rechtsmacht zufrieden geben10 . Leonhard steht für viele. Andere sprachen von Willensmacht, Rechtsposition, Befugnis, Rechtsvollmacht, Legitimation, Fähigkeit, Eignung, Kompetenz11 . Mit dieser Sicht auf Zuständigkeit als eine Befugnis des Vertreters ist über die Verteilungssemantik des Instituts ›Stellvertretung‹ nichts gesagt. Der dogmatische Faktor für diese Fehlsicht auf ein Institut ist durch subjektivrechtliches Denken vorgegeben. 5 

Obligationenrecht, Band 2, §  53, S.  19; ders., System, Band 3, §  113, S.  9 0. ZHR 10 (1866), 183, 186 f. 7  S. zum einen v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, I, S.  462 f.; Schlossmann, Jherings Jahrb. 44 (1902), S.  300 ff. (die von Identität ausgehen) und zum anderen v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S.  616; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S.  560. Zu dem Streit im ausgehenden 19. Jahrhundert um die richtige Konstruktion Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, §§  73 ff.; Regelsberger, Pandekten, Band 1, §§  159 ff.; Dernburg, Pandekten, Band 1, §§  160 ff. 8  §  1 I. 2. 9 Eine „besondere Stellungnahme zu der juristischen Konstruktion der Vertretung ist nicht Sache des Gesetzes“, s. Mot. I, S.  225. Allerdings heißt es durchaus auch: „Das Geschäft ist ein Geschäft des Vertreters; aber es wird dem Vertretenen so zugerechnet, als ob es von ihm vorgenommen worden wäre“. Schon bei den Vorarbeiten zum ADHGB wurden die Theorien, namentlich diejenige v. Savignys, nicht für maßgebend erachtet, s. Lutz, Prot. I, S.  78. 10  Leonhard, Jherings Jahrb. 86 (1936/37), S.  1 ff., 17. 11  Nachweise zu den entsprechenden und weiteren Konstruktionen bei Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  84 f. 6 

§  3 Die Wirkungszuständigkeit bei stellvertretendem Handeln

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Auch die Staatslehren, die mit dem Staatsorgan der Vertretungsdogmatik stets Orientierung gaben, verleiten zu einer ähnlich falschen Perspektive. Für Staatsorgane hat schon Jellinek das Missverhältnis aufgedeckt, dass Organzuständigkeiten als Befugnisse, und nicht, wie es „dem wahren Sachverhalte“ allein entspreche, als Pflichten gefasst seien12 . Auch die privatrechtliche Vertretung als ein Inbegriff des rechtswirksamen Handelns für andere, ist noch etwas anderes als eine Vertreterbefugnis. Es müsste um die Vertretenenbefugnis am Verhalten dessen gehen, der für einen anderen handelt.

II. Das Verteilungsprinzip von Anrechnung und Ausschließung Der Zusammenhang der Kompetenz des Vertretenen und der Zuständigkeit des Vertreters ist erst durch die Untersuchung von Müller-Freienfels deutlicher geworden, indem Können und Zuweisungsfolgen kontrastiert werden13. Die These ist nicht von der verstiegenen Art des übertriebenen Konstruktivismus, sondern rückt nur ins Deutliche, was eindeutig ist. Das Unbehagen gegen die Erfassung der ›Vertretung‹ nur als Befugnis, Können, Kompetenz des Handelnden, verleitet Müller-Freienfels zu einer Distinktion in primärer Macht und dem Befugnisderivat des Handelnden. Die Macht „ist nicht eine eigene Zuständigkeit im Sinne einer Zuständigkeit für die eigene Rechtssphäre, sondern eine Unterzuständigkeit“14. Es ist gleichgültig, wie man diese gestufte Teilung von primärer Macht und sekundärer Zuständigkeit dogmatisch beurteilt. Sie macht sichtbar, wo ein Verständnis für die Verteilungslogik anzusetzen hat: beim Prinzip von Anrechnung und Ausschließung. Die Wirkungszuständigkeit bedeutet zum einen Anrechnung. Die primäre Macht – besser: primäre Zuständigkeit – begründet danach die Überleitung der „Wirkungen“, der Handlungsfolgen, auf den Prinzipal. Das Handeln wird dem „Vertretenen so zugerechnet, als ob es von ihm vorgenommen worden wäre“15 und die „Wirkungen“ treten bei ihm ein. Das ist nichts anderes als die Konzentrierung positiver und negativer Folgen aus einem instrumentellen (rechtsgeschäftlichen) Handeln beim Vertretenen. Die Wirkungszuständigkeit bedeutet aber zum anderen Ausschließung. Es gibt eine Dekonzentration der Handlungsfolgen beim Vertretenen. Die Vertretung verdoppelt die rechtswirksamen Folgen der Handlung nicht; die Handlung des Vertretenen wird auch nicht vom Recht negiert, sondern die „abgelei12  Den Grund sieht er darin, dass die Imperativform leichter zu formulieren sei. „Dennoch sind alle diese Rechte in Wahrheit nur berechtigende Pflichten“, Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S.  565. 13  Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  83 ff. 14  Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.  103. 15  Mot. I, S.  2 25.

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tete Zuständigkeit“ führt dazu, dass die Folgen übertragen, durchgeleitet werden. Dieser Gedanke ist lange vernachlässigt worden. Erst Schlossmann hat erkannt, dass die Abweisung der Folgen, die Dekonzentration, durchaus nicht redundant ist. „Kann das als Handeln, Erklären in fremdem Namen bezeichnete Moment, dessen Richtigstellung zunächst vorbehalten bleiben mag, die Verknüpfung der Rechtswirkungen mit der Person des Vertretenen nicht rechtfertigen, so muss seine rechtliche Bedeutung auf einer anderen Seite liegen, und diese offenbart sich uns, wenn wir beachten, dass das Wesen der Vertretungswirkung nicht allein darin liegt, dass der Vertretene von den rechtlichen Wirkungen des Vertretergeschäfts betroffen, sondern auch darin, dass der Vertreter von ihnen nicht betroffen wird; und gerade in dieser und allein in dieser ausschließenden Wirkung werden wir die Bedeutung des Handelns in fremdem Namen zu sehen haben“16 . Das war bis dahin in der Tat ein kaum bedachtes Moment. Aber die Ausschließung ist unlöslicher Teil der Vertretung17. Stellvertretung bedeutet auch „Ausschließung des eigenen Erwerbs und der eigenen Verpflichtung“18 . In den Motiven wird das durch eine Apposition hervorgehoben: „Das rechtsgeschäftliche Handeln in Vertretung hat, sofern die Grenzen der Vertretungsmacht innegehalten werden, zur Folge, daß der Vertretene unmittelbar und nur der Vertretene, nicht auch der Vertreter, durch das vorgenommene Geschäft berechtigt und verpflichtet wird“19. Das sollte in dem Wort der „unmittelbaren Wirkungen“ enthalten sein und als v. Mandry beantragte, das Wort „unmittelbar“ wieder zu streichen, wurde das in der 2. Kommission verworfen 20 . Man erkennt nun besser, was im Grunde evident ist, dass auch die Vertretung eine Zuständigkeitsform am Verhalten anderer ist, die sich in Relationsverhältnisse von Konzentration und Komplementarität auflösen lässt.

16 

Schlossmann, Lehre von der Stellvertretung, S.  329. ist es scheinbar bei der Handelndenhaftung nach §  11 GmbHG; s. allerdings noch §  4 II. 1 am Ende. 18  Schlossmann, Lehre von der Stellvertretung, S.  330 f., der etwas künstlich daraus folgert, Handeln unter fremdem Namen bedeute „kontrahieren unter der Vereinbarung, dass die Wirkungen nicht den Vertreter treffen sollen“. 19  Mot. I, S.  2 25. 20  Prot. II, Bd.  1, S.  136 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Allgemeiner Teil, Band 2, S.  924. 17  Anders

§  4 Die Organschaft als notwendige Zuständigkeitsform

Die Institutionen von Vertretung und Organschaft sind aus einer Wurzel entstanden. Es ist zu vermuten, dass sich dies in der Verteilungsart zeigt, dass also wie bei der Stellvertretung die verhaltens- und personenbezogenen Folgen aus instrumentellem Handeln dem Organträger ‚angerechnet‘ und komplementär dem Handelnden ‚abgerechnet‘ werden. Das Bild ›Organ‹ meint ja eine bereichsbegrenzte Negation der Person und ihres Verhaltens, und die Organschaft erscheint gewissermaßen als Muster der Zuständigkeit am Verhalten anderer, als zurechnungsintensivste Form der Zuständigkeit für andere. Aber die Lehren des Verbandsrechts zum Wesen der juristischen Person wenden den Blick auf konstruktive Fragen und für uns ins Dunkel. Deshalb hat sich das Folgende darauf zu begrenzen, ob die Organschaft als Rechtszuständigkeit aufzufassen ist und welcher Verteilungslogik sie folgt. Trotz der Parallelen von Vertretung und Organschaft sind die Symmetrieglieder ganz offenbar nicht gleich. Es geht aber im Folgenden, wie gesagt wurde, nicht um den hochstehenden Anspruch, von einem Grundsatz her zu sagen, wie sämtliche Vorteile oder Nachteile in den Formen verbunden werden, sondern um die Bedeutung der Symmetrie für das formale Verteilungsmuster als solches.

I. Die Negation des Organs als Anrechnung positiver Handlungsfolgen Die Erfindung der Organfigur hat es ermöglicht, dass ein Überindividuelles (Staat, Gesellschaft, juristische Person) rechtsförmig – sei es ‚fiktiv‘ oder ‚real‘ – handeln kann. Man hat von einer hierzu notwendigen Figur gesprochen. Dass dieses durch denselben Mechanismus von Anrechnung (hier im undogmatischen Sinne verstanden) und Ausschließung geschieht, ist anhand von drei Bereichen, der organschaftlichen Vertretung, dem Besitz und der Geschäftschance, beispielhaft für die positiven Wirkungen wahrnehmbar zu machen. Die organschaftliche Vertretung. Die Zuweisung rechtsgeschäftlichen Tuns aufgrund einer Bevollmächtigung der Organe ist positivrechtlich vorgese-

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hen1. Die Vollmacht wird zwar als eine organschaftliche gedacht, hat also verbandsrechtliche Besonderheiten zu verarbeiten. Aber der berühmte Streit um das Wesen juristischer Personen ändert an dem Ineinandergreifen von Anrechnung und Ausschließung nichts, was nur kurz zu erläutern ist: Solange die juristische Person in ihrem Bestand mangels Willens (zur Autonomie) nicht Faktum, sondern Fiktion war, musste die Spannung zwischen fiktiver Rechtsfähigkeit und „natürlicher Handlungsunfähigkeit“ institutionell aufgelöst werden. v. Savigny sieht in dieser Auflösung den tieferen Sinn des Verbandsrechts: „Ihr reales Dasein beruht auf dem vertretenden Willen bestimmter einzelner Menschen, der ihr, in der Folge einer Fiktion, als ihr eigener Wille angerechnet wird“2 . Bei Puchta ist derselbe Gedanke allgemein auf Organhandeln bezogen: „Die Repräsentation, die hier nicht bloß auf die Ausführung, sondern auch auf den Willen selbst geht, beruht auf der Fiktion, daß, was gewisse Personen beschließen und tun, als Wille und Handlung der juristischen Person betrachtet wird“3. In einer moderneren Variante hat Flume gesagt: „Die Anrechnung des Handelns der Organe der juristischen Person bedeutet nicht eine mystifizierende Transsubstantiation von dem handelnden Organ auf die juristische Person, sondern besagt, daß die Rechtsfolgen des Handelns auf die juristische Person bezogen sind“4. Die germanischen Lehren einer „realen Verbandspersönlichkeit“ Beselers und seiner Schüler Barons, v. Gierkes behaupteten ein Eigenhandeln der juristischen Person durch andere5. Das Anrechnungsergebnis aber ist dasselbe, nur die Anrechnungsart wird unmittelbar, automatisch, real gedacht. Schon die 1. Kommission, die vom Kritiksturm auf ihren Entwurf noch nichts wusste, hat den Wesensstreit, ob sich die soziologische Wirklichkeit der juristischen Person der Ebenbildlichkeit des Menschen weiter annähert usf., klug übergangen. ›Anrechnung und Ausschließung‹ als Verteilungsergebnis ist von beiden Lagern sachlich akzeptiert, ja Kernaussage beider Lehren. Denn ob man sagt, Wollen und Verhalten werden „angerechnet“ (v. Savigny) oder „zugeschrieben“ (v. Gierke) ist nur ein Wortstreit6 . Der Organbesitz. Damit ist zugleich der Mechanismus für Wirkungszuweisung tatsächlicher Zustände und tatsächlichen Handelns theoretisch vorbereitet. Erst von hier aus wird die juristische Person handlungsfähig. Dass rechtsgeschäftliche Handlungen für eine andere Person unmittelbar wirken, galt noch 1 

So etwa für den Vereinsvorstand in §  26 Abs.  2. System, Band 2, S.  312. 3  Puchta, Kleine civ. Schriften, S.  505. 4  Flume, Allgemeiner Teil, Band 1, Zweiter Teil, §  11 I, S.  379. 5  Wieacker, Festschrift Ernst Rudolf Huber, S.  370. 6  v. Savigny, System, Band 2, S.  312; v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S.  624, 630; später heißt es ohne Sinnunterschied „zugerechnet“, S.  755, 788 f.; s. auch ders., Deutsches Privatrecht I, S.  530. Ob diese Verteilung wesensmäßig-unmittelbar oder sich auf dem dogmatischen Umweg über ein Vertreter-Organ vollzieht, ist völlig theoretisch und bleibt so undeutlich, wie das Wesen der juristischen Personen selbst. 2 

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zu Beginn des letzten Jahrhunderts als „juristisches Wunder“7. Für die Wirkungen tatsächlichen Handelns fehlt ein solches Staunen weithin. Dass sich die Organlehre insofern beispielsweise für Besitz oder faktische Chancen derselben Logik von An- und Abrechnung bedienen muss, ist immanentes Wissen. Seit langem ist anerkannt, dass die tatsächliche Gewalt der Organe über Sachen zu einem Besitz der juristischen Person führt8 . Schon lange ist bemerkt, dass auch Handlungen „angerechnet“ werden. Die dogmatische Umsetzung im personenbezogenen Besitzrecht des Bürgerlichen Rechts ist nicht einfach. Als Besitzdiener kann man das Organ nicht ansehen. Umgekehrt ist klar, dass die juristische Person erst besitzfähig sein muss, um eigentumsfähig zu sein und ohnedies auch nicht rechtsfähig wäre9. Aus der Frontstellung von Vertretertheorie gegen Organtheorie hat sich für den Besitz ein paralleler Streit entwickelt, ob der juristischen Person Besitz, Gewalt oder Tun „angerechnet“ wird, oder ob es bereits eigene Positionen der Person selbst sind. Das sachliche Verteilungsprinzip ist – wie bei der Vertretung – wiederum identisch, ob man sie nun „als eigene Handlungen angerechnet“ ansieht oder wirklich für „eigene Handlungen“ hält. Die Anrechnung von tatsächlichen Chancen. Es fehlt noch der Nachweis, dass nicht nur Folgen aktiver Handlungen zugewiesen werden, dass anders gesagt, die Organschaft eine universale, personenbezogene Zuständigkeit ist, bei der Vorteile bereichsbezogen dem Organ ab-, dem Träger angerechnet werden10 . Ein kurzer Hinweis zu der anschaulichen Frage, wie Chancen zuzuordnen sind, wird genügen. Denn es ist heute unkontrovers, dass ein Organ keine Geschäftschancen zum Nachteil des Organträgers ‚auf eigene Mühlen‘ umleiten darf. Nur die Reichweite, nicht das Prinzip der sogenannten „Geschäftschancenlehre“, welche eine primäre Zuständigkeit an Chancen für den Geschäftsherrn lehrt, ist streitbar11. Konstruktiv wird der Geschäftsleiter als Treuhänder der Chance gedacht12 . Es geht an dieser Stelle nicht um die verbandsrechtlichen Details oder um die Zuweisung von Arbeitsergebnissen, auf die noch einzugehen ist. Für die Formverteilung geht es nur um die universale An- und Abrechnung verhaltensbezogener Positionen bei Organen. 7 

Rabel, Die Stellvertretung in den hellenistischen Rechten, S.  236. BGHZ 56, 73, 77; BGHZ 57, 166, 167. 9  Huber, Vermögensanteil, S.  111. 10  Zu dem theoretischen Problem der Untrennbarkeit der Kategorien von Person und Verhalten s. schon einleitend III. 3. 11  Eingehend zu dem ökonomischen Hintergrund der „Geschäftschancenlehre“ Grundmann, Treuhandvertrag, S.  435 ff. und rechtsvergleichend Kumpan, Der Interessenkonflikt, S.  483 ff. 12  Anerkannt ist dies für das Kapitalgesellschaftsrecht, vgl. umfassend Grundmann, Treuhandvertrag, S.  421 ff.; siehe noch statt vieler Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, §  6 IV 1b, S.  344 ff. Grundmann und andere haben als sinn- und werthaften Kerngedanken der Lehre darauf verwiesen, dass Organe gerade dafür entlohnt werden, diese Positionen für die Gesellschaft zu erwerben und zu nutzen, s. Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  534 f. 8 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

II. Die Wirkungszuweisung durch die strikte Organhaftung und ihre symmetrietopische Rechtfertigung Die andere Wirkungsart der Organschaft besteht negativ in der strengen Haftung für das Organ. Es wurde gezeigt, wie die positiv wirksamen Zurechnungen bei rechtsgeschäftlichem Handeln, Sachgewalt, Chancen dem Mechanismus von An- und Abrechnung folgten, also Komplementarität herstellen. Im Konzen­trationsverhältnis steht dem eine strikte Organhaftung, die Haftung für Fremdverhalten oder Eigenschuld, antinomisch gegenüber. Sie ist in §  31 nur als ein Fragment für die zivilistischen Verbände geregelt, gilt aber für alle Organformen. Gehen wir wieder einen Augenblick auf geschichtliche Vorläufer ein. Es besteht wenig Zweifel über die Bedeutung dieses Haftungstyps als einer Zuweisungsfolge, wenn man die letzten Jahrhunderte überspringt und auf die römische Noxalhaftung für Gewaltunterworfene vorurteilsfrei zurückblickt. Durch sie hatte der pater familias für das Delikt des Sklaven oder unterworfener Hauskinder strikt einzustehen. Nur war diese Haftung durch die noxae deditio, eine befreiende Auslieferung, welche den Täter zu Sühnezwecken der Gewalt des Opfers unterwerfen wollte, auf seltsame Weise begrenzt13. Die Noxalhaftung für Sklaven hing am Eigentum, d. h. der Eigentumswechsel bewirkte auch den Tausch der Einstandspflichten14. Ein Moment der negativen Zuweisung wird insoweit erkennbar. Seit dem Siegeszug des Culpaaxioms von seinem humanistisch-christlichen Beginn an bis zur Entfaltung unter dem Primat des autonomen Willens im deutschen Idealismus (Kant, Hegel) und ihr folgender Dogmatik (v. Savigny, Puchta, Windscheid) wurde Verteilungsdenken, wie gesehen, nicht mehr auf Personen bezogen. Diese Zurechnungsart ging unter und musste für die Organe juristischer Personen im 19. Jahrhundert neu erfunden werden15. Soweit der knappe Rückblick. Die folgenden Hinweise sollen noch nicht die Wagniszuweisungen beim Fehlverhalten Dritter behandeln, auch nicht die Ausdehnung der strikten Haftung auf Scheinorgane oder andere „Repräsentanten“16 . An dieser Stelle geht es vorerst nur um einen Inbegriff des formalen Organseins und den implizierten Verteilungsmodus. In welcher Beziehung steht

13  Kaser, Das altroemische Ius, S.  231. Zur befreienden Auslieferung s. v. Lübtow, Untersuchungen zur Lex Aquilia de damno iniuria dato, S.  4 4 ff. 14  Es ist in der Romanistik nicht geklärt, ob daneben auch faktische Einflusspositionen genügten, wie bei Kaser, Festschrift Hübner, S.  63, 71 ff. näher ausgeführt wird. 15  Aus der umfangreichen Literatur Ogorek, Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, 1975, passim; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  181 ff. 16  Die Reichweite der strikten Organhaftung ist aufbereitet bei Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, S.  135 ff.

§  4 Die Organschaft als notwendige Zuständigkeitsform

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dieser Haftungstyp zur Organschaft als Form der institutionellen Rechtszuständigkeit?

1. Bedeutung der juristischen Konstruktionen An dem sinnverlorenen Streit des juristischen Personenwesens, der auch für die Haftung von Organen nahezu folgenlos ist, lässt sich vorübergehen17. Kurz einzugehen ist aber auf die Konstruktion der Organhaftung nach §  31, der den Verein für eine „zum Schadensersatz verpflichtende“ Organhandlung „verantwortlich“ macht. In der Lehre überwiegt eine textgebundene Interpretation als gesetzlicher Schuldbeitritt18 . Dem Prinzip von Anrechnung und Ausschließung scheint das zu widersprechen – also nicht Ausschließung, sondern Mithaft? Erst bei näherem Zusehen zeigt sich das Prinzip der Ausschließung, das von Sachzwängen verdeckt ist. Es handelt sich um ein besonderes Ordnungsproblem der juristischen Person. Für ihre Handlungen, seien sie fiktiv oder real zu verstehen, muss notwendig jemand einstehen, haften. Gemeinhin sind drei Arten denkbar, wer haftet, erstens nur die juristische Person, zweitens die real für sie handelnden Organe und schließlich beide19. Die Konzeption des §  31, sei sie Schuldbeitritt oder echte Zurechnung, ist vor dieser Besonderheit zu sehen, welche für das Verständnis der allgemeinen Zurechnungsprinzipien im Recht abseitig ist. Das Prinzip der Ausschließung wird weniger sichtbar20 . Es lässt sich aber anhand einfacher Verkehrspflichten nachvollziehen, dass es Haftungsfälle gibt, in denen es zur Anrechnung und Ausschließung kommt. So wird, wenn die juristische Person selbst Adressat der Pflicht ist, gar nicht der ganze, zur Haftung führende Tatbestand, sondern nur die Schuld zugerechnet. Das ist funktional gesehen eine dem §  278 vergleichbare Zurechnungsart. Das bedeutet also nichts anderes als eine Haftungszuweisung für Verschulden anderer nach bekanntem Muster21. 17  Die prinzipielle Irrelevanz des Theoriestreits für die Haftungsfrage ist nachgewiesen von Landwehr, AcP 164 (1964), 482, 507; nähere Darstellung bei Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  275 f. 18  Es besteht eine Vielfalt von Konzepten und Gegenkonzepten. In der Judikatur fehlen klare Stellungnahmen. 19  Weil die jeweilige Technik nicht idealistischen Vorgaben aus Einsichten in das Wesen der juristischen Person, sondern sehr einfachen Zwängen folgt, ist diese Haftungskonstruktion von nachrangigem Interesse. Schon aus der Anerkennung der juristischen Personen folgen ganz offenbar solche sachlichen Zwänge. Im zivilrechtlichen System der Haftung entstünde schlicht eine Leerstelle, denn die Haftung für fremdes Handeln in §  831 setzt ein Subjekt voraus, welche die Pflichten zu Leitung, Auswahl, Organisation treffen kann, wie bei §  831 Abs.  1 S.  2 besonders deutlich wird. 20  Das ist näher dargestellt von Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  238 ff., 355 ff. 21  Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33, 64 spricht von Ausschließung, erreicht dabei Gegenteiliges, s. auch Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  121, Fn.  22.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

2. Konsens über einen symmetrietopischen Kern Die Hauptbedeutung der strikten Haftung für unser Thema liegt in der Begründung, die auf den wesentlichen Kern gefiltert, fundamentalistisch, rechtsethisch, symmetrietopisch erfolgt. Weil positive und negative Zuständigkeitsfolgen den Organträger treffen sollen, also aus Konzentrationsgründen, gilt das Prinzip der strikten Organhaftung. Das ist, die Varianz in den Formulierungen einmal überspringend, gemeinhin akzeptiert 22 . Diese Akzeptanz geht auf die Arbeiten der 1. Kommission zurück 23. In den Vorlagen der Redaktoren Gebhard (zur juristischen Person) und v. Kübel (zum Deliktsrecht) waren die Einstandspflichten für Leute, Gehilfen, Organe nur als Schuld für schlechte Auswahl, versäumtes Überwachen, also als Eigenverschulden vorgesehen 24. Das Postulat einer haftungsrechtlichen Gleichstellung von natürlicher und juristischer Person erkannte Gebhard zwar an, nahm aber von einer strikten Ersatzpflicht „für unerlaubte Handlungen des Vertreters“ Abstand: „Wenn und sofern physische Personen für außerkontraktliches Verschulden ihrer Vertreter zu haften haben, so stützt sich diese Haftpflicht grundsätzlich auf ein dem Vertretenen in der einen oder anderen Richtung zu Last fallendes mittelbares Verschulden; sie greift prinzipiell nur Platz auf Grund eines Thatbestandes, der sich bei der juristischen Person der Natur der Sache nach nicht verwirklichen kann“25. Die strikte Haftung des Verbands für seine Organe (ohne Entlastungsmöglichkeit) wurde von der 1. Kommission beschlossen, allerdings zunächst noch beschränkt auf „widerrechtliches“ Handeln; die 2. Kommission hob diese Schranke später zugunsten der unbegrenzt strikten Organhaftung für jedes schadensersatzpflichtige Handeln im Sinne des heutigen §  31 auf. Entscheidend war folgende Erwägung: „Zur Begründung dieser Haftbarmachung habe man nicht mit Unrecht darauf verwiesen, daß, wenn die Körperschaft durch die Vertretung die Möglichkeit gewinne, im Rechtsverkehre handelnd aufzutreten, ihr auch angesonnen werden müsse, die Nachtheile zu tragen, welche die künstlich gewährte Vertretung mit sich bringe, ohne daß sie in der Lage sei, Dritte auf den häufig unergiebigen Weg der Belangung des Vertreters zu verweisen“26 . In den

22  Der Meinungsstand wird referiert bei Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  155 ff., insbes. S.  157 f. 23  Vgl. Mot. I, S.  408 f. 24  Gebhard, Teilentwurf zur juristischen Person bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Allgemeiner Teil, Band 1, S.  632 ff.; v. Kübel, Teilentwurf zum Obligationenrecht bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  653 ff. 25  Gebhard, Teilentwurf zur juristischen Person bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Allgemeiner Teil, Band 1, S.  633. 26  Prot. I, S.  3110 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Allgemeiner Teil, Band 1, S.  164 f.

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Motiven ist das übernommen und ergänzt: „Ist dieser Gesichtspunkt richtig, so muß er allgemein zur Geltung gelangen“27. Für die Wissenschaft hat das Prinzip der strikten Organschaft eine fundamentale Basis in der „Gerechtigkeitsidee“28 ; es sei „rechtsethisch gerechtfertigt“29. Gemeint ist stets, dass wer durch ein Organ handeln dürfe, auch für dessen Handlungsfehler einstehen müsse, nur die Ausdrücke wechseln. In jüngeren Forschungsarbeiten werden diese Grundgedanken nicht mehr bezweifelt30 . Eine solche Rechtfertigung ist zwar abstrakt und Versuche, sie näher zu bestimmen, sind selten 31. Dass es von dieser fundamentalen Einsicht aus nicht gelingt, exakte Abgrenzungen von Risikobereichen für die heutigen netzhaften Produktionsprozesse und Verteilungswege zu entwickeln, ist zugestanden. Aber auch die ambitionierten Ansätze, diese Abgrenzung ökonomisch-nüchtern vorzunehmen, haben diesen rechtsethischen Ausgangspunkt zuletzt ebenfalls bestritten 32 .

3. Die Organmetapher und die freiheitsaxiomatische Verbindung von lucrum und casum Was bedeutet diese weithin akzeptierte Symmetrietopik? Die These: Es ist wieder eine Variation des freiheitsfunktionalen Axioms, so wie wir es beim Eigentum gesehen haben. Die freiheitliche Verteilungsordnung ist von der Handlungsfreiheit aus zu denken. Es gibt eine tief liegende Verbindungslinie zur Eigentumsform. Die Untersuchung zum Eigentum hat ergeben, wie sich formgefasste Konzentration von freiheitsaxiomatischen Grundlagen ableitet. Das ›lucrum et casum sentit dominus‹ ist eine Anleihe bei einer letztlich menschenrechtlichen Basisannahme, dass Vorteile und Nachteile an mir oder meinen Handlungen mich selbst treffen. Auch die Organschaft ist so gesehen Derivat der ursprünglich von einer Handlungsfreiheit ausgehenden freiheitsfunk­ tionalen Verteilungsart, nach der die Folgen eigener Handlungen primär allein dem Subjekt zustehen 33. 27 

Mot. I, S.  103, insofern ausf. als die Prot. a. a. O. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  254. 29  Wiedemann, WM-Sonderbeilage 1975, Nr.  4, S.  16. 30  Zentral wichtig ist er für Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  206 ff.; anerkennend zuletzt Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  157, der den Gedanken für „ergänzungsbedürftig“ hält; kritisch 1979 allerdings Martinek, Repräsentantenhaftung, S.  23. 31  Ein solcher Versuch erfolgte etwa durch Fabricius, welcher die Verselbständigung zum Vermögensträger nur gegen Haftungsübernahme betont hatte, s. Gedächtnisschrift Rudolf Schmidt, S.  171. Gefolgschaft durch Nicknig, Haftung der Mitglieder einer BGB-Gesellschaft, S.  38; Kornblum, Zur Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften, 1972, S.  45. Das ist durch den Bundesgerichtshof in einem Urteil des II. Senats (ZR 385/99) aufgenommen worden, BGHZ 154, 88, 93 ff. 32 Namentlich Tröger, a. a. O. 33  §  2 I. 28 

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Es ist hier nicht erforderlich, den Beweis zu erbringen, dass diese Denkungsart, die Ableitung von der Handlungsfreiheit, tatsächlich untergründig gewirkt hat. Die allgegenwärtige These einer Gleichstellung von juristischer Person und natürlicher Person weist im Grunde schon zuverlässig den Weg. Man lese dazu zunächst diejenige Argumentation Gebhards, welcher sich die 1. Kommission später nicht anschloss. Er fand zwar den Satz bedenklich, „daß die juristische Persönlichkeit nur zur Ermöglichung erlaubten, nicht aber unerlaubten Handelns verliehen, die Fiktion künstlicher Handlungsfähigkeit nur für die von der Rechtsordnung gebilligte Thätigkeit ausgestellt sei“. Noch ein letztes Argument Gebhards: Er könne nicht sehen, dass die juristische Person besser stehe als die physische; er könne ebenso wenig sehen, dass ohne eine strikte Haftung „der Rechtsschutz, welchen Dritte bei schuldhaften Handlungen oder Unterlassungen der Vertreter physischer Personen genießen, zu Gunsten juristischer Personen verkümmert werde“34. Die strikte Haftung aber wird später – gegen Gebhard – doch mit der Aufgabe verbunden, die juristische Person im Verkehr genauso verantwortlich zu machen, wie eine natürliche Person 35. Das ›Organ‹ ist aus dieser Sicht ein gelungenes Gleichnis: nicht eine anthropomorphisierende oder einfältige, sondern eine die Notwendigkeit und zugleich die Wertbasis verbindende Metapher.

34  Teilentwurf zur juristischen Person, S.  118 = Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Allgemeiner Teil, Band 1, S.  633. 35  Daran hielt die 2. Kommission fest. Sie wandte sich gegen das dozierend Konstruktive, s. Prot. S.  1044 f. = Mugdan, Materialien S.  617 f.

§  5 Die negotiorum gestio als fiktive Wirkungszuständigkeit Die Regeln für das Verhältnis von Geschäftsherr und Gestor in §  677 – §  686 gehören zu den institutionellen Säulen der bürgerlichrechtlichen Ausgleichsordnung, die sich in unserem Recht in einer eigentümlich-mehrspurigen Koexistenz von Gestion, Kondiktion, Delikt und Legalverhältnis aus Eigentum gegenüberstehen. Das legale Ausgleichsverhältnis bei auftragsloser Geschäftsbesorgung ist von weitläufiger Ambivalenz. Es ist Regressmittel, aber funktional ebenso Mittel der Folgenabwälzung bei Handeln im Fremdinteresse. Das Institut der auftragslosen Geschäftsbesorgung näher zu betrachten, lohnt aus mehreren Gründen: Es ergänzt das der Stellvertretung, mit dem sie historisch verwandt ist, nach innen; mit dem Auftragsrecht ist sie inhaltlich wie technisch-äußerlich verwandt. Sachlich steht der Gestor dem Kommissionär, Frachtführer, Schiffer, Insolvenzverwalter, Geschäftsführer und Organ von juristischen Personen oder Gesellschaften, Testamentsvollstrecker, usf. hinsichtlich der verhaltensbezogenen Zuweisungsergebnisse mehr oder weniger gleich. Noch ein zweiter Grund legt nahe, das Legalverhältnis der auftragslosen Geschäftsführung mit in die Betrachtungen einzubeziehen. Die Legalverhältnisse zwischen dominus und gestor in §§  677 ff. und zwischen dominus und possessor in §§  987 ff. haben, wie gesehen, historische und technische Parallelen. Der gestionsrechtliche Ausgleich ist eine Kasuistik. In der Architektonik der bürgerlichrechtlichen Ausgleichsordnung ist sie eine systemwichtige Stütze, aber auch schwer zu schematisieren. Die Aufgabenstellung gibt zwei Fragen und eine strenge Stoffbegrenzung vor: 1. Lassen sich analoge Verteilungsmuster wie für die dingbezogenen Legalverhältnisse aufzeigen? Also nicht: wann entsteht das Legalverhältnis (subjektive oder objektive, berechtige oder unberechtigte Gestionskonzeptionen), sondern wie werden Vorteile und Nachteile ex lege verteilt? 2. Welcher Gestionstyp ist als Form der Rechtszuständigkeit zu sehen und wie fügt er sich in das System der subjektiven Rechte am Verhalten anderer ein? Die ideologisch aufgeladene Befugnistheorie musste die Terminologie der Römer, die noch von dominus und gestor sprachen (und ja durchaus an die Handlung des Haussohns oder Sklaven dachten), verwerfen oder verschwei-

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gen1. Aufgeklärtem Vernunftrecht mochte die Fragestellung schon nicht akzeptabel scheinen, aber eine auf Verteilungsschemata gerichtete Analyse kann sie wieder in die Betrachtung einbeziehen.

I. Vorbemerkung zu den Gestionstypen im System bürgerlich-rechtlicher Geschäftsführung Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit des gestionsrechtlichen Stoffes machen einige Vorbemerkungen sinnvoll. In der deutschen Ausgleichsordnung, etwa im Kondiktions- oder Gestionsrecht, ist Verschiedenes unzweckmäßig nebeneinander gestellt. Es sind nicht nur die Technizität und die unanschauliche Verweisungstechnik 2 , die das Verständnis der §  677 – §  683 erschweren. Die Lehre hatte die tiefen judiziellen Eingriffe und Umgestaltungen zu verarbeiten. 1. Die erste Änderung wird als Theorie der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnet. Im zweigeteilten Aufbau der heutigen negotiorum gestio wirkt das aktionenrechtliche Gegenüber von actiones directae in §  677 – §  681 und actiones contrariae in §  682 – §  686 offenbar nach; auch ist der Schutz vor Einmischung noch an die Spitze gestellt, und vor allem werden Aufwendungen nur unter zusätzlichen Bedingungen (einer ,Parallelität der Willen‘, §  677 – §  683; Genehmigung, §  684 S.  2) ersetzt. Der Text weiß also scheinbar nichts von der Distinktion, dass nur bei der berechtigten Geschäftsführung die gestionstypischen Legalfolgen eintreten, bei unberechtigter eine restitutionsrechtliche Abwicklung erfolgt3. Ges­tionstypisch bedeutet: vermögensmäßige Zurechnung der Verhaltensfolgen zum Geschäftsherrn mit Hauptpflichten des Geschäftsführers (§  677), auftragsrechtlichen Nebenpflichten (§  681) und der Erlösherausgabe zum einen; mit Gegenrechten, insbesondere einem Anspruch auf Aufwendungsersatz (ungeachtet einer anhaltenden Bereicherung) zum anderen (§  683). Anders gesagt: Das gesamte Anspruchssystem betrifft nur die Geschäftsbesorgungen, die „berechtigt“ sind; sind sie unberechtigt, bleiben sie ungenehmigt, stehen dem Geschäftsherrn die Rechte in §  677 – §  682 nicht zu. 2. Der zweite Wandel ist ein schwer greifbarer, langsamer Funktionswandel, an dessen Ende eine Formel steht, die nach Belieben des Richters valuierbar ist. 1 

S. Inst. 3.27.2. die Kritik bei Isele, Geschäftsbesorgung, S.  171; Lent, Wille und Interesse, S.  7; Staudinger/Nipperdey, 11.  Aufl., vor §  677 ff. Rn.  13 ff. 3  Das entsprach der gemeinrechtlichen Lehre, s. etwa Puchta, Lehrbuch der Pandekten, 9.  Aufl., S.  496 f.: „Die directa negotiorum gestorum actio des Dominus, d. h. dessen Geschäfte geführt sind, erfordert zu ihrer Begründung nichts als jenes (scl. die Besorgung fremder Geschäfte), die contraria des Gestors aber außerdem die Absicht, einen Anspruch daraus zu erhalten, nicht gegen Verbot, und dass die Führung zum Vortheil geschehen sei“. Ausf. zu dieser Unterscheidung m. Nachw. sogleich unter §  5 III. 2  S.

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In kurzer Form: Das Reichsgericht machte das fremde Geschäft zum Zentralbegriff und las §  677 etwa so, als habe der Handelnde das Geschäft eines anderen zu besorgen. Fremd ist – da Funktionserweiterung Abstraktionswachstum begünstigt –, was „der Sorge eines anderen obliegt“4 ; was im „Rechtskreis“5 , später nach der Diktion des Bundesgerichtshofs im „Rechts- und Interessenkreis“ eines anderen liegt6 . Subjektive Erfordernisse sind auf ein kognitives Minimum reduziert, das als „Fremdgeschäftsführerwillen“ auch noch vermutet wird; nur beim neutralen Geschäft, wie dem Erwerb von Gütern, entscheidet ein erkennbarer, finaler Wille7. Mehr noch: als „fremd“ wird erwogen, was nicht ausnahmslos Eigengeschäft ist8 . Sogar der pflichtgebundene Gestor, der nur für einen Dritten, seinen Vertragspartner, handelt, soll „auch“ für den Geschäftsherrn handeln9. Erst von hier aus ist auch die regressrechtliche Universalität erschlossen. Aufwendungsersatz kommt nach diesen Erweiterungen nicht nur für jedwede Zahlung fremder Schulden, sondern auch für den pflichtgebundenen Gestor (prototypisch: Abschleppunternehmen, Behördenhilfe) in Betracht. Das Leitparadigma der altruistischen Hilfeleistung, das schon in der Antike gebrochen war, hat sich aufgelöst. Gestionsrecht ist heute wesentlich Mittel zum Regress, zur Ko­ stenverteilung (bei Behördenhilfe für Private, kranken Gesamtschuldverhältnissen oder als Ersatz für öffentliches Kostenrecht), und, bei ,unechter‘ Geschäftsbesorgung, Substitut der restitutionsrechtlichen Erlöshaftung – anders gesagt: als Ganzes gesehen ist es nur als Vielheit, nicht als Einheit zu denken10 . Um diese gewachsene Unordnung in Ordnung aufzulösen, bedarf es einer Orientierungshilfe. Die didaktischen Ordnungsreihen von berechtigter, unberechtigter, angemaßter, angewandter, schenkender, privilegierender, stellvertretender Gestion eignen sich kaum; der Rechtsstoff ist besser auf drei Gruppen aufzuteilen. 1. Bei berechtigter Geschäftsbesorgung – §  6 83, ist der Geschäftsführer (bei ,Parallelität der Willen‘) wie ein Beauftragter gestellt: Aufwendungen und handlungsbezogene typische Schäden werden ersetzt, berufliches Handeln wird vergütet; im Gegenzug kann der Geschäftsherr die Auskehrung des Erlöses und Verzinsung verlangen und hat flankierende Nebenrechte. 4 

RGZ 97, 64, 66. RGZ 138, 45, 48. 6  BGH NJW-RR 2001, 1282, 1284; BGH NZBau 2004, 34, 35. 7  BGHZ 98, 235, 240; BGHZ 140, 102, 109; BGH NJW 1979, 598; BGH NJW-RR 2005, 1426, 1428. 8  BGHZ 16, 12, 16; BGHZ 98, 235, 240; BGHZ 110, 313, 314 f.; BGHZ 140, 102, 109; ausf. Helm, Gutachten und Vorschläge, Band 3, S.  335, 369 ff. 9  St. Rspr., vgl. etwa BGHZ 16, 12, 16; BGHZ 40, 28; BGHZ 140, 102, 109; einschr. BGH NJW-RR 2004, 956. 10  Weil es Ordnungsaufgaben übernimmt, die andere Institutionen nicht abdecken, gilt das Gestionsrecht als unverzichtbar und bei der Überarbeitung des Schuldrechts blieb es unverändert; zutreffende Schilderung bei Helm, Gutachten und Vorschläge, Band 3, S.  335 ff. 5 

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Bei genehmigter Geschäftsbesorgung – §  6 84 S.  2, wird der Mangel an einer ,Parallelität der Willen‘, der Kern berechtigter Geschäftsbesorgung, kompensiert; dem Geschäftsherrn ist gestattet, die Gestorhandlung vermögensmäßig an sich zu ziehen, aber das heißt: mit allen Vorteilen und Nachteilen, insbesondere mit dem Recht der Erlösherausgabe und der mandatstypischen Erstattungspflicht. Bei pflichtübernehmender Geschäftsbesorgung – §  679, wird nur ein Defekt in der ,Parallelität der Willen‘ (nur der entgegenstehende Wille) in Eilsituationen bei allgemeinem (objektiven) Interesse an der Gestion überwunden mit derselben Folge der ›Zuweisung‹ mandatstypischer Vor- und Nachteile. 2. Von dieser Trichotomie der echten Gestionsverhältnisse, bei denen die Folgen der Gestion dem Geschäftsherrn „gebühren“, sind die unberechtigten Geschäftsbesorgungen mit restitutionsrechtlichen Abwicklungsfolgen zu unterscheiden: Bei unberechtigter Geschäftsbesorgung – §  6 84 S.  1, steht der Ausgleich beidseitig unter restitutionsrechtlichen Vorbehalten, Geschäftsherr und Gestor können jeweils nur den (noch) vorhandenen Vermögenszuwachs kondizieren. Im Übrigen besteht ein besonderer Einmischungsschutz mit verschärfter Haftung (§  678) und Privilegien für gutgläubige Helfer (§  680), nicht aber die vermögensrechtlichen Befugnisse des Mandats (Erlösauskehr, voller Aufwandsersatz); das ist die wesentliche Aussage der Herrschaftstheorie der „berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag“. Bei irrtümlicher Geschäftsbesorgung – §  6 87 S.  1, werden die Risiken aus der Besorgungshandlung dem Gestor auferlegt; sie ist der unberechtigten gleichgestellt; historisch resultierend aus einer Abwehrhaltung gegen die rein objektivistische Lösung bei Africanus und im Grunde eine Redundanz11. 3. Diese beiden Modelle (Gestion oder Restitution) sind nicht rein verwirklicht, es stehen Mischformen zwischen beiden, in denen entweder die negativen oder positiven Verhaltensfolgen angeordnet werden. Bei angemaßter Geschäftsbesorgung – §  6 87 Abs.  2 wird es bei bewussten Einmischungen und Übergriffen dem Geschäftsherrn ermöglicht, sich in das (im wesentlichen mandatsrechtliche) Schutzinstrumentarium „einzuwählen“, §  687 Abs.  2 ; es entsteht kein volles Legalverhältnis, denn im Gegenzug ist Aufwendungsersatz nur nach Restitutionsgrundsätzen zu leisten (§  684 S.  1). Man kann von isoliert angewandten actiones directae sprechen.

11  D. 3.5.48, s. dazu Mayer-Maly, Probleme der negotiorum gestio, ZRG (RA) 86 (1969), 416, 427; Seiler, Tatbestand der negotiorum gestio, S.  26 f., der das Fragment für eine Interpolation hält; s. allgemein zur Entwicklung die sorgfältige Darstellung von Wlassak, Die Geschichte der negotiorum gestio, passim.

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Bei angewandter Geschäftsbesorgung – §  9 94 Abs.  2 , und anderswo wird technisch auf gestionsrechtliches Aufwendungsrecht verwiesen; theoretisch gleichsam der umgekehrte Fall: eine isolierte actio contraria12 . Eine Betrachtung der Gestion als Wirkungszuständigkeit kann die Streitstände der Dogmatik zu Funktion und Bestimmungsgrund der Regeln nicht voll abarbeiten. Sie hat sich auf die Art und Weise der Verteilung des Legalverhältnisses zu konzentrieren. Es geht also im Folgenden (noch) nicht um ges­ tionsbegründende Merkmale, etwa den gestionsrechtlichen Fremdheitsbegriff, nicht um das Wann oder Warum, sondern nur um das Wie des Verteilungsprogramms für verhaltensbezogene Vorteile und Nachteile13.

II. Das Gestionsverhältnis als Konzentration und Komplementarität Die Sichtbarmachung der Verteilungslogik bringt dieselbe reziproke Komplementarität zutage, die wir für das Verhältnis von Eigentümer und Besitzer schon kennengelernt haben. Die Verteilungsgegenstände – die Symmetrieglieder – sind verschieden, aber es gibt dieselbe vierstellige Relativik der Befugnis, diesmal bezogen auf ein Verhalten. Es gibt also im Konzentrationsverhältnis für den ,dominus‘ – die positive Befugnis am Fremdverhalten, die bei berechtigter Geschäftsbesorgung durch die Pflicht zum Ausdruck kommt, das aus der zugewiesenen Handlung Erlangte herauszugeben; nicht Einmischungsschutz, der thematisch auf andere Befugnisse des Geschäftsherrn bezogen ist, sondern das AnSich-Ziehen-Können des Geschäfts ist Kernstück der Gestion; – die negative Befugnis, die in der Belastung mit dem periculum gestionis besteht: Das Wagnis des zufallsbedingt ausbleibenden Handlungsvorteils ist dem Geschäftsherrn zugewiesen, denn das nur „Erlangbare“ ist nicht zu ersetzen14. Im Komplementärverhältnis ist das Gegeneinander von actiones directae und actiones contrariae durch eine Nichtbefugnis des Handelnden begreiflich, denn – negative Folgen aus der Nichtbefugnis bedeuten für den Handelnden gleichsam eine Abweisung der Vermögensfolgen (Komplementärstück zur Zuweisung); deswegen ist nicht nur ein wie auch immer zu bemessender ,direkter‘ 12  §  539 Abs.  1, §  581 Abs.  2 , §  601 Abs.  2 S.  1, §  994 Abs.  2 , §  1049 Abs.  1, §  1216, §  2125. Bisweilen werden andere Legalverhältnisse nur punktuell ergänzt, etwa wenn der Eigenbesitzer iS. von §  687 Abs.  1 nach §  994 Abs.  2 Aufwendungsersatz verlangen kann; anders ist es bei §  1959 Abs.  1, §  1978 Abs.  1 S.  2, Abs.  3, §  1991; s. näher zur angewandten Geschäftsbesorgung Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  91 ff. 13  Die Bestimmung der „Rechts- und Interessensphäre“ wird später, in §  14, zu behandeln sein. 14  Arg. ex §  683 und einer Zufallshaftung nur bei Übernahmeverschulden, §  678.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Erwerb (paradigmatisch: ein vereinnahmter Preis), sondern jeder gestionsbezogene Vorteil bis hin zum empfangenen Schwarzgeld auszukehren; – positive Folgen für den Nichtbefugten, soweit der Gestor von Aufwendungen und Opfern entlastet wird, weil die Folgen seines Handelns ganz offenbar einem anderen gebühren15. Durch einen Wechselbezug zwischen actiones directae (§  677 – §  682) und actio­ nes contrariae (§  683 – §  686) entsteht eine heterochirale Ordnung16 . Die axio­ logischen Verbindungslinien beziehen sich nicht nur auf den Versuch, den Zielkonflikt zwischen Abwehr ungewünschter Einmischung und Förderung gebotener Hilfe zu lösen, der nach gestionsfördernden sowie gestionsbegrenzenden Regeln verlangt. Es gibt einen tieferen Wertkonnex, der schon bei Justinian erwähnt ist17. Diese Verbindungslinie geriet in der Pandektenwissenschaft, die über konzeptionelle Fragen zerstritten war (man erwog ein fingiertes Mandat, konstruierte Genehmigungen usf.), wieder aus dem Blick, solange bis Windscheid den ganzen „Konstruktivismus“ seiner Zeit mehr oder weniger zur mühsamen und müßigen Krähwinkelei erklärte. Ihm war allein der Wertkonnex wichtig: „So gut, wie das Recht von der einen Seite sagt: wer im Interesse eines Andern in dessen Angelegenheiten glaubt eingreifen zu müssen, soll dies ordentlich tun – sagt es andererseits: wenn er dabei eine Aufopferung mit dem Willen macht, daß ihm das Aufgeopferte von dem Geschäftsherrn solle ersetzt werden, so wird diesem Willen, obgleich derselbe nur ein einseitiger ist, dann stattgegeben, wenn diese Aufopferung wirklich im Interesse des Geschäftsherrn lag“18 . Diese Haltung könnte das Vorbild für eine Stellungnahme zum heutigen ges­ tionsrechtlichen Diskurs zur „Lehre der berechtigten Geschäftsbesorgung“ lie15 

S. auch §  680. Zur Reziprozität früh schon Adler, Jherings Jahrb. 31 (1892), S.  190 ff., 235. 17  Der Zusammenhang kommt bei Inst. 3.27.1. S.  1 klar zum Ausdruck. Es heißt: „igitur cum quis absentis negotia gesserit, ultro citroque inter eos nascuntur actiones, quae appellantur negotiorum gestorum: sed domino quidem rei gestae adversus eum qui gessit directa competit actio, negotiorum autem gestori contraria“. Auch Rechenschaftslegung und Aufwendungsersatz stehen in Wechselbezug: „sicut autem is qui utiliter gesserit negotia, habet obligatum dominum negotiorum, ita et contra iste quoque tenetur, ut administrationis rationem reddat“. In der Übersetzung von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler: „Wenn daher jemand die Geschäfte eines Abwesenden führt, dann entstehen zwischen ihnen auf beiden Seiten Klagen, die Geschäftsführungsklagen genannt werden. Dem Geschäftsherrn steht aber gegen den, der das Geschäft geführt hat, die Hauptklage zu, dem Geschäftsführer jedoch die Gegenklage“. Vielleicht noch klarer wird der Konnex bei Gaius im 3. Buch zum Provinzialedikt erwähnt, Dig. 3.5.2. S.  2 heißt: „Daher entsteht in diesem Fall auf beiden Seiten eine Klage, die Geschäftsführungsklage genannt wird. Und so wie es einerseits richtig ist, daß der Geschäftsführer selbst über seine Tätigkeit Rechnung legt und auf das verurteilt wird, was immer er entweder nicht, wie es geboten war, besorgt hat oder was er aus den Geschäften zurückhält, so ist es andererseits gerecht, ihm, wenn er das Geschäft zweckmäßig geführt hat, alles zu ersetzen, was er in diesem Zusammenhang an Vermögenseinbußen hat und noch haben wird“. (Übersetzung von Apathy/Bund/Harder/Horak). 18  Lehrbuch des Pandektenrechts, 2.  Band, 7.  Aufl., S.  568. 16 

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fern19. Wenn die jüngere Lehre auf Widerruf dieser Grundsätze drängt, änderte dies jedenfalls die heterochirale Semantik nicht 20 . Gehen wir auf diese Lehre in diesem Kontext einen kurzen Augenblick ein: Durch dieses Dogma kommt es gleichsam zu einer Verschmelzung zweier als gegensätzlich begriffener Anspruchsgruppen zu einem Institut 21. Die Basisaussage dieser von Lent und anderen entwickelten Lehre ist, wie gesagt, eine Distinktion zwischen zwei Arten der auftragslosen Geschäftsbesorgung, der berechtigten, bei der die Voraussetzungen des §  683 verwirklicht sind, und den übrigen „unberechtigten“ Geschäftsbesorgungen, wie es in der einleitenden Übersicht umgesetzt ist. Der ursprüngliche, streng actionenbezogene Gesetzestext, auf den diese Gegenlehren zurückkommen wollen, zielte, wie man in den Protokollen nachlesen kann, aber selbstverständlich nicht auf Erlösherausgabe ohne Genehmigung (also bei „unberechtigter“ Geschäftsbesorgung) 22 . Es bleibt also bei dem Prinzip einer Erlösherausgabe als einem Ausdruck der ,positiven Befugnis‘.

III. Die negotiorum gestio als fingierte Rechtszuständigkeit am Verhalten für andere Zurück zu der Frage, ob sich die Gestion als eine Form der Rechtszuständigkeit denken lässt. Die Frage in Streitthesen näher gefasst, lässt sich das „echte“ Ges­ tionsverhältnis deuten – als Verteilungsform: Das Legalverhältnis ist Mittel der Zuständigkeit für bestimmtes Verhalten für andere. Der Geschäftsherr ist bei berechtigter, pflicht­ übernehmender oder genehmigter Geschäftsbesorgung für die Gestionshandlung rechtszuständig; – als Gegenüber wechselseitiger Ausgleichsansprüche: Das Legalverhältnis ist ein Aggregat themenähnlicher Rechte mit einem deliktsähnlichen Einmischungsschutz für den Geschäftsherrn zum einen, einem großzügigen Restitutionsschutz für den Gestor zum anderen. 19  Die Kritik durch Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  46 f., der Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  123 ff., Beuthien, Festschrift Söllner, S.  125 ff. und andere folgten, konnte sich mit Recht nicht durchsetzen. 20  Man sieht die Irrelevanz der Lehre der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag für die Frage vielleicht am besten daran, dass Wollschläger, a. a. O. als einer ihrer wichtigsten Kritiker die Gestion ganz im hier angenommenen Sinne als Fremdzuständigkeit am Gestionsverhalten beschreibt. 21  Zu gewissen Einschränkungen im Hinblick auf §  680 und §  685 s. Helm, Gutachten und Vorschläge, Band 3, S.  367. 22  Prot. S.  3034 = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1194, am Ende von III. Die angebliche Wende wird deswegen auch zu Unrecht als ungesetzliche kritisiert bei Bergmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  91 ff. Seltsamerweise geht auch keiner der Hauptkritiker, weder Beuthien, Wollschläger (s. Nachweise zuvor) noch Bergmann, a. a. O. auf diese Stelle ein.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Es sind alternative Konzeptionen, die sich für moderne Gestionsfälle im gesamten Fallspektrum, von der auftragslosen Stellvertretung bis hin zur ungewollten Suizidverhinderung, mehr oder weniger gut eignen. Es gehört nicht zu dem Forschungsanliegen der symmetrischen Theorie, sich mit den ausdifferenzierten Konstruktionen der Dogmatik in der Tiefe zu befassen. Auf die Beschreibungsmöglichkeit als Form der Rechtszuständigkeit näher einzugehen, soll dennoch nicht verzichtet werden, denn sie zeigt ein bislang noch nicht genügend behandeltes Ordnungsfeld für symmetrische Wertungen. Die These vorangestellt: Die Figur der berechtigen Geschäftsführung bedient sich der Fiktion einer Rechtszuständigkeit am Verhalten anderer. Um diese vorzubereiten, ist zunächst ein vertiefender Überblick zur Dogmatik der negotiorum gestio in zwei Schritten voranzustellen.

1. Die drei Hauptkonzeptionen der negotiorum gestio in ihrer Entwicklung In der Entwicklungsgeschichte bilden sich drei Konzepte heraus, deren Kenntnis für ein Verständnis der modernen negotiorum gestio wichtig ist. Eine Eigenart der Gestionstheorie ist es, dass neue Ansätze mehr als sonst aus dem Alten gewonnen sind und mehr als sonst darauf bezogen bleiben. Ein stark geraffter Entwicklungsgang soll die drei wesentlichen geschichtlichen Gestionskonzepte verständlicher machen. Die auftragslose Übernahme eines Prozesses für einen Abwesenden oder Verstorbenen ist ein Urtypus, der in der nachrepublikanischen Ära durch das Paradigma freiwilliger Freundeshilfe erweitert wurde. Noch in der Antike bildete sich ein Typenreichtum und die actio negotiorum gestorum nahm als Regressmittel und Substitut des unbekannten Instituts der Stellvertretung einen systemstützenden Platz ein 23. Man kann als Richtlinie sagen, das vorgenommene Geschäft musste objektiv „fremd“ sein und die Anforderungen an das subjektive Moment nahmen situativ in dem Grade zu, wie die Fremdheit zweifelhaft wurde. Bei Africanus und anderen finden sich auch einzelne Fragmente, in denen auf ein kognitives oder finales Moment ganz verzichtet wird24. Im Naturrecht begann die Tendenz, die objektiven und subjektiven Elemente als alternative Konzeptionen zu sehen, die sich bis in die Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch fortsetzte: Die 1. Kommission neigte einem objektiven Standpunkt zu, aber die Bestimmung des „objektiv“ fremden Geschäfts galt schon der Pandektistik als ungelöste, vielleicht unlösbare Aufgabe25 , sodass sich Windscheid 23  Zum Folgenden näher Wlassak, Die Geschichte der negotiorum gestio, passim; Harke, Geschäftsführung und Bereicherung, passim. 24  S. bereits §  5, Fn.  11. Das Fragment beeinflusste Art.  759 des Dresdner Entwurfs und, negativ, auch das Bürgerliche Gesetzbuch, s. §  687 S.  1, s. etwa den Vorentwurf v. Kübels bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, S.  945, 960 f. 25 Die Frage wurde von der 1. Kommission zurückgestellt, Prot. I, S.   1643 f. = Jakobs/ Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  123.

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als Mitglied der 2. Kommission mit dem subjektiven Ansatz aus seiner „Pandektenlehre“ durchsetzen konnte26 , der aber nicht eindeutig umgesetzt wurde: Das Erfordernis, ein fremdes Geschäft objektiv zu bestimmen, blieb für die irrtümliche Besorgung bestehen; es kann auch bei §  686 nicht vernachlässigt werden. Die Gesetz gewordene Fassung ist also ambivalent27, vor allem hatte sich der Wille ja doch auf „fremde Angelegenheiten“ zu richten. Auf welche, war nicht gesagt. So gab sich das Reichsgericht das Mittel einer praxisgerechten Handhabung selbst, indem es sich faktisch dem Standpunkt des Erstentwurfs annäherte, gegen welchen sich Windscheid und die 2. Kommission so entschieden ausgesprochen hatten 28 . Soweit die konzeptionsgeschichtliche Skizze. Zieht man die Summe, kann man nach der Gewichtung des altruistischen, konsensualen, verteilenden Moments drei Ansätze unterscheiden. 1. Eine subjektiv-finale Konzeption hebt das altruistische Moment ganz in den Vordergrund. Legitimes Regelungsziel sei es nur, Menschenhilfe zu fördern 29. Vor allem die problematischere Kasuistik ist aus dieser Richtung gestionsrechtlich nicht mehr regulär „erschlossen“. 2. Eine konsensuale Konzeption zielt auf einen Gleichlauf der Interessen, eine Parallelität der Willen. Sie erinnert an die Figur der mutmaßlichen Einwilligung. Die actio negotiorum gestorum ist bei Justinian den Quasikontrakten zugeordnet 30 . 3. Eine objektive Konzeption leugnet die subjektiven Qualitätserfordernisse zugunsten eines wertenden Verteilungskalküls. Wille und Interesse des Gestors sind in einer historischen Variante irrelevant (Africanus) und zielen in moderner Interpretation nur auf Abwehr von Einmischung (Wollschläger) 31.

2. Deutungsversuche zur modernen negotiorum gestio in der Lehre Nach dieser Übersicht ist in einem zweiten Schritt kurz auf die wesentliche Frontstellung in der jüngeren Dogmatik einzugehen. Die Ausgangsfrage, ob das Legalverhältnis als formale Wirkungszuständigkeit zu verstehen ist, hängt mit der konzeptionellen Sicht offenbar zusammen. Je nachdem, welchen der drei Konzeptionsansätze man wählt, scheint die Sicht einer Rechtszuständigkeit ex lege mal mehr, mal weniger zu passen, und es ist evident, dass sie durch das dritte Konzept am meisten gestützt wird. Das lässt 26 

Mot. II, S.  855. S. §  679. Noch weniger zu leugnen ist das subjektive Erfordernis. 28  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  155 ff. (mit dem Antrag Windscheids), s. ferner Mugdan, Materialien, Band 2, S.  486. 29  S. vor allem Kohlers Ansatz einer Rechtspflicht zur Menschenhilfe als Konzeptionsidee in Jherings Jahrb. 25 (1887), S.  1. 30 HKK/Jansen, §§  677–687 Rn.  14. 31  Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, passim; dazu sogleich im Text. 27 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

sich vielleicht am besten anhand des rechtsliterarischen Streits zwischen Wollschläger und Wittmann zeigen. Was der Zentralbegriff des „fremden Geschäfts“ ist, wird von ihnen auf Alternativen gebracht: entweder objektive Lastenzuweisung oder subjektiv gewollte Fremdnützigkeit. Die jüngere Schuldrechtsliteratur verstärkt die Antithetik von objektiver oder subjektiver Begründungsart, die sie anhand zweier Lesarten von „wer ein Geschäft für einen anderen besorgt“ zuspitzt. Die erste setzt die Willensrichtung zugunsten einer objektiven Zuständigkeit zurück und liest: wer das Geschäft eines anderen besorgt. Für die zweite bleibt nur der Wille maßgeblich und sie betont, dass es heißt: wer ein Geschäft für einen anderen besorgt. Weder Wollschläger noch Wittmann, die Hauptvertreter der objektiven und subjektiven Konzeptionen, leugnen die von §  687 vorgegebene Relevanz des Willensmoments. Sie sind uneinig, wie das Willensmoment durch ein Objektives zu ergänzen sei. Verschieden ist bei ihnen die Art und Bedeutung eines objektivierten Fremdheitsnachweises. Nach Wollschläger entscheiden die von den Wertungen der Rechtsordnung vorgegebenen Zuständigkeiten 32 . Ein Kernsatz ist: Die Regelung der Geschäftsführung ohne Auftrag ist „derjenige Teil der Ausgleichsordnung, welcher unrechtmäßige Vermögenslagen, die aus auftragslosem Handeln für andere entstehen, korrigiert. Ihr Zweck ist die richtige Zuweisung von Gütern, Lasten und Schadensrisiken aus bewusster fremdnütziger Tätigkeit, die ohne Vertrag erfolgt“33. Damit ist das kenntnis- und willensbezogene Moment zugunsten einer objektiven (und forensisch operablen) Kontur auf ein kognitives Minimum begrenzt – insofern eine theoretische Fundierung des längst praktizierten Rechts. Wittmann und viele Anhänger versuchen, die funktionale Ausweitung, welche die Gerichte vorgenommen haben, durch Aufwertung des subjektiven Moments zu bekämpfen. Gefordert wird eine besondere subjektive Qualität, eine „fremdnützige Absicht“ des Geschäftsbesorgers34. Sie sei aus dem „sozialen Sinn“ der Handlung zu erschließen. Bei Wittmann bleibt unklar, wie sozialer Handlungssinn erfahrbar ist35.

3. Die fiktive Rechtszuständigkeit an den Handlungsfolgen Zurück zu der Hypothese. Die Arbeit zielt nicht auf eine Neukonzeption, ihr Fortschritt soll nicht dahin gehen, die Aufwertung zum Universalmittel des 32 

Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  52 ff. Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  52 ff., 60 ff., 319 (Zitat). 34  Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  76. 35  Wittmann, Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag, S.   72 ff. Fragt man nach fühlbarer Differenz, wird es schwerer, Unterschiede auszumachen. Denn der Wille muss zum Ausdruck gelangen; er hat sich „dem Sinn nach“ auf etwas, ein Objektives, einen Gegenstand, eine Angelegenheit, zu beziehen. Bei der Suche nach einem „sozialen Sinn“ wird der Rechtsanwender leicht auf den objektivistischen Standpunkt zurückgebracht. 33 

§  5 Die negotiorum gestio als fiktive Wirkungszuständigkeit

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Regresses zu annullieren. Konzeptionen, die sich zur Beschreibung der objektiven und subjektiven Momente, welche die moderne negotiorum gestio heute hat, überhaupt eignen, sind selten. Das von Wollschläger vorgelegte Konzept kommt dem richterlichen Modell am nächsten. Er hat bereits den Nachweis geführt, dass die Befugnisse aus der Gestion als Zuständigkeitsfolgen begreiflich sind36 . Das ist nach dem Gesagten ohnehin historisch plausibel, denn bis ins 19. Jahrhundert waren Mandat, Stellvertretung und Gestion gar nicht klar getrennt; in Rom war die actio negotiorum gestorum Substitut der Stellvertretung, der wichtigsten Form für Handlungszuweisungen 37. Und man kann auch sagen, die ungerufene Geschäftsbesorgung hat im inneren Teilsystem des Geschäftsbesorgungsrechts unter den Zuständigkeiten am Verhalten einen hervorgehobenen Platz. Man kann also im Sinne der Hypothese zunächst festhalten: Das Legalverhältnis erreicht eine rechtliche Zuweisung der Gestionshandlung an einen anderen. Es ist äußerlich wesentlich auf die Handlung bezogen, die es ihrem Zweck nach fördern und zugleich begrenzen und steuern soll. Die ausgleichsbedürftige Störung ist ohne zweckgerichtetes Verhalten gar nicht denkbar. Die negotiorum gestio erscheint als ungerufenes, einseitiges Mandat. Es ist gleichsam gedankliches Gegenstück zu der einseitigen Berufung des Vorerben oder Testamentsvollstreckers zu Geschäftsbesorgern, denn in diesen Fällen geht die einseitige Berufung vom Geschäftsherrn aus. Und auch die genehmigte Gestion, der zweite Grundtyp des Legalverhältnisses, setzt die Gestionshandlung gedanklich schon voraus. Anders gesagt: Schon analytisch-technisch gesehen, ist Ges­ tionsrecht im Kern Ausgleich und Korrektur von Verhaltensfolgen. Und doch – dies ist das Eigentümliche – bleibt eine Ambivalenz. Dass diese Sicht auf die moderne negotiorum gestio zu künstlichen Annahmen führen kann, ist einzugestehen. Ist es wirklich angemessen, den Suizidwilligen, dem ein ,berechtigter‘ Gestor in den Arm fällt, als rechtszuständig für die helfende Gestorhandlung (die Verhinderung der Selbsttötung) anzusehen? Die Antwort, und auf diese einfache Schlussfolgerung kommt es an, führt zurück zum Legalverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer. Die formal-logische Konstruktivität seiner Gestionskonzeption war Johow nicht entgangen. Zur Erinnerung: Sein gestionsrechtlicher Ansatz sollte das schwierige Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer verständlich machen und unter einen einheitlichen Gesichtspunkt bringen – und zwar durch die Vermittlung der Fiktion, der Besitzer

36  Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  56 unter Berufung auf Hans J. Wolff, Theorie der Vertretung, S.  2 ff. und Schlossmann, Lehre von der Stellvertretung, S.  20. 37  Die Nähe zum Mandat war im römischen Recht dadurch klarer, dass sich das rechtliche Verhältnis durch spätere Zustimmung oder auch nur durch widerspruchslose Kenntnis in ein Mandatsverhältnis verwandelte, s. Seiler, Der Tatbestand, S.  69; Staudinger/Bergmann, vor §  677 Rn.  54.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

sei Gestor des Eigentümers38 . Das ist der entscheidende Aspekt: Die Gestion ist ein Mittel, ein symmetrisches Verteilungsmuster in einem Sachverhalt durch Rechtsfiktion herzustellen. Für Einsichten in die symmetrische Wirkungsart lässt sich festhalten, wie sich die Institutionen der verhaltensbezogenen Rechtszuständigkeiten mal aus Verkehrsbedürfnissen erklären (Stellvertretung), mal auf Folgezwänge zurückzuführen sind (Anerkennung der juristischen Personen und Organschaft), mal als Technik zu verstehen sind (fingierte Gestionszuständigkeit) – stets aber derselben heterochiralen Verteilungslogik folgen.

38 

Johow bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1035.

Dritter Abschnitt

Durchbrechung der formalen Verteilungsordnung In der formalen Verteilungsordnung sind die einzelnen Formen des Gebührens, Zuständig-Seins, Innehabens symmetrisch geordnet. Kennzeichen dieser statischen Verteilungsordnung ist, dass sie Anspruch erhebt, die Vorteile und Nachteile zwischen den Rechtssubjekten nur durch die Zuweisung der Form zu ordnen. Aber nicht alle juristischen Regeln, welche die Vorteile und Nachteile an etwas außer mir (Ding, Verhalten, Person) verteilen helfen, sind formal. Keine formale Verteilungsordnung lässt sich streng durchhalten. Im folgenden Abschnitt sind Durchbrechungen der Formenordnung zu behandeln, welche eine symmetrische causa haben. In materialen Symmetriesätzen zeigt sich der Widerstand gegen die formale Innehabensordnung dort, wo das System nicht weiter kommt. Das System spürt eine prinzipielle Wirksamkeit, wo es sich nicht streng einhalten lässt. Die Phänomene, in denen sich andere Verteilungsgedanken durch die Formenordnung die Bahn brechen, sind sehr verschiedenartig. Nicht alle sind als Symmetriesätze zu begreifen. Eben deshalb soll eine kurze Einführung in die Art und Weise der Durchbrechungen der formalen Verteilungsordnung vorangestellt werden.

§  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung Um den Einbruchstellen nachzugehen, in denen Symmetriesätze die formgebundenen Rechtszuständigkeiten verändern, wollen wir uns in einem ersten Schritt der theoretischen Entwürfe vergewissern, die darauf hinausliefen, die formalen Elemente der Verteilungsordnung zu beseitigen oder zu schwächen. Dadurch wird ein Verständnis dafür aufgebaut, wo die echten Zeichen für eine Ordnungswirksamkeit von Symmetriesätzen zu suchen sind (I.). Dazu ist die Semantik dieser relativen Berechtigungen, gedacht als materiale Symmetrien, näher zu bestimmen (II.) und in einen Rückbezug zur vollkommenen – heterochiralen – Symmetrie zu bringen (III.). Es wird versucht, die Phänomenologie solcher materialen Symmetrien vorzuordnen (IV.).

I. Wesentliche Theorieentwürfe zur Entformalisierung der Verteilungsordnung Ein anerkannter theoretischer Überbau für diese Durchbrechungen fehlt. Man erkennt die selbstverständlich gewordene Eigenart des deutschen Rechts anhand der drei Kritikwellen, die gegen die romanistische Formalisierung der deutschen Vermögensordnung im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 stießen, aber allesamt keine Entformalisierung bewirkt haben. 1. In der ersten Stoßrichtung orientierte sich die geschlagene Nation wissenschaftlich an amerikanischen Vorbildern. Nach dem Ersten Weltkrieg brachte der Wunsch nach Annäherung das Bestreben hervor, sich gegen das Alte und Vergangene – das hieß: das traditionell Deutsche – abzusetzen. Die Freirechtsschule gewann an Einfluss. Die Suche der Dogmatik nach Wegen, sich der amerikanischen trust doctrine zu nähern, ihr eine deutsche Treuhandlehre gegenüberzustellen, folgte scheinbar einem Gebot der Zeit. Beides vergeblich: Die Strömung des freirechtlichen Denkens unterlag der Gegenlinie, die wir heute Wertungsjurisprudenz nennen1. Aber die trust doctrine war von einer reizhaften – und das wiederum heißt: latent unwissenschaftlichen – Anziehungskraft

1 

Referat bei Petersen, Interessenjurisprudenz, S.  6 ff.

§  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung 115

für die deutsche Treuhanddogmatik 2 . Im Rückblick zeigt sich aber, wie erwähnt, dass Außenwirkungen der Treuhand im deutschen Recht eine seltene Ausnahme sind. Es trifft zu, wenn Esser die am Trust orientierte Treuhand als „romanistischen Findling“, also „systemfremdes Einsprengsel“ sieht, denn derartige unmittelbare Drittwirkungen sind im deutschen Recht singulär3. Der Treuhandgedanke hilft allgemein nicht, die Grenzen der Formenordnung (Stellvertretung, Eigentum, Gesellschaft) zu transzendieren – die deutsche Treuhand ist in Wahrheit sachenrechtlich und durch die Institutionen des Obligationen- und Verbandsrechts determiniert4. 2. Im Nationalsozialismus entstand dann die noch weit radikalere und durchaus anspruchsvolle Kritik an der römisch-abstrakten Tendenz des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Insbesondere die Kieler Schule setzte sich zum Ziel, das Vermögensrecht von seiner sachenrechtlichen Enge zu befreien. Bei Wieacker mündet das in eine Verspottung der romanistischen „Straßenverkehrsordnung des Güterrechts“, das Tradition oder Traditionssurrogat fordere, aber nicht mehr „Ausdruck definitiver Güterzuordnung“ sei, da seine Formzuweisungen ständig bedroht seien, durch kondiktionsrechtliche Restitution korrigiert zu werden 5. „Nicht das Sachenrecht, das vom abstrakten Erwerb handelt, entscheidet heute über die Gründe der Güterzuteilung“. Das Sachenrecht sage nur etwas über die technischen Formen aus, in denen sich Güterzuteilung vollziehe. Die Kritik richtete sich unter anderem gegen das Vorläufige und Unbeständige formeller Güterzuweisung und zielte auf einen „Neubau einer gerechten Eigentumsordnung“, der sich „im Sachenrecht keiner selbständigen Güterzuordnung“ gegenübersehe6 . Diese Aufrufe zur umwälzenden Neuordnung des positiven Sachenrechts sind seit dem schnellen Ende der Kieler Schule noch in der NS-Zeit beinahe vergessen. 3. Die Lehre hat seither vergeblich versucht, das historische ius ad rem, soweit es eine Nähebeziehung zur Sache vor der traditio bezeichnete, aufzunehmen 2  Man lese nur, wie bei Assfalg die Diktion vom Bewunderungs- und Spottton bei seiner Gegenüberstellung von trust und fiduzia wechselt, Behandlung, S.  131 ff., z. B. S.  134 „einzig mögliche und natürliche Grenze“ hier und „künstlich und mehr oder weniger willkürlich“ dort oder S.  132: den „umfassendsten Begriff kennt das englische Recht“ während das kontinentale als ein an „das Vorbild der römisch-rechtlichen ,fiduzia‘“ Klammerndes diffamiert wird, S.  133. Die Arbeit gilt Vielen als grundlegend. 3  Grundsatz und Norm, S.  368. 4  Der historische Versuch, das Steuerrecht ganz von den zivilrechtlichen Formen zu lösen und die Begriffe in Steuergesetzen nach materiellen Kriterien zu erklären, kommt einer materiellen Innehabensordnung vielleicht am nächsten. „Eigentümer“ oder „Gesellschafter“ ist dann, wer die entsprechenden Vorteile wie ein „Eigentümer“ oder „Gesellschafter“ zieht, s. schon §  1, Fn.  33. 5  Wieacker, Wandlungen der Eigentumsverfassung, S.  29 f. 6  Wieacker, Wandlungen der Eigentumsverfassung, a.  a. O. meinte, Gerechtigkeitsentscheidungen vermittelten die „Organisationsnormen des Sachenrechts“ nur noch in den „Idyllen des Sachenrechts“, bei Teilung eines Schatzes, dem Funderwerb, Erwerb eines Bienenschwarms.

116

Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

und wiederzubeleben. Sie schuf neue Denkformen für Obligationen, die ähnlich wie Sachenrechte gegen Dritte wirkten. Ein Versuch, nach der Jahrhundertmitte noch einmal das Formale der Vermögensordnung von innen zu schwächen, besteht in der bis heute nachwirkenden Lehre Dulckeits, die es etwas näher zu betrachten gilt. Denn seine Denkfiguren werden mit den begrifflichen Antinomien des „relativen Eigen“ und der „verdinglichten Obligation“ benannt und geben der Dogmatik noch immer die Stichworte7. Beide Begriffspaare, die ohne Auffüllung mit Inhalten dasselbe besagen könnten, sind durchaus nicht als Wortspiel, sondern als Bezeichnung strenger Dogmenbildung gedacht. Nach Dulckeit begründet die Forderung ein relatives Eigenrecht des Gläubigers. Ein nur „an sich“ bestehendes Eigen, das mit Vertragsschluss entstehe, aber durch Erfüllung volle Wirklichkeit eines „an und für sich“ bestehenden Rechts werde8 . Der Gegenbegriff der verdinglichten Obligation zielt darauf, der Forderung „dingliche“ Wirkungen zukommen zu lassen. Das ist viel erörtert worden und hat sich, im Ganzen, nicht durchsetzen können, was man daran sieht, dass man im Grunde nur noch um den eher unbedeutenden Teilaspekt des Eingriffs in eine „Forderungszuständigkeit“ uneinig ist, die Forderung selbst aber weiter als nichtdinglich angesehen wird9. Es gilt nachzuvollziehen, worauf die Theorie des „relativen Eigens“ Dulckeits hinaus wollte. Schon in Dulckeits Hauptwerk „Rechtsbegriff und Rechtsgestalt“ von 1936 hatte er ein neuhegelianisches Eigentumsverständnis proklamiert10 : „Die Stipulation des Vertrags hingegen ist schon selbst das Dasein meines Willensbeschlusses in dem Sinne, dass ich meine Sache hiermit veräußert, sie itzt aufgehört habe, mein Eigentum zu sein, und dass ich sie bereits als Eigentum des anderen anerkenne“11. Aus diesem, den Grundlinien der Philosophie, entnommenen Satz leitete er ab, dass Eigentum im Innenverhältnis bereits erworben sei, die traditio wird zur Publikmachung des vollzogenen stillen Erwerbs herabgesetzt12 . In seiner These von 1951 hieß es mit vertragstheoreti7  Es mag sein, dass Dulckeits Zugehörigkeit zu denjenigen Neuhegelianern dazu beitrug, die aus der Katastrophe kaum Konsequenzen für ihr politisch-instrumentelles Methodendenken zogen, sondern unverändert nach Art des Verdrängens an ihren eigentlich diskreditierten Arbeiten der dreißiger Jahre noch zwei Jahrzehnte anknüpfen wollten. 8  Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S.  5 4. 9  Dörner, Dynamische Relativität, S.   83 ff. Gegen Dulckeit s. auch G. Husserl, Person, S.  69, Fn.  150. 10  Es galt, Hegels Lehren der Rechtsgemeinschaft zu erschließen und der neuen Macht als Instrument zu empfehlen. Dulckeit, der dem Kreis der Neuhegelianer zugehörte, hatte sich in der Zeit zwischen 1933 und 1938, also als die Kieler Schule um Larenz, Wieacker, Siebert, Dahm, E. R. Huber das deutsche Rechtsdenken unter Berufung auf die hegelianische Logik umzudeuten suchte, ganz offen an Hegel angelehnt. Der Monarch sei bei Hegel schon als Führer verstanden, meint Dulckeit 1938, ZDK 4 (1938), S.  50. Eingehend zu Dulckeit s. Mährlein, Volksgeist und Recht, S.  192 ff. 11  Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §  79, S.  83. 12 Rechtsbegriff und Rechtsgestalt, S.   112. Vorläufer des Gedankens bei Jacobi, Arch­ BürgR 2 (1889) 31, 60. Gegen diesen Hegelianismus bereits Wieacker, DRWiss 1941, 49 ff.

§  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung 117

schem Einschlag: „Die Willenseinigung bindet den Verpflichteten, weil er den gemeinsamen Vertragswillen als zugleich fremden Willen nicht mehr einseitig ändern kann; sie ist für ihn nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch-sittlich verbindlich, weil der gemeinsame seinem ganzen Umfang nach zugleich autonom, d. h. eigener freier Wille des Vertragschließenden ist. Der Inhalt des Vertrags gilt daher als selbstgesetztes objektiviertes Recht. Die vertragliche Zusage des Eigens ist demgemäß schon Rechtens, d. h. das im Vertrag versprochene Eigen steht inter partes und idealiter bereits dem Erwerber zu. Nur weil dieser rechtmäßige Zustand auch realiter in der Wirklichkeit hergestellt werden soll und muß, hat der Veräußerer die Verpflichtung und der Erwerber den Anspruch auf Besitzverschaffung am übertragenen Eigen, das sich damit zugleich aus einem relativen in ein absolutes Recht verwandeln würde“13. Das klingt beinahe gnostisch, so dass auch Dulckeit um eine Relativierung bemüht ist: „Im Ergebnis – aber freilich auch nur im Ergebnis macht es nur terminologisch einen Unterschied, ob man das im Schuldverhältnis erworbene Recht als relatives Eigen oder als bloße Forderung bezeichnet“14. Aber: „(…) die Forderung oder die Verpflichtung zur Leistung, d. h. zur Besitzverschaffung und Verdinglichung des Rechts, (scl. lässt) sich rechtslogisch nur so begründen (…), dass der Berechtigte in der vertraglichen Willenseinigung das Recht als solches – wenn auch nur im Innenverhältnis – schon zu eigen erworben hat“15. Wie unterscheidet sich die neue rechtslogische Vorgabe von einer rückwärtsgewandten Träumerei, einem trotzigen Stehenbleiben auf der neuhegelianischen Position mit germanistischen Wortetiketten? Liegt es nicht nahe, hierin einen romantischen Historismus, ein am römischen Platzkauf orientiertes, letztlich recht archaisches Konzept zu sehen, das dem verfeinerten Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgestülpt werden soll? Aber damit wäre der Rekurs auf die „Rechtslogik“ missverstanden. Es ist nicht nur ein leeres Wort. Es ging Dulckeit wie der Kieler Schule im Jahr 1936, wie man weiß, um Implementierung des Führerprinzips ins Recht und das war gleichbedeutend mit einer geräuschlosen Aushöhlung des Rechts. Der Appell an die Logik im Jahr 1951 ist die in jener Zeit nicht eben seltene Verklärung der alten pseudo-hegelianischen Ansätze, die den zivilrechtlichen Fundamentalbegriffen Rechtsgut, Eigentum, subjektives Recht einen anderen Sinngehalt unterschieben sollten. Der Appell gehört gleichsam zu den nachträglichen Korrekturarbeiten der Neuhegelianer, die ihre alten Methoden auf ein unkenntliches Maß abstrahierten. Dieses Verständnis von relativem Eigen hat also einen ganz bestimmten Bezug zum neuhegelianischen Ordnungsdenken, zur Typuskonzeption, zur objektiven Auslegung, die damals Manipulationsmethoden waren, die helfen sollten, den Willen der Machthaber zur Geltung zu 13 

Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S.  33 f. Wie zuvor, S.  33. 15  Wie zuvor, provokative Hervorhebung im Original. 14 

118

Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

bringen16 . Wer diesen Zusammenhang klarer sehen will, muss sich nur an die frühe NS-Zeit erinnern, in welcher der romanischen – als undeutsch empfundenen – Vermögensordnung des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Kampf angesagt war. Der Versuch, dies durch die Kategorie eines relativen Eigens zu erreichen, ist kein Einzelfall, sondern ein typisches Phänomen der Zeit. Unsere Zeit gehen diese rückschrittlichen Gedankenwege nichts an17. Wo das Wort „relatives Eigen“ später verwendet wird, etwa bei v. Caemmerer oder Picker, hat es oft eine andere Konnotation. Es soll Rechtsphänomene benennen, die scheinbar „zwischen“ den Kategorien von dinglichen und persönlichen Rechten stehen18 ; es wird als Synonym für jeden Dinganspruch19, besitzlose Sachenrechte20 , Obligationen aller Art21 verstanden. Es ist bei dieser vagen Terminologie gut, den gedanklichen Ausgangspunkt Dulckeits in Grundzügen zu kennen. Bei Dulckeit ist die Durchbrechung der romanistischen Formenordnung gewollt, bei v. Caemmerer oder Picker nicht. Man sieht: Das ius ad rem konnte auch in der Denkvariante des relativen Eigen nicht zur Destabilisierung der formalen Vermögensordnung beitragen, im Gegenteil.

II. Die Semantik der relativen Befugnis als Abstraktionsproblem Dieser ernüchternde Befund ist kaum weniger als das Eingeständnis, dass eine Theorie jeder relativen Befugnis nicht verfügbar ist 22 . Gemeinrechtlicher Literatur und Pandektistik war es viel stärker bewusst, wie im Recht Vorteile und Nachteile außerhalb der Formen nach allgemeinen universalen Regeln verteilt werden. An zwei Aspekte aus dieser halb vergessenen Diskussion ist zu erinnern. Erstens: Der, wie gesagt, weithin als allgemeine Regel geachtete Satz ›cuius periculum eius commodum‹ hat einen Doppelsinn, wie Monroy erläutert: „Sie kann einmal heißen: wer allgemein die Gefahr einer Sache trägt, hat auch deren Gewinn zu beanspruchen. Sie kann aber ferner heißen: wer die Gefahr eines bestimmten Ereignisses trägt, hat Anspruch auf den durch dasselbe hervorgebrachten Gewinn“23. Dann ist also die Semantik von commodum und periculum 16  Die Bezugnahme auf den Führer lässt sich bei Dulckeit, Rechtsbegriff und Rechtsgestalt, S.  164 in Fn.  78 nachlesen. Zur gleichen Camouflagetechnik bei Larenz s. den Verf., StuW 2007, 314, 315 f. 17  Nach den Arbeiten Rüthers, insbes. „Die unbegrenzte Auslegung“, könnte man daran vorbeigehen, wenn sich die Forschungsgemeinschaft der frühen Sinnbedeutung des „relativen Eigen“ noch bewusst wäre. Aber so ist es nicht. 18  Felgentraeger, Einfluß, S.  2. 19  Bloch, Rev. trim. dr.civ., 1988, 673, 683; so auch Art. I 2. §  124 ALR. 20  Heusler, Institutionen des Deutschen Privatrechts I, S.  384. 21  Nachweise bei Eisfeld, Beiträge, S.  10. 22  Auch die jüngeren Treuhandlehren (Grundmann, Bitter, Geibel) stehen in zu engem Fachbezug, um universale Theorien für relative Befugnisse sein zu können. 23  Monroy, Die vollmachtslose Ausübung fremder Vermögensrechte, S.  5 4.

§  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung

119

vielleicht nur ein Problem auf verschiedenen Abstraktionsstufen? In Abhandlungen Jherings (1844) und Mommsens (1859) wird die Regel situativ verstanden. Mommsen hat sich eingehend gegen die erste Variante gewehrt und Spätere sind ihm darin gefolgt 24. Bei Mommsen geht es um die konkrete Spannung, die entsteht zwischen „der einen Seite“, auf der eine „völlige oder theilweise Unmöglichkeit der Leistung herbeigeführt“ wird, und der anderen Seite, „auf der ein commodum“ steht 25. Die Regel ist konkret gedeutet: „Derjenige, welcher den Nachtheil des Ereignisses zu tragen hat, soll eben deshalb auch den Vortheil desselben haben“26 . Wie kontextbezogen damals gedacht wurde, zeigt sich an einem Beispiel, das Jhering gibt: „Der, welcher das negotium des Andern gerirt, muß jeden Gewinn herausgeben, der ihm durch das negotium zu Theil geworden ist, als der Mandatar, der negotiorum gestor, Vormund, der Pfandgläubiger, der Verkäufer einer Erbschaft“27. So macht er die Verzinsung des anvertrauten Geldes durch den Mandanten davon abhängig, ob dieser die Gefahr trägt. Zweitens: Das Bestimmungsproblem der materialen Berechtigung war bekannt. Monroys Kritik ist für das moderne Recht noch immer aktuell 28 : „Trägt ein anderer als der Handelnde die Gefahr der Handlung, so hat dies seinen Grund darin, daß er in einem bestimmten Rechtsverhältniß zu dem Gegenstande der fremden Handlung steht – z. B. dem des Eigenthümers – oder zu dem Handelnden selbst – z. B. dem des Mandates. Das periculum negotiationis ist also erst die Folge jenes die Handlung beherrschenden Rechtsverhältnisses, – und wenn mit dem periculum negotii das dominium negotii zusammentrifft, so ist letzteres ebenso wie ersteres die Folge des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses. Nur dies letztes, nicht das periculum negotiationis, kann den Grund einer negotiorum gestio bilden“29. Es muss genügen, ein besonders entlegenes Beispiel aus der periculum-Diskussion anzuführen, das zeigen soll, wie berechtigt diese Mahnung Monroys schon damals war. Es wurde schon gesagt, dass Jhering und Chambon 1844 und 1848 die Fremdheit des Geschäfts durch das periculum negotiatonis bestimmen wollten 30 . Diese Linie ist bei Isay wieder aufgenommen 31. Betrachten wir dessen Ansatz kurz etwas eingehender: Isay setzt an dem angeblichen Un24 

Wie zuvor. Mommsen, Erörterungen, S.  144. 26 Ebenda. 27  Jhering, Abhandlungen, S.  4 4, 74. 28  Wie zuvor, S.  51, 53 ff. 29  Wie zuvor, S.  57. 30  Jhering, Abhandlungen, S.  4 4, 73 ff.; Chambon, Negotiorum Gestio, S.  33 ff. 31  Es klingt nach einem seltsamen Vorläufer der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht, wenn sich eine „allgemeine Determination“ verbiete, so „wie der Verkehr überhaupt begriffliche Begrenzungen nicht liebt“, s. Isay, Geschäftsführung, S.  67. Unzureichende Problemsicht bei Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S.  319, der diesen Ansatz weiterführt. 25 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

vermögen Aarons, Manrohs, Jherings und anderer an, eine „juristische Grenze“ für die Qualität des fremden Geschäfts anzugeben. Eine Grenzziehung scheint ihm gar nicht möglich: „Denn diese rechtliche Gestaltung kann den verschiedensten Interessen zum Schutze dienen“, und an Stelle eines diskussionsfähigen Beleges wird die alte Metapher vom Recht als Schale, nicht als Kern wiederholt32 . Dann setzt er zu dem interessenjuristischen Abenteuer an, „daß nicht das Eigentum das für die Vermögensangehörigkeit des Geschäfts entscheidende Kriterium ist, sondern ein anderes Moment nicht-juristischer Natur“33. Dies sieht er im „periculum negotiationis“, diesmal verstanden als „nicht-juristisches“ Kriterium, das durch ein „Urteil des Verkehrs“ vorgegeben sei34. Für den Verkehr sei Gefahrtragung maßgeblich: „Dies zu Grunde liegende Verhältnis ist nämlich die nach dem Urteile des Verkehrs begründete Zugehörigkeit zu einer bestimmten, wirtschaftlichen Interessensphäre“. Schon der Folgesatz ist widersprüchlich und tautologisch: „Die Grundsätze über das periculum zeigen nun die Stellung der Rechtsordnung (scl. nicht: des Verkehrs) zu diesen Bezüglichkeitsverhältnissen an; damit daß das Recht die Gefahr einer Handlung einem Anderen, als dem Handelnden aufbürdet, erkennt es jenes Urteil des Verkehrs an“. Dann wird aber betont, die verkehrsgestützte Maßgeblichkeit des periculum sei eine Vermögenszugehörigkeit nicht im juristischen, sondern im „wirtschaftlichen Sinne“35.

III. Die binäre Kodierung der materialen Symmetrieklassen – Theoretische Grundlegung Soweit zu der gemeinrechtlichen Problemsicht auf relative Befugnisse. Von hier aus kommen wir zurück auf die heutigen Phänomene, die man als relatives Eigen, wirtschaftliches Eigentum, Treuhand usf. bezeichnet. Die gemeinrechtliche Fragestellung – situative oder abstrakte Regel – ist durchaus lehrreich. Es wird nun möglich, der Analyse eine exaktere Fragestellung vorzugeben, indem die Abstraktionsstufen genauer getrennt werden. Theoretisch genauer gefasst, und in eine Reihung nach dem Abstraktionsgrad, vom Konkreten zum Ab­ strakten gebracht, können materiale Symmetrieverhältnisse eine einfache binäre Relation sein: Die formalen Verteilungsregeln werden –  transzendiert, indem eine materiale Symmetrie in einer bipolaren Relation zwischen zwei Subjekten, einem Benachteiligten, einem Bevorteilten, mit der 32  Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  339, s. auch Isay, Geschäftsführung, S.  61. 33  Isay, Geschäftsführung, S.   63, der Form und Materie vermengt und dann unrichtig meint, ein universales „Kriterium“ für das „objektiv fremde Geschäft“, „wo anders, als auf rein juristischem Gebiet suchen“ zu müssen. 34  Ebenda, S.  6 4. 35  Ebenda, S.  6 4.

§  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung 121

einfachen Kodierung von Positiv – Negativ entsteht. Das Symmetrische besteht hier nur im Rückbezug zu einem allgemeinen Symmetriesatz. So liegt es bei Jherings Theorieansatz. – qualifizierte binäre Relation sein: Die bipolare Relation nach der Kodierung von Positiv – Negativ wird um einen Zusatz ergänzt, der nicht auf einen Symmetriegedanken zurückgeführt werden kann. So ist es, wenn man mit Dulckeit weiter von der Verteilungsrelevanz des Anspruchs, einem ius ad rem ausgeht. – tripolare Relation sein: Die Formenordnung wird ergänzt durch ein materiales Substitut, gedacht als eine Zwischenform, die einem dreistelligen Kode folgt. In einem relativen Recht (ius ad rem, Treuhand, wirtschaftliches Eigentum) werden bestimmte Vorteile und Nachteile konzentriert; diese konzen­ trierte Einheit hat dann entweder positive Folgen (Schutz) oder negative Folgen (Haftung). Wir haben einleitend und seither versucht, die Symmetrie in Konzentration und Komplementarität aufzulösen. Diese Aufspaltung der Befugnis in ein kohärentielles Beziehungsgeflecht ist als Technik zu verstehen, die abbildet, was schon da ist. Die Befugnis mit einfachen Mitteln – im Viereck – abbilden zu können, ist eine Vorbedingung, die Symmetrik, wie sie im Recht ist, überhaupt wahrzunehmen. Schon jetzt zeigt sich die Möglichkeit, (auch) die materiale Symmetrie binär zu kodieren, wie einige Übersichten klarer machen 36 . Positive Wirkung ohne Konzentration

Negative Wirkung ohne Konzentration

Befugnis

Befugnis

Positive Befugnis (+)

Nichtbefugnis Komplementarität

(Konzentration)

Negative Befugnis (–)

(Komplementarität)

Negative Nichtbefugnis (–)

Positive Befugnis (+)

(Konzentration)

(Konzentration)

Positive Nichtbefugnis (+)

Negative Befugnis (–)

Nichtbefugnis (Komplementarität)

Negative Nichtbefugnis (–) (Konzentration)

Komplementarität

Positive Nichtbefugnis (+)

1. Bipolare Figurationen, seien sie einfach oder qualifiziert, sind im Komplementärverhältnis zunächst als positive Befugnis oder umgekehrt, also als positive Nichtbefugnis, jeweils mit dem Schema (+ –) oder (– +) denkbar. 36  Die soziologischen Versuche, Recht als binäres System zu beschreiben, zielen auf anderes. Dort ist das Oszillieren zwischen Recht und Unrecht angeführt, das gegen die zu einfache Denkungsart der teleologischen Rechtsfindung in Stellung gebracht wird, s. Luhmann, Rechtssoziologie, S.  223.

122

Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Man kann für positive Befugnisse (ohne Form) als vorläufige Beispiele, wie angedeutet, bereits einige anführen: das sogen. relative Eigen, das ius ad rem; das Recht des Erstkäufers gegen den dolosen Zweitkäufer im Prätendentenstreit; die Interventionsbefugnis des Treugebers bei einer Vollstreckung. Für das gedankliche Gegenstück – gewissermaßen eine relative Belastung formaler Rechte – kann die Insolvenzanfechtung des Gläubigers, die sich gegen einen formal berechtigten Eigentümer richtet, als vorläufiges Beispiel dienen. 2. Auf höherer Abstraktionsstufe sind tripolare Figurationen möglich. Bestimmte Vorteile und Nachteile werden bei dem Befugten konzentriert, aber es gibt ausschließlich positive oder ausschließlich negative Wirkungen im Komplementärverhältnis. Man erkennt die gebrochene Heterochiralität besser in folgender Abbildung.

Konzentration mit positiver Wirkung Befugnis Positive Befugnis (+)

Nichtbefugnis Komplementarität

Konzentration Negative Befugnis (–)

(Komplementarität)

Positive Befugnis (+)

Positive Befugnis (+)

(Konzentration)

(Konzentration)

Positive Nichtbefugnis (+)

Negative Befugnis (–)

Nichtbefugnis (Komplementarität)

Konzentration Negative Befugnis (–)

Komplementarität

Befugnis

Negative Nichtbefugnis (–)

Konzentration mit negativer Wirkung Befugnis

Dekonzentration mit negativer Wirkung Nichtbefugnis Komplementarität

Negative Nichtbefugnis (–) Konzentration

(Komplementarität)

Positive Nichtbefugnis (+)

Dekonzentration mit positiver Wirkung Befugnis

Negative Nichtbefugnis (–)

Positive Befugnis (+)

(Konzentration)

(Konzentration)

Positive Nichtbefugnis (+)

Negative Befugnis (–)

Nichtbefugnis (Komplementarität)

Negative Nichtbefugnis (–) Konzentration

Komplementarität

Positive Nichtbefugnis (+)

§  6 Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung 123

Einige sehr vorläufige Beispiele zu dieser Relativik müssen vorerst ausreichen. 1. Kommen wir dazu zurück auf die Lehre Isays, die in der Sache eine Konzentration von periculum und commodum mit nur gestionsrechtlichen, positiven Folgen meint (Semantik: (+–  –)). Als eine moderne Variante kann die Lehre v. Caemmerers angegeben werden, der meint, der Dritte, dessen Schaden liquidiert werden kann, habe ein „relatives Eigen“ des Inhalts, „daß die geschuldete Sache dem Gläubiger gebührt“, also schon bestimmte Vorteile und Nachteile bei ihm konzentriert sind37. Es sei ein Eigen inter omnes und bei einem Drittschaden schlage diese relative (positive) Befugnis nach außen durch. Verwandt ist der Ansatz für das relative Recht des Kommittenten, das vor Gläubigerzugriffen schützt. 2. Das Reichsgericht begründet den besonderen Schutz eines Hintermanns so: „Weil in letzter Reihe die Vorteile und die Nachteile aus den vom Kommissionär abgeschlossenen Geschäfte den Kommittenten treffen, kann derselbe als der materiell Interessierte bezeichnet werden“38 . Kehrt man dies um, fordert man, für eine Schutzgewähr müssten den Treugeber die Vorteile und Nachteile treffen, entsteht dieselbe tripolare Befugnissemantik bei der Treuhand. 3. Die negativen Haftungszuständigkeiten, die für Halter, etwa den Tierhalter, begründet werden, lassen sich als tripolare Figuration deuten (Semantik: (+– +)). Denn als Tierhalter gilt, wer Sorge für Obdach und Unterhalt eines Tiers, das Verlustrisiko, Unterhaltskosten und Versicherungsprämien übernimmt, und das Tier in seinem Haus- und Wirtschaftsbetrieb nutzt39. Funktion dieser besonderen (negativen) Zuständigkeit (Befugnis) ist nur, den Verpflichteten im Haftungsfall zu benennen (isolierte Wirkung im Komplementärverhältnis). Das erscheint als Konzentration beim Halter nur mit Negativfolgen. Man sieht bereits: die möglichen Symmetriefigurationen sind binär kodiert. Es gibt nur zwei einfach binäre Kodes: (+  –) oder (– +) 40 ; man kann nur vier tripolare Figurationen denken: 1. die Konzentration mit positiver Folge (+–  –); 2. oder mit negativer (+– +); 3. eine Dekonzentration mit positiver Folge für den Nichtbefugten (–  +– ), 4. oder mit negativer Wirkung (+  +– ). Das bedeutet zum einen: Recht als Symmetrie ist in einem Binärsystem darstellbar. Zum anderen: Alle Formen der Berechtigungen sind logische Frakturen der heterochiralen Verteilungssituation.

37 

Festschrift Rabel I, S.  389, Fn.  211. RGZ 27, 118, 126. 39  RGZ 62, 79, 81; das Verlustrisiko ist erwähnt in BGH NJW 1977, 2158; auf die Versicherung ist u. a. abgestellt in OLG Celle VersR 1979, 161, näher dazu noch §  11. 40  Es dürfte klar sein, dass es die isolierte Konzentration nicht geben kann: Das Subjekt steht nicht für sich allein. 38 

124

Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

IV. Wesentliche Einbruchstellen für materiale Symmetrien in die formale Verteilungsordnung Daraus ergibt sich folgende, an den Befugnistypen orientierte vorläufige Abschichtung des Problemstoffes. An erster Stelle, wie die gegebenen Beispiele aus verschiedenen Problemen des relativen Eigens schon angedeutet haben, sind Berechtigungen ohne Form, ein dingtypischer Schutz für Obligationäre zu erwägen, also die klassischen Anwendungsfelder der Treuhandlehren, des wirtschaftlichen Eigentums oder Partei-Seins zu betreten. Im Zivilrecht sind die wichtigsten der schadensrechtliche Drittschutz (§  7) und der Schutz solcher materialer Rechtspositionen gegen Zugriffe von Gläubigern in Zwangsvollstreckung oder Insolvenz (§  8). Es ist dann aber zweitens zu erwägen, welche komplementären Nichtbefugnisse es gibt, welche Fälle also den vorangestellten Prüfungsbereichen gegenüber zu stellen sind, in denen es gewissermaßen material begründete Durchbrechungen der Formenordnung zulasten von Forminhabern sind, die aber relativ nichtbefugt sind. Einfacher gesagt: Es ist nach komplementären Schwächungen formaler Inhaberschaften zu fragen (§  9, §  10). Die negative Befugnis – als Kehrseite eines Ding- oder Verhaltensvorteils (ohne Form) – scheint drittens ihre bedeutendsten Felder auf haftungsrechtlichem Gebiet zu haben: bei den deliktischen Mitteln der Wagnisabwälzung, vor allem denen ohne Schuld (§  11 – §  13). Die Gefährdungshaftung ist ein schon genanntes Beispiel. Erwähnt wurde auch bereits, wie die Entfaltung der Gefährdungshaftung stets von symmetrietopischen Erwägungen begleitet war. Nach der symmetrischen Denkungsart wäre viertens wieder die Umkehrung zu erwägen, diesmal die Entlastung für Nichtbefugte. Es wäre also zu fragen, ob es die spiegelbildliche Konstellation einer Ent-Haftung gibt, bei deren Pro­ blemlösung dieselben Wertgedanken eingeflossen sind (§  14). Diese vier Punkte sind in vier zugeordneten Unterabschnitten zu behandeln.

Erster Unterabschnitt

Der Schutz relativer Rechte im Schadensund Vollstreckungsrecht An der Formenordnung des Bürgerlichen Gesetzbuchs prallten also die theoretischen Versuche ab, eine Zwischenkategorie für relative Befugnisse zu etablieren, oder anders gesagt: die Spannung von Form und Materie, Befugnis und Interesse, wurde nicht kategorial, sondern punktuell aufgelöst. Es gibt im Grunde nur drei Ordnungswege, die Spannung von Form und Materie, Befugnis und Interesse, zu überwinden: Der erste zieht die Form zum Interesse, die Diskrepanz von Form und Inhalt wird vermieden, korrigiert oder geleugnet, indem der Interessierte als Forminhaber ausgewiesen wird1 ; der zweite zieht das Interesse zur Form, der Forminhaber kann ein Fremdinteresse gegen einen anderen geltend machen; die Drittschadensliquidation ist das Paradigma. Der dritte erschafft neue Formen, etwa indem eine schuldrechtliche Position, wie die Anwartschaft, aufgewertet wird. In diesem Rahmen stechen die beiden nun zu betrachtenden Schutzarten außerhalb der formal-abstrakten Verteilung, die Schadensliquidation und die Beständigkeit relativer Positionen gegen Gläubigerzugriffe, an praktischer und dogmatischer Bedeutung heraus. Auf diese über hundert Jahre lang gewachsene Schutzgewährung für relative Rechte werden sich die nächsten beiden Paragraphen beziehen.

1 Beim zeitlich gestreckten Erwerb helfen jurisprudentielle Konstrukte („Geschäft für den, den es angeht“, Besitzkonstitute und die Regeln zum „Insichgeschäft“), den Wartezustand bis zum Formerwerb zu verkürzen.

§  7 Der Schutz relativer Positionen durch das Institut der Schadensliquidation für Dritte Was sich unter dem Arbeitstitel der Drittschadensliquidation versammelt, ist bruchstückhafte Vielfalt geblieben. Die Kasuistik ist ohne Entwicklung allgemeiner Grundsätze angewachsen, die Formel der „zufälligen Schadensverlagerung“ und einiger topischer Beigaben halten sie lose – genau genommen gar nicht – zusammen. Aber die Kasuistik unter dem Topos „zufällige Schadensverlagerung“ zu vereinen, war ein Einfall v. Tuhrs, dessen wahrer Teil so eingängig ist, dass man das Unbestimmte und Falsche, welches er mit sich führt, übersehen wollte. Nach diesem Grund der Verbindung haben wir zu fragen. Oder genauer: Wenn Dritt-Schutz und Dritt-Gefahr in einer „Rebellion des Rechtsempfindens“ verknüpft werden, ist dies wirklich nur undogmatisches „Amalgam aus Widersprüchen“ oder Kristallisationspunkt eines Symmetrie­ grundsatzes1?

I. Bestandsaufnahme zum liquidationsrechtlichen Drittschutz Eine vollständige Bestandsaufnahme des hundertfünfzig Jahre alten Dogmas kann nicht geleistet werden. Die Konzentration auf die wesentlichen Entwicklungsschritte des Richterrechts (historische Genealogie) 2 , den Ist-Zustand des gelebten Rechts (Typologie) und ihre wesentliche Rechtfertigung (Topik) dient als einleitende Orientierung.

1 

Zitate bei Köndgen, Karlsruher Forum, S.  4 m. Verweisen. gemeint ist eine „Genealogie“ im Sinne Puchtas, also eine Art der hierarchischen Ordnungsbildung, um die Rechtssätze „in ihrem systematischen Zusammenhang, als einander bedingende und voneinander abstammende, zu erkennen, um die Genealogie der Einzelnen bis zu ihrem Prinzip hinauf verfolgen, und ebenso von ihren Principien bis zu ihrem äußersten Sprossen herabsteigen zu können“, s. Cursus der Institutionen I, S.  37. Beschrieben bei Haferkamp, Georg Friedrich Puchta und die „Begriffsjurisprudenz“, S.  267 ff. Gegen die verbreitete Trivialkritik verteidigt durch Rückert, in: HKK, Vor §  1 Rn.  34 ff., 100. Näher insbes. zu Jhering ders., RG 5 (2004) 128 ff. und RG 6 (2005), 122 ff. 2  Nicht

§  7 Der Schutz relativer Positionen durch Schadensliquidation für Dritte

127

1. Vorbemerkung zum Ordnungsrahmen Es ist gut, sich vorab der systemischen Vorbedingtheiten zu erinnern, welche das Drittschadensproblem und mit ihm den institutionell gefestigten, wenn auch stets umkämpften schadensrechtlichen Schutz des Dritten im Widerstand gegen das formale System hervorbringen. Der Dritte, der weder Vertragspartei noch Rechtsgutinhaber ist, wird vom System auf Reparaturmöglichkeiten verwiesen, die er im Verhältnis zum Forminhaber hat. Das formale System ist aber zu eng. Wo der Forminhaber gegen den Dritten durch Gesetz oder Abrede frei gestellt ist und wo andere konstruktive Hilfen – Beschleunigung des Erwerbsvorgangs, Forderungsbegründung für Dritte, Regress- und Zessionsformen – fehlen, versagt der abgeleitete Schutz des An-sich-Berechtigten ganz, der schutzlos bleibt. Dieser starre Ordnungsrahmen, der durch das Institut der Liquidation im Drittinteresse offenbar aufgebrochen werden muss und wird, ist von drei Seiten beengt. Erstens von deliktischer Seite, denn der Güterschutz, der in einer Reihung ›grundloser Vorteil, Schuld, Anmaßung‹ intensiviert wird, sieht im wichtigsten mittleren Bereich der einfachen Schuld eine Schutzgewähr für Dritte kaum vor. Das liegt auch an dem Schutz nur besonderer Güter und besonderer Gesetze in §  823, diesem Mittelweg des deutschen Rechts, der wenig Platz für einen „Drittschutz“ lässt: Die besonderen Schutzgüter sind, wie gesehen, formalisiert, d. h. sie werden gerade nicht zum Auffangtatbestand für Drittinteressen 3 ; zum anderen fehlt es meist an einem besonderen Schutzgesetz für An-sich-Berechtigte4. Zweitens von vertragsrechtlicher Seite, denn die Relativität des Schuldverhältnisses begrenzt den Wirkungskreis autonomer Rechtssätze. „Außer Zweifel“ könne die Obligation nicht „über die Personen des Gläubigers und Schuldners“ hinaus greifen, steht in den Motiven5. Auch wenn das Dogma der statischen Relativität dem sozialen Wandel durch Überleitungen von Verträgen, verschiedene Schutzgewährungen zu Gunsten Dritter oder drittwirksame Einwendungen geschwächt wurde, gilt es als Ausgangspunkt, als anerkannte Konstante der Schuldrechtsdogmatik. Jede Drittbezüglichkeit im Schuldverhältnis wird von hier aus erschwert und ist erklärungsbedürftig6 . Die Liquidation eines fremden Interesses verlässt diesen von Relativität bestimmten Dogmenkreis. Drittens von schadensersatzrechtlicher Seite, denn der Satz Mommsens „die Differenz zwischen dem Betrage des Vermögens einer Person, wie derselbe in einem gegebenen Zeitpunkt ist, und dem Betrage, welchen dieses Vermögen ohne die Dazwischenkunft eines bestimmten Ereignisses in dem zur Frage ste3 

§  1 I. 3. Hinzu kommen die strengen Anforderungen für Ansprüche aus §  826 und §  844. 5  Mot. II, S.  2. 6  Die Herausgabepflichten Dritter, denen der Miet-, Pacht- oder Leihgegenstand überlassen wurde nach §  556 Abs.  3, §  581 Abs.  2, §  604 Abs.  4, sind seltene Beispiele, zu weiteren Henke, Relativität des Schuldverhältnisses, S.  14 f., 30 ff. 4 

128

Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

henden Zeitpunkt haben würde“, ist ein beständiges Axiom in der Dogmatik des Schadensrechts7. Eine Stütze im Gesetzestext hat der Satz nicht8 ; die Judikatur hat den Satz, der mal als natürliches9, bald als rechnerisches10 Postulat gelesen wird, bekanntlich übernommen, variiert, leicht korrigiert, ohne sich jemals davon ganz zu lösen. Mit dem Postulat verbunden ist das „Dogma des Gläubigerinteresses“11, das als weitere Vorbedingtheit unseres Haftungsrechtssystems den Schutz Dritter erschwert12 . Ein Ausgleich von Drittschäden ist bei einem Abgleich zweier Zustände des ›Vermögens einer Person‹ schon im Ansatz ausgeschlossen. Die Abwicklung seines Drittschadens durch den Eigentümer oder Vertragspartner als An-sich-Nichtberechtigten für den Dritten ist also ein Widerstand gegen diese Systemenge. In diesem Widerstand zeigt sich eine ordnungswirksame Wertung und an ihr lassen sich die Regeln der materialen Durchbrechung der formalen Verteilungsordnung exemplarisch untersuchen.

2. Genealogie des liquidationsrechtlichen Drittschutzes Das Recht der „Drittschadensliquidation“ entstand über viele Jahrzehnte lang in richtungsloser Entwicklung und gilt als ungeordnete Kollektanea. An Stelle einer Aufbereitung des angesammelten Stoffes, der nichts vorbereiten würde13, erleichtert eine Rückschau auf das Werden des Liquidationsrechts das Verständnis für dessen Ist-Zustand. Der Diskurs über die Drittschadensfrage hat eine interessenjuristisch geprägte Frühphase. Er entfaltet sich, als das 19. Jahrhundert endet, und steht ganz im Bann der Zeit. Ein allzu strenger Positivismus wich seinen naturalistischen Gegenkräften, welche in den Arbeiten Jherings und v. Gierkes exemplarischen Ausdruck fanden. An der Schwelle des „Traums zur Tat“ (Wieacker), des blinden Begriffs- und Konstruktionsdenkens hin zur rechtlichen Zweck- und In­ teressendurchsetzung, wurde auch das Liquidationsrecht interessenjuristisch 7 

Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, §  1, S.  3. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Begriff des Schadens nicht exakt bestimmt worden, s. Mot. II, S.  18 f. 9  Magnus, Schaden und Ersatz, S.  10; Hohloch, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S.  375, 395. 10  Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens, S.  67; Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  1 I. 11  S. im Zusammenhang Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, S.  96 f. und darüber hinaus Peters, AcP 180 (1980), 329, 340; Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  8 I. 1. 12  Das Dogma wurde oft, etwa durch die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang von Wilburg (Zur Lehre der Vorteilsausgleichung, Jherings Jahrb. 82 (1932) S.  51 ff., 101) angegriffen, aber nie ernstlich gefährdet, s. nur die Nachweise zuvor. 13  In jüngeren Arbeiten bleibt heute kaum eine Alternative dazu, sich auf punktuelle Zitierung zu beschränken, und zahllose Konstruktionsversuche und Ordnungsvorschläge der anderen beiseite zu lassen, s. zuletzt Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  369 ff. 8 

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eingefärbt. Diese Interessenanalysen gelten seit langem als ungenau. Man war bemüht, bald das Auseinanderfallen von Anspruch und Interesse zu leugnen, bald mit verschiedensten Ausdrücken darzutun, wie die Interessen von Rechts­ inhaber und Dritten „verknüpft“ seien, es um ein „transitorisches Interesse“ gehe oder die „Mitwahrnehmung des Drittinteresses vereinbart“ sei14. So beginnt bereits die liquidationsrechtliche Frühphase. Im Korkholzurteil des OAG Lübeck von 1855, einem paradigmengleichen Kommissionsfall15 , entschied das Oberappellationsgericht, der Mandatar könne auch das „Interesse des Mandanten – mittelbar das seinige – geltend machen“, verwies auf einen Satz Ulpians und auf den Evidenzwert des Ergebnisses: der Schädiger dürfe schwerlich freigestellt werden16 . Die Vorarbeit des Lübecker Oberappellationsrats Zimmermann gab der Diskussion den Orientierungspunkt. Er hatte das Interesse des dominus mit dem des Kommissionärs in eins gesetzt; weil der Prokurator hafte und dem dominus gegenüber verantwortlich sei, bestehe ein Interessengleichlauf17. Die genetische Interessenjurisprudenz trägt ab 1870 zur weiteren Verklärung und Verwirrung bei, die sich gut nachvollziehen lässt, wenn es 1897 in einem Urteil des Reichsgerichts zunächst heißt, dass der Kommittent das Drittinteresse zu dem seinen mache18 ; dann, im nächsten Urteil im selben Sammlungsband aber: dem Schadensersatz des Kommissionärs liege das Interesse seines Kommittenten zugrunde19. Eine erste Konsolidierungsphase beginnt ab 1911. Bei den Arbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch wagte keine der Kommissionen, das Problem der Schadensliquidation anzugehen. Jacubezky hatte zwar eine geeignete Generalklausel 14  Die früheren Ordnungsversuche sind nachgezeichnet bei Rudolf Reinhardt, Der Ersatz des Drittschadens, S.  16 ff. Ob es einen echten Drittschaden gebe, hat schon das Reichsoberhandelsgericht in ROHG Band 22, Nr.  55, 248, 253 (verneinend) und in Seuff. Arch. 33, Nr.  19 (bejahend) mal so, mal so beurteilt. 15  Seuff. Arch. 11, Nr.  36: Ein delmenhorster Korkfabrikant aus Schleswig kaufte Holz von einem portugiesischen Handelshaus. Das Holz wurde wunschgemäß auf ein Schiff nach Hamburg verladen, das wegen Eises in Cuxhaven vorzeitig einlaufen musste. Der Schiffer verweigerte – pflichtwidrig und entgegen ausdrücklicher Konnossementabrede – die Auslieferung in Cuxhaven: das Öffnen der Luken verderbe den Rest der Ladung, eine Partie Portwein. Der Korkfabrikant verlangte als mittelbar Vertretener den Ersatz seines Verzugsschadens. 16  Ebenda, S.  24. Über Sinngehalt und Authentizität des ulpianischen Satzes habebit mandati actionem, quia et ipse tenetur, tenetur autem, quia agere potest (Dig. 17.1.8.3.) ist die Romanistik zerstritten, s. dazu schon Mommsen, Die Unmöglichkeit der Leistung, S.  36, näher Honsell, Quod interest im bonae-fidei-iudicium, S.  151 ff. 17  Neues Arch. f. Handelsrecht 1 (1858), 48, 65 ff. 18  RGZ 40, 172. 19  RGZ 40, 187, 189 f. Dergl. Widersprüche sind zahlreich. Einmal heißt es: Der Kommissionär kann das Interesse verfolgen, „obgleich der Schaden im schließlichen Erfolge nicht ihm, sondern dem Kommittenten zur Last fällt“, RGZ 12, 108. Dann wird beides vermengt, wenn es heißt, der Kommittent sei der von Vor- und Nachteilen Betroffene, der materiell Interessierte, und dann wird die Haftung doch aus dem eigenen Interesse des Kommissionärs abgeleitet, RGZ 27, 199.

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vorgeschlagen 20 , aber der 1. Kommission erschien jede Regel verfrüht, da sie den begonnenen Fortbildungsgang störe oder abbreche21. Das Reichsgericht zögerte nach 1900, noch ganz unter dem Eindruck des Prestiges eines geschlossen wirkenden jungen Bürgerlichen Gesetzbuchs, den Kreis der Ersatzberechtigten zu erweitern. 1911 hat das Reichsgericht im Segelyachtfall erstmals substanzbezogene Schäden für ersatzfähig gehalten (zuvor war es stets um andere Vermögensschäden des Hintermanns gegangen) 22 , dann wurde die fiduziarische Treuhand beim Inkasso einbezogen 23. Das Bindeglied zwischen den alten und neuen Fallgestaltungen sah das Reichsgericht in einem auftragsrechtlichen Moment 24. Nachdem man sich mehr und mehr vom kommissionsrechtlichen Archetyp gelöst hatte, wurde recht schnell ein geschlossener Typenkreis erreicht, der sich seither nicht wesentlich verändert hat. In einer zweiten Konsolidierungsphase übernahm der Bundesgerichtshof das Vorgefundene25 und legte 1963 in einem obiter dictum den kasuistischen Kanon ›mittelbare Vertretung, Treuhand, obligatorische Entlastung, Inobhutnahme‹ fest. Ein kritisches Fazit. Der kasuistische Korpus entstand in zwei kurzen Perioden, nach 1915 und nach 1955, und ist seither im Typologischen stecken geblieben. Nur die „Interessenverknüpfung“ wurde semantisch mit der „Gefahr­ verlagerung“ getauscht. Nun haben sich Richter in einem Primärprozess der Fortbildung an Archetypen zu orientieren und auf diese ausgerichtete Problemlösungen zu entwickeln. Auch müssen oft erste Aggregate abstrahierter Fälle zu Typenreihen aufgebaut werden oder, solange selbst das nicht gelingt, wird „nach Lage des Einzelfalls“ fortjudiziert. Aufgabe der Forschung ist es dann, in einem konsolidierenden Prozess die gemeinsamen Gedanken aufzuzeigen, das typologisch gewachsene Material auf übergeordnete Prinzipien zurückzuführen und in die Institutionen des Rechtssystems einzulagern. Warum das nicht geschehen ist, sieht besser, wer die zwei maßgeblichen Vorarbeiten von Reinhardt und Trägert nebeneinander hält: Als der Bann der Interessenjurisprudenz zerbrochen war, hat Reinhardt das ohnehin Fallende gestürzt, indem er nachwies, dass die Lehren des transitorischen Interesses, der 20 

Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  109. Prot. I, S.  298 f. Darstellung im Zusammenhang mit der Entstehung des Commodumanspruchs bei Bollenberger, Das stellvertretende Commodum, S.  356. 22  RG JW 1910, 1000 Nr.  5 ; RGZ 75, 169, 172. 23  RGZ 107, 132, 135. 24  RGZ 62, 331, 335 gestand dem Verkäufer zu, „daß er mit seiner Kontraktsklage die Inter­ essen der Käufer verfolgen könne“, weil man noch 1912 nach gemeinrechtlicher Art den Warenversand als kauf- und mandatsrechtliche Mischform ansah. 25  „Der Berechtigte, dessen Vertragsrechte verletzt werden, kann Ersatz des Drittschadens nicht nur dann verlangen, wenn der Vertrag für Rechnung des Dritten geschlossen wurde, sondern auch dann, wenn Interessen des Berechtigten mit denen des Dritten derart verknüpft sind, daß der Berechtigte die Drittinteressen gegenüber dem Verletzer wahrzunehmen hat und der Verletzer mit solcher Wahrnehmung rechnen muss“, BGH NJW 1955, 257. Kritik bei Esser, Schuldrecht, 2.  Aufl., §  50 Rn.  7, S.  181. 21 

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treuhänderischen Interessenverknüpfung, der vereinbarten Mitwahrnehmung des Drittinteresses sich zu Worthülsen auflösen, mit denen geleugnet wurde, dass es um die Abwicklung echten Fremdschadens geht26 . Mit dieser Kritik setzte sich Reinhardt durch. Seine weittragenden Vorschläge, die Schadensdogmatik von Grund auf zu ändern, wies der Praktiker als vages Experiment zurück. In dieser ungewissen Lage machte Trägert 1938 ein bloßes Festhalten an der typologischen Herangehensweise annehmbar27. Es sei möglich, die Fallgruppen zusammenzuführen, dies „hätte aber zu einer allzu abstrakten und wirklichkeitsentleerten Fassung des jeweils gemeinsamen Gesichtspunktes führen müssen“28 . Dieses Gemeinsame bestimmte Trägert in Anlehnung an v. Tuhr durch die „Gefahrverlagerung“. Dies ist der Standpunkt, den der Bundesgerichtshof im Ledergürtelfall 1963 übernahm 29. Seit v. Caemmerer 1965 zur typologischen Fallbildung keine Alternative sah, und ihm Esser darin folgte, hat man sich damit abgefunden, dass die Ordnungsaufgabe „nur im Wege der Typologie durch Herausarbeitung von Fallgruppen gelöst werden kann“30 .

3. Typologie des liquidationsrechtlichen Drittschutzes Der Kreis liquidationsfähiger Drittschäden, der in Praxis und Lehre anerkannt ist, wird durch den kasuistischen Korpus ›mittelbare Stellvertretung, Treuhand, Gefahrentlastung, Inobhutnahme‹ lose begrenzt. Die Archetypen, welche die Ausbildung dieses Fallrechts leiteten, haben kaum Orientierungswert – unweit vom „Typuskern“ entfernt, müssen formelhafte Phrasen vertuschen, wie schwer jede rational nachprüfbare Grenzziehung von gewährtem zu versagtem Drittschutz ist. Eine Skizze des Bestandes soll dem Leser nicht nur das Anerkannte, sondern auch die Aporien, Brüche und Zweifel bewusst machen. Der indirekte Stellvertreter kann den Drittschaden des Hintermanns abwickeln, sei es ein Verzugs-, Erfüllungs- oder Sachschaden. Der Vertretene wird, wie Esser sagt, als „wirtschaftliche Partei“ gedacht und behandelt31 : Kommittent, Bankkunde, Auftraggeber werden schadensersatzrechtlich gestellt, als wirke das Geschäft für und gegen sie. Der förmlich aus dem Geschäft Berech-

26  S. mit ausf. Referat und überzeugender Kritik Rudolf Reinhardt, Der Ersatz des Drittschadens, S.  1 ff. 27  Seine Typenreihe war: Gefahrentlastung, Handeln im fremden Interesse, Inobhutnahme fremder Sachen, Inobhutnahme fremder Personen und Konstellationen der Veräußerungsketten, Trägert, Geltendmachung des Drittschadens, S.  38 ff. 28  Ebenda, S.  37 f. 29  Der BGH verweist in BGHZ 40, 91, 101 auf ein Urteil des RG in RGZ 62, 331, das den Drittschaden aber gerade nicht anerkennt, weil es einen Verkäuferschaden konstruiert, dazu v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 263. 30  ZBernJV 100 (1964), 341, 359. 31  Esser, Schuldrecht, Band 1, 4.  Aufl., §  43 II, S.  294.

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tigte kann zudem einen Eigenschaden gegen den deliktisch, vertragsstörend oder pflichtwidrig Handelnden geltend machen. Der Schadensausgleich für Dritte wird meist auf ein „Handeln für fremde Rechnung“ zurückgeführt, ganz so, als sei dies eine Begründung, als handle es sich um einen konturhaften Begriff32 . Kommission, Inkassozession, Banküberweisung33 sind zwar paradigmenreine Auftragsverhältnisse, wo aber das auftragsrechtliche Moment fehlt, ist man ohne Lösungshilfen 34. Auch bei der Treuhand, sei sie eigen- oder fremdnützig, macht der Treuhänder den Schaden des Hintermanns mit geltend35. Als abgesonderte Gruppe wird die Treuhand seit den Arbeiten v. Caemmerers mitgeführt 36 , aber lässt man die bildhaften Umschreibungen wie ein Verbot, ›das Anvertraute in eigenem Interesse zu gebrauchen‹ beiseite, finden wir als Wertkennzeichen wieder nur ein Halten „für fremde Rechnung“37. Nicht von ungefähr gibt es regelrechte Meinungsstreite zur Frage, wie sich die Kategorie von der mittelbaren Stellvertretung abhebt. In einer Zeit, in der fiduziarische Sicherungsmittel in der Kreditpraxis dominieren, ist oft über Zessionsfälle zu entscheiden 38 . Mittelbare Vertretung und Treuhand sind voneinander kaum zu unterscheiden. Ihnen gemein ist, wie man sagt, ein Handeln für fremde Rechnung, das den übrigen Zweifelsfällen in dieser Reinform fehlt. Alle echten Zweifelsfälle sind in eine Auffanggruppe der obligatorischen Entlastung verschoben 39. Lehre und Gerichte haben hier den zwei Urbildern, Vermächtnis und Versendungskauf, mit der Zeit eine Reihe sehr verschiedener Abbilder zur Seite gestellt40 . Wesentliche Subtypen in didaktischer Kennzeichnung sind: 1. Beim Versen32 

RGZ 62, 331, 335 (Handeln für fremde Rechnung beim Auftrag). BGHZ 27, 241, 247; BGH JZ 1977, 299, 301; OLG Hamm WM 1979, 339, 341. 34  Nur so ist die Missachtung anerkannter Verbandsrechtslehren in BGH VersR 1982, 199 überhaupt erklärlich, wenn die Kommanditisten ohne Weiteres als mittelbar Vertretene angesehen werden. 35  S. BGHZ 128, 371; BGH NJW 1967, 930; BGH NJW-RR 1987, 880; BGH NJW 1998, 186. 36  Kritik dazu bei Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, S.  9 0, s. noch später im Text. 37  RG JW 1910, 100 und seither, etwa BGH NJW 1967, 930; BGH NJW-RR 1987, 880; BGH NJW 1998, 1864. 38 BGHZ 128, 371, 376 erkennt für die stille Sicherungszession das Prinzip des vollen Drittschadensersatzes ausdrücklich an. Dass die „Schadensverlagerung“ nicht notwendig mit der Verwertungsreife endet, zeige der Fall der Übersicherung: Zediert war hier eine Kaufpreisforderung an eine Sparkasse; den Kredit hatte der Zedent beinahe ganz zurückgeführt. In allen Fällen, offen oder verdeckt, vor oder nach Verwertungsreife sei es unangemessen, den säumigen Schuldner zu entlasten; als Beleg wird ohne jede Differenzierung verwiesen auf RGZ 155, 50, 52 und RGZ 107, 132, 135 (Inkassozession) und u. a. Seetzen, AcP 169 (1969), 352, 354 f.; Schwenzer, AcP 182 (1982), 214, 237. Der Bundesgerichtshof wendet sich ausdrücklich gegen Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, S.  280 f. 39  „Handeln für fremde Rechnung“ hat stets diese Entlastung zur Folge, s. §  667. 40  Die Lehre wird rezipiert in der Grundlagenentscheidung in BGHZ 40, 91 = BGH NJW 1963, 2071, 2074. 33 

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dungskauf trägt ein Käufer als Unternehmer nach §  447 die Leistungs- und Preisgefahr; wird die Ware auf dem Weg beschädigt, hat er mangels Übergabe (§  446) keinen Anspruch aus Eigentum; er steht so als Dritter D neben dem Verkäufer, der als Gläubiger G Ansprüche gegen den Schädiger, den Schuldner S, hat. 2. Wer mit einem Vermächtnis bedacht ist, trägt die Leistungsgefahr mit gleichem Ergebnis, da er als „Dritter“ nur einen obligatorischen Erwerbsanspruch nach §  2174 hat und der Erbe und Eigentümer G beim Untergang des vermachten Gutes nach §  275 frei wird. 3. Ganz ähnlich ergeht es dem Beschenkten D, denn der Schenker G steht nach §  521 nicht für Fehler ein, die von fremder Seite S verursacht werden. 4. Nur noch entfernt verwandt ist die Lage beim Werk vor Abnahme. Der Unternehmer D erhält wegen §  644 im Grundsatz kein Entgelt, selbst dann nicht, wenn der Besteller G Eigentümer an den beschädigten Materialien geworden ist, die durch Vermischung oder Verarbeitung bereits in sein Eigentum gelangt sind. 5. Anerkannt ist der Schutz des gefahrbelasteten Käufers D im Verzug der Annahme, der nach §  326 Abs.  2 S.  1 die Gefahr trägt, obwohl der Verkäufer G Eigentümer bleibt41. Soweit die anerkannten Paradigmen, deren Kennzeichen es ist, dass es eine positiv angeordnete Regel der Gefahrtragung gibt. Wo aber die Gefahr auf Grund vertraglicher Abreden verlagert wird, ist die Rechtslage weithin unklar. Ob etwa Freistellungsabreden beim Leasing einen Schutz wie beim Versandkauf rechtfertigen, ist eine Frage, welcher die Judikatur ausweicht, indem sie den Besitzschutz zum Substanzschutz aufwertet. Wo diese konstruktive Not­ lösung nicht hilft, ist die Praxis in Wahrheit ohne Vorgabe, und einander widersprechende Entscheidungen fehlen nicht42 . Verlagert nicht auch das Privileg für gutgläubige Kondiktionsgläubiger in §  818 Abs.  3 „die Gefahr“? Oder wie ist es, wenn die Gefahr zwischen relativ Berechtigtem und Mittelsmann aufgespalten wird, wie es im Baurecht durchaus üblich ist; und wie, wenn bei §  300 Abs.  1 der Schuldner nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat: schaden solche Aufspaltungen der Gefahrensphären einer Liquidationsbefugnis? Allesamt offene Fragen43. Kurz einzugehen ist noch auf die Typologie des versagten Drittschutzes. 1. Beim Weiterverkauf in mehreren Vertriebsstufen wird auf der einzelnen Vertriebsstufe ein Gewinn erzielt und schon die Spätlieferung des Erstverkäufers S kann den Gewinn jeder Stufe, des Partners G und weiterer Abnehmer D beeinträchtigen. Die Formel käme recht mühelos zur Liquidation der Schäden aller Abnehmer, die ein ad hoc erfundenes Verbot der Schadensmultiplikation im letzten Moment doch noch ausschließt44. Lieber bleibt man bei dem Paradox 41 

v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 250 zu §  324 a. F. S. etwa OLG Celle VersR 1975, 838; OLG Schleswig NJW-RR 2000, 896. 43  Für einen Überblick s. Soergel/Ekkenga/Kunz, vor §  249 Rn.  330 ff., insbes. 356 ff. 44  Trägert, Geltendmachung des Drittschadens, S.  60; v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 267. 42 

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stehen, dass etwa beim gesundheitsschädlichen Produktfehler in der vielgliedrigen Kette nur ein Beteiligter sein Interesse, bei zweigliedrigen Verkaufsketten – der Kommission – aber zwei Beteiligte ihr Interesse geltend machen können45. 2. Die Haftung des Warenherstellers hat heute deliktische und spezialgesetzliche Grundlagen. Durchaus denkbar, und noch im Schmiermittelfall im Jahr 1959 und später erwogen46 , wäre aber auch eine Abwicklung des Abnehmerschadens durch den Erstkäufer47. 3. Beim Sach- oder Rechtsmangel von Waren, die ein Erwerber G an einen Dritten verschenkt oder gutgläubig veräußert, kann der Schaden dieses Erwerbers D nicht liquidiert werden48 . Der Dritte muss sich an den Zwischenerwerber G halten. Beim Ausschluss von Gewährleistungsrechten, sei es kraft Abrede oder bei der Schenkung nach §§  523 f., ist die Gewährleistungskette gleichsam gestört und kann nicht von hinten aufgerollt werden: Der Zweitkäufer D kann vom gutgläubigen Erstkäufer G nur verlangen, dass dieser seine Ansprüche, etwa gegen den arglistig handelnden Verkäufer S abtritt. Konstruktiv gesehen, sei es durch Vertragsergänzung oder Anwendung des §  285, handelt es sich stets (nur) um den Eigenschaden des G, der eine (unerkannt) mangelhafte Ware erworben hat. Die Ausgleichung eines Vorteils beim (günstigen) Weiterverkauf an D wird ausgeschlossen. Es ist wichtig, die folgenreichen Unterschiede im Blick zu behalten: Ohne den Drittschutz ist jeder Schadensposten (des G), etwa der entgangene Mehrerlös, wertend zu prüfen. Einen höheren eigenen Schaden des D einzubeziehen, ist konstruktiv ausgeschlossen. Die Gruppe der Inobhutnahme gehört schließlich gar nicht in den Ordnungszusammenhang, sondern ist eine in das besondere Schuldrecht der Obhutsverträge verirrte Arbeit an den bekannten Schwächen des Deliktsrechts49.

4. Topik des liquidationsrechtlichen Drittschutzes Anstelle einer dogmatischen Durchdringung tritt formale Rhetorik. Noch frühe Urteile des Bundesgerichtshofs lassen den Gedanken einer irgendwie gearte45 

Selb, NJW 1964, 1765, 1767. Diederichsen, Die Haftung des Warenherstellers, S.  106 ff.; Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, S.  128 f. 47  Erst in BGHZ 40, 91 ist die deliktische der liquidationsrechtlichen Ordnungslösung endgültig vorgezogen worden. 48  S. zu diesem Vorrang sowie zu zahl. weiteren Beispielen nur Soergel/Ekkenga/Kunz, vor §  249 Rn.  330, 335, 339, 362. 49  Künstlich wurden vertragliche Ansprüche konstruiert, um die Exkulpation nach §  831 auszuschließen, die alte ungleiche Verjährung zu beheben oder einen günstigeren Verschuldensmaßstab nach §  701 zu gewähren. Neben dem Analysethema steht die vereinbarte Liquidation zu Gunsten Dritter. Ersatzfähigkeit von Drittinteressen, Schutzpflichten oder Ansprüche Dritter können in einer privatautonomen Zivilrechtsordnung vereinbart werden, gehören aber in anderen Zusammenhang, richtig Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  370 ff. 46 Eingehender

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ten „Interessenverknüpfung“ erkennen50 . Zu allen Zeiten war der Diskurs mit inhaltslosen und pleonastischen Ausdrücken belastet, die sich übergehen ließen, wenn sie nicht einen so hohen Stellenwert in der Judikatur hätten51. Zu Beginn – als das OAG das Haftungs-Interesse kreisartig aus der Haftung selbst ableitete52 ; in der Folge – als das Reichsgericht sich bemühte, „(nämlich) einen Weg zu eröffnen, um den Schaden des Dritten auf den in erster Linie verantwortlichen Schädiger abzuwälzen“53 ; und heute – wenn Gerichte und Lehre fordern, der Schaden müsse zufällig verlagert sein, denn auch das ist ein blasser Gerechtigkeitsappell. Zwei Topoi sind zentral. Zum einen: das Verbot ungerechtfertigter Entlastung. Die Art der Argumentation, sei sie interessenjuristisch, systemnah oder positivistisch, ist oft formal und wechselt gerade dort, wo man materielle Unterlegung erwartet, scheinbar über in bloßen Pragmatismus. So besteht Übereinkunft, dass der Schädiger nicht freigestellt werden dürfe. Der scheinbar inversive Gedanke ist mit verschiedenen Akzenten überall zu finden54. In der Leitentscheidung des OAG Lübeck ist er den Gründen vorangestellt, das Reichsgericht wiederholt ihn mehrfach 55. Nach dem Bundesgerichtshof „sollte das selbstverständlich sein und keiner Erörterung bedürfen, dass dem Schädiger das Auseinanderfallen von Rechtsposition und Risiko nicht zugute kommen kann“56 . In keinem Fall wird der Wertgedanke mitgeteilt: Warum darf es keine Entlastung geben – weil jede Schadenszufügung eine ausgleichende Sanktion gebietet? Weil zwischen Schädiger und Drittem eine Art Deckungsgemeinschaft besteht, die jede einseitige Entlastung verbietet? Die richterlichen Topoi sind ambivalent und von der Lehre unterschiedlich gedeutet und fortgedacht worden, bisweilen durch eine Auffüllung mit schadensrechtlichen Wertgedanken, vor allem dem 50  Rudolf Reinhardt (Der Ersatz des Drittschadens, S.  1 ff.) hat gelehrt, das Auseinanderfallen von Form und Interesse nicht mehr zu leugnen. Seither sind Wendungen wie das „transitorische Interesse“, „Interessenverknüpfung“, „vereinbarte Mitwahrnehmung des Dritt­ interesses“ verdächtig und seit Esser (Schuldrecht, 2.  Aufl., §  103 Rn.  2, S.  475) Abstand von den bildhaften Gedanken eines „transitorischen Interesses“ nahm, weil man doch den Gläubigerschaden mehr kreisartig unterstellen müsse, sind sie aufgegeben worden. 51  S. zu den hilflosen und zu Recht überwundenen Ansätzen Rudolf Reinhardt, Der Ersatz des Drittschadens, S.  15. 52  Es liegt nahe, im zweiten, zirkulösen Teil der Textpassage eine Interpolation zu vermuten, aber das soll hier nicht diskutiert werden, s. Rudolf Reinhardt, Der Ersatz des Drittschadens, S.  16 ff. 53  RGZ 58, 39. 54  S. bereits Mommsen, Die Unmöglichkeit der Leistung, §  4, S.  36. Der Topos findet sich überall bis in die heutige Handbuchliteratur bei Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  8 III. 6, S.  472: Gefahrverlagerung soll dem „Schädiger gewiss nicht zugutekommen“. 55  RGZ 40, 187, 189 f.: der Schuldner dürfe den Vertrag nicht „ungestraft“ verletzen; RGZ 58, 39, 42. 56  BGHZ 49, 356, 361; s. auch BGHZ 128, 371 = NJW 1995, 1282, 1285 eine Entlastung des säumigen Schuldners sei „unangemessen“.

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des Vorteilsausgleichs, bisweilen auch normativ, indem das Entlastungsverbot aus bestimmten Gefahrtragungsregeln abzuleiten versucht wird. Zunächst festzuhalten ist, dass die Drittschadensthese eines „Verbots ungerechtfertigter Entlastung“ durchaus formal anmutet, solange ihr Wertgrund verborgen ist. Zum anderen: das Verbot zufälliger Schadensverlagerung. Als fallverbindendes Element gilt im Anschluss an v. Tuhr die Verlagerung „des Schadens“, des „Interesses“, der „Möglichkeit der Schadensentstehung“, bisweilen auch nur „der Gefahr“57. Die These einer Verlagerung wurde durch die Arbeit Trägers wiederholt und herrschend58 . Die Formel hat sich verselbständigt, ist gewissermaßen zum Wertsubstitut für den Wert geworden, den sie erklären soll59. Eine Bildersprache, in der sich Schäden verlagern und bewegen, ist zwangsläufig ungenau. Wie wenig von einer geometrischen „Verlagerung“ oder von einem Gleichlauf von Dritt- und Gläubigerinteressen geredet werden kann, zeigen einfache Beispiele: Dem Gläubiger nutzt ein Sicherungstreugut als Sicherheit, aber dem Schuldner verbilligt es den Kredit; bei der fremdnützigen Treuhand erzielen Anwalt, Bank oder Berater ein Entgelt, aber der Treugeber hat seinerseits ganz andere Vorteile. Die Interessen sind in Wahrheit sehr verschieden, und oft nur genau anhand der einzelnen Binnenabreden, etwa dem Leasingvertrag, zu bestimmen60 . 57 Grundlegend v. Tuhr, GrünhutsZ 25 (1898), 567, weithin anerkannt seit Trägert, Geltendmachung des Drittschadens, S.  35, der von „Gefahr- oder Schadensverlagerung“ spricht; die „Möglichkeit der Schadensverlagerung“ hält u. a. v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 256 für präziser; s. ferner Diehle, Rechtsträgerschaft, S.  46 f., 87 f. In der Grundlagenentscheidung in BGHZ 40, 91 = BGH NJW 1963, 2071, 2074 ist von „Interessen- und Schadensverlagerung“ zu lesen. Der Verlagerungstopos wird etwa erwähnt in BGH NJW 1967, 930, 931; BGHZ 51, 91, 93; BGHZ 133, 36, 41. 58  Er hat sie durch einen Gegenschluss in ein „Verbot einer Schadensmultiplikation“ fortgesetzt, das bei Veräußerungsketten die Lösung vorgeben soll. Begonnen hat der Gedanke mehr als Verlegenheitsmerkmal, als „vorläufige Abgrenzungsformel“, wie Trägert, Geltendmachung des Drittschadens, S.  35 selbst eingestand. Er meinte, der Schaden trete nicht beim Verkäufer, sondern beim Käufer ein, diese Schadens- oder Gefahrverlagerung schließe eine Schadensmultiplikation wie bei der Veräußerungskette aus. Man liest nicht viel mehr als dies: „Gegen diese Lösung spricht nicht der Umstand, daß B dem D für das Handeln des V nicht haftet. Denn diese Nichthaftung des B hat in der Regel nicht den Sinn, D endgültig zum Träger des eingetretenen Schadens zu machen. Die Nichthaftung des B soll ihre Wirkung vielmehr nur im Verhältnis des B zu D entfalten“, S.  36. Heute wird der Topos beinahe intuitiv verwendet, wenn etwa bei der Liquidation des Kundenschadens durch die Zwischenbank am Rande angeführt wird, es komme zu keiner Schadensvermehrung, BGHZ 128, 371, 377. 59  So liest man zum versagten Drittschutz in den Sach- und Rechtsmangelfällen überhaupt nur, es finde keine Verlagerung im tradierten Sinne statt. Der Mangelschaden sei seiner Art nach nicht „nur“ in der Person des Dritten entstanden; der Drittschaden beim Zweiterwerb mangelhafter Ware bewege sich gleichsam nicht; es entstehe erst im Zeitpunkt des Zweiterwerbs ein anderer Schaden, OLG Hamm NJW 1974, 2091; formal auch OLG München NJW 1980, 1581. 60  Soweit neben die Ersetzung des Dingschadens ein weiteres Interesse eines Dritten tritt, etwa bei Verzugsschaden oder Vertragsstrafe, muss der Verlagerungsgedanke das ebenso

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Die Entrüstung des Schrifttums ist seit Selb und Hagen nicht mehr nur gegen das Ungenaue und Provisorische, sondern das Formelhafte der Drittschadensthesen gerichtet61. Mit Grund, denn die Formel wird wie eine vorgegebene Apparatur verwendet und der Wertgedanke (auch) dieser jurisprudentiellen Topoi wird weder genannt noch hinterfragt.

II. Geltungsgrund der Liquidationsbefugnis Der freie Blick auf die tragenden Wertgedanken der Drittschadensliquidation ist durch ein Übermaß an typologischen und topologischen Momenten zwangsläufig verstellt. Die schlichte Frage, was der wahre Geltungsgrund der Liquidationsbefugnis sei, was den Schutz des Dritten rechtfertige, ist eine der schwierigsten des Schadensrechts. Eine auf Symmetrien bezogene Analyse kann weder den Ehrgeiz haben, die Kohärenzbezüge zu den problemverwandten Institutionen des Schadensrechts herzustellen, noch den angesammelten Stoff aufzuarbeiten oder gar den vorhandenen eine nächste Einheitslösung hinzuzufügen. Sie hat zu erwägen, auf welchen Geltungsgrund sich das Institut der Drittschadensliquidation, so wie es Recht ist, stützen lässt. Die Dogmatik konzen­ triert sich wesentlich auf drei Momente: Anspruch, Ausgleich, Gefahr. 1. Die Idee einer zuweisenden Funktion des Anspruchs haben wir für die Varianten des ius ad rem schon kennengelernt. Und bei Kauf, Schenkung oder Vermächtnis ist der Übertragungsanspruch ebenso charakteristisch wie bei Verwaltungs- oder Erwerbstreuhand der Herausgabeanspruch. Umgekehrt fehlt es bei den Fällen ohne Drittschutz offenbar am Anspruch, so, wenn das viel besprochene Stromkabel durchtrennt wird; so, wenn der vorgesehene Erbe infolge falscher Beratung unwirksam eingesetzt wird; so, wenn der neue Mieter gegen den säumigen Altmieter seinen Verzögerungsschäden ansetzen will62 . 2. Es gibt eine beachtliche Problemnähe zu anderen Ausgleichsformen, zum Regress und zum Vorteilsausgleich. Es ist nicht trivial zu erwägen, ob ganz einfach übergehen wie den Umstand, dass umgekehrt Interessen des Gläubigers neben die des Dritten treten können, die sich nicht „verlagern“; s. etwa zum Schutz des Interesses an der Provision RGZ 58, 39, 42; RGZ 61, 331. Die Retentionsrechte des Kommissionärs können bspw. entwertet werden, bei der Vermögensverwaltung oder Inkassozession, und ganz allgemein bei jedem stillen Vertreter wird die Verdienstaussicht verstellt; die Provision wird erst durch Geschäftsausführung verdient, §  396 HGB. Die kaufmännischen Sicherheiten regeln §  369, §  397 HGB. Bei der Verwaltungstreuhand kann der Gläubiger ein echtes Erhaltungsinteresse am Treugut haben, s. die Beispiele bei Walter, Unmittelbarkeitsprinzip, S.  35. Beim Kauf und Werk vor Abnahme nutzt der Eigentümer den Gegenstand schon oder noch; zugleich dient er ihm als Sicherheit; beim Vermächtnis soll das Damnationslegat gerade den Erben schützen und beim Sicherungstreugut sind die Interessen nicht verlagert, sondern nach Maßgabe der Sicherungsabrede gespalten. 61  Selb, NJW 1964, 1765 ff.; Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, passim. 62 S. Rudolf Reinhardt, Der Ersatz des Drittschadens, S.  4.

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ein Ausgleichsbefehl die Wertbasis für den Drittschutz bildet. 3. Die Gefahr­ übernahme ist schließlich inhärenter Teil der Verlagerungsformel, welche die Kasuistik seit v. Tuhr und Trägert zusammenhält. Still Vertretene, Treugeber oder Käufer beim Versandkauf tragen die Gefahr wie ein Eigentümer: ihr Vermögen wird vermindert bei einem Untergang oder einer Beschädigung, deren Umstände der rechtliche Forminhaber (Gläubiger) nicht zu vertreten hat63. Mit dieser einfachen Abschichtung des möglichen Gehalts der Anfängerformel ›Schaden des einen, Anspruch des anderen und einer zufälligen Trennung‹ ist eine Annäherung erreicht64. Die einfache Zusammenstellung der funktionalen Anknüpfungsmomente hat ans Licht gebracht, wo die tragenden Wertgedanken zu suchen sind. Es lassen sich drei Streitthesen formulieren: Die erste Streitthese. Schon der Anspruch auf dynamische Verteilungsänderung, sei er vertraglicher oder gesetzlicher Art, bewirkt die Umverteilung inter partes. Der Gläubiger, der ein Recht auf eine Sache hat, wird als Innen-Inhaber der Sache gedacht, gleichviel wer die Gefahr trägt. Diese Innen-Verteilung schlägt gegenüber einem kulpos Handelnden „nach außen“ durch. Die Gefahr­ übernahme ist nur für die Bemessung des Schadens, nicht aber für Zuordnungsfragen relevant: die Sachgefahr wirkt schadens-, nicht schutzbegründend. Die zweite Streitthese. Schon der Ausgleichsgedanke für sich besehen rechtfertigt die Abwicklung des Drittschadens. Der deliktische, vertragsstörende Verantwortliche wird nicht durch die wertungsmäßig subsidiäre Binnen-Haftung des Dritten freigestellt. Gefahrübernahme oder „Recht zur Sache“ sind wertungsfreie Momente. Die dritte Streitthese. Ansprüche, Erwartungen oder Hoffnungen sind verteilungsrechtlich irrelevant. Die Gefahrtragung selbst ist erst das axiologische Moment, das eine Liquidation für Dritte materiell rechtfertigt und fordert. Es sind im Folgenden die Relevanz dieser Momente: ›Anspruch, Wiedergutmachung, Gefahr‹ einzeln zu problematisieren65.

1. Die Verteilungsrelevanz des Dinganspruchs Mit der ersten Streitthese wird der Gedanke des obligatorischen Rechts zur Sache, des ius ad rem, erneuert und fortgedacht. Schon die lange Zeit herrschende Lehre vom „transitorischen Interesse“ v. Tuhrs und anderer stand ihr nahe: Sie 63  In der didaktischen Terminologie: Bei Schenkung oder Vermächtnis tragen sie die Leistungs-, bei Kauf oder Werk vor Abnahme, die Preisgefahr. 64  Wir können Ausnahmen, die es durchaus gibt, zunächst zurückstellen und die Relevanz dieser drei Momente betrachten. 65  In der Schuldrechtsliteratur werden die in Streitthesen gefassten Wertgedanken oft ohne Aufdeckung mitgeführt oder mitgedacht, bald auch unmotiviert vermengt, aber nur selten in Reinform erörtert. Annäherungen und Mischformen überwiegen, weil jede Seite vor einer radikalen Vereinfachung der Wertungsgrundlage zurückweicht und, wenn auch nur implizit, weitere Wertmomente zur Schutzbegründung ergänzend angeführt sind.

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stufte das Eigentum des Mittelsmanns zum vorübergehenden Durchgangsposten herab und betonte den Übertragungsanspruch als Motor im transitorischen Verteilungsprozess66 . Nach dem schon beschriebenen Misserfolg der Lehre Dulckeits hatte die These eines „relativen Eigen“ für die Drittschadensfälle durch v. Caemmerer wieder Einfluss, der für die Konstellation der „obligatorischen Entlastung“ festhielt, „daß die Sache obligatorisch gesehen bereits Eigen des Käufers“ sei67. Ersichtlich ist das noch keine Begründung. Die wesentlichen Aspekte zu der Begründung sind vielmehr: 1. Die Verteilungsrelevanz des Anspruchs lässt sich nicht schon vom Tradi­ tionsprinzip her begründen. Für die Opposition gegen das Sachenrecht in der NS-Zeit mochte das noch als Erklärungsgrund genügen, wie wir sahen. Zu fragen ist aber, ob das Traditionsprinzip auch über die Schutzgewähr für Dritte Aufschluss gibt, es den Schutzgrund besser verstehen lässt. Bei v. Caemmerer ist es mehr beiläufig gesagt: „Wenn das schweizerische, österreichische und deutsche Recht dem Traditionsprinzip folgen, so geschieht das im Hinblick auf die Wirkung gegenüber Dritten, nämlich gegenüber den Gläubigern und Singularsukzessoren der Beteiligten. In ihrem Interesse wird auf die äußere Erkennbarkeit des Eigentumsübergangs Gewicht gelegt. Das schließt nicht aus, die Frage ,inter partes‘ anders zu beurteilen“. Dann ist es nur ein Schritt, zur Annahme eines „relativen Eigen“, des Inhalts, „daß die geschuldete Sache dem Gläubiger gebührt“68 . Inter omnes bestehe die Rechtslage, die ohne Vertragsprinzip ohnehin gelte. Im Schadensfall, so lautet die These, schlage diese Geltung inter partes nach außen um. Es ist einfach zu sehen, dass dieser letzte Schritt, das Umschlagen, erst noch zu begründen ist. 2. Die Verteilungsrelevanz des Anspruchs lässt sich, wie nach dem Gesagten deutlich sein wird, auch nicht auf die Commodumregel nach §  285 stützen. Dies wird allerdings bestritten. Der Surrogatanspruch dient der Drittschutzkon­ struktion zunächst in der Tat als technisches Mittel: Der Gläubigeranspruch, der mit dem Drittinteresse aufgefüllt wird, wird heute als geschuldeter „Gegenstand“ gedeutet, der dem Dritten nach §  285 gebührt. Genau darauf wollte die alte Lehre vom „transitorischen Interesse“ noch hinaus. Nach v. Caemmerer belegt die Pflicht zur Vorteilsherausgabe, dass die geschuldete Sache „wirtschaftlich bereits als ihm (dem Schuldner) gebührend, als sein Eigen anzusehen“ sei69. Eine Generation später schließt auch Picker in anderem Problemzusammenhang von der Vorteilsregel auf ein relatives Eigen des 66 

GrünhutsZ 25 (1898), 536; ders., KritVJSchr. 47 (1906), 68. v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 261. Das Konzept des relativen Eigens ist auch aufgenommen bei Picker, AcP 183 (1983), 369, 511 f.; ders., JZ 1987, 1041, 1044 in Fn.  17. Ausgebaut zur umfassenden Theorie durch Bollenberger, Das stellvertretende Commodum, S.  112 ff., 129 f., 197 ff., s. schon §  6 I. 68  Wie zuvor, s. auch ders. Festschrift Rabel I, S.  389, s. auch dort Fn.  211. 69  v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 262. 67 

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Anspruchsinhabers. Bei Picker ist zum Rechtsprinzip erhoben, dass Kategorien von absoluten und relativen Rechten zwischen Parteien in Schuldrechtsbeziehung irrelevant seien70 . Eindruck mache schon die Vertauschbarkeit von Kondiktion und Vindikation, gerade wegen ihrer identischen Ergebnisse inter partes; aber „spätestens“ der Vergleich der verschiedenen gesetzlichen Einstandspflichten belege: „Die, wenn man so will ,vermögensmäßige Verlängerung‘ der Vindikation beispielsweise, die in der Jedermannsbeziehung §  816 leistet, wird im Rahmen einer Vertragsbeziehung durch §  281 auch dann schon gewährt, wenn nur erst eine obligatorische Zuordnung der weiterveräußerten Sache vorliegt“71. Beide meinen, wie gesagt, nur das Verhältnis zum Gläubiger, nicht zum Schädiger. 3. Eine Verteilungsrelevanz des Anspruchs lässt sich gegen Bollenberger auch nicht mit Hilfe der Imperativenlehre erklären. Dass das Recht ohne erzwingbare Durchsetzung ein leeres Wort bleibe, und dass Recht nicht als Wille, sondern als Imperativ zu denken sei, wirkt bis in Lehrdarstellungen aus jüngerer Zeit nach, in Versuchen, das Recht mit seiner Zwangsfunktion gleichzusetzen. Didaktisch vereinfacht: Ein Ding gehört mir, soweit mir das Bekommen durch Rechtszwang gesichert ist. Wie damit die theoretische Fragestellung von vornherein um die Seite der Vermögensbefugnis gekürzt ist, wurde schon im theoretischen Teil beschrieben. Aus dieser verengten Perspektive erscheint es dem Betrachter folgerichtig, von den Zwangsmitteln des positiven Rechts, der Naturalerfüllung und Naturalexekution, auf ein relatives Eigen des Sachanwärters mit obligatorischem Recht zu schließen. Das ist in der Tat erwogen worden, zuletzt von Bollenberger, der meint, die Zwangsordnung enthalte den fehlenden Begründungssatz. „Relatives Eigen“ habe ein Schuldner, wenn er sich tatsächlich nicht mehr „freikaufen“ könne; erst dann habe der Schuldner „endgültig disponiert“72 . Diese weitere Anleihe bei Hegel führt zu seltsamen Ergebnissen. Die Pflicht zur Erfüllung in Natur begründet die dinghafte Zuweisung, es sei denn, der Schuldner kann sich der Pflicht durch Zahlungen entziehen; das zwangsweise Erwerbbare hat man schon zu Eigen, hängt aber damit von den zivilprozessualen Exekutionsregeln ab: Ein Ding gehört in einfachen Worten gesagt mir, wenn das positive Zwangsvollstreckungsrecht dafür sorgt, dass es in meinen Besitz kommen wird. Es wurde einleitend näher gesagt, dass eine solch imperativistische Sicht auf die Befugnis an etwas Äußerem viel zu begrenzt ist73. 70  JZ 1987, 1041, 1044; ders., AcP 183 (1983), 369, 511 ff.; ders., JZ 2014, 431, 440; zustimmend sein Schüler Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S.  227 f. 71  Picker, AcP 183 (1983), 369 ff., Zitat auf S.  512; s. auch ders., JZ 1987, 1041, 1044, Fn.  17. 72  Bollenberger, Das stellvertretende Commodum, S.  120. 73  Auch wird das Prinzip der Realexekution überbewertet sein, wenn der Schutz des gefahrbelasteten Käufers oder Beschenkten auf einmal davon abhängt, ob die Zwangsrechtsordnung den tatsächlichen Zugriff gestattet hätte. Diese Konsequenz ist Bollenberger durchaus bereit anzunehmen (s. Das stellvertretende Commodum, S.  166 ff., 173 ff.). Berechtigte Ein-

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Man sieht zuletzt, dass die zweite Streitthese den Rückbezug zur liquidationsrechtlichen Kasuistik gar nicht aushält. Für Treuhandabreden kann man sagen, das Treugut gehöre dem Treugeber, aber die fiduziarische Besicherung ist eine Güterteilung, nicht ein einseitiges Zueigenhaben, denn sie stellt den Besicherten wie einen Pfandgläubiger; so muss der „relative Eigentümer“ das Sicherungsgut durchaus herausgeben, wenn es der Sicherungszweck verlangt. In anderen anerkannten Liquidationsfällen passt das Wort gar nicht. Denn der gefahrtragende Käufer ist gerade nicht ›Eigner inter partes‹, ihm gebühren Nutzungen, Lasten, andere Gefahren gerade nicht, wie ganz allgemein aus §  446 folgt. Noch weiter geht es, den Werkunternehmer als „Eigner inter partes“ anzusehen, weil – oder gar: soweit – er vor der Abnahme ein Recht zur Wegnahme des unvollendeten Werkes hat. Die Theorie des „relativen Eigens“ und die erste Streitthese unterstellen also den in Wahrheit zu erbringenden Nachweis, dass dem Dritten der Vorteil, dessen Schutz die Liquidation letztlich ist, gebührt.

2. Ausgleichsgrund und Drittschutz Für die zweite Streitthese, die den Drittschutz auf den Ausgleichsgedanken zurückführt, ist zuerst an die zahllosen Appelle zu erinnern, nach denen „selbstverständlich ist und keiner Erörterung“ bedarf, dass der Schädiger nicht zufällig entlastet werden dürfe74. Die Dogmatik hat das als schlecht gefasste Ausdrücke schadensrechtlicher Wertgedanken gedeutet und in der Folge die Institution der Drittschadensliquidation mit anderen Abwicklungsformen des Schadensersatzes (Vorteilsausgleich, Regress) verbunden75. Seit der Begriff des Schadens vom naturalistischen Verständnis gelöst wurde und zahlreiche bewegliche Normativelemente kennt – Adäquanz, wertende Zurechnung, Schutzbereichslehren – war das ein im Grunde nahe liegender Schritt76 . Die Sachnähe zur Lehre vom Vorteilausgleich ist auch evident, denn die faktische Deckungspflicht des gefahrbelasteten Dritten gereicht dem Schädiger untechnisch gesagt zum Vorteil. Wenn nach §  249 der Zustand herzustellen ist, der ohne Schadensereignis bestünde, zielt das auf Gesamtbereinigung der Verteilungsstörung, aber dann sind mitverursachte Vorteile schon nach dem Normwortlaut auszugleichen. Es ist also nicht weit zur Annahme, die vorherige Gefahrübernahme des Dritten sei der schadensnachfolgenden Deckungspflicht gleichzustellen. Das ist in der Tat in allen Generationen seit 1900 angenommen worden77. Als der Bundesgerichtshof den Schadensbegriff nach und nach von wände äußern Felix Hartmann, Anspruch auf das stellvertretende commodum, S.  32 ff.; Helms, Gewinnherausgabe, S.  350 ff. 74  S. oben, §  7 I. 4. 75  Wie zuvor. 76  Statt vieler s. HKK/Jansen, §§  249–253, 255 Rn.  63 ff. 77  Die Hoffnung, Vorteilsausgleich und Schadensliquidation in ein Institut zu verschmel-

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einem pseudo-naturalistischen Kausalitätserfordernis befreite und normative Einschläge zuließ, musste dies die Lehre also ermutigen, erneut die Zusammenführung von Vorteilsausgleich und Drittschadensliquidation zu erwägen78 . Wa­ rum ist es nie zu einer solchen Konsolidierung gekommen? Die Antwort ist schlicht: Das Institut des Vorteilsausgleichs war seinerseits zu ungewiss79. Leicht zu sehen ist aber auch, dass weder Ausgleichszweck noch das schadensrechtliche Gebot der Bereicherungsabwehr es erklären würden, dass die vorherige und nachträgliche Deckungspflicht wertungsmäßig anders behandelt werden. Denn aus schadensrechtlichem Blickwinkel kann es auf die zeitliche Zäsur nicht ankommen. Anders gesagt: Eine Entlastung des Schädigers durch die Gefahrtragung des Dritten wäre eine schon ausgleichsrechtlich unplausible Annahme. Für die verwandten Institute des Schadensrechts kann Analoges gesagt werden. So böten auch die Lehre von der hypothetischen Kausalität oder ganz allgemein die normative Schadenslehre durchaus eine systemklarere Heimat für die Drittschadensliquidation an. Die Liquidation für Dritte erinnert auch an eine Regressfigur. Dann erbringt der Käufer im Schadensfall eine Versicherungsleistung und nimmt den Schädiger in Regress80 . Diesen ausgleichsbezogenen Drittschutzthesen ist gemeinsam, dass sie eine konstruktive Neuverortung, also den Austausch zweier Ordnungslösungen empfehlen. Eine angebliche Systemverwandtschaft zu regress- oder schadensersatzrechtlichen Instituten soll die Verschmelzung mit der „Drittschadensliquidation“ gebieten. Soll dies aber kein systemjurisprudentielles l’art pour l’art bleiben, drängt sich die Frage nach dem Praxis- oder Erkenntnisnutzen einer solchen Neuverortung auf. Oder bewegt man sich kreisläufig um die wichtigere Frage nach dem Wertgrund einer Liquidation nur herum, ohne sich ihm einen Schritt zu nähern? Der Nutzen, den die Ansätze verfolgen, liegt anderswo. Sie zen, wird auch dogmengeschichtlich genährt. Denn die großen Umwälzungen des Schadensersatzrechts begannen erst, als die bereits gefestigte Kontur des liquidationsrechtlichen Drittschutzes nicht mehr von der Judikatur in Frage gestellt wurde. Man bedenke, wie das RG noch 1913 im Dombrandfall annahm, der fahrlässig handelnde Verursacher werde dadurch frei, dass der baulastpflichtige Fiskus die Schäden am Dom beseitige, s. RGZ 82, 206, 213. Der Gedanke des Vorteilausgleichs, wie ihn Oertmann 1901 in „Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch im römischen und deutschen bürgerlichen Recht“ entwickelt hatte, war damals noch kein Gemeingut. 78  S. oben, §  7 I. 1. 79  S. schon Mot. II, S.  18 f. Vorgaben sind hier, wie für das Drittschadensproblem, bewusst vermieden. 80 Die Zessionsregel in §   285 ist zunächst gleichsam der technische Aufhänger der sog. Drittschadensliquidation. Vorteilsherausgabe nach §  285 zum einen und Zessionsregress zum anderen unterscheiden sich eben nur technisch, indem Abtretungsrecht und Abtretungspflicht vertauscht sind. Diese Nähe hat Selb in der Tat inspiriert, in der Gefahrübernahme eine Art Versicherung für den Verkäufer gegen die Gefahr zu sehen, vgl. Selb, NJW 1964, 1765, 1768; ders., Schadensbegriff und Regreßmethoden, passim; Ansätze dazu lieferte bereits Trägert, Geltendmachung des Drittschadens, S.  38 ff. Dass sich der Ansatz nicht durchhalten lässt, zeigt sich unter §  7 III. 2 im Text.

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sind meist auf den Grundton gestimmt, die indirekte Abwicklung als unzureichende Technik zu bekämpfen, die „der Rechtslogik spottende Denkfigur“ zu ersetzen81. Für die Analyse des gelebten Rechts ist dies nachrangig. Wichtiger ist, dass eine exaktere Herleitung des Schutzgrundes angesichts der Abstraktionshöhe der ausgleichsbezogenen Wertgedanken ›Ausgleichs-, Präventions- oder Sank­ tionsgedanke‹ unweigerlich fehlgeht. Man findet sowohl im Schadens- als auch im Deliktsrecht kaum Aussagen mit Orientierungswert82 . Es trägt also für die Frage nach dem Grund von Drittschutz offenbar wenig ein, an die allgemeinsten Ausgleichsbefehle83 anzuknüpfen84. Man kann also sagen, eine ausgleichbezogene Verortung eines Drittschutzes ist gut möglich, nur ist der Wertgrund des Schutzes damit nicht präzisiert.

3. Vorteilszuweisung an den Gefahrträger Nach der dritten Streitthese wird die Gefahrübernahme zur liquidationsrechtlichen causa creatrix: Die Verlagerungsformel ist nicht hohle Rhetorik, sondern hat einen intuitiv als richtig empfundenen Wertgehalt, der einen Vorteilsschutz 81  Dem Trend voran gingen sorgfältige Kritiken von Selb, NJW 1964, 1765 ff. und Hagen, der die Abwicklungstechnik als „eine eigenartige, der Rechtslogik spottende Rechtsfigur“ bezeichnete, (Drittschadensliquidation im Wandel, S.  287). Siehe auch Müller-Erzbach, „die subjektive Natur des Interesses, die es ganz offenbar nicht zuläßt, den Interesseanspruch des A mit dem fremden Interesse des B zu füllen“, Mittelbare Stellvertretung, S.   48. Der An-sich-Berechtigte müsse es erdulden, wenn der Schuldner aufrechne, werde mit dessen Einwendungen belastet, riskiere zudem die Insolvenz des Forminhabers – so lautet eine beispielhaft erwähnte Kritik. Eine andere: Die Aufgabe, den Drittschadensersatz richtig im System zu verorten, bleibe unbewältigt, vertragliche Schutzwirkungen, die Konstruktionen beim Erwerb (vorweggenommenes Besitzkonstitut), zur Besitzlehre, zur Anwartschaftslehre, zu schadensersatzrechtlichen Lehren (Vorteilsausgleich, Kausalität), zur Arbeit am Offenkundigkeitsprinzip (Geschäft für den, den es angeht), zum Commodumanspruch usf. – alles stehe ohne Rückführung auf tragende Prinzipien unangepasst nebeneinander. Auch das Erfordernis der mühsamen Abtretung hat seinen Grund: Es sichert den Kommissionär vor Prozessund Insolvenzrisiken (weswegen sich der Vorschlag Zimmermanns, dem Dritten einen Anspruch gegen den Kommissionär zu geben, bevor dieser Ersatz von dem Schädiger erhalten habe, zu Recht niemals durchsetzte, s. Neues Arch. f. Handesrecht, 1 (1858), 48 ff.). Rechtstatsächlich erscheinen zusätzliche Prozesse nach Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, S.  299, wenig wahrscheinlich; aber es kann vorkommen, dass der Berechtigte nicht auffindbar, nicht bekannt ist. 82  Richtig für das Schadensrecht etwa Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts, S.  185 f., für das Deliktsrecht s. Kötz, Festschrift Steindorff, S.  6 43, 644 f.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 423 ff., 453 ff. 83  „Im Vordergrund der Haftungsansprüche steht der Ausgleich für den materiellen Schaden und die erlittene Unbill“, s. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.  17 (Hervorhebung im Original). 84  Stets finden sich die abgestandenen Drittschutztopoi wieder, bei Peters etwa ist zu lesen, die Überlegenheit normativer Schadenslehren für das Drittschutzproblem folge u. a. daraus, dass die früheren §  324, §  4 46, §  4 47 das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer regeln und den Schädiger nichts angingen, s. AcP 180 (1980), 345.

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mit der Dinggefahr verbindet. In dieser These steckt eine Variante einer relativen Berechtigung, die sich den beschriebenen Theorieproblemen zu stellen hat. Es sind drei: 1. Die an sich nahe liegende Berufung auf die einleitend erwähnten Parömien ist verschlossen. Sie mündete in einem System der wechselseitigen Bestätigung. Dann wäre ein Systemgebäude in Schlüssen- und Gegenschlüssen errichtet, ohne dass man sich über die Tragfähigkeit des Fundamentes ganz im Klaren ist. Die Frage muss deshalb dahin gehen, ob das Institut der Drittschadensliquidation selbst, gleichsam aus sich heraus, ein Beleg einer axiologischen Verknüpfung von Schutzvorteil gegen Gefahrtragung ist. 2. Das geschilderte Paradoxon des relativen Habens wird wohl unausweichlich, sobald man ein Treuhandkriterium (Nutzungsrecht, Herrschaft, Gefahr) benennt. Man fragt dann: Wieso sollte nur die Gefahr einen Rückschluss auf eine positive Liquidationsbefugnis erlauben, warum nicht ein anderes Kriterium von Eigentum? Welches Moment ist Folge, was Grund der Zuweisung? Wie verhalten sich die Kriterien zueinander? Von einer noch zu behandelnden Ausnahme abgesehen, ist das bislang kaum problematisiert und nicht plausibel beantwortet worden. 3. Schließlich bleibt die Abstraktionsstufe der Relativik von Gefahr, Opfer, Liquidationsbefugnis usf. offen85. Wie ist Gefahr zu verstehen: situativ, als konkreter Nachteil oder allgemein und abstrakt? Bei Diehle und Bitter etwa ist eine Abstraktionsform mit konzentrierter Achse gemeint: Der Träger einer formanalogen Gefahr (Vorbild: casum sentit dominus) erhält eine Reihe von Vorteilszuweisungen durch Schadensliquidation, Beständigkeit gegen Gläubigerzugriffe und mehr86 . Es entsteht eine Zwischenfigur ›Treuhand‹, kodiert im Dreieck, also mit folgender Matrix: (+– –). Aber warum nicht eine tiefere Abstraktionsstufe in Betracht ziehen? Es wäre doch ein sehr einfaches, vielleicht völlig genügendes Prinzip, frei von jeder Abstraktion, sich auf das situative Gefälle zwischen Gefahr und konkretem Entlastungsvorteil zu konzentrieren. Oder: warum nicht eine reziproke Abstrak­ tionsform in Betracht ziehen, also eine Treuhandbefugnis auch mit Negativ­ folgen? All das ist bislang noch gar nicht problematisiert worden. Es ist festzuhalten, dass die liquidationsrechtliche Axiologie nicht durch eine Betrachtung von dynamischem Verteilungsanspruch, Ausgleichszweck oder der Gefahrtragung geklärt werden kann. Die Erkennbarkeit des materialen Rechtsgrunds aus Formel, System oder Kasuistik heraus scheint endgültig zerstört. 85 

S. oben, §  6 II., näher noch unter §  7 III. 4. zunächst nur Diehle, Rechtsträgerschaft, S.  46 f.; Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  189 ff. und ausf. sogleich unter III. 4. 86  S.

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III. Die Drittschadensliquidation als materiales Symmetrieverhältnis Fassen wir das Bisherige zusammen. Die Kasuistik ist unbefriedigend unbestimmt. Typenbeschreibungen mit Begriffspartikeln wie „für fremde Rechnung“, „Treuhand“ oder „Entlastung“ sind viel unklarer als allgemein angenommen. Aus einer Vergessenheit des dogmatischen Problemstoffes, der unter dem Diktat der freien Interessenanalyse unkenntlich wurde, weiß man von den Wertmaßstäben nichts und entscheidet intuitiv. Dann mag man das Kasuistische als didaktische Illumination beibehalten, solange man die bildhaften Beschreibungen nicht zu subsumtionsfähigen Vorgaben aufwertet. Aber genau dies geschieht: der kasuistische Korpus muss als Überprüfungsmaßstab für neue Ordnungsfelder herhalten87. Die Skizze macht die verbreitete Polemik, das Recht sei um die Aussicht auf dogmatische Stoffdurchdringung betrogen, etwas nachvollziehbarer88 . Erste Konsolidierungen bei den Ergebnissen mündeten in ein gewisses Phlegma einer Gerichtspraxis, die in ständiger Sorge war, eine Ausweitung des Drittschutzes werde zu weit geraten. So ertrug man lieber eine Tyrannei der Topik. Eingängige Formeln halten die Kasuistik künstlich zusammen, die blasse Rhetorik ersetzt eine am System ausgerichtete Dogmatik – und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die durch Viewegs „Topik“ in Gang gesetzte Systemdebatte auf dem Höhepunkt war89. Dass die dogmatische Stoffdurchdringung auf einer als Provisorium gedachten Vorstufe still steht, gestehen auch Befürworter der Liquidation90 . Die Streitthesen haben heuristischen Wert, aber als alleiniges Fundament sind sie bald unvollständig oder stehen in ungeklärtem Verhältnis zueinander. Eine dingzuweisende Wirkung des Anspruchs ist zu systemfern. Die beiden anderen Streitthesen können nicht einfach durch Summierung zur Synthese verbunden werden, denn beide wären für sich besehen vollständiger Erklärungsgrund für einen Drittschutz. Ob sich die Schutzgewähr für Dritte, wie sie sich in den anfängergerechten Formeln der Lehrbücher als Hinziehung des Schadens zum Anspruch und zufällige Gefahrverlagerung vieldeutig ausdrückt, nun als materiale Symmetrie begreifen lässt, wird erst nach einem Wechsel der Perspektive verständlich und nachprüfbar. Setzen wir an anderer Stelle an und fragen – nicht mehr einseitig: Hat der Dritte ein formähnliches Anrecht, weil er wirtschaftlich Partei ist, weil ihm durch besondere Wertmomente ›Anspruch, Ausgleich, Gefahrübernahme‹ ein Ding oder verhaltensbezogene Zuständigkeit inter partes bereits gebührt? 87 

So gerade in der Grundlagenentscheidung in BGHZ 40, 91 = BGH NJW 1963, 2071. S. oben, §  7 I. 1. 89  S. die Einleitung, Fn.  43. 90  S. oben, §  7 I. 2. a. E. 88 

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– sondern zweiseitig: Gibt es gerade zwischen dem Drittbetroffenen und Schädiger einen besonderen Rechtfertigungsdruck auf die gedachte Situation ohne Liquidation? Alle Ansichten zum Drittschaden verbinden gemeinsame Annahmen. Dieses Gemeinsame zwischen den Vorstellungen in den Generationen und zerstrittenen Lagern ist viel größer, als wir es durchweg annehmen. Wir unterliegen einer optischen Täuschung: das Ungeklärte fällt uns stärker auf, weil das Gesicherte selbstverständlich ist. Der Fortbildungsprozess seit 1855 ist eine Selektionsgeschichte, in dem verschiedenste Ordnungsaufgaben einbezogen, gelöst oder übergangen wurden: bald eine Funktionsgewähr des Speditions- und Kommissionswesens, bald ein Bruchstück eines Instituts der stillen Stellvertretung; dann ein Billigkeitsausgleich für den Gefahrträger, wo ein Deliktsschutz im gestreckten Sacherwerb zu spät einsetzt oder zu früh endet; bald geht es wieder nur um die Herausbildung eines besonderen Schuldrechts von Bewahrungsund Obhutsverträgen, dann um Risikoausgleich in Absatz- oder Leistungsketten, die Haftung für Produkte, Personenfürsorge usf. Die verführerische Weite der Drittschutzformeln hat zwangsläufig zu einer permanenten Überprüfung ständig neuer Konstellationen geführt. Die Schutzfigur ist weder in objektiven oder normativen Schadenslehren aufgegangen noch zur Regressform verdünnt worden. Am Ende der Entwicklung steht keine Auffangform für beliebig zusammengeraffte Schutzinteressen, sondern ein kleiner Restekern aus dem Bereich der Rechte- und Güterzuordnung, dessen Kennzeichen auf Seite des Schädigers ein kulposes Handeln, auf Seiten des Dritten die drohende endgültige Frustrierung eines Opfers ist91.

1. Das kulpose Handeln des Schädigers als Wertungsmoment Das schadensersatzauslösende oder kulpose Handeln des Schädigers als Faktizität und Wertungsmoment anzuführen, rebelliert gegen herkömmliches formbezogenes Denken92 . Aber alle so vielfältigen Sachverhaltsvariationen sind mit diesem Wertelement versetzt, so dass diese unbeachtete Immanenz in den Rechtfertigungsbereich zu heben doch an sich nahe liegen muss. Wieso wird dies nicht in Betracht gezogen? Im Rückblick auf die Entstehung, auf eine Abfolge ergebnisplausibler, systemfremder Schutzgewährungen, kam zutage, wie intuitiv und zufällig der Fortbildungsprozess verlief93. In der Lehre wird ein Abgleich mit problemverwandten Institutionen – Vorteilsausgleich, Commodumanspruch, Treuhandrecht – erwogen und gefordert, aber Gerichte set91  Die vereinbarte Abwicklung von Drittschäden und die Inobhutnahme gehören, wie gesagt, in einen anderen Kontext, s. §  7, Fn.  49. 92  Es wird im Folgenden zur Vereinfachung nur noch vom kulposen Handeln gesprochen, wobei klar ist, dass auch Sachverhalte ohne culpa, die aus anderem Grund zum Schadensersatz führen, einzubeziehen sind. 93  Berechtigte Kritik insofern bei Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, S.  117.

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zen auf Formeln, die ihren tragenden Wertgedanken – nach Ansicht der Kritik: ihr Fehlen – wie Flickwerk überdecken. Nach der Adaption der reichsgerichtlichen Judikatur wurden neue Sachverhaltskonstellationen unter der Losung ›keine Ausuferung des Drittschutzes!‹ beurteilt94. Vorsicht bei der Fortbildung des Rechts ist eine Pflicht des Richters, aber die Eindämmung des Drittschutzes ist kein Eigenwert. Die wildwüchsige Kasuistik wird ersatzweise zum Wertmaßstab. Bei dieser zugegeben solipsistischen Methode darf nun aber nicht vergessen werden, dass die Formeln durchaus die Wertungen enthalten und forttragen könnten. Mehr noch: Erst von diesem Standpunkt aus wäre auch klar, dass die Parömie der Rechtsprechung von dem Verbot der Entlastung für den kulpos Handelnden gar keine inhaltslose Rhetorik, sondern eine unreflektierte und intuitive Wertung ist. Die systemische Überprüfung kann dieses Verständnis stützen. Eine Aufgabe der Erwerbsordnung ist es etwa, den Verkehrsschutz für Bösgläubige zu begrenzen, wie man am deutlichsten an §  932 Abs.  2 sehen kann. Analoges gilt beim Handeln für andere, da auch die Legitimationswirkung der Vollmacht bekanntlich nicht absolut ist, sondern etwa bei kollusivem Handeln nicht hilft. Nachdem wir einleitend die Formalisierung der Ausgleichsansprüche dargestellt haben, erlangt das scheinbar so simple Faktum der culpa einen höheren Erklärungswert. Neue Fragestellungen drängen sich auf: Wie steht sie etwa zu dem ganz einfachen Befund, dass Schutzansprüche des Kondiktions- oder Sachenrechts in der nachvollzogenen Typik (Treuhand, obligatorische Entlastung usf.) gar nicht weiter erwogen werden? Wie erklärt es sich, dass alle übrigen Versuche, der trust doctrine auf deutschem Boden zur Geltung zu verhelfen, gescheitert sind? Wieso kommt es aber dann ausgerechnet im Schadensfall doch zur sonst so strikt vermiedenen Durchbrechung des Formalen? An dieser Stelle muss es nahe liegen, in dem Kriterium der culpa eine unbewusste Selbstverständlichkeit zu sehen, die gerade den Unterschied zu anderen Ausgleichsansprüchen erklärt, die keine Drittwirkung kennen. Dann enthält der Entlastungstopos, an dem Richter, anders als die Kritik es wollte, stets festhielten, weil sie hier ein Teilstück des Liquidationsgrundes intuitiv vermuteten, also durchaus etwas Wahres.

2. Frustrierung des Vermögensopfers oder Entwertung einer unentgeltlichen Zuwendung für den Dritten Von hier aus erneut zur Frage, welchen richtigen Kern die Verlagerungsformel, die seit v. Tuhr als Bindeglied der Kasuistik gilt, mit sich führt. Die These: Maßgeblich ist, dass das Vermögen des Dritten durch die endgültige Frustration des Erwerbsopfers oder die Entwertung einer begünstigenden Zuwendung verringert wird. Von der zweiten Faktizität in der Kasuistik, welche die drohende 94 

S. oben, §  7 I. 3.

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Endgültigkeit des Drittopfers ist, kann nicht einfach auf dessen axiologische Relevanz geschlossen werden, im Gegenteil, hier liegt für die Schuldrechtsdogmatik die Schlüsselfrage überhaupt. Selb hat als einer der einflussreichsten Kritiker des Instituts behauptet: „Die Feststellung der eingetretenen Schadensverlagerung ist noch völlig wertneu­ tral“95. Auf diese Behauptung müssen wir eingehen. Als Frage formuliert: Lässt sich überhaupt von einer unmittelbaren Beziehung zwischen dem Dritten und Schädiger sprechen, welche asymmetrisch sein könnte? Die Antwort ist eindeutig ja. Das folgt aus dem Prinzip des vollen Drittschadensersatzes, das stets ein Kontinuum in der Judikatur gewesen ist. Die Rückschau auf den Entstehungsgang hat gezeigt, dass sich die These vom Ersatz des vollen Drittschadens vielfältigen Gegenkräften widersetzt hat. Oft wurde behauptet, es gehe nur um ein materielles oder ideelles Gläubigerinteresse, oft versucht, den Schaden von den Parteien zu lösen, also gleichsam gegenständlich zu bemessen. Schon das Reichsgericht hat später klar gesagt, dass der Verkäufer, „mit der Klage auch die sämtlichen vorgehenden Interessen, soweit sie nebeneinander bestehen können“ geltend machen darf96 . Und seit Jahrzehnten hat kein Richter mehr daran gezweifelt, dass der Umfang des verursachten Drittschadens den Umfang des zu leistenden Drittschadensersatzes bestimmt97. Es stimmt also, dass es zu einer Verdoppelung der schadensrechtlich geschützten Vermögenssphären kommt. Denn der Gläubiger bleibt gegen den pflichtwidrigen Vertragsbruch oder die deliktische Handlung geschützt98 . Der Dritte erlangt mittelbar vollen Schutz. Aus diesem Blickwinkel wird plausibel, dass die Entwertung eines Opfers oder einer Zuwendung ein wesentliches Wertmoment für den Drittschutz ist. Man kann sagen, angesichts des drohenden vollständigen Wertverlustes für den früheren Wertinhaber wird die formale Verteilungsordnung für ihn punktuell geändert – das entspricht exakt den Vermutungen zur Schadensliquidation, ein Minimalschutz vor einer Verlustsituation ohne Korrekturmöglichkeiten in besonderen Fällen99. 95 

Selb, Schadensbegriff und Regreßmethoden, S.  48. RGZ 62, 331, 335. 97  Umformulierung des Prinzips des vollen Interessenschutzes, wie es in Motive bei Mugdan, Materialien, Band 2, S.  10 gefasst wurde. 98  Die Verschiedenheit dieser Interessen ist nicht zu leugnen. Der Verkäufer beim gestreckten Warenverkauf etwa hat ein Interesse zunächst am gemeinen Warenwert, ferner am Wiederbeschaffungswert oder, wenn dieser fehlt, am Schätzwert. Sein Interesse ist auf die Handelsspanne als entgangenen Gewinn gerichtet, aber zahlreiche weitere Vermögensinteressen, wie der Ersatz von Vertragsstrafen, sind denkbar. Das Käuferinteresse kann schon in Bezug auf dieselbe Sache sehr verschieden sein, etwa weil er als Verbraucher den handelsüblich höheren Preis zahlt, weil die Ware einen durch seine Person bestimmten höheren Schätzwert hat oder er in seinen Händen einen anderen Wiederverkaufswert hat. Auch dem Wiederverkäufer entgeht seine eigene Handelsspanne und stets sind zahlreiche eigene Schadenspositionen auf Käuferseite möglich. 99  Zu §  816 Abs.  1 S.  2 , s. Rosenlöcher, Entwicklung, S.  128 f. Näher unten, §  9. 96 

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Es ist nunmehr nicht mehr schwer zu sehen, dass die Liquidation auch Restitutionsmitteln nahe steht, die vielleicht klarste Parallele ist in §  816 Abs.  1 S.  2 zu sehen, worauf später einzugehen ist100 .

3. Die hypothetische Asymmetrie zwischen Opfer und Entlastung im Rückbezug zur Formteleologie Wenn im Folgenden versucht werden soll, ein tieferes Verständnis für den Grund des Drittschutzes durch eine Verbindung dieser beiden Aspekte, DrittOpfer und Entlastungs-Vorteil, zu erreichen, so ist zuerst eine hypothetische Asymmetrie zwischen diesen Aspekten zu betrachten. Gemeint ist die Asymmetrie zwischen Opfer und Vorteil bei einem versagten Drittschutz. Zu fragen ist zunächst, warum eine solche Asymmetrie entstünde. Vorbedingtheiten des Drittschadensproblems sind die deliktische Verengung der Schutzgewähr, das Relativitätsproblem bei Schuldverhältnissen, der bipolare Schadensbegriff. Es ist aber das offenbare Kennzeichen der Kasuistik selbst, dass gerade die durch die Abstraktion der Verteilungsordnung abgeschnittenen Berechtigungstypen, die mittelbare Vertretung und die fiduziarische Berechtigung, die Haupttypen der Kasuistik sind. Es ist in einem ersten Schritt diese Formteleologie noch einmal vertiefend zu betrachten. Vor allem: Wo liegt der Grund für die Verklammerung der verhaltens- und dingbezogenen Schutzgewähr? Formkräfte und Abstraktionsgrad sind, wie gesehen, ja keinesfalls genau gleich101. Das Gemeinsame der Formen liegt in der Abschirmung von materialen Befugnissen anderer. Laband hatte die „Trennung der formellen Verkehrs-Legitimation von der materiellen Berechtigung“ als einen allgemeinen Satz des Vermögensrechts begriffen. „An Stelle der Berechtigung tritt die Legitimation“, dies sei die gemeinsame Wurzel, der universale Gedanke, aus dem sich auch die „formelle Stellvertreterbefugnis“ erkläre102 . Auch bei v. Gierke wird die Unterscheidung „zwischen innerer und äußerer Seite“ des Rechtsverhältnisses als ein „das ganz deutsche Privatrecht durchringender Gegensatz“ beschrieben103. 100 

S. unten, §  9. liest in den Protokollen, die „Vollmacht sei kein abstraktes Rechtsgeschäft“, sie lehne „sich stets an ein anderes Rechtsverhältnis“ an, Prot. S.  299 = Mugdan, Materialien, Band 1, S.  742. Das wird übergangen, wenn in der Didaktik gesagt wird, die abstrakte Vollmacht habe die Bevollmächtigung so zur causa, wie der Kaufvertrag causa der Übereignung sei, Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, §  184 III 2. Das ist ersichtlich eine Vereinfachung. Der Abstraktionsgrad bei Eigentum, Vertretung, Anleihe ist nicht gleich. Man sieht dies, wenn in §  168 das Erlöschen der Vollmacht mit dem Ende des Grundverhältnisses angeordnet ist, so als hätte sich ein Restkern der alten Einheitslehre von Mandat und Vollmacht erhalten. 102  ZHR 10 (1866), 183, 241. 103  v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S.  4 46 Anm.  2. 101  Man

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Die Trennung der Formen vom Kausalmoment dient der Rechtssicherheit. Welcher, ist vertiefend zu betrachten: Der Mechanismus der Abstraktion, dessen Entstehen Jhering im römischen Recht nachweist, gilt ihm als vielleicht „glücklichster Gedanke des römischen Rechts, jedenfalls einer der festesten Anker für die Sicherheit des Eigenthums“. Die Ausnahmen, etwa im späten römischen Recht die restitutio in integrum bei Minderjährigkeit, dienten ihm zur Veranschaulichung. In der Sprache Jherings: „Der Fehler, der dem Eigenthum von seiner Geburt her anhaftet, wird hier nie überwunden, das Eigenthum ist als ein krankes, sieches zur Welt gekommen; in dem durch seine mangelhafte Begründung bewirkten Fehler trägt es den Todeskeim in sich, der wie spät und wo er sich auch entfaltet, dem Eigenthum den Untergang bereitet und damit den Unschuldigen, dem späteren Nachmann mit in die Verwickelung und den Schaden hineinzieht“104. Bei der Obligation gelte dasselbe Verfahren, nur ist es „noch um einen Grad künstlicher, als beim Eigenthum“105. Nur durch diesen künstlichen Akt kann, wie Jhering sagt, sich die Obligation „auf Wanderschaft begeben“, wird sie als Anleihe, gewöhnlicher gesagt, überhaupt erst umlauf- und kapitalmarktfähig106 . Die Rechtssicherheit erzielt zweierlei: erstens die Zirkulationsfähigkeit – „Eigenthum, Wechsel, Obligation gehen frei und rein in die zweite und folgende Hand über!“107. Die Kappung der „nachschleichenden Rückforderungs- und Anfechtungsklagen“, die Loslösung vom „Kausalmoment und Motiv“ sind die notwendigen Mittel dazu108 ; zweitens die Verlässlichkeit der Legitimierung von Vertretern, gedacht als Fixierung der Kompetenz, die eine Befassung mit Fehlern aus dem Kausalverhältnis der Vollmacht für den Vertragspartner entbehrlich macht. Es mochte anfangs noch paradox klingen, wenn erwogen wurde, dass aus Ansehung der Rechtfertigung derjenigen Elemente, die in einer Verkettung von sachen- oder vertragsrechtlicher Zuständigkeiten mit delikts- und schadensrechtlichen Systemelementen das Drittschadensproblem ja erst hervorbringt, auch die Antwort für die Problemfrage herkommen soll. Das Paradox ist aber keines, wenn man von einem Symmetrieaxiom her denkt, welches Asymmetrien unter einen Rechtfertigungsdruck setzt. Von hier aus ist es notwendig zu fragen, was die Asymmetrie von entschädigungslosem Drittnachteil und unverdientem Vorteil für den kulpos Handelnden legitimiert, und die Antwort kann jetzt ganz einfach lauten: nichts! Genauer: Die Formteleologie, welche die Nutzen und Lasten in Formen fixiert und per Formzuweisungen verteilt, hält den Rechtfertigungsdruck auf die Asymmetrie 104 

Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  208. Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  211. 106  Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  212. 107  Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  212. 108  Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  208. 105 

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nicht aus. Der Lösungsschlüssel liegt in der Unterstellung eines symmetrischen Sollenssatzes. Die Relevanz der beiden Aspekte: der besondere Schutzwert des definitiven Opfers zum einen, die culpa, der Entlastungs-Vorteil zum anderen, wird durch den Bezug zur Formteleologie klarer. Die Drittschadensliquidation gehört ganz einfach zu den Korrektiven solcher Folgen des Abstraktionsgrundsatzes, die durch die Formkräfte nicht zu rechtfertigen sind, nicht anders als §  816 Abs.  1 S.  2. Offenbar wird auch, dass die Abstraktheit der Formen ›Eigentum‹ und ›Vertretung‹ identische Ordnungsprobleme hervorbringt. So gesehen stimmt es, wenn von v. Caemmerer gerade das Traditionsprinzip in die Diskussion bringt, das funktional den Verkehr gegen Binnenabreden weitgehend abschirmen soll, für die Parteien des Gütertausches aber keine Vorgaben für das Mein und Dein inter partes enthält109. Der Hinweis ist mehr als Koloration, denn er enthält schon die in der Forschung zu wenig beachtete Einsicht, dass das Phänomen eines richter­lichen Drittschutzes auch eine nach außen, gegen den Schädiger gerichtete Seite hat. Diese Deutung des Drittschadensproblems muss gegenüber den gängigen Formeln, Konstruktionen und Kritiken als neuartig erscheinen und den Einwand provozieren, sie helle das ausgedehnte Meinungsdunkel nicht auf, sondern sei eine kompliziertere Theorie. Es wird sich aber später wieder und wieder zeigen, dass der entwickelte materiale Symmetriesatz (keine Opferrealisierung durch Handlungsunrecht) nicht isoliertes Anhängsel der sonst funktionsfähigen Schadenslehre, sondern Teilstück eines weitläufigen kohärenten Wertesystems ist. Erst eine ausdifferenziertere und tiefere Theorie des Symmetrischen lässt dies erkennbar werden.

4. Zur Figuration der relativen Liquidationsbefugnis Die Befugnis des Dritten löst sich damit zur einfachen Symmetrie hin auf. Die Liquidation unterbindet eine nicht zu rechtfertigende Asymmetrie (der Belastung des Dritten, dessen Erwerbsopfer endgültig frustriert wird, stünde ein Entlastungsvorteil für einen Schädiger als zivilrechtlich Verantwortlichem gegenüber). Kurz zurückzukommen ist auf die im Paragraphen 6 berührte Frage des Abstraktionsgrades der materialen Symmetrie110 . Wie ist die Befugnis, die der besonderen Schutzgewähr für Dritte zugrunde liegt, im Binärsystem der Befugnisrelativik einzuordnen? Wie ist dieser Symmetrieschluss kodiert? Die erste 109  v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241 ff. s. dazu oben II. 1. Ohne ausr. Problemsicht des­ wegen der Einwand von Hagen, Drittschadensliquidation im Wandel, S.  9 0 f., dass auch sonst Vindikation oder Kondiktion inter omnes dem Eigentümer zustünden. 110  §  6 II.

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Alternative wäre es zu sagen, es gebe eine materiale Befugnis, hier gedacht nur als ein positiver Zuständigkeitsbereich, der auch die Liquidationsbefugnis einschließt. Das Schema lautete zweistellig, positiv (die schadensersatzrechtliche Befugnis für Dritte) – negativ (die Negativfolge für den kulpos Handelnden) 111. Die zweite Alternative ist komplexer. Es entsteht eine dreistellige Zwischenform mit Konzentration positiver und negativer Zuständigkeiten (Treuhandbefugnisse gegen Gefahrtragung) in einer Teilform, die man Treuhand oder relatives Eigen nennen mag und deren „Inhaberschaft“ dann einseitig zum Schutz – per Liquidation – berechtigt112 . Genau dies ist die These Bitters, wenn er formuliert, dass der Dritte oder Treugeber die Gefahr des zufälligen Untergangs tragen müsse und er daraus eine Gruppe von Außenwirkungen der „Treuhand“ kon­ struktiv ableitet. Die Herausarbeitung einer allgemeinen (nicht-situativen) Treuhandbefugnis nur des Gefahrträgers propagiert, wie gesagt, eine besondere, gewissermaßen eine gemäßigte Art des ius ad rem. Ein Ding, so könnte man sinngleich mit Diehle oder Bitter sagen, gehört (allgemein) mir, wenn ich eine eigentümerähnliche Gefahr trage113. Man erkennt an dieser Stelle, dass es sich um denselben Streit handelt, der im 19. Jahrhundert zum periculum-Begriff ganz überwiegend zugunsten einer situativen Lösung entschieden wurde114. Auch für die moderne Problemkonstellation ist die schlichteste Deutung, die Annahme einer einfach binären Symmetrik, die reinste und knappste Theorie. Die Abwicklung von Dingschäden gefahrbelasteter Dritter ist Ausdruck eines Korrelationssatzes von einer bestimmten Dinggefahr und situativem, punktuellem Vorteilsschutz. Alle anderen Lösungsansätze erscheinen vor diesem Hintergrund fast wie Verwicklungen, die formgebundenem Denken geschuldet sind. Die Worte: Zuständigkeit, Eigen, wirtschaftliches Eigentum, Treuhand sind weiter nur sug­ gestiv, soweit sie einen Zuweisungsschutz für formale Dingrechte auf eine systemneue Ersatzform für ein „Gehören“ zurückführen. Denn was ist das für ein „Gehören“! Zuweisung, Rechtsgemeinschaft, Gehören, materielles Eigentum scheinen mit dem schadensrechtlichen „Schutz“ sinngleich zu sein. Eine Theorie des schuldrechtlichen Zueigenhabens ist mit einer rein liquidationsrecht­ lichen Quasi-Form keinen Schritt weiter, weder im Terminologischen noch im Theoretischen; es ist hier wie da ein inhaltsleeres Füllsel115. 111 

Als Matrix: (+ –). Als Matrix: (+– –). 113  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  189 ff. 114  Oben, §  6 II. 115  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  189 ff., legt dagegen eine Treuhandtheorie vor, die gerade nicht auf den schadensrechtlichen Problembezug begrenzt ist. Er stützt sein Theorieangebot in erster Linie auf eine historische Beweisführung aus dem Bereich des Vollstreckungsrechts. Warten wir deswegen den historischen Befund ab, um zu dieser Frage unter §  8 III. 3 zurückzukommen. 112 

§  8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe Bislang ging es um einen schadensrechtlichen Ausgleich für einen relativ Befugten bei kulposem Handeln. Damit problemverwandt ist der Zugriff durch Gläubiger und einige der Rechte mit schadensrechtlichem Drittschutz sind in der Tat ebenfalls gegen singular- oder gesamtvollstreckungsrechtliche Zugriffe beständig: Bei Treuhand, Kommission, Sicherungseigentum und -zession, Guthaben auf Anderkonten gibt es heute einen exekutionsrechtlichen Schutz durch Intervention oder Aussonderung für Obligationäre. Unter den Außenwirkungen der Treuhand, der relativen Rechte, ist diese Wirkung die in der Rechtspraxis wichtigste. Offenbar folgen Einzel- oder Generalexekution und Schadensrecht insofern einem analogen Enthaftungsprinzip für Drittrechte. Welchem? Es liegt nahe, die Antwort mit der zu den geschützten Rechten Dritter im Schadensrecht zu parallelisieren. Oder sollte der Schutz gegen Schädiger und Gläubiger grundverschieden sein, etwa weil der Gläubiger nicht kulpos handelt, weil Exekutionsordnung und Haftungsprinzipien anderen Ordnungszwecken folgen? Nach Bemerkung zu den Vorbedingtheiten und einer Bestandsaufnahme zu dieser Beständigkeit (I.) werden wir die Rechtfertigung des Privilegs als wichtigstem Gegenstand der modernen Treuhanddoktrin betrachten (II.) und schließlich auf einen symmetrierechtlichen Gehalt hin überprüfen (III.).

I. Bestandsaufnahme zum vollstreckungsrechtlichen Drittschutz Der Schuldner haftet den Gläubigern in einer autonomen Privatrechtsordnung nur mit seinem Vermögen. Deswegen bestimmt die Insolvenzordnung: „Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger“1. Nach §  35 InsO ist die Masse auf das dem Schuldner „gehörende Vermögen“ begrenzt, nur, was dem Schuldner „gehört“, ist nicht gesagt, denn dies zu bestimmen, sollte gerade der „Forschung und Praxis“ überlassen bleiben 2 . Im Ge1 

§  47 InsO. Der Gesetzgeber vermeidet weitere Vorgaben, es heißt nur: „Das Eigentum des Schuldners an einer Sache ist nicht immer entscheidend“, Begr. zum RegE., BT-Drucks. 12 WP, 2 

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setz sind allgemeine Abstraktionsbegriffe oder definitorisch geschlossene Sonderregeln enthalten 3. So gesehen, ist der Schutz relativer Rechte durch Intervention oder Aussonderung im wesentlichen richterliche Kasuistik und er ist in einer Darstellung, die nicht auf Vollständigkeit ausgerichtet sein kann, am einfachsten durch einen historischen Abriss verständlich zu machen. Die folgenden Abschnitte wenden sich wieder der Typologie und Topik zu, ohne den Ehrgeiz zu haben, den exekutionsrechtlichen Rechtsstoff der relativen Befugnisse lückenlos zu dokumentieren.

1. Genealogie des vollstreckungsrechtlichen Drittschutzes Der exekutionsrechtliche Drittschutz hat historisch tief liegende Wurzeln. Die Praxis hatte, wie erwähnt, den Hinterleuten früh einen Mindestschutz gewährt, und sowohl im Code de Commerce, der vor allem linksrheinisch nach dem Wiener Kongress fortgalt4, als auch in der preußischen Konkursordnung war schon umgesetzt, dass es neben den Rechten, die formal einem anderen zustanden, weitere Positionen gab, die billigerweise nicht in die Haftmasse fallen durften 5. Dies war der eine Hintergrund, wenn der Gesetzgeber der Reichsjustizgesetze von 1877, zu denen die Zivilprozess- und die Konkursordnung zählten, von dem berühmten „die Veräußerung hindernden Recht“ sprach6 . Die Formulierungen gehen zurück auf die Unsicherheit und Unentschiedenheit der ErNr.  2443, S.  124. In §  51 Nr.  1 InsO ist ein Absonderungsrecht für den Sicherungsnehmer vorgesehen. Im Folgenden wird zu Vereinfachungszwecken auf Detailunterschiede in der Schutzreichweite bei Vollstreckungs- und Insolvenzrecht nicht näher eingegangen. 3  Aus den Spezialgesetzen: Hauptnorm ist §  392 Abs.  2 HGB für die Kommission, dessen 80 ff. oder Bitter, analoge Anwendung gemeinhin und gegen Schless, Stellvertretung, S.   Rechtsträgerschaft, S.  189 ff. abgelehnt wird; ferner: §  422 Abs.  2, §  457 S.  2 HGB (bei Versand per Nachnahme gilt das Erlangte als auf den Absender übertragen, so für Spediteur und Versender); §  92, §  93 KAGB (Sondervermögen aus Anlegergeld, das den Gläubigeren der An­ lagegesellschaft nicht haftet); ähnlich §  8 PfandBG; §  77 VAG. 4 S. Conrad, Preußen und das französische Recht, S.  78 ff., 97. 5  §  24 der preußischen Konkursordnung von 1855 etwa sah die Herausgabe bei Vollindossament zu Inkassozwecken für Wechsel, Handelspapiere und andere Urkunden im Konkurs des Empfängers vor. Die Norm lautete: „Wechsel, Handelspapiere und andere Urkunden über Forderungen, welche dem Gemeinschuldner nur behufs der Realisierung oder mit der ausdrücklichen Bestimmung übermacht worden sind, daß sie zur Deckung gewisser, bei Übermachung bezeichneter künftiger Zahlungen dienen sollen, können zurückgefordert werden, wenn sie zur Zeit der Konkurseröffnung noch unbezahlt bei dem Gemeinschuldner oder bei einem Dritten vorhanden sind, welcher sie für den Gemeinschuldner besitzt.“ Die Begründung nimmt Bezug auf die Praxis der Zeit. Damals wurden Wertpapiere oft mit Vermerken versehen, die den Empfänger „äußerlich zum Eigentümer der Forderung machen, während in der That nur ein Mandatsverhältnis“ vorliege, vgl. Hahn, Materialien, S.  161, Fn.  5 ; s. ferner Art.  583 cc. 6 Die Formulierung ist in einem gemeinrechtlichen Kontext zu sehen, s. richtig Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  175. Zum Schutz der nicht formalen Positionen eingehend Gaul, Festschrift Serick, S.  117 in Fn.  52.

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werbsordnung im rechtszersplitterten Deutschland. Es wurde schon eingehender in Paragraph 2 geschildert, wie diese Abstraktionsentwicklung in Erwerbsund Güterordnung im Fluss war. Bei den Beratungen der Reichsjustizgesetze bestand in allen Kommissionen notwendig Unklarheit, wie in dieser Lage die Widerspruchs- und Aussonderungsrechte zu bestimmen und zu begrenzen seien. In der Terminologie hat sich diese Unsicherheit erhalten, wenn die Begriffe der Pandektistik oder Partikulargesetze, vor allem das Wort „Vindikation“, vermieden werden und nur vom „dinglichen oder persönlichen Recht“ zu lesen ist7. Auch die konkursrechtliche Abschirmung gegen eine Aussonderung für Kausalgeschädigte, wie der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs sie vorgab, haben wir schon näher beschrieben8 . Nach 1900 war es an der Zeit, die Rechtfertigung des Treuhandprivilegs zu verfeinern. Es ging auch darum, das Privileg zu begrenzen, damit es „nicht ins Unbestimmte zerfließe“9. Seither gilt: Nur das unmittelbar übertragene Vermögensgut sei „anvertraut“ und berechtige zur Annahme einer „echten Treuhand“10 . Erst nach dem Ersten Weltkrieg führte eine von der Figur des trust inspirierte neue Treuhanddoktrin zu einer Aufarbeitung, die sich von den überkommenen Paradigmen, allen voran der langobardischen Testamentsvollstreckung bei Schulze, gedanklich löste11. In dieser Zeit versuchte man zuvörderst, die deutschrechtliche Treuhanddoktrin, vor allem eine dingliche Wirkung des Treuhandvorbehalts, endgültig zu überwinden. Für den Begriff der Treuhand schien es nach englischem Vorbild zu genügen, Eckdaten eines groben Rasters aufzuzeigen, eine Befassung mit den subtileren Bedingungen kam kaum in den Blick12 . Die Diskussion kam mit der Arbeit Sieberts (1933) vorerst zum Stillstand, und als Assfalg (1960) sie erneuerte, gab er ihr mit seiner Kritik der Unmittelbarkeitsdoktrin eine Richtung vor: Seither versucht die Lehre, dieses technische Prinzip zu verteidigen, wo sie es nicht offen als Fehlentwicklung angreift – nach dem materiellen Schutzgrund wird selten gefragt13. Der Bundesgerichtshof hielt schlicht an der reichsgerichtlichen Judikatur fest14, erweiterte das Vorgefundene aber, indem auch Gelder von Dritten, die auf 7 

Darstellung bei Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S.  41 f. §  1 II. 9  S. etwa RGZ 84, 214, 217; RGZ 133, 84, 89; Siebert, Treuhandverhältnis, S.  190. 10  Grundlegung in RGZ 58, 214; s. ferner RGZ 58, 273; RGZ 84, 214, 217; RGZ 133, 84, 89; ausf. Aufarbeitung bei Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  51 ff. 11  S. schon §  6 I. 12  S. nur das Juristentagsgutachten von Hemmerle, Gutachten, S.  632 ff. 13  Es gibt – wie bei der Drittschadensliquidation – eine dreifach abgestufte Entwicklung: 1. es entsteht ein facettenreicher Diskurs zwischen den Kriegen; 2. es gibt aus einer ex postSicht eine gewisse Konsolidierung durch die vermittelnden Arbeiten Sieberts (1933) und Trägerts (1936); 3. schließlich übernimmt der Bundesgerichtshof das Vorgefundene trotz vehementer Kritik der Lehre. 14 Noch obiter dicta in BGHZ 11, 37; BGH JZ 1961, 497 (zur Frage, wer nach §  812 berech8 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

ein bestimmtes Konto des Treuhänders zugunsten des Treugebers eingezahlt wurden, als beständig angesehen wurden15 : Notare, Rechtsanwälte und vergleichbare Sachwalter konnten Gelder ihrer Mandanten weiter auf Anderkonten verbuchen. Gegen eine kritische Lehre beharrt der Bundesgerichtshof auf dem Grundsatz und präzisiert, dass eine echte Treuhand kennzeichne, „dass sie neben der schuldrechtlichen eine dingliche Komponente aufweist, indem die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm zugleich in der Weise anvertraut werden, dass er seine Befugnisse nur in einer inhaltlich mit dem Treugeber abgestimmten Weise ausüben darf“16 . Dass das angewandte Recht des Treugeberschutzes provisorische Züge hat, ist schwer zu leugnen. Eine Topik und Typologie des vollstreckungsrechtlichen Drittschutzes sollen den streitbaren Zustand des Rechts klarer werden lassen.

2. Typologie des exekutionsrechtlichen Drittschutzes Durch das Erfordernis einer unmittelbaren Übertragung oder, in Ausnahmebereichen, einer „offenkundigen“ besonderen Vermögenslage sind die Momente benannt, an denen sich der kasuistische Stoff orientiert und ordnet. Eine Kurzdarstellung geht gewissermaßen vom Allgemeinen hin zum Besonderen. Im Allgemeinen ist nur die echte Treuhand institutionell gegen Zugriffe von Gläubigern (des Treugebers) geschützt, deren Echtheit unmittelbare Übertragung bedingt. Ein Gegenstand muss aus dem Vermögen des Treugebers auf den Treuhänder weitergegeben worden sein17. Gemeint ist ein Wechsel der Rechtsträgerschaft, eine Übertragung mit schuldrechtlichem Treuhandvorbehalt. Damit ist die Erwerbstreuhand, bei der das Treugut vom Dritten erworben wurde, als unecht abgewertet und schutzlos gestellt18 . Bei ihr bestehe „nur ein Anspruch auf Übertragung dieses Rechts (sog. Verschaffungsanspruch)“. Der Dritte ist „mit anderen Worten nicht materiell und wirtschaftlich Inhaber des Rechts (…), sondern nur Forderungsberechtigter“19. Diese Maßgeblichkeit des Erwerbswegs muss die weitere Kasuistik notwendig vorordnen: Erstens bleiben in einem solchen Ordnungssystem alle Rechte auf Sachen, bei dem der formale

tigt ist). Singulär geblieben sind selbstgeäußerte Zweifel am Unmittelbarkeitsprinzip in einem Urteil des VIII. Senats in NJW 1971, 559, 560; bestätigt aber in BGH NJW-RR 1989, 252 und seither. 15  BGH WM 1960, 325, 326; BGH WM 1964, 179; ausf. Bitter, Rechtsträgerschaft, S. 27 ff. 16  BGHZ 155, 227, 232 f. = NJW 2003, 3414, 3415. 17  S. oben und ferner z. B. BGH WM 1965, 173, 174; BGH NJW-RR 1995, 766, 767. 18  Ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Unmittelbarkeitsprinzip für die Erwerbstreuhand ferner der BGH WM 1995, 2065, 2067. 19  BGHZ 111, 14 = BGH NJW 1990, 3141, 3142.

§  8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe

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Rechtsinhaber kraft bloßer Abrede für andere das Vermögen hält und als fremd behandelt, also Eigengut gleichsam in Treugut umwidmet (Vereinbarungstreuhand), so schutzlos wie Güter, die Dritte für fremde Rechnung erwerben (Erwerbstreuhand). Ein erheblicher Teil der obligatorischen Anwärterpositionen, die gegen Eingriffe durch kulpos Handelnde per Drittschadensliquidation geschützt sind (Versandkauf, Vermächtnis und auch die Erwerbstreuhand) haben beim Zugriff des Gläubigers keinen Bestand. Zweitens wird aus der Unmittelbarkeitsdoktrin konstruktiv ein „Surrogationsverbot“ abgeleitet. Jedes Anrecht auf ein Surrogat, das aus dem Vermögen eines Dritten an Stelle des Treuguts tritt, ist schutzlos20 , der Erlös beim Verkauf von anvertrauten Gütern 21 ebenso wie beispielsweise die Mieteinnahmen bei einem in fremdem Auftrag mit Mitteln des Treugebers erworbenen Mietgrundstück 22 . Diese doch merkwürdige Schutzlosigkeit soll schlicht ,logisch‘ daraus folgen, dass das Surrogat selbst nicht unmittelbar übertragen wurde23. Auch wenn ein Treuhänder ihm anvertrautes Geld auf ein einfaches Konto einzahle, sei dies nicht Verschiebung, sondern Surrogation 24. Im Besonderen bestehen für eine enumerative Reihe bestimmter Sondervermögen weniger strenge Regeln, von denen Guthaben auf Ander- und Treuhandkonten, Kommissionsgut oder Investmentvermögen herauszustellen sind. Den Akteuren wird infolge einer richterlichen Ausnahmeregel (Anderkonten) oder positiver Anordnung in §  392 HGB und in besonderer Spezialmaterie erlaubt, gleichsam eine bestandswirksame Enklave für Drittvermögen zu bilden. Dieses Sondervermögen haftet den Gläubigern des ,Treuhänders‘ nicht.

3. Topik des Drittschutzes bei Gläubigerzugriffen Auch die materialen Gründe, welche für den Treugeberschutz angeführt werden, fallen nicht mit denen der Drittschadensliquidation zusammen. Dass es Treugeberschutz gibt, gilt in der Judikatur nicht mehr als rechtfertigungsbedürftig. Man begnügt sich mit Abstraktion und leeren Wendungen wie der Treuhänder habe „Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben“ und solle „diese aber nicht nur in eigenem, sondern zumindest auch in fremdem Interesse ausüben“25. Oder in den Worten des Reichsgerichts: „Fiduziarisch ist das Eigentum überall da, wo der Eigentümer obligatorisch verpflichtet ist, es nur in bestimmter Richtung zu gebrauchen, es, nachdem der Zweck der fiduziarischen 20 

RG JW 1911, 581; RGZ 94, 305; RGZ 153, 366, 369 f. RGZ 94, 305 ff. 22  RGZ 84, 214 ff. 23  BGH NJW 2002, 3253. Das Unmittelbarkeitserfordernis ordnet die Kasuistik bis in die nicht weiter dargestellten Detailfragen hinein, s. etwa zum Anfechtungsrecht RG Gruchot 54 (1910), 623 ff.; RGZ 94, 305; RGZ 133, 40, 45. 24  BGH NJW 1954, 190; BGH NJW 1959, 1223; OLG Düsseldorf BB 1954, 850. 25  BGHZ 155, 227, 232 = NJW 2003, 3414, 3415. 21 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Übertragung erreicht ist, wieder zurück- oder an einen Dritten herauszugeben“26 . Abgesehen von den Appellen an Wertevidenzen stehen in Judikatur und Lehre das Unmittelbarkeitsprinzip und die Publizität im Vordergrund. „Für die echte Treuhand typisch ist damit, dass sie neben der schuldrechtlichen eine dingliche Komponente aufweist, indem die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm zugleich in der Weise anvertraut werden, dass er seine Befugnisse nur in einer inhaltlich mit dem Treugeber abgestimmten Art und Weise ausüben darf“27. Schon 1909 verwies das Reichsgericht auf den Gedanken der fiducia und meinte Geschäfte, durch die Vermögen mit einer Zweckbindung anvertraut seien 28 . Der Denkansatz wurde in RGZ 84, 214 zur Unmittelbarkeitsdoktrin fortgedacht. Ein Treuhänder hatte ein Grundstück für einen anderen erworben und in eigenem Namen vermietet. Ob die Mietforderungen des mittelbaren Vertreters auch außerhalb des Handelsrechts entsprechend §  392 HGB zu schützen sind, wurde nochmals erwogen und verworfen 29. Es folge aus allgemeinen Verkehrsbegriffen und einem ad hoc erfundenen Treuhandbegriff „im Rechtssinne“, dass der Treugeber dem Mittelsmann das Gut „zu treuen Händen anvertraut, d. h. übereignet, und zwar derart, dass der andere das übertragene Recht im eigenen Namen ausüben, aber nicht zu seinem Vorteil gebrauchen soll“30 . Man denkt offenbar stets an die Urbilder der Treuhand, historische Paradigmen mit besonderer Vertrauensbindung: an die der fiducia cum amica, bei der römische Bürger vor langen Reisen ihr Vermögen sicherten; an den mittelalterlichen trust, bei dem der Kreuzritter seinen Grundbesitz einem Freund überließ; an die langobardischen Testamentsvollstrecker bei Schluss oder an den germanischen Salmann bei Albrecht und, vor allem, an die eiligen Notübertragungen der von totalitären Regimen Bedrohten – stets sticht ein besonderes Maß an Vertrauen typusbildend hervor31. Aber eine Orientierung an geschichtlichen Archetypen ist eine Fehlleitung, ein Übermaß an typologischem Denken, solange man keine Rechenschaft darüber abgibt, welche rechtlich relevanten Kriterien sich aus diesen besonders gelagerten Urbildern abstrahieren lassen. Solche Kriterien sind nirgends expliziert worden. Welches besondere Vertrauen gibt es bei den Regeltypen der Sicherungszession, Kommission oder Investmentfonds, außer demjenigen, dass das Vermögen nur Gläubigern der Treugeber haftet?

26 

RGZ 62, 386, 391. BGHZ 155, 227, 232 f. = NJW 2003, 3414, 3415. 28  RG Gruchot 54 (1910), 623, 626. 29  RGZ 84, 214, 217. 30 Ebenda. 31  S. zu den Archetypen Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S.  1 ff. m. Nachw. 27 

§  8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe

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Es ist eine nur folgerichtige Vermutung, dass mit dem „Anvertrautsein“ nur alter dogmatischer Ballast fortgetragen wird, der auf die germanistische Treuhandlehre zurückgeht. ›Anvertrautsein‹ ist ja eine germanistische Kategorie, die bei anderen Rechtsfragen überwunden ist und in fremden Rechten fehlt32 . Die Judikatur beruft sich zudem noch auf einen verwandten Topos, den der besonderen Pflichtenintensität, welche für die fiducia typusprägend ist. Er ist seit 1905 fester Bestandteil der Treuhanddefinitionen. Das Reichsgericht hatte zunächst das „fiduziarische Eigentum“33 und kurz darauf die „Treuhand“ so bestimmt34. Auch der Bundesgerichthof hat diese Binnenpflichten als eine Begründung für das Privileg ausgegeben 35. Der II. Zivilsenat hat etwa „fiduziarische Vollrechtstreuhand“ so beschrieben: „Eine solche liegt vor, wenn ein Gesellschafter (als Treuhänder) Inhaber eines Anteils mit der Maßgabe ist, daß er die Rechte aus der Beteiligung nur unter Beachtung eines mit dem Treugeber geschlossenen Treuhandvertrags ausüben darf“36 . Diese Überhöhung der internen Pflichtbindung geschieht aus Verlegenheit, ein nachvollziehbares Kriterium ist sie nicht. Der evolutionäre Hintergrund wurde schon beschrieben: Die deutsche Dogmatik in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg suchte die Annäherung an die amerikanische Rechtswissenschaft und ihren großzügigen Problemzugriff der trust doctrine, die auf Ordnungsfragen jeder Art zu passen schien37. Man hat dann aber wieder und wieder den Ansatz Hemmerles variiert, der auf dem 36. Juristentag vorschlug, als Treuhänder anzusehen, „wer Rechte als Eigenrechte mit der ausdrücklichen Bestimmung empfängt, diese ausschließlich im Interesse des Bestellers (Treugebers) oder eines Dritten (Drittbegünstigter) zu gebrauchen“38 . So genügte man dem selbst gesetzten Anspruch, einen umfassenden Lösungsansatz zu finden. Nur kann dieser abstrakte Treuhandbegriff weder rechtlich operable Vorgaben für die Ordnungsfragen des Rechts mitliefern noch das (vorausgesetzte) Privileg erklären. 32 S. Löhnig, Treuhand, S.  55 ff. Die Zweifel der neueren Quellenforschung etwa bei Asmus, Grundlagen, S.  164 ff. müssen zurückgestellt werden. 33  RGZ 62, 386, 391. 34  „Nach dem festgestellten Sachverhalte sollte die Hypothek nicht dauernd in das Vermögen der Beklagten übergehen, und diese nicht zur freien Verfügung darüber berechtigt sein; sie erwarb die Hypothek vielmehr von vornherein nur als Treuhänderin ihres Ehemannes und mit der (obligatorischen) Verpflichtung belastet, sie zu dessen Verfügung zu halten und auf sein Verlangen an ihn oder einen von ihm bezeichneten Dritten mittels rechtsförmlicher Abtretung herauszugeben“, RGZ 69, 44, 48. 35  BGH NJW-RR 1993, 301; BGH NJW 1996, 1543. 36  BGH WM 1991, 1753, 1754. Ganz ähnlich liest es sich später beim IX. Zivilsenat: „Das Treugut gehört zwar rechtlich zum Vermögen des Treuhänders. Wegen der im Innenverhältnis aufgrund des Treuhandvertrags bestehenden Beschränkung der Rechtsmacht des Treuhänders ist der treuhänderisch übertragene Gegenstand jedoch sachlich und wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen“, BGH NJW 1996, 1543. 37  S. oben, §  6 I. 38  Haemmerle, Gutachten, S.  632, 697.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Allerdings hat das Unmittelbarkeitsprinzip noch einen zweiten Aspekt, der von der Judikatur mehr implizit gedacht, von Siebert zuerst klar ausgesprochen wurde. Nach Siebert wird andernfalls „die Undurchsichtigkeit dinglicher Berechtigungen in solchem Maße gesteigert und ihre Herbeiführung so weitgehend erleichtert werden, daß dadurch die allgemeine Verkehrssicherheit und namentlich die Kreditsicherheit in unerträglichem Maße gefährdet“ würden. „So rechtfertigt sich das Unmittelbarkeitsprinzip letzten Endes durch das Publizitätsprinzip, dessen weitere Einschränkung verhütet werden muß“39. Der Unmittelbarkeitsdoktrin fehlt nach vielen, von Assfalg bis Bitter, ein rationaler dogmatischer Unterbau, sie gilt als Konsequentialismus. Nun hat man der deutschen Jurisprudenz oft vorgehalten, ihre wahren Abwägungs- und Bewegungsgründe hinter Syllogismen und Begrifflichkeiten zu verdecken, aber die Richter, etwa des IX. Zivilsenats, haben durchaus offen angegeben, gezielt Anreize für den Schuldner zu setzen, sein Vermögen nicht durch kollusive Abreden auf „Treugeber“ zu verschieben, mit einer Masseaushöhlung als Folge oder Zweck40 . Beabsichtigt ist ein pragmatischer Umgehungsschutz41. Der VIII. Zivilsenat gibt offen an, ein – Konnotation nach den Kritikern: irgendein – Merkmal zur Abgrenzung gegen die mittelbare Stellvertretung zu benötigen42 .

II. Die Axiologie der Bestandsfestigkeit obligatorischer Positionen Die Dogmatik des vollstreckungsrechtlichen Drittschutzrechts ist in einem ähnlich unkonsolidierten Zustand, wie wir es bei der Drittschadensliquidation schon gesehen haben. An der Oberfläche ist eine vergleichbare Phrasenhaftigkeit (nur mit vertauschter Begrifflichkeit). Die Ergebnisse wurden schon 1919 von Jaeger und seither wegen ihres Begründungsdefizits und ihrer radikalen Konsequenzen bekämpft43. Unserer Analyse kann es nicht obliegen, die Kritik und Verteidigung des Unmittelbarkeitserfordernisses zu wiederholen oder das Zufällige des historisch Gewordenen aufzubereiten. Sie hat sich jedes Versuches zu enthalten, dem gewordenen heutigen Rechtsschutz eine Reihe zweckmäßi­ gerer Alternativen aufzuzeigen. Ihre Aufgabe ist nicht zu verwerfen, sondern zu verstehen, was den Treugeberschutz, so wie er Recht ist, dem Grunde nach rechtfertigt und ob er als materiale Symmetrie zu denken ist. Um zu dem Kern 39  Siebert, Treuhandverhältnis, S.  194 f. noch vor der Machtergreifung und der ihr nachfolgenden Blüte des Neuhegelianismus – Siebert war später eine treibende Kraft der Kieler Schule, s. schon §  6 I. 40  BGHZ 155, 227, 235 = NJW 2003, 3414, 3416. 41  So bereits Friedmann, Gutachten, insbes. S.  825, 889, 892, 1019 ff., 1032 f. und Siebert, Treuhandverhältnis, S.  190; zu weiteren s. Ganter, Festschrift Kreft, S.  251, 259. 42  BGH NJW 1959, 1223. 43  Der einmal eingeschlagene Weg wird nicht mehr hinterfragt. Daran hat sich seit Coings Kritik im Jahr 1973 (Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S.  178) nichts geändert.

§  8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe

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vorzudringen, muss das Problem des Treugeberprivilegs in zwei Teile abgeschichtet werden, in die Doppelsträngigkeit des Problemstoffes und die eigentlichen Treuhandkriterien.

1. Doppelsträngigkeit des Treugeberprivilegs Erinnern wir uns zunächst an die Axiologie des schadensrechtlichen Drittschutzes. Im Rückblick auf das problemähnliche Institut der Drittschadensliquidation muss prima vista auffallen, wie unterschiedlich die vollstreckungsund schadensrechtliche Schutzgewähr für Dritte gerechtfertigt werden. Im Schadensrecht werden ›Anspruch, Ausgleich, Gefahrübernahme‹ als die zentralen Wertmomente diskutiert. Im Exekutionsrecht scheinen die Publizitätsmomente ›Unmittelbarkeit, Bestimmtheit, Offenkundigkeit‹ bei der materiellen Rechtfertigung zu überwiegen. Um das Gemeinsame zu sehen, übertragen wir die im vorangegangenen Paragraphen für den Drittschaden entwickelten Streitthesen. Sie lauten sinngemäß: Erstens bewirkt schon der Anspruch auf dynamische Verteilungsänderung, sei er vertraglicher oder gesetzlicher Art, eine gegen Gläubigerzugriffe beständige Umverteilung. Oder zweitens rechtfertigt die für Gläubiger ausreichend erkennbare Güterverteilung inter partes, sei es durch offenkundige oder doch klar bestimmte Vorgänge, eine Privilegierung gegenüber normalen Gläubigern. Oder es sind drittens Ansprüche oder Publizitätsmomente verteilungsrechtlich nebensächlich und nur ein besonderes Treuhandkriterium kann die Beständigkeit erklären und rechtfertigen. Ein Unterschied zum Schadensrecht sticht allerdings heraus. Der Gesetzgeber hat sich beim Gläubigerzugriff ausdrücklich gegen die schutzbegründende Wirkung des Anspruchs gewendet44. Für die zweite und dritte Streitthese aber besteht kein Vorrang. Im Gegenteil wurde schon im vorherigen Paragraphen gezeigt, dass sie nicht als Alternativen zu denken sind45. So ist es auch hier: Die Publizitätsmomente (Unmittelbarkeit, Bestimmtheit) bilden nur ein Teilstück der Topik; womit das vollstreckungsrechtliche Privileg verdient ist, erklären sie nicht. Es genügt offenbar nicht, den Blick nur auf die Gläubiger zu richten und zu fragen, ob der Erwerb unmittelbar, also wahrnehmbar erfolgt oder ein Fremdvermögen bestimmbar oder offenkundig für Gläubiger ist. Denn man muss weiter fragen: Was ist fremd? Canaris hat das sehr klar gesagt: „Man muss daher zu einer spezifisch rechtlichen Sicht vordringen und dabei insbesondere klären, worin der Unterschied gegenüber anderen obligatorischen Positionen besteht, die nicht vollstreckungs- und konkursbeständig sind. Warum sagt man 44  S. näher §  1 I. 3. Es ist von hier auch künstlich, wie Assfalg und Michaels versucht haben, die Relevanz des relativen Eigens in diesem Problemzusammenhang wieder zu beleben, wie bei Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  160 ff. (zu Assfalg) und S.  168 ff. (zu Michaels) richtig nachgewiesen wird. 45  §  7 III.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

also z. B. nicht auch beim Darlehen, dessen Valuta noch unterscheidbar vorhanden ist, es gehöre ,wirtschaftlich‘ gesehen nicht zum Vermögen des Schuldners – obwohl dieser es doch zweifellos ebenso wenig soll endgültig behalten dürfen wie die Forderung aus der Kommissionsausführung oder das Treugut?“46 . Auch beim Drittschutz in Einzel- und Gesamtvollstreckung gibt es eine Doppelsträngigkeit des Schutzgrundes. Neben die Kriterien von Offenkundigkeit oder Unmittelbarkeit, wie immer man sie fassen möchte, muss ein Zweites hinzutreten, das eine Privilegierung gegenüber anderen Obligationären erklärt.

2. Treuhandkriterien und Treuhandparadox Mit dem Hinweis auf den Doppelcharakter des Treugeberschutzes, die Publizität und die besondere Schutzwürdigkeit, ist das Privileg also nicht erschöpfend erklärt. Im Gegenteil, es treten die Nebulismen wie wirtschaftliches Eigentum, fiduzia, Handeln für fremde Rechnung, nun unbeschönigt hervor, die das Treuhandparadox mehr verklären als auflösen. Denn stets fragen wir: Welches materielle Kriterium berechtigt zur Annahme wirtschaftlichen Eigentums, einer fiduzia oder eines Handelns für fremde Rechnung? Da wir keine Antwort und keinen Hinweis erhalten haben, ist mit den angebotenen Treuhandkriterien meist nur ein terminologischer Umweg vorgegeben, der uns dem Verständnis des „Unterschieds gegenüber anderen obligatorischen Positionen“, von dem Canaris spricht, keinen Zentimeter näherbringt. Das Paradox ist nie voll aufgelöst und der Treugeberschutz ist nicht auf seinen wirklichen Wertgrund zurückgeführt worden47. Man sieht das vielleicht am deutlichsten an der Vielzahl der Behauptungen, den nicht belegbaren Gedankengängen, den zahllosen Phrasen, die gezwungenermaßen zurückzustellen sind48 . 46 

Canaris, Festschrift Flume I, S.  371, 406. Gründe liegen nach dem Gesagten auf der Hand. Im 19. Jahrhundert dachte man kaum an den Schutz von Befugnissen ohne Eigentum, s. Gaul, Festschrift Serick, S.  117 in Fn.  52. Die modernen Probleme der Treuhand waren damals nicht oder selten virulent. Bis zur Arbeit Sieberts suchte eine Generation lang die Lehre nach einem Treuhandbild, das, wie das Original der trust doctrine, eine von Einzelfragen losgelöste Gültigkeit hat, und man nahm eine große Abstraktionshöhe der Begriffe in Kauf, s. §  6 I. Seit Assfalg setzt die Lehre, wo sie das Vorhandene nicht verteidigt, alles an eine Dekonstruktion des Unmittelbarkeitserfordernisses. Erst durch Martinek und Grundmann ist der Treuhandvertrag wieder genauer, und seit Bitter und Geibel das Außenverhältnis der Treuhand neu untersucht worden. Eine nennenswerte Diskussion haben die jüngsten Beiträge, wohl da man das Gewohnte als Gewohnheitsrecht hinnimmt, bislang nicht erfahren, s. auch Einleitung, Fn.  122. 48  Es ist kaum mehr als eine inhaltslose Wendung, das Wesen der Treuhand als „wert- und haftungsmäßige Zuordnung“ oder – mit etwas anderem Akzent – als vollzogenen Wertumsatz (Scharrenberg, Rechte, S.  156) oder „Haftungsunterworfenheit“ (Walter, Unmittelbarkeitsprinzip, S.  65 ff.) zu beschreiben. Die Frage, womit der Treuhänder seine privilegierte Stellung verdient, bleibt unbeantwortet. Der Schutz folgt irgendwie aus der Natur der Treuhand, oder anders: die Treuhand ist geschützt, weil sie eine Treuhand ist. 47  Die

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Weshalb der Schutz verdient sei, wird selten gesagt. Die angeführten Wert­ evidenzen: Anvertrautsein, Vermögensinteresse, Zugehören sind gehaltlos und weisen nur auf die Vergessenheit des wahren Wertgrundes hin. Auch „Handeln für fremde Rechnung“ ist als Kriterium unartikuliert. Die Unartikuliertheit ist nicht falsch – und ist doch letztlich nur eine Umformulierung, ein Hin- und Herschieben von vokabelhaften Ausdrücken. Was aber wird dann aus einem Problemzugriff auf die Bestandswürdigkeit obligatorischer Positionen, wenn die hinter den Leerformeln stehenden sub­ stantiellen Kriterien sich scheinbar wechselseitig ergänzen und erst gemeinsam ein Sinnganzes bilden? Aber was ist das für ein Sinnganzes, das sich wiederum nur aus Einzelzügen zusammensetzt, ohne dass sich etwas zur wertmäßigen Relevanz dieser Einzelzüge sagen ließe! Es bleibt uns noch übrig, diejenigen Ansichten und Ansätze näher kennen zu lernen, die in Literatur und Judikatur eine Relevanz solcher Einzelzüge behaupten. Dabei wird sich – um dies voranzustellen – der Eindruck eines unauflöslichen Paradoxons des relativen Eigens nur wiederholen. Bringt man die imperativistische Lehre, die Recht auf eine Rechtsmacht begrenzt, auf ein dogmatisches Kleinformat, würde man die Treuhand als Herrschafts- oder Weisungsverhältnis beschreiben. Die krude Abbreviatur der subjektivrechtlichen Befugnis funktioniert durchaus auf dieser Ebene. Der Bundesgerichtshof hat in der Tat einmal als Kennzeichen der Treuhandschaft hervorgehoben, dass „die Treuhandabtretung von Geschäftsanteilen den Treuhänder nach außen zum Gesellschafter macht, dieser aber im Innenverhältnis gebunden ist und die ihm formal zustehenden Gesellschafterrechte nur im Interesse und nach den Weisungen des Treugebers ausüben darf“49. Oder im insolvenzrechtlichen Kontext: Die Vermögenszuweisung sei richtig, „weil der Treuhänder das dingliche Recht von vorneherein nur in einer die Ausübungsbefugnis im Interesse eines anderen einschränkenden Gestalt erhalten hat. Infolge der Vereinbarung mit dem Treugeber hat der Treuhänder das Eigentum – auch dann, wenn es ihm von einem Dritten übertragen wurde – nur in solcher Weise eingeschränkt erworben, dass dem Treugeber wegen seiner von Anfang an bestehenden Weisungsbefugnis der Gegenstand vermögensmäßig zuzuordnen ist“50 . In anderen Urteilen halten Richter wieder für wesentlich, wem die Nutzungen und Vorteile an der Substanz intern zustehen51. Oder entscheidet die Gefahrtragung? Die Gefahrübernahme als wichtigstes Unterscheidungskrite­ rium anzusehen, ist eine in der jüngeren Forschung dargelegte Ansicht Bitters, 49  So BGH BB 1977, 10; ähnlich BGH WM 1991, 1753, 1755: „Der Treuhänder ist im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers tätig und an seine Weisungen gebunden“. 50  BGHZ 155, 227, 233 = NJW 2003, 3414, 3415 f. 51  BGH WM 1965, 173, 174; in gleichem Sinne auch BGH WM 1969, 935. BGH WM 1972, 383 f. („Nutzen“). Aus der Literatur ist die Definition von Grundmann, Treuhandvertrag, S.  93 und insbes. S.  192 ff. hervorzuheben.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

der sich mit Diehle einverstanden erklärt, und dessen Ansatz sehr vertieft hat52 . Das ist noch kurz zurückzustellen. Alle Ansichten jedenfalls, die das Phänomen des obligatorischen Gehörens näher beschreiben, kommen über kurz oder lang auf eine formorientierte Denkungsart zurück: der Treugeber ist relativ, wirtschaftlich, obligatorisch, materiell Eigentümer.

III. Das Privileg als verschlüsseltes materiales Symmetrieverhältnis zwischen Drittbetroffenen und Gläubiger In der Art und Weise der Problemsicht sind die Generationen nach 1900 befangen. Die Rechtspraxis ist der Theorie in dieser Zeit vorausgeeilt und gewährte in kasuistischem Vorgehen den typischerweise Betroffenen im Handelsverkehr, die nur obligatorisch berechtigt waren, einen pragmatischen Schutz. In der Nacharbeit konnte die Forschung die nun veränderten Vorgaben – die Privileggewähr für Treugeber, nicht aber für andere (kausalgeschädigte) Obligationäre – nicht auf akzeptanzfähige Gründe zurückführen. Das Treugeberprivileg, durch das der Fiduziar dem Obligationär gegenüber bevorzugt wird, wurde aber nicht in Zweifel gezogen, nur weil die Dogmatik bis heute keine bestimmten Gerechtigkeitsgedanken für dieses Privileg benannt und mit hoher Evidenz nachgewiesen hat. Als Problemursache galt stets der Abstraktionsgrundsatz, der, wie man früh kritisierte, all diese Distinktionen planlos erst bewirkte53. Die Abstraktion sei auf Bedürfnisse des Güterumsatzes, nicht des Konkurses gerichtet, lautet eine häufige Kritik 54. Warum, fragte man, soll die vorläufige sachenrechtliche Zuordnung zur definitiven Risikoverteilung im Konkurs führen? Die Frage dringt in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen in den Vordergrund, als die „fanatische Opposition“ gegen das Vermögensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs antrat55. Als sich in der Bonner Republik zeigte, dass dem keine Neuordnung mehr folgen würde, blieb der Wunsch nach einer zumindest konkursrechtlichen Befreiung von den bürgerlichen Formen mit genuin konkursrechtlichen Begriffen oder doch wenigstens einem konkursrechtlichen Schutzrecht, einer Art Konkurseigentum. Von hier aus erschien das Treuhandproblem als formübersteigende Kategorie, als ein Recht dritter Art, welches die zweckfremde Prägung durch das Abstraktionsprinzip bereinigen hilft. „Dem Treuhänder ist nur aus rechtstechnischen, formalen Gründen die Stellung eines vollberechtigten Inhabers des Treuguts verliehen. Wirtschaftlich und von der materiellen Interessenlage her gesehen, 52 

S. bereits §  7, Fn.  86 und sogleich unter III. 4. S. oben, §  1 I. 3. 54  S. oben, §  1 I. 3. 55  S. deren Darstellung mit zurückhaltender Bejahung bei Heck, Das abstrakte dingliche Rechtsgeschäft, S.  18 ff. 53 

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muß man das Treugut dem Vermögen des Treugebers zurechnen“56 . Ganz in diesem Sinne hat man vom „Benefiziarrecht“, vom Eigentum gespaltener wirtschaftlicher Position, wirtschaftlichem Eigentum, funktional-teleologischem Eigentum, gespaltenem Eigentum usf. gesprochen 57 – alles besondere (konkursrechtliche) Formen des relativen Eigens. Die fatale Paradoxie, in die solches Analogiedenken bei relativen Eigentumstypen mündet, ist von hier aus nicht mehr abzuwenden58 . Versuchen wir also unbefangen noch einmal und anders zu beginnen. Ein Theorieansatz, der sich vom analogen Denken durch Formvergleiche löst, öffnet den Betrachtungswinkel für die komplexere Beziehung. Das Treuhandprivileg, so wie es die Judikatur im Umfeld der abstrakten Verteilungsformen und -typen des Bürgerlichen Gesetzbuches seit 1900 geformt hat, erscheint dann nicht mehr als Recht dritter Art, sondern als Relation zwischen dem (drohenden) Nachteil des definitiven Opfers des Treugebers zum einen und dem Exekutionsvorteil der Gläubiger zum anderen. Die Bemerkungen führen zurück zu den symmetrischen Wurzeln der privatrechtlichen Verteilungsordnung – mit einem Rechtfertigungszwang für asymmetrische Verteilungslagen als wesentlichem Zeichen. Es ist nicht schwer anzugeben, welche Asymmetrie gerade das Treuhandprivileg auflöst: sie liegt zwischen dem „Gläubigerinteresse“ und dem „Vermögensinteresse“ (Huber) 59, oder besser: zwischen dem drohenden Vermögens-Nachteil und dem Befriedigungs-Vorteil für den Gläubiger. Es ist wie schon beim Drittschaden – nicht mehr einseitig zu fragen: Muss ein definitiver Nachteil für einen relativ Berechtigten abgewendet werden, weil sein Recht unter einem bestimmten Aspekt der Eigentumsbefugnis wirtschaftlich, relativ, material gleich steht? – sondern zweiseitig: Wieweit entsteht in dem Verhältnis zwischen privilegierten Gläubigertypen (Kommissionär, Treugebern) und vollstreckendem Gläubiger (oder Gläubigergemeinschaft) bei gedachter Entprivilegierung ein besonderer Rechtfertigungsdruck auf die an sich systemrichtige Verteilungslösung: Treugeberopfer – Befriedigungsvorteil? Wie betrachtet man ein Asymmetrieverbot im Relationsbezug, das sich nur im Modus eines positiven Privilegs artikuliert? Die Antwort lautet: im hypotheti56 

Huber, Festschrift 50 Jahre IPR-Institut der Uni Heidelberg, S.  399, 401. Wort „Benefiziarrecht“ ist von Assfalg, Behandlung, S.  163. Gegen dessen Ansatz ausf. Löhnig, Treuhand, S.  727 ff.; in der Mitte der verschiedenen Formulierungen liegt gewissermaßen diejenige Stadlers, die von einer „funktionalen Spaltung des Eigentums in formale und wirtschaftliche Positionen“ spricht, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz, S.  4 49. 58  Zu ihr s. Einleitung, IV. 2. 59 So Huber, Festschrift 50 Jahre IPR-Institut der Universität Heidelberg, S.  399, 414. Auf S.  420 f. kommt Huber noch einmal auf diesen Gedanken zurück und beschreibt das „Vermögensrecht“ als ein Recht dritter Art neben den schuldrechtlichen Forderungen und der dinglichen Berechtigung. Kennzeichen des Vermögensinteresses nach Huber ist die Pflicht zum Handeln im Fremdinteresse, S.  414. 57  Das

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schen Zustand der zugelassenen Asymmetrie, also in einem gedachten Recht ohne Treuhandprivileg. Um den Rechtfertigungsdruck zu verstehen, dem das Recht ohne Privileggewährung ausgesetzt wäre, sollen die beiden Seiten des Verhältnisses zunächst einzeln näher betrachtet werden (1. bis 3.), bevor er in einen Rückbezug zur Formteleologie zu setzen ist (4.) 60 .

1. Die hypothetische Asymmetrie zwischen Gläubigervorteil durch drittwirksame Exekution und exekutionsbewirktem Drittnachteil Ausgangspunkt für eine Beurteilung des Gläubigerinteresses hat die Spannung der Prinzipien von Selbstverantwortung und Rechtssicherheit zu sein. Der Verantwortungsgedanke muss der Drittwirkung widersprechen. In der Haftungssituation, dem „Zur-Deckung-Bringen“ der „Vermögensverantwortung“ und der formellen „Vermögensberechtigung“ (Jürgen Schmidt) 61, ist der Übergriff auf Drittrechte von Grund auf erst einmal verfehlt. Ein „Gläubigerinteresse“ an fremdwirksamen Exekutionen erscheint, da es um die privatautonome Verantwortung des Schuldners geht, als Widerspruch: die Vollstreckung soll allein auf Kosten des Vermögens des Schuldners gehen62 . In den Worten des Bundesgerichtshofs: „Das Zwangsvollstreckungsrecht bezweckt grundsätzlich die Befriedigung des Gläubigers allein auf Kosten seines Schuldners. Das Einhalten der formellen Vollstreckungsvoraussetzungen verleiht dem Gläubiger noch kein materielles Recht zum Zugriff auf schuldnerfremdes Vermögen“63. Deswegen ist der Insolvenzordnung als Kopfsatz vorangestellt: „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen“. Auch das Prinzip der Gleichbehandlung von Insolvenzgläubigern (par conditio creditorum) ist so abstrakt, dass es keine Aussagen zu Differenzierungen von Gläubigergruppen oder zum Gläubigerinteresse zulässt. Die Heranziehung fremden Sacheigentums oder Vermögens zur Versteigerung, die auch im Hinblick auf die Eigentumsgarantie einer klaren Rechtfertigung bedarf, ist von dem Gedanken eines Zur-Deckung-Bringens von Vermögensbefugnis und Haftung nicht zu halten64.

60  Aus der vollstreckungsrechtlichen Literatur zur der Frage, auf welches Verhältnis es ankommt, s. Picker, Drittwiderspruchsklage, S.  1 f.; Haertlein, Exekutionsintervention, S.  10. 61  Jürgen Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, S.   132; s. schon oben §  1 II. 62  BGHZ 119, 75, 84; s. auch BGHZ 11, 37, 41; BGHZ 55, 20, 26; Gaul, AcP 173 (1973), 323, 336; Picker, Drittwiderspruchsklage, S.  1. 63  BGH 55, 20, 26. 64  Man kann an diesem Punkt einwenden, das Entscheidende, das, was „Vermögen“ exekutionsrechtlich bedeute, sei noch gar nicht gesagt. Das ist richtig, trägt aber nichts ein, denn es ist eben nicht möglich, von „dem“ Gläubigerinteresse her an eine Begriffsbestimmung des „Vermögens“ gewissermaßen deduktiv heranzugehen.

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Man hat das Gläubigerinteresse also anders zu betrachten. In der tieferen Bestimmung wirkt ein zweiter Grundsatz, der Drittschutz notwendig begrenzt. Eingriffe in die Rechte Dritter sind nicht immer zu vermeiden. „Die Notwendigkeit einer raschen und energischen Rechtshülfe für den Gläubiger“, so ist schon in der Entwurfsbegründung für eine CPO von 1881 gesagt, ist „der letzte Zweck einer rationellen Exekutionsgesetzgebung“65. Man sieht diesen tieferen Bezug selbst bei der Versteigerung auf privatrechtlicher Grundlage. Bei ihr ist der Rechtsverlust des nichtbetreibenden und nichtschuldenden Eigentümers möglich, wenn der Erwerber hinsichtlich der materiellen Berechtigung des Veräußerers nicht in bösem Glauben ist. Beides, Verbot der Drittwirkung und Effektivitätsgebot, sind gegenläufige Ziele. Am effektivsten wäre die Unbeachtlichkeit von Belangen Dritter. Die Vollstreckungsordnungen suchen einen Mittelweg und schichten ein Vorverfahren (formalisiert-äußerliche Prüfung durch die Organe der Vollstreckung) von einem Überprüfungsverfahren (mit Initiativlast des Dritten) ab66 . Es kann gesagt werden, dass sich das Dilemma der Begründungsschwäche für jede Drittbetroffenheit – also eine prinzipienwidrige Verantwortung für andere – erst auf einer höheren, überindividuellen Ebene auflöst. Dann aber ist der Gläubiger, der an Stelle des Schuldners tritt, gewissermaßen reflexiv geschützt: er repräsentiert allgemeinere Interessen, die der Exekutionsordnung oder des Verkehrs. Das Vermögensinteresse kann man auf verschiedene Weise beschreiben. Die einfachste Art der Bestimmung hat das Reichsgericht 1899 vorgenommen, indem es meinte, die Gläubiger des Fiduziars dürften sich nicht auf Kosten des Fiduzianten bereichern67. Das Reichsgericht hat gesagt, den Gläubigern können „nicht mehr Rechte zustehen, als der Gemeinschuldner selbst besaß; sie dürfen dann insbesondere über das (fiduziarisch übertragene) Grundeigentum des Gemeinschuldners nicht in einer Weise verfügen, die dem Gemeinschuldner selbst nicht zustand und sogar den Vorwurf des dolus begründen würde“68 . Das ist eine Ungenauigkeit, die später scharf als petitio principii gerügt worden ist69. Der Senat hatte jedenfalls keine Zweifel, denn die Bereicherung an fiduziarisch übertragenen Gütern („auf Kosten“ des Dritten) wäre „mit Anforderungen der materiellen Gerechtigkeit nicht vereinbar“70 . Rückschauend ist man versucht zu sagen: das konnte nur bis 1900 so gesagt sein. Seit dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist, wie gesehen, ein Aussonderungsrecht für kausalfehlerhafte Güterbewegungen ausgeschlossen. Seither stellt sich 65 

Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Zweiter Band, S.  422. dem Bestimmungsversuch für das Gläubigerinteresse ist schließlich ein Aspekt wichtig, der als Formkraft eingeführt wurde: die rechtssichernde Abschirmungswirkung der Güter- und Erwerbsform. Das ist vorerst zurückzustellen. 67  RGZ 45, 80, 84. 68 Ebenda. 69  v. Tuhr, Allgemeiner Teil, II/1, S.  205 Anm.  108. 70  RGZ 45, 80, 84. 66 Bei

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für das 20. Jahrhundert die schwierigere Frage, ob und wie sich fiduziarische Rechte gerade gegen Ansprüche auf „Verschaffung“ oder „Rückforderung“ abheben. Durch freiwillige Risikoübernahme des Gläubigers bei der Kreditierung? Aber gerade bei den Kausalgeschädigten kann man beim Willensmangel kaum von freiwilliger Übernahme sprechen. Und gibt nicht auch der Fiduziar freiwillig sein Eigentum fort und muss er nicht gleichfalls mit dem Zugriff der Gläubiger des Schuldners rechnen? Betrachten wir die Distinktion zwischen geschütztem relativ Befugten und schutzlosem Obligationär anhand von vier Punkten genauer. 1. Das erste Kriterium besteht im Zeitmoment. Insofern hat das Reichsgericht Recht. Wer den Kaufpreis zahlt, bevor er die Ware hat, gewährt Kredit und wird in die Risikogruppe der Gläubiger gezogen. Sein Geben bezweckt einen „endgültigen Vermögenszuwachs für den Empfänger“71. Genau das ist anders bei der Treuhand, etwa beim Sicherungseigentum72 . 2. Das zweite Kriterium besteht in einem endgültigen Vermögensverlust, im definitiven Nachteil, jedenfalls im Regelfall. Auch der bloße Obligationär hat natürlich einen Nachteil. Jeder dogmatische Ansatz ist deswegen genötigt, die besondere Härte gerade für den Treugeber zu belegen. Ein besonderer Nachteil ist bei fiduziarischen Sicherheiten klar: Es kann bei Sicherungseigentum oder Sicherungszession zur zweifachen Befriedigung durch Verwertung und Tilgung kommen73. Der Sicherungsgeber, der die Schuld tilgt, muss geradezu das Sicherungsgut aussondern können, damit die Gläubiger nicht zweimal befriedigt werden, einmal quotal aus dem Darlehen, das der Masse zugeflossen ist, und dann noch aus dem Gut. Aber dies erklärt nur einen Teilausschnitt der Kasuistik. 3. Der hervorstechendste Unterschied liegt bei der Reziprozität. Zunächst fehlt es an Aufrechnungsmöglichkeiten, wenn ein Gegenopfer nicht erbracht werden sollte. Erst wenn man die Stellung des rechtsgrundlos Veräußernden im Ganzen betrachtet74, werden seine vielfältigen Aufrechnungsmöglichkeiten insofern durchaus zu einem beachtlichen Gegengewicht, das die Härten, die das Abstraktionsprinzip bewirkt, jedenfalls bei der Insolvenz wieder mildert75. Ein solches Gegengewicht fehlt für den Fiduziar. 4. Ein anderer Gedanke zielt in ähnliche Richtung: Man kann von einer symmetrischen Gleichbehandlung zwischen Verkäufer und Käufer in der hypo71 

RGZ 45, 80, 84. Was schon in RGZ 45, 80, 84 betont wird. 73  Gaul, Festschrift Serick, S.  105, 136. 74  Im US-amerikanischen Recht gibt es Relativierungen etwa durch Fristen, oder die Vo­ raussetzungen, dass die Nichtigkeitsklage bereits vor Insolvenzeröffnung erhoben sein muss, eine rechtsvergleichende Übersicht gibt Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S.  411 ff. 75  Wenn er nicht erfüllt hat, wird die Gleichartigkeit von der Insolvenzforderung überwunden. Wesentlich sind dann Fälle mit Aufrechnungsverboten, oder wenn schon beidseitig erfüllt wurde; problematisch bleibt die Zwangsvollstreckung, bei der entspr. Aufrechnungsmöglichkeiten fehlen. 72 

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thetischen Insolvenz des anderen sprechen. Beim Austausch von Ware gegen Geld sollen die Partner auch hinsichtlich ihres Insolvenzrisikos gleich behandelt werden. Diese symmetrietopische Argumentation ist von wichtigen Stimmen sehr betont worden76 . Welchen Einfluss der Gedanke hat, ist schwer zu benennen, aber er zeigt noch einmal deutlich, dass in der fehlenden Reziprozität (im juristischen Sinne) bei fiduziarischen Rechten ein Wesensmerkmal der privilegierten Fälle liegt. Geht es zu weit, im besonderen Schutz des „Vermögensinteresses“ einen Schutz gerade vor dem nicht-reziproken, definitiven Nachteil zu vermuten? Wechseln wir den Betrachtungswinkel. In der spiegelbildlichen Konstellation, d. h. der Unbeständigkeit des unverdienten, nicht-reziproken Vorteils, ist es gar nicht zu übersehen, dass diese Schwäche prinzipieller Art ist, auf einem „allgemeinen Gedanken“ beruht, wie es in den Materialien zu §  816 Abs.  1 S.  2 steht77. Aus diesem Blickwinkel ist die exekutionsrechtliche Frage nach der Schutzreichweite bei fiduziarischen oder kausalgeschädigten Rechten gleichsam die gedanklich umgekehrte Problemkonstellation zur kondiktionsrechtlichen Schwäche des unentgeltlichen oder rechtsgrundlosen Erwerbs. Man fragt: Gilt dann bei der Beständigkeit relativer Rechte als einem komplementären, spiegelbildlichen Fall dieser „allgemeine Gedanke“ in entgegengesetzter Richtung? Über diese Fragen lässt sich Klarheit erst gewinnen, wenn die Wirkungsart des Symmetrischen genauer erkannt ist78 . Aber es ist zu vermuten, dass der definitive und einseitige Nachteil, wie wir es im Schadensrecht schon gesehen haben, ein wesentliches Wertungskriterium ist. Entscheidend ist offenbar ein zweiseitiges Verhältnis: Dem definitiven und nicht-reziproken Opfer steht der Vorteil einer Befriedigung „auf Kosten“ anderer asymmetrisch gegenüber.

2. Der unwiederbringliche Drittnachteil im historischen Rückblick Es gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit, der tiefen historischen Verwurzelung des Privilegs nachzugehen. Andererseits haben die künstliche Aufstülpung des sachenrechtlichen Abstraktionsgrundsatzes zum einen, die pragmatischen Lösungen der Gerichte zum anderen, zu einem Gesamtbild geführt, dessen Kenntlichkeit durch kasuistische Verästelungen verstellt ist. Versuchen wir uns deswegen durch eine Rückbesinnung auf diese Wurzeln über die maßgeblichen Wertungen mehr Klarheit zu verschaffen. Die Formulierung im heutigen Text des §  771 ZPO geht zurück auf die hannoversche PO von 1850, welche ein „Eigenthums- oder ein solches Recht“ als Grund der Abwehr bestimmte, „wodurch dessen Veräußerung oder Herausga76 

S. nur Lange, AcP 146 (1941), 36; v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/1939), 675, 701. den Antrag Jacubezkys bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  871, s. ausf. noch §  9 I. 1. 78  S. §  9 und den Rückbezug in §  10 III. 77  S.

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be an den Gläubiger unzulässig wird“79. Ziel der Formulierungen in der CPO von 1877 und in den Vorläufern war es, die materielle Prüfung des Klagegrundes zu betonen. Gemeint war, und zwar ohne tieferes Problembewusstsein, das dingliche oder quasi-dingliche Recht, nicht das obligatorische80 . Man bedenke, dass die Diskurse um das ius ad rem und die Blüte der Treuhanddoktrin Jahrzehnte später folgen sollten. Wir haben uns für ein genaueres historisches Verständnis streng auf wenige Kernpunkte, die sich auf die Ausgangsfragen beziehen, zu begrenzen. 1. Im Handelsrecht des 19. Jahrhunderts bildete sich das Privileg für Kommittenten heraus. Als eine Schlüsselnorm ist Art.  284 des Preußischen Entwurfs von 1857 anzugeben, eine zentral wichtige Vorschrift für die Beratungen der Nürnberger Kommission, die starken Einfluss auf die Vorläufer des §  392 HGB hatte81. Für das Schutzprivileg im preußischen Entwurf war angeführt worden, dass der Kommittent den Gläubigern gegenüber als der eigentlich Berechtigte anzusehen sei. Er dürfe bei der Verkaufskommission nicht Gefahr laufen, die Sache und den Preis für die Sache zu verlieren82 . In erster Lesung in der Nürnberger Kommission zum ADHGB ging man noch von einem unmittelbaren Erwerb des Kommittenten aus, den man für gerecht hielt, weil er die Gefahr trage83. In zweiter Lesung wurde eingewandt, der Kommittent trage die Gefahr schon mandatsrechtlich, also schon vor Eigentumserwerb84. In der Schlussberatung wurde die „sehr ungünstige Lage“ des Kommittenten, der kein Eigentum erwerbe, wie einleitend erwähnt, damit begründet, dass ihm nicht die „Nachteile der Sache übergebürdet, die Vorteile aber vorenthalten“ werden dürfen85. 2. Der Gedanke der Gefahrtragung spielte zwischenzeitlich noch eine andere Rolle. In zwei partikulargesetzlichen Regeln des handelsrechtlichen Privilegs des Kommissionärs hing der Erfolg der Abwehrklage des Kommittenten davon ab, ob der Kommissionär del credere stand oder nicht, ob er also das Ausfallrisiko übernommen hatte86 . Die Wertung zu übernehmen, hatte die Kommission 79 Näher

Frommhold, Widerspruchsklage, S.  148 ff. Ich folge den Ausführungen Pickers, Drittwiderspruchsklage, S.  39 ff. 81  S. die Debatten zu Art.  284 des Preußischen Entwurfs in ADHGB-Protokolle, S.  698 ff. und zu der Nachfolgeregel des Art.  312 in ADHGB-Protokolle, S.  1196 ff., 1202, 1251 f., 1442 f., 1450 ff. Im Text später aufgenommen als Art.  368 ADHGB. 82 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten nebst Motiven, 1857, S.  153 f. 83  ADHGB-Protokolle, S.  699. 84  ADHGB-Protokolle, S.  1197. 85  ADHGB-Protokolle, S.  1442 f. 86  Nr. LII der Frankfurter Wechsel- und Kaufmannsordnung von 1739 lautet wie folgt: „Die einem zur Insolvenz geratenen debitori, um die Provision zu verkaufen, in Commission gegebene und annoch vorhandene Waaren und Güter betreffend, bleiben diesselben dem Committenten nach wie vor sein Eigentum, und ist er ohne Widerrede solche wieder zurück zu nehmen wohl befugt, wie dann auch in dem Fall, da derjenige, so die Waaren zu verkauffen in Commission bekommen, und nicht del credere stehet, sondern die Waaren, so gut er kann, verhandelt, vor die Bezahlung aber nicht gut ist, solche zwar wirklich verkaufet, den Preis 80 

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zum ADHGB erwogen, aber verworfen: Der „del credere-Vertrag sei ein bloßer Nebenvertrag, dem man keinen gesetzlichen Einfluss auf die wesentlichen Wirkungen des Hauptvertrages einräumen“ könne87. Die knappe Begründung zielte darauf, dass die Zuordnung der Forderung zum Kommittenten aus diesem Grund nicht angemessen sei88 . Es handelt sich um dasjenige Abstraktionsproblem, das wir schon verschiedentlich kennen gelernt haben89. 3. Blickt man noch weiter zurück, kommt der Gedanke klarer hervor. Die wesentlichen Wurzeln der heutigen Regel liegen, wie Frommhold und Picker sorgfältig dargelegt haben, historisch tiefer 90 . Schon im 18. Jahrhundert hatte sich eine pragmatische Handhabung im gemeinen und auch partikularen Recht durchgesetzt, die sich von den vorgefundenen, strengen und formalen Maßstäben für die Sistierung zugunsten eines situativ gewährten Interventionsrechts gelöst hatte, für das es auf die Evidenz eines besseren Rechts und das Ausmaß des durch die Vollstreckung zu erwartenden Schadens ankam91. Die Abwehr eines „unwiederbringlichen Nachtheils“ ist ein über eine lange Zeitspanne nachweislicher Grundgedanke92 . In der preußischen AGO von 1793 ist der Schutz für Hinterleute noch als „Abwehr eines drohenden unersetzlichen Schadens“ konzipiert93.

davor aber noch nicht erhoben hat, derselbe nicht ihm oder, wann er etwa in Insolvenz geräth, seinen Creditoren zustehen, sondern dem Committenten von dem Käufer verabfolgt werden soll“. Eine analoge Regel enthielt Art.  26 Abs.  2 der Hamburger Fallitenordnung von 1753. Die Vorschrift lautet: „Wären aber solche Commiszionsgüter schon ganz oder zum Theil verkauft und die Gelder von dem Fallito noch nicht eincasziret, so ist in Erwegung zu ziehen, ob der Fallitus del credere gestanden oder nicht. Im ersteren Falle sind die ausstehenden Schulden vom Curatoribus einzucasziren, und ad massam zu bringen, und muß der Committent, in Ansehung derselben, mit einem Platze interchirographarios sich begnügen lassen. Im letzten Fall aber, wenn die in Commiszion gesandten […] Güter von dem Commissionärs […] verkauft worden, und die Gelder noch ausstehen, treten diese in die Stelle der verkauften Waaren, und kann der Committent solche selbst, oder durch seine Bevollmächtigten, einfordern lassen. Auch sind Curatores bonorum schuldig, die Rechnungen aus des Fallitit Büchern zu extrahiren, solche an die Committenten zu cediren und zu übergeben“, jew. zitiert nach Böhm, Auslegung, S.  94 in Fn.  26 und 27. S. auch Dressler, Anwendung, S.  77 in Fn.  3 und 1. 87  ADHGB-Protokolle, S.  704 f. 88  Hans Hartmann, Ausführungsgeschäft, S.  31 f. in Fn.  4, der ohne nähere Begründung den Einfluss der del credere-Haftung auf den Kommittentenschutz als „eigentümlich und ungerechtfertigt“ bezeichnet; neutral hingegen Dressler, Anwendung, S.  3 in Fn.  3, der den abgelehnten Antrag nur als „bemerkenswert“ bezeichnet und auf die Parallele zu den älteren Regelungen aus dem 18. Jahrhundert hinweist. 89  Näher §  6 II., III. 90  Picker, Drittwiderspruchsklage; Frommhold, Widerspruchsklage, nähere Angaben im Folgenden. 91  Claproth, Einleitung, S.  739. 92  Als Hauptmerkmal bezeichnet bei Danz, Handbuch, §  482, S.  679; Biener, Band 2, §  324 II, S.  295. 93 Ausf. Picker, Drittwiderspruchsklage, S.   173 und Frommhold, Widerspruchsklage, S.  134 N. 2.

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Im historischen Ausgangspunkt wurde dem Eigentümer unter Abbau der Schutzhürden ein materielles Abwehrmittel gegeben. Geht man noch weiter zurück, sieht man, wie die Vermeidung des endgültigen Schadens als Notbehelf begrenzt war, also situativ verstanden wurde94. Bildet man die Summe aus diesen knappen Hinweisen, lässt sich der Entwicklungsgang seither als Prozess der Abstraktion dieses Wertkerns verstehen. Die im Durchlauf der letzten drei Jahrhunderte sichtbar werdenden Wert­ konstanten sind: das Opfer eines anderen als des Schuldners zum einen und der unverdiente Vorteil des Gläubigers zum anderen. Gedacht wurde zunächst situativ, später typisierend und problembezogen, nicht dogmatisch-kategorial.

3. Wider die Abstraktionstendenz des relativen Eigens zur tripolaren Symmetriefigur Fragt man sich von hier aus, wie das Treuhandprivileg an sich zur streitfreien Akzeptanz kam, dann lassen sich nun die Kriterien herausstellen, die eine exaktere Fragestellung ermöglichen. Versuchen wir diesen Gedanken einer Abstraktion eines uralten Wertgedankens nunmehr klarer zu formulieren. Was bedeutet Abstraktion in diesem Zusammenhang? Wie ist das Ordnungsproblem – analog zu dem Drittschadensproblem – auf Seiten des Betroffenen zu fassen, – problembezogen: als durch den Eingriff entstehende Negativfolge im Vermögen des Dritten, also als konkretes Gefälle eines Nachteils auf fremde Kosten gegen den Eingriffsvorteil? – oder abstrakt: als ein besonderer exekutionsrechtlicher Befugnistyp (zweioder dreistellig kodiert) mit positiver Wirkung nur für Treugeber, nicht für andere Obligationäre? Mit historischer Begründung hat unlängst Bitter eine geschlossene Treuhandlehre für die „Außenwirkungen“ vorgelegt und darin Treuhand als abstrakten Befugnistyp gedeutet. Treuhand ist nach Bitter gleichbedeutend mit Gefahrtragung95. Außenwirkungen von Treuhand ergeben sich für den Träger der Zufallsgefahr 96 . Diese Gefahrtragungsthese Bitters deutet auf eine abstrakte Symmetriefigur. Welche Begründungsmittel stehen zur Verfügung, um zu erklären, warum eine Konzentration von abstrakter Gefahrtragung mit bestimmten relativen Vorteilen – schadensrechtlichem und exekutionsrechtlichem Drittschutz, Schutz vor treuwidrigen Verfügungen oder Einwendungsverlust – zu einer unvollkommenen (tripolaren) Zwischenform (mit nur positiven Wirkungen) zu 94 

S. auch dazu nur Picker, Drittwiderspruchsklage, S.  193 mit Nachweisen in Fn.  87. Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  189 ff. 96  Also als Konzentration mit einseitiger positiver Schutzfolge, als Matrix: (+ – ), s. näher – §  6 III. und §  7 III. 4. 95 

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bilden wäre? Oder, konkreter gesprochen, warum ist die Gefahrverteilung für nur gedachte Sachverhalte wie das Einschlagen eines Blitzes relevant für die Schutzsituation, etwa den Gläubigerzugriff? In der Rechtsgeschichte finden sich hierzu Andeutungen, im System nichts97. Bitter zielt aber auch auf ein Theorieangebot für das Treuhandproblem schlechthin. Das ist verdienstvoll, zumal darin die überzogenen Konsequenzen, die das Unmittelbarkeitsdogma in der Tat zeitigt, gemildert werden sollen. Unsere Analyse hat diese Ziele nicht, sondern ist auf Diagnose und Verstehen symme­ trischer Phänomene, nicht auf ein Korrektiv positiv geltender Regeln auszurichten. Dann aber sprechen alle Hinweise zur Erklärung des Treuhandprivilegs dafür, dass es problembezogen, nicht abstrakt zu verstehen ist. Als zwangsvollstreckungsrechtliches Privileg ist es nur vor dem Hintergrund der konkreten Zugriffsfolgen zu erfassen: der definitiven Entwertung eines durch die Befriedigung eines Gläubigers bewirkten, nicht zu rechtfertigenden Fremdopfers98 .

4. Das Rechtfertigungsdefizit bei einer hypothetischen Asymmetrie Zurück zur der Ausgangsfrage. Dass in der formalen Verteilungsordnung Vorteile und Nachteile an etwas Äußerem nach symmetrischen Ordnungsmustern in die Formen gleichsam „eingelagert“ werden, ist eine im ersten Abschnitt erarbeitete Erkenntnis. Die Durchbrechung dieser formalen Ordnung – so lautet eine zentrale These der Arbeit – ist nur im Rückbezug zu den Formen zu verstehen. Die Verteilung durch Formen ist als universale gedacht, die materiale Symmetrie hat sich im Widerspruch zu dieser Verteilungsordnung, also gegen sie, herauszubilden. Die Formkräfte haben wir im ersten Paragraphen schon kennen gelernt und seither vertieft. Die Formteleologie für die Frage der Beständigkeit in wenigen Sätzen wiederholt: 1. Geht man noch einmal zurück auf die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch, lässt sich in Erinnerung rufen, dass die Aussonderung für Kausalgeschädigte abgelehnt wurde, um die Verkehrssicherheit nicht zu gefährden. Es gibt eine gewollte konkursrechtliche Abschirmungswirkung gegen das kausale, bloß

97 

S. oben, §  8 III. 2. Schutz vor Gläubigerzugriffen ist also nicht deshalb geboten, weil der Dritte die Verlustgefahr in hypothetischen Fällen, etwa den Schaden durch höhere Gewalt trägt. Es ist ohne Blick auf das Ganze nicht leicht verständlich, in welchem sachlichen Zusammenhang die Gefahr für den zufälligen Untergang mit dem Gläubigerzugriff stehen soll. Erst durch das Bemühen, eine universale Problemlösung für eine ganze Reihe weiterer „Außenwirkungen“ anbieten zu können, wird die Abstraktion hin zu einer dreistelligen Treuhandbefugnis bei Bitter plausibel, s. schon §  7 III. 4 und dort Fn.  115, zum Abstraktionsproblem s. §  6 II. 98  Der

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obligatorische Recht. Viele haben darin eine „sachenrechtliche Überreaktion“ und „Fernwirkung“ gesehen99, es aber als lex lata akzeptiert100 . 2. Betrachten wir nochmals die Motive zur mittelbaren Stellvertretung: Die Konturen der direkten und mittelbaren Stellvertretung dürften nach der Kommission nicht verwischt werden, zumal es dem Mandatar offen stehe, eine Vollmacht zu geben. „Der Kredit könne erheblich gestört werden, wenn die Gläubiger einer Person nicht mehr sicher seien, daß das Vermögen, welches sich äußerlich als ihr gehörig darstelle, auch rechtlich entsprechend behandelt werde“101. Bei dem gewerbsmäßigen Kommissionär wisse dagegen „jeder, daß er vielfach fremdes Vermögen in Händen habe, und es sei deshalb eine Täuschung der Gläubiger und eine Störung der Kreditverhältnisse kaum zu befürchten“. Aber ein allgemeines Prinzip anzunehmen, sei „äußerst bedenklich“102 . Soweit die Rückbesinnung auf die Formkräfte. Wieweit ist diese Formteleologie, die ja in gewisser Weise ständig asymmetrische Verteilungen zwischen dem Verlierenden und Gewinnenden produziert, gerade bei der Treuhand nicht mehr ausreichend? Es ist nach dem Geäußerten klar, dass die Formkräfte bei der Bewertung des Gläubigerinteresses relevant werden. Die Kasuistik zwingt hier zu verschiedenen Aussagen. Man wird den Zugriffsbeschränkungen, bei denen es von vornherein ein sinnvolles Vertrauen der Gläubiger im typischen Regelfall nicht geben kann, also bei Anderkonten oder Notarkonten, ohne Weiteres zuzustimmen haben. Bei der Sicherungszession kommt die Gefahr einer (unter keinem Verkehrsgesichtspunkt plausiblen) doppelten Befriedigung hinzu. Das Unmittelbarkeitserfordernis ist schließlich nicht als dogmatisch richtig, gelungen oder falsch zu sehen. Es hat zwei Seiten. Zum einen: In seine Teleologie mischen sich rein konsequentialistische Gedanken verfälschend hinein – sie soll die heutige Kreditsicherungspraxis mit ihren Schwerfeldern (der eigennützig-sichernden Grundschuld, Zession, dem Sicherungseigentum) erhalten. Das pragmatische 99 

S. nur Behr, Wertverfolgung, S.  499, s. bereits oben §  2. Gerhard, Gläubigeranfechtung, S.  267 ff.; Kohler, Konkursrecht, S.  170 ff. Die zum Gemeinplatz gewordene Kritik, dass das Konkursrecht gewissermaßen planlos von dem Ab­ straktionsgrundsatz abhängig wurde, seine spezifischen Gerechtigkeitserfordernisse unbedacht ins Konkursrecht getragen wurden usf., ist halbrichtig, s. §  8 , Fn.  31. Es hätte, wie erwähnt, zwar dazu kommen können, dass sich das Konkursrecht ganz aus der materiellrechtlichen Verklammerung löst und seinen eigenen Vermögensbegriff nach seinen eigenen Zwecken ausrichtet. Aber es hätte dazu gelingen müssen, einen Begriff des Konkurseigentums aus eigener Teleologie herzuleiten – bei einem solchen Postulat nehmen nun wieder ganz andere, nicht weniger große Schwierigkeiten ihren Anfang, wie der stecken gebliebene Emanzipationsversuch der deutschen Steuerrechtslehre vielleicht am klarsten zeigt, s. dazu den Überblick bei Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S.  129 f. Es ist also zur ganzen Sicht nötig, dass die Anbindung an das Sachenrecht vor diesem Hintergrund als ein rechtssichernder Vorzug in Rechnung gestellt wird, s. näher §  1 I. 3, II. 101  Prot. S.  2310 = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  950. 102  Prot. S.  2311 = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  950. 100 

§  8 Die Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe

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Programm, das mit dem Unmittelbarkeitserfordernis umgesetzt ist, lässt eine auf fiduziarische Sicherungsmittel bauende Kreditpraxis gewähren, es erlaubt einer Notar- und Beratungspraxis die Weiterverwendung der Anderkonten. Zum anderen: es soll ein Mindestmaß an Offenkundigkeit gewährleisten103, und dies stellt das Unmittelbarkeitsdenken und die angeblich systemfalsche, in sich widersprüchliche Ausnahme ins Recht104. Man kann diese Art der Publizität für wertlos halten, willkürlich ist das Kriterium jedenfalls nicht, sondern es denkt den tradierten Ansatz fort. Schließlich also zur Ausgangsfrage: Wieso lässt sich das Privileg als materiale Symmetrie zwischen privilegiertem Gläubiger und vollstreckendem Gläubiger – also nicht mehr einseitig, sondern zweiseitig – deuten und beschreiben? Die Antwort ist nunmehr: Weil sich bei gedachter Ent-Privilegierung die asymmetrische Verteilungslösung – mit schlicht binärer Kodierung: Treugeberopfer, Befriedigungsvorteil – nicht aus der Formteleologie rechtfertigen lässt! Die Spannung zwischen dem nicht-reziproken, endgültigen Nachteil zum einen und der gedachten Begünstigung eines Gläubigers, der die Fremdheit erkennen kann, zum anderen (wobei die Erkennbarkeit in ihrem Grad kasuistisch typisiert wird) – dieses zweiseitige Verhältnis im Rückblick auf die Formkräfte erklärt uns das Privileg erst ganz.

103  Die Kritik seit Assfalg an dieser Aussage ist erheblich, s. etwa Kötz, Trust und Treuhand, S.  133 f. und zuletzt eindringlich Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  80 f. Darauf wird zurückzukommen sein. 104  S. auch Canaris, Festschrift Flume I, S.  371, 412, der „eigentliche Sinn des Unmittelbarkeitsprinzips (scl. liegt) in einer mittelbaren Berücksichtigung des Publizitätsprinzips oder doch zumindest in einem Äquivalent für dieses“; in der Sache ähnlich die Beurteilung bei Kümmerlein, Erscheinungsformen, S.  143; Stier, Eigentum, S.  100 f.; s. näher Behr, Wertverfolgung, S.  495 ff.

Zweiter Unterabschnitt

Die Schwächung der formalen Rechtszuständigkeit Wir sind in den vorangegangenen Paragraphen anhand der wichtigsten Einbrüche in die formale Verteilungsordnung, dem schadens- und exekutionsrechtlichen Schutz relativer Rechte, auf eine gewisse Dialektik von Form und Symmetrie aufmerksam geworden. Schadensrechtlicher Drittschutz, Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe sind materiale Symmetrien, die sich gegen die Formteleologie (Verkehrssicherung durch Abstraktion, Abschirmung als Formprinzip) durchsetzen, aber auf diese bezogen bleiben. Das ist, soll das Gewonnene nicht den flüchtigen Eindruck des Punktuellen behalten, anhand weiterer Anwendungsbeispiele zu erhärten und zu vertiefen. Dafür ist der Schutz für den relativ Befugten gedanklich umzukehren und nach einer Schwäche gegen den Forminhaber (gleichsam: gegen einen relativ Nichtbefugten) zu fragen. Anders gesagt ist der Aufwertung relativer Rechte eine Abwertung formaler Rechte gegenüberzustellen. Wenn man von der Form her denkt, erscheint die Fragestellung abseitig. Man müsste ja das formähnliche Partikel isolieren (welches: eigentumstypische Nutznießung, Gefahr, Herrschaft?) und in anderen Bereichen für negativ relevant erklären, gleichsam eine Art relatives Nichteigentum erschaffen (etwa: der Eigentümer verliert die Vindikation, wenn ein anderer die Nutzen zieht, die Gefahr trägt usf.). Die Souveränität der Form im Verkehr wäre durch eine solche Denkungsart scheinbar zu sehr beschädigt. Sich von dieser Denkweise in Analogien zu Formen zu lösen, ist ein Anliegen der symmetrischen Forschung. Es gilt, die Brücke zu schlagen zwischen dem Nachteil des Verlierenden zum einen, dem Vorteil des Gewinnenden zum anderen. Dann ist es fast zwangsläufig, dass die Symmetriebildung in beide Richtungen ausschlagen kann: zugunsten eines relativ Berechtigten oder zulasten eines formal Berechtigten. In den folgenden Paragraphen soll zunächst den modernen Substituten der Versionsklage nachgegangen werden (§  9). Denn sie wurde, wie gesehen, als Hindernis der verkehrsläufigen Form begriffen, aber nur zum Teil überwunden1. Die Umkehrbarkeit symmetrischer Phänomene legt es nahe, nach einem Komplement der Beständigkeit relativer Rechte, also einer exekutionsrechtlichen Schwächung formaler Rechte, zu suchen (§  10). 1 

§  1 I. 2.

§  9 Prinzipien der kondiktions- und haftungsrechtlichen Version Das Bereicherungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches ist beim Ausgleich bei drei und mehr Beteiligten durch die prinzipielle Ablehnung der actio de in rem verso negativ determiniert. Wenn „derjenige, aus dessen Vermögen etwas in den Nutzen eines Andern verwendet worden“ ist, von jedem neuen formalen Inhaber den Nutzen in Natur oder dem Wert nach fordern darf, wie es nach preußischem Landrecht der Fall war, wertet dies ganz offenbar die formale Innehabung ab. Gegen solche „schleichende“ Verfolgung ist die Form in der deutschen Verteilungsordnung prinzipiell abgeschirmt. Es ist nunmehr zu fragen, wo gewissermaßen Nachfolger der actio de in rem verso zum Schutz relativer Berechtigter dennoch nachweislich sind. In diesem Paragraphen sollen diese modernen Versionstypen (verstanden als ein restitu­ tions­rechtlicher Durchgriff) bei drei und mehr Personen behandelt werden. Der Problemstoff ist streng zu begrenzen. Die gemeinrechtliche Lehre hatte den „Durchgriff“ beim doppelten Mangel noch akzeptiert, da der Empfänger nicht das Seine empfangen habe (suum recepit) 1, aber der Standpunkt wurde bereits durch v. Tuhr bekämpft und im neuen Recht durch Heck und andere zurückgedrängt 2 . Der theoretisch überladene Streit um den direkten Restitutionsweg bei drei und mehr Beteiligten (in der Kasuistik: Anweisung, Zession, Ketten, Zahlungen Dritter usf.) kommt – fern von der Lebenswelt – seither nicht zum Ende. In der Gerichtspraxis war eine restitutionsrechtliche via recta stets die Ausnahme. Das lag zunächst an dem Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung, das Direktzugriffe unterband, von dem sich die Judikatur erst stufenweise löste. Sein Bekenntnis zur Theorie des Leistungsbegriffs und zum Subsidiaritätsdogma 3 musste der Bundesgerichtshof bekanntlich schon bald darauf wieder halb zurücknehmen4. Er hat sich seither nach Meinung seiner Kritiker damit begnügt, sich „durch Präjudizienvergleich und Interessenbewer1 S.

Windscheid, Die indirekte Vermögensleistung, S.  410 ff. v. Tuhr, Allgemeiner Teil, II/2, S.  100, 216; Heck, Schuldrecht, §  144 I 5; Leonhardt, Besonderes Schuldrecht, S.  376. 3  BGHZ 40, 272. 4  In BGHZ 122, 46, 51 nur noch als Richtwert angesehen, „da die Ableitung aus dem Leistungsbegriff nicht immer überzeugend erscheint“. 2 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

tung im normfreien Raum an das interessen- und sachgerechte Ergebnis heranzutasten“5. Ein Gewissheitsgrad mit dogmatischen Mitteln, also durch theoretisch-abstrakte Vorabbestimmung des direkten Restitutionszugriffs, war offenbar nicht zu erreichen. Im Folgenden soll nicht der dogmatische Überschuss, mit dem die Lehre durch Verabsolutierung oder Verabschiedungen des Leistungsbegriffs diese resignative Haltung überwinden helfen wollte, und nach vielen nur mehr in die dogmatische Dunkelheit führte, im Einzelnen abgearbeitet werden. Es genügt, den Blick auf ein symmetrisches Apriori zu lenken. Zwei prinzipiengebundene Versionssätze sind von diesem Konstruktivismus zu keiner Zeit berührt worden: die Schwäche des unentgeltlichen und des unredlichen Erwerbs.

I. Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs Der erste Grundsatz ist die Qualität einer causa minor des unentgeltlichen Erwerbs. Bei den einzigen textlichen Befassungen mit dem Mehrpersonenverhältnis, in §  816 Abs.  1 S.  2 und in §  822, bricht sich ein prinzipieller Gedanke die Bahn. Er ist schon äußerlich eine unübersehbare Konstante des Systems6 .

1. Entstehung und historische Begründung der Versionsprinzipien von 1900 Im 1. Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch war das Verbot der Versionsklage noch strikt durchgehalten, aber die 2. Kommission schränkte den Verkehrsschutz doch wieder ein, wo der Erwerb auf einer schwächeren Grundlage erfolgt7. Wenn der Bucheigentümer oder Besitzer das Erlangte fortschenkt, wird dem alten Eigentümer die via recta der Verfolgung eröffnet, §  816 Abs.  1 S.  2. Erst spät im Verfahren wurde §  822 ergänzt, und dies nur mit dem einschränkenden Zusatz „soweit dadurch die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist“: die Version wird geduldet, wo Befriedung sonst nicht zu erlangen wäre8 . Die Motive erkennen §  816 Abs.  1 S.  2 und §  822 als Anwendungsfälle der actio de in rem verso an9. Bei einer näheren historischen Betrachtung stößt man unweigerlich auf die sehr streitbare Vorfrage, ob es überhaupt einen Gutglaubenserwerb bei unentgeltlichem Erwerb geben müsse. Die Tatsache, dass sich die Kritiker eines solchen Schutzes fast durchgesetzt hätten, nimmt dem heutigen Schutzprinzip seine trügerische Selbstverständlichkeit: Sie wurde im Patt der Stimmen erst 5 

Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, Vorwort. §  988, §  1425 Abs.  1, §  1641, §  1804, §  2113 Abs.  2, §  2205 S.  3, §  2287, §  2329. 7  Prot. II, Bd.  3, S.  82, 87 f., 215. 8  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  871 f. 9  Prot. II, Bd.  3, S.  82, 87 f., 215. S. auch Dig. 39.5.2.3; Dig. 44.4.7. 6 

§  9 Prinzipien der kondiktions- und haftungsrechtlichen Version

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durch den Stichentscheid des Vorsitzenden angenommen. Zuvor hatten die Regierungen mehrheitlich darauf gedrungen, vor allem den Schutz durch den öffentlichen Glauben des Grundbuches auf den entgeltlichen Erwerb zu begrenzen. Der Bereicherungsanspruch, als eine moderne, nunmehr systemfremde Direktkondiktion, war beim sehr kontroversen sachenrechtlichen Verkehrsschutz im privaten Bereich ein stets mitgedachtes Kompensationsmittel10 . Das ist durchaus wichtig, denn es bestätigt unsere bisherige Annahme, die materiale Symmetrie im Rückbezug zur Formteleologie zu sehen, vollkommen11. Die Durchsicht der Materialien wäre aber unvollständig, wenn nicht noch ein prinzipieller Gedanke erwähnt würde, der bei dem Antrag, mit dem die Regel des §  816 Abs.  1 S.  2 angenommen wurde, schon anklingt: der ihm „zu Grunde liegende Gedanke gilt allgemein“12 . Expliziert wurde das später. Die 2. Kommission nahm einen Antrag an, der wie folgt begründet war: „Die Zuwendung erfolgt in den gewöhnlichen Fällen, in denen der erste Empfänger durch den Wegfall seiner Bereicherung frei wird, in der Wirklichkeit auf Kosten des Benachteiligten. Die Zuwendung rechtfertigt zwar den Uebergang des zugewendeten Gegenstandes aus dem Vermögen des Zuwendenden in das Vermögen des Empfängers; sie rechtfertigt aber nicht die Bereicherung des letzteren auf Kosten des Benachteiligten. Unter allen Umständen ist die Rückforderung des Benachteiligten mehr zu begünstigen als der Gewinn des Empfängers der Zuwendung“13. Daher kommt es auch, wie es auf Axiomatisches, auf unergründbare Basissätze des Rechts hinweist, dass er in den Materialien ebenso und nur so begründet wurde14. Auch später wurde die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs gemeinhin fundamentalistisch, als unbezweifelbare Wertkonstante, oder kohärentiell, als vielfach gesicherte Systemkonstante, beschrieben15.

10 

Prot. II, Bd.  3, S.  82, 87 f., 215 f. Das entspricht den Bekundungen des Bundesgerichtshofs: §  816 gleiche Rechtsverschiebungen aus, „die aufgrund der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb eintreten“. Die Legitimation der Verfolgung durch §  816 Abs.  1 S.  2 rechtfertige sich daraus, dass die „Interessen eines Beschenkten weniger schutzwürdig sind als die des früheren Berechtigten. Eine Bestimmung, deren Zweck es ist, zulasten des unentgeltlich Erwerbenden die aus dem Gutglaubenserwerb entstehenden Härten auszugleichen, die also im wirtschaftlichen Endergebnis dem gutgläubig aber unentgeltlich Erwerbenden den Schutz wieder nimmt“, BGH NJW 1982, 761, 762. 12  Angenommener Antrag Jacubezkys bei der Revision des 2. Entwurfs bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  871. 13 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.   871 f.; s. auch den Nachtrag zu den Protokollen, S.  1190, S.  8513 und bei Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1413 mit dem Hinweis, dass der rechtshistorische Gesichtspunkt einer Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs zu Gunsten des Antrags angeführt wurde. 14 Prot. II, Bd.   3, S.  216, s. auch v. Kübel, Teilentwurf Ungerechtfertigte Bereicherung, 1882, S.  34 f. = Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  694 f. 15  Und zwar durch Verweis auf die §  519, §  528, §  822, §  988, §  1390 Abs.  1, §  2 287, §  2325, §  2329; ferner §  39 Abs.  1 Nr.  4 InsO, §  4 AnfG. 11 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

2. Wirkungsbeispiele aus der Rechtsprechung Es gibt also im Wesentlichen systemische und fundamentalistische Rechtfertigungsansätze der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs. Geltungsgrund und Wirkung dieser beiden modernen Versionsarten sollen nunmehr näher dargelegt werden. Erstens: Man kann, wie beim Drittschadensproblem, fragen, zwischen welchen Subjekten ein materiales Verhältnis entsteht. Die Schenkung als Archetyp des unentgeltlichen Erwerbs bedeutet Weggabe ohne Kompensation zum einen, Hinnahme ohne Gegenopfer zum anderen. Aber was ist für den Begriff von „Unentgeltlichkeit“ maßgeblich, die Geber- oder Nehmerseite oder beide? Die begriffliche Akzentuierung ist nicht leicht und durchaus folgenreich: Führt es zu einer restitutionsspezifischen Entgeltlichkeit, wenn der Empfänger an Dritte etwas leistet? Welche rechtliche Qualität muss ein Gegenopfer haben und wie, wenn es bedungen, aber noch nicht erbracht ist, wie, wenn es den Zweiten nicht erreichte? Die Judikatur lässt einen sehr restriktiven, den Empfänger begünstigenden Maßstab erkennen, wie einige Urteile zeigen sollen16 . Nach RGZ 112, 368 ist selbst dann entgeltlich erworben, wenn an einen Dritten geleistet ist, und dies den Zweiten nicht bereichert; nach BGH JZ 1954, 360 handelt entgeltlich, wer eine Hypothek an Dritte bestellt; nach BGH NJW 1962, 1671 ist die von einer Spielbank eingeräumte Gewinnchance ein ausreichendes Gegenopfer. Man sieht, wie die Unentgeltlichkeitscausa auf den Erwerber – den Dritten – bezogen ist, gerade so, als komme es wirklich nur auf das Symmetrieverhältnis zwischen Erstem und Erwerber an. Die Interessen des Zweiten, der seinerseits Gegenrechte gegen den Entreicherten verliert, bleiben unberücksichtigt. Zweitens: Es ist aufschlussreich, wie die Wertungen in einem Beispiel zur Außenwirkung von Treuhand, in einem Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 4.2.1999, verstanden und umgesetzt sind17. In dem Fall hatte die beklagte Schwester von ihrem verstorbenen Vater Investmentanteile schenkweise erhalten. Diese Papiere waren dem Vater zuvor von seinem Sohn treuhänderisch übertragen worden, der sein Vermögen während einer stationären psychiatrischen Behandlung den Zugriffen der Sozialbehörden entziehen wollte. Der Sohn verklagte seine Schwester auf Rückgabe der Anteile. Das OLG München wollte als Verfügenden nur den Kläger ansehen, in dessen Vollmacht der Vater gehandelt hatte und lehnte einen Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  2 ab. Auf dem Boden der Theorie des Leistungsbegriffs lehnte es aber auch eine Restitution nach §  812 ab, denn die vollzogene Schenkung sei die des Vaters gewesen, der als Leistender anzusehen sei. Nach der Öffnung des Leistungsbegriffs für 16  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 II 1 c, S.  334; Joerges, Alternativ Kommentar, §  816 Rn.  22. 17  BGH NJW 1999, 1393.

§  9 Prinzipien der kondiktions- und haftungsrechtlichen Version

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„unschematische Lösung“ korrigierte der III. Zivilsenat diese formale Interpretation: Der Vater sei Leistender, heißt es zunächst noch tautologisch, wenn die Zuwendung der Wertpapiere von der Rechtsordnung „im Sinne einer endgültigen Güterzuordnung gebilligt“ sei. Die maßgebende Wertung lautet: Der Beklagten war „zumindest als Risiko erkennbar, daß die Wertpapiere nicht der beliebigen Disposition des Vaters unterlagen, mithin auf den ersten Blick nicht zu seinem Vermögen gehörten, mit der Folge, daß die unentgeltliche Zuwendung der Wertpapiere durch den Vater auch aus der Sicht der Bekl. nicht als aus dem Vermögen des Vaters erbracht war“18 . Der Gedanke wird später als ein allgemeiner ausgegeben, wenn es heißt: Infolge der „Schwäche des unentgelt­ lichen Erwerbs“ seien Zuwendungen „regelmäßig“ keine Leistung „im bereicherungsrechtlichen Sinne“, wenn „die Schenkung für den Empfänger erkennbar nicht aus dem Vermögen des Schenkers, sondern aus dem Vermögen eines Dritten erfolgt, über das der Schenker lediglich Verfügungsvollmacht besitzt“19. Man sieht in bemerkenswerter Weise wieder, wie ein Rückbezug zu den systemtragenden Formkräften (Verkehrsschutz) hergestellt wird: dass die Unentgeltlichkeit erkennbar war, wurde als entscheidend angesehen.

II. Schwäche des unredlichen Erwerbs Das zweite Prinzip ist wegen der schuldogmatischen Teilung von dinglichen und obligatorischen Rechten schwerer zu erkennen. Fraus omnia corrumpit ist eine Parömie, die auf eine Stelle bei Ulpian zurückgeht 20 und eine zeitkonstante Wertung für die spätere actio pauliana, als dem zentralwichtigen Anfechtungsmittel im klassischen Recht, vorbereitet21 : Wenn der Empfänger weiß, dass die Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund ist, verdient er keinen Schutz, weswegen etwa im gemeinen Recht die Verfolgung mit der condictio furtiva oder die condictio ex iniusta causa möglich war. Eine solche Restitution bei Arglist fehlt im Bürgerlichen Gesetzbuch und das bedeutet scheinbar: sein Verkehrsschutz wirkt zugunsten des unredlichen Erwerbers. In Wahrheit haben dingliche und deliktische Ordnungslösungen die Aufgaben übernommen. Nur deshalb lässt sich die anti-versionsrechtliche Tendenz bei der Restitution überhaupt korrekturfrei einhalten. Es wäre unzureichend und falsch, diese funktional mit Restitutionsaufgaben betrauten Ordnungslösungen aus der Betrachtung auszuschließen: In ihnen schimmert ein materiales Gegenprinzip durch, welches die Formstrenge über18 Ebenda. 19 

Ebenda unter Berufung auf BGHZ 88, 232, 236. Dig. 42.8.1. S.  2, zu ihr Beseler, ZRG (RA) 46 (1926), 83, 126. 21 S. Ernst, SJZ 106 (2010), 389, 390 ff.; Grevesmühl, Gläubigeranfechtung, S.  58 ff. 20 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

winden hilft22 . Zum einen gehören die immanenten Grenzen des Gutglaubenserwerbs hierher. Die erste wesentliche Begrenzung eines Verkehrsschutzes für Unredliche enthalten die Regeln für den Erwerb vom Nichtberechtigten selbst. Der Zweite kann bei nichtiger Erstübereignung nur erwerben, wenn er den Ersterwerber für den Eigentümer (§  932, §  892) oder doch für verfügungsbefugt (§  366 HGB) hält. Andernfalls gewährt das Recht das direkte Verfolgungsmittel der Vindikation. Zum anderen fungiert das Deliktsrecht gewissermaßen als Restitutionsmittel, wenn die alten Ordnungsfragen nach §  823 Abs.  2 und vor allem nach §  826 gelöst werden 23. Schließlich: Noch entlegener, aber durchaus relevant ist auch der Schutz vor kollusivem Zusammenwirken. Funktional gesehen führt auch dieser Schutz zu einer Art der Version. Zieht man die Summe, gibt es ein Verfolgungsrecht gegen den bösgläubigen Empfänger durchaus, nur sind die Rechtsmittel vielgestaltig und uneinheitlich 24.

III. Die Prinzipien der Schwächung formaler Rechtszuständigkeit als Symmetriesätze Fassen wir das Bisherige zusammen. Fern ab von den Dogmatisierungen, welche das Restitutionsrecht theoretisch aufluden, hat sich an zwei Grundsätzen, fraus omnia corrumpit und der prinzipiellen Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs, kaum etwas geändert. Es sind die beiden Einsichten, die auf tieferem Boden offenbar eine nicht mehr angezweifelte Wertbasis bilden. Bevor versucht werden soll, diese uralten und ungebrochenen Prinzipien für ein Verständnis der Ordnungsart symmetrischer Befehle zu nutzen, sollen noch die historischen und axiologischen Parallelfragen im Exekutionsrecht, der „Durchgriff“ von Gläubiger oder Gläubigermehrheit bei Schenkungs- und Vorsatzanfechtung, mit in die Betrachtung einbezogen werden.

22 Das zeigt vor allem die Rechtsvergleichung bei Schlechtriem, Restitution, Band 2, S.  350 ff. 23  BGH WM 1999, 23, 27. 24  Auch die Frage, ob die Wertungen in den „Einbaufällen“ durchschlagen, gehört in diesen Kontext. Nach vielen darf es keinen Unterschied machen, ob gestohlenes Material zuvor übereignet wurde oder nicht, zur Frage etwa Huber, NJW 1968, 1905 ff.; Koenig, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  206. In BGHZ 56, 237 ff., 241 ist auch dem grob fahrlässigen Erwerber die Direktkondiktion im Konkurs des Bauunternehmers (Baulieferant gegen Auftraggeber) nach §  951, §  812 abgesprochen.

§  10 Die Unbeständigkeit unredlichen oder unentgeltlichen Erwerbs bei Gläubigeranfechtung – Fortsetzung und Rückbezug In der Exekutionsordnung finden sich die schon bekannten Ordnungsideen wieder, wenn der unentgeltliche oder unredliche Erwerb durch Schenkungsund Vorsatzanfechtung unbeständig wird. Diese Gläubigerrechte sind sowohl axiologisch als auch historisch mit dem Restitutionsrecht der unentgeltlichen oder unredlichen Weitergabe von Zugriffsobjektiven verwandt1, auch wenn sie verschiedenen Ordnungszwängen unterliegen. Die Anfechtung soll das Leistensollen durch Zwang absichern und bei einer Insolvenz dürfen die Befriedungsinteressen der Gläubiger nicht dem Zufall und ihrem besonderen Geschick überlassen werden, sondern die Gläubiger sind nach dem Satz par conditio creditorum gleich zu behandeln. Es ist offenbar, dass die Unbeständigkeit des unredlichen und unentgeltlichen Erwerbs von hieraus nicht, sondern nur anhand anderer Wertungen zu begründen ist. Sie liegen nicht im Bereich der Haftungsordnung, sondern gleichsam unter ihr, auf tieferer Wertungsebene.

I. Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs Eine unentgeltliche Leistung ist innerhalb oder außerhalb der Insolvenz des leistenden Schuldners anfechtbar, wenn der Empfänger nicht nachweist, dass sie vor dem Vierjahreszeitraum erfolgte2 . Unentgeltlich meint nicht den bürgerlichrechtlichen Begriff der vertraglichen Schenkung, sondern ist ein eigener Ordnungsbegriff, orientiert an seinen spezifischen Aufgaben 3. Aber nun haben wir im Restitutionsrecht die vielen Möglichkeiten der Akzentuierung dieses Begriffes dargestellt, deren Richtung nur bestimmt werden kann, wo Gewissheit über den Grund dieser besonderen causa minor besteht. Was entscheidet: 1  Die Einordnung dieser Anfechtungstatbestände durch Fritz Schulz als Eingriffskondiktion (AcP 105 (1909) 1, 226 ff.; s. auch noch v. Caemmerer, Festschrift Rabel I, S.  333, 367 ff.) hat ebenso viele Befürworter gefunden, wie Ablehnung erfahren; aufbereitet bei Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  526 ff. 2  §  134 InsO, §  4 AnfG. 3  BGHZ 71, 61, 69; BGHZ 113, 98, 103; im Ansatz BGHZ 58, 240, 244.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

dass die Leistung die Masse nur vermindert, nicht vermehrt, also nichts für den Gläubiger einträgt, oder allein die Schutzschwäche opferloser Erwerbung oder beides? Die Lösung vom schenkungsrechtlichen Begriffsverständnis bedeutet ja zunächst nur eine Lösung von einer konsensuellen Zwecksetzung als unentgeltlich, nichts darüber hinaus. Ein Auszug aus der Judikatur zeigt, dass im Großen derselbe empfängerbezogene Akzent gesetzt ist4. Es genügt, wenn ein Gegenopfer bedungen ist oder auch nur erbracht werden soll5 ; auch bei Beteiligung mehrerer ist ein Massevorteil unbeachtlich, es wird allein nach der Qualität des Opfers entschieden6 . So kommt es, dass die Tilgung fremder Schulden oder die Besicherung fremder Forderungen als ein die Unentgeltlichkeit ausschließendes Opfer angesehen werden, auch wenn die getilgte oder besicherte Schuld zur Erwerbszeit wertlos war 7. Es ist dann folgerichtig, wenn der Bundesgerichtshof das Fehlen eines Gegenopfers als Normzweck und Auslegungsdirektive ausdrücklich benennt8 . Es kommt auf das Fehlen eines Opfers, ersichtlich also auf den Schutz des Empfängers – nicht der Masse – an, so dass es auch an dieser Stelle um eine wertende Gewichtung gerade von Gläubiger- und Empfängerbelangen (im bipolaren Symmetrieverhältnis) geht9. Welche, bedarf kaum noch der Erörterung. Bei der Art und Weise, die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs zu begründen, finden wir exakt dieselben Begründungsmuster, wie wir sie zuvor für das allgemeine Restitutionsrecht kennen gelernt haben10 .

II. Die Schwäche des unredlichen Erwerbs Schon nach Justinian werden Gläubiger vor einer Weggabe geschützt, die der Schuldner mit der Absicht und dem erkennbaren Ergebnis eines Nachteils für die Gläubiger vornimmt (alienatio in fraudem creditorum), wenn der Empfänger diesen Willen kannte (particeps fraudis) oder unentgeltlich (ex lucrativo ti4 

BGHZ 141, 97, 99 f.; BGH ZIP 1992, 1089, 1092; BGH ZIP 2006, 1362, 1363. BGHZ 162, 276, 279. 6  BGHZ 113, 298, 302; BGHZ 141, 97, 99; BGH ZIP 1992, 1089, 1091. 7  Wie zuvor. 8  BGHZ 141, 97, 99 f. Versuche der Lehre, den Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung durch Aufwertung subjektiver Erfordernisse wie Willensübereinkunft, zu verengen, hat die Judikatur nicht beachtet oder verworfen. 9  S. bereits oben, §  9 I. 2. In BGH NJW 1964, 1960 heißt es: „Nur im letzteren Falle kann es nach dem Grundgedanken des §  32 KO gerechtfertigt sein, das Interesse des Leistungsempfängers, die rechtmäßig erworbene Leistung zu behalten, hinter dem Interesse der Konkursgläubiger zurücktreten zu lassen, und deshalb dem Leistungsempfänger aufzuerlegen, das Erhaltene zur Konkursmasse zurückzugewähren. Es genügt deshalb für eine Anfechtung nach §  32 Nr.  1 KO nicht, daß die Gegenleistung des Anfechtungsbeklagten dem Gemeinschuldner und damit der Konkursmasse nicht zugute gekommen ist“. 10  S. nur BGHZ 41, 298, 301; BGHZ 58, 240, 243. 5 

§  10 Die Unbeständigkeit formaler Rechte bei Gläubigeranfechtung

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tulo) erwarb11. Beides, Absichts- und Schenkungsanfechtung, sind im gemeinen Recht unter dem Namen actio pauliana zusammengefasst und seither wenig verändert12 . Es gehört zu den Funktionsbedingungen jeder Haftungsordnung, die Gläubiger davor zu schützen, dass der Schuldner sein Vermögen vor dem Zugriff weggibt, sei es, um Nächste zu begünstigen, sei es, um sein Vermögen zeitweilig zu schützen oder sei es aus böser Absicht. Es sind Selbstverständlichkeiten der Rechtsordnung, die zu begründen man nicht weiter für notwendig erachtet, so dass die Appelle an die Billigkeit13 oder die Deutung eines Vertrauensmissbrauchs, gegen den das Gesetz Schutz bieten müsse, als Rechtfertigung zu genügen scheinen14.

III. Die Prinzipien der Schwächung formaler Rechtszuständigkeit als Symmetriesätze – Zusammenfassung zu materialen Symmetrien Fassen wir das Bisherige zu den Phänomenen der materialen Symmetrien zusammen. Die in den ersten Paragraphen zu diesen Phänomenen, bei Drittschadensliquidation und Beständigkeit relativer Rechte, vorerst vorsichtig erwogenen Einsichten werden damit in ihrer spiegelbildlichen Problemsituation bestätigt: Die universale Ordnungswirkung wird erst in diesem Sichkreuzen der symmetrischen Ordnungsarten ganz sichtbar. Versuchen wir an dieser Stelle in einem Rückbezug, Gemeinsamkeiten der Stärkung relativer Rechte und der Schwächungen der Formenordnung gegenüberzustellen. Prinzipienorientiertes Rechtsdenken muss zunächst auf eines aufmerksam werden: Es gibt einen untergründigen Werteparallelismus zwischen dem Schutz relativer Rechte und der Schwäche formaler Rechte. Die materialen Symmetrien (gedacht als vom Symmetriesatz bewirkte Durchbrechung der formalen Verteilungsart) entstehen durch die – Liquidationsbefugnis bei Drittschäden, die das nicht-reziproke, definitive Vermögensopfer eines obligatorisch Berechtigten (des Dritten) verhindert, weil ihm ein unverdienter Entlastungsvorteil für einen kulpos (genauer: schadensersatzauslösend) handelnden anderen gegenüber steht; – Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe, die vor dem nichtrezi­proken, endgültigen Rechtsverlust bei kasuistisch abgestuften Bereichen erkennbarer Fremdheit (typisiert: Kommission, Anderkonten oder anvertrautes Gut) schützt; 11 

Dig. 42.8. S. die Nachw. in §  9, Fn.  21. 13 Von Kohler, Konkursrecht, S.  2 25 zu Lind, System der Anfechtungstatbestände, S.  37. 14  S. etwa Kornitzer, GrünhutsZ 15 (1888), 585, 603; weitere Ansätze sind referiert bei Gerhardt, Gläubigeranfechtung S.  46 ff. 12 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

– modernen kondiktionsrechtlichen oder dinglichen Versionstypen, die den Rechtsverlust durch Erwerb eines Dritten korrigieren oder verhindern, weil wiederum der Erwerb unentgeltlich (§  816 Abs.  1 S.  2, §  822) oder unredlich erfolgte; – Vorsatz- und Schenkungsanfechtung, welche dem Gläubigerzugriff eine erweiterte Basis geben, weil deren vorausgehende Verringerung zu ihrem Nachteil wäre, der wiederum mit einem unentgeltlichen oder dolosen Erwerb korrespondiert. Vier asymmetrische Verteilungslagen, die allesamt in Durchbrechung der formalen Verteilungsordnung nach gemeinsamen Regeln aufgelöst werden. Die Schwächung des unentgeltlichen oder unverdienten Vorteils ist ein durchlaufender Gedanke. Wenn man sich von einer wertorientierten Sicht löst, tritt aber noch ein weiteres hervor. Für alle vier materialen Symmetrieerscheinungen lässt sich eine genauere Kennzeichnung gewinnen. Zusammengenommen, die vier asymmetrischen Verteilungslagen auf ein gemeinsames Substrat reduziert, kann man drei Aspekte herausstellen. Es wird erstens stets ein Rechtssubjekt positiv oder negativ in Bezug auf ein Äußeres vermögensmäßig betroffen. In derselben hypothetischen Situation gibt es zweitens eine Gegenfolge bei einem anderen Subjekt nach dem Muster Positiv-Negativ, es entsteht eine hypothetische Asymmetrie. In einem Rückbezug zur Formteleologie erscheint diese Asymmetrie schließlich nicht gerechtfertigt, wobei die besondere Schwäche des Erwerbs, aber auch das definitive Opfer problemübergreifende Wertungskriterien sind. Die materiale Symmetrie verhindert also stets eine hypothetische Asymme­ trie zwischen besonderen Nachteilen (endgültiges Opfer, besondere Schutzbedürftigkeit) für ein Subjekt zum einen und besonderen (unentgeltlichen oder unverdienten) Vorteilen für ein zweites Subjekt zum anderen. Die herausragende Einsicht ist: Die materiale Symmetrie steht stets in einem unlöslichen Wertbezug und die hypothetische Asymmetrie in einem Spannungsverhältnis zur Formteleologie.

Dritter Unterabschnitt

Symmetrische Risikobelastung im privaten Haftungsrecht Man kann über die Risikoverteilung im Haftungsrecht nicht sprechen, ohne auf das Freiheitsverständnis des Bürgerlichen Rechts zurückzukommen. Der Spielraum der individuellen Freiheit des Handelns lag stets hinter der Verknüpfung von lucrum und periculum an den Handlungsfolgen. Ohne dieselbe Programmatik ist, wie beschrieben, auch die freiheitliche Eigentumsordnung kaum denkbar. Erst an dem Punkt, da die Wirkungen des Handelns oder von zugewiesenen Dingen nach außen durchdringen, andere mit betreffen, wird das überhaupt streitbar. Erst die Außenwirkung, etwa der Nachteil oder Schaden für andere, fordert das System heraus. Auf radikaler Grundlage steht das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900: bis zur Grenze des neminem laedere bleiben diese Wirkungen für andere unbeachtlich. Der systemische Leitgedanke des allgemeinen bürgerlichen Deliktsrechts geht dahin, dass erstens derjenige den Schaden trägt, an dessen Person oder Gütern er sich ereignet und zweitens dahin, dass die schuldhafte Rechtsverletzung zur Ersatzleistung des Täters im Umfang des Schadens an den Rechtsinhaber führt. Nur die Schuld, gedacht als Zurückbleiben hinter einem Verhaltenssoll, nicht die naturalistische Verursachung oder ein bestimmter äußerer Zustand, begründet die Einstandspflicht. Die Verantwortung für dolus und culpa wurden zum singulären Zentralwert, indem das neminem laedere durch Verkürzung des iniurium zur culpa, zur Einstandspflicht für den schuldhaften Übergriff in fremde Rechtssphären aufgewertet und als alleiniges Haftungsprinzip in einem einspurigen, einfachen System entfaltet wurde. Darin ist das Erbe des deutschen Idealismus angetreten: Deliktische Pflichten erscheinen als freiheitstheoretisches Abwägungsproblem, als Spannung der Freiheit des Handelnden und der des Geschädigten. Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs hatten den Verlust der idealistischen Standards und die breite Skepsis gegen das vor allem naturrechtliche Sphärendenken ignoriert: Es sei eine ausreichende Aufgabe des Deliktsrechts, „die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb derer sie ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugrenzen“1. Das Culpaaxiom sei Ausdruck „eine(r) Forderung kulturellen Fortschritts und ei-

1 

Prot. S.  2711 f. = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1073.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

nes gereinigten Gerechtigkeitsgefühls“2 . Bei Jhering wurde die spekulative Seite seiner Theorie3 mit suggestiver Sprachkraft zu dem berühmten Satz verbunden: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld“; das sei „ein einfacher Satz, ebenso einfach wie der des Chemikers, daß nicht das Licht brennt, sondern der Sauerstoff der Luft“4. Dass dieses Primat des Verschuldensaxioms eine unvollständige, an der „sozialen Aufgabe des Privatrechts“ scheiternde Abbildung haftungsrechtlicher Zurechnungsgründe gibt, kündigt sich schon bei dem Widerstand v. Gierkes an, der diese Einseitigkeit zur „romanistisch-individualistischen Verirrung“ erklärte5. Das Haftungsrecht galt ihm als misslungenster Teil des ersten Entwurfs6 . Es gibt, wie immer man diesen alten Konflikt heute beurteilt, eine erhebliche Abschwächung dieses Primats, als das Reichsgericht, zu dessen Stil große Umbrüche sonst nicht gehörten, die Systemfassade des Bürgerlichen Gesetzbuches frontal durch eine allgemeine Haftung für Unterlassen durchbrochen und in seiner Lehre vom Verhaltensunrecht den Schutz absoluter Güter konzeptionell neugestaltet hat7. Ein legislatives und judizielles Pflichtenbündel (Schutzgesetze und Verkehrspflichten) ersetzt den Freiheitsraum als deliktisches Paradigma. Hinzu kommt eine weitere Schwächung von innen – durch Anlegung überindividueller, objektiver Verhaltensmaßstäbe bis hin zu objektiven „Verkehrspflichten“, die wie eine Garantie für ein Verhaltenssoll wirken. Wichtiger noch ist die schon rein äußerlich leicht erkennbare Verdichtung von objektiven Einstandspflichten für Gefahrenquellen in Seitengebieten8 . Durch die Gefährdungshaftung, als Haftung ohne oder bei wertungsmäßig unwesentlichem Verhalten tritt zutage, dass sich der Culpa-Gedanke nicht als alleiniges Haftpflichtprinzip entfalten lässt9. In dem Problemstoff, der durch haftungsrechtliche Zurechnung von Risiken und Schäden bewältigt wird, gibt es also Wertelemente, welche das Culpaaxiom ergänzen. Man ist gewohnt, sie mit Begriffen wie Gefährdung, Garantie, Aufopferung, Billigkeit zu kennzeichnen und in einem Schattensystem von Zurechnungsprinzipien zu denken. In der Forschung wurde zu allen Zeiten versucht, bei Steinbach (1888), Esser (1953) und zuletzt bei Jansen (2005), eine 2 

Prot. II, Bd.  2, S.  585. Berechtigte Einwände bei Ogorek, Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, S.  45; Bürge, Festschrift Canaris, S.  75. 4  Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, S.  40. 5  Aufgabe, S.  33. 6  v. Gierke, Entwurf, 1889, S.  259; s. näher zu den „sozialen Topoi“ der damaligen Kritik Repgen, Die soziale Aufgabe, S.  50 ff. 7  Statt vieler Esser, JZ 1953, 129, 132; v. Bar, Verkehrspflichten, S.  15 ff.; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  84 ff., 96 ff. 8  Ausf. sogleich unter §  11 II. 9  Der Bundesgerichtshof hat die Widerrechtlichkeit als überwölbenden Systemgedanken erwogen, BGHZ 117, 110, 111; zur Fragestellung Stark, Widerrechtlichkeit, passim; Wagner, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, V. 1. b. 3 

189 Spannung zweier Prinzipien herauszuheben und dem Verschuldensprinzip ein zweites, ein Risiko- oder Gefährdungsprinzip zur Seite zu stellen10 . Die Herleitung dieses zweiten Zentralprinzips ist stets symmetrietopisch gewesen. Einige Beispiele: Die objektive Gefährdungshaftung begann, wie einleitend erwähnt wurde, im frühen preußischen Eisenbahnrecht, nach dem Unternehmer strikt hafteten, weil „die Gefahr eine weit ausgedehntere sei und die benachbarten Grundbesitzer und Einwohner derselben in Folge der zum Vor­ theil der Eisenbahnen bewirkten Expropriation ausgesetzt würden“11. Bei den Arbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist ein geradezu typischer Topos, dass haften müsse, wer „ein Tier halte“, denn er „setzte in seinem Interesse seine Mitmenschen den Gefahren aus, mit denen ein Tier dieselben bedrohe“12 . Oder: „Der Schuldner, welcher sich der Hilfe Dritter bei der Bewirkung der Leistung bedient, handelt in eigenem Interesse und folgeweise auf seine eigene Gefahr“13. Es gibt drei Kernbereiche, die Gefährdungshaftung, die Verkehrspflichten und die Leutehaftung, auf welche die Analyse zu begrenzen ist. Es geht in den folgenden Paragraphen um eine zureichende Einsicht in symmetrische Zurechnungs- oder Verteilungsstrukturen im Deliktsrecht, nicht eine vollständige Abbildung14. Ob man soweit gehen kann, im Symmetrischen ein haftungsrechtliches Distributionsprinzip zu sehen, wird sich im Laufe der Darstellung herausbilden.

10  Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden, S.   13; Esser, JZ 1953, 129 ff.; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  14 ff., 552 ff., dort als Wertelemente im Rahmen eines Einheitsmodells; s. auch noch §  11 I. 3. 11  Zitiert nach Lehmann, Körperverletzung, S.  48; s. auch Baums, ZRG (GA) 104 (1987), 277 ff. und schon Einleitung, I. 12  157. Sitzung, Prot. II, Bd.  2 , S.  6 47. 13  Mot. I, S.  30. 14  Die Überlagerung der individuellen Haftungsfrage durch kollektive Ausgleichsordnungen können wir dabei ausblenden: die freiwillige Versicherung ist dem Haftpflichtrecht noch rechtslogisch nachgelagert; bei den Pflichtversicherungen entsteht ein paralleles Ausgleichssystem haftpflichtrechtlicher und versicherungsvertraglicher Ansprüche; bei den kollektiven Ausgleichsmechanismen von privater Kranken- und Sozialversicherung wird die Einzelzurechnung erst auf der Regressebene fraglich.

§  11 Symmetriegerechte Wagnisumschichtung durch objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen Es ist zuerst die Gefährdungshaftung als wichtigstes Mittel haftungsrechtlicher Wagniszuteilung zu behandeln. Die Gefährdungshaftung gehört konzeptionell gesehen zu den Korrektiven des Systems der zivilistischen Wagnisverteilung. Es unterbindet die Wagnisabwälzung auf andere, indem es das Wagnis wertend – es ist zu erwägen: symmetriegerecht – zuweist. Esser hat bekanntlich schon 1953 versucht, den Rechtsstoff, der das Haftungsrecht tatsächlich geworden war, theoretisch zu ordnen, indem er ihn in zwei Teile aufgespalten hat1. Das mündet in die Antithese von ›Unrecht und Unglück‹, der auf tieferer Ebene verschiedene, commutative und distributive, Gerechtigkeitsgedanken zugrunde liegen sollen. Das Haftungsrecht stehe „unter Spannung zweier Prinzipien, die erst nach klarer Trennung ihre eigene Aufgabe erfüllen können: der Gedanke der persönlichen Verantwortung (Schuld) und die sozial gerechte Verteilung unvermeidbarer Wagnisse (Gefährdung)“2 . Die (gar nicht neue) These einer prinzipiellen Zweispurigkeit des Haftpflichtrechts3 setzte sich zunächst durch4 ; das Denken in kollidierenden Freiheitssphären mit monopolartigem Prinzipiengrund ist zugunsten einer Bipolarität zweier Haftungsprinzipien ersetzt. Seit aber sein Schüler Köndgen auf einen Widerstand des haftungsrechtlichen Stoffes aufmerksam gemacht hat, der nicht säu­ber­lich zu trennen, sondern unlöslich verwoben sei, wird die These von der „Zweispurigkeit des Haftungsrechts“ oft wieder als unfruchtbar abgelehnt5 oder doch relativiert6 . Problematisch wurde aber nicht das „Gefährdungs­ prinzip“ als solches, sondern die Annahme, es lasse sich vom Bereich der Verschuldenshaftung trennen. Richtig und anerkannt ist der Hinweis Stolls, es gebe einen objektiven Einschlag der haftungsrechtlichen Pflichtenbemessung weit 1  Esser, JZ 1953, 129 ff.; guter Überblick zur Problematik bei Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  14 ff., 42 ff. mit Fazit auf S.  60. 2  JZ 1953, 129. 3  S. bereits Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden, S.  33. 4 S. Jürgen Schmidt, Schadensersatz, S.  53. 5  Die Dichotomie von Unrecht und Unglück, objektiver und subjektiver Haftung, wird nicht deswegen zum nutzlosen Idealismus, weil im angesammelten Entscheidungsbestand heute Vermischungen der Wertgedanken überwiegen. 6  Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  37 ff.; s. zum Meinungsstand etwa Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  14  ff. mit zahlr. Nachw.

§  11 Objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen

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über das Recht der Gefährdungshaftung hinaus, von dem erst im nachfolgenden Paragraphen zu handeln ist7. In diesem Paragraphen wird es um die spezialgesetzlichen Tatbestände der Gefährdungshaftung gehen, die dem Archetypen §  25 des Preußischen Eisenbahngesetzes8 stufenweise als Antwort zunächst auf Fortschritt, später oft auf Katastrophen nachfolgten und heute ein dichtes Netz von Haftungsgesetzen für Straßenbahn, Luftfahrzeugen, Hochspannungs- und Gasleitungen, Isotopenverwendung und Atomanlagen9, für Umwelt- und Genanlagen10 , Arzneien und Produkte bilden11. Die Eigenart der Gefährdungshaftung ist gegenständlich gesehen ihre Begrenzung im Wesentlichen auf Gefahren aus Maschinen und Anlagen; sie besteht äußerlich in einer Abdrängung in Spezialgesetze12 ; sie ist schließlich inhaltlich durch gemeinsame Regularien verbunden, welche die Haftungsfolge für den Verursacher mildern, ihn bei „höherer Gewalt“, „unabwendbaren Ereignissen“ freistellen, stets eine Summengrenze vorsehen und immaterielle Nachteile ersatzlos stellen. Für eine Untersuchung der Gefährdungshaftung als materiale Symmetrie sind drei Bereiche hervorzuheben: die auffallende Häufung symmetrietopischer Begründungen in der Lehre (I.), die Überprüfung der Topoi anhand der Materialien (II.) und ihrer Wirksamkeit in der angewandten Gefährdungshaftung (III.).

7  Zu Versuchen, dem Deliktsrecht eine dementsprechend einheitliche Gedankenbasis zu geben, s. etwa das Konzept der Study Group on a European Civil Code. In Art.  1: 101 I der principles wird mit der Auffangformel „is otherwise accountable for the damage“ die objektive Risikozuweisung erfasst, s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band 2, Einleitung zu §  3 und zuletzt ausf. Oertel, Objektive Haftung in Europa, passim. 8  Preußisches Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3.11.1838, s. dazu Baums, ZRG (GA) 104 (1987), 277 ff.; Lenz, Haftung ohne Verschulden, S.  57 ff. 9  Energie- und Rohrleitungsanlagen (§  2 HPflG), Bergwerke (§  114 BBergG), Luftfahrzeuge (§§  33 ff. LuftVG), Kernanlagen (§§  25 ff. AtG), Kraftfahrzeuge (heute §  7 StVG). 10  Insbes. §§  32 ff. GenTG, §§1 ff. UmweltHG. 11  Die Haftung für fehlerhafte Produkte nach §  1 ProdHaftG und §  84 AMG lässt sich als objektive Wagniszuweisung begreifen, da es weder um individuelles Fehlverhalten noch um einen ethisch begründeten Vorwurf geht, s. näher Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, S.  79 oder Freitag, Einfluss des Gemeinschaftsrechts, S.  210 ff. 12  Die Gerichte haben es abgelehnt, die Tatbestände der Gefährdungshaftung analog anzuwenden, s. statt vieler Koziol, Festschrift Wilburg II, S.  173 ff. Umgekehrt blieb der ministerielle Versuch einer exakteren enumerativen Begrenzung der Haftpflichttatbestände in einer Vorstufe stecken, wie v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S.  17 ff. näher berichtet. Spätere Versuche, die zersplitterten Bereichsgesetze in das Haftpflichtrecht oder in das Bürgerliche Recht zu überführen, sind gescheitert. Lieber duldete man Ungleichheiten, so, wenn das Einsteigen in Eisenbahnen, nicht das von Bord Gehen von einem Dampfer, der Unfall mit der Schwebebahn, nicht mit dem Sessellift, oder auf der Zahnradbahn, nicht auf der Rolltreppe erfasst ist. Das ist bei Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.  55 näher dargestellt.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

I. Die Begründungen für Wagnisabwälzung durch objektive Haftung Die Versuche, diesen konkurrierenden Haftpflichtgrund zu erklären, waren seit Anbeginn nur oder auch symmetrietopisch13 ; zu Beginn, wie wir sahen, bei v. Savigny, eine Generation später, als Ungers Parole ›eigenes Interesse, eigene Gefahr‹ den verbreiteten, vielfach variierten Lösungsgedanken ausdrückte14. Einer Überprüfung dieser Symmetrietopik stellen sich vornehmlich zwei Gefahren. Die erste Gefahr ist es zu suggerieren, alle Aspekte des Ordnungsproblems seien mit einem großen Entwurf eines irgendwie symmetrischen Einheitsgedankens abgetan und gelöst. Es gilt nicht, den ganzen Problemstoff – die harte Schadensfolge, Präventionsgedanken, das Ausgeliefertsein des Opfers, die Nähe zur Gefahrenquelle usf. – wertend nebeneinander zu halten, um am Ende einen allein maßgeblichen Aspekt zu erkennen, sondern diejenigen Kriterien zu isolieren, die nicht das soziale Bedürfnis nach einem Opferschutz, sondern gerade die Belastung durch Wagnisabwälzung zulasten eines Privaten rechtfertigen. Das System verteilt, wie gesagt, Wagnisse rechtstechnisch durch Zuweisung subjektiver Rechte. Sein liberaler – nicht bloß technischer – Ausgangspunkt ist, dass es das Risiko allgemein dem Rechtsgutinhaber zuordnet; die Übernahme fremder Schäden ist als erklärungsbedürftige Ausnahme begriffen15. Zum Wesensmerkmal des liberalen Ordnungsmodells wird der Grundsatz der ersatzlosen Schädigung, wo es am expliziten Haftungsgrund fehlt. Dolus und culpa sind also nichts als Belastungsgründe; sie rechtfertigen ein Abweichen von der „ursprünglicheren“ Risikoverteilung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Planck – Mitglied der 1. und 2. Kommission16 – hat es so formuliert: „Die Frage, wer in einem Falle dieser Art den Schaden tragen soll, ist, wie mir scheint, schon unrichtig gestellt. Der Schaden hat den Beschädigten betroffen und es fragt sich, ob ein genügender Grund vorliegt, wegen dessen er den Schaden auf einen anderen abzuwälzen berechtigt sein soll“17. Um diesen Grund geht es. Es geht nicht um den Problemstoff der sozialen Schadenszuteilung schlechthin, nicht um eine Systemverantwortung, die von einem Gesamtnutzen der gefährlichen Unternehmung für alle oder eine Gruppe folgt, nicht um die Folgestufen, auf denen man zu erwägen hat, ob für den Schaden ein anderer als der Verursacher: der Staat, ein Zwangskollektiv, eine private Versicherung einzustehen hat18 . 13 

Einleitung, I. Unger, Handeln auf fremde Gefahr, S.  63. 15  §  2 I. 16  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Einführung, S.  109. 17  Planck, AcP 75 (1889), 390. 18  Die Einzelabwälzung auf den Verursacher ist nur ein Ordnungsmittel neben anderen. Zum Regulierungsproblem gehören noch weitere Optionen, die der Gesetzgeber zu erwägen hat. Ein anschauliches Beispiel für die Vielfalt der Ordnungsoptionen gibt das Umweltrecht. Der Gesetzgeber kann: den Verursacher zum Ersatz des Schadens anderer verpflichten; in 14 

§  11 Objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen

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Für eine Stoffreduktion sollen drei Aspekte vorangestellt werden, die eine Wagnisabwälzung auf ein privates Subjekt jedenfalls nicht rechtfertigen. Die Einzelabwälzung kann erstens nicht allein aus der sozialen Härte des Schadens aus besonderen Gefahren gerechtfertigt werden: nicht der Schaden begründet den Schadensersatz. Das Bedürfnis nach Opferschutz rechtfertigt, für sich besehen, noch nicht die Abwälzung von Schäden gerade auf Private. Die Einzel­ abwälzung, soll sie keine reine Erfolgshaftung sein, kann zweitens nicht allein auf den Kausalbezug gestützt werden. Die altdeutsche Verursachungshaftung hat sich von den Zurückweisungen durch v. Kübel im Teilentwurf zum Obligationenrecht als einer „roheren, äußerlichen Auffassung (…)“, die das Unrecht nicht nach seiner Ursache, sondern Wirkung würdige, nicht mehr voll erholt19. Die germanistische Kritik am ersten Entwurf konnte diese Hinwendung zum Schuldgrundsatz bekanntlich nicht abwenden, und die wenigen Versuche, zur deutschrechtlichen Kausalhaftung zurückzukommen, sind unbedeutend und anderswo hinlänglich besprochen 20 . Die Einzelabwälzung kann schließlich auch nicht aus einer theoretischen Zugehörigkeit zur Kategorie der iustitia distributiva, commutativa, correctiva usf. erklärt werden. Das ist notwendig zu sagen, denn seit Esser ist es üblich, sich lange darüber zu erklären, welcher der alten (thomasisch-aristotelischen) Gerechtigkeitsarten die „Gefährdungshaftung“ zugehört 21. Der Tradition, dem kleinen Fragment der Nikomachischen Ethik eine Fülle konkreter Aussagen über distributive und commutative Gehalte positiven Rechts abzugewinnen, ist mit deutlicher Skepsis zu begegnen. Die Anstrengung einer vergeblichen Textexegese der aristotelischen Ethik hat gerade im Schadensrecht verwirrende Ableitungen und Einlegungen hervorgebracht. Die Forderung nach ausgleichender Gerechtigkeit durch Einstandspflichten für Gefahren aus Eigentum, Tieren, Unternehmen bei v. Gierke wird verblüffenderweise durch Esser in den Bereich der distributiven Gerechtigkeit verlegt, und seither vertiefen sich zahlreiche Abhandlungen in einen vergeblichen und fruchtlosen Streit, wer Recht habe22 . Vergeblich, denn die Interpretationsräume des Textfragments oder des gewöhnlichen Sprachgebrauchs bieten, wie wir sahen, für beide Ansätze genügend, stets aber unsicheren Platz. Fruchtlos, denn solange es eine juristische Distributivlehre, mit normativen Vorgaben Zertifikaten ein Recht zur Verschmutzung verkörpern; eine Gebühr zur Gegenfinanzierung eines Ausgleichs oder Sondersteuern erheben; die Unternehmung ganz oder einzelne Emis­ sionen verbieten usf. 19  v. Kübel bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, S.  663 f. 20  S. näher Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  111 ff. 21  Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.   374 ff.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  37 ff.; zuletzt ausf. Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  77 ff. 22  Diese Verlegung wird von einer Fehlzitierung begleitet, vgl. Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  100 („distributiv“) zum einen und das Original, v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2.  Aufl., S.  33 zum anderen; Esser teilt uns auch seine Auslegung der Nikomachischen Ethik nicht näher mit. Diese auffallende Diskrepanz zwischen v. Gierke und Esser ist bislang, soweit ersichtlich, unbemerkt.

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für das Haftungsrecht, schlichtweg nicht gibt, handelt es sich um einen Benennungsstreit 23. Wesentlich ist nur das Verständnis, dass Wagnisse verteilt werden. Diese Einsicht liefert aber noch nicht den Verteilungsmaßstab selbst mit; dieser ist erst noch zu finden 24. Nach dieser negativen Selektion sind die Begründungsversuche der Wagnis­ umschichtung auf echte Theoriedifferenzen hin zu überprüfen. Es lassen sich im Wesentlichen naturalistische, interessenjuristische, dogmatische und ökonomische Zugriffe unterscheiden. Von begleitenden Argumenten und helfenden Randwertungen abgesehen, ergibt sich folgendes, hoffentlich zureichend vollständiges Bild. 1. Naturalistisch – im Sinne eines irgendwie „Natürlichen“ – hat man die Haftung begründet unter Verweis auf eine fiktive oder gleichnishafte Korrelation von stoffbezogenen Nachteilen der Gefahrenquelle und den ihr „anhaftenden“ Vorteilen, verstanden als a) tatsächlicher Gebrauch, Nutzen 25 , b) abstrakter Unternehmensvorteil, gemeint wohl, wenn „Schäden, (…) als Eigentümlichkeit des Unternehmens aufzufassen und aus dem Unternehmen zu decken“ seien 26 , c) als Herrschaft für Sphäre, Sache oder Gefahr27. 2. Interessenjuristisch gilt die strikte Haftung a) als Ausgleich im individuellen Verhältnis zwischen dem gewinnorientierten Eigeninteresse des Verursachers und dem hineingezogenen Betroffenen, etwa nach dem Muster „Wer ein Tier halte, setze in seinem Interesse seine Mitmenschen den Gefahren aus, mit denen ein Tier dieselben bedrohe“ (Protokolle) 28 , b) als Schutz vor eigennütziger, aktiver, einseitiger Zurücksetzung der Interessen anderer ohne deren Zutun 29, c) als überindividueller Ausgleich für das Allgemeininteresse oder vorrangige Gruppeninteressen an der gefährdenden Unternehmung und den betroffenen Opfern, die in eine (haftungsförmige) Übernahme der Kosten mündet30 . 3. Dogmatisch aufbereitet ist der materiale Haftungsgrund a) in der gedanklich-konstruktiven Gegenüberstellung von ›Sonderrecht und Sonderpflicht‹31, ›erlaubtem Risiko, Erlaubnis, Privileg und korrespondierender Verantwor23  Andere Beurteilung bei Arnold, Vertrag und Verteilung, S.  135 ff. und passim (für das Vertragsrecht). 24 Ausf. Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  28 f.; Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.  92. 25  S. aus der Diskussion zum Haftpflichtgesetz im Reichstag, RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  217 (Lasker) und S.  137 (Hepp). 26  S. eine Antragsbegründung in Prot. II, Bd.  2 , S.  601. 27  Wilburg, Elemente des Schadensersatzrechts, S.  39 (Sphärengedanke); Canaris, AcP 190 (1990), 410, 422 (Risikobeherrschung); Übersicht über die zahlreichen Ansätze etwa bei Oechsler, Gerechtigkeit, S.  183 ff. 28  157. Sitzung, Prot. II, Bd.  2 , S.  6 47. 29  Merkel, Die Kollision rechtmäßiger Interessen, S.  160 ff. 30  Merkel, Die Kollision rechtmäßiger Interessen, S.  147 f. 31  So auch Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  97 ff.; Rudolf Reinhardt, Beiträge zum Neubau des Schadensersatzrechts, S.  174 ff., 178 f.

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tung‹32 , etwa unter der Parole „dem Verursacher ist die Gefährdung, nicht die ersatzlose Schädigung erlaubt“33 oder gedacht als Korrelat einer erweiterten Handlungsbefugnis34, b) in einer systemischen Teilung von einseitiger Gefährdung (verstanden als Ausgleichsgrund) und einvernehmlicher Gefährdung (ohne Ausgleichspflicht) 35. 4. (National-)ökonomisch ist zu verhindern, dass Unbeteiligte mit den Produktionskosten, welche der Unglücksschaden im Grunde verursacht, belastet werden. Die markttheoretisch unerwünschten sozialen Kosten werden durch die Haftpflicht behoben, weil anderenfalls die knappen Mittel fehlerhaft alloziert würden. Die Gedanken werden zu Mischformeln verbunden, etwa a): „Der Unglücksfall des Bergarbeiters ist mit dem Schaden eines Betriebswerkzeuges zu vergleichen; er korrespondiert mit der Gewinnabsicht“36 ; oder: „Die Haftung ist der Preis für die Erlaubnis“37 ; „Gegenstück zur Gestattung der gefahrvollen Unternehmung ist die Garantiehaftung, die zu den Generalkosten des Unternehmens gehöre“38 , b) eine ökonomische Reinform lautet: „In einer marktwirtschaftlichen Ordnung sollen grundsätzlich alle Kosten den Produkten oder Leistungen zugerechnet werden, die die einzelnen Kosten verursachen“39. Man hat angesichts der Fülle und zeitlichen Konstanz der symmetrischen Topik für diese Zurechnungsfrage zu erwägen, wo überhaupt die Gegensätze liegen, wenn Eigeninteresse, Eigenzweck, Vorteil, Nutzen, Herrschaft, erlaubtes Risiko, Betriebsgewinn der objektiven Haftung als Korrelat wertend gegenüber gestellt werden. Handelt es sich um Unterschiede im Ausdruck, und man meint dasselbe, redet aber aneinander vorbei? Drücken die seit v. Savigny immer wieder geäußerten Überzeugungen, soweit sie symmetrietopisch sind, eine zeitlich konstante Wertung aus? Oder umgekehrt – gibt es in der rhetorischen Kulisse sinnverlorene Worthülsen, die eine Schwächung oder Änderung der Wertbasis durch soziale Entwicklungen, theoretischen oder wissenschaftlichen Fort32 

Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  97. Der Gedanke findet sich schon bei Unger, GrünhutsZ 13 (1886), 729: „Wer eine gewerbliche Anlage errichtet, wer eine Fabrik oder eine Eisenbahn betreibt, hat dies auf eigene Gefahr zu thun, nicht auf Gefahr der Umgebung. Die Wirkung der Concession besteht nur da­ rin, daß der Unternehmer berechtigt ist, das Unternehmen zu errichten und zu betreiben, obschon dasselbe mit Eingriffen in die Rechtssphäre der Nachbarn verbunden sein mag. […] Die Autorisation zu einem gewerblichen Unternehmen enthält nicht die Autorisation zu ersatzfreier Schadenszufügung: die Conzession ist kein Freibrief zu unverantwortlicher Schadenszufügung“. 34  RGZ 17, 103, 104; BGH NJW 1974, 234, 235; 1977, 2158. S. auch bereits OAG München Seuff. Arch. 14, Nr.  208, S.  354, 356. Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  92 ff.; Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, S.  346 ff. 35  Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309. 36  Vgl. RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  4 46 (Schulze). 37  BGHZ 105, 65, 66; BGHZ 107, 359, 367; BGHZ 199, 377, 380; Kötz, AcP 70 (1970), 1, 21. 38  Lönig, Haftung für Verrichtungsgehilfen, S.  50, 90. 39  So das Umweltprogramm der Bundesregierung im Jahr 1972, S.  46. 33 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

schritt zwischen dem preußischen Unfallrecht bis zum modernen Umweltrecht verbergen? Das Ergebnis der näheren analytischen Überprüfung als These vorab: Die Unsicherheiten, die sich in den schwankenden Bezeichnungen und Beschreibungen des Symmetrischen der objektiven Haftung zeigten, lösen sich im Wesentlichen auf; es sind Redefiguren, die im Durchgang von Begriffs-, Interessenund Wertejurisprudenz bis hin zu analytischen, soziologischen, ökonomischen Methodenströmungen notwendig wechselten, ihre symmetrierechtliche Wertgrundlage aber behielten.

1. Sprachlich begründete Scheinunterschiede Beginnen wir mit den Scheinunterschieden. Das Schwanken der Ausdrucksweise löst sich zum Teil bei einer historischen Sicht auf. „Eigeninteresse“ ist ein begriffliches Rudiment der frühen Interessenjurisprudenz, dessen Blüte und Untergang zwischen „Geist“ und Bürgerliches Gesetzbuch fiel, und das deutsche Haftungsrecht mitprägte. Im Jahr des ersten Entwurfs hatten die österreichischen Ökonomen Mataja und Steinbach bereits interessenanalytische Arbeiten vorgelegt40 , die Unger und andere dazu nutzten, die weitgestreuten Haftungsregeln für Tiere und Bauwerke, Betriebe und Leute, angefochtene Willenserklärungen, Haftung für Vollstreckung als ›Haftung ohne Schuld‹ unter der Richtschnur ›eigenes Interesse, eigene Gefahr – fremdes Interesse, fremde Gefahr‹41 (Unger) zu einem interessenjuristischen System der Causalhaftung zu verbinden und gegen die romanistische Culpahaftung zu halten42 . Diese Versuche werden heute von diesem Kontext, dem Ringen um Culpaoder Causalhaftung, gelöst und belächelt oder vergessen43, aber ihr Verbindungsbogen hat sich als etwas zu einfache „Losung“ (Esser) mit „richtigem Kern“ (Müller-Erzbach) erhalten44. Gemein ist den Interessentheorien, dass alle von einer einleuchtenden, vorpositiven oder empfundenen axiologischen Verbindung der Interessen mit der Haftung ausgehen. 40  Mataja, Recht des Schadensersatzes; Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden; ausf. sogleich unter 3. 41  Unger, Handeln auf eigene Gefahr, passim und ders., Handeln auf fremde Gefahr, S.  63. 42  Zuletzt wieder OLG Schleswig NJW-RR 2006, 893, das ein „eigenes Interesse“ für die Tierhalterhaftung fordert. 43  Auch wirkt der Pauschalvorwurf, die Interessen-Juristen hätten Parteiinteressen, Ordnungsinteressen, Machtinteressen, Verkehrsinteressen usf. als unvergleichbare Abwägungsposten irregulär verglichen, auf die heutige Lesart dieser Arbeiten oft negativ zurück. Beachtliche Kritik an dem methodologischen Abwägungskonzept der Interessenjurisprudenz findet sich etwa bei Struck, Festschrift Esser, S.  171. Eine Übersicht über die Interessenjurisprudenz gibt der Sammelband Ellscheid/Hassemer (Hrsg.), Interessenjurisprudenz, 1974 oder aus jüngerer Zeit Petersen, Interessenjurisprudenz, S.  6 ff. 44  Esser, Grundlagen der Gefährdungshaftung, S.  92; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 338.

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Bei Rümelin heißt es: „Man wird dem Gedanken die Berechtigung nicht absprechen können. Wenn ich durch irgendeine Handlung für meine Interessen sorge, selbst irgendeinen Vorteil von der Handlung habe, so muß ich auch die Nachteile auf mich nehmen, die für andere aus dieser Handlung erwachsen“45. Das Prinzip des aktiven Interesses des Kriminologen Merkel – oben 2b) – wählt nur einen etwas anderen Akzent, geht aber von demselben Verbindungsgrund aus und bezieht willensbezogene Momente mit in die Wertung ein46 . Wo soll hier der Unterschied zu 1a–c) liegen? Viel näher liegt die Annahme, dass die Begriffe ›Vorteil und Interesse‹ synonym verwandt werden und hier nur Ausdrucksunterschiede liegen. So meinte man in der 2. Kommission auf der 154. Sitzung, dass „derjenige, der die Vortheile eines Unternehmens genieße, auch für die Schäden aufzukommen habe“47 und, drei Sitzungen später, dass der Tierhalter strikt haften müsse, weil er „in seinem Interesse seine Mitmenschen den Gefahren“ aussetze48 . Bei Rümelin oder Unger werden Vorteil und Interesse sinngleich verwendet49. Man erkennt auch, wie wenig die Interessenjuristen ihre Zentralbegriffe bestimmten, ganz wie es der utilitaristischen Tradition der Zeit entsprach. Im Original jedenfalls gibt es, wie schon erwähnt, die Unterscheidung auch nicht: Bei Jhering werden Gut, Wert, Genuss, Interesse im Zentrum des Rechts vermutet50 . Es ist ebenso Unrecht, um ein Beispiel herauszunehmen, Müller-Erzbach vorzuwerfen, er vermenge fälschlich das individuelle und allgemeine Interesse51. Müller-Erzbach formulierte etwa für den Ausschluss der Gefährdungshaftung für Angestellte: „Die durchgreifende Antwort lässt sich eben nur der Interessenlage entnehmen“. Welcher? Die „Unlöslichkeit der Verbindung des Unternehmergewinns mit der Unternehmerhaftung“, die er rechtlich durch einen Rekurs auf römisches Recht absichert, sei rechtspolitisch gerechtfertigt, da sich andernfalls das Angestelltsein nicht mehr lohne. Es sei ein vom „Recht zu repetierender, wirtschaftlich notwendiger Zusammenhang“, ohne den „die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, eines Unternehmertums überhaupt nicht gedacht werden kann“52 . Andere Scheinunterschiede gehen auf das Wort Essers ›Sonderrecht nur gegen Sonderpflicht‹53 3a) zurück. Er leidet bisweilen an Absurdifizierung durch spätere Autoren, die ihren eigenen Gedanken eine bessere Ausgangsstellung ver45 

AcP 88 (1898), 285, 293. Merkel, Die Kollision rechtmäßiger Interessen, S.  160 ff. 47  154. Sitzung, Prot. II, Bd.  2 , S.  603. 48  157. Sitzung, Prot. II, Bd.  2 , S.  6 47. 49  S. §  11, Fn.  41, 45; s. Bienenfeld, Die Haftung ohne Verschulden, S.  133. 50  S. einleitend II. 2. 51  S. aber Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  30 in Fn.  56: diesen Fehler begehe „vor allem“ Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 323 einerseits, 366 andererseits. 52  Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 378. 53  Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  92 ff. insbes. 100. 46 

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schaffen wollen. Die These heißt ja nicht: das Eingehen des Risikos müsse von einer behördlichen Konzession gedeckt sein – das hätte ein undenkbares Privileg für verwaltungs- und strafrechtlich verbotenes Handeln zur Folge54. Sie meint auch nicht, dass Gefährdungshaftung zugleich eine mitgegebene Erlaubnis enthalte, denn das liefe auf dieselbe Folge hinaus, und sie meint auch nicht, dass es sich um eine Haftung ohne unerlaubte Handlung handelt, denn dann wäre mehr oder weniger gar nichts gesagt55. Sie ist vielmehr eine heuristische Annäherung, die wertrelevanten Haftungselemente dogmatisch erfassbar zu machen. Sie läuft also auf die darstellbare Deutung eines vorhandenen, nur zugrunde gelegten Gerechtigkeitswertes hinaus. Man muss auch bei Esser nicht darüber rätseln, ob und welche Wertinhalte gedanklich aufbereitet werden, denn er gibt seiner Dogmatisierung die Grundlage selbst: Es ist das Gerechtigkeitspostulat, demjenigen die Nachteile aufzuladen, dem die Rechtsordnung die Früchte gibt56 . Schließlich werden Scheinunterschiede durch die unreflektierte Verwendung von Doppelbegriffen erzeugt. So ist es bei der Korrelation von ›Herrschaft und Haftung‹ 1c), denn der Rekurs auf die Einflussmacht ist entweder fehlerhaft oder nur eine Chiffre für den Nutzen. Fehlerhaft, wenn die Herrschaft über die Sache, Quelle, Gefahr usf. bedeuten soll, der Verursacher hätte den Schaden abwenden können, denn die fehlende Beherrschbarkeit macht das Ordnungsproblem der besonderen Gefahren gerade aus57. Chiffrierend, wenn Herrschaft nur das Janusgesicht jeder rechtsvermittelten Herrschaft meint, also untergründig auf die Faktizität des Machtvorteils anspielt. Dieser Vorteil, den jedes Herrschaftsrecht vermittelt, wird im Loch des Schutzkranzes, der sich um die Machtsphäre legt, unkenntlich. Die Herrschaft über die Gefahrenquelle, die nicht als Macht, das Unglück abzuwenden, missverstanden wird, beschreibt also (auch) eine faktische Vermögensteilhabe. Das Wort „Preis“ ist ebenso ein irreleitender Doppelbegriff; die Annahmen 3b) und 4b) werden im Grunde dasselbe bedeuten. Gerichte und Dogmatik meinen es nicht markttheoretisch, wenn sie vom „Preis für die Erlaubnis“ sprechen, sondern „Preis“ meint nur die Negativfolge, die pflichtbezogene Kehrseite der „Erlaubnis“ 58 . 54 

Zudem folgt aus §  14 Abs.  2, §  16 Abs.  2 GenTG das Gegenteil. und andere Einlegungen in die dogmatischen Theorien von Esser und seinen Nachfolgern sind besprochen bei Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.  48 ff. 56  Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  100; Zitat bei v. Gierke in dem Vortrag, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1889, S.  33; im Nachdruck 1948, S.  26 verändert. 57  Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  31 ff.; Blaschzok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.  66 f. 58  BGHZ 105, 65, 66; BGHZ 107, 359, 367. Erst die nachfolgende und ganz unreflektierte Adaption der ökonomischen Theorie vor allem durch die Regierung in den 1970er Jahren und 55 Diese

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2. Sprachliche Überprüfung der Meinungsdifferenz In einem zweiten Schritt der Eingrenzung soll durch eine Sprachanalyse eine verdeckte Konsenslinie sichtbarer gemacht werden. Zu betrachten sind das Verhältnis des Betreibers B zur Gefahrenquelle x (Bahn, Unternehmen, Anlage), dem Opfer P1, dem Angestellten P2 und allen anderen Personen P3–n (Verbraucher, Verkehrsteilnehmer, Volk). a. Für die Ansätze 1) bis 3) lässt sich ein gemeinsames Aussagesubstrat bilden, das bewusst in neutraler Diktion gehalten ist. (1) Geboten ist eine Schadensumschichtung, die P1 begünstigt und B belastet. (2) Der Grund der Umschichtung bezieht sich auf ein für B günstiges Verhältnis zu x. (3) Dieses positive Verhältnis rechtfertigt die Wagnisübernahme durch B eher als die Verhältnisse von P2 oder P3–n zu x. b. Bei einem naturalistischen Zugriff steht eine wertungsmäßig vorgegebene, aus der Natur der Sache folgende Verbindung zwischen B und x im Vordergrund. (1) Die Gerechtigkeit gebiete die Überwälzung der Schadensfolge. (2) Da B die Frucht aus dem Verhältnis zu x trägt, hat er die Lasten aus dem Verhältnis zu x zu tragen. (3) Der Geschädigte P1 ist noch unschuldiger als der Urheber der Rechtsverletzung B59. Die Opferhaftung von P1 oder Organhaftung von P2 wäre unbillig. c. Bei interessenjuristischem Zugriff wird die umfassende Interessenanalyse zum Programm und gibt die Sprache vor. (1) Die Bewertung der Interessen von B und P1–n fordert die Schadensübernahme durch B. (2) Wenn B in eigenem Interesse P1–n Gefahren aussetzt, muss er die Gefahrfolgen tragen. (3) Die Opferhaftung von P1 oder eine Schadensübernahme durch P2 (Arbeitnehmer, Organe) kann nicht im Allgemeininteresse liegen. d. Bei einem dogmatischen Zugriff ist der gedankliche Ausgangspunkt, dass das Recht die gefährdende Handlung auch hätte untersagen können. (1) Die P1 entlastende Haftung des B ist der Preis der Erlaubnis, um x zu gebrauchen. (2) Dadurch soll B die Früchte und die Lasten aus dem Verhältnis zu x tragen.

später lässt heute glauben machen, sogar Larenz hätte nationalökonomische Begründungsmuster verwendet, s. Larenz, VersR 1963, 598. 59  v. Gierke, Soziale Aufgabe, 1.  Aufl., S.  33 f.

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(3) Der Erlaubnisgedanke impliziert die Irrelevanz des Verhältnisses von P2 oder P3–n, die keine Erlaubnis haben, zu x. e. In der ökonomischen Sicht 4) deutet sich das markttheoretische Verteilungskonzept im Frühstadium (vor 1900) an oder tritt in seiner moderneren Variante offen zutage, der zufolge der Schädiger dem Geschädigten den Preis für seinen Eingriff zu zahlen hat, damit keine sozialen Kosten entstehen60 . Der Unterschied ist wesentlich. Denn es geht nicht mehr um die Bewertung des positiven Verhältnisses B zu x, sondern um den gesamtwirtschaftlichen Nutzen von P2–n und das negative Verhältnis B zu x. Für diese Ansätze lassen sich die Aussagen wie folgt zuspitzen. (1) Gesamtwirtschaftlich schädlich ist es, wenn B zur Produktion Güter von P1–n kompensationslos verwendet. (2) Die Verwendung fremder Güter ist durch Bildung eines negativen Verhältnisses von B zu x zu unterbinden. (3) Das positive Verhältnis des B zu x ist irrelevant. Halten wir zunächst diese Frontstellung fest. Man erkennt, dass die Theorie­ unterschiede zwischen 1) und 3) viel geringer sind, als oft angenommen wird. Stets liegt ein Wertungsakzent auf dem positiven Verhältnis von B zu x, dessen Substrat je nach Betrachtungswinkel als „Vorteil“, „Unternehmergewinn“, „Gewinnabsicht“ ausgedrückt ist. Es zeigt sich, dass die Chiffren und Kon­ struktionen wie ein theoretisches Kleid um einen Ordnungsgesichtspunkt mit symmetrischer Struktur gelegt sind. Sie sind theoretische Kunstgriffe um aufzuzeigen, was sonst eine scheinbar triviale „Losung“ bliebe. Sie sind nicht Mittel der Werterkennung und Wertpräsentation, sondern schon Wertinhalt. Das Schwanken der Ausdrücke ist nicht Theoriedifferenz, sondern semantische Figuration einer Wertdarstellung. Die Überwindung der Interessenjurisprudenz als solche hat übersehen lassen, dass die jüngeren Begründungen gar keine Erneuerung der Wertgedanken, sondern einen Tausch der Redearten gebracht haben. Untergründig ist ihnen die Berufung auf eine empfundene, vorgegebene, vorpositive Verbindung von Frucht und Last, von Vorteil und Nachteil, von Sonderrecht und Sonderpflicht, von Privileg und Haftung, von Eigeninteresse und Opferschutz, von Nutznießung und Verantwortlichkeit, (die Reihung ließe sich lange fortsetzen) gemein, die an die allgemeine Unerkennbarkeit rechtsethischer Wirkungsprozesse erinnern muss. Eine symmetrierechtliche Wertung ist überall ausgesprochen oder doch greifbar, auch wenn sie uns als Rechtsgefühl (v. Savigny), Überlegung (v. Gierke), Gebot der Ethik (Unger), Forderung der Gerechtigkeit (Mataja), juristisches Prinzip (Schulze), distributives Prinzip (Esser) angeboten wird61. Fragt man nach den materiellen, impliziten Gründen, die den Rechtskonstrukten und Fiktionen die Wertbasis geben, so bietet sich 60  So etwa Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  34. Näher dargestellt bei Jürgen Schmidt, Schadensersatz, S.  39. 61  S. zuvor im Text und Mataja, Recht des Schadensersatzes, S.  32.

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nur einer an: dass eine Wagnistragung des Opfers eine unerkennbare juridische Grenze verletze, wenn der Verursacher die Wagnisvorteile nutzt oder nutzen kann. Man kann auch sagen: die vom Symmetriesatz gesetzte Grenze.

3. Zum untergründigen Konflikt zwischen Effizienzkalkül und Symmetriegerechtigkeit Bis hierher die sprachliche Analyse der Versuche, die Einzelabwälzung zu begründen. Es lassen sich drei Stadien eines untergründigen Konfliktes ausmachen, der zwischen den Thesen 1–3) und 4), zwischen Symmetriegerechtigkeit und Effizienzkalkül, zu sehen ist. Der Konflikt ist in den letzten hundert Jahren nicht gleich gewesen, sondern steht auf drei Stufen, die sich mit Konvergenz, Abkopplung und Zurückholung stichwortartig bezeichnen lassen. Es kann an dieser Stelle nur um ganz punktuelle Bemerkungen gehen. Erstens: In den Vorarbeiten zum Haftpflichtgesetz von 1871 und zum Bürgerlichen Gesetzbuch ging man von einer Konvergenz von Symmetriegerechtigkeit und Effizienz aus. Zum Nachweis werden nur einige der wichtigsten Vertreter angeführt. Rümelin meinte, „es sei billig, (…) gewisse Gefährdungen zu den Betriebskosten des Unternehmens zu rechnen“62 . Es heißt bei Unger noch nicht: Die ausgleichende Funktion, dass Jeder nachteilige Folgen, welche aus seinem Unternehmen entstehen, nicht auf Dritte abwälzen darf, erklärt sich nur aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive63. Es heißt bei Unger: „Es ist ein auch auf dem Gebiete des Rechts geltendes Gebot der Ethik, daß Jeder auf eigene Gefahr zu handeln hat und die nachtheiligen Folgen, welche aus seinem Unternehmen entstehen, nicht auf schuldlose Dritte abwälzen darf“64. Ganz ähnlich hat Lönig sich ausgedrückt: „Die Gesellschaft, die solch gefahrenvolle Betriebe gestattet, kann und muß verlangen, daß der Unternehmer auch diese Gefahr trägt, sie ihn schadensersatzpflichtig machen. Die ihm vom Gesetz aufzuerlegende Garantie gehört zu den Generalkosten des Unternehmens“65. Darin ist die „Gerechtigkeit der Schadenersatzpflicht“ begründet. Die Beispielsreihe ließe sich leicht verlängern. Über eine Konfliktregel ist nirgends etwas gesagt: weil man den Konflikt noch nicht erkannte66 .

62 

Rümelin, Der Zufall im Recht, S.  30 f. Unterordnungsverhältnis von Recht und Ökonomie klingt an bei Posner, Utilitarism, Economics, and Legal Theory, J.Leg.Stud. 8 (1979), 103, 127. 64  Unger, Jherings Jahrb. 33 (1894), S.  2 29. 65  Lönig, Haftung für Verrichtungsgehilfen, S.  50, 90. 66  Darüber sollte die Kritik Rümelins, der den Effizienzgedanken in nuce als krankhaft zurückwies, nicht täuschen. Rümelin wies die Methode zurück, weil er sie für unpraktikabel hielt, s. Rümelin, Gründe der Schadenszurechnung, S.  7. 63  Ein

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Das war schon bei den Nationalökonomen Mataja und Steinbach, deren Symmetriegedanken die juristische Diskussion aufnahm, nicht anders67. Die Arbeit Matajas erscheint als vorzeitliche economic analysis of tort68 , wenn er 1889 vor Unternehmen warnte, „die in Wahrheit vom Standpunkt der Gesamtheit aus keinen oder nicht jenen Nutzen abwerfen, (…) weil sie eben kein Risiko mit sich bringen, das sich nicht auf den Eigentümer, sondern auf andere entladet, weil derjenige, der Genuß und Gewalt hat, frei von gewissen durch sie erzeugten Benachteiligungen bleibt“69. Aber diese Verbindung von „Nutznießung und Verantwortung“ war 1889 noch ein das „unsichere Gebiet des Gerechtigkeitsgefühls“ Ergänzendes. Mataja erklärt: „Nur von diesem Standpunkte aus, also in Anbetracht, daß man Vorteile hinnehmen kann, ohne die mit ihnen verbundenen Schäden tragen zu müssen, ist es erklärlich, daß die für die Volkswirtschaft so teure Arbeit unreifer Kinder als wohlfeil gelten kann; unsere Arbeiterschutzgesetzgebung ist zum Teil nur Korrektur des ungenügenden Civilgesetzbuches“. Ungenügend hat hier schon einen Doppelsinn. Später explizit: „Es liegt demnach im Interesse der Volkswirtschaft, welches sich hierbei vollkommen in Übereinstimmung mit den Forderungen der Gerechtigkeit befindet, daß zwar auf die Verteilung der Schadenslasten Rücksicht genommen werde, daß jedoch keine derartige Überwälzung stattfinde, welche ein Gut als höherrangig erscheinen ließe, als es seinem thatsächlichen Nutzen nach ist“70 . Dasselbe Bild bei Steinbach, der als Nationalökonom der 2. Kommission angehörte. Das Recht müsse einen gewissen Grad an „Beschädigungen und Belästigungen“ erlauben, „aber unter gleichzeitiger Auferlegung der Verpflichtung zum Ersatze des gesamten, durch diese Art der Rechtsausübung anderen zugefügten Schadens“71. Seine vordenkende Folgerung ist die Zweispurigkeit des Haftpflichtrechts. Neben dem Verschuldensprinzip gebe es bereits ein zweites, objektives Prinzip, nach dem eine „Verpflichtung aus dem Bestand eines Herr67  In den Vordergrund sind sie in Matajas Kritik am 1. Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch gerückt, die auch v. Gierke verwendet hat und der 2. Kommission durch die Teilnahme Steinbachs bekannt gewesen sein wird. 68  So ist der auf Matajas Arbeit bezogene Beitrag Englands, IntRevLE 10 (1990), 173 betitelt. 69  „Was in Wahrheit ein Passivum des Eisenbahnbetriebes, der Bewirtschaftungsweise, der Unternehmung ist, fällt nicht zu Lasten des Eigentümers (Unternehmers); sein Interesse ist jedoch maßgebend für die Inbetriebsetzung oder die Wahl der Kulturart. Er, beziehungsweise der Konsument der Produkte der Unternehmung, erntet die Vorteile vom Betrieb, ohne alle Nachteile desselben hinzunehmen; getragen und geleitet vom privatwirtschaftlichen Interesse können sohin Unternehmungen und Betriebe entstehen, können Sachen in Gebrauch kommen etc., die in Wahrheit vom Standpunkt der Gesamtheit aus keinen oder nicht jenen Nutzen abwerfen, der bei einer anderen Verwendungsweise der wirtschaftlichen Mittel zu erzielen wäre, weil sie eben kein Risiko mit sich bringen, das sich nicht auf den Eigentümer, sondern auf andere entladet, weil derjenige, der Genuß und Gewalt hat, frei von gewissen durch sie erzeugten Benachteiligungen bleibt“, Mataja, Recht des Schadensersatzes, S.  24. 70  Mataja, Recht des Schadensersatzes, S.  32. 71  Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden, S.  13.

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schafts-, beziehungsweise Nutzungsverhältnisses an dem schädigenden Objekte“ folge72 . Es ist aufschlussreich, wie dieses zweite Prinzip begründet wird: „Eigentum und Unternehmen“ verpflichten zum Schadensersatz „in objektiver Richtung“. „In diesem Resultat kann etwas Unbilliges nicht erblickt werden; es entspricht vielmehr der Billigkeit, daß diejenigen Personen, welche die Vortheile der genannten wirtschaftlichen Institution genießen: Eigentümer und Unternehmer, auch die Nachteile ersetzen, welche diese Institution für andere zur Folge haben“73. Für Mataja und Steinbach versprach also eine offene Frontstellung gar keinen Gewinn: Die ökonomische Denkart sollte erklären helfen, wo die Sprachpro­ bleme der Juristen bei der Gerechtigkeitsdarstellung Grenzen setzten. Die überstilisierte Gegensätzlichkeit von Recht und Ökonomie ist ein Späteres. Zweitens: Der Abkopplung der Effizienz von der Symmetriegerechtigkeit gehen zunächst die Erneuerungsversuche einer praktischen Ethik im traditionell utilitaristisch geprägten amerikanischen Diskussionsraum seit den 1950er Jahren voraus, die auf die Ökonomie zurückwirkt74. Erst jetzt werden Fragen der individuellen Verteilungsgerechtigkeit von der Ökonomie ausgeblendet; das führte zu den bekannten, für deutsche Juristen kaum annehmbaren Ansätzen, nach denen alles erlaubt ist, wenn es einen wissenschaftlich ermittelten Nutzen hat. Die frühe deutsche Rezeptionsphase kennzeichnet ein Bemühen, den Konflikt aufzulösen oder zu überspielen. Gerechtigkeitsfragen werden als Effizienzprobleme deklariert75. Man kann Köndgens ›Haftpflichtfunktionen und Immaterialschaden‹ als Beispiel nehmen. Die interessenjuristischen Ansätze hätten die Perspektive verdienstvoll erweitert, Opfergedanken gegen Allgemeininteressen in einen Ausgleich gebracht und als Nutznießer auch die Verbraucher, Passagiere, Strombezieher erkannt76 . Der Gemeinnutzen sei die richtige Bezugsgröße, nicht der Unternehmergewinn. „Indifferent für die Abwägung ist das (Gewinn-)Interesse des Betriebsherrn, denn er könnte sein Geld auch mit weniger gefährlichen Betrieben verdienen“77. Die distributive Verteilungsaufgabe, welche die Gefährdungshaftung erfülle, werde durch die Theorie der social costs nicht gestützt, sondern erklärt. Heute überwiegen Versuche der Konfliktmilderung, sei es durch Zurückholung der (Symmetrie)gerechtigkeit in das Effizienzkalkül, sei es umgekehrt 72 

Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden, S.  33. Steinbach, Der Ersatz von Vermögensschäden, S.  12. 74 Vor allem die Vermischung kantischer und utilitaristischer Gedanken mit entscheidungs- und spieltheoretischen Einflüssen durch Rawls und andere wird der Grund für sporadische Konfliktverschärfungen sein. 75  Das ist ein wesentliches Anliegen Kollers in seiner Habilitationsschrift „Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen“, 1979. 76  Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  34 rühmt die frühen Ansätze Merkels, Die Kollision rechtmäßiger Interessen, S.  147 f. 77  Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  34. 73 

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durch Verarbeitung effizienztheoretischer Einsichten im überlieferten Rechtssystem. Hinzuweisen ist auch darauf, dass mit späteren eingehenden Untersuchungen durch Adams und andere das konkrete Konfliktpotential von effizienz- und gerechtigkeitsorientiertem Denken im Bereich der Wagnisverteilung erheblich relativiert wurde78 . Man sieht, wo der inhaltliche Hauptunterschied liegt. Man erkennt die Spannung von Recht und Ökonomie, und im Grunde laboriert man noch immer an Grundfragen der praktischen Ethik herum. Die Positionen, wie die Spannung aufzulösen sei, sind, auf ein sehr Knappes verkürzt, im Grunde nur zwei: Die erste sieht die tradierten Methodeninstrumente der Jurisprudenz als eine für die gewandelte Welt und ihre Institutionen zu unmoderne, unverbindliche, ungeeignete Tradition an, die den sozialen oder ökonomischen Wissenschaften unterzuordnen und mehr oder weniger durch sie ersetzbar ist. Die zweite hält an der Problemverarbeitung innerhalb des überlieferten Wertesystems als gemeinsames Erbe der Begriffs-, Interessen- oder Wertungsjurisprudenz in einem unausgesprochenen Glauben an wertrichtiges Recht fest. Sie ist in der deutschen Jurisprudenz völlig herrschend und sie liegt der Arbeit zugrunde. Es wäre auch einseitig und ungenügend, wegen semantischer Probleme der Wertdarstellung den Wertinhalt zugunsten analytischer, sozialer, ökonomischer Denkmethoden hintanzusetzen und der Hoffnung auf wiederholbare, beweisbare, wissenschaftliche, aber wertferne Einsichten zu opfern. Aber auch die zum Programm erhobene Flucht in die Vorpositivität – weg von den unwissenschaftlichen Normativbefehlen – erscheint als Verlegenheit des strengen Positivismus. Denn wenn man die Interdependenz akzeptieren wollte – man müsste sogleich die Regeln für den Konfliktfall haben, welche? Dann ist die beharrliche Ablehnung unserer rechtsanwendenden Jurisprudenz gegen die Importe von Meinungen keine nationalständische Gegenwehr, sondern Bloßstellung jeder Effizienzspekulation, welche von der Notwendigkeit wertender Abwägungsprozesse nichts wissen will? Nein, denn es ist ebenso ungenügend, auf einem idealistischen Standpunkt stehen zu bleiben, und vom Wechselbezug zwischen Effizienz und Gerechtigkeit nichts wissen zu wollen79. Es kann keine sinnvolle Aufgabe sein, dieses vielumstrittene und vielbehandelte Verhältnis erneut zu diskutieren. Die Arbeit aber sucht, wie einleitend gesagt ist, nach Einsichten in die Symmetriegerechtigkeit, ist also auf diese eine Seite begrenzt80 . Es war an dieser Stelle nur wichtig festzuhalten, dass die wirklichen Streitpunkte auf viel höherer Ebene liegen, nicht bei der Frage, welcher Gerechtigkeitsgesichtspunkt die strikte Haftung rechtfertigt: dieser ist symmetriegerechter Art. 78 

Adams, Ökonomische Analyse der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung, passim. S. allgemein zu dem Spannungsverhältnis, das nicht als ein Entweder-Oder zu begreifen ist, nur Kersting, Theorien, S.  106 ff. 80  S. Einleitung, IV. 79 

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Es gilt nunmehr, die Rechtfertigung der Gefährdungshaftung genauer, anhand der Materialien darzustellen.

II. Die Erkennbarkeit der materialen Symmetrie an der Umbruchstelle vom Prinzip zur Regel Als Wertaxiom ist das ›Gefährdungsprinzip‹ nur soziologisch-empirisch, spekulativ, aber nicht juridisch unmittelbar einsichtig. Zentral wichtig sind Nachweise, welche Gerechtigkeitserwägungen bei der Regelentstehung mitgewirkt haben. Es sollen deswegen die zerstreuten Materialien betrachtet werden, in denen faktisch wirksame Ordnungsgedanken meist offengelegt sind.

1. Das preußische Eisenbahngesetz und das Haftpflichtgesetz Das preußische Eisenbahngesetz ist der erste Referenzpunkt für striktes Haftpflichtrecht. Seine symmetrietopische Begründung ist ein erstes „Zeugnis“, das einleitend erwähnt wurde. Die Urzelle der späteren Haftpflichtgesetze enthält schon die Haftpflichtrechtfertigung: eine gegen das Rechtsgefühl verstoßende asymmetrische Wagnisabwälzung. Die industrielle Epoche war angebrochen, und die Lage vor der entscheidenden Staatsratssitzung 1838 ungewiss. Das noch dünn besiedelte Amerika hatte den Betroffenen zur Förderung der Eisenbahn schon zugemutet, dass ein Opfer ein Verschulden der Bahn nachweisen müsse. Für v. Savigny aber war die ersatzlose Hinnahme der Brandgefahr der zuvor enteigneten Grundbesitzer untragbar. Das begründete er so: „Der Staat müsse die Gefährlichkeit der fraglichen Anlage im Gesetze anerkennen und danach die Rechtsfolgen bestimmen, um das Rechtsgefühl auszudrücken, welches seine Anordnungen überall beseelen müsse“81. Es fällt ganz allgemein auf, dass die rhetorische Symmetrie oft durch Gerechtigkeitsappelle gestützt wird. Man stößt auf Aussagen, die stets eine Letztbegründung sind wie: billig, gerecht, allgemein anerkannt oder das „beseelende Rechtsgefühl“. Entwicklungsgeschichtlich noch wichtiger ist das Haftpflichtgesetz von 1871. Die Durchsicht der Beratungen im Reichstag bringt bereits alle Standardtopoi, aber auch einen unverkennbaren Wertakzent zutage: ein Überwiegen symme­ trietopischer Begründungen82 . Eine typische Passage lautet: „Wenn es jemand 81 

nys.

Zit. nach Baums, ZRG (GA) 104 (1987), 277 ff., 281, dort auch zur Autorschaft v. Savig-

82  Weitere Argumente wie: der Unternehmer könne sich leichter versichern, die Haftung folge aus der besonderen Gefahr, die es gibt, heben sich meist wie nebensächliche Zusätze heraus, vgl. RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  201 (erste Beratung), S.  438 ff. (zweite Beratung), S.  575 ff. (dritte Beratung); s. ferner S.  208 l. Sp. und S.  215 (Duncker), S.  4 48 (Schulze); auch wird der „Kapitalist“ schon 1871, modern gesprochen, als cheapest cost

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unternimmt, Naturkräfte in seinen Dienst zu nehmen, (…) so muss derjenige, der sie in seinen Dienst nimmt und aus ihrer Benutzung Gewinn zieht, an erster Stelle haften für alle Unfälle“83. Der Verbindungsgrund ist hier noch keine dogmatische Kategorie, sondern eine soziale. Bemerkenswert ist die Äußerung Schulzes „Das juristische Prinzip, das allein ein solches Gesetz rechtfertigt, ist der Gesichtspunkt: daß es gewisse Gewerbe gibt, wobei erfahrungsmäßig Unglücksfälle der bezeichneten Art auch durch einen vorsichtigen Betrieb niemals ganz vermieden werden können, daß also der Unternehmer, der ein solches Gewerbe ergreift, um einen Gewinn, einen Vorteil daraus zu ziehen, dieses Moment bei seinem Unternehmen ebenso gut in Anschlag bringen und darauf rechnen müsse, daß solche Fälle eintreten, wie er etwa Beschädigungen an seinen Betriebswerkzeugen und dergleichen mit in die Berechnungen zu ziehen hat“84. Ebenso bemerkenswert ist die frühe „Zweispurigkeitsthese“ Laskers: „Auch ist dies keine Jurisprudenz, sondern durch den Mißverstand einzelner juristischer Sätze, wie sie sich in dem beschränkten Verkehrsleben des römischen Rechts ausgebildet haben und leider noch mehr durch den Mißverstand derjenigen Wissenschaft, die dem preußischen Landrecht zu Grunde gelegen hat, ist man zu der spitzfindigen Theorie der Entschädigung gekommen, daß man sich die privatrechtliche Entschädigung ungefähr gleichlautend mit dem Kriminalrecht gedacht hat, während diese beiden Dinge gar nicht zusammenlaufen, sondern es sich im bürgerlichen Verkehr nur darum handelt, daß ich, der ich den Nutzen von der Sache habe, auch die Gefahren dieser Sache tragen und für den Zufall aufkommen muß, der mich trifft, und nicht ein anderer“85.

2. Elemente objektiver Haftung im Bürgerlichen Gesetzbuch Die Haftung für Luxustiere ist die einzige reine Gefährdungshaftung im Haftungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches. Eine These gegen die herkömmliche Deutungsart vorab: Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist neben dem Culpaaxiom ein zweites – symmetrietopisches – Haftungsprinzip bereits enthalten. Charakteristisch ist etwa, wie dagegen Köndgen die Entwicklungsgeschichte beurteilt. Er stellt heraus, wie sich im Laufe der Vorarbeiten zum Bürgerlichen Gesetzbuch das Culpaprinzip konsolidierte, und die Anläufe der germanistischen Kritik (gedeutet als Forderungen nach weiteren Ausnahmen), daran scheiterten, dass man „kleinere Unternehmer“ vor den Gefahren eines zu weiavoider ausgewiesen, ebenda, S.  213 l. Sp. (Bethufen-Huc); s. auch Blaschzok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.  60, Fn.  238. 83 RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.   215 l. Sp. (Abgeordneter Duncker); wort­ä hnlich RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  206 r. Sp. (Bundesbevollmächtigter Falk). 84  RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  4 46 (Schulze). 85  RT-Stenographische Berichte, Anlageband 1, S.  217 (Lasker) und S.  137 (Hepp).

§  11 Objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen

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ten Schadensrechts schützen, und weitere Tatbestände strikter Haftung den Spezialgesetzen vorbehalten müsse. Er zitiert Plancks Apodikt, dies könne „nicht als Aufgabe eines bürgerlichen Gesetzbuches betrachtet werden“86 . Heute ist eine solche Sicht auf die Vorarbeiten verbreitet. Man denkt sich die Frontstellung bei den Vorarbeiten meist als schroffes Gegenüber eines reinen römischen Culpaprinzips und eines ebenso reinen altdeutschen Causalprinzips. Aber betrachten wir das im Einzelnen. Erstens: Das Zitat von Planck stammt aus seiner Verteidigung des 1. Entwurfs. Schon durch eine schematische Gegenübersetzung der Kritik v. Gierkes und der Verteidigung Plancks erkennen wir das wahre Gegenprinzip genauer. v. Gierke trat nicht, wie man oft sagt, in erster Linie für „das“ altdeutsche Causalprinzip ein – welches auch! –, sondern gegen ein zu starres Culpaprinzip an. Es heißt zwar zunächst: „Wir können den germanistischen Grundsatz der Schadenshaftung aus bloßer Verursachung nicht entbehren“. Er meinte nun aber nicht: das Culpaprinzip aufgeben; sicher auch nicht einen altdeutschen Grundsatz einer Haftung aus nackter Kausalität. Einen anerkannten Inhalt des altdeutschen Causalgrundsatzes gab es ohnehin nicht. Die germanistische Rechtswissenschaft seit Eichhorn hatte erst durch Stobbe und andere versucht, die altdeutsche Verursachungshaftung als Gegenkonzept zu dem römischen Verschuldensgrundsatz aufzubauen87. Anfangs bot man nur die Kasuistik an, die aber schon die strikte Haftung für Gefahrenquellen (Brunnen, Tiere, umstürzende Bäume) mit der für Leute (Leibeigene, Knechte, Gesellen) in Verbindung brachte, dies allerdings noch, ohne sich mit der materialen Haftungsrechtfertigung zu befassen88 . Die drei Zentralbegriffe casus, causa, culpa sind durch eine romanistische Doktrin im ersten Entwurf aus dem Gleichgewicht gekommen, aber für das Gegengewicht fehlte v. Gierke noch die Sprache, wenn er als ein Allgemeines der Problemaufgabe nur angeben konnte, der Geschädigte sei noch unschuldiger als der Urheber der Rechtsverletzung, den kein eigentliches Verschulden treffe89 . Die Erwiderung Plancks, die Unschuld sei entweder da oder nicht, missbraucht das Sprachproblem und geht ersichtlich am Gemeinten vorbei. Hier bot sich an, die ebenso vagen Formeln der Interessenjurisprudenz zur ersten Wertannäherung zu verwenden. Gegenüber der Zuflucht zum „Rechtsgefühl“ (v. Savigny) ein erster Fortschritt. 86 

Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S.  23, zit. Planck, AcP 75 (1889), 390, 392. Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, 3.  Band, §  200, S.  377; s. auch Heusler, Institu­tionen des Deutschen Privatrechts II, S.  262 f. 88  Frühe Kasuistiken bei Wilda, Das Strafrecht der Germanen, S.  553; Arthur Schmidt, Die Grundsätze über den Schadensersatz, S.  32 ff.; Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, 3.  Band, S.  388 ff. Einen hohen Rechtfertigungsbedarf sehen die Autoren nicht, so dass Arthur Schmidt der Hinweis auf das Anstandsgefühl genügen konnte, a. a. O., S.  19, 31. 89  v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2.  Aufl., S.  33. 87 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Diesen tragenden Grund – und das ist entscheidend – lieferte v. Gierke in seiner Kritik an der bürgerlichrechtlichen Schadenshaftung nach. Der „Eigen­ thümer einer Sache, eines Thieres, eines Betriebes“ habe für den Schaden einzustehen, „der durch die besondere Gefährlichkeit eines derartigen Besitzthumes Anderen erwächst“, damit er nicht alle Vorteile genieße, „ohne das entsprechende Risiko zu tragen“90 . Gleiches gelte für eine Haftung für andere, für Werkzeuge, Leute, Hausangehörige. Zweitens: Die wahren Konfliktlinien zwischen Culpa- und Causahaftung zeigen sich erst näher, wenn man die Frontstellung vor Einberufung der 2. Kommission nachvollzieht. Diese Frontstellung war vereinfacht folgende: v. Gierke ging es zunächst um eine haftungsrechtliche Überwälzung des Schadens durch Wahnsinnige, Trunkene und Kinder – sie sollte möglich sein, „soweit dies thunlich ist und nicht zu unbilliger Härte“ führt; es ging ihm aber auch um die Einstandspflichten der Eigentümer von Sachen, Tieren und Betrieben – denn „alle Vortheile aus einem die Mitmenschen gefährdenden Eigenthum zu genießen, ohne das entsprechende Risiko zu tragen“ sei nicht zu gestatten91 ; schließlich ging es ihm um die Haftung des Hausvaters für Angehörige, des Geschäftsherrn für Leute außerhalb von Vertragsverhältnissen – ein Postulat sozialer Gerechtigkeit ersten Ranges92 . Man kann sagen, v. Gierke sprach sich für eine objektive Haftung aus symmetrietopischen und sozialtopischen Gründen aus. Planck verteidigte den ersten Entwurf nicht gegen „die“ germanische Forderung nach „der“ Causalhaftung, sondern trennte drei Angriffsrichtungen: Die Causahaftung entspreche „weder dem deutschen Rechte, noch der Gerechtigkeit, noch der Billigkeit“93. Die allgemeine Durchführung einer Kausalhaftung ohne Zurechnung als angeblich altdeutsches Erbe wolle niemand. Schon ernster zu nehmen sei der punktuelle Einbruch einer Billigkeitsregel bei Schadenszufügung durch Wahnsinnige und Kinder. Dann wendete sich Planck gegen „den zweiten Gedanken, daß derjenige, welcher die Vorteile einer Sache oder eines Unternehmens zieht, die daraus für andere entstandenen Nachteile auch ohne besonderes Verschulden tragen soll“. Denn: „Hierin einzugreifen, kann nicht als Aufgabe eines bürgerlichen Gesetzbuches betrachtet werden“94. Soweit die Frontstellung vor Einberufung der 2. Kommission. Drittens: Wenn man nun bedenkt, wie sehr die symmetrietopisch begründeten Elemente, die v. Gierke einforderte und Planck noch ablehnte, den zweiten Entwurf ganz offenbar geprägt haben, tritt zutage, dass entgegen einer verbrei90 

Ebenda, S.  33 f. v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1.  Aufl., S.  33. 92  Ebenda, S.  33 f. 93  Planck, AcP 75 (1889), 390. 94  Planck, AcP 75 (1889), 390, 392. 91 

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teten Annahme keinesfalls nur ein kleiner sozialer Akzent auf den germanischen Einfluss rückführbar ist, wie oft gesagt wird. Im Gegenteil, bei näherem Zusehen zeigt sich, dass die Forderung v. Gierkes nach symmetrierechtlichen Haftungsregeln zum Teil schon im zweiten Entwurf, zum Teil durch spätere Entwicklungen umgesetzt wurde. Als Nachweis werden die Kerngegenstände der „germanistischen Kritik“ betrachtet: Die Haftung für Tiere war noch in §  734 des ersten Entwurfs von 1888 als reine Culpahaftung vorgesehen, denn anderes würde „den Boden des Delikts verlassen, und wenn auch nicht ein fingiertes Delikt, doch eine in das Rechtssystem sich schwer einfügende gesetzliche Obligation schaffen“95. Sie war als Verstoß gegen die Aufsichtspflicht (des ordentlichen Hausvaters) vorgesehen96 ; erst die 2. Kommission97 betonte die nicht beherrschbaren Gefahren der Tiernatur: „Wer ein Tier halte, setze in seinem Interesse seine Mitmenschen den Gefahren aus, mit denen ein Tier dieselben bedrohe“98 . Es wäre unrichtig, den Wertgedanken für irrelevant, nicht prinzipiell, rudimentär zu halten, weil er nicht zur allgemeinen Unternehmerhaftung geführt hat, also nicht durchgehalten ist. v. Gierke und andere hatten diese weitere prinzipielle Verfestigung des Symmetrischen durchaus gefordert: „Unsere Zeit aber ist reif für ein auf selbständiger Grundlage errichtetes allgemeines Schadensersatzrecht, das von der sozialen Gemeinschaft aller Volks- und Rechtsgenossen ausgeht und im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit die Gefahren des modernen Betriebs mit seinen Vortheilen verknüpft“99. Bemerkenswert ist, wie die 2. Kommission die Anträge für eine Generalhaftung für Unternehmen zurückwies: „Die Anträge enthalten allerdings insoweit ein berechtigtes Element, als sie auf dem Gedanken beruhen, daß derjenige, der die Vortheile eines Unternehmens genieße, auch für die Schäden aufzukommen habe, die für Dritte daraus entstehen“100 . Der Symmetriegedanke wird nicht geleugnet, sondern: „Aber im Rahmen des BGB lasse sich dieser Gedanke nicht ausgestalten, das könne nur auf dem Weg einer Spezialgesetzgebung geschehen“101, die zu den notwendigen Differenzierungen allein in der Lage sei. In Wahrheit war es für eine Einbeziehung dieser Spezialgesetze von vornherein schlicht zu spät102 . 95 

Mot. II, S.  811. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  962. 97  Prot. S.  2866 ff. = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1124 f. 98  157. Sitzung, Prot. II, Bd.  2 , S.  6 47. Das 1908 ergänzte Nutztierprivileg für kleine Landwirte in Satz  2 hatte die Reichstagskommission noch zurückgewiesen (Dritte Beratung des Reichstags, bei Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1403 ff.) wurde unter dem Druck landwirtschaftlicher Verbände eingeführt und ist ein sozialpolitischer Anachronismus, der keine Verallgemeinerungen zulässt, s. Novelle v. 30.8.1908, RGBl. 1908, S.  313. 99  v. Gierke, Das Bürgerliche Gesetzbuch und der Deutsche Reichstag, S.  46. 100  Prot. II, Bd.  2 , S.  603. 101  Wie zuvor. 102  Prot. II, Bd.  2 , S.  6 47. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des RT, IX. Legislaturperiode I. Session, Vierter Band (Band 146), 117. Sitzung, S.  3061 (Gröber). 96 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Kann man dann nicht sagen, im Bürgerlichen Gesetzbuch ist, wenn auch in der Ausdrucksart der Interessensprache, schon als symmetrischer Ordnungswert umgesetzt, was sich vorher noch als Überlegung, vorpositive Idee, Gerechtigkeitstopos mühsam Geltung verschaffen musste? Man wird das bejahen können und es erscheint unrichtig, v. Gierkes Einfluss darauf zu reduzieren, dass er nur einen kaum merklichen Ruck in Richtung größerer sozialer Fürsorge, im Wesentlichen begrenzt auf miet- und dienstvertragliches Gebiet, bewirkt habe103. Im Gegenteil, auf v. Gierke geht maßgeblich der symmetrierechtliche Keim zurück, der sich durch die Judikatur und in Spezialgesetzen mehr und mehr entfalten wird.

3. Die Haftung für Kraftfahrzeuge und Flugzeuge Betrachten wir noch eine Reihe der spezialgesetzlichen Gefährdungshaftungen und ihre Begründungen. In einem frühen Entwurf zur Haftung von Kraftfahrzeugen wurden zunächst die Allgemeinnutzen des Bewegungsmittels und der Förderung der Industrie gegen die Gefahren für Opfer abgewogen104 ; eine Zwangsgenossenschaft wurde in Betracht gezogen, aber nicht für umsetzbar erachtet; die weiteren Wertungen entsprechen den geschilderten Standardtopoi, die zur strikten Haftung für Bahnen geführt hatten105. Der zweite Regierungsentwurf von 1908 hatte zu einer Exkulpation bei fehlendem Verschulden zurückkehren wollen und dies auf einen Gefährlichkeitsvergleich zu Fuhrwerken gestützt. Im weiteren Verlauf setzte sich der erste Entwurf durch. Maßgeblich waren nur noch Gefährlichkeitsvergleiche von Bahnen und Kraftwagen106 . Ähnlich war es beim Luftverkehrsgesetz (1922) 107. Nach einer Juristentagsempfehlung (1912) sieht ein früher Entwurf (1914) eine für die Waffenindustrie günstige Verschuldensregel vor; nach dem Krieg wird der Opferschutzgedanke höher bewertet als die Negativfolgen für die Luftfahrt108 . Der Vergleich der typischen Gefährlichkeit von Bahnen mit anderen Gefahrenquellen schien für die Haftung für Energieträger nicht mehr zu genügen. Auch diese Haftung wurde bereits vom 31. Juristentag (1912) für den Bestand und Betrieb elektrischer Anlagen und Fernleitungen empfohlen109, aber erst im Reichshaft-

103 S.

Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  470. RT-Drucks., 11 LP, Nr.  264, S.  3246. 105  Zweiter Regierungsentwurf von 1908, RT-Drucks., 12 LP, Nr.   988. Auch würde die Präventionswirkung geschwächt, RT-Stenographische Berichte, 11 LP, 39. Sitzung, S.  1148 (Posadowsky-Wehner). 106  S. die Reichstagskommission, der die Beratung des KFG übertragen war, RT-Drucks. 12 LP, Nr.  1250, S.  7580. 107  RGBl. 1922 I, S.  684. 108  S. den Gesetzesentwurf des Justizministeriums RT-Drucks. Nr.  2504, S.  2474. 109  31. DJT 1912, Band 3, S.  345, 961. 104 

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pflichtgesetz von 1943 verwirklicht110 . Es wurde schon einleitend erwähnt, dass die strikte Haftung für den Betrieb elektrischer Anlagen im Reichshaftpflichtgesetz von 1943111 in gleicher Weise wie bereits bei v. Savigny symmetrietopisch begründet wurde112 . Als das Reichshaftpflichtgesetz 1978 umbenannt wurde, ergänzte man eine Einstandspflicht für Leitungsnetze im Bereich der Wasserund Energieversorgung, erhöhte die Höchstgrenzen, bemühte sich aber nicht mehr um eine substantiierte Begründung, sondern verwies auf die Arbeiten an „ähnlichen Gefährdungshaftungstatbeständen“113.

4. Die Haftung für Kernanlagen und Gentechnik Im Atomgesetz, in dem die europäischen Atomhaftungsverträge von 1960 umgesetzt sind114, ist eine Gefährdungshaftung für Kernanlagen und Reaktorschiffe seit 1985 normiert115. Nimmt man die Regierungsentwürfe von 1956 und 1958116 , die als Vorarbeiten verwendet wurden, und die Erwägungen zum „Pariser Abkommen”117 zusammen, ergibt sich folgendes Gesamtbild: Dass es im Atomrecht in erster Linie um Opferschutz geht, ist nicht anders zu erwarten118 . Die Verschuldenshaftung erscheint unzulänglich, ein Nachweis dem Opfer gar nicht möglich119. Es heißt zwar, es gehe um die interessengerechte Verteilung der Risiken zwischen Anlagebetreiber, Opfer und Staat120 . Aber die Belastung des Betreibers beruhe auf dem Gedanken, dass wer anderen im eigenen Interesse Risiken aussetze, dafür einzustehen habe121. 110 

DJ 1943, 430. Wie zuvor. 112  Einleitend I. 1. 113  BT-Drucks. 8 WP, Nr.  108, S.  6 ff. Die an Essers bekannte Formulierung angelehnte Begründung, dass „wer im Bewusstsein dieser Risiken eine solche (im Allgemeininteresse zu erlaubende) Gefahrenquelle eröffnet, muß auch bereit sein, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen“ ist eine umformulierte Variante der Erlaubnisthese, die, wie wir sahen, den eigentlichen Wertgedanken gar nicht enthält. Unzutreffend wäre es, der Folgepassage großes Gewicht zuzumessen. Es heißt: „Dies ist dem Unternehmer eines solchen Betriebes um so eher zuzumuten, als er am ehesten in der Lage ist, die Risiken zu beurteilen und für etwaige Schadensfälle – insbesondere durch Versicherungen – vorzusorgen“ (S.  6). Der Satz ist auf die Heraufsetzung der Höchstsummen, welche den fraglichen Zweck haben, die Versicherbarkeit für den Unternehmer zu ermöglichen, bezogen, wie Folgesatz und Folgeausführungen zeigen. 114  BGBl. 1985 II, S.  963 ff. 115  BGBl. 1985 I, S.  1566 ff. 116  BT-Drucks. 2 WP, Nr.  3026, 3 WP, Nr.  759. 117  BGBl. 1985 II, S.  964. 118  BT-Drucks. 2 WP, Nr.  3026, S.  35; 3 WP, Nr.  343; Präambel, BGBl. 1985 II, S.  964. 119  BT-Drucks. 2 WP, Nr.  3026, S.  36; amtliche Erläuterung zum PÜ, Ziff.  352. 120  Amtliche Erläuterung zum PÜ, Ziff.  6 . Nur bei Großschäden habe der Staat zu entlasten, damit die Energiequelle genutzt werde, hieß es noch 1958, als das Prestige des wieder souveränen Deutschlands dies scheinbar gebot, BT-Drucks. 3 WP, Nr.  759, S.  39. 121  BT-Drucks. 3 WP, Nr.  759, S.  39. Weitere Begründungen sind beiläufig und abseitig. So fehlt der Gedanke des Naturschutzes, wie an der Kritik des Bundesrats BT-Drucks. 3 WP, 111 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

In dieser Begründung zeigt sich eine längst etablierte Begründungsart. Es genügt, die immer wiederkehrenden Muster noch einmal für die Haftung für Gentechnik zu wiederholen. Referentenentwürfe von 1978 und 1979 hatten noch Verschuldenshaftung (mit Umkehr der Beweislast) vorgesehen122 , aber eine Enquete-Kommission (1984–1987) empfahl eine echte Gefährdungshaftung123 ; so ist es im Gentechnikgesetz von 1990 vorgesehen124. Die Kommission hatte das wie folgt begründet: Die Haftungsregel sei ein Versuch, die Interessen der „Freiheit der Forscher“ und der Industrie mit den Interessen derjenigen auszugleichen, die den Schaden erleiden125. Der Kerngedanke für die strikte Haftung wird im Anschluss an Mataja, Esser, Adams dahin bestimmt, dass das Risiko zu den Kosten des Unternehmens geschlagen wird. Genauer gesagt: „Der Betrieb der Anlage soll nicht auf Kosten möglicher Verletzter geschehen; zugleich sollen die Kosten für die Anlage oder das Verhalten dem auferlegt werden, der davon den Nutzen hat“126 . Die ökologische Dimension wird kaum beachtet, die präventive Wirkung wird miterwähnt127.

5. Sozialer Opferschutz und Nutznießungsgedanke als zentrale Topoi Die zwei Kerngedanken sind also der Opferschutz zum einen, die Wagnisabwälzung auf den Nutznießer zum anderen128 . Ständige Begleittopoi sind zu erwartende Defizite bei einem Culpaansatz, Beweisprobleme, selten sind es ökonomische oder ökologische Gründe. Das Fazit einer positivrechtlichen Mo­tiv­ analyse lautet zum einen, dass Nutzziehung aus der Gefahrenquelle und Nachteilszuweisung Korrelate sind, zum anderen, dass der Topos sozialgerechten Opferschutzes ein zentraler, von der Dogmatik wohl zu wenig beachteter Topos ist.

Nr.  759, S.  49 klar wird; auch der Präventionsgedanke ist nur am Rande erwähnt, BT-Drucks. 2 WP, Nr.  3026, S.  19. 122  Abgedruckt bei Lukes/Scholz (Hrsg.), Rechtsfragen der Gentechnologie, Anhang I, S.  148. Als Gefährdungshaftung eingeschätzt von Pohlmann, Gentechnikrecht, S.  139; anders die Enquetekommission, BT-Drucks., 10 WP, Nr.  6775, S.  293. 123  BT-Drucks. 10 WP, Nr.  6775, Empfehlung E 3.1. 124  BT-Drucks. 11 WP, Nr.  5622; BGBl. 1990 I, S.  1080. 125  BT-Drucks. 10 WP, Nr.  6775, S.  293 f. 126  BT-Drucks. 10 WP, Nr.  6775, S.  293, Zitat auf S.  292. 127  Wie zuvor. Dasselbe Bild ergibt sich im späteren Verlauf des Verfahrens, s. BT-Drucks. 11 WP, Nr.  5622, S.  33. 128  Die Überprüfung der Materialien zu den übrigen Spezialgesetzen ergibt kein anderes Bild wie Blaschczock, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, passim und Baudisch, Haftungsgründe, passim gezeigt haben. Baudisch betont den Gedanken des Opferschutzes, stellt aber zugleich fest, es sei „in allen [!] Begründungen zu den Gefährdungstatbeständen [zu] erkennen, daß sie durch diese Haftungsart eine Zuweisung des Schadens an denjenigen bezwecken, der die Gefährdung in seinem Interesse hervorgerufen hat“, S.  191.

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III. Die symmetriewirksame Konturierung der Haftungstatbestände Die Unbegreiflichkeit aller vorpositiven Wertaxiome wird nicht durch feine Konsenslinien in der Überfülle von legislativen, judikativen oder schriftstelle­ rischen Meinungen aufgehoben. Auch der nachweisliche faktische Einfluss von Symmetriegedanken auf das positive Recht belegt methodisch nicht zugleich den fortbestehenden Geltungsanspruch eines Prinzips, dessen Vitalität sich erst voll in der tatbestandlichen Konturierung und der Rückwirkung auf haftungsrechtliche Subprinzipien zeigt. Die näher zu betrachtenden Einbruchstellen, in denen sich die dualistischen Verteilungskräfte von Sozialschutz und Symmetrie zeigen, sind die Konkretisierung der Ersatzpflicht und des Haftungsumfangs. Die zentrale regelbezogene Frage ist, wer für die Gefahrenquelle verantwortlich ist. In keinem europäischen Recht haftet „quelconque de l’homme“, sondern nur „gardien“, „keeper“, „exploitant“, also wer einen qualifizierten Bezug zur „Quelle“ hat. Diese Anforderung ist im deutschen Recht den Begriffen „Halter“, „Inhaber“, „Betriebs­ unternehmer“ immanent. Es muss auffallen, wenn in allen europäischen Rechten ›Interesse und Gewalt‹129, ›contrôle, direction et usage‹, als die begriffsformenden Partikel gelten130 , die in unseren jurisprudentiellen Formeln ›für eigene Rechnung und Verfügungsgewalt‹ bei Fahrzeugen und Anlagen131 oder als ›Eigeninteresse und Bestimmungsmacht‹132 als zwei Zentralmerkmale semantisch variiert werden. Das Symmetrische ist offenbar einer von zwei Aspekten. In einem ersten Schritt ist eine skizzenhafte Begriffsgeschichte des „Halters“ voranzustellen. Sie zeigt, wie und warum nach zögerlichem Herantasten die Formeln heute zweigliedrig sind. Zunächst hatte das Reichsgericht den Halter schlicht bestimmt als: „wer die Bahn ‚auf eigene Rechnung im eigenen Namen und daher zu seinem Vorteil‘ betreibt“133. Es musste später angesichts der sozialen Vielfalt der Sachverhalte, die sich spätestens in RGZ 66, 376 zeigte, differenziertere Bestimmungen suchen. Eine Baugesellschaft hatte Schienen im Auftrag der Bahngesellschaft überarbeitet. Das Reichsgericht fand auf die schlichte Frage „handelt sie zu ihrem oder zum fremden Vorteil?“ keine „verlässliche“ Antwort134. Man versuchte, auf das Merkmal des Handelns für eigene Rech129  §  3 Abs.  1 Nr.  6 österr. GGSt bestimmt als Halter denjenigen „der ein Kraftfahrzeug […] für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt“. In Art.  503 Abs.  1 port. cc wird der Halter umschrieben als jemand, der die „tatsächliche Gewalt über ein Landfahrzeug innehat und dieses im eigenen Interesse benutzt“. 130  v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band 2, S.  358, Rn.  325 zu den romanischen Rechten. 131  BGHZ 13, 351, 354. 132  RGZ 52, 117, 118. 133  RG EE 1, 6; in der Folge ähnlich RG EE 1, 174; RGZ 12, 145; RG EE 12, 207; RG EE 12, 197; RG EE 15, 221; RG EE 24, 171. 134  RGZ 66, 376, 378.

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nung abzustellen. Auf Rechnung desjenigen gehe der Betrieb, der „die Ausgaben trägt und die Einnahmen daraus bezieht“. Die Baugesellschaft hatte die Verfügungsmacht, da die Bauzüge notwendig ihrer „Leitung und Weisung“ unterstanden; dass das beauftragende Eisenbahnunternehmen die allgemeine Aufsicht über den Verkehr behielt, falle nicht mehr ins Gewicht135. In den Folgejahren ergänzten Gerichte weitere Hilfsmerkmale, unter ihnen die „Verfügungsgewalt“, bald verstanden als „Herr“-Sein über den Bahnbetrieb136 , bald auch verstanden als „technische Ausführung des Verkehrs“137 ; es kam fast zwangsläufig zu schwankenden Ergebnissen138 . Es war von dort ein schnell vollzogener Schritt, bis die Kompromissformeln vom Handeln „für eigene Rechnung“ mit „Verfügungsmacht“ gefunden waren139. Daneben wurden einige Hilfskriterien herausgebildet, die sie ergänzen und in einzelnen Ordnungsbereichen unterschiedlich gefasst sind. Der Tierhalter trägt die Sorge für Obdach und Unterhalt eines Tiers140 , er hat das Verlustrisiko, er übernimmt Unterhaltskosten141 und Versicherungsprämien142 , er nutzt das Tier in seinem Haus- und Wirtschaftsbetrieb und er hat (un)mittelbaren Besitz143. Diese ergänzenden Merkmale werden als untergeordnete Hilfskriterien verstanden, welche die Grundmerkmale konturieren sollen. Für sich besehen begründen sie die Zurechnung nicht144. Kommen wir in einem zweiten Schritt zu einer näheren Wirkungsanalyse. Es ist seltsam, wie wenig Widerstand sich in der Lehre gegen den unbestimmten Begriff erhob145. Der Eindruck, dass Gerichte vage Allgemeinbegriffe im Begriffszentrum dulden, um stets einen Ausweg zu behalten, und dass dann noch ein Begründungsrudiment als dogmatische Fassade aufgesetzt wird, geht nicht

135 

RGZ 66, 376, 379. RG EE 27, 437. 137  RG EE 40, 220. 138  Etwa RG EE 38, 149: der Ausführende ist Halter; und RGZ 146, 340, 343: der Aufsichtführende wird in einer Parallelkonstellation als Halter angesehen. 139  RGZ 24, 171; RGZ 75, 5; RGZ 96, 202; RGZ 146, 340, 341; BGHZ 13, 351, 354 und seither ständig. 140  RGZ 52, 117, 118. 141  BGH NJW 1977, 2158. 142  OLG Celle VersR 1979, 161. 143  RGZ 62, 79, 81 f. 144  S. RGZ 62, 79, 81 zum Kriterium Halten des Tiers „im Wirtschaftsbetrieb“; Abweichungen auch bei RG JW 1911, 279 Nr.  8 ; OLG Köln VersR 1976, 197; BGH VersR 1988, 609. In RGZ 52, 117, 118 soll die Sorge für Obdach und Unterhalt nur das Eigeninteresse indizieren; ähnlich RG Warn. Rspr. 1910, Nr.  332; BGH VersR 1977, 864, 865; OLG Hamm VersR 1970, 729, 730; relativierend später BGH VersR 1985, 665: gelegentliches Versorgen ist nicht ausreichend; BGH VersR 1988, 609, 610: unmittelbare Einwirkung ist nicht erforderlich. 145  Bereichsübergreifende Überprüfungen der Begriffe sind ebenso selten wie Rückbezüge zu anderen in „wirtschaftlicher Betrachtungsweise“ entwickelten Begriffen oder der Methodendiskussion zur Typuslehre. 136 

§  11 Objektive Haftung für stoffliche Gefahrenquellen

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fehl. Um die Wirkungsrelevanz des Symmetrischen zu erkennen, ist die Begriffsbildung in einer heuristischen Teilung nachzuvollziehen. Erstens: die subjektive Ersatzpflicht wird offenbar in einer gedanklichen Abstraktion von der Eigentümerbefugnis gebildet. Eigentum an der Gefahrenquelle ist zwar nicht erforderlich, durchaus aber ein gewisser Sachbezug, eine Art verdünnte Befugnis. Zwei Aspekte klingen in allen Halterformeln an, eine haftungsrechtliche Aktionsbefugnis als „Verfügungsgewalt und Bestimmungsmacht“ und eine besondere Vermögensbefugnis als „eigenes Interesse“. Im Regelfall genügt das Eigentum. Wenn in zahllosen Judikaten immer wieder neue schwierige Problemkonstellationen zutage treten, gibt das ein verzerrtes Bild. Üblicherweise sagt man, in diesen Zweifelsfällen würde wirtschaftlich, materiell, funktional gedacht. Halter, Inhaber, Betreiber bilden Komplementärstücke zu den klassischen Anwendungsfällen des sog. wirtschaftlichen Eigentums. Zweitens: verallgemeinert wird aber nur die positive Befugnis, also gleichsam die halbierte Eigentumsform (erste Eingrenzung). Das lässt sich bei den aufgereihten Begriffsmerkmalen in der Darstellungsliteratur leicht übersehen. Sehr klar hat es einmal das Reichsgericht formuliert, als es erwog, von der Gefahr­ übernahme auf die Haltereigenschaft zu schließen146 . Der Schluss vom Nachteil auf den weiteren Nachteil schien – wie es der symmetrischen Denkweise entspricht – sinnverkehrt. Es wäre Unrecht zu meinen, die miterwähnten Indizien wie die Übernahme von Kosten und Versicherung hätten daran etwas geändert. Es sind verzichtbare Randmerkmale, deren Aufgabe es ist, die Grundmerkmale zu indizieren147. Klar ist, dass nicht schon zum Halter wird, wer die Versicherung für das Tier oder Fahrzeug übernommen hat148 . Drittens: Mindestanforderung ist die faktische Beanspruchung eines Aktionen- oder Vermögensvorteils (zweite Eingrenzung). Das lässt sich anhand einfacher Beispiele zeigen. Am umherfliegenden Schwan hat der Eigentümer des Heimatgrundstückes keinen genügenden Vorteil149 ; wer dem Fahrer in das Lenkrad greift oder den Wagen kurz entwendet, wird nicht zum Halter. Stets ist ein Minimum an Zugriffsmöglichkeit (und damit an faktischem Vorteil) oder ein rechtsförmiger Nutzen gefordert150 . 146 

RG EE 1, 174; RGZ 12, 145. Die Kostentragung wird als ein Kriterium genannt in BGH VersR 1977, 864, 865; BGH VersR 1982, 348; BGH VersR 1988, 609, 610; OLG Hamm VersR 1970, 729, 731; OLG Frankfurt VersR 1976, 1138. In RGZ 66, 376 war zwar entscheidend, dass die Baugesellschaft die Selbstkosten für Lokomotive, Wagen und Personal übernommen hatte. Nicht aber um der Kosten, sondern um eines Rückschlusses Willen; es heißt: Sie trug Betriebskosten „gerade so, wie wenn sie ihre eigenen in erster Linie zu benutzenden Wagen verwendet hätte“, S.  377. 148  Der Verfügungsberechtigte, der die Kosten nicht trägt, ist als Halter angesehen in OLG Hamm NZV 1990, 363. S. auch schon RGZ 127, 174, 176. 149  S. LG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1243, das bezeichnenderweise anders entscheidet, wenn weitere Kriterien hinzutreten, insbes. wenn eine Gemeinde Schwäne „in eigenem Interesse“ (zur Daseinsvorsorge für die Bürger) hält. 150  Sehr klar etwa BGH NJW 1954, 1198. 147 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Viertens: bei aufgeteilter Aktionen- oder Vermögensbeanspruchung ist zumindest derjenige zum Ersatzpflichtigen zu bestimmen, der – grob gesagt – den größeren Vorteil hat (Konfliktregel). In der Forensik ist dieser Konflikt der Hauptstreitpunkt. Es ergeben sich schwierige Abwägungsaufgaben, wer etwa bei Vermietung oder Leasing der Verpflichete ist151. Der Anspruch, der Halter müsse die Gefahrenquelle nutzen, wird nicht aufgegeben, sondern zum wichtig­ sten Kriterium aufgewertet152 . In dieser heuristisch getrennten Abschichtung des Halterbegriffs zeigt sich, dass der Nutzen aus der Gefahrenquelle maßgebliches Gewicht hat153. Darin liegt bereits ein wichtiger Befund der symmetrischen Wirkung. Man sieht es vielleicht deutlicher im Negativen. Versuchen wir den Halterbegriff anders zu denken. Es wäre möglich gewesen, ganz andere Kriterien zu wählen, etwa Kausalität, Vorhersehbarkeit, Reichtum, Tugendhaftigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse, Billigkeit. Aber solche Kriterien fehlen heute ganz. Man bedenke etwa einen Gegenentwurf von Heß. Er hat in einer Monographie versucht, die subjektive Ersatzpflicht durch die „wirtschaftliche Verursachung“ zu bestimmen. Heß sucht nach dem wirtschaftlich Potentesten in der Verursachungskette. Sein selbst gegebenes Beispiel ist: Die Bank als Pfandgläubiger ist, weil sie wirtschaftlich potenter ist, bereits Halter (!) 154. Ein derartiges Verständnis konnte sich nie durchsetzen.

151  Ausf. Darstellung bei Gadow, Zähmung des Automobils, S.  189 ff. und zu der Haltermehrheit S.  228 ff. 152  S. die umfangr. Nachweise bei Gadow, a. a. O. 153  Selten kommt das so klar zum Ausdruck wie bei Zech, JZ 2013, 21, 28, der zur Bestimmung des Haftenden ausführt: „Entscheidend ist, nur denjenigen haften zu lassen, der auch Vorteile aus der neuen Technologie zieht (Zusammengehörigkeit von Risiko und Vorteil)“. 154  Heß, Bestimmung des Ersatzpflichtigen, S.  170 ff.

§  12 Elemente symmetriegerechter Wagnisverteilung bei der Verschuldenshaftung Im folgenden Paragraphen ist zu erwägen, ob sich Bereiche der Culpahaftung als ein Zweig der symmetriegerechten Wagnisverteilung begreifen lassen. Die scharfe Teilung von Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung ist, wie gesehen, eine wohl überwundene theoretische Kunstschöpfung und darf nicht, wie Huber mit Recht gesagt hat, „darüber hinwegtäuschen, daß auch die Verschuldenshaftung in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Haftung wegen Gefährdung ist“1. Schon in der Standardisierung der Fahrlässigkeit wirken Elemente der Risikogewichtung mit. Der Maßstab ist insoweit objektiv, als er ohne Unterschied auch für unterdurchschnittlich Befähigte angewendet wird. Schwerer sind die Wirkungen zu veranschlagen, welche die vielfältigen Umkehrungen von Beweislasten ausmachen. Sie sind mit dem Ordnungsmittel einer strikten Haftung verwandt bis austauschbar. Schließlich ist es durch die Arbeiten Stolls und v. Bars eine anerkannte Einsicht, dass auch die Verkehrspflichten durch Gedanken objektiver Wagnisverteilung bestimmt werden, dass, anders gesagt, auch die Culpahaftung als ein Modus der Risikoverteilung begriffen werden muss2 . Sieht man genauer hin, ergeben sich schwierige Verwicklungen, die eine Stoffbegrenzung notwendig machen.

I. Bestandsaufnehmende Stoffbegrenzung Die Betrachtung der Verkehrspflichten ist ohne stoffliche Vorordnung so allgemein und ungenau, wie diejenigen der Rechtsgeschäfte oder der Straftaten. Es ist schon früh unzureichend geworden, die angewachsene Stoffmenge durch einfache Distinktionen, wie Pflichten aus ›Tun oder Unterlassen‹, aus ›Ingerenz, Vertrag, Gesetz‹, zu ordnen, um eine adäquate Orientierung zu geben. Die Praxisliteratur behilft sich mit listenartigen Aufreihungen der sozialen Gefahrenbereiche, von den Straßen und Gebäuden bis zu Spiel- und Sportplätzen, von 1 

Huber, Festschrift Wahl, S.  301. Stück ,Unglück‘, das in nahezu jedem Schaden mitenthalten ist, wird dadurch grundsätzlich dem ,Unrecht‘ hinzugeschlagen“ – hat Canaris formuliert, Festschrift Larenz, S.  33; s. bereits v. Bar, Verkehrspflichten, S.  103 ff.; Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, S.  21 ff.; ausf. Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  552 ff. zu „teleologischen Querverbindungen“ zwischen den Haftungsarten. 2 „Das

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

der Urlaubsreise bis hin zu virtuellen Orten. Jede Forschung muss zur aufgabenbezogenen Auswahl übergehen. Einer Stoffauswahl sollen kurze historische und typologische Übersichten vorausgehen. Auf der geschichtlich ersten Entwicklungsstufe hatte der neue Deliktstypus den Mangel eines länderübergreifenden Staatshaftungsrechts zu substituieren. Straßen, Plätze, Brücken, „Orte an denen andere verkehren“ sollten durch deliktische Pflichten gerade der Gemeinden, Städte, Einrichtungen der öffentlichen Hand gesichert werden 3. Nach einer stufenweisen Ausdehnung der Pflichtenkreise konnte um 1912 verallgemeinert werden: „Wer eine Gefahrquelle schafft, (hat) die notwendigen Voraussetzungen zu treffen, um eine Schädigung anderer tunlichst abzuwenden“4. Auf der folgenden Entwicklungsstufe wurde die Gefahrerschaffung als nicht zureichendes und überflüssiges Merkmal erkannt5. Ab diesem Punkt lag das Problem einer wertungsmäßigen Zuordnung von Risiken für Gefahrzuständigkeiten, Sphären, Herrschaftskreise, Organisationsbereiche in voller Klarheit offen da. Im weiteren historischen Verlauf werden zahlreiche Problemgruppen ergänzt und es lassen sich unterscheiden: die Ausdehnung der Anlagenhaftung, heimliche Ersetzung fehlender Haftpflichtgesetze, Organisationshaftung bei Veranstaltungen, Haftung für Fehler bei Berufsausübung, für Fürsorge bei anvertrauten Gütern oder die Inverkehrgabe gefährlicher Produkte6 . Ein Prüfungsprogramm, welches den schier unendlichen Problemstoff abdecken soll, wird unbestimmt bleiben. Es könnte lauten: Auf Seiten des Verursachers wird neben dem Grad der Gefahr (Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit) auch berücksichtigt, welche Zwecke er verfolgt: sozial billigenswerte, allgemeine oder gerade für das Opfer besonders nützliche – oder liegt eine leichtsinnige, eigennützige unmäßige Gefährdung anderer vor? Auf Seiten des Opfers sind die berechtigten Erwartungen und Schutzbedürfnisse zu betrachten: Hat es sich freiwillig der Gefahr ausgesetzt, konnte es sich selbst schützen? Weitere Kriterien sollen einen am Üblichen und Zumutbaren orientierten Ausgleich sicher stellen, etwa das Bestehen verkehrsüblicher Standards (Verkehrs­ regeln oder Spielregeln), Alltagsgefahren, oder ein unmäßiger Aufwand für Prävention7. Der breite Abwägungsspielraum lässt erkennen, dass derjenige Interessenausgleich, der bei der Gefährdungshaftung auf Rechtsfolgenseite durch Regularien (Höchstsummen, besondere Gefahren) vorgenommen ist, bei den Gefährdungsverboten in die tatbestandliche Pflichtenbegründung vorverlagert wird.

3 

RGZ 54, 53, 56 f. (Instandhaltung eines Ortswegs). RGZ 54, 53, 56 f.; RGZ 68, 358; RGZ 106, 340; RGZ 118, 91; später noch BGHZ 14, 83, 85. 5  RGZ 92, 359; RGZ 163, 26; BGHZ 16, 95, 96; BGHZ 21, 48, 50; BGHZ 34, 306, 309. 6  Zur Entwicklung s. statt vieler HKK/Schiemann, §§  823 ff., Rn. 86 ff., 132 ff. 7  Prüfungsprogramme mit Nachweisen bei Huber, Festschrift Wahl, S.  309 f. 4 

§  12 Symmetriegerechter Wagnisverteilung bei der Verschuldenshaftung

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Die Verkehrspflichten sind ein verwickelter, überströmender Bereich, der auch vielfältige Probleme einschließt, von der verhaltenslenkenden Verkehrssicherung bis zur Staatshaftung, die keine vermögensrechtlichen Risikozuweisungen unter Privatsubjekten erfordern. Zugleich ist auch klar, dass es sich um ein pluralistisches Geflecht von Wertungen handelt.

II. Symmetrietopische Begründung von Verkehrspflichten Die Verkehrspflichten sind ganz vorwiegend judizielles Recht, aber die Judikatur hat sich einer Überprüfung der tragenden Haftungsgründe anhand von richterlichen Selbstbekundungen entzogen8 . Der Rückbezug auf die gesetzlichen Wurzeln und ein knappes Referat des Standes der Forschung sollen eine prinzipielle Wirksamkeit symmetrierechtlicher Haftungsgründe auch bei den Verkehrspflichten aufzeigen.

1. Gesetzliche Wurzeln der Verkehrspflichten Es ist, anders als bei der Gefährdungshaftung, nicht in gleicher Weise aufschlussreich, die gesetzlich „geronnenen“ Verkehrspflichten im Bürgerlichen Gesetzbuch zu überprüfen, da das Gewicht des Richterrechts überwiegt. Allerdings haben die gesetzlichen Verkehrspflichten die Entwicklung durchaus ermöglicht und mitbestimmt. Gehen wir deswegen kurz auf die Entstehung der Verkehrspflichten, die zwei berühmten Urteile von 1902 und 1903, zurück, in denen das Reichsgericht die geschilderte Urkonzeption von 1900 aufbrach. Die Fortbildung setzte in RGZ 52, 373 bei §  836 an. Die Norm stelle „eine einzelne Anwendung eines dem einseitigen römischrechtlichen entgegengesetzten Grundsatzes dar, als jetzt ein jeder auch für Beschädigung durch seine Sachen insoweit aufkommen solle, als er dieselbe bei billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen hätte verhüten müssen“9. Damit wurde das legislative Pflichtenkonzept, wie es in den §  831 – §  838 angelegt ist, der Ausgangspunkt für die entschlossene Fortbildung des Rechts10 . Im Entwurf von 1888 war eine Verschuldenshaftung für den „Besitzer“ des Gebäudes vorgesehen, dem eine Pflicht zur ordentlichen „Errichtung“ und „Unterhaltung“ aufgegeben war11. Schon das war eine gewisse Erweiterung gegenüber einer radikalen Culpahaftung, sofern eine Kontrollpflicht bestand. v. Gierke polemisierte dagegen12 , aber anders als bei der Tierhaltung wurde die 8  Man findet kaum nennenswerte Angaben der Richter, welche Gerechtigkeitskriterien sie achteten, worin sie die materiale Rechtfertigung der Haftungsausdehnung tatsächlich sahen. 9  S.  379. 10  Fortgesetzt in RGZ 54, 53, 58. 11  §  735 E I. 12  v. Gierke, Entwurf, 1889, S.  271.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Forderung nach verschuldensunabhängiger Kausalhaftung für Gebäude nach § 836 in einen Kompromiss abgewandelt, der prima vista auf eine Umkehr der Beweislast begrenzt ist13. Blickt man näher hin, erkennt man Momente strikter Wagniszuweisung: Zum einen wird gehaftet für objektive Gebäudefehler, die durch das Versehen jedes früheren Besitzers verursacht sein können. Man kann sagen, das zum Mangel führende Verhalten aller früheren Besitzer bis zum Erbauer wird zusammen- und dem Besitzer zugerechnet. Zum anderen wird als Komplement dieser Verschärfung eine Begrenzung der Ersatzpflicht nach dem Vorbild der Gefährdungshaftung etabliert, denn es haftet der Eigenbesitzer. Es haftet, wer das Gebäude „als ihm gehörig“ besitzt14. Es ist bei dieser Betrachtungsart nicht mehr weit zu der Annahme, dass die geschilderten symmetrietopischen Argumente v. Gierkes auch hier, an den historischen Wurzeln der Verkehrspflichtendoktrin, untergründig gewirkt haben.

2. Symmetrietopische Kriterien der Pflichtbegründung Auszüge aus der deliktsrechtlichen Forschung zeigen, dass der Symmetriegedanke ein zentraler Wertungsgesichtspunkt ist, auch wenn die Akzente verschieden gesetzt sind. Die Dogmatik der Verkehrspflichten musste einer voraus­ eilenden reichsgerichtlichen Judikatur nachfolgen. Die dogmatische Leerstelle wurde zunächst durch straf- oder gefährdungsrechtliche Anleihen verkleinert15 und um immer weitere Aspekte ergänzt. Die heutigen materialen Haftungsgründe, die bei der Pflichtbegründung abgewogen werden, erscheinen disparat und lassen sich anhand zweier exemplarischer Typenreihen beschreiben, welche die Lehre erarbeitet hat. Die erste Typenreihe zählt vier Hauptgründe auf: die Herrschaft über einen Gefahrenbereich; das Inverkehrbringen und die Ver­ kehrs­eröffnung; die Kreation einer besonderen Gefahr; amtliche und berufliche Verantwortungsübernahme. Eine zweite Typenreihe unterscheidet die Eröffnung des Verkehrs auf Straßen, Wegen, Plätzen, Wasserstraßen, Gebäuden; die Herrschaft über sachliche Gefahrenquellen wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge ohne Verkehrseröffnung; schließlich die Tätigkeit mit besonderer Sachkunde oder Vorsorge16 . Es liegt am Problemstoff, dass solche Reihungen nie ohne Überschneidungen auskommen17. Jeder Versuch, dieser Problemvarianz mit einem Universalge­ 13 S.

Brüggemeier, Haftungsrecht, S.  520. dazu Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, S.  990 f., allerdings ohne genaue Mitteilung der Gründe. 15  S. insbes. §  367 Abs.  1 StGB a. F., dessen Nr.  12 das Verbot enthielt, an „Orten, an welchen Menschen verkehren, Brunnen, Keller, Gruben etc. dergestalt unverdeckt oder unverwahrt zu lassen, daß daraus Gefahr für andere entstehen kann“. 16  Esser/Weyers, Schuldrecht, Besonderer Teil, §  55 V 2 a. 17  Die Produkthaftung berührt etwa im letzten Beispiel die letzten beiden, die Unternehmerpflichten im Grunde alle drei Typen. 14 S.

§  12 Symmetriegerechter Wagnisverteilung bei der Verschuldenshaftung

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danken zu begegnen, provozierte deswegen den Einwand, dass die Abgrenzung der Problemgruppen nicht gelingt, weil die Wertgedanken, die zur Lösung beitragen, verschieden sind. Die Wertungen sind in der Tat nicht nur terminologisch, sondern vor allem sachlich nicht gleich. Und doch darf das Ineinandergreifen mehrerer materialer Haftpflichtkriterien nicht davon ablenken, dass auch der Symmetriegedanke ordnungswirksam ist. Darüber besteht vor allem seit der Arbeit v. Bars, der die Haftpflichtelemente mit Ingerenz, Vertrauensschutz, Gefahrenbeherrschung und dem „Prinzip der privaten oder gemeinschaftlichen Nützlichkeit der Gefahr“ angab, weitgehend Einigkeit18 . An diesem Punkt wird das Symmetrische, das sprachlich als Interesseprinzip, Risikoprinzip, Konnex von Vor- und Nachteil, bezeichnet wird, als ein Wertungselement erkennbar. Bei dem Versuch, den Entscheidungsstoff auf gemeinsame Wertgedanken zurückzuführen, im Zwischenbereich der „allgemeinsten Grundgedanken“ und dem „zum Rechtsprechungströdel verkommenen Entscheidungsmaterial“19, kam Mertens beispielsweise zu dem Ergebnis, dass der Symmetriesatz einer der maßgeblichen Werte auch für die Verschuldenshaftung ist 20 .

III. Ansätze zu einer Wirkungsanalyse symmetrierechtlicher Haftungselemente in der Judikatur Die Darstellung des judiziellen Stoffes ist grundsätzlich-prinzipienbezogen, nicht als detailgerechte Stoffsammlung gedacht. Sie soll die Wirksamkeit des Symmetrischen erkennbar machen. Sie begrenzt sich auf Beispiele der Wirkungsart. Erstens: Es gibt Verkehrspflichten, die eine verdeckte, vorgreifende oder abgeleitete Gefährdungshaftung begründen. Esser hat 1941 auf eine Verdünnung der Culpamaxime durch richterliche Herausbildung einer heimlichen Gefährdungshaftung hingewiesen und damit viele Anhänger gefunden 21. Das Prinzip der Spezialgesetze für Einzelbereiche wurde zugunsten einer objektiven Haftung im Mantel der Culpa-Haftung punktuell aufgegeben – und dies bedeutet nach Esser nichts anderes, als den Verschuldensgrundsatz zu schwächen 22 . 18  v. Bar, Verkehrspflichten, S.  125 m. Nachw.; seither etwa Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  201. 19 S. Mertens, VersR 1980, 397. 20  Mertens, VersR 1980, 397, 402 nennt als Kriterien: das „Verursachungs- sowie das Nutzen-Nachteilsprinzip“ und die rechtliche oder faktische Verantwortungs- und Fürsorgeübernahme, die Gefahrenbeherrschung, die Verkehrseröffnung, die Ingerenz und auf Gefahrvermeidung abzielende professionelle Standards ordentlichen Berufsverhaltens. 21  Esser, Gefährdungshaftung, S.  30 ff.; ders., JZ 1953, 129 ff.; s. dazu Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, S.  275. 22  Esser, JZ 1953, 129, 131 ff.; Laufs, Festschrift Gernhuber, S.  245, 250; Will, Quellen erhöhter Gefahr, S.  59 ff.; Stürner, VersR 1984, 297, 299 f.; Schmidt-Salzer, Festschrift Steffen, S.  428, 436 f.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Gewisse Übersteigerungen, evident fiktive Schuldvorwürfe, unerfüllbare Pflichten, die es durchaus gegeben hat, haben andere hinlänglich geschildert 23. Die Mahnung Essers, es gebe eine „bedenkliche Entstellung unseres Verschuldensprinzips und seiner Maßstäbe“, hatte, wenn man das Primat einer Reinhaltung der Prinzipien gelten lässt, 1941 jedenfalls mehr Berechtigung als heute. Jüngere Durchmessungen der Judikatur haben den Eindruck, es gebe eine erhebliche, verdeckte absolute Haftung, nicht bestätigt: Die „heimliche Gefährdungshaftung“ ist mehr ein Übergangs- und Einzelphänomen als eine dringliche Aufweichung der Culpa-Idee24. Es lässt sich aber dort, wo der Schuldvorwurf zur reinen Fiktion wird, die Wirksamkeit der gefährdungsrechtlichen Wertungen belegen. Das soll anhand von drei Beispielen gezeigt werden. 1. Das erste Beispiel ist der Dogmatik durch die Arbeiten Essers weiter gegenwärtig. Es ist der Fall in einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.4.1951. Kurz nach einem Wasserrohrbruch um 2.45 Uhr nachts war ein Lkw durch eine unterhöhlte Straßendecke gebrochen. Der Bundesgerichtshof meinte, die Stadt hätte die Gefahr wenige Minuten nach dem Rohrbruch in der Nacht beheben müssen 25. Esser hat das in einer berühmten Kritik auf den Punkt gebracht: es werde verdeckt für eine Gefahr, nicht für Schuld gehaftet 26 . Dass solche Fälle einer verdeckten objektiven Haftung vorkamen, ist kaum noch kontrovers27. 2. In einer zweiten Gruppe ist eine untergründige Parallele zu den Wertungen für Wagnisumschichtung besonders augenfällig. Wo der Gesetzgeber dem Bedürfnis nach einer Ausdehnung der strikten Haftung bisweilen spät nachkam, haben Gerichte die Sorgfaltsanforderungen erhöht und übersteigert 28 . Besonders Will hat sorgfältig und ausreichend nachgewiesen, wie in zahlreichen Urteilen die Anforderungen im Vorfeld einer überfälligen Reform angezogen wurden 29. 3. Ein weiteres Beispiel für die Wertungsparallele von dingbezogenen Verkehrspflichten und Gefährdungshaftung sind Konstellationen, in denen von bestehenden Tatbeständen der Gefährdungshaftung untergründig auf eine Verkehrspflicht geschlossen wird. Die Annahme einer symmetrieprinzipiellen Wirksamkeit in der Kasuistik muss nahe liegen: Bei 23 

v. Caemmerer, RabelsZ 42 (1978), 5, 11. Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  24 ff. finden sich beispielhafte Aufzählungen; ähnlich Adams, Ökonomische Analyse der Gefährdungs- und Verschuldenshaftung, S.  110. Zweifel an der Relevanz hatte bereits im Jahr 1961 Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, S.  275 ff., geäußert; diese werden durch jüngere Detailanalysen, etwa bei Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, S.  93 ff., bestätigt. 25  BGH v. 19.4.1951 (III ZR 112, 50), zit. nach Esser, JZ 1953, 129, 131. 26  Esser, JZ 1953, 129 ff. 27  S. ebenda sowie nur Großfeld, JZ 1998, 137. 28  Nicht immer haben Gerichte sich so zurückgehalten wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 25.1.1971 (III ZR 208/68), der eine gesetzliche strikte Einstandspflicht für Wasserrohrbrüche forderte, aber eine heimliche objektive Haftung verwarf, s. BGHZ 55, 229, 233 ff. 29  Quellen erhöhter Gefahr, S.  41 ff. 24 Bei

§  12 Symmetriegerechter Wagnisverteilung bei der Verschuldenshaftung

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der Gefährdungshaftung sind die Begriffe Betreiber, Besitzer, Halter die Punkte, an denen sich der symmetrierechtliche Grundsatz zu einer Haftungsregel materialisiert. Diese Begriffe sind, wie gezeigt, mehrfach symmetrie­rechtlich konturiert und dieselben Personen treffen die sachlich verwandten Verkehrs­ pflichten 30 . Man erkennt also, wie für die Begründung von Verkehrs­pflichten „heimlich“ die Wertungen für objektive Haftungen importiert werden. Zweitens: Weitere Beispiele aus drei Bereichen sollen die symmetrietopische Begründungsart klarer werden lassen. 1. Das Prinzip der strikten Unternehmenshaftung hat einen symmetrischen Ursprung. Wessen Handeln von Gewinnstreben geleitet ist, der hat, einfach gesagt, gesteigerte Pflichten gegen andere. Gewerbliche Mieter sind Kunden und Lieferanten gegenüber strenger verantwortlich als private31. Wer ein Gewerbe betreibt, haftet im Vergleich zum öffentlichen Bereich schärfer, weil er wirtschaftliche Zwecke verfolgt32 . 2. Dieses Prinzip lässt sich verallgemeinern. Je höher das Interesse wertungsmäßig veranschlagt wird, desto niedriger ist das zulässige Maß an Wagnisabnahme durch andere33. Es setzt sich in zwei Richtungen fort. Negativ, etwa wenn auch Private bei Grundflächen im Vergleich zu Hoheitspersonen schärfer haften, weil der Private in der Regel eigene wirtschaftliche Zwecke verfolge34. Positiv, etwa wenn ein Autor bei leichter Fahrlässigkeit Freistellung von Haftung wegen eines Druckfehlers deswegen verlangen kann, weil er für das Korrekturlesen kein Geld bekommt35. Wenn etwa der Inhaber des Ladens einen Händler gegen eine Umsatzbeteiligung tätig werden lässt, hat der Inhaber wegen dieser Beteiligung für Vorführungen und Verkaufsstand des Händlers Mitsorge zu tragen36 . 3. Am deutlichsten sind vielleicht die verschiedenen Privilegien für Inhaber von Gefahrenquellen mit begrenztem Nutzen für ihn. Jedermann darf nach Landesrecht einen Wald aufsuchen, um sich zu erholen. Dem Waldbesitzer wird ein komplementäres Haftungsprivileg gewährt. Er hat die Benutzung durch die Allgemeinheit zu dulden, haftet aber auch nicht voll, denn das Betreten der Wälder erfolgt „auf eigene Gefahr“37. 30  S. nur OLG Frankfurt VersR 1988, 191; zur Übertragbarkeit der Verantwortlichkeit in §  833 – §  836 etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht, §  76 III. 5 a; im Ergebnis Wagner, Münchener Kommentar, §  823 Rn.  372. 31  RGZ 83, 137 f.; RGZ 92, 359, 364; RGZ 95, 61, 118; BGHZ 5, 378, 382. 32  BGHZ 10, 54, 62. 33  Huber, Festschrift Wahl, S.  310 unter Verweis auf Exner, Das Wesen der Fahrlässigkeit, S.  202; Träger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, S.  196. 34  S. BGHZ 10, 54, 62. 35  Deutsch, JZ 1971, 65, 66; v. Bar, Verkehrspflichten, S.  126 f. 36  BGH LM 10 zu §  823. 37 §   14 Abs.   1 S.   3 Bundeswaldgesetz; daran sind die Länderrechte orientiert, etwa §  2 Abs.  1 LFoG NRW; s. auch zur Entlastung des Waldeigentümers unter Betonung des Konnexes zwischen Betretungsbefugnis und Übernahme waldtypischer Gefahren BGH NJW 2013, 48, 50; zuvor bereits OLG Köln NJW-RR 1987, 988; OLG Düsseldorf VersR 1998, 1166; OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1253.

§  13 Die Wagnisumschichtung durch deliktische Einstandspflichten für Leute und Gehilfen Nach einer Betrachtung der Risikoabwälzung durch die Gefährdungshaftung und durch dingbezogene Verkehrspflichten bleibt die Aufgabe, die Haftung für fremdes Verhalten auf analoge Ordnungsgründe hin zu überprüfen. Es ist, anders gesagt, zu erwägen, ob die Prinzipien haftungsrechtlicher Risikoverteilung eine von der Dingphysis der Gefahrenquelle losgelöste, höhere Gültigkeit haben. Es geht dabei lediglich um Wertungsparallelen in einem nur im Kasuistischen erfassbaren Haftungssystem, also um die Konzentration auf einige Fragmente.

I. Bestandsüberblick über die Mittel der verhaltensbezogenen Wagnisabwälzung Die Haftung für Leute und Gehilfen, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 vorgesehen ist, hat eine ordnungsstürzende Entwicklung hinter sich: Die Organhaftung wurde auf Leute ausgedehnt, die formal gar keine Organe waren. Es kam hinzu, dass die gerichtlichen Fortbildungen des Deliktsrechts, neben dieser Organhaftung für Nichtorgane – und zwar wieder ganz außerhalb des vom Culpasatz her denkenden Systems –, eine Organisationshaftung nach eigenen Regeln wurden. Der ganz große Bruch mit dem positiven System entstand aber bekanntlich durch künstliche, ad hoc erdachte Vertragslösungen. Die drei Fortbildungsbereiche in gedrungener Form: 1. Wie man die Exkulpation nach §  831 vermieden und die schon beschriebene Enge des Deliktsrechts historisch auf quasivertraglichen Umwegen durchbrochen hat, ist hundertfach beschrieben worden. Man schuf sich die Generalklausel, welche die 2. Kommission unbedingt vermeiden wollte, hier selbst und erfand das Vertragssurrogat des „sozialen oder geschäftlichen Kontakts“1, das zum Schuldverhältnis ohne Leistungspflicht kategorial aufgewertet und nun in §  311 Abs.  2 anerkannt wurde2 . In weiteren Schritten wurden „unselbständige Schutzpflichten“ (heute 1  RGZ 78, 239 (Linoleumrolle); BGH NJW 1962, 31 (Bananenschale); BGH NJW 1977, 376 (Motoryacht). 2  Canaris, Festschrift Larenz 1983, S.  27, 85 ff.

§  13 Deliktische Einstandspflichten für Leute und Gehilfen

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§  241 Abs.  2) und die Schutzwirkungen für Dritte ergänzt3. 2. Die in formaler Zuständigkeit wurzelnde Organhaftung, wie sie in §  31 punktuell vorgesehen ist (§  4), wurde zum universalen Allzweckinstrument. Nicht gemeint ist die Erstreckung der Organhaftungsregeln auf weitere juristische Personen und gesellschaftliche Verbände bis hin zur Außengesellschaft bürgerlichen Rechts; diese Entwicklung bleibt bezogen auf Organe mit institutionell gefasster Form. Gemeint ist die Organhaftung für Personen, die gerade keine Organe des Verbandes im Sinne des Gesellschaftsrechts sind4. Die dominante Entwicklung hat in der Aufsichtspflicht über Gehilfen (§  831 Abs.  1 S.  2) ihren frühen Ansatzpunkt. Aus dieser Oberaufsicht geht die überwölbende Organisationspflicht hervor. Die Entwicklung begann anhand von klassischen Unfallsituationen im Verkehr, anhand derer das Reichsgericht die Gehilfenhaftung des §  831 neu und anders würdigte und sie in ein alternatives Konzept überführte5. In einer richtungslosen Entwicklung werden Geschäftsherren- und Unternehmerhaftung, werden Haftung aus Verkehrspflichten (§  823) und für Aufsicht (§  831) zur nicht delegierbaren Organisationspflicht verschmolzen6 . Für diesen Mischbereich ist zweifelsfrei, dass er den Drittschaden durch betriebliche Tätigkeit betrifft, der durch Verschulden des Personals verursacht ist. Das Weitere, das Dogmatisch-Konstruktive oder auch die Abgrenzung zur Verschuldenshaftung – es wird sachlich eher für Systemfehler und Qualitätsfehler als für culpa gehaftet – ist zweifelhaft, kann aber hier ebenso wenig behandelt werden wie die Detailfragen (dezentralisierte Entlastung, mittelbare Schädigung, Haftung für Produkte usf.) 7.

II. Symmetrietopische Rechtfertigung der Gehilfenund Leutehaftung Liegt der Grund dieser Systemfortbildung in einem Mangel der Gesetze, in einem Defizit des Culpaansatzes selbst oder ist er in derselben Symmetrieidee zu suchen, wie wir sie in den vorherigen Paragraphen kennen gelernt haben? Die Antwort lautet: Vergleicht man den Pluralismus der deliktischen und vertraglichen Leutehaftung als Mittel der Risikozuteilung mit der dinghaften Risikohaftung, wie sie in den beiden vorherigen Paragraphen geschildert wurden, so ist die gemeinsame Wertbasis die Korrelation von ›Eigeninteresse, Vorteil, Nutzen‹ gegen Wagnisübernahme, die materiale Symmetrie. 3  Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), 501; Canaris, JZ 1965, 475 ff.; näher Kreuzer, Culpa in contrahendo und Verkehrspflichten, passim. 4  Grundlegend BGHZ 49, 19, 21; für einen Überblick s. Reuter, Münchener Kommentar, §  31 RdNr.  5 ff. 5  RGZ 78, 107 und RGZ 53, 53, 65 f. 6  Statt vieler s. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S.  689 ff. 7  Wie zuvor.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Ex qua persona quis lucrum capit, eius factum praestare debet, steht in einem Fragment bei Ulpian8 . Wer jemand anderen für sich einsetzt, hat für dessen Fehler einzustehen. Die Zurechnung des Verhaltens anderer musste in aufgeklärter Zeit, wie gesehen, abrupt enden9. Die Wiedereinführung beginnt genau dort, wo auch das Prinzip der Gefährdungshaftung entsteht, im Vorfeld des Haftpflichtgesetzes im 19. Jahrhundert. In einer Abhandlung Ubbelohdes wird die Institor-Haftung für einen Unternehmer befürwortet, der in Gewinnabsicht durch Gehilfen handle und für andere Gefahren schaffe10 . Auch die sachliche Verbindung mit der Gefährdungshaftung für Eisenbahnen ist dort schon explizit11. In den folgenden Jahren setzt sich diese Sicht durch. Für Erfüllungsgehilfen heißt es in den Motiven: „der Schuldner, der sich der Hilfe Dritter bei der Bewirkung der Leistung bedient, handelt im eigenen Interesse und folgeweise auf eigene Gefahr“12 . Knapp hundert Jahre später formuliert der Bundesgerichtshof, die Haftung für Erfüllungsgehilfen beruhe auf der Annahme, „daß der Schuldner mit der Einschaltung eines Gehilfen seinen Geschäftskreis im eigenen Interesse erweitert und folglich das mit der Arbeitsteilung verbundene Personalrisiko tragen soll“13. Dies ist als Kernwertung für den vertraglichen Bereich mehr oder weniger streitfrei14. Eine fehlende Parallelisierung von vertraglicher und deliktischer Leutehaftung ist im Allgemeinen so oft beschrieben worden, dass Hinweise genügen15 : Das Konzept des §  831 ist das der culpa in eligendo sive custodiendo sive inspiciendo. Dass es – anders als Art.  1384 Code Civil – gerade keine strikte Ein­ standspflicht für Gehilfen vorsah, war schon am Erstentwurf stark kritisiert worden16 . Er wurde so begründet: „Dem deutschen Rechtsbewusstsein, auf das es allein ankomme“, liege eine strikte Einstandspflicht „ganz fern“. Man wollte „industrielle Zweige sowie die kleineren Landwirtschaften“ vor einer „so schweren Last“ schonen17. Unternehmenshaftung findet heute außerhalb dieser 8 

Dig. 50.17.149. S. einleitend II. 3. Im CMBC war nur vorgesehen, dass niemand für einen anderen deliktisch haftet, ausgenommen waren Sorgepflichten für Kinder und Kranke, IV 16, §  3 Nr.  7, §  6 Nr.  8 CMBC. Das ALR kannte noch eine Verantwortlichkeit für Dienstboten, Lehrlinge oder Mieter, ALR I 6, §§  60 ff. Weiter gingen das ABGB, das eine Generalklausel für Schäden von Personen zur Besorgung der Angelegenheiten des Geschäftsherrn in §  1315 vorsah, und bekanntlich der generalklauselartige Art.  1384 cc. 10  AcP 7 (1860), 229, 232 ff., 260. 11  AcP 7 (1860), 229, 230, Rn.  1. 12  Mot. II, S.  30. 13  BGH NJW 1996, 451; ebenso BGH NJW 1996, 464, 465. 14  S. etwa aus der Lehre v. Caemmerer, Festschrift Hauß, S.  33 f.; aus der Kommentarliteratur Grundmann, Münchener Kommentar, §  278 Rn.  3 ; aus der Didaktik Larenz, Schuld­ recht I, §  20 VIII., S.  297. 15  Schlechtriem, Festschrift Heiermann, S.  281 ff. 16  DJT von 1884 und 1886, s. Meyer, Verhandlungen des 17. DJT, Band 1, S.  125 ff. und Petersen, Verhandlungen des 18. DJT, Band 1, S.  275. 17  Prot. S.  2784 = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1094. 9 

§  13 Deliktische Einstandspflichten für Leute und Gehilfen

227

Zentralnorm statt. Und diese – wahre – Gehilfenhaftung wird durch dieselben symmetrietopischen Erwägungen gerechtfertigt18 , und zwar in den topischen Variationen, die wir schon bei der Gefährdungshaftung kennengelernt haben19.

III. Wirkungsanalyse symmetrierechtlicher Haftungselemente in der Judikatur In einer an Wiederholbarkeit der gerade gewonnen Einsichten interessierten Darstellung werden die Feinheiten der Kasuistik, welche die praxisbezogenen Arbeiten beherrscht, nebensächlich. In der Positivität der heutigen betrieblichen Organisationspflichten selbst – als einem korrigierenden Gegenkonzept zu §  831 – ist schon das Prinzip der Konzentration betrieblicher Vorteile und Risiken wirksam. Denn diese betrieblichen Pflichten werden ausdrücklich auf das Prinzip der strikten Unternehmerhaftung zurückgeführt. Das ist viel erörtert und bekannt 20 . Man sieht dann auch, wie sich der geschilderte freiheitsaxiomatische Konnex von lucrum und periculum erneut als Zurechnungsgedanke fortsetzen lässt 21. Er bedeutet hier, dass dem Unternehmensträger die Pflichtverstöße aller Mitarbeiter zugerechnet werden 22 . Es bleibt, einige punktuelle Konsequenzen dieser Grundsätze in der Kasuistik aufzuzeigen. 1. Ein Beispiel sind die sogenannten „körperschaftlichen Organisationspflichten“23. Für juristische Personen gibt es einen besonderen Pflichtentypus, der eine Ergänzung zu den allgemeinen betrieblichen Organisationspflichten bedeutet. Er geht über die allgemeine Anforderung, die Aufgaben unter den Personen im Betrieb sachlich richtig zu verteilen und zu überwachen, deutlich hinaus: Für die Spitze der Organisation soll – als wäre eine Art Hauptperson im Verband nötig – nicht nur die Eignung zur Kontrolle oder Führung maßgebend sein, sondern die Eigenschaft als Organ selbst. An der Organisationsspitze hat ein Organ zu stehen. Es ist also so, dass es bei bester Eignung des Handelnden, 18  v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S.  15; Koziol, Festschrift Wilburg II, S.  173, 178; Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S.  5, 69; Wilburg, Elemente des Schadensrechts, S.  30; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S.  309 f. 19  Ein jüngeres Beispiel ist es, wenn die Haftung als Preis für die „Haftungsfreizeichnung durch Delegation“ bezeichnet wird, etwa bei Schmidt-Kessel in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), §  278 Rn.  1; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn.  242. 20  Aus der umfänglichen Literatur zur Unternehmenshaftung sind stellvertretend die Ansätze von Baums, Festschrift Lukes, S.  623 ff. oder Karsten Schmidt, Festschrift Raisch, S.  189 ff. zu nennen. Zur europäischen Entwicklung s. Wagner in v. Bar/Schulte-Nölke/ Schulze (Hrsg.), Der akademische Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen, S.  161 ff. 21  §  2 I. 2. 22  Steffen, ZVersWiss. 1993, 13, 27 f. 23  Zu ihnen Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S.  601 ff.

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

bei einer sachlich-qualitativ genügend geordneten und überwachten Gefahrenabwehr, dennoch zu einem pflichtwidrigen Organisationsmangel im Rechtssinn kommen kann 24. Lässt man sich näher auf die Rechtfertigung dieser künstlichen, „körperschaftlichen“ Pflicht ein, besteht kein Zweifel, dass der Grund mit dem Haftungsgrund bei §  31 verwandt ist. Denn das Ziel dieser Organisa­ tionspflicht ist es, den durch §  31 bezweckten Haftungsschutz zu sichern, indem an der Spitze der organisierten betrieblichen Gefahrenabwehr das Unternehmen für das Verschulden des Handelnden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen hat25. Es handelt sich damit gleichsam um eine Fortsetzung derjenigen Symmetriewertungen, die bei §  31 schon festgestellt wurden 26 . 2. Ein weiteres Beispiel ist der Kasuistik zur ›Übernahme von Verkehrspflichten‹ entnommen 27. Ausgangspunkt ist der Grundsatz der Eigenhaftung bei delegierter Pflicht. Die Haftung von gezielt eingeschalteten Personen, die nicht primäre Pflichtadressaten sind, geschieht zum Schutz der Pflichtbindung. Solche delegierten Pflichten bedürfen einer besonderen Begründung, denn es ist klar, dass nicht der primäre Pflichtbefehl, sondern erst ein Zusätzliches, etwa: Vertrag, Ingerenz, Vertrauen, die sekundäre Pflicht begründet. Grundlegend ist ein Urteil des Reichsgerichts vom 7.12.1905, in dem es um den Treppensturz eines Mieters ging. Der bisherige Eigentümer hatte dem Erwerber die Beaufsichtigung des Gebäudes zugesagt; die Aufsicht wurde von seiner Frau übernommen, die später vergaß, eine defekte Tür zu sichern. Der verletzte Mieter, so entschied das Reichsgericht, konnte sich nach §  823 bei der Frau und nach §  831 bei dem Mann schadlos halten 28 . Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz der Eigenhaftung übernommen, allerdings die vom Reichsgericht zur Recht­ fertigung bemühte künstliche Vertragsfiktion gegen einen Vertrauens­topos gewechselt29. Dieses Prinzip der Eigenhaftung bei delegierter Pflicht wird aber symme­ trierechtlich begrenzt. Grundlegend ist hier ein Urteil des Reichsgerichts vom 23.3.1921: Der Verkäufer hatte einen Ballen Tuch durch einen Spediteur versen24  RGZ 89, 136, 137 f.; 157, 228, 235 f.; RG JW 1936, 3162, 3163; BGHZ 24, 200, 213; BGH NJW 1980, 2810, 2811. Grundlegend Landwehr, AcP 164 (1964), 483 ff. 25  BGH NJW 1980, 2810, 2811. 26  §  4 II. 3. 27  S. zur Problematik v. Bar, Festschrift Kitagawa, S.  279; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  393 ff. 28  JZ 1906, 59 f. Es unterstellt dabei, die Frau habe die deliktische Pflicht aufgrund vertraglicher Abrede übernommen. Das Beispiel steht für eine Gruppe von Entscheidungen, deren maßgebliches Kriterium es ist, dass es sich um Sicherungspflichten handelt, welche die Allgemeinheit schützen sollen, s. zu Nachw. die Fn. zuvor. 29  S. RGRK/Steffen, §  823 Rn.  129; zur Begründung durch Vertrauenstopik s. BGH NJW 1959, 34, 35 oder auch BGH VersR, 1961, 233. Der Gedanke ist: Die vertrauensbegründende Übernahme einer bestehenden Pflicht verhindert, dass der vertrauende Pflichtenträger als erster Adressat die Gefahr nicht mehr steuert und abwendet, s. ausdr. BGH VersR 1989, 526, 527.

§  13 Deliktische Einstandspflichten für Leute und Gehilfen

229

den lassen, der seinerseits ein Rollfuhrunternehmen beauftragte. Es ist nicht schwer zu sehen, dass ein Prinzip der unerbittlichen Eigenhaftung der Arbeiter gar nicht durchgehalten werden kann. Mit dem Urteil des Reichsgerichts beginnt folgerichtig eine Urteilslinie, die eine Grenzziehung bedeutet. Denn der Kutscher wurde hinsichtlich des beförderten Guts nicht mit deliktischen Pflichten gegen dessen Eigentümer belastet, sondern das ihn beschäftigende Unternehmen 30 . In einem anderen Beispiel hat der Bundesgerichtshof einen Aufsichtsmann, der für den Gutsbesitzer tätig war, die Pferde der Klägerin aber vernachlässigte, nicht für die toten Tiere haften lassen: nicht jede schlechte Berufsausübung führe zur deliktischen Einstandspflicht31. Es ist hier nicht wichtig, ob die Suche nach einem dogmatischen Kriterium für die Entlastungsregeln zu dem Grad der Selbständigkeit oder zu bestimmten Aspekten der berührten Interessen führt32 . Die Entlastung für Arbeitnehmer, der eine Belastung des material zuständigen Arbeitgebers mit Primärpflichten entspricht, ist offenbar die Folge eines Prinzips, das betriebliche Vorteile und Nachteile beim Inhaber des Betriebs konzentriert. Man hat etwas bildlich gesagt, die bekannten vertraglichen Entlastungsprinzipien für Arbeitnehmer wirken nach außen 33. Dass sie symmetrierechtlicher Art sind, deutet sich bereits an und ist später näher zu begründen 34.

30 

RGZ 102, 38, 42 f. BGH LM Nr.  2 zu §  823 (H) BGB. 32  Für letzteres BGH NJW 1987, 2510. 33  So in der Tat Westermann, DNotZ 1991, 813, 818 f. in einer Besprechung des Urteils in BGH NJW 1987, 2510. 34  Ausf. unten, §  16. 31 

Vierter Unterabschnitt

Die symmetrische Risikoentlastung von Aufwendungen und Opfern Es entspricht der symmetrischen Methode, nach einem Komplement der geschilderten Risikobelastung zu fragen, gewissermaßen einer symmetrischen Risikoentlastung nach analogen Sinn- und Wertgedanken. Schon früher haben wir deutliche Verwandtschaftslinien zwischen Belastungs- und Entlastungsphänomenen gezeigt, etwa bei der dingbezogenen negativen Pflicht, notwendige Verwendungen auf Eigentum zu ersetzen (§  994, §  999) und der Entlastung für andere Opfer auf Eigentum (§  996). Außerhalb der formalen Verteilungsordnung allerdings dürfte es, wie gesehen, eine materiale Entlastung im Grunde nicht geben1. Das war gerade ein systemischer Leitgedanke, der sich bei der Zurückweisung der Versionsklage – als eines Archetyps einer Entlastungsbefugnis – deutlich zeigte2 . Und doch gibt es heute die Im­pensenkondiktion. Nach den Ausführungen zur Gestion im Paragraphen 5 liegt es nahe, diesen Faden wieder aufzunehmen. Bislang wurde in Bezug auf den unübersichtlichen Rechtsstoff der regressrechtlichen, angewandt-technischen, öffentlich-rechtlichen Gestion nur – rein formal – gefragt, auf welche Art im „echten“ Gestionsverhältnis, so wie es ex lege entsteht, Vorteile und Nachteile verteilt sind. Bislang ging es, anders gesagt, nicht darum, wann es zur Ges­tion überhaupt kommt. In der objektiven Gestionskonzeption, welche die Fremdheit des Geschäfts, verstanden als eine Zugehörigkeit zu einer „Rechts- und Interessensphäre“, zu ihrem Schlüsselbegriff macht, ist dann zu erwägen, ob diese Kreismetapher formal, kasuistisch, interessenjuristisch oder (auch) nach analogen Symmetriewertungen bestimmt wird.

1  2 

§  1 I. 3. §  2.

§  14 Die gestionsrechtliche Entlastung Die moderne negotiorum gestio ist in der Architektonik der Ausgleichsordnung eine tragende Säule. Es fragt sich nunmehr, ob sich in ihrer Kasuistik zeigt, dass die geschilderte Axiologie der objektiven Wagnisverteilung nicht nur zu haftungsrechtlichen Belastungen führt, sondern – gleichsam umgekehrt – ob dieselben Wertungen relevant werden, wenn Risiken zwischen Helfer und Begünstigtem verteilt werden.

I. Vorbemerkung zur Bestimmung der gestionsrechtlichen Fremdheit durch Rechts- und Interessenkreise Im Mittelpunkt der objektiven Gestionskonzeption steht die Fremdheit des Geschäfts, die durch den Rechts- und Interessenkreis bestimmt wird. Auch die subjektive Opposition gegen diese Sicht muss erklären, wann ein Geschäft fremd ist, denn jedenfalls die angemaßte Geschäftsführung setzt den Übergriff in den Bereich eines anderen gedanklich voraus. Das Recht der auftragslosen Geschäftsbesorgung, das nur noch in der Kasuistik einigermaßen als Ganzes begreiflich ist, soll in einem Überblick vorbereitet werden, dessen Darstellung auf ein Wesentliches gekürzt ist1. Als rein freiwillige Hilfeleistung mit altruistischer Motivation kommt die Gestion kaum vor. Die Suizidverhinderung ist ein wiederkehrendes Praxisbeispiel, bei dem das Handeln im Interesse des Überlebenden meist eine hochkünstliche Annahme bleibt. Wichtiger ist die Behördenhilfe für Private oder andere Behörden. Eine zweite Gruppe bilden unechte und kranke Gesamtschuldverhältnisse, also genuines Regressrecht. Schon der berühmte Dombrandfall, als ein Paradigma der Regressfrage, wurde nicht schadensersatzrechtlich gelöst, sondern gestionsrechtlich 2 . Die gestionsrechtlichen Regresskriterien mussten aufs Äußerste gelockert werden, als Gerichte dazu übergingen, das Gestionsrecht zur Auffüllung von Lücken in Verträgen oder dem Abwicklungsrecht für nichtige Verträge zu nutzen 3. 1 

S. näher die gute Darstellung bei Helm, Gutachten und Vorschläge, Band 3, S.  335 ff. S. §  7, Fn.  77. 3  Bezeichnenderweise ist stets vorsichtig vermieden, §  687 S.1, der doch an sich die Anwendbarkeit ausschließen müsste, auch nur zu erwähnen. 2 

232

Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

Schon diese skizzenhafte Zusammenstellung zeigt Problemzusammenhänge auf, die außerhalb unseres Kernanalysefeldes liegen, also zu persönlichen Rechten oder Pflichten sowie zu personenbezogenen, nicht-vermögensrechtlichen Vorteilen. Dazu wird die Regressgestion zu rechnen sein. Mit diesem Typus verwandt ist die Aufwendungsgestion für die Erfüllung von Pflichten ohne Leistungsanspruch eines anderen.

II. Die wahren Sinn- und Wertkriterien für die gestionsrechtliche Wagnisverteilung Ist es angesichts dieses Befundes überhaupt noch eine adäquate Forschungsaufgabe, nach einem Einheitskonzept für alle Typen der Gestion zu suchen? Es muss als unwahrscheinlich gelten, dass ein einziger Gedanke eine Befugnissubstanz, die in der Vagheit des „Rechts- und Interessenkreises“4 nicht gleich wieder verloren geht, für alle Arten von Befugnissen an etwas Äußerem (Person, Ding, Verhalten) vollständig erklärt. Ist es dann nicht unausweichlich, die gefächerte Ambivalenz nur mit einem bis zur Falschheit ungenauen Universaltheorem erfassen zu können? Konzeptionell fehlt es hierbei an einem ordnungsstiftenden Einheitsgedanken, nach Ansicht zahlreicher Kritiker besteht dogmatische Ignoranz. Wer die Ordnungsvielfalt des Gestionsrechts auf einen Gedanken zurückführen will, kommt – nicht anders als im Restitutionsrecht oder sonstigen Ausgleichsrecht – nur zu vagsten Abstraktionen und wird zudem ständig von richterlichen Denaturierungen dieses Einheitsgedankens enttäuscht. Die Aufgabe ist demnach, parallele Wertungen in dem gestionsrechtlichen Vielen zu erkennen. Die hier bevorzugten Bereiche, in denen nach Wertungsparallelen zu suchen ist, sind drei: die Figur des mittelbaren Interesses, die heimlichen Elemente der Gefährdungshaftung durch die negotiorum gestio und einige Symmetrieregeln, wie wir sie aus dem Bereich der Culpa-Haftung schon kennen.

1. Zur Figur des „mittelbaren Interesses“ Es ist zunächst an die Formendetermination des gestionsrechtlichen Fremdheitsbegriffs, wie sie in §  1 I. 3 geschildert wurde, kurz zu erinnern. Der freirechtliche Vorschlag Isays ging dahin, dass „nicht das Eigentum das für die Vermögensangehörigkeit des Geschäfts entscheidende Kriterium ist, 4  Neu bei dieser gestionsrechtlichen Kreismetapher ist nur die gedankliche Umkehrung. Die Fremdheit im Sinne der Befugnis eines anderen wird meist negativ verstanden. Fremd ist ein Geschäft, zu dem ein anderer verpflichtet ist, auf dessen Vornahme im Regelfall andere wie Behörden, Nachbarn, Unterhaltsgläubiger Anspruch haben. Der Kreis ist nicht Keim zahlreicher Schutzansprüche, sondern Ende zahlloser Verpflichtungen.

§  14 Die gestionsrechtliche Entlastung

233

sondern ein anderes Moment nicht-juristischer Natur“, und zwar ein nur per Verkehrsanschauung erfahrbares periculum5. Das hat sich mit gutem Grund nicht durchgesetzt6 . Der Bundesgerichtshof hat, wie gesehen, die „Führung eines objektiv fremden Geschäfts“ von der Innehabung der Eigentumsform (nicht vom periculum, commodum, Interesse) abhängig gemacht7. Es ist zu vermuten, dass eine radikale Auflösung der formalen Verteilung durch Interessenanalysen gar nicht rechtssicher gelingen kann. Ein gestionsrechtlicher Fremdheitsbegriff wird sich jedenfalls leicht in der gestions-dogmatischen Mikrowelt verlieren, wo ihm dieser rechtssichernde Halt fehlt. Damit ist der erste Hinweis für diese nur in kasuistischen Facetten begreifliche Kreisformel der Judikatur schon gegeben. Auch die Gestion ist durch die formale Verteilung durch institutionelle Zuständigkeitstypen bestimmt. Was ist dann fremd, was ein Interessenkreis? Das Methodenprinzip der freien Interessengewichtung hat lange keine Anhänger mehr. Die begriffliche Aufwertung der alten „Interessensphäre“ zur „Rechts- und Interessensphäre“ ist auch nur eine Verlegenheit, der gleich eine zweite hinterher geschoben werden muss, und zwar die Distinktion von mittelbaren und unmittelbaren Interessen8 . Auch diese Distinktion ist gestiftet durch den Protagonisten der Interessenjuris­ prudenz selbst9. Was ist mit diesem Versuch, das Kreisinnere zu beschreiben, erreicht? Der Zusatz, den die Judikatur zur Präzisierung gibt, der Ausschluss mittelbarer Interessen oder von Interessenreflexen, ist inhaltslos. Was mittelbar ist, erschließt nur die Kasuistik. Wie die schiefen Folgen interessenjuristischer Freiheiten zurechtgebogen werden, ist anhand zweier Beispiele zu erwähnen. 1. Ein Geschäft berührt oft viele Interessen, das Brandlöschen begünstigt den Eigentümer wie den Brandstifter, weitere für die in Brand geratene Sache Verantwortliche wie den gefährdeten Nachbarn oder den Versicherer. Die Rechtsprechung behilft sich bei der Auswahl aus diesen vielfältigen Interessen mit dem negativen Ausschluss des nur „mittelbaren Interesses“, dessen Kennzeichen es sein soll, dass jemand den „angerichteten Schaden nur für einen anderen in Geld zu ersetzen habe“10 ; oder: dass jemand nur „an der Verringerung des Schadens“ interessiert sei, denn dies führe das „Geschäft nicht in seinen Rechtskreis“11. Das sind bildliche Umschreibungen für das Versicherungsinteresse ohne eigene Erklärungssubstanz. Wo eine Versicherung einen drohenden Schaden tragen muss, wechseln die Interessen: Der Versicherte kann schwerlich wol5 

Isay, Geschäftsführung, S.  63 mit fehlerhafter Beweisführung. §  6. 7  S. oben, §  1 I. 3. 8  Vgl. BGH NJW 2000, 72; zum „mittelbaren“ Interesse s. bereits BGHZ 54, 157 = NJW 1970, 1841; s. auch sogleich im Text. 9 S. Jhering, Der Geist des römischen Rechts, Dritter Teil, S.  317 ff., näher die Einleitung, II. 2. 10  BGHZ 54, 157 = NJW 1970, 1841. 11  BGHZ 54, 157 = NJW 1970, 1841. 6 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

len, dass der Gestor gefährliche Rettungshandlungen vornimmt, für deren Misserfolg er einzustehen hätte; der Versicherer wird die Schadensverhinderung umso mehr wollen. „Unmittelbares Interesse“ bedeutet dann offenbar eine Art Letztzuständigkeit, oder besser: eine negative Vermögensbefugnis. 2. Im Laufe der Analyse haben wir die Befugnisse in formale Zuständigkeiten und materiale Symmetrien unterteilt. Für die Dingformen ist schon gesagt worden, dass dort, wo es formale Rechtszuständigkeiten gibt, stets das Interesse des Forminhabers selbst entscheidend ist. Es ist nicht der richtige Ort, eine neue gestionsrechtliche Formel zu entwickeln. Aufmerksam zu machen ist nur da­ rauf, dass ein an den (formalen) Befugnissen orientiertes Denken die Kasuistik klarer werden lässt. Einige Beispiele aus der Judikatur: Wer nach einem Verkehrsunfall oder beim Tanken ausgelaufenes Benzin entfernt, ist für sein Fahrzeug und seine Handlung „zuständig“, nicht etwa seine Versicherung12 . Der Bauer, der sein Weideland einzäunt, handelt für sich, selbst wenn dies zugleich der benachbarten Bahn nutzt, auf deren Gleisen weniger Unfälle zu erwarten sind13. Wer ein Schiff instand setzt und versichert, handelt für den Formeigentümer, nicht für einen die Versteigerung betreibenden Pfandgläubiger oder gar für den Ersteigerer14. Der Vermieter, zuständig für die Substanz der Mietsache, führt sein Geschäft aus, wenn er die Mietsache umbaut, nicht das des ausgezogenen, zahlungsunfähigen Mieters oder des für ihn haftenden Bürgen15. Was bedeutet das aus einer symmetrierechtlichen Sicht? Es kann offenbar gesagt werden: Der formal Befugte (Dingberechtigte, Handlungszuständige) ist der gestionsrechtlich Interessierte. Dann aber folgt in der Tat die gestionsrechtliche Enlastung (des Geschäftsführers) aus der formalen Nichtbefugnis (des Geschäftsherrn). Das entspricht der eingangs aufgestellten Vermutung zur positiven (entlastenden) Seite der Nichtbefugnis16 .

2. Heimliche Wagniszuweisung auch im Gestionsrecht Zurück zu den Bereichen einer gestionsrechtlichen Entlastung als einer materialen Symmetrie. Die Attribute, welcher sich die Rechtsprechung zur Auffüllung des „Rechts- und Interessenkreises“ bedient, sind am subjektivrechtlichen Paradigma orientiert. Fremd sind vor allem Geschäfte, auf deren Vornahme andere Anspruch haben. Der Kreis ist diesmal nicht als Schutzkranz (von dem aus sich Ansprüche gegen andere entfalten), sondern umgekehrt als PflichtKreis gedacht. Anhand zweier Beispiele ist zu zeigen, dass es – wiederum wie 12  BGHZ 54, 157 = NJW 1970, 1841; BGHZ 72, 151 = NJW 1978, 2030 f.; RGRK/Steffen, vor §  677 Rn.  14. 13  BGH LM §  683 Nr.  17. 14  RGZ 97, 61, 66. 15  BGHZ 82, 323 = NJW 1982, 875. 16  S. die Einleitung, III. 3.

§  14 Die gestionsrechtliche Entlastung

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es dem symmetrierechtlichen Ansatz entspricht – auch bei der gestionsrecht­ lichen Entlastung (gedacht als positive Nichtbefugnis) als einem gedanklichen Gegenstück zur objektiven Risikohaftung (gedacht als negative Befugnis) heimliche Wag­nis­umschichtungen nach analogen, symmetrietopischen Wertkriterien gibt. 1. Kehren wir dazu zum Funkenflugfall (BGH v. 20.6.1963 – VII ZR 263/61) als einem Prototyp der Situation der Gefährdungshaftung zurück17 : Die Bahn hatte 1959 eine ganze Reihe von Waldbränden verursacht. Eine hessische Gemeinde, deren freiwillige Feuerwehr an den Löschungen beteiligt war, verlangte von ihr Kostenersatz. Das Feuer war – über hundert Jahre nach der Entstehung der Gefährdungshaftung in Preußen! – durch Funkenflug einer Dampf­ loko­motive entstanden18 . Diese fast greifbare Nähe zur Gefährdungshaftung muss die Frage nahelegen, ob es sich auch hier um objektive Wagniszuweisung handelt. Der Bundesgerichtshof geht auf diese Parallele nicht ein, sondern sucht einen Halt in der „Natur“ des besorgten Geschäfts, in seinem „Wesen“ und ob dieses ein „ganz oder wenigstens auch ein objektiv fremdes“ sei. „Zu diesem Interessentenkreis gehörte hier neben den Eigentümern die Bundesbahn. Sie haftete den Eigentümern gem. §  1 SachschHG auch ohne eigenes Verschulden für den Schaden. Deswegen mußte ihr, wie bei objektiver Betrachtung außer Zweifel stand, dringend an dessen Verringerung gelegen sein“19. Das ist nun in der Tat keine sorgfältige Interessenanalyse, sondern verkappte Gefährdungshaftung. Die Bahn haftete nach §  4 SachschHG summenmäßig begrenzt, und zwar 1959 bis 25.000 Mark, was für die Argumentation der Interessenjudikatur an sich maßgeblich war, aber unerwähnt blieb. 2. In einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.10.1974 (VII ZR 223/72) findet sich dieselbe heimliche Wagnisabwälzung in gleicher rhetorischer Verkleidung noch einmal. Es handelte sich um Schäden, die bei der Bergung eines gekippten Öltankwagens entstanden waren, der auf vereister Strecke in eine Böschung gestürzt war. Die Feuerwehr der beklagten Stadt hatte den Tanker mit einem Kran aufgerichtet, aber dabei drang Öl aus dem Tanker ins Erdreich und verursachte Reinigungskosten in Höhe von rund 65.000 Mark. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass zwischen Firma und Stadt ein gestionsrechtliches Legalverhältnis entstanden war. „Denn die Bergung des Lkw sei ihrem Wesen nach für die Feuerwehr jedenfalls auch ein objektiv fremdes Geschäft gewesen. Mit der Abwehr der dadurch der Allgemeinheit drohenden Gefahren habe sie zugleich der für die Entfernung des Fahrzeugs an sich verantwortlichen Halterin Hilfe geleistet“20 . Die nähere Begründung ist von BGHZ 40, 28 übernommen. Das Wesen des Geschäfts, die gleiche Interessenlage wie im Fun17 

BGHZ 40, 28 = NJW 1963, 1825. S. Einleitung I. und §  11 II. 1. 19  BGHZ 40, 28 = NJW 1963, 1825, 1826. 20  BGHZ 63, 167= NJW 1975, 207. 18 

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Erster Hauptteil: Die statische Verteilungsordnung

kenflugfall und ein altruistisches Moment seien wesentlich: „Die Interessenlage ist in diesem Falle die gleiche. Zu den öffentlichen Aufgaben der Feuerwehr gehört auch die Beseitigung von Gefahren, wie sie hier aufgetreten waren. Zugleich leistete sie bei der Bergung des Fahrzeugs demjenigen Hilfe, der für die aus dem Unfall drohenden Schäden verantwortlich war, hier also der Fahrzeughalterin, deren Geschäfte sie mitbesorgt hat“21. Die Herleitung des altruistischen Moments aus der drohenden Ersatzpflicht der Firma (als Halterin) wird nicht expliziert. In Wahrheit erfolgt heimlich eine objektive Wagniszuweisung, man kann auch von einer gewissermaßen in den Regress verlängerten Gefährdungshaftung sprechen.

3. Die gestionsrechtliche Enthaftung bei Aufwendungen für Leute und Arbeitnehmer Wenig bemerkt, aber durchaus charakteristisch ist schließlich die gestionsrechtliche Risikohaftung des Arbeitgebers bei Aufwendungen von Arbeitern. Bei betrieblichem Handeln finden wir zwischen den interessenjuristischen Notformeln eine objektive Wagniszuweisung nach den Regeln, die wir im Haftungsrecht kennen gelernt haben. Es gibt dieselbe symmetrische vertikale Konzentration betrieblicher Risiken und Chancen. Ein Beispiel soll auf diese Parallelisierung hinweisen. In einem Urteil vom 21.1.1971 (VII ZR 97/69) hatte der Bundesgerichtshof über folgenden Fall zu entscheiden. Auf dem Gelände der Stadtwerke wurde ein Graben für eine Ferngasheizung ausgehoben. Das beauftragte Bauunternehmen hatte einen Steg, der über einen Graben führte, nicht so, wie es nötig gewesen wäre, beleuchtet und gesichert. Eine Angestellte der Stadtwerke stürzte in diesen 1,80 m tiefen Graben. Ein Rohrmeister, der ebenfalls bei den Stadtwerken angestellt war, wollte ihr helfen, stürzte aber selbst. In wessen Interesse handelte der Helfer: in dem der Angestellten, der Berufsgenossenschaft oder des Arbeitgebers? Mit äußerst künstlicher Begründung wird die Betriebsunfallversicherung „mittelbar“, der Arbeitgeber als unmittelbar „interessiert“ angesehen 22 . Der bestimmende Aspekt, der gerade das „Interesse“ des Arbeitgebers hervorhebt, soll wieder eine Pflicht sein. Nach den vom „Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften erlassenen Unfallverhütungsvorschriften“ sei das Unternehmen verpflichtet, für Erste Hilfe bei einem Arbeitsunfall zu sorgen 23. Weder wird das näher geprüft noch gesagt, warum die Helferpflicht des Rohrmeisters nicht ebenso beachtlich sein soll. Und wie, wenn eine solche textliche Pflicht fehlt? Die Hilfsformel einer allfälligen Zuweisung nach irgendwelchen Interessen lässt sich nunmehr bereits in Richtung einer symmetrischen Konzentration 21 

BGHZ 63, 167 = NJW 1975, 207, 208. BGHZ 55, 207 = NJW 1971, 754. 23  BGHZ 55, 207, 209 = NJW 1971, 754, 755. 22 

§  14 Die gestionsrechtliche Entlastung

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korrigieren. In Wahrheit haftet der Arbeitgeber für Arbeitsunfälle nach den bekannten (symmetrietopischen) Wertungen 24.

24 

S. bereits §  13 III. und ausf. §  16 I.

Zweiter Hauptteil

Die dynamische Verteilungsordnung In der dynamischen Verteilungsordnung, der Ordnung des ›Bekommen-Sollens‹, wird die Rechtszuständigkeit an etwas außer mir auf ein anderes Subjekt übertragen. Den Aktstypen, in denen sich der Wechsel vollzieht, liegt ein Programm für den Wechsel der Zuständigkeit zugrunde, sei es ein vertragliches, sei es ein gesetzliches. Dieses Programm wird in einem zweiten Hauptteil der Arbeit exemplarisch untersucht. Die These von einem Primat der Symmetrie hat sich für die statische Verteilungsordnung (gedacht als ein formales Zuständigsein für Dinge, Verhalten, Person oder als materiale Symmetrien) im ersten Teil der Arbeit erhärtet. Ein symmetrischer Basissatz darf an dieser Stelle nicht einfach als induktiv bewiesen und für andere Teile der Privatrechtsordnung gültig angesehen werden. Seine hypothetische Annahme soll vielmehr in dem zweiten Hauptbereich des Zivilrechts, der Vertragsordnung, dem Falsifikationsversuch standhalten. Einzulösen ist dies, indem die Verteilungsprogramme hinsichtlich der wesentlichen Phänomene des Symmetrischen (Konzentration und Komplementarität, Rechtfertigungszwang für Asymmetrien) in ausgewählten Bereichen des juridischen Bekommen-Sollens überprüft werden. Der zweite Teil der Arbeit kann mit einer größeren Direktheit auf das symmetrische Thema zugehen, als es im ersten Hauptteil möglich war, in dem es noch um symmetrische Basiseinsichten ging. Er ist auf Beispiele zu Vertragstypik und Vertragsabwicklung begrenzt.

Erster Abschnitt

Die symmetrische Ordnung in den normativen Vertragstypen und ihren Ergänzungen Das Gebot der Privatautonomie, gedacht als schöpferische Bestimmung des Rechtsverhältnisses in „Selbstherrlichkeit“ (Flume), kann gegen die bewusste Wahl asymmetrischer Verteilungsprogramme kaum Einwände haben. Wenn Einsichten in das Symmetrische aus unserer Vertragsordnung dennoch gewinnbar sind, dann dort, wo diese nachgiebiges Recht enthält. Das hängt mit der Aufgabe eines Typenkataloges zusammen, der nicht durch einen Typenzwang beengt wird: Erstens mit der Reserveaufgabe – da die vertragliche Abrede nicht an vorgeformte Verträge gebunden ist, entsteht eine Wahlfreiheit, die insoweit zugleich eine Wahllast ist, als dass die Pflichtenbindungen niemals vollständig und vollkommen formuliert werden können. Die für Durchschnittsprobleme bereit gestellten Vertragstypen dienen dazu, Lücken und Mängel zu beheben, und so den Vereinbarungskern zu ergänzen und zu retten. Diese Reservefunktion stützt also die Privatautonomie und dies ist eine wesentliche Aufgabe dispositiven Rechts. Damit hängt der weitere Aspekt zusammen, dass der Einzelne, der sich auf diese Reserve verlässt, darauf verzichten kann, Abwicklungsdetails minutiös auszuhandeln oder auch nur zu bedenken (Verkehrserleichterung) 1. Zweitens die Leitbildaufgabe – die gesetzliche Vertragsordnung durch Vertragstypen strahlt in doppelter Weise auf die Vertragskontrolle aus, sie ist zum einen Maßstab für eine Inhaltskontrolle von Vertragsbedingungen, zum anderen Orientierungshilfe für Ergänzungen von Verträgen zwischen den gesetzlichen Regeltypen 2 . Aus beiden Funktionen, Reserve und Leitbild, ist die Forderung ableitbar, dass – wie die Didaktik es sagt – die Ordnungslösungen so sein sollen, wie verständige Parteien sie gewählt hätten, wenn sie den fehlenden Punkt bedacht hätten, also so, dass sie ihnen zustimmen würden, anders gesagt: dass sie gerecht seien. Im nachgiebigen Recht spiegeln sich die Gerechtigkeitswerte der jeweiligen Rechts- und Gesellschaftsordnung wider. Man kann die gesetzlichen Vertragstypen unter der Optik des Symmetrischen neu betrachten: Kauf und Tausch sind dann gerichtet auf einen Symme­ triewechsel (als Übertragung der Rechtszuständigkeit am Kaufobjekt) in einem 1 S. Martinek, Moderne Vertragstypen, Band 1, §  1 S.  16; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  7 IV 4, S.  155 und ausf. Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S.  21 ff.; Kähler, Begriff und Rechtfertigung, S.  162 ff.; Stoffels, Schuldverträge, S.  106 f. 2  S. zuletzt ausf. Kähler, Begriff und Rechtfertigung, S.  179 ff.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

bestimmten Zeitpunkt (Traditio, Abschluss des Erbschaftskaufvertrags, Annahmeverzug); die Verwahrung und Treuhand bedeuten umgekehrt den Fortbestand einer symmetrisch gefassten Zuständigkeit; die Miete oder Pacht erscheinen als Mischform, ähnlich wie die geteilten Rechtszuständigkeiten und die Verträge auf Arbeit als gewollte Übertragung einer symmetrischen Zuweisung der Handlungsfolgen anderer. In einer solchen Skizze ist zunächst nur eine Annäherung an eine korrekte Fragestellung – ohne zu starke Einengung des Betrachtungswinkels (wie wirkt sich die Symmetrie im Vertragsrecht aus?) – erreicht, aber noch kein profundes Verständnis für die Rolle des Symmetrischen gerade unter den typenbildenden Gerechtigkeitsinhalten erlangt. Wenn diese Rolle nicht spekulativ-plausibel, sondern mit rationalen Mitteln fassbar sein soll, müssten sich axiologische Symmetriebezüge als typenbildendes Kraftzentrum belegen lassen. Wir wollen markante Auszüge aus der Typenordnung, den Kauf und Verträge auf Arbeit und Geschäftsbesorgung, deswegen eingehender darauf hin untersuchen.

§  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit Kauf ist der Austausch von Gütern (gedacht als Vermögensgegenstände jeder Art) und Geld. Als sein Kennzeichen gilt, dass es bei ihm im Vergleich zu Überlassungsverträgen (Leihe), Arbeitsverträgen (Dienstvertrag) oder Treuhand (Auftrag) seltener auf die Person des Vertragsgegners, denn auf Art und Güte des Umsatzobjekts ankommt; daher sind thematischer Kern des Kaufrechts die Bedingungen von Zahlung und Lieferung, objektbezogene Störungsfolgen für Zufallsschäden, Mängel – also der Umsatzplan. Aber was bedeutet Umsatz von Gütern im Recht? Es kann angesichts der offensichtlichen Konzentrierung von Nutzen, Lasten, Gefahr in §  446 kaum jemanden geben, der sich der Einsicht entzieht, dass dieser Güterwechsel als Symmetriewechsel begreiflich ist, und dass sich daran die Frage anschließt, was denn das gedanklich Erste von den zwei Elementen ist: das „Gut“ oder die symmetrische Synthese. Man wird einwenden, die Vielseitigkeit kaufrechtlicher Regelungsthemen verbiete es, das symmetrische Moment zu sehr zu betonen. Auch die ständigen Variationen der Lebenstypen (Überseekauf, Fernkauf, Fernabsatz, Verbraucherkauf) sorgen für eine Normenvielfalt auf mehreren Ebenen, die zur Zurückhaltung mahnt, will man aus dem unübersehbar Vielen nur das Symmetrische für bedeutsam halten und es aus der Menge anderer kaufrechtlicher Themen und Ziele herauslösen, um es als Substrat dogmatisch aufzuwerten. Und doch: Nach den Protokollen soll aus der „Natur und dem Wesen des Kaufs als eines Veräußerungsvertrags“ folgen, dass die Gefahr mit Eintragung und Eigentumserwerb am Grundstück übergehe, also vor Schlüsselübergabe und Tradition1. Dies ist in der Reform des §  446 aufgegeben und man muss umso bestimmter fragen, was eigentlich die wesensbestimmende Kernpflicht sei. Offenbar nicht der Formwechsel: Gefahrverteilung und Eigentum sind getrennt zu denken, und wann der Preis unbedingt geschuldet ist, hängt dabei viel mehr von Übergabe und Gefahr ab als vom Formerwerb2 . Güterumsatz andererseits ist ebenso wenig Gefahrwechsel: nicht schon deshalb, weil die Gefahr etwa beim Versandkauf evident vor dem „Umsatz“ übergehen kann, sondern schlicht deshalb, weil der Nachteil für den Käufer schwerlich die typusprägende Verkäufer1  2 

Prot. I, S.  1864. Rabel, Recht des Warenkaufs, Band 2, S.  296.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

pflicht bestimmen kann. Güterumsatz ist aber auch nicht auf Besitzwechsel reduzierbar: Das zeigt etwa der Erbschaftskauf, als ein Tausch von Berechtigungen nach dem Vertragsprinzip, also gerade bei Konstanz der faktischen Herrschaftsverhältnisse. Das führt konsequenterweise zu der theoretischen Annahme: Kauf ist nicht als ein auf Güterwechsel, sondern als ein privatautonom gewollter Wechsel symmetrisch gedachter Rechtszuständigkeiten zu verstehen. Die bisherigen Einsichten geben zwei Fragen vor: – Lässt sich die regeltypische Verteilungssituation des Kaufs als Wechsel der (vierstellig-symmetrischen) Rechtszuständigkeit denken und lassen sich axiologische Bindungen der heterochiral verteilten Vorteile und Nachteile nachweisen? – Stehen Asymmetrien bei atypischen Verteilungsprogrammen erkennbar unter einem Rechtfertigungsdruck mit Konsequenzen für Rechtsanwendung oder Rechtspolitik?

I. Kaufrechtliche Konzentration von ›Gefahr, Nutzen, Lasten‹ zur synthetischen Einheit bei der Übergabe Der kaufrechtliche Umsatzplan in §  446 verteilt Vorteile und Nachteile am Kaufobjekt in einer doppelten Zusammenführung – von Gefahr und Haben in S.  1; Nutzen und Lasten in S.  2. Es entsteht eine konzentrierte Einheit, welche Vor- und Nachteile am Kaufobjekt inter partes dem Käufer ,zuweist‘ und dem Verkäufer gleichsam ,abweist‘, so wie es dem hier verwendeten Begriff von Rechtszuständigkeit (gedacht als Konzentration und Komplementarität) entspricht. Die konzentrierte Einheit schnürt aber auch einen Knoten von legitimen (unbeantworteten) Einzelfragen in ein Antwortganzes zusammen: Wozu der kaum je in Frage gestellte Teil-Konnex von Nutzen und Lasten? Wieso dann diese Teil-Einheit (Nutzen und Lasten) verbinden mit der Einheit von Haben und Gefahr in S.  1: wegen bestimmter Sachzwänge, aus Gründen der Rechtstradition, oder bestimmter werthafter Einsichten? Schließlich: Wieso ist alles zu einer Einheit verbunden? Es geht um eine schrittweise Perzeption der axiologischen symmetrischen Bezüge, zunächst gesondert bei den Teilbindungen, Übergabe und Gefahr zum einen, Nutzen und Lasten zum anderen, dann bei der zusammengefassten Einheit. Anders gesagt: Wenn die Konzentrierung von Gefahr, Nutzen, Lasten in §  446 aufgeschlüsselt werden soll, müssen die einzelnen Verhältnisse der Elemente abgestuft und aufgefächert werden. Denn axiologische Figurationen, aus welchen diese Synthesis im Detail zusammengesetzt ist, klar nachzuzeichnen, wird schon durch die rein logischen Möglichkeiten, wie die Elemente miteinander korrespondieren und gepaart sein können (Haben – Gefahr, Haben – recht-

§  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit

245

liche Nutzung, Nutzen – Lasten, Gefahr – Lasten usf.), erheblich erschwert. Angesichts dieser Komplexität, die sich hinter einer Fassade von Konzentration verbirgt, ist bei den einzelnen Elementarverhältnissen zu beginnen, dem von Gefahr und Zugriff (S.  1) und dem von Nutzen und Lasten (S.  2), bevor die Verbindung dieser zwei Verhältnisse zu einem Ganzen bewertet werden kann.

1. Erste Verbindungslinie: Faktischer Zugriff – Gefahr, §  4 46 S.  1 Die erste Zusammenfügung in §  446 S.  1 Schritt für Schritt betrachtet: Das eine Element ist die Gefahr, verstanden als Pflicht zur ungeminderten Vergütung, obwohl die Sache durch Zufall oder Unfall untergegangen oder schlechter geworden ist. Die Gefahrtragung war, forensisch und literarisch, stets ein Schwerpunkt des Kaufrechts; der Rest des kaufrechtlichen Verteilungsplans (für Vorteile und Nachteile) fällt dahinter als ein Nebensächliches zurück 3. Das andere Element, die Übergabe, ist weniger klar. Die Übergabe ermöglicht den Zugriff auf die Sache, sie wird, vereinfacht gesagt, als ein Geben und Nehmen bestimmt. Für den Übergabebegriff ist heute weithin akzeptiert, dass nur die Einräumung der realen Zugriffsmöglichkeit genügt; anders gesagt: der Verkäufer kann sich zum einen nicht einseitig auf die sachenrechtlichen Surrogate der Übergabe beschränken – das hätte im Ergebnis eine Aufweichung des Traditionserfordernisses bedeutet4 ; es bedarf aber zum anderen auch keiner besonderen auf Eigentumsverschaffung gerichteten Absicht – das hätte geheißen, die zuvor gedanklich gelösten Institutionen von Gefahr und Eigentum doch wieder zu mischen 5. 3  Die Konfliktregel hinsichtlich der Vergütung für ein zufällig verlorenes oder beschädigtes Gut ist besonders streitbar (der Käufer erhält nichts, muss aber bezahlen); rechtlich gesehen geht es an sich nur um einen Partikel aus dem kaufrechtlichen Verteilungsprogramm. 4  S. BGH NJW 1983, 627, 628, gegen die Vorschläge Hecks u. a., die §  930, §  931 anzuwenden, s. schon Esser, Schuldrecht, 2.  Aufl., §  103 Rn.  2, S.  475. Nicht überzeugend Wilhelm Reinhardt, Gefahrtragung, S.  112 ff. 5 Noch Oertmann hat behauptet, die Übergabe bewirke nur den Gefahrübergang, wenn sie diesen Zweck habe oder jedenfalls in Verbindung mit der Eigentumsverschaffung erfolge. Er hielt das Festhalten an dem römischen Satz für „innerlich durchaus angemessen“, nur sei sein Sinn „wegen der Anknüpfung der Gefahr an einen anderen, späteren Zeitpunkt seine Bedeutung“ zu ändern, s. Recht der Schuldverhältnisse, §  4 46 Anm.  3, S.  398. Nach dem Bundesgerichtshof ist die kaufrechtliche Übergabe nicht durch die Surrogate §§  930 f. zu erzielen: „Diese Regelungen zeigen vielmehr gerade, daß ein Übergabesurrogat nicht generell der Übergabe gleichsteht, sondern daß es die Übergabe nur insoweit ersetzt, als es um die Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen geht. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt ihnen nicht zu“, BGH NJW 1996, 586, 587. Vielmehr müsse teleologisch geprüft werden. Für den Verjährungsbeginn nach §  477 a. F. heißt es z. B. a. a. O.: „Die innere Rechtfertigung für den an die Übergabe geknüpften Verjährungsbeginn besteht darin, daß ab diesem Zeitpunkt der Käufer in der Lage ist, die Kaufsache zu untersuchen und etwaige Fehler zu entdecken und zu rügen. Dies gilt für bewegliche Sachen nicht anders als für Grundstücke. Diese Möglichkeit hat der Käufer uneingeschränkt nur, wenn ihm der unmittelbare Besitz übertragen worden ist. Steht ihm nur ein Herausgabeanspruch gegen einen Dritten zu, muß er ihn zunächst durchsetzen, um das Grundstück untersuchen zu können. Nicht wesentlich anders ist seine Rechtsstel-

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

Begriffsgeschichte und Begriffsgrenzen sind hier nicht näher nachzuvollziehen6 : Dass danach die Übergabe dem Käufer die faktische Zugriffsmacht vermittelt – also den tatsächlichen Nutzen sichert – muss genügen, denn es liegt, wie Huber mit Recht gesagt hat, „nun in der Natur der Dinge, daß die Nutzungen mit der Übergabe auf den Käufer übergehen“7. Nun zur Verbindung der beiden Elemente (Zugriff und Gefahr), die Aufgabe und Gehalt des sogenannten Traditionsprinzips ist. Die kaufrechtsdogmatische Zentralfrage, die sich auf den Zeitpunkt richtet, wann die Preisgefahr übergeht, – ob mit 1. Vertragsschluss, 2. Erwerb des Eigentums oder 3. mit Übergabe – ist mehr theoretischer und rechtstechnischer Art8 . Es gibt keinen Wertvorrang. 1. Die Regel des periculum est emptoris des alten römischen sowie des gemeinen Rechts, nach der schon die Gefahr mit Abschluss des Vertrags wechselt, kann zwangsläufig zu einem Umtauschprogramm führen, in dem der Verkäufer zeitweilig, einfach gesagt, wie ein Verwalter gestellt wird. Diese Variante fand sich in deutschen Partikulargesetzen, ist geltendes Recht in der Schweiz oder Japan und für den deutschen Erbschaftskauf nach §  2380 vorgesehen9. 2. Der zweite Ansatz erspart dem Käufer die Gefahrtragung bis zum vollzogenen Formerwerb (dann als Ausdruck von casum sentit dominus). Auch er führt zu Übergangsphänomenen, in denen der Verkäufer die Sache für den Käufer verwaltet. 3. Ein Hauptvorzug des Übergabegrundsatzes, der auch in fremden Rechten vorherrscht, ist es, dass eine solche Zwischenstellung vermieden wird. Näher besehen, lässt sich eine Vielzahl zweckmäßiger Vorzüge aufzählen, was auch den Erfolg des Grundsatzes erklärt10 . Als ein Vorzug gilt, dass der Käufer eines Grundstückes nicht das Eintragungsverfahren abwarten muss, als ein weiterer eine gewisse Lebensnähe, denn die Übergabe sei der wahre Kern der Verkäuferpflicht; der Traditionsgrundsatz lung, wenn er mit dem Verkäufer ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart hat. Zwar mag ihm im Einzelfall aufgrund dieses Rechtsverhältnisses die Befugnis eingeräumt sein, das Grundstück auch vor Ablauf der vertraglichen Besitzzeit zu betreten und zu untersuchen. Auch dieses Recht muß er jedoch gegebenenfalls durchsetzen. Außerdem muß er den fortbestehenden Besitz des Verkäufers respektieren und kann daher seine Untersuchungen nicht nach Belieben gestalten“. Die Verschaffung unmittelbaren Besitzes sei Bedingung, wo keine dem Verkäufer günstigere Abrede getroffen sei, s. ebenda und ferner BGH NJW 1983, 627 f. 6  In den Materialien wird die Übergabe als „rechtliche Herrschaft“ umschrieben, siehe Mot. II, S.  324. 7 Soergel/Huber, vor §  4 46 Rn.  16. 8  S. schon Rabel, Recht des Warenkaufs, Band 2, S.  291 ff. 9  Art.  185 Abs.  1 OR, §  534 japanisches BGB; s. zu dem Prinzip Ernst, ZRG (RA) 91 (1982), 216 ff.; Dulckeit, Verdinglichung obligatorischer Rechte, S.  43; zum Schweizer Recht Keller, AJP 2003, 1152; Schmutz, Gefahrentragung, passim; s. ferner zum ganzen Wilhelm Reinhardt, Gefahrtragung, S.  20 ff. 10  Sie sind am luzidesten durch Hager, Gefahrtragung beim Kauf, S.  66 ff. untersucht worden. Hager blieb der Methode Rabels (s. dazu dens., RheinZ 13 (1924) 279 ff.) verpflichtet. Er versuchte aber die rechtsvergleichende und dogmatische Methode durch ein genaueres Verständnis der praktischen Zwänge zu ergänzen.

§  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit

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verhindere Streit, denn er zwinge zur genaueren Überprüfung; schwierige Prozesse darüber, wie sorgfältig der Besitzer hätte verfahren müssen, werden vermieden11. In der 2. Kommission wurde zur Begründung des Traditionsprinzips vorgetragen, es sei unbillig, wenn die Gefahr ohne rechtliche Herrschaft übergehe. Durchgesetzt hat sich der Gedanke in einer anderen Variante: „ausschlaggebend müsse der Gesichtspunkt sein, daß es unbillig gegen den Verkäufer sein würde, diesen auch dann noch die Gefahr tragen zu lassen, wenn er – infolge der Übergabe – nicht mehr in der Lage sei, für die Sicherheit der Sache Sorge zu tragen“12 . Man erkennt, wie die Möglichkeit des realen Zugriffs – und damit der tatsächliche Nutzen – gezielt mit der Gefahr verbunden wird.

2. Zweite Verbindungslinie: Nutzen – Lasten In §  446 S.  2 sind rechtsförmige Nutzen und Lasten miteinander zur weiteren Teileinheit verbunden13. Dem Juristen erscheint diese Bindung zwischen Nutzen und Lasten fast alternativlos, sie ist in römischer und gemeinrechtlicher Tradition ungebrochen; eine andere Verteilung ist unwahrscheinlich, was §  100 zu bestätigen scheint; nur für die Anliegerlasten sieht §  436 eine auf Besonderheiten des öffentlichen Kostenrechts bezogene Ausnahme vor14. Geht man auf den Verhandlungsstand der 1. Kommission zurück, erkennt man, dass ein differenzhaftes Verteilungsmodell durchaus erwogen wurde. Die 1. Kommission hatte Struckmann aufgegeben, den Verteilungsplan und eine Angleichung mit den Regeln der sachenrechtlichen Fruchtzuweisung zu prüfen15. Diese Vorarbeit, in der Struckmann auch die Lastenverteilung variiert und verfeinert, wurde nicht mehr berücksichtigt. Die konzentrierte Einheit von Nutzen und Lasten, so wie sie Gesetz wurde, in ihrer einfachen Form, begründete die 2. Kommission so: „So lange der Verkäufer bei Unterstellung des Regelfalls die Gefahr trage beziehungsweise die Nutzungen beanspruchen könne, müssten auch die Lasten von ihm getragen werden, und zwar gleichviel, ob dieselben auf den Nutzungen oder auf der Substanz ruhten. Man könne das für selbstverständlich 11 

Hager, Gefahrtragung beim Kauf, S.  72. Prot. S.  1724 f. = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  771. S. auch den Überblick bei HKK/ Ernst, §§  4 46, 447 Rn.  5. 13  Die Regel ist wenig untersucht. Nicht nach einem allgemeinen Schema der Verteilung von Vorteilen und Nachteilen beim Güterumsatz fragen die Autoren, sondern nach der Gefahr. Rabel hat in seinem VII. Kapitel des „Recht des Warenkaufs“, im 2.  Band, die Kosten der Sache zusammen mit den Kosten der Leistung behandelt. Genauere Darstellungen der Regel bei Huber, in: Soergel, 12.  Aufl., §  4 46 und Kniese, Verteilung von Nutzen und Lasten, passim. 14  Dem Käufer droht eine Inanspruchnahme nach Eigentumserwerb, §  134 Abs.  1 BauGB. Er soll aber wissen, wie die Beiträge verteilt werden, weswegen ein äußerliches Merkmal („bautechnisch begonnen“) gesucht wurde, s. BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  218, 219; s. dazu Wilhelms, NJW 2003, 1420 ff. 15  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, S.  85. 12 

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

halten; allein, es besonders zu bestimmen, erscheine bei der praktischen Wichtigkeit der Vorschrift mindestens ratsam“16 .

3. Dritte Verbindungslinie: die Verknotung zur synthetischen Einheit Die Begründungsarten für die Verknotung, durch welche die doppelte Verbindung von Teilstücken – von Haben und Gefahr in S.1, Nutzen und Lasten in S.  2 – erst zur synthetischen Einheit wird, lassen sich in konsequentialistische, konstruktive und fundamentalistische einteilen. Es sind die konsequentialistischen voranzustellen, um die wesentliche Pro­ blemlage, die im Detail vielfach und ausreichend geschildert ist, vorab auszusondern und nicht mit Dogmatisierungen in der Luft zu hängen. Entscheidend sind Gedanken, die schon für das Zeitmoment des Gefahrwechsels zur Sprache kamen. Ein isoliertes Eigentums- und Vertragsprinzip nur für die Nutzungen ließe Nutzungsrechte entstehen, die ohne Zugriff leer laufen können. Dann müsste der Verkäufer die Nutzungen gewissermaßen „als Verwalter“ ziehen. Es käme – diesmal nur für einen isolierten Teilaspekt – zu den bekannten und problematischen Übergangsphänomenen, die durch das Traditionsprinzip gerade vermieden werden sollen. Ein anderer Aspekt: Der rechtszugewiesene Nutzen, auf den der Käufer schon Anspruch ohne Sachzugriff hat, erscheint dem Käufer, der die Sache gebrauchen will, nicht das Wesentliche zu sein. Nutzungen, die ihm rechtsförmig zustehen, die er aber nicht fühlt, sind für ihn mehr oder weniger sinnlos. Anschaulicher ist auch die Überwindung des alten §  446 Abs.  2, der für Grundstücke die synthetische Einheit mit Eintragung wechseln ließ. In den Motiven war früher ein entsprechendes Parteiinteresse behauptet17. Aber was soll der eingetragene Käufer mit den rechtsförmigen Nutzungen ohne Zugriff – er müsste doch wieder auf Übergabe klagen; er wäre Eigentümer der Früchte, könnte aber damit nichts anfangen. Auch deswegen war die Norm mehr oder weniger totes Recht18 . Es zeigt sich insgesamt, dass im Vordergrund wieder keine Idee, welche die Produktion symmetrischer Rechtszusammenhänge „stiftet“, sondern eine Kette sachlicher Problemzwänge zu sehen ist. Die Lehre, vor allem die Dissertationsliteratur, überträgt die konstruktiven Figuren des „relativen Eigens“ (§  6 I) auf die kaufrechtliche Situation zwischen Übergabe und Eigentumserwerb, sieht den Käufer also als relativen Eigner oder 16  Der Antrag lautete: „Insolange als die Gefahr bei dem Verkäufer bleibt, treffen ihn die Lasten, es komme ihm aber auch die (Früchte und sonstigen) Nutzungen der verkauften Sache zu“, Prot. I, S.  1867 = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, S.  84 (Herv. des Verf.). 17  Mot. bei Mugdan, Materialien, Band 2, S.  179 f. 18  Berechtigte Kritik bei Filios, Gefahrtragung, S.  19 f.

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Treugeber an, wie wir es beim Drittschaden schon gesehen haben19. So gibt es eine kaufrechtliche Sphärentheorie (v. Schenk) 20 , Herrschaftsansätze (Filios) 21, eine (vorgeblich) vom Grundsatz casum sentit dominus geleitete „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ (Reinhardt) 22 usf. – oft ohne dass die Vertauschung des Zusammenhangs (von Güter- und Vertragsordnung) weiter problematisiert würde. Von hier aus ist die Trübung der symmetrischen Figuration (Gefahr – Zugriff; Nutzen – Lasten) fast zwangsläufig; es kommt einem Verzicht gleich, die wirksamen Konzentrationskräfte kennen zu lernen – wieder einmal die schon bekannte Folge jeder Sphären-Metaphorik. Stattdessen mischen die Autoren in ihre Dogmatisierungen der Berechtigung ohne Eigentum (als Sphäre, Herrschaft, wirtschaftliches Eigen in allen ,neuen‘ Varianten) ganz einfach einige pragmatische Vorzüge des Traditionsprinzips zu einem Gefahrtragungstheorem zusammen. Der Vorzug etwa, dass der Käufer die erhaltene Ware besser bewachen, überprüfen, versichern kann, und dass dies streitanfällige Situationen vermeidet, also die Gerichte entlastet, wird dann als Beleg des „Sphärengedankens“ oder eines Herrschaftsprinzips stilisiert. Führt man solche Dogmatisierungen auf eine symmetrische Koordination zurück, wird der Aussagegehalt klarer, lässt sie allerdings zugleich obsolet erscheinen 23. Andererseits kann man die dogmatischen Figurationen auch als unvollkommene Ausdrucksmittel für symmetrische Verteilungsmuster deuten. Gegen solche Lehren hat sich mit Recht eine Lehre durchgesetzt, welche die Gleichschaltung von Gefahr, Nutzen, Lasten als Ausdruck eines prinzipiellen, werthaften, axiologischen Sollens fundamentalistisch deutet, bei dem gerade die doppelte Verbindung von Gefahr und Haben in S.  1 und Nutzen und Lasten nach S.  2 nicht tiefer begründet werden kann. Huber und andere haben ganz ohne dogmatische Konstruktivierung gesagt, dass es einen „inneren Zusammenhang beider Regelungen im Sinne des Satzes cuius periculum eius commodum“ gibt 24. Sieht man von den Unterschieden in der Sprache ab, überwiegt diese Sicht ganz25. 19 

§  7 I. v. Schenck, Begriff der „Sphäre“, S.  219. 21  Filios, Gefahrtragung, passim. 22  Wilhelm Reinhardt, Gefahrtragung, S.  87 ff. 23 Auch Wilhelm Reinhardts von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägte Inver­ sion des Satzes casum sentit dominus (Gefahrtragung, S.  87 ff.) kann als eng verwandtes Formular verstanden werden, wieder als Metapher für eine nicht klar nachvollzogene Symmetrik. 24 Soergel/Huber, §   446 Rn.  65. So viele, etwa Schilcher, JBl. 1964, 395, 401; s. auch die Folgenden. 25  S. mit Unterschieden Canaris, Festschrift Lorenz, S.  19, 28; Biederbeck, Gefahrübertragung, S.  8 ; Dreher, Gefahrtragungsprobleme, S.  82; Klink, Sphärentheorie, S.  97; Kniese, Verteilung von Nutzen und Lasten, S.  37; Filios, Gefahrtragung, S.  18; Köhler, Unmöglichkeit, S.  114; Honsell, MDR 1970, 718; i.E. Wilhelm Reinhardt, Gefahrtragung, der casum sentit dominus wirtschaftlich deutet und so nur ein anderes Wort gefunden hat (s. §  15, Fn.  23), zu weiteren Begründungen s. Soergel/Huber, vor §  4 46 Rn.  16 f. und Hager, Gefahrtragung beim Kauf, S.  67 ff. 20 

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

In ihr wird ein altes Missverständnis überwunden, das lange hemmend gewirkt hat: In den Motiven zum ersten Entwurf hieß es noch vieldeutig, es werde mit dem Gleichlauf von Nutzen und Gefahr „keineswegs das Prinzip als ein allgemeines“ anerkannt, „daß, wer die Gefahr trage, stets auch Anspruch auf die Nutzungen habe“26 . Das steht in direktem Bezug zu der schon mehrfach geschilderten Lehre Jherings und Mommsens, deren Folgen für das entstehende Recht unwägbar schienen, da die Geltungsart vertragsrechtlicher Normen, wie sie uns selbstverständlich ist, theoretisch noch nicht gesichert war27. Der Satz in den Motiven meint, so würde man es heute sagen, dass die Regel in §  446 dispositiv ist, mehr nicht. Bei Rabel ist das richtig gestellt: „Der Grundsatz, daß der Eigentümer regelmäßig mit den Nutzungen auch die Gefahr übernehmen soll, erscheint gerecht. Keineswegs besteht aber ein notwendiger Zusammenhang zwischen Gefahr und dem Recht auf Nutzungen“28 . Was bedeutet „notwendig“ bei Rabel? Als Beleg führt er in einer Note an, im deutschen Recht gebe es das Gegenbeispiel beim Fernkauf, aber „auch beim Ortskauf ist eine abweichende Vereinbarung möglich“29. Ganz fern liegend ist der Rückgang bei Huber und anderen auf die römische Parömie ›cuius est commodum eius est periculum‹ also nicht, denn die Wiederholung der justinianischen Stelle ist keine rhetorische Mitteilung, sondern die Explizierung einer allgemeinen Regel, die in positives Recht übertragen und übersetzt wird. In ihr ist eine fundamentalistische Einsicht ausgedrückt. Die akkumulierte Verwendung der bald zweitausend Jahre alten Parömie ist als Ausdrucksgeste eines vitalen Rechtsempfindens nicht bloß Rhetorik, sondern Kennzeichen einer nicht anders formulierbaren Werteinsicht. Das gilt im Grunde auch für die Vielzahl von Appellen: an den „sinngemäßen“ Konnex zwischen §  446 S.  1 und S.  230 , an die „Gerechtigkeit“31, an den „naturgemäßen Ausgleich für die Gefahr“32 – die symmetrischen Einsichten haben hier stets den Charakter von Letztbegründungen. Nimmt man die verschiedenen Ausdrucksmittel (konstruktive, parömienhafte, Attribute wie billig oder gerecht) weg, zeigt sich: die wesentliche Lehre denkt auch hier längst symmetrisch. 26  Das wird vor allem im Zusammenhang eindeutig. Vorangestellt ist die Bemerkung, dass commodum und periculum nicht unbedingt verbunden seien, sondern erst dem die Gefahr tragenden Käufer die natürlichen und rechtlichen Früchte der Sache zukämen. Dann liest man: „Die Transportgefahr kommt diesfalls nicht in Betracht“. Deswegen sei kein allgemeines Prinzip anzunehmen. Im Nachsatz erfolgt der maßgebliche Hinweis, es solle „vielmehr der explizite oder vermutliche Parteiwille über die Nutzungszuweisung“ entscheiden, s. Mot. II, S.  323. 27  S. Einleitung I. und §  6 II. 28  Rabel, Recht des Warenkaufs, Band 2, S.  297 f. 29  Ebenda, Fn.  32. 30  Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  4 46 Anm.  5, S.  399. 31  Rabel, Recht des Warenkaufs, Band 2, S.  297 f. 32 Ebenda.

§  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit

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Kommen wir zurück zur ersten einleitend gestellten Frage. Der konzentrierte Verbund von rechtlich zugewiesener Gefahr, Nutzen, Lasten samt seiner zweckgeleiteten Anbindung an die faktisch gedeutete Übergabe zerfällt in ein Geflecht einzelner Verbindungen. Sie zusammen sind als Rechtszuständigkeit (als Konzentration zur Einheit und komplementärer Ausschließung) begreiflich. Die so miteinander verwobenen Teilstücke von Zugriff, Nutzungsrecht, Last und Gefahr sind verbunden, um den kaufrechtlichen Regelumsatz zweckmäßig zu gestalten. Diese Zwecksetzungen sind vielfältig und beziehen sich auf die einzelnen Verbindungslinien gleichermaßen. Daneben werden die Verbindung von Nutzen und Lasten in §  446 S.  2 und die Konzentrierung zur Einheit als selbstverständlich und fundamentalgerecht anerkannt.

II. Der Rechtfertigungsdruck auf asymmetrische Verteilungen Zurück zu der zweiten eingangs gestellten Frage, also zu den Wirkungen des Symmetrischen, wie sie sich nicht in der Regelbildung, sondern in der atypischen Problemsituation, also negativ: in einem Rechtfertigungsdruck auf die Asymmetrie zeigt. Aus dem Spektrum der atypischen Verteilungsmuster sind deswegen zunächst Abweichungen der Regelverteilung (gedacht als synthetische Einheit von ›Gefahr, Nutzen, Lasten‹) zu suchen. Eine für den Gefahrwechsel sensibilisierte Dogmatik wird leicht auf Abweichungen vom Traditionsprinzip aufmerksam, auch auf solche, welche die symmetrische Einheit gar nicht beschädigen. Es gibt aber durchaus den Bruch mit dem Traditionsprinzip ohne Verletzung der synthetischen Einheit: – beim Annahmeverzug – §  4 46 S.  3, welcher der Übergabe gleichgestellt wird. Gleichgestellt bedeutet: die symmetrische Einheit „wechselt“ auch ohne Übergabe im Zeitpunkt der verhinderten Übergabe. Der Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit ist vorverlegt. – beim Erbschaftskauf – §  2 380, denn der Käufer übernimmt ab Vertragsschluss die Gefahr des zufälligen Untergangs an den Erbschaftsgegenständen, erhält aber auch die Nutzungen und trägt die Lasten. Dies nimmt Rücksicht darauf, dass keine Sache, sondern eine Erbschaft verkauft wird33. Es ist also eine kontextgebunden notwendige Rückkehr zum Vertragsprinzip, wiederum unter Wahrung der symmetrischen Einheit34. – bei der Versteigerung – §  56 ZVG, geht die Gefahr aus ähnlichen Zweckgründen bezogen auf ein Grundstück mit Zuschlag über, ab welchem dem Ersteher auch die Nutzungen und Lasten übertragen sind. 33 

34 

Motive II, S.  360. Es geht nicht um Einzelsachen, sondern um die Erbschaft als Ganzes. S. nur zutr. Kniese, Verteilung von Nutzen und Lasten, S.  97.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

Die synthetische Einheit wird auseinandergerissen, es entsteht eine asymmetrische Verteilungsstruktur in einer Reihe von Konstellationen, welche zur besseren Anschauung leicht erweitert wird: – beim Fernkauf – §  4 47, denn die Gefahr geht mit Abgabe an den Transporteur auf den Käufer über, die Nutzen und Lasten folgen aber erst mit der Übergabe, §  446. Die synthetische Einheit ist zwischen Abgabe und Ankunft, also auf der Reise, gestört. – beim Werk vor Abnahme – §  6 44, denn der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme, auch wenn das unvollendete Werk schon übergeben und im Zugriffsbereich des Bestellers ist. – beim Verzug und Diebstahl – §  287 S.  2 , §  848, wird die Zufallsgefahr im Zustand des Verzugs abgewälzt. Der Dieb etwa trägt die Gefahr, ohne zur Nutzung befugt zu sein, also gleichsam isoliert. – bei unbestellter Ware – §  241a, kann der Empfänger die Ware nutzen, ohne Ansprüchen des Versenders ausgesetzt zu sein, bei dem die Gefahr ist; man kann gewissermaßen umgekehrt von isolierter Nutzenzuteilung sprechen. Wie es der Hypothese entspricht (d. h. dem zu erwägenden Rechtfertigungsdruck auf asymmetrische Muster) ist die Frage, wann die synthetische Einheit, die Rechtszuständigkeit, wechselt, kaum weiter problematisch. Insofern grenzt sich die erste Gruppe klar von der zweiten ab. Im Annahmeverzug gibt es eine Nähe zum Vertragsbruch, beim Erbschaftskauf und der Versteigerung sachvorgegebene Notwendigkeiten, die zur Abweichung vom Traditionsprinzip berechtigen oder zwingen. Das ist so offenkundig, dass es einer tieferen Begründung nicht bedarf. Bemerkenswert bleibt die Verzugsregel in §  446 S.  3. Denn sie ist keine ungeschickte Verdopplung einer schon in §  300 Abs.  2 formulierten Aussage, wer die Gefahr im Verzugsfall trägt. Die Norm soll, indem auch auf §  446 S.  2 verwiesen ist, gerade auch die Nutzen und Lasten übergehen lassen, oder anders gesagt: sie soll sicherstellen, dass die synthetische Einheit nicht aufgelöst wird. Soweit die erste Gruppe. In einem klaren Gegensatz dazu steht die zweite Gruppe mit gestörter synthetischer Einheit. Die Gründe für die jeweiligen atypischen Momente, die isolierte Gefahrtragung des Diebes bei §  848, das faktische isolierte Nutzungsrecht des Verbrauchers bei §  241a, setzen gezielte Anreize: für den Dieb, die Ware schnellstens zurückzugeben35 ; für den Verkäufer, zu weniger zweifelhaften Vertriebsarten zu greifen 36 . Das ist evident und klar. 35  „Wer zur Rückgabe einer Sache verpflichtet ist, die er einem anderen durch eine unerlaubte Handlung entzogen hat, ist auch für den zufälligen Untergang, eine aus einem anderen Grunde eintretende zufällige Unmöglichkeit der Herausgabe oder eine zufällige Verschlechterung der Sache verantwortlich, es sei denn, dass der Untergang, die anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe oder die Verschlechterung auch ohne die Entziehung eingetreten sein würde“, s. Wacke, Festschrift Hübner, S.  684 ff. 36  Grundlage in der Richtlinie 97/7/EG v. 20.5.1997 (zum Fernabsatz), ABl. EG Nr. L 144; der wettbewerbsrechtliche Hintergrund ist beschrieben bei Sosnitza, BB 2000, 2317 ff.

§  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit

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Durchgreifend anders ist es – und das ist entscheidend – für die isolierte Preisgefahr bei Versendungskauf und Werk: Beides sind Konstellationen, die stets anfällig für rechtspolitische Kritik gewesen sind und längst zu gesetzlichen Reaktionen gezwungen haben. Das ist für den Versendungskauf näher zu betrachten.

1. Der Rechtfertigungsdruck für asymmetrische Gefahrabwälzung beim Versendungskauf Die isolierte Gefahr beim Versendungskauf ist seither in der Kritik, der Reformgeber wollte sie aufgeben und hat zuletzt nur mit Rücksicht auf internationales Recht in verkleinerter Form an ihr festgehalten 37. Wie erklärt sich dieser Druck? Zunächst ganz einfach damit, dass die Annahmen, welche die isolierte Gefahrtragung des Käufers rechtfertigen sollen, nicht überzeugen. Die Gefahrabnahme soll daraus folgen, dass sich der Käufer, anstelle der Übergabe, ein Entgegenkommen ausbedingt: der Verkäufer übernimmt die Pflicht, die Ware zu versenden. Dann, so der tragende Gedanke, sollen dem Verkäufer keine Nachteile entstehen 38 . So liest es sich in den Motiven 39. Aber man hat richtig eingewandt, der Verkäufer stehe dem Transporteur näher, er könne den Reiseweg besser verfolgen, sich mit seinem Vertragspartner besser auseinandersetzen. Die Gefahrtragung des Käufers war stets zweifelhaft und streitbar40 . Wie haben „Wissenschaft und Praxis“ auf diese wenig zwingend begründete Verteilungslösung geantwortet? Wo lassen sich besondere symmetrietypische Probleme erkennen? Eine Erörterung begrenzt sich auf einige Aspekte. 1. Betrachten wir in einem ersten Schritt, wie die Gerichte die Norm tatsächlich ausgelegt haben. Wenn man die Entwicklung zusammen nimmt, so wurde 37  Seit den Gutachten zur Schuldrechtsreform ist die Regel durch Huber und andere sehr kritisiert worden, sie war im frühen Reformentwurf schon gestrichen und nur der internationale Bezug ließ die Regel mit verengtem Anwendungsbereich fortbestehen, s. die wenig tiefschürfenden Begründungen im DiskE bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S.  237 und die Regierungsbegründung bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S.  863. Auch bei der Gefahrtragung für das Werk vor Abnahme gab es Einschränkungen; s. insbes. zu den fiktiven Abnahmeformen in §  640 Abs.  1 S.  3; §  641a Abs.  1 dazu Busche, Münchener Kommentar, §  6 44 Rn.  3 ; viele Stimmen fordern seit langem eine grundsätzlich andere Gefahrverteilung, s. etwa Heck, Grundriss des Schuldrechts, §  116 Rn.  4 ; Teichmann, Gutachten A zum 55. Deutschen Juristentag, S.  88; Abschlussbericht der Schuldrechtskommission, S.  266 f. 38  Larenz, Schuldrecht, II/1, §  42 II, S.  101, der meint, alle durch die zeitl. bedingte Hinausschiebung verursachten Gefahren – nicht nur die Transportgefahren – müssten vom Käufer übernommen werden. 39  Mot. II, S.  182: „In anderem Falle dagegen übernimmt der Verkäufer, welcher aus dem Kaufvertrag zur Versendung an den Ort, welcher nicht Erfüllungsort ist, nicht verpflichtet ist, auf Verlangen des Käufers nur eine weitere Verbindlichkeit, durch welche die Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag, welche auf Übergabe der Sache an den Käufer geht und durch die bloße Absendung allein nicht erfüllt wird, nicht aufgehoben oder verwandelt wird“. 40  S. nur Soergel/Huber, 447 Rn.  4.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

die Norm, wenn sich Auslegungsspielräume zeigten, eng ausgelegt: sie gilt für die Versendung von einem anderen Ort nur, wenn dies entsprechend vereinbart ist41 ; sie gilt auch nicht für schon reisende Ware42 ; werden eigene Leute eingeschaltet, wird für diese nach §  278 strikt gehaftet43. Man kann sagen, die asymmetrische Verteilungssituation wird zwar nicht korrigiert, aber auf ein Minimum begrenzt, so wie es unseren Vermutungen auch entspricht. Nun ist dies für sich besehen kein ausreichender Beweis für ein symmetrisches Sollen, da sich diese Restriktionen umstandslos aus der schwachen Normbegründung selbst erklären. Bei einer Gefahrregel als solcher entsteht Streit, eine Partei trägt einen unverschuldeten Schaden – schon dies zwingt zur rationalen und plausiblen Rechtfertigung. Aber gerade die gestörte Symmetrie – und darauf ist der Blick zu lenken – wirft weitere, bereits bekannte Folgefragen auf. Solche symmetrietypischen Folgefragen sind nach dem Gesagten zunächst bei Symmetriebezügen zwischen periculum und commodum zu erwarten44. Denn der besondere transportrechtliche Schutz des Käufers, die durchgehende strikte Haftung der Beförderer, Versicherungspflichten, soweit sie noch bestehen, und – besonders auffallend – der gesetzliche Drittschadensschutz sind funktional gesehen eine Sicherung des commodum für den gefahrbelasteten Käufer45. 2. Es soll noch auf eine andere Folgeproblematik asymmetrischer Verteilungsprogramme hingewiesen werden. Es gibt das Paradoxon, so wie es einleitend für die relative Berechtigung beschrieben wurde, auch bei der dynamischen Verteilung. Die Aufweichung der symmetrischen Synthese birgt durchaus ähnliche theoretische Probleme wie bei den relativen Befugnissen (ius ad rem, relatives Eigen, wirtschaftliches Eigentum, Treuhand), auf die aufmerksam zu machen ist46 . Der gefahrbelastete Käufer ohne Eigentum gehört, wie im schadensrecht­ lichen Zusammenhang gesehen, einer solchen Zwitterkategorie zu. Sobald man das Recht auf die Ware als formähnlichen Befugnistyp deutet, mündet dies in Paradoxie. Es ist daran zu erinnern, dass gerade der gefahrbelastete Käufer 41  RGZ 111, 23; BGH NJW 1965, 1324; BGHZ 113, 106, 110; einschränkend Grunewald, Kaufrecht, §  7 I, S.  128. 42  BGHZ 50, 32, 36 ff., der allerdings vom Gefahrübergang im Zeitpunkt einer Umleitungs­ anweisung ausgeht, insofern aber dem Verkäufer dann ein Verschulden der Speditionsfirma nach §  278 zurechnet; dem folgend Westermann, Münchener Kommentar, §  4 47 Rn.  13; gegen eine Gefahrabnahme bei rollender Ware etwa Soergel/Huber, §  4 47 Rn.  23. 43  RGZ 96, 258. Sachlich eine ganz erhebliche Korrektur der Gefahrübertragung; s. näher Kuchinke, Festschrift Lange, S.  259 ff.; Ernst, ZIP 1993, 481, 488; Hager, Gefahrtragung beim Kauf, S.  82; gegen eine strikte Haftung allerdings Grunewald, Kaufrecht, §  7 I, S.  129. 44  §  2 II. 45 Das System der Haftung ist etwa bei Basedow, Transportvertrag, S.   388 ff., das der Pflichtversicherungen beim Transport bei Hedderich, Pflichtversicherung, S.  344 ff. ausf. dargelegt. 46  Einleitung IV. 3.

§  15 Der Kauf als Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit

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beim Versendungskauf als relativer Eigner (v. Caemmerer), wirtschaftlicher Eigentümer (Junker), oder der Verkäufer als Rechtsträger für fremde Rechnung (Diehle, Bitter) galt. Andere sprachen von geteilter Rechtszuständigkeit (Hager) oder von Sphärenzuständigkeit (Reinhardt) 47. Über diese zur Zwitterkategorie verallgemeinerten Vermischungen von Form und Symmetrie wies die Annahme einer einfachen Symmetrierelation als eine genauere Erklärung der Drittschadensliquidation bereits hinaus (§  7). Auch im kaufrechtlichen Zusammenhang schlägt die Unbestimmtheit eines relativen Eigens inter partes in gleicher Weise unweigerlich in Paradoxie um. 3. Einige Beispiele zeigen, dass man diese Spreizung zwischen Gefahr des Käufers und Eigentum des Verkäufers mit teleologischem Dogmatismus offenbar nicht in den Griff bekommt. Die keinesfalls nur theoretische Problematik entsteht bei atypischen Verläufen, die positiv oder negativ ausfallen, außergewöhnliche Nutzen und Lasten entstehen lassen, unerwartete Früchte oder atypische Risiken hervorbringen, wie an zwei Beispielen nachvollzogen werden kann. Das erste Beispiel für die atypische Nutzung war schon in der Pandektenlehre umstritten. Es ist die Situation, dass transportiertes Vieh auf der Reise ein Kalb gebiert und verendet48 . Wem gebührt das Kalb, dem Käufer als Ausgleich für die Gefahr oder dem Verkäufer, weil er das Nutzungsrecht auf der Reise hat? Das mündet dann leicht in den Kreislauf, dass man etwa beim Zuspruch des commodum weiter fragen müsste, ob der Käufer als Konsequenz (weitere) Lasten trägt. Das zweite Beispiel ist gleichsam die umgekehrte Problemstellung. Sie ergibt sich, wenn Kosten, Belastungen, Risiken zuzuteilen sind, die den Transport nicht betreffen49. Virulent wurde das bei den kriegsbedingten Beschlagnahmen. Ein schlechter Dogmatismus bestünde darin, den Gedanken, der Verkäufer werde im Interesse des Käufers tätig, sei also zu entlasten, weitgehend zu verselbständigen. Die Judikatur hat anders entschieden. In RGZ 93, 330 wird die Ansicht der Vorinstanz korrigiert, dass das Schicksal der Reise in jeder Hinsicht den Käufer angehe. Nur die Transportgefahr, die im Missgriff und Versehen der beauftragten Personen bestehen kann, werde auf den Käufer abge-

47  Ausf. oben, §  7. Offenbar findet sich nun eine kaufvertragliche Entsprechung des Pro­ blems der Drittschadensliquidation und dies weist durchaus auf die kategoriale Problematik der asymmetrischen Verteilungsprogramme hin. Im kaufrechtlichen Zusammenhang lautet die Frage nicht mehr, ob der Käufer gegen einen Schädiger nach außen geschützt ist, sondern man blickt nach innen: Wenn der gefahrbelastete Käufer relativ gesehen Berechtigter, Eigner, wirtschaftlicher Eigentümer, Rechtsträger für fremde Rechnung ist – was bedeutet das dann für das Verteilungsschema inter partes? 48 S. Kniese, Verteilung von Nutzen und Lasten, S.  93. Für ein Nutzungsrecht des Verkäufers später Crome, System des bürgerlichen Rechts, Band 2, §  144, S.  31 Fn.  19; ders., Verteilung von Nutzen und Lasten, S.  92; rechtsvergleichend Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, S.  354. 49  Dreher, Gefahrtragungsprobleme, S.  65.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

wälzt50 . Nur dies stehe in der Tradition mit Art.  345 ADHGB, der explizit „die Gefahr, von welcher die Ware auf dem Transporte betroffen wird“ erfasste51. Die asymmetrische Struktur strebt dann, bildlich gesagt, offenbar zur symmetrischen Synthesis zurück. Entweder werden Vorteile oder Nachteile zugunsten oder zulasten des Gefahrträgers zu diesem gezogen oder die isolierte Gefahr wird so gering wie möglich gehalten. Die Paradoxie beginnt, wenn man nach theoretischer Begründung sucht. Jetzt fragt man: Gebührt dem gefahrbelasteten Käufer das commodum (etwa das Kalb), und wenn ja: folgt daraus auch, dass er weitere Gefahren (der Beschlagnahme) zu übernehmen hat? Und umgekehrt. Wieder ist man nicht sicher, ob man das richtige Kriterium benannt hat, um auf die übrigen Kriterien zu schließen. Es ist wohl der deutlichste Beleg für diese Annahme, wenn in der Literatur zum Kaufrecht in der Tat zu den allzu vertrauten Hilfskonstruktionen aus dem Bereich der Güterordnung gegriffen wird. So meint Junker, um nur ein Beispiel zu nennen, das auf der Reise geborene Kalb gebühre dem gefahrtragenden Käufer, weil er „wirtschaftlicher Eigentümer“ sei52 . Man sieht wie die Synthese aus ›Gefahr, Nutzen, Lasten‹ durchaus vom Faktischen (Zugriff, Herrschaft, Kontrolle) unabhängig ist, während das isolierte Herauslösen eines dieser Elemente in Instabilität mündet, in einen Zustand der, sei es durch Rückkehr in die Synthese, sei es durch ein Mitziehen der übrigen Elemente, ständig umzukippen droht53.

2. Die Vermeidung asymmetrischer Verteilungsmuster bei Lücken in Gesetz oder Vertrag Zu erwägen ist schließlich, ob symmetrierechtliche Wertungen die Auslegung unvollständiger Gesetze oder Verträge beeinflussen 54. Schon Oertmann hat gefragt, welche Auslegungsgrundsätze zu gelten haben, wenn die Parteien die Gefahr früher übergehen lassen, im Übrigen aber nichts bedenken und bestimmen. Was gilt bei atypischer Gefahrregel für die Nutzungen? Seine Antwort: 50 

RGZ 90, 330, 332. 116, 17; BGH NJW 1965, 1324; Soergel/Huber, §  447 Rn.  67; s. auch Wilhelm Reinhardt, Gefahrtragung, S.  172; vermittelnd von Oppen, Gefahrtragung, S.  18; Post, Gefahrtragung, S.  62. 52  Junker, AcP 193 (1993), 348, 354; s. auch Wilhelm Reinhardt, Gefahrtragung, S.   172; Dreher, Gefahrtragungsprobleme, S.  47. 53  In Rechten, die nicht dem Traditionsprinzip folgen, ergeben sich ähnliche Probleme in anderem Kontext. Auf ein Beispiel aus älterem engl. Recht hat Rabel, Recht des Warenkaufs, Band 2, S.  296 hingewiesen: Bei einer privaten Versteigerung ging die Gefahr abredegemäß auf den Ersteigerer mit Zuschlag über. Um dem Gefahrträger die Nutzungen zu sichern, hat das engl. Gericht aus der isolierten Gefahrabnahme gefolgert, dass der Ersteigerer auch Eigentümer geworden sei; Sweeting v. Turner, 1872 L.R. 7 W.B. 313, s. auch die weiteren Bsp. bei Rabel, a. a. O., S.  294 ff. 54  Zu der missverständlichen Passage in Mot. I, S.  325 s. oben I. 3. 51 RGZ

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„In einem solchen Fall entfällt auch ohne weiteres insoweit die Bestimmung des S.  2 wegen der Nutzungen. Denn das Anrecht auf sie bildet einen naturgemäßen Ausgleich für die Gefahr, die Sätze 1 und 2 in Absatz 1 können sinngemäß nicht auseinandergerissen werden“55. Im UN-Kaufrecht, in dem eine ausdrückliche Verklammerung von Gefahr, Nutzen und Lasten zur Einheit fehlt, entspricht es der wesentlichen Lehre, eine solche Verklammerung als Auslegungsdirektive anzuerkennen: Nutzen, Lasten gehen im Zweifel mit der Gefahr über56 . Symmetriezwänge und Symmetriedruck auf diesem Gebiet sollen anhand von einzelnen Beispielen, dem atypischen Fernkauf über Land und dem Überseekauf, kurz erwähnt werden. 1. Das erste Beispiel soll die scheinbar so schlichte „Lieferung frei Haus“ im Einzel- und Versandhandel sein. Man sieht anhand dieses Beispiels plastisch, wie eng die Gefahrregel in §  447 ausgelegt wird, denn die übernommene Lieferung führt in dieser realtypischen Konstellation aus zwei Gründen vielfach nicht zur Gefahrabnahme nach §  447. Zum einen nicht, weil ohnehin oft eine Bringschuld und damit die Gefahrregel des §  446 angenommen wird57. Zum anderen wurde die Störung der synthetischen Einheit durch den Bundesgerichtshof per Auslegung verhindert, denn die „Lieferung frei Haus“ sei nicht als Kostenregel, sondern als Abbedingung des §  447 BGB zu deuten58 . 2. Ein abschließendes Beispiel sollen die wichtigsten Vertragstypen beim Überseehandel sein. Für das CIF-Geschäft und das FOB-Geschäft hat sich weltweit durchgesetzt, dass der Käufer die Gefahr auf der Seereise trägt59. Das Asymmetrische ist sogar der Grund für die Entstehung des CIF-Geschäftstyps in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts60 . Das widerspricht unseren Vermutungen durchaus nicht: Die Annahme des symmetrischen Sollens kann nach dem Bisherigen nicht auf Verhinderung jeder Asymmetrie, sondern nur auf deren besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit gerichtet sein. Bei dem CIF-Kauf kommt es zwar zur Gefahrabnahme des Käufers, obwohl der Verkäufer die Reise organisiert, aber als Ausgleich erhält der Käufer die Dokumente und damit die Kontrolle über die Ware. Die radikale Asymmetrie, die ganz einseitige Belastung des Käufers (wie beim Dieb oder Verkäufer bei unbestellt versandten 55 

Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  4 46 Anm.  5, S.  399. Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das einheitliche Wiener Kaufrecht, S.  176; so auch die Kommentare Huber, Münchener Kommentar, Art.  66 CISG Rn.  15; Staudinger/Magnus, vor Art.  66 CISG Rn.  10. 57 S. Westermann, Münchener Kommentar, §   433 Rn.  7 („verhältnismäßig häufig“); einschränkend insofern BGH NJW 2003, 3341, 3342 für den Versandhandel; ausf. mit weiteren Nachw. Schmidt, Teilung der Preisgefahr, S.  88 ff. 58 S. BGHZ 114, 248, 251; s. auch Soergel/Huber, §   447 Rn.  91; Staudinger/Beckmann, §  4 47 Rn.  70. In einem anderen Fall wurde die Klausel „franko Waggon Abgang“ beim Versand schon reisender Ware nicht als (rückwirkende) vereinbarte Gefahrabnahme des Verkäufers i.  S . des §  4 47 verstanden, s. BGHZ 50, 32, 36 f.; zweifelnd Soergel/Huber, §  4 47 Rn.  23. 59  Hager, Gefahrtragung beim Kauf, S.  108 ff. 60  S. ausf. Hager, wie zuvor. 56 S.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

Waren) ist zudem – und darauf kommt es hier nur an –, durch Handelsbrauch vermieden. Denn die isolierte Gefahrabnahme ist für den Käufer gemildert durch eine komplementäre Versicherungspflicht. Der Handelsbrauch hat das weltweit durchgesetzt, auch dort, wo die Pflichten zur Versicherung versandter Ware heute zurückgedrängt werden61.

61  Der Problemkreis kann hier nicht näher dargestellt werden, s. dazu etwa Schlechtriem, in: Bucher, Wiener Kaufrecht, S.  103, 115; Schlechtriem/Schwenzer/Huber/Widmer, Art.  32 CISG Rn.  26; Piltz, Internationales Kaufrecht, §  4 Rn.  106; grundlegend Möller, Cif-Geschäft und Versicherung, S.  1 ff.

§  16 Verträge auf Arbeit als Zuständigkeit an den Arbeitsergebnissen gegen Risikoübernahme Im weiteren Verlauf geht es um Verträge auf Arbeit, die auf symmetrische Verteilungsmuster hin untersucht werden. Als Wechsel einer Zuständigkeit wurde der kaufrechtliche Regeltypus im vorausgehenden Paragraphen begriffen. Die Bemühung um eine genauere Fixierung des kaufrechtlichen Verteilungsschemas hat wieder eine heterochirale Symmetrik der Zuständigkeit gezeigt. Für Verträge auf Arbeit tritt an die Stelle einer Rechtszuständigkeit am Ding, am Kaufgegenstand, diejenige am Verhalten, d. h. der typusbestimmende Inhalt des Vertrags wird als Wechsel verhaltens- und personenbezogener Zuständigkeit gedacht. Die Analyse hat schon mehrfach über die schultradierte Dichotomie von sachenrechtlichem Haben und obligatorischem Bekommen-Sollen hinausgewiesen, indem für dinghafte und verhaltensbezogene Zuständigkeiten gleiche Verteilungsmuster aufgezeigt wurden. Was Rechtszuständigkeit an Verhalten und Person bedeutet, wurde im ersten Hauptteil schon bestimmt als Wirkungszuweisung bei instrumentellem Handeln, indem die positiven und negativen Folgen dem Prinzipal ,angerechnet‘ und dem Handelnden ,abgerechnet‘ werden. Für Verträge auf Arbeit wäre also eine analoge Programmierung zu erwarten. Anders gesagt, das vertragliche Verteilungssoll ist nicht einfach in einem Pflichtenbündel von Arbeit gegen Lohn mit angeschlossenen Sekundärpflichten oder bei abhängiger Arbeit mit fürsorgerechtlichen Einschüben, sondern durch eine symmetrische Formung wesentlich gekennzeichnet.

I. Das Prinzip von Anrechnung und Ausschließung am positiven Arbeitsergebnis Der Vertrag auf Arbeit ist auf die Tätigkeit selbst gerichtet, ökonomisch aber darauf, dass der Erfolg aus der Tätigkeit einem anderen gebührt. Das Prinzip zeigt sich bei der abhängigen Arbeit in der Leitungsbefugnis des Arbeitgebers, die Kongruenz zwischen rechtlichem Ziel (Tätigkeit) und ökonomischem Zweck (Arbeitserfolg) schaffen soll. In den vertexteten Fragmenten des Arbeitsrechts kommt nur noch als Immanenz vor, was im Arbeitsvertragsgesetz von

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

1923 noch expliziert war: Das Ergebnis der vertraglichen Arbeitsleistung steht dem Arbeitgeber zu1 .

1. Die vertragsbegründete Zuständigkeit des Arbeitgebers hinsichtlich der (positiven) Arbeitsergebnisse Die Art und Weise der Zurechnung von Arbeitsergebnissen ist nicht einheitlich. In wichtigen Bereichen ist sie eine unmerkliche Immanenz von direkten Überleitungen der Ergebnisse. Der Arbeitgeber wird als Hersteller unmittelbar Eigentümer neuer Werte, §  9512 , die Norm wird weit ausgelegt; der Hersteller wird gegen andere nach der Lehre durch die Übernahme des geschäftlichen Risikos abgegrenzt3. Der Arbeitgeber ist, gleich dem Organträger, nicht Sachinhaber, aber Besitzer. Der Arbeitnehmer, der im Verhältnis sozialer Abhängigkeit Gewalt über Arbeitsmittel hat, ist Besitzdiener, §  855. Sein Haben ist rechtlich nur gegen Dritte gesichert, nicht gegen den Arbeitgeber, und ein Nehmen ist verbotene Eigenmacht, die zur Kündigung berechtigen kann4. Die Zurechnung des Arbeitsergebnisses steht oft in besonderer Spannung gegenläufiger Grundsätze in einer Materie, die politisch in ständiger Bewegung ist. Das Prinzip einer Zuständigkeit am Ergebnis bleibt in dieser Spannung erkennbar. Das sei anhand zweier Konfliktfelder gezeigt. 1. Das erste Konfliktfeld lässt sich anhand des Zufallsfundes von mittelalterlichen Münzen durch einen Baggerführer in einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.1.1988 (VIII ZR 296/86) veranschaulichen. Der Eigentumserwerb am Fund knüpft technisch an den Besitz an, §  973. Ungeachtet dessen könne der Arbeitnehmer, obschon nur Besitzdiener, dennoch Finder sein: „Nach Auffassung des Senats ist außerhalb so eindeutiger Ausnahmefälle wie der gezielten Schatzsuche regelmäßig der Arbeitnehmer selbst, der im Rahmen seiner für den Arbeitgeber ausgeführten Tätigkeit einen Schatz findet, auch als dessen Entdecker i. S. von §  984 anzusehen“. Den Grundsatz, um den es geht, fügt der Senat gleich mit an: „Da das Auffinden von Schätzen äußerst selten ist und deshalb auch nicht zu den Zwecken eines arbeitsteiligen Betriebes gehört, kann eine derart ungewöhnliche und zufällige Entdeckung eines Arbeitnehmers bei natürlicher Betrachtung nicht mit seiner 1  §  121 S.  1 des Entwurfes, abgedruckt bei Molitor/Hueck/Riezler, Der Arbeitsvertrag und der Entwurf eines Allgemeinen Arbeitsvertragsgesetzes, S.  281 ff. 2  S. BGH NJW 1988, 1204, 1206: „Der Grund dafür ist aber, daß die Verarbeitung fremder Sachen Inhalt der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers ist“. 3  „Neu“ ist, was eine höhere Produktionsstufe erreicht; meist genügt, dass es anders genannt wird – der Wert der Arbeit kommt im Vergleich nicht vor, s. RGZ 114, 240; BGHZ 18, 228. Nach Säcker, JR 1966, 51, 52 ist Hersteller, wer das Geschäftsrisiko trägt; ähnlich Soergel/Henssler, §  950 Rn.  14; Staudinger/Wiegand, §  950 Rn.  33. Streitbelastete Einzelheiten sind bei Füller, Eigenständiges Sachenrecht, S.  400 ff. behandelt. 4  S. §§  860 ff. Das Kriterium der Weisungsmacht ist zugleich ein wesentliches Merkmal des Arbeitnehmerbegriffs, Wank, Arbeitnehmer und Selbständige. Diese Schlüsselfunktion des Besitzes haben wir schon bei den Organen kennen gelernt, §  4 I.

§  16 Verträge auf Arbeit

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betrieblichen Tätigkeit, zu der ihn der Arbeitsvertrag verpflichtet, in Verbindung gebracht und damit dem Arbeitgeber zugeordnet werden“5. Die primäre Zuständigkeit ist also durch den Bezug zum „arbeitsteiligen Betrieb“ oder den „Inhalt der arbeitsvertraglichen Pflicht“ begrenzt, aber in diesen Grenzen erkennbar und selbstverständlich. 2. Im zweiten Konfliktfeld wird die Zuständigkeit, das „Zustehen der Ergebnisse“, bei Patenten, Gebrauchsmustern und Urheberrechten, in den Sozialgesetzen zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber scheinbar geteilt6 . Das Patentrecht, um ein Beispiel zu nehmen, steht dem Erfinder zu und das Recht unterscheidet zwischen gebundenen und freien Erfindungen. Sie sind gebunden, wenn ihnen ein Suchauftrag zu Grunde lag oder wenn sie ohne die Vorarbeiten und Erfahrungen des Betriebs nicht möglich gewesen wären7. Für Patent- und Gebrauchsmusterrechte sehen Spezialgesetze für Erfinder – diesmal definitorisch für den Arbeitnehmer – einen Rechtserwerb vor8 . Der scheinbare Widerspruch zur prinzipiellen Ergebniszuständigkeit des Arbeitgebers wird gleich wieder durch ein Erwerbsrecht des Arbeitgebers aufgelöst: dem Erfinder und Arbeitnehmer bleibt wieder nur ein besonderes Entgelt9. Da es nicht um eine arbeitsrechtliche Abhandlung geht, sind die technischen Verteilungswege (dingliche oder obligatorische Ergebnisteilhabe) oder die diversen Verteilungsquoten (die Höhe des Extralohns) nicht in der Tiefe darzustellen10 . Dass im arbeitsvertraglichen Verteilungsprogramm das Prinzip von Anrechnung und Ausschließung nicht durch diese besondere Entlohnung in Frage steht, ist ausreichend fassbar.

2. Die Gründe der Anrechnung positiver Arbeitsfolgen Man sieht, wie ein „Zustehen“ am positiven Ergebnis durch die bekannte Logik von An- und Abrechnung folgt. Was ist der Grund dafür, das Arbeitsergebnis unmittelbar oder dem Werte nach dem Arbeitgeber zuzusprechen? Die Antwort fällt nicht einfach aus. Die Lehre bildet meist topische Aggregaturen. Hubman hat angeführt: den Äquivalenzgedanken, der es gebiete, die schöpfe­ rische Leistung höher zu entlohnen als die nicht schöpferische; Sorgen der prak5 

BGH NJW 1988, 1204, 1206. ausf. unlängst Lüken, Der Arbeitnehmer als Schöpfer von Werken geistigen Eigentums, passim. 7  S. BGH NJW 1971, 1409; inzwischen gesetzlich vorgesehen in §  4 ArbnErfG. 8  §§  6 ff. PatG (i.V.m. §  13 Abs.  3 GebrMG). 9  Klarer war auch das im Arbeitsvertragsgesetz von 1923 formuliert: „Soweit Rechte nicht unmittelbar in seiner Person entstehen, hat der Arbeitnehmer sie auf ihn zu übertragen“, §  121 S.  2 des Entwurfes, s. §  16, Fn.  1. 10  Das Urheberrecht bleibt zwar insofern dahinter zurück, als dass die Übertragung der Rechte aus der Erfindung gegen Entgelt nicht, immerhin aber noch ein Nutzungsrecht verlangt werden kann. Überblick bei Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, §  115 Rn.  6  ff. 6  S.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

tischen Umsetzbarkeit, denn wie sollte man den Anteil der Beteiligten am betrieblichen Leistungsergebnis überhaupt messen; die Sicherheit des Kredits, welche Gläubiger mit Blick auf die Unternehmerchancen vergäben; die soziale Frage, die nach Extralohn verlange, oder die nationalökonomisch gewollte Anspornung zu kreativer Werteschöpfung; der Schutz persönlicher Interessen der Arbeitnehmer an den Erfindungen. Die Zuständigkeit am Ergebnis hat, so muss es scheinen, eine schillernde Grundlage. Eine tiefere Analyse der Topoi, welche sich nur auf die primäre Zuweisung (nicht auf die fürsorgliche, personalistische, soziale Mitteilnahme oder das Gläubigerinteresse) bezieht, lässt zwei Gedanken hervortreten. Erstens: Die Zuweisung der Arbeitsergebnisse geschieht aus Einsicht in eine Notwendigkeit. Die Unterscheidung zwischen zeitbedingter und erfolgsbedingter Arbeit, zwischen Dienst- und Werkvertrag, wie sie durch die Antinomie von „Wirken“ und „Werk“ (v. Gierke) als geschuldeter Leistung vorgenommen wird11, täuscht darüber, dass auch der Arbeitserfolg gerade beim Dienstund Arbeitsvertrag dem anderen vertraglich zustehen muss. Die zur Produktion nötigen Kapitalmittel wird der Unternehmer nicht einsetzen, wenn er die Früchte nicht erhält. Nach dem Patent wird er nicht über Jahre mit erheblichen Kosten forschen lassen, wenn er die Erfindung nicht für sich verwenden kann. Der Film wird nicht produziert, das Buch nicht gedruckt. Dass die arbeitstypische Konzentration der Ergebnisse nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern gerade gerecht ist, hat Budde 1908 in einer rhetorischen Frage veranschaulicht: „Der Angestellte X hat einen Erfindungsgedanken, die Firma bei der er angestellt ist, nimmt denselben zur Durchführung auf und verwendet, sagen wir, 200 000 Mark darauf. Führt die Durchführung zum Ziele, so kann die Firma später ihre Auslagen zurückgewinnen und darüber hinaus noch einen erheb­ lichen Gewinn machen. Führt sie aber nicht zum Ziel – und das kommt oft genug vor – so hat sie ihr Geld verloren. Wenn die innere Gerechtigkeit im ersten Falle verlangt, dass dem ,Erfinder‘ ein besonderer Gewinn aus seiner Tätigkeit zufließt, was verlangt sie dann im zweiten Fall? Konsequenterweise müsste man diese Frage dahin entscheiden, dass der Erfinder der Firma die Kosten zu ersetzen hätte; den Schluß wird aber wohl niemand billigen“12 . Derselbe Gedanke in einer Forschungsarbeit hundert Jahre später: „Durch die Einstellung von Arbeitnehmern will der Arbeitgeber seine eigenen Handlungsmöglichkeiten erweitern. Da er die betriebliche Organisation stellt und den Betrieb leitet, erwartet er, dass die Ergebnisse der von ihm geschaffenen Organisation ihm so zufallen, als habe er diese – ohne Arbeitsteilung – selbst geschaffen. Der Arbeitgeber sichert sich durch den Arbeitsvertrag die Dienste der Arbeitnehmer, um nach seinen Vorstellungen unternehmerische Zwecke zu verfolgen und bestimmte 11 

12 

Dt. Privatrecht III, S.  591; ähnlich bereits Motive II, S.  471. Budde, Das Recht der Angestellten, S.  45 ff., 60.

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Ergebnisse zu erzielen. Aus diesen Einnahmen wiederum will der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer zahlen. Der Arbeitgeber ist daher darauf angewiesen, über die Arbeitsergebnisse verfügen zu können, damit der vom Arbeitsverhältnis vorausgesetzte wirtschaftliche Kreislauf funktioniert“13. Zweitens: Die Zuweisung der Arbeitsergebnisse geschieht, wie schon angedeutet wurde, also auch unter Berufung auf Billigkeit und Gerechtigkeit. Zwei Beispiele aus der Judikatur zeigen, dass gerade die zentralen Wertungen symmetrietopisch sind. 1. In Sachsen war einem Arbeiter vertraglich ein „rechtmäßiger Anteil“ als Erfinderlohn im Anstellungsvertrag zugesagt. Der Arbeitnehmer erfand einen später patentierten Flaschenhebelverschluss. Die Beanstandung einer Erfindervergütung von 20 Pfennig für 1000 Stücke, welche die Unternehmerin gewährte, überzeugte das Oberlandesgericht im Jahr 1910 nicht. Das Oberlandesgericht setzt auseinander, wieso die Verteilung der Risiken die Vergütungshöhe billig erscheinen lasse, und wird hierin vom Reichsgericht später bestätigt: „Der eigene, in der Tat sehr hohe Verdienst der beklagten Unternehmerin darf jedenfalls bei der hier in Frage stehenden Angestelltenerfindung nicht ohne weiteres zum Vergleiche gestellt werden, dies um so weniger, als auf die Erfahrung Rücksicht zu nehmen ist, dass auf den mit einer Erfindung erzielten Gewinn die oft sehr erheblichen Kosten zahlreicher früherer Versuche, zu erfinden und Erfindungen marktfähig zu gestalten, übertragen werden müssten“. Das Oberlandesgericht führt am Rande noch einen weiteren Gedanken ein: „übrigens würde die Erfindung des Klägers schwerlich die Bedeutung erlangt haben, wenn eben nicht ein Unternehmen von dem Ansehen der Beklagten seine geschäftlichen Beziehungen und Erfahrungen dafür eingesetzt hätte“14. 2. Auch für freie Mitarbeiter ist entschieden, dass ihre Vergütung im Regelfall keine Teilhabe an Gewinn oder Verlust zulässt. Der Bundesgerichtshof erläuterte 1961 anlässlich eines Beratervertrags zwischen einem Chemieunternehmen und einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, der die Vergütungsberechnung nicht bestimmte, die „für den Dienstvertrag allgemein typische Gefahrverteilung“15. Das Ergebnis der Arbeit verändere den Lohnanspruch im Regelfall nicht, gehe den Dienstleistenden nichts an. Der Senat nimmt zunächst den umgekehrten Begründungsweg und schützt das beklagte Unternehmen vor Einmischungen freier Mitarbeiter: Diese seien nur für eine begrenzte Aufgabe herangezogen worden und vorher nicht bekannt gewesen; ihnen sollten keine tieferen Einblicke in die zur Gewinnberechnung nötigen Interna gegeben werden. Der Kerngedanke ist wiederum symmetrisch, wenn es heißt: 13  Ulrici, RdA 2009, 92, 96 als singuläres Beispiel für zahlreiche; ähnlich statt vieler Däubler, Arbeitsrecht, Bd.  2, S.  26; Schnorr von Carolsfeld, Arbeitsrecht, S.  285 f.; Buchner, GRUR 1985, 1, 7 und zahlreiche andere; eingehendere Darstellung wiederum bei Ulrici, Vermögensrechtliche Grundfragen des Arbeitnehmerurheberrechts, S.  31 ff. 14  OLG Dresden MuW 1911, 123; bestätigt durch RG MuW 1912, 310. 15  BGH NJW 1961, 1251, 1252.

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„Ebenso kann sie [die Bekl.] aber auch etwa eintretende Verluste nicht dem Vergütungsanspruch entgegenhalten. Diese fallen vielmehr in ihren Risikobereich“16 . Die Forschung betont solche symmetrischen Muster seit längerem17. Zuletzt hat beispielsweise Ulrici seine These, dass nach „allgemeiner Ansicht“ der „Wert des Arbeitsergebnisses“ dem Arbeitgeber als „Äquivalent“ für das Arbeitsentgelt gebührt, so begründet: „Tragend hierfür ist, dass der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko trägt und ihm deshalb auch der Erfolg zustehen muss. Das Prinzip, wonach Vorteile und Risiken grundsätzlich zusammenfallen sollen, war bereits im römischen Recht bekannt, findet sich in zahlreichen gesetzlichen Regelungen und kann als allgemein anerkanntes Prinzip der Gerechtigkeit angesehen werden“18 .

II. Die Grundarten dienst- und arbeitsvertraglicher Nachteilsabnahme für Arbeitnehmer als Komplement Die einleitend aufgestellte Vermutung einer komplementären Risikoabnahme als Gegenelement der Ergebnisübertragung gewinnt sofort an Plausibilität, wenn man den Kernbestand arbeitsvertraglicher Risikoverteilung bei Lohn ohne Arbeit, Ersatz von Aufwand und Befreiung von arbeitsveranlasster Haftung heranzieht und erinnert. Denn kann man nicht stets sagen, der von negativen Folgen seiner Arbeit betroffene Arbeitnehmer – gedacht als ein Gegenprinzip – ist für Risiken aus der Arbeit gewissermaßen ,unzuständig‘? Erwägen wir eine solche dienst- und arbeitsrechtliche Konzentrationsregel genauer!

1. Die dienstvertragliche Verteilung des Substratrisikos gegen die arbeitsvertragliche Überwälzung von Betriebsrisiken beim Lohn ohne Arbeit Nach der berühmten Lehre vom Betriebsrisiko erhält der Arbeitnehmer entgegen der Prinzipien vertraglicher Risikoverteilung die Vergütung ohne eigene Leistung, den Lohn ohne Arbeit. Handelt es sich um Risiken, die sich der Seite oder Sphäre des Arbeitgebers wertend zuordnen lassen, bleibt die Vergütungspflicht bestehen. Irrelevant ist, worauf die Betriebsstörung beruht, die Primärzuweisung des Risikos an den Arbeitgeber gilt für sachliche Hindernisse (Maschinenschäden, Betriebsbrand, Ausfall der Energieversorgung) wie rechtliche (behördliche Anordnung, Inventur, Verbote), für Arten von höherer Gewalt 16 Ebenda. 17 

Huppert, Ergebnisbeteiligung, S.  43. Grundfragen des Arbeitnehmerurheberrechts, S.  41 unter Berufung auf BGH NJW 1961, 1251 f.; Bayreuther, GRUR 2003, 570, 571; Huppert, Erfolgsbeteiligung der Arbeitnehmer, S.  43. 18  Vermögensrechtliche

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(Frost, Regen, Hochwasser) wie für Stockungen in Zufuhr und Zulieferung gleichermaßen. Jedenfalls bis zu einer Opfergrenze gilt dann, dass der Arbeitgeber den arbeitsbereiten Arbeitnehmer zu entlohnen hat19. In den wesentlichen Ergebnissen ist dies streitfrei. Sehr streitbar bleibt, ob die richtige dogmatische Begründung spezifisch arbeitsrechtlicher oder – gleichsam auf höherer Ebene – werk- und dienstvertragsrechtlicher Art ist. Für unsere Aufgabe ist dieser Dogmenstreit durchaus erkenntnisreich, aber es genügt eine übersichtsartige Gegenüberstellung der Ansätze. 1. Der arbeitsrechtliche Lösungsansatz der Judikatur ist in der Not entstanden, denn wie das Risikoproblem bei unfallbedingter Störung nach allgemeinen Grundsätzen zu lösen sei, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts äußerst kontrovers20 . Reichsgericht und Reichsarbeitsgericht gingen mit der Betriebsrisikolehre, gedacht als eine rein arbeitsrechtliche Problemlösung, an dieser Frontstellung vorbei. Es entstand die Sphärendoktrin, die dem Arbeitgeber „grundsätzlich“ das Risiko der Betriebsstörung umfassend zuwies. Die Reform des Schuldrechts, welche in §  615 S.  3 dem Annahmeverzug diejenigen Fälle gleichstellt, „in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt“, hat eine bloße Klarstellung bezweckt 21. In der zugegeben sehr ambivalenten Topik, welche sich im Laufe der Jahre zur Rechtfertigung dieser Lehre angesammelt hat, sind symmetrietopische Elemente leicht nachweislich. Es ist schon bemerkenswert, wie das Reichsgericht eine (pflichtbegründende) Solidargemeinschaft unter Arbeitern konstruiert, die eine Lohnzahlung des bestreikten Arbeitgebers entbehrlich machen sollte22 . Das Reichsarbeitsgericht hielt das für richtig: Die Rechtsstellung der Arbeitnehmer sei in den vorausgegangenen Jahren verbessert worden; dies habe „naturgemäß“ (!) erweiterte Pflichten zur Folge. Ihm kam es auf Abgrenzung zweier Gefahrkreise an. „Störungen, die im allgemeinen oder unter den besonderen Verhältnissen des Betriebs öfters vorzukommen pflegen“, werden seither dem Arbeitgeber zugewiesen 23. Die Begründung ist lakonisch: Er könne sie „wenn auch nicht vermeiden, so doch von vornherein in Rechnung stellen“24. Man sieht, wie sehr verschiedene, kollektiv- und individualarbeitsrechtliche Problemaufgaben unter eine gemeinsame Lösungsformel gebracht wurden. Die aus anderem Kontext längst bekannte Korrelation von Betriebschance und -risiko bleibt ein Topos der Sphärentheorie, der vielfach um weitere Gedanken, wie dem der So19  Erst wenn der Fortbestand des Betriebs gefährdet ist, soll nach dem Reichsgericht eine Milderung, also ein Teilverzicht auf Lohn, annehmbar sein, RAG 72/28, E 2, 74 = ARS 3, 116. 20  S. nur statt vieler die sehr genaue Darstellung von Joachim Rückert, in: HKK, §   615 Rn.  196 ff.; ferner Kalb, Betriebsrisikolehre, S.  22 f. 21  BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6867, S.  48; Nr.  7052, S.  204. 22  RGZ 106, 272, 275. 23 Ebenda. 24  RAG ARS 3, 116, 122.

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lidargemeinschaft oder der Kampfparität, ergänzt wurde und bei dieser Problemweite werden musste25. 2. Für die Gegenlehre steht heute Picker. Schon Söllner hatte versucht, die arbeitsvertragliche Lehre durch die allgemeinen zivilrechtlichen Gefahrtragungsregeln, die sich nach ihm in §  645 zeigten, zu ersetzen 26 . Flume hatte knapp erklärt: „Dem Vertragstyp des Dienstvertrags, wie er hinsichtlich der Risikoverteilung vom Gesetz gesehen wird, entspricht es, daß der Dienstberechtigte das Risiko für seinen Betrieb, insbesondere das Betriebsrisiko trägt“27. Seit der Reform von 2002 ist das „Risiko des Arbeitsausfalls“ in §  615 S.  3 erwähnt und seither ist die dienstvertragliche Sicht vordringend und vorherrschend. Namentlich Picker folgert aus den Vorbedingtheiten der dienst- und arbeitsrechtlichen Tätigkeit, dass die Arbeitsmittel, ohne welche die Arbeitskraft oder Dienstleistung gar nicht erbracht werden kann, vom „Besteller“ bereitzustellen sind. Es bleibe dann schlicht bei der allgemeinen zivilistischen Gefahrverteilung28 . Ein Kernsatz, der für jeden Vertrag auf Dienste gegen Entgelt Gültigkeit beanspruchen könne, lautet: „Die Vergütungsgefahr der Vertragspartner wird – das ist in Kürze der geschichtlich gewachsene Inhalt dieser Gefahrtragungsregel – aufgeteilt in zwei konkrete, sozial erfassbare Risikosphären. Danach hat jede Partei die Folgen von Zufall und Unglück nicht nur im Rahmen der generellen casum-sentit-dominus-Regel zu tragen“29. Picker verallgemeinert den Inhalt der Regel: „Diese Folgen treffen sie darüber hinaus auch im Hinblick auf die Gegenleistungsgefahr und also in Bezug auf den ‚in das Gebiet des Obligationenrechts fallenden Nachtheil‘, wenn und soweit sich das Unglück auf ,ihrer Seite‘, d. h. ,in ihrer Person‘ oder ,in ihren Sachen‘ ereignet“30 . Bei Picker ist dieser Gedanke einer Substratgefährdung aus dem arbeitsrechtlichen Schutzzusammenhang gelöst und auf eine universale Gefahrregel nach „allgemeingültigen materialen Gesichtspunkten“ bezogen. Das Prinzip lautet dann schlicht: „Die Gefahr, daß die vereinbarte Leistung mißlingt, soll grundsätzlich und also jedenfalls dann dem ,Besteller‘ dieser Leistung auferlegt werden, wenn Gründe in seiner Person und speziell in den von ihm bereitzustellenden Sachen das Scheitern bedingen“31. 25  Sehr kritisch Picker, JZ 1979, 285, 288; s. auch HKK/Rückert, §  611 Rn.  249, 251; Kalb, Betriebsrisikolehre, S.  22 ff.; die Kritik ist zusammengetragen bei Schumacher, Die privilegierte Haftung, S.  117 ff. 26  Söllner, AcP 167 (1967), 141; später auch Fabricius, Leistungsstörungen, S.  72 f., 83. S. im Kontext auch die aufschlussreiche Zusammenstellung ähnlicher Ansätze in der Lehre im 19. Jahrhundert bei HKK/Rückert, §  615 Rn.  49 ff. 27  Flume, Allgemeiner Teil, Band 2, §  26, S.  513. 28  Picker, JZ 1979, 285; ders., JZ 1985, 693 ff.; ders., JZ 1988, 63 ff.; ders., Festschrift Kissel, S.  813 ff., der dort (S.  815, Fn.  9) die verwandten Ansätze zusammenstellt. 29  Picker, Festschrift Kissel, S.  813, 818. 30  Picker, Festschrift Kissel, a.  a. O. mit Verweis auf Puntschart, Die fundamentalen Rechtsverhältnisse des römischen Privatrechts, S.  427; s. bereits ders., JZ 1985, 696 f. 31  Picker, Festschrift Kissel, S.  813, 853.

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Man kann leicht sehen, wie beide dogmatisch so verschiedenen Ansätze symmetrische Argumentationsmuster nutzen. Das ist kurz zurückzustellen, denn um dies besser einordnen zu können, sollen noch andere Felder der dienst- und arbeitsvertraglichen Risikozuteilungen einbezogen werden.

2. Nachteilsabnahme bei Aufwendungen und Schäden sowie Haftungsprivilegien bei abhängiger Arbeit Wesentliche weitere Anwendungsfelder der Lehre des Betriebsrisikos sind die Risikohaftung des Arbeitgebers bei Aufwendungen, Opfern, Schäden zum einen, die Privilegien bei der Haftung zum anderen. Selbstverständlich wurden Details der Betriebsrisikolehre im ordnungsbezogenen Kontext angepasst. Es geht nunmehr nicht um deren hundertste Zusammenstellung, auch nicht um diese kontextualen Anpassungen, sondern nur darum, auf Parallelen und Unterschiede in zwei Bereichen aufmerksam zu machen. 1. Das Prinzip der Risikoabnahme erhielt auf der Suche nach einer gerechten Risikoverteilung bei Aufwendungen einen wichtigen Ausdruck. „Aufwendungen“ sind nicht die von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckten Personenschäden, sondern vor allem Schäden an Sachen des Arbeitnehmers; eine zweite Konstellation ist die Freistellung von arbeitsbedingter Haftung. Im Bürgerlichen Gesetzbuch blieb der ganze Problemkreis ungeregelt32 . Die Regeln für arbeitsvertraglichen Ersatz von Aufopferungen wurden durch das Reichsgericht im Ameisensäurefall des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts entwickelt 33. Dort hatte ein Hafenarbeiter Korbflaschen mit Ameisensäure verladen, er zerbrach eine, und Säure beschädigte seine Hose. Der Große Senat unterschied: Sachschäden des Arbeitnehmers, die „arbeitsadäquat” seien, sah er als mit der Vergütung abgegolten an, zumal es Gefahr- oder Schmutzzulagen für gesteigerte Risiken in Tarifverträgen gebe. Man erkennt eine untergründige Fiktion einer vertraglichen Regel. Anders aber schon damals bei „Sachschäden, die im Vollzug einer gefährlichen Arbeit, also in einem inneren adäquaten Zusammenhang mit ihr entstehen (vgl. auch die Parallele in §  110 HGB) und durchaus außergewöhnlich sind, mit denen also der Arbeitnehmer 32 Die 1. Kommission hatte den Dresdener Entwurf ausgiebig behandelt, der für die „Dienstverdingung“ bestimmt hatte: „Der Dienstverdinger ist verbunden, den Aufwand, welchen die Dienstleistung mit sich bringt, zu tragen und die zu der letzteren erforderlichen Werk- und Fahrzeuge zu stellen, soweit nicht etwas anderes vereinbart oder gebräuchlich ist“. Überlassenes Arbeitsmaterial sei in dem Zustand, in dem es empfangen wurde, zurückzugeben, „insoweit es nicht durch Zufall oder durch den davon gemachten zweckentsprechenden Gebrauch verändert oder verschlechtert worden ist“. Beide Sätze wurden nicht aufgenommen. Der erste sei selbstverständlich, treffe aber auch nicht stets für alle denkbaren Fälle das Richtige; für den zweiten lasse sich der „wesentliche und sachliche Inhalt selbstverständlich“ nennen, s. Prot. I, S.  2257 ff. = Jakobs/Schubert (Hrsg.), Beratung Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, S.  748 f. 33  BAG NJW 1962, 411.

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nach der Art des Betriebes oder nach der Art und der Natur der Arbeit nicht zu rechnen hatte“. Diese seien Aufwendungen nach §  670: „Bei ihr kann von einer Abgeltung durch die Vergütungszahlung nicht gesprochen werden. Sie geht über die Einsatzpflicht des Arbeitnehmers hinaus“34. An Erklärungsentwürfen und dogmatischen Konzepten ist kein Mangel35. Die Lösungsformeln der Judikatur sind mit denen der Betriebsrisikolehre pa­ rallelisiert und bleiben vage. Die Erweiterung des Privilegs geschah, „weil sonst Arbeitnehmer, die keine gefahrgeneigte Tätigkeit ausüben, bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten grundsätzlich den gesamten Schaden des Arbeitgebers tragen müßten. Dies ist im Hinblick auf das dem Arbeitgeber auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit zuzurechnende Betriebsrisiko und seine Befugnis zur Organisation des Betriebs und zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen nicht gerechtfertigt“36 . Diese Betonung der Leitungsbefugnis fällt ins Auge. Das liegt an dem Konnex von Leitungsbefugnis und Gefahr, den Molitor so beschrieb: „Aus der Verteilung der Gefahr des Gelingens der Arbeit unter die Vertragsteile ergibt sich als natürliche Folge, daß in gleicher Weise die Organisation der Arbeit unter ihnen verteilt sein wird. Denn derjenige, der die Gefahr trägt, daß die Arbeit nicht zu dem gewünschten Erfolg führt, muß naturgemäß auch die Befugnis haben, durch entsprechende Gestaltung der Arbeit diese Gefahr auszuschließen“37. Reinhardt hat richtig gesagt, dem Arbeitgeber „obliegt die (zumeist wirtschaftliche Zielsetzung und Sinngebung der Arbeitsleistung) und ihm fällt unmittelbar Chance und Risiko dieser Zielsetzung und ihrer Verwirklichung zu“. Dazu erlangt er das Recht, „im Rahmen der von ihm aufgebauten und gelenkten Arbeitsorganisation das Was, Wie, Wann und Wo sowie die weiteren Umstände der zu erbringenden Leistung des Näheren zu bestimmen“38 . In mandatsrechtlichem Kontext hat Esser den künstlichen Weg, in §  670 „Nachteile“ als Aufwendungen zu bezeichnen, auf folgende Weise nachvollziehbar gemacht: „In Wahrheit beruht die Haftung auch hier auf dem Gedanken, daß derjenige, dessen Interessen durch die Tätigkeit Dritter gefördert werden, das damit spezifisch verbundene Risiko nicht von sich abwälzen darf“39. 2. Die Geschichte des Haftungsprivilegs bei gefahrgeneigter, gefahrbelasteter, gefahrbehafteter Arbeit, beim Abirren der Arbeitsleistung, bei betriebstypi34  Die spätere Judikatur ist schwankend und mit der zur Haftungsproblematik verbunden. Das Schrifttum hat die Grundsätze über Jahrzehnte stark kritisiert, vor allem das fiktive Moment, das im Schluss von der Vergütung auf die Risikoverteilung liegt, und die Grenzziehung zwischen den Arten der Arbeit, s. ausf. dazu Döring, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, passim. 35  Nachgezeichnet bei Döring, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, S.  52. 36  NJW 1995, 210. 37  Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, S.  40. 38  Uwe Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S.  99 ff. Zitat auf S.  165 und wortgleich S.  209. Zuvor bereits Canaris, RdA 1966, 43, 48. 39  Esser, Schuldrecht, 2.  Aufl., S.  5 4.

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scher Gefahr usf. ist historisch und axiologisch mit der Risikoabnahme bei Aufwendungen parallelisiert. Der Entwicklungsgang ist hinlänglich nachgezeichnet worden. Es muss genügen, auf die Wende, die der Große Senat 1995 herbeiführte, zurückzugehen, als er das Privileg von der alten Enge eines besonderen Gefahrenbezugs befreite; seither haftet der Arbeitnehmer, vereinfacht gesagt, dem Arbeitgeber nur bei grober Fahrlässigkeit40 . Bei den Rechtfertigungsversuchen finden wir vor allem solche mit symmetrietopischen Erklärungsmustern. Schon Lent meinte, der Geschäftsbesorger müsse Gefahren auf sich nehmen, um das Geschäft besorgen zu können. Der schlichte Gedanke ist: Hätte der Geschäftsherr das Geschäft selbst durchgeführt, hätte er das Risiko tragen müssen41. Anton Huber hat das aufgenommen und bereits auf den Gedanken einer allgemeinen Risikohaftung des Geschäftsherrn zurückgeführt42 . Die Adap­tion der interessenjuristischen Gedanken, die wir im haftungsrechtlichen Zusammenhang bereits kennen gelernt haben, ist auch bei Wilburg zentral: Wer in eigenem Interesse andere tätig werden lasse, habe die mit der Handlung verknüpften Risiken zu übernehmen. Der Topos ist bei Canaris in seiner Schrift „Feststellung von Lücken im Gesetz“ aufgenommen, in der er die Wertungs­ parallelen zur Gefährdungshaftung betont43. Er ist später in ein Prinzip der ­R isikohaftung fortgesetzt und dies ist seither vielfach akzeptiert worden. Es ist auch von Interesse, dass die Parömie ›cuius periculum eius commodum‹ als rheto­risches Mittel für diese Ansicht herangezogen wird44.

III. Die dienst- und arbeitsvertragliche Verteilungstypik aus symmetrierechtlicher Sicht Ziehen wir die Summe aus diesen nur kursorischen Erwägungen, lässt sich die eingangs gestellte Frage nach einem symmetrischen Verteilungsmuster bei Verträgen auf Arbeit beantworten.

1. Symmetrische Formung des arbeitsvertraglichen Zuweisungsprogramms durch Anrechnung positiver und negativer Arbeitsfolgen Bei Verträgen über Arbeit zeigt sich im ›Entzug von Vorteilen gegen Entlastung von Negativfolgen‹ eine weitere Signatur symmetrischer Verteilung. Der Ar40  NJW 1995, 210. Stärker die arbeitsrechtliche Schutzpflicht betont Langenbucher, ZfA 1997, 541 ff. 41  Lent, Wille und Interesse, S.  92. 42  Anton Huber, Haftung des Geschäftsherrn, S.   57; s. auch Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 352 f., 367 f. und 459 ff. 43  S.  181 Anm.  37; ders., RdA 1966, 41, 43. 44  Genius, AcP 173 (1973), 482, 521.

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beitsvertrag ist auf Wechsel einer handlungs- und personenbezogenen Zuständigkeit gerichtet. Die Formel hat zwei Teile, die wechselseitig aufeinander bezogen sind. Wir sahen: Das ökonomische Ziel von Arbeit ist auf Erfolg, nicht auf Wirken gerichtet, weswegen die Ergebnisse der Arbeit auf den Arbeitgeber übergeleitet werden. Diese Zuständigkeit an den Arbeitsergebnissen erscheint gerecht, weil der Arbeitgeber die mit der Arbeit verbundenen Risiken trägt. Noch klarer kommt der Wechselbezug im umgekehrten Fall heraus, denn die wesentlichen Mittel der Risikozuweisung, die Entlastungswirkungen und Haftungsprivilegien, sind in jurisprudentiellen Fortbildungsprozessen langsam entstanden und werden überwiegend symmetrietopisch begründet.

2. Die symmetrische Deutung von Seite und Sphäre im dienst- und arbeitsvertraglichen Leistungsstörungsrecht Es lässt sich aber von einer Zuweisung negativer Arbeitsfolgen nur sinnvoll reden bei den Aufwendungen und Haftungsprivilegien, nicht bei dem dienst- und arbeitsvertraglichen Leistungsstörungsrecht, nicht bei den Grundsätzen zum Lohn ohne Arbeit. Denn es geht hier nicht um ein Risiko aus der vertraglich geschuldeten Arbeit. Es geht um die Bestimmung einer ganz anderen Zuständigkeit – dem Eigen des „Bestellers“, des Arbeitgebers – das metaphorisch als Seite oder Sphäre beschrieben wird. Weil die leeren Begriffe von Seite oder Sphäre nicht durch teleologische Normanwendung wesentlich verbessert werden können, kommt es zwangsläufig zu Anleihen beim System. In der anti-dogmatischen Problembemühung der Judikatur, in der Risiken nach verschiedenen Kriterien bewertet werden, kommt es zu auffallender Pa­ rallelisierung mit der haftungsrechtlichen Argumentation, was erklärt, warum die komplementäre Betriebschance des Risikoempfängers stets mitgenannt und mitgedacht ist. Im dogmenklareren Gegenentwurf eines am casum-sentitdominus-Gedanken entwickelten Lösungsansatzes erscheint der Satz ›Lohn ohne Arbeit‹ vollends als Komplement des Satzes ›Arbeitsergebnis für Lohn‹: casum et lucrum sentit dominus! Beide Leitgedanken haben sich im Laufe der Analyse bereits als Zeichen symmetrischer Ordnungswirkung erwiesen45. Die scharfe Antinomie, als welche die Lehre vom Betriebsrisiko und die Substrattheorie erscheinen, löst sich in dieser Sicht auf46 . So, wie die Motive für den Annahmeverzug irgendeinen „auf Seiten des Gläubigers liegenden Grunde“ fordern, suchen beide Theorien eine Zuordnung außerhalb der Formen, für betriebliches Handeln oder für den Betrieb selbst. Beide Wege sind aus symmetrierechtlicher Perspektive richtig! Sie nähern sich dem Problem von unterschiedlichen Seiten. Die Substratlehre sucht 45 

46 

S. §  2 I. und §  11. Polemik gegen die Betriebsrisikolehre dagegen bei Picker, Festschrift Kissel, S.  813, 854.

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gleichsam nach einem Ersatz für eine Eigentumsform am Betrieb und findet die Idee einer Konzentrierung betrieblicher Risiken und Chancen zur Einheit, ganz wie es der freiheitsaxiomatischen Maxime entspricht; die Sphärenlehre kommt durch gefährdungshaftungsrechtliche Topik zur gleichen Zuweisung von Risiken47.

47 

S. §  2 I. und §  11 I.

Zweiter Abschnitt

Die Restitutionsordnung für den gescheiterten Vertrag Für den Vertrag im endgültigen Störzustand haben die schuld- und sachenrechtlichen Abwicklungsfiguren die Aufgabe, die Parteien schadlos zu stellen, indem ihnen das, was sie aus ihrem Vermögen gegeben haben, restituiert wird. Für die rücktrittsrechtliche Liquidation des gestörten Vertrags verwenden die Motive die Formel, das Ziel sei es, „dem Berechtigten bei einer Änderung der Umstände gegen etwaige nachteilige Folgen des Vertragsschlusses, zu denen auch die Folgen des Überganges der Gefahr gehören, Schutz zu gewähren“1. Solche vagen Restitutionsformeln haben bestenfalls einen Annäherungswert, einen Verteilungsschlüssel beinhalten sie nicht. Für eine Restitutionsordnung des ›Bekommen-Sollens‹ wäre zu überprüfen, ob sich im restitutionellen Abwicklungsplan analoge oder ähnliche Symmetrien wie bei vertraglichen Umsatzplänen nachweisen lassen, ob also der Wiederherstellungsplan gleichsam als umgekehrter Umsatzplan zu denken ist. So wie der Kauf als Symmetriewechsel vorstellbar ist, wäre die Restituierung des gescheiterten, gestörten, nichtigen Kaufs ein rückläufiger Symmetriewechsel. Diese These ist auch offenbar mehr als nur eine Projektion der bisherigen Einsichten, denn es ist ein im Gesetzestext äußerlich ablesbares Phänomen, dass die Abwicklungsfiguren die Vorteile und Nachteile zwischen Vertragsschluss und Beginn des Leistungsaustausches restituieren sollen, wie schon die Absätze 1 und 2 des §  347 zeigen. Die Perzeption des Symmetrischen in der Restitutionsordnung wird sehr erschwert durch das Nebeneinander der Abwicklungsformen, deren Partikularismus oder Isolation und eruptive Verrechtlichung, wie sie beim Rücktritt durch die Reform von 2002 erfolgte. Die Darstellung ist streng zu begrenzen und ist auf die rücktrittsrechtliche Restitution bezogen.

1 Denkschrift, S.   52 f. = Mugdan, Materialien, Band 2, S.  1240; s. auch Mot. II, S.  280; BGHZ 81, 298, 307, s. näher Kaiser, Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S.  509 f.

§  17 Der Liquidationsplan bei Rücktritt und Widerruf Vielfalt und Varianz der Problemaufgaben, die das vertragliche Restitutionsrecht selbst bei scheinbar einfachen Fällen bewältigen muss, haben Ursachen in den Sachverhalten und im Recht. In den Sachverhalten, denn schon der einfache Untergang der Sache kann seine Ursache in einem Mangel haben, aber auch auf einem Zufall beruhen, der sich ohnehin ereignet hätte oder auch mit einer Sachnutzung im Zusammenhang steht, wobei die Sachnutzung selbst wieder verschiedenen Kategorien (sachgemäß, unsachgemäß, sorgfaltsgemäß nach eigenen Maßstäben) zuzuordnen wäre; sie kann ebenso auf bloßem Gebrauch, einfacher Alterung, zeitbedingter Entwertung, Genuss, Verzehr oder Umbildung beruhen; auch Verfügungen über den Gegenstand sind einzubeziehen. Im Recht, denn die Restitutionsgründe beruhen auf dem Fehlen oder Wegfall des Grundes für ein Behaltendürfen wegen Irrtums, Geschäftsunfähigkeit, Formmangel oder auch wegen auflösender Bedingung; sie beruhen auf einem vorbehaltenen Rücktritt oder den vielfältigen gesetzlichen Rücktritts- und Widerrufsrechten. Es ist nicht leicht, eine solche Varianz im äußeren System mit parallel anzuwendenden Abwicklungsformen zu verarbeiten. Hinzu kommt, dass das Rücktrittsrecht in einer tieferen Schicht durch eine schwierige Kollisionslage von Prinzipien wesentlich gekennzeichnet ist. Angesichts dieser Komplexität ist verständlich, wieso das Symmetrische weniger evident ist und übersehen wird. Allerdings kennzeichnet die Dogmatik die Befugnis des Rücktrittsgläubigers mit Begriffen, die wir beim Güterschutz schon kennen gelernt haben. Der Rücktrittsgläubiger werde zum „relativen Eigner“, „Treugeber“, der Schuldner zum Verwalter1. Auch in den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist das Restitutionsobjekt als eine „materiell fremde Sache“ beschrieben 2 . Die Annahme, auch für die rücktrittsrechtliche Abwicklung sei eine Symmetrik nachweislich, muss nach den bisherigen Ergebnissen geradezu auf der Hand liegen. Dies umso mehr, als Rücktrittsrecht technisch im Kern ein Verweis auf Vindika­ tionsfolgenrecht einschließlich der Gestorhaftung gewesen ist – beides Institute, wie wir sahen, mit streng symmetrisierter Verteilungslösung3. Eine stoffsichtende Vorarbeit soll – zum Teil unter Rückbeziehung auf die bisherigen Ergebnisse – den nötigen freien Blick verschaffen und zu einer Kon1 

Näher sogleich unter §  7 II. 2. Prot. S.  1306 f. = Mugdan, Materialien, Band 2, S 645. 3  §  2 II. 1 und §  5 II. 2 

§  17 Der Liquidationsplan bei Rücktritt und Widerruf

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zentrierung auf das Analysethema überleiten (I.). Man steht heute noch immer am Anfang einer Neuorientierung im Rücktrittsrecht. Ob die Idee einer symmetrischen Verteilungslogik Orientierungshilfe sein kann, ist dann eine zwangsläufige Folgefrage (II.). Es schließen sich einige Beispiele zu Symmetriezwängen und -wirkungen an (III.). Auf den Widerruf soll nur am Rand eingegangen werden.

I. Die Verteilungsschlüssel im alten und reformierten Recht – Stoffübersicht Eine Stoffsichtung des Rücktrittsrechts ist, da sich das reformierte Recht in Konversation über das alte Recht von diesem löste und noch überall dessen Spuren zeigt, nur in einer Gegenüberstellung von Altem und Neuem zureichend. Der Rücktritt als allgemeine Institution hat eine junge Geschichte. Sie ist ein Abstraktionsprozess, in dem die ädilizischen Rechtsbehelfe von Wandlung und Minderung (actio redhibitoria und actio quanti minoris) im justinianischen und später im gemeinen Recht einen allgemeineren Charakter angenommen hatten und schließlich, am Vorabend des Bürgerlichen Gesetzbuches, Modell standen für den Rücktritt im Sinne einer neu zu schaffenden, einheitlichen Institution4. Eine Stoffsichtung soll die Regelungswerke auf eine geraffte Form gebracht kontrastieren und begreiflich machen, bevor alte und neue Verteilungssemantik einander gegenüber gestellt werden.

1. Kontrastierung von Grundzügen und Grundgedanken des alten und neuen Rechts Die Leitideen des Rücktrittsrechts von 1900 in gedrängter Form zielten auf Vereinheitlichung von vorbehaltenem und gesetzlichem Rücktritt in einem zweistufigen Haftungssystem bei Verwendung des vindikationsrechtlichen Verteilungsschlüssels. In formal-technischer Hinsicht war das alte Rücktrittsrecht insofern eine Vielheit, als die §§  346 ff. unmittelbar nur den vorbehaltenen Rücktritt betrafen. Sie bildeten das rücktrittsrechtliche Rückgrat. Auf diesen Kern wurde für das heimliche Leitparadigma, die Wandlung, in §  467 und für andere gesetzliche Rücktrittsrechte in §  327 verwiesen. Die Nebenfolgen der Liquidation waren 4  Erst im Allgemeinen Handelsgesetzbuch von 1861, das die schnelle Lösung vom Vertrag als Wiedergewinn der Handlungsfreiheit stärken wollte, sind einheitliche und konsistente Rücktrittsregeln vorgesehen. Sie wurden als Angriff auf das „Vertragssystem“ empfunden, der „Ängstlichkeit über die Festigkeit der Vertragsverhältnisse“ auslösen könne, und eine Gesetzesregel war bis zuletzt kritisiert und umkämpft, Zitate aus ADHGB-Protokollen, S.  1399; näher Leser, Rücktritt vom Vertrag, S.  13.

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wiederum gar nicht in §  347 ausformuliert, der seinerseits nur ins Vindikationsrecht verwies5. In systematisch-funktionaler Hinsicht bildete das Rücktrittsrecht ein systematisches Mittelstück zwischen der Restitution nach Anfechtung bei Kenntnis des Anfechtungsgrundes (§  142 Abs.  2) und bei bedingtem Kauf, der nach §  818, §  819 i.V.m. §  292 abzuwickeln war. In allen Fällen wurde die vindikationsrechtliche Verteilungsordnung gleichsam importiert, wodurch auch eine sachliche Nähe der Sachverhalte sinnfällig wurde und werden sollte. In inhaltlich-folgenbezogener Hinsicht zerfiel das Rücktrittsrecht in zwei Stufen. Erstens war eine Reihe von Sperren in §  351 – §  353 vorgeschaltet, die Wandlung etwa nur zugelassen, wenn die Sache so zurückgegeben werden konnte, wie sie der Käufer erhalten hatte6 ; auf zweiter Stufe wurde die Verteilung von Nutzen, Lasten, Gefahren durch schlichten Verweis in §  347 auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis geordnet. Die Stammnorm, welche die Gefahrverteilung bestimmte, war §  9897. Damit blieb es im alten Recht bei der Regel, die schon im gemeinen Recht hoch kontrovers unter dem Schlagwort mortuus redhibetur dem Verkäufer die Gefahr des zufälligen Untergangs aufbürdete8 . Die parömienhafte Wendung besagt: Der Verkäufer bleibt zur Rücknahme des verstorbenen Sklaven oder Viehs verpflichtet, wenn nur der Käufer infolge eines Mangels zur Wandlung berechtigt ist. Ob der Mangel für die Verschlechterung ursächlich war – das erst ist der virulente Kern – ist nicht relevant. Anders gesagt: Der Käufer benutzt die mangelhafte Ware auf Gefahr des Verkäufers. Dieser Grundsatz ist in das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 (wiederum zweistufig in §  350 und §§  347, 989) gegen beachtliche Widerstände aufgenommen worden, aber rechtspolitisch nie ganz zur Ruhe gekommen9. Die Kritik, die schon während der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches vehement war, versuchte, vereinfacht gesagt, die Verteilungslösung zu korrigieren: Etwa, es sei ein venire contra factum proprium anzunehmen, wenn der untergegangene Gegenstand zuvor benutzt wurde, wobei kein Konsens über die notwendige Qualität von Benutzung bestand (willentliche, unsachgemäße, risikoerhöhende) 10 ; man erfand Sphären- und Herrschaftstheorien nur mit dem Ziel, dem Käufer den Rücktritt zu verstellen; im späteren Verlauf der Diskussion wurde 5  Das galt lange als abstrakte oder lebensferne Technik, und war – wie man im Rückblick besser sieht – eine durchaus ausgewogenere und reifere Konzeption, als die Kritik oft behauptet hat. 6  So bereits das ALR I 5 §  327, §  328. Allerdings sperrte der Ausschluss nach §  351 a. F. die Käuferrechte wegen Sachmangels nicht. 7  Entgegen häufiger Darstellung also nicht der alte §  350, der nur die Sperren der §  351– §  353 aufhob. 8  S. dazu Lederle, Mortuus redhibetur, S.  34 f.; der Meinungsstand in der Pandektenwissenschaft ist nachgewiesen bei Leser, Rücktritt vom Vertrag, S.  50; von den jüngeren Arbeiten ist der Beitrag Wagners, Festschrift Huber, S.  592 ff., zu nennen. 9  S. BGHZ 53, 144; BGHZ 57, 137. 10 S. Enneccerus/Lehmann, Allgemeiner Teil, §  39 II 1 und näher sogleich im Text.

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oft versucht, den Begriff „Verschulden“ in §  351 und §  347 i.V.m. §  989 mit schlichtem Handeln, Ingebrauchnahme, Risikoerhöhung in eins zu setzen, und dies bedeutete im Grunde wieder nur, die Gefahrtragung des Verkäufers zu ändern11. Die Leitideen des reformierten Rücktrittsrechts, wiederum in kürzester Form, sind die Neuformulierung vereinfachter Regeln für den Restitutionsplan unter Verzicht auf Verweisungen mit vindikationsrechtlicher Zielnorm des §  989 und die Aufgabe der Rücktrittssperren12 . In formal-technischer Hinsicht werden die Verweisungen in das Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses einschließlich seiner Weiterverweisung auf die Gestionshaftung (§  994 Abs.  2) zugunsten einer in §§  347 f. konzentrierten Verteilungslösung ersetzt13. Die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz ist aufgehoben (§  325), damit wird der Rücktritt als Behelf faktisch aufgewertet. Der Rücktritt wird, wenn die Rückgabe unmöglich ist, nicht mehr gesperrt; die alten Sperren sind zugunsten einer saldierenden Abwicklung „dem Werte“ nach, wie sie schon im gemeinen Recht bekannt war, ganz aufgehoben14. In systematisch-funktionaler Hinsicht wird das Institut des Rücktritts tragende Säule in der schuldrechtlichen Architektonik. Es wird im Recht der Leistungsstörung (§  323, §  324, §  326 Abs.  5), im Gewährleistungsrecht (§  437 Nr.  2, §  634 Nr.  3) ebenso wie bei der Störung der Geschäftsgrundlage §  313 Abs.  3 oder der Unsicherheitseinrede §  321 Abs.  2 zur zentralen Abwicklungsform. In inhaltlicher Hinsicht scheinen sich reformierte und unreformierte Verteilungsordnung durchaus zu ähneln. Die Kritiker des alten Rücktrittsrechts sahen sich im Recht, wenn nach den Bekundungen des Reformgebers die „zugrundeliegende Gefahrtragungsregel zu korrigieren“ sei, haben aber einsehen müssen, dass dies gar nicht durchgehalten ist. In §  346 Abs.  2 steht zwar der Grundsatz, dass der Empfänger bei unmöglicher Herausgabe Wertersatz schuldet, aber Ausnahmen stellen die alte Gefahrverteilung weitgehend wieder her, nicht schon, weil in Abs.  3 Nr.  2 die Ersatzpflicht entfällt, wenn sich die Gefahr auch beim Gläubiger realisiert hätte, sondern weil für den wichtigsten gesetzlichen Rücktrittsgrund in Abs.  3 Nr.  3 im Grunde fast alles wieder zurückge-

11 

Referat der Ansätze bei Kaiser, Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S.  243 ff. Die Integration des verbraucherrechtlichen Widerrufs wurde durch die §§  355 ff. im Jahr 2014 wieder aufgehoben. S. zu den Reformen Grundmann, JZ 2013, 53, 59; Koch, JZ 2014, 758, 763. 13  Die Verweisungen ins Sachenrecht wurden gelöst und die Regeln für vorbehaltenen und gesetzlichen Rücktritt in den §  346, §  347 zentriert. 14  In der Reform wird die angeblich lebensfremd-technische Hervorhebung des vorbehaltenen Rücktritts in den alten §  346 – §  361, auf die für die wichtigeren gesetzlichen Rücktrittsgründe in §  327 und §  467 bloß verwiesen wurde, zwar äußerlich geändert, inhaltlich aber verschärft, wie Kaiser, JZ 2001, 1057, 1062 ff. schon zum Regierungsentwurf richtig angemerkt hat. 12 

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nommen wird, wenn über den Hintereingang eines Privilegs das „Rückspringen der Gefahr“ auf einmal wieder für „sachgerecht“ gehalten wird15.

2. Kontrastierung von altem und neuem Verteilungsschlüssel In gedrungener Darstellung sind Verteilungsart und Verteilungsschlüssel in den zwei Entwicklungsstufen des Rücktrittsrechts von 1900 und von 2002 gegenüber zu stellen. Das alte Recht ist geprägt von einer vindikationsrechtlichen Symmetrisierung des Liquidationsschlüssels. Sie war in dem Verweis auf das Legalverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer gleichsam mit enthalten, das, wie gezeigt, in symmetrische Verbindungslinien auflösbar ist16 . Das neue Recht hat das vindikationsrechtliche Modell durch eine differenzierte Lösung ersetzt, aber den vierstellig-symmetrischen Verteilungsschlüssel weitgehend erhalten, allerdings trägt der Rücktrittsgegner die Zufallsgefahr isoliert 1. wenn sich ein Mangel bei Verarbeitung oder Umgestaltung zeigt (Abs.  3 Nr.  1); 2. bei hypothetischer Gefahrrealisierung beim Gläubiger (Abs.  3 Nr.  2); 3. beim wichtigsten Fall des gesetzlichen Rücktrittsrechts (Abs.  3 Nr.  3); 4. bei gebrauchsbedingter Unmöglichkeit (Abs.  2 Nr.  3) 17.

II. Rehabilitierung der symmetrischen Verteilungsidee Was erklärt diese differenzhafte Lösung? Das alte Recht dachte von der Wandlung her. Dieses Leitparadigma und die inhärente Konzeptionsidee ist durch die Reform offenbar aufgelöst, die Verweisungskette ins Vindikationsrecht bewusst abgetrennt und durch Neues ersetzt worden. Nach den Selbstbekundungen ist „das Rückspringen der Gefahr zum Verkäufer“ sachgerecht, wo er „seine Pflichten nicht vollständig erfüllt hat“. Denn: „Wer nicht ordnungsgemäß geleistet hat, darf nicht darauf vertrauen, dass der Gefahrübergang auf den anderen Teil endgültig ist“18 . In anderem Kontext, bei der Gefahrverteilung zwi15  BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  196 bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S.  782; s. auch den Abschlussbericht, S.  188; s. zu dieser schiefen Terminologie Honsell, Festschrift Picker, S.  363, 367. 16  S. bereits §  2 II. 17  Nach §  357 Abs.  3 S.  3 a. F. auch beim nicht belehrten und uninformierten Verbraucher (bis 2014). 18 Ein Folgesatz liest sich beinahe wie eine Entschuldigung: „Das Dilemma, von zwei schuldlosen Beteiligten einem den Verlust auferlegen zu müssen, muss hier, wie es auch der h.M. im geltenden Recht entspricht, zugunsten des Rücktrittsberechtigten gelöst werden“. An Stelle einer Begründung steht nur: „Sachgerecht ist das Rückspringen der Gefahr zum Verkäufer (Werkunternehmer) nur dann, wenn der Käufer (Besteller) auf Grund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts vom Vertrag zurücktritt“. Und: „Eine nicht ordnungsgemäße Leistung liegt insoweit nicht schon vor, wenn lediglich ein Verstoß gegen Schutzpflichten (z. B. Verletzung einer Aufklärungspflicht) gegeben ist“, s. BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  196 bei

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schen Verbraucher und Unternehmer, wurde die Linie durchgehalten: Nur wenn der Unternehmer „vertragswidrig“ handle, sei der Verbraucher (nach Maßgabe des §  346 Abs.  3 Nr.  3) zu privilegieren19. Es ist oft gesagt worden, dass die Begründungen mit dem Pflichtbegriff oder dem Vertrauensgedanken schief und fehlleitend sind, weil diejenigen, die sich hierauf berufen, sie mehr wie einen topischen Leim für die Verbindung von Rücktritt und Widerruf verwenden. Allerdings verliert die symmetrische Einheit ihren hervorgehobenen Ort als Zielpunkt in der rücktrittsrechtlichen Verteilungsordnung; die ordnungswirksame Symmetrie wird geschwächt und löst sich in Kompromissen und konzeptionsloser Verrechtlichung auf20 . Wozu dann noch symmetrisches Denken? Die Institute von Rücktritt und Widerruf widersetzen sich einer Universaldeutung und fordern zur Klärung zahlreicher Randfragen auf. Eine Auswahl an ungeklärten Alternativen: – Gilt das Privileg des §  346 Abs.  3 Nr.  3 zugunsten des Berechtigten, der das Rücktrittsrecht kennt oder ist schon das Privileg im Wege einer teleologischen Korrektur nicht anzuwenden, die Abwälzung der Zufallsgefahr also nur schadensersatzrechtlich (§  346 Abs.  4 oder §  287 Abs.  2) begründbar21? – Wie ist der Ausschluss von der Ersatzpflicht bei überholender Kausalität in §  346 Abs.  3 Nr.  2 zu sehen: genügt jede höhere Gewalt oder ist es eine Parallelbestimmung zu §  287 S.  2, §  848? Offenbar weder noch – denn dort wäre die Verteilungsregel des alten §  350 fast vollständig wiederhergestellt, und die Grenzziehung für Schuldnerverzug oder Sachentzug scheint ebenso wenig zu passen 22 . – Ist das privilegierte Ingebrauchnehmen in §  346 Abs.  2 Nr.  3, 2. HS. momentgebunden als Probe oder Öffnen zu begreifen oder erlaubt es die ersatzlose Entwertung bis zum Rücktritt oder Widerruf? – Trägt der Verbraucher nach §  357 Abs.  7 auch die Zufallsgefahr oder ist entgegen dem eigentlich eindeutigen Textverständnis das periculum rei überhaupt nicht Gegenstand dieser Norm 23? Die Reform von 2002 hat nach vielen zur Erosion eines ehemals schwierigen, aber konzeptklaren Rücktrittsrechts wesentlich beigetragen. Es erübrigt sich, den Verdikten und Verteidigungen weitere Urteile hinzuzufügen. Dreizehn Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S.  782; Abschlussbericht, S.  188 unter Berufung auf die doch etwas einfache Rhetorik bei Flessner, NJW 1972, 1777, 1780. 19  BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  200 zu §  357 a. F. Zur geltenden Rechtslage s. noch unter III. 1. 20  Die Reformen des Widerrufsrechts seither haben diesen Mangel nicht behoben, sondern eher verschärft; s. die Nachw. in §  17, Fn.  12. 21  Gegen eine Korrektur Canaris, Einleitung, XLVIII. 22  S. zur Frage Herold, Das Rückabwicklungsschuldverhältnis, S.  147. 23  Das erwägt und verneint Canaris, Einleitung, XLIX für den insoweit durchaus vergleichbaren §  357 Abs.  3 S.  3 von 2002 (die Friktionen „dürften nicht schwerwiegend“ genug sein, um eine Korrektur zu legitimieren).

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Jahre der exegetischen Bemühungen haben die Schwierigkeiten und ihre Ursachen im Konzeptionellen offenkundig gemacht 24.

1. Der reformierte Wertekanon: Pflichtwidrigkeit, Vertrauen, Verbraucherschutz Kritische wissenschaftliche Analyse konnte bereits zeigen, wie gering der Erklärungswert der zentralen, mehr inaugurierten Begründungstopoi – Pflichtwidrigkeit, Vertrauensgedanke – für das neue Rücktrittsrecht ist 25. Den Begriff der Pflichtverletzung zur überwölbenden Kategorie des Rechts der Leistungsstörung anzuheben, wie es in §  280 geschah, ist ein schon im Diskussionsentwurf enthaltener Anachronismus26 , denn die von Huber 1981 entwickelte Idee galt im Grunde damals schon als unfruchtbar und war gerade von Huber selbst verworfen worden 27. Die Reform hielt gegen erhebliche Bedenken (auch aus dem Innern der Kommission 28) an Begriff und Bedeutung der Pflichtverletzung fest, und die Nacharbeit anhand des §  280 ist heute ein Schwerpunkt der Schuld­ rechtsdogmatik 29. Wenn die Dogmatik nun versucht, die Institutionen des Rücktritts und Widerrufs mit einer großen Konzeptualisierung des reformierten Rücktritts mit Hilfe der Pflichtwidrigkeitskategorie anschlussfähig zu machen, ist das nicht richtig oder falsch. Aber ein entgrenzter Begriff von „Pflichtwidrigkeit“ (gedacht als einheitsstiftender Gedanke für Leistungsstörung und vertragliches Restitutionsrecht zugleich) wird dann mehr oder weniger gehaltlos. Und der Vertrauensgedanke, der zweite angeführte Topos, erklärt den Verteilungsschlüssel für das Zufallsrisiko noch weniger. Etwas anderes müsste nach der Diskussion der Gefährdungshaftung, in der dies wohl streitfrei ist, auch verwundern 30 . Die Zufallsgefahr ist, wenn es tatsächlich um Zufall und 24  Ein Mangel, der angesichts des Zeitzwangs, vergleicht man die jahrzehntelangen Vorarbeiten bei den Reformen in den Nachbarländern, mehr oder weniger in Kauf genommen wurde, s. die Diskussionsberichte bei Langenbucher, JZ 2001, 528 ff. und Repgen, JZ 2001, 542 ff. 25  Insbesondere wurde Huber als Autor der zentralen Reformideen der schärfste Gegner der Reform. Er folgte seiner Einsicht in eine ihm und anderen längst offenbar gewordene Aussagelosigkeit eines Begriffs von Pflichtwidrigkeit, der als ein Übergreifendes nichts tauge, s. Huber, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S.  49, 96 ff. und zuvor Ernst, JZ 1994, 895 f.; ders., NJW 1994, 2180 f.; kritisch auch Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, S.  43, 59 ff.; ders., JZ 2001, 499, 522 f. 26  Die Aufwertung des Begriffs der Pflichtverletzung ins Zentrum des Leistungsstörungsrechts ist eine wohl nur aus Zeitgründen erhaltene Erbschaft aus dem frühen Diskussionsentwurf, s. zuvor. 27  S. §  17, Fn.  25. 28  Den Aufrufen aus dem Innern der Kommission heraus, doch noch auf ein dichotomes System mit Pflichtverletzung und Nichterfüllung als zentrale Begriffe umzustellen (Canaris, JZ 2001, 449, 523), kam man nicht (mehr) nach. 29 Vgl. St. Lorenz, Karlsruher Forum, 2005, S.  5 ff., insbes. S.  37 ff.; Rückert, Festschrift Kilian, S.  704, 722. 30  §  11.

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nicht verkappt doch wieder um Schutz vor Manipulation geht, ex definitione dem Zugriff des vertrauensethischen Denkens entzogen – denn Zufall meint unbeherrschbare Einflüsse. Nach Canaris 31 ist die Begründung „nicht in jeder Hinsicht zu Ende gedacht“, „wohl“ noch „plausibel“ für die Fallgruppe, „daß ein ,Mangel‘ aus der ,Sphäre‘ der anderen Partei ,stammt‘“, denn darin liege „ein elementares, auch in anderen Zusammenhängen anerkanntes Zurechnungskriterium“32 . Das ist für den Sachuntergang, der im Mangel wurzelt, gemeinhin bejaht; für das eigentlich virulente Problem des zufälligen Untergangs (ohne Ursache im Mangel) erklärt der Gedanke wiederum nichts33 . Es ist also ein aussichtsloser Versuch, einen hoch abstrakten Begriff der Pflichtwidrigkeit oder den nicht passenden Vertrauensgedanken zur Wertungsbasis des Rücktrittsrechts zu vergrößern und in eine dogmatische Konzeption fortsetzen zu wollen. Was die so differenzhafte neue Lösung – privilegierende Ausnahmen und sozialrechtliche Rückausnahmen – erklärt, ist offen. Die Hypothese voran gestellt: Es gibt im vereinheitlichten Restitutionsrecht für Rücktritt und Widerruf von 2002 einen verkappten Einfluss sozialrechtlicher Wertungen, die im Prozess der Verbindung von Rücktritt und Widerruf verallgemeinert wurden. Anders gesagt: Nicht vorgebliche prinzipielle Wertbefehle, sondern Integrationszwänge und realpolitische Kompromisse waren es, die Differenzen und Spannungen bewirkt – und das heißt eben: die alte Wertbasis zersetzt – haben. Als diese technische Verbindung 2014 durch den neuen §  355 gelöst wurde, hat man es versäumt, das Rücktrittsrecht von verbraucherrecht­ lichen Einschüben zu säubern und eine solide Wertbasis wiederherzustellen. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Reform von 2002 als Transforma­ tionsrecht begriffen wurde. Die Bürokratie wollte die Richtlinie weder in den alten Sonderrechten noch in einem allgemeinen Konsumentengesetz umsetzen. Damit wurde es notwendig, Rücktritt und Widerruf einander anzupassen, um das Verbraucherrecht hinein verschmelzen zu können. Der Reformgeber hat deswegen das Modell der Rückabwicklung dem Werte nach in erster Linie nicht anhand gemeinrechtlicher oder viehgewährrechtlicher Vorbilder, sondern – und dies war der erklärte Orientierungspunkt – anhand der bestehenden Verbraucherrechte entwickelt 34. In ihnen war das Neue schon angelegt: der Verzicht auf 31 Kritisch Honsell, JZ 2001, 281; St. Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuld­ rechtsreform, S.  345 f.; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1062 ff. 32  Canaris, Einführung, XLI, mit Hinweis auf Wilburg, Elemente des Schadensersatzrechts, S.  101 f. 33  Es klingt wie Apologie, wenn Canaris weiter meint: „Jedenfalls gibt es keinen Satz von gewissermaßen ,naturrechtlicher‘ Überzeugungskraft, daß ein ,Rückspringen‘ der Gefahr nur in Betracht kommt, wenn der Untergang oder die Verschlechterung ihren Grund in dem Mangel selbst haben, mag auch diese Fallkonstellation selbstverständlich am einfachsten zu lösen sein“, s. Canaris, Einführung, XLI. 34 Man hatte sich orientiert an §   1d AbzG, §  3 Abs.  1 HTWG, §  7 Abs.  4 VerbrKrG, §  13a Abs.  3 UWG, §  361a Abs.  2, s. BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040 S.  190, 194 = Canaris, Schuld­ rechtsmodernisierung, S.  771, 779.

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Rücktrittssperren und die so streitbare Gefahrregel des §  350, die wertbezogene Abwicklung und eine streitbeendende Entscheidung, wo die Grenze zwischen „Verschulden“ und „Zufall“ verläuft. Im alten Abzahlungsgesetz und den daran angelehnten Verbraucherrechten liegt der wahre Verständnisschlüssel für das neue Recht. Ein näherer Nachweis ist noch zurückzustellen, denn es ist klar, dass der Verbrauchergedanke nicht in eine allgemeine Konzeption für rücktrittsrechtliche Liquidationsfälle überführbar ist.

2. Der symmetrische Verteilungsgedanke als Gegenkonzeption Grundsätzlich gibt es drei Haltungen gegenüber einem konzeptionell unfer­ tigen Gesetz: Man nimmt den Reformtext nur zum unverbindlichen Ausgang einer weitgehenden Fortbildung, so wie das Reichsgericht das Kondiktionsrecht einst korrigierte; man wendet die kompromissgeprägten Lösungen so gut es geht an; man versucht die Grundgedanken einer „nicht zu Ende gedachten“ Reform in zahllosen Detailkorrekturen „zu Ende zu denken“. In den dreizehn Jahren nach der Reform überwog der letzte Standpunkt. Pflichtwidrigkeit zum einen, Vertrauen und Kenntnis zum anderen, sind die häufigsten Topoi der exegetischen Aufarbeitung bisher. Neben die Versuche, die fehlleitenden Hinweise auf Verantwortungs- oder Vertrauensgedanken für die zahllosen Auslegungsprobleme doch noch fruchtbar zu machen, treten An­ sätze, die sich als eine Rückbesinnung auf das aufgegebene Konzept verstehen lassen 35. Anstelle der Appelle an eine angeblich gesetzte Teleologie wird bei anderen Verteilungsmechanismen im System nach Antworten gesucht. Für teleologisches Denken bleibt es in der Tat bei den so oft bemühten Aussagen Flumes und Flessners, es gebe keine apriori richtige Verteilung der Gefahr, es sei ein unausweichliches Dilemma, einem von zwei am Untergang schuldlosen Beteiligten das Risiko aufzuerlegen 36 – dies aber nur, weil man sich der Möglichkeit beraubt hat, schon die Verteilungssituation im Ganzen zu sehen. Es geht in Wahrheit darum, wie Johow es gesagt hat, die Verteilung nicht nur irgendwie zu „erreichen“, positiv zu regeln, sondern: sie zu „erklären und unter einen einheitlichen Gesichtspunkt“ zu bringen 37. Welche Konzeption gibt dann Orientierung? In den wichtigen Konstellationen ist auch das neue Recht der Verteilungslogik des alten gefolgt. Es ist sicher kein Zufall, wenn die Kritiker des neuen Rechts ihre alten Konzeptionsentwür35  S. dazu Kohler, Rückabwicklung, S.  340 ff. und ders., ZGS 2005, 386 ff.; ders., AcP 206 (2006), 684; ders., AcP (208) 2008, 417 ff.; oder Kaiser, Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S.  243 ff. und dies., JZ 2001, 1057 ff. 36  Flume, NJW 1970, 1161, 1165; Flessner, NJW 1972, 1777, 1780; beide zitiert im RegE, BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  196; und seither oft, zuletzt wieder bei Döll, Rückgewährstörung beim Rücktritt, S.  241. 37  Johow bei Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe Sachenrecht, Band 1, S.  1035 (Herv. des Verf.), s. näher §  2 II. 3.

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fe fast unverändert anwenden können 38 . Welche konzeptionellen Gedanken sich offen anbieten, zeigt sich an den möglichen Haltepunkten, die in der Reform übergangen wurden 39. Zum einen übergangen wurde die römische und gemeinrechtliche Überlieferung: Im Kern dieser Überlieferung steht die actio redhibitoria. Der mit dieser Klageformel erreichte Verteilungsschlüssel im Edikt der kurulischen Ädilen und in seiner Deutung in der klassischen Periode entspricht dem des unreformierten Rechts, das, wie wir sahen, zur symmetrischen Einheit führt40 . Danach waren Nutzungen, sonstige Vorteile, Schäden auszugleichen41. Schon bei Ul­ pian waren die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen den gezogenen gleichgestellt (Dig. 21.1.23.9). Schon damals wurde ein Mittelweg zwischen Zufall und Schuld gewählt, wie er in §  351 – §  353 zutreffend abgebildet wurde, und bei zufälliger Verschlechterung haftete, auch wenn dies nicht ganz streitfrei ist, der Käufer nicht42 . Das Verteilungsmodell, wie es die Pandektenwissenschaft beschrieb, sah entsprechend vor, dass die Kaufsache mit allem, was ihr beim Käufer hinzugetreten ist, mit den gezogenen Früchten und mit allem sonst mit der Sache gemachten Erwerb zurückzugeben sei; der Verkäufer hatte den Kaufpreis und Zinsen zu leisten. Der Rücktritt war ausgeschlossen, wenn der Käufer die Sache nicht so, wie er sie erhalten hatte, zurückgeben konnte43. Im römischen und gemeinen Recht war der symmetrische Verteilungsschlüssel gleichsam in der Konstruktion angelegt, aber auch verborgen. Zum anderen übergangen wurden Forschungsarbeiten, die zwischen Reformgutachten und Reform erschienen waren. Bereits nach dem Gutachten Hubers, das der Reform allgemein die Grundlagen gab, war von wesentlichen Eingriffen in die Institution des Rücktritts abzusehen. Das ist auch die Linie, welche die Forschung danach vermehrt eingenommen hat, vor allem in den Habilitationsarbeiten von Kohler und Kaiser44 . Kohler entwirft unter Bezugnahme 38 

S. die Nachw. in §  17, Fn.  35. Problemansatz im Reformverfahren blieb, wie Huber mit Recht bemerkt hat, in dreifacher Hinsicht hinter dem selbstgesetzten Anspruch, das Recht moderner zu machen, zurück, indem 1. auf jede Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Rechtswurzel des ius commune verzichtet wurde, 2. ein Abgleich mit dem einheitlichen Kaufrecht nicht als gedanklich erster Schritt erwogen, sondern nur punktuell nachgeholt wurde und 3. bei einem zwanzig Jahre alten Reformansatz die inzwischen erreichten Fortschritte der Wissenschaft, wenn überhaupt nur punktuell – und das hieß für den Rücktritt allerdings: gar nicht –, nachgearbeitet wurden. 40 Eingehend Lenel, Das edictum perpetuum, S.  555. 41  Dig. 21.1.1.1. 42  Dig. 21.1.23, s. dazu Lederle, Mortuus redhibetur, passim; s. bereits Fn.  8 . Die Gegenannahme von Honsell, MDR 1970, 717, 719, welche ein Privileg des Käufers nur anerkennt, wenn der Untergang auf einem Mangel beruhte, hat sich bislang nicht durchgesetzt; einschränkend später ders., Gedächtnisschrift Kunkel, S.  53, 61. 43  Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, §   394 Anm.  2; Dernburg, Pandekten, Band 2, 5.  Aufl. 1897, §  101, S.  279 ff. 44  S. §  17, Fn.  35. Es greift für den Rücktritt deshalb wohl zu kurz, wenn man die Reform­ 39  Der

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auf den schon erwähnten Vorschlag Plancks einen Theorieansatz, nach dem das Vindikationsfolgenrecht nicht gestions-, sondern sequestrationsrechtlich zu denken ist45. Kohlers später entwickelte Folgerung will den verkappten weitgehenden Fortbestand der vindikationsrechtlichen Ordnung für Auslegungsfragen des neuen Rechts nutzen. Für Kaiser folgte aus dem Gedanken einer Wiederherstellung eine Maßgeblichkeit kaufrechtlicher Wertungen einschließlich der Konzentrierung von Nutzen und Gefahr zur Einheit, wie sie in §  446 erkennbar wird46 . Beide Ansätze sind gewissermaßen als Rückbesinnung auf den alten Verteilungsschlüssel zu sehen. Der Zustand der rücktrittsrechtlichen Dogmatik muss unweigerlich an den Durchlauf der Konzeptionen erinnern, die das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer als Miete, Verwahrung, Gemeinschaft, Ges­ tion beschrieben47. Einzelheiten sind an dieser Stelle weniger wichtig, denn die symmetrierechtlichen Einsichten, die oben für die vindikations- und kaufrechtlichen Verteilungsschlüssel erarbeitet wurden, entsprechen den Annahmen Kohlers und Kaisers ganz offenbar. Die Arbeit hat bereits gezeigt, dass der Weg über Querbezüge im System, sei es über Symmetrien im Vindikations- oder im Kaufrecht, letztlich ein Umweg ist. Die rücktrittsrechtliche Verteilungsordnung folgt weder aus der vindikationsrechtlichen noch aus der kaufrechtlichen, sondern beide folgen selbst einer symmetrischen Verteilungslogik, wie auch die Restitution beim Rücktritt.

ergebnisse auf das „gesunkene rechtskulturelle Umfeld“ zurückführt, das einen „von diesen Zeit­umständen losgelösten Qualitätsstandard“ eben nicht mehr erwarten lasse, so Ernst, Münchener Kommentar, vor §  275 Rn.  27, es sei denn, man wollte damit sagen, das Ignorieren von Forschungsleistungen sei eine solche Verfallserscheinung. Nicht näher einzugehen ist auf den Versuch von Wendehorst, die Regeln der Rückabwicklung vor dem Hintergrund eines übergreifenden, für alle Ausgleichsverhältnisse geltenden „Statikgedankens“ zu betrachten, s. schon oben, §  2, Fn.  47. 45  §  2 II. 3. 46  Dagegen hat unlängst Honsell, Festschrift Picker, S.  363, 369 eingewendet, der (von ihm im Grundsatz wohl akzeptierte) Symmetriegedanke erkläre die Nutzen- und Lastenverteilung nicht. Ein nach Symmetriegesichtspunkten geordneter Liquidationsplan ergebe sich „de facto … erst aus der für beide Vertragsseiten geltenden Rechtsfolgenanordnung, dass alles so zurückzugewähren ist, wie wenn der Vertrag nicht durchgeführt worden wäre“, S.  369. Der Abwicklungsbefehl liefert aber die Maßstäbe für die Verteilung von Vor- und Nachteilen gerade nicht, sondern die Wertungen müssen erst noch ergänzt werden, s. zu diesem Verhältnis auch schon §  2, Fn.  47. Ein symmetrischer Maßstab – darauf wollen Kohler und Kaiser im Ergebnis hinaus – erscheint insofern systemrichtig. Der von Honsell für maßgebend gehaltene Kausalitätsgedanke in den Fällen des mortuus redhibetur ist also sogesehen erst ein Zweites, denn man hat zu fragen, ob der zufällige Untergang „in der Sphäre des Eigentümers“ (Honsell, a. a. O., S.  369) eine (asymmetrische) Abweichung von dem grundsätzlich symmetrischen Liquidationsmuster rechtfertigt. 47  §  2 II. 3.

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III. Beispiele für Symmetriedruck oder Symmetriezwang im reformierten Recht Die Erprobung und Verankerung der symmetrischen Methode lässt sich auch im Restitutionsrecht exemplifizieren. Im Mittelpunkt des Interesses steht, als Ursache und Problem zugleich, wieder ein Symmetriezwang oder Symmetriedruck, der sich bei einer gestörten oder unklaren Verteilungssituation zeigt, die mit teleologischer Interpretation nicht überzeugend lösbar ist. Wir haben gesehen, wie man von einem gewissen Rechtfertigungsdruck für asymmetrische Verteilungssituationen sprechen kann. Denn der Verdacht, dass ein gewisser Anpassungsdruck für unüberzeugende oder grundlose asymmetrische (gedacht als nicht konzentrierte, freie und isolierte) Vorteils- oder Nachteilszuweisungen auf Grund eines allgemeinen Sollens entsteht, hat sich im Analyseverlauf immer wieder bestätigt. Man hat zu fragen, ob die erwähnten asymmetrischen Verteilungsstrukturen beim Rücktritt einem ähnlichen Problemdruck ausgesetzt sind. Das ist anhand zweier besonders streitbarer Fragen des reformierten Rechts zu erwägen: für die Fragen, wann der Verbraucher nach §  357 die Zufallsgefahr trägt und wie der Begriff der Ingebrauchnahme in §  346 Abs.  2 Nr.  3, 2. HS zu verstehen ist.

1. Der Rechtfertigungszwang für asymmetrische Verteilungen am Beispiel des §  357 Abs.  3 Nr.  3 Der belehrte Verbraucher trug nach §  357 Abs.  3 Nr.  3 von 2002 die Gefahr des zufälligen Untergangs. Diese isolierte Gefahrabwälzung führte zu einer, wie gesehen, (auch) im reformierten System seltenen asymmetrischen Verteilung. Nach neuen Richtlinienvorgaben wurde dies 2014 geändert, aber es lohnt, die Verteilungssituation nach dem Recht von 2002 näher zu betrachten. Das Problem einer solchen isolierten Gefahrabnahme ist, wie im kaufrechtlichen Zusammenhang erkennbar wurde, dass die gestörten Verteilungssemantiken offenbar einer besonderen Rechtfertigung bedürfen, wie es sie bei der Gefahrregel für den Dieb oder den Versender unbestellter Waren gibt, wie sie aber beim Versendungskauf fehlt48 . Wir können – diesen Hintergrund im Blick – nunmehr gleich auf die Rechtfertigungssituation der Regel in §  357 Abs.  3 Nr.  3 a. F. zugehen. In einer Vorbemerkung ist auf eine auffallende Diskrepanz hinzuweisen: Diese gestörte Symmetrie fehlte bei den Vorläufern der Norm. Es ist seltsam, wenn der reformierte §  357 Abs.  3 a. F. mit allen vorherigen Gefahrregeln im Verbraucherrecht brach, auch mit dem unmittelbaren Vorläufer des alten §  361a, der die alten Rücktrittssperren aufhob, aber die Gefahrregel des §  350 gerade 48 

§  15 I. 1.

286

Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

unberührt ließ49. Nach dieser Norm hatte der Unternehmer die Gefahr zu tragen, damit das Widerrufsrecht nicht aus Zufall entwertet wurde50 . Der freie Entschluss des Verbrauchers, ob er sein Widerrufsrecht ausübt, sollte nicht durch faktischen Zwang beengt werden51. Ganz anders die Risikoverteilung in §  357 von 2002. Durch erneuten „Inte­ ressenausgleich“ wurde sie ins Gegenteil verkehrt52 . Denn „neu“ war nicht nur, dass der Verbraucher die gebrauchsbedingte Wertminderung zu ersetzen hatte, wenn er auf diese Folge förmlich hingewiesen worden war53 ; „neu“ war es, dass dem belehrten oder informierten Verbraucher das Privileg des §  346 Abs.  3 Nr.  3 genommen und damit die Gefahr übertragen wurde. In der Richtlinie war eine faktische Entwertung des Widerrufs – der für den Unternehmer glückliche Zufall kann zu einem Kaufzwang führen – sicher nicht angelegt, im Gegenteil54. Wie ist der Bruch zu verstehen? Warum dieses ganz unvorbereitete Aufgeben der bislang gar nicht bezweifelten Gefahrtragungsgrundsätze? Wenn man die Begründung des Reformgebers schildert, ist diese denkbar lakonisch, wenn „der erleichterte Haftungsmaßstab“ des §  346 Abs.  3 Nr.  3 „dem Verbraucher dann zugute kommen soll, wenn er diese Hinweise nicht oder nicht vor Ingebrauchnahme erhalten hat oder wenn er auf sein Widerrufsrecht nicht hingewiesen worden ist“55. Vom Gefahrwechsel ist im gesamten Verfahren nicht die Rede56 . Es ist mit Händen zu greifen, dass bei der technischen Übersetzung der Ausschlusstechnik (des alten §  361a) in eine positive Neuformulierung, bei der technischen Umkehr der Vorzeichen, die plötzlich umgekehrte Zuweisung der Zufallsgefahr übersehen wurde. Es ist bekannt, dass schlicht keine Zeit für eine nennenswerte Überarbeitung des Rücktrittsrechts war, und es ist anzunehmen, dass die Zufallsgefahr für Verbraucher schlicht auf ein technisches Versehen zurückzuführen ist57. 49 

Abs.  2 S.  4. §  361a Abs.  2 S.  4, 5. 51  S. die Begr. zum HWiG, BT-Drucks. 10 WP, Nr.  2876, S.  13 (zu §  3). 52  Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  199. 53  Vgl. §  357 Abs.  1 gegen den alten §  361a; s. allerdings die Ausnahme des §  357 Abs.  3 S.  2. 54  Berechtigte Einwände deshalb bei Hager, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S.  429, 449 f., mit scharfer Kritik an der Überwälzung der Zufallsgefahr. S. auch die nachfolgende Diskussion mit Stellungnahme des zuständigen Ministerialdirektors Schmidt-Räntsch zum Wertersatz in Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S.  4 49 f. Referat zur Kritik bei N. Fischer, Das allgemeine verbraucherschützende Widerrufsrecht gemäß §  355, S.  107 f. 55  Die Haftungserschwerung folge daraus, dass der Widerruf nicht von einer Vertragsverletzung des Unternehmers abhänge, Begr. RegE, BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  199. 56  Die Frage wurde offenbar nicht gesehen, wie auch der DiskE S.  233 f. zeigt; im späteren Reformverlauf wurde zwar die gebrauchsbedingte Minderung und der Haftungsmaßstab, den Dokumenten nach jedoch nirgends die Zufallsgefahr bedacht. 57  S. die entspr. Warnungen bei Dörner, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S.  177, 186 ff. 50 

§  17 Der Liquidationsplan bei Rücktritt und Widerruf

287

Politische Entscheidungen stehen im Rahmen der Richtlinienvorgaben nicht unter exakten normativen oder prinzipiellen Richtigkeitsgeboten. Man wird aber das Ergebnis einer solchen Entscheidung – den Interessenausgleich zwischen den kostenbelasteten Unternehmen und den Verbrauchern zugunsten der Unternehmen zu ändern –, schwerlich auf einen systemverändernden Grundsatz anheben wollen58 . Im Hin und Her der Kompromissfindung wurde also weder das asymmetrische Moment gerechtfertigt noch auch nur gesehen. Es ergibt sich also folgendes Bild: Aus einer teleologischen Sicht ist es fast unnötig zu sagen, dass der Gedanke der Pflichtwidrigkeit an dieser Stelle zu sehr überanstrengt wäre. Denn das verbraucherprivatrechtliche Konzept der Kompensation gestörter Vertragsparität ist von Grund auf frei von einem Vorwurf an den Unternehmer oder Verbraucher. Der Zweck der Abwicklungsregelung ist es, den Verbraucher in seinem freien Entschluss, das Widerrufsrecht auszuüben oder davon abzusehen, nicht zu beeinträchtigen, indem er sich den im Allgemeinen bestehenden Ersatz­ ansprüchen ausgesetzt sehen könnte59. Aus einer symmetrischen Sicht zeigt sich die besondere Problematik einer unbegründeten Asymmetrie. Die isolierte Gefahrabwälzung auf den Verbraucher führt zur asymmetrischen Verteilungssituation, ähnlich wie beim Diebstahl, nur dass dort die Rückgabe so schnell wie möglich erzwungen werden soll, und hier ist ein solcher Druck nicht gewollt und wohl auch nicht legitim60 . Von hier aus gesehen ist es nicht verwunderlich, dass die unionsrechtliche, nunmehr in §  357 Abs.  7 vorgesehene Ordnungslösung eine solche Asymmetrie nicht mehr kennt und dass dieser Wechsel von der asymmetrischen zur symmetrischen Verteilungsart (d. h. zur Gefahrtragung des Verbrauchers, soweit er die Nutzen der Sache irregulär an sich zieht) gar nicht weiter streitbar gewesen ist61.

58  Der gewollte, „heilsame“ Zeitdruck im Reformplan (zu ihm Schmidt-Räntsch in §  17, Fn.  54) ist kaum anders gemeint als eine Reduzierung und Verknappung des wissenschaftlichen Diskurses. 59  S. Begr. zum HWiG, BT-Drucks. 10 WP, Nr.  2876, S.  13. Der Pflichtwidrigkeitsgedanke ist in der Reform völlig überanstrengt, berechtigte Kritik bei Bülow, NJW 2002, 1145, 1148. Zum Diskussionsentwurf bereits Hager, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S.  429, 446 („wesentliche Verschlechterung der Position des Verbrauchers“); St. Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S.  329, 349; einen Wertungsbruch sieht Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  9 00. 60  S. näher §  15 II. 61  S. etwa Koch, JZ 2014, 758, 763 und zur Richtlinie Grundmann, JZ 2013, 53, 59.

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Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

2. Die synthetische Einheit als Auslegungshilfe im pluralistischen Verteilungssystem beim Begriff der Ingebrauchnahme in §  346 Abs.  2 S.  1 Nr.  3, 2. HS. Aus den detailreichen Verästelungen des reformierten Rechts noch ein weiteres Beispiel. Es ist eine sehr streitbare Randfrage, wie der Begriff der Ingebrauchnahme in §  346 Abs.  2 S.  1 Nr.  3, 2. HS. zu verstehen sei. Der Streit geht dahin, ob der Begriff eng, also eher im Sinne des Probierens oder Indienstnehmens, oder weit, also im Sinne eines andauernden, abnutzenden Gebrauchs, zu lesen sei62 . Man kann dann, wenn man sich auf das Gesagte zurückbesinnt, die Fragestellung dreifach abschichten und genauer fassen63 : 1. Die Reform hat ein Rücktrittsrecht mit einer überwiegend ergebnisgleichen Verteilungslösung geschaffen, das aber an einem neuen Wertekanon orientiert ist: Welche Auslegungshilfe geben diese Wertungen? 2. Wenn die neue Verteilungslogik wesentlich der alten gleicht: welche Haltepunkte bieten die alten Konzeptionen, die sich an anderen Verteilungsmustern im System orientieren? 3. Ist die symmetrische Verbindung zwischen Vorteil aus Ingebrauchnahme und Abnutzung oder Wertverlust in den verschiedenen Arten neu zu deuten und schwierig, oder ist die Problemsituation auf tieferer Ebene uralt und geklärt? Erstens: Man ist für die Frage unmerklich von den teleologischen Vorgaben, Vertrauen und Pflichtwidrigkeit, abgerückt; an kaum einer Stelle ist versucht, die Problemlösungen an ihnen zu orientieren. Das wird kurz exemplarisch gezeigt64. Das Vertrauen, das in diesem Fall immerhin einen plausiblen Ansatz hätte – wer Mangel oder Rücktrittsgrund kennt, darf vielleicht weniger vertrauen –, ist bei näherem Zusehen kein sinnvoller Aspekt zur Entscheidung der Auslegungsfrage. Am deutlichsten wird das wohl an dem ganz vereinzelten Vorschlag, das Privileg in §  346 Abs.  2 S.  1 Nr.  3, 2. HS. einzuschränken, wenn der Rückgewährschuldner von dem Mangel vor der Ingebrauchnahme Kenntnis 62 Der erste Standpunkt einer engen Auslegung herrscht vor, s. Canaris, Einführung, S.  X XXVII f.; Gaier, Münchener Kommentar, §  346 Rn.  42; Soergel/Lobinger, §  346 Rn.  88; Bockholdt, AcP 206 (2006), 769, 779; Hager, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S.  429, 439; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rn.  250; Wolgast, Das reformierte Rücktrittsfolgenrecht, S.  217. Für eine weite Auslegung sind u. a. Kohler, AcP 206 (2006), 683, 719 f.; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1061; Staudinger/dies., §  346 Rn.  181; Herold, Rückabwicklungsschuldverhältnis, S.  132; Kemmeries, Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt, S.  92 ff. 63  Darin sind genau genommen zwei Fragen eingeschlossen: die, ob Ingebrauchnahme die ersatzlose Abnutzung noch einschließt und die, ob bei Ingebrauchnahme auch der gebrauchsbedingte, aber zufällige Schaden ersatzfrei gestellt ist. Die zweite Frage berührt sich mit der zuvor unter III. 1. behandelten Frage. Im Folgenden wird die erste behandelt. 64  Gegen einen vereinzelten Versuch, den Gedanken der Pflichtwidrigkeit in diesem Zusammenhang fruchtbar zu machen, zutr. Döll, Rückgewährstörung beim Rücktritt, S.  188 ff. m. Nachw.

§  17 Der Liquidationsplan bei Rücktritt und Widerruf

289

erlangt und den Gegenstand dennoch nutzt65. Erscheint es unbillig, wenn der Gläubiger den Abnutzungsschaden trotz Kenntnis des Schuldners trägt? Das ist zu verneinen66 . Beim Kauf etwa schon deswegen, weil in der Regel noch nacherfüllt werden kann67. Das folgt aber vor allem daraus, dass die Verteilungssituation weiterhin mit der zwischen Eigentümer und verklagtem Besitzer verwandt ist: eine Pflicht zur Nichtingebrauchnahme bewirkte Ähnliches, wie die Pflicht, den eingeklagten Gegenstand nicht zu benutzen – es müsste Ersatz beschafft und finanziert werden, Wirtschaftsgüter lägen brach68 . Zweitens: Zum Orientierungswert der dogmatischen Konstruktion. Für das reformierte Recht überwiegen, wie gesehen, solche Lösungsansätze, die den ambivalenten Gesetzestext nicht von einer konzeptionellen Orientierungsidee her, sondern mit Hilfe der reformierten Wertungen und Materialien auslegen. Wir haben auch gesehen, dass die Dogmatik bei einem anderen, verwandten Legalverhältnis, dem zwischen Eigentümer und Besitzer, stärker in Konzeptionen dachte, in bildlichen Orientierungen, nach denen der Besitzer als Verwalter, Mieter, Gestor, Sequestor galt. Allesamt, wie gesagt, Verschlüsselungen der symmetrischen Verteilungssituation69. Im neuen Rücktrittsrecht sind konzep­ tionelle Ansätze seltener, und wo es sie gibt, gelten sie als Alternativen, zwischen denen man sich entscheiden muss. Viel öfter wird auf derartige konzep­ tionelle Orientierung verzichtet70 . Die vorherrschende Sicht legt die Norm eng aus71. Wie es einem vordergründig-textgestützten Verständnis entspricht, gelten Ingebrauchnahme und Gebrauch als etwas anderes. Auch historisch scheinen die Exemplifikationen in den Materialien, vor allem aber die Vorläufer, dem Ansatz Recht zu geben72 . Allerdings sind die Aussagen in den Materialien an anderer Stelle durchaus gegenläufig73. Angreifbar ist indes nicht nur diese Auslegungsart, sondern gerade das unkonzeptionelle Vorgehen. Das Paradigma des prüfenden Verbrauchers – der den verklagten Besitzer abgelöst hat – passt schlecht für den zum Nutzungsersatz verpflichteten Schuldner. Das ist für die Gegenansätze mit konzeptionellem Problemzugriff klar: Bei Kaiser folgt das aus einer prinzipiellen Verbindung (cuius periculum eius commodum) nach kaufrechtlichem Vorbild74, bei Kohler 65 Vgl.

Kohler, AcP 206 (2006), 683, 726 f. Diese Ansicht hat sich durchgesetzt, vgl. etwa Heinrichs, Festschrift E. Schmidt, S.  159, 176 und Gaier, Münchener Kommentar, §  346 Rn.  65 mit Nachw. 67  §  437 Nr.  2 , §  323 Abs.  1; anders ggf. nach §  323 Abs.  2 , §  326 Abs.  5. 68  Auf die Notwendigkeit der Ersatzbeschaffung weist Heinrichs, Festschrift E. Schmidt, S.  159, 181 hin. 69  §  2 II. 3. 70  Vgl. oben, §  17, Fn.  62 und sogleich im Text. 71  S. zu Nachw. oben, §  17, Fn.  62. 72  BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  193; Vorläufer sind die verbraucherrechtlichen §  3 Abs.  3 HausTWG, §  361a Abs.  2 S.  6 Hs. 2 a. F. 73  BT-Drucks. 14 WP, Nr.  6040, S.  196. 74  Kaiser, JZ 2001, 1057, 1061. 66 

290

Zweiter Hauptteil: Die dynamische Verteilungsordnung

aus der gemeinschaftsrechtlichen Gestattung zum Gebrauch75. Wir haben schon gesehen, wie sich das Legalverhältnis auf sehr verschiedene Art konzeptionell deuten – und damit verschlüsseln – lässt. Diese Konzeptionen sind nicht richtig oder falsch, sondern als Ausdrucksformen zu sehen, welche die symmetrische Verteilungssemantik beschreiben helfen. Drittens: Betrachten wir nun das Problem, soweit es sich um eine Verbindung von commodum und periculum handelt, wie wir sie im Lauf der Arbeit vielfach kennen gelernt haben. Danach ist eine Teileinheit von gebrauchsbezogenem Vorteil und Nachteil zu erwarten. Betrachtet man nun den Meinungsstand nach Art der Rechtsvergleichung, also funktional, sieht man, wie diese Korrelation in Wahrheit wertkonstant und gar nicht zweifelhaft ist: Wer die Nutzungen aus der Ingebrauchnahme erhält, trägt die mit ihr verbundenen Abnutzungsnachteile. Denn wenn man die These anerkennt, dass Ingebrauchnahme als Probieren zu lesen sei, ist über die sachlich-symmetrische Verteilung noch nichts gesagt – die Notwendigkeit der Korrelation ist nur verschoben. Denn dann wird, einen Schritt später, die gebrauchsbedingte Abnutzung nicht als Verschlechterung im Sinne des §  346 Abs.  2 S.  1 Nr.  3, 1. HS. angesehen76 . Man sieht: Sofern „Ingebrauchnahme“ als ein dauerhaftes Benutzen gedacht wird, liegt der abnutzungsbedingte Nachteil ohnehin richtig beim positiv Zuständigen (am lucrum ex re), und sofern sie als einmaliges Probieren verstanden wird, ist sie doch keine Entprivilegierung, weil die Abnutzung künstlich auf einem Umweg wieder ersatzlos gestellt wird, gerade damit man commodum und periculum nicht spaltet. Aus diesem Blickwinkel handelt es sich um einen Scheinstreit, um ein dogmatisches Hin- und Herschieben77.

75 

§  745 Abs.  2 i.V.m. Abs.  3 S.  1, s. Kohler, AcP 206 (2006), 684, 720. So schon Canaris, Einführung, S. XXXVII f., und seither Gaier, WM 2002, 1, 12; ders., Münchener Kommentar, §  346 Rn.  41; Wolgast, Das reformierte Rücktrittsfolgenrecht, S.  216. 77  Anders ist es auch kaum möglich, denn der Verkäufer kann schwerlich Wertersatz und Nutzungen erhalten; der sachliche Problemzusammenhang zwischen der Obliegenheit zur Nutzziehung und der Sachgefahr wird vor allem von Kohler richtig betont, s. Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Verträge, S.  344 ff.; ders., JZ 2001, 332. 76 

Schlussteil

Allgemeine Symmetrielehre Die Möglichkeit der synthetischen Erfassung des Symmetrischen als eines Inhalts von Recht hat auf dem beschriebenen Entwicklungsgang der Theorie des subjektiven Rechts – Ius-Semantik mit der facultas agendi als Reflex; Gleichrang der norma und facultas agendi; subjektives Recht als Freiheit und vor der norma agendi – Schritt für Schritt abgenommen. Die willenstheoretische Prämisse ist bis zur Stunde, was der Erlangener Professor Johann Martin Chladenius 1742 als Sehepunkt im Sinne einer perspektivischen Brechung des Verstehens begrifflich gefasst hat, also ein Perspektivismus, der unsere Wahrnehmung der juristischen Befugnis, des Innehabens, der Zuständigkeit leitet und bestimmt1. Erst eine von den Folgelasten der Aufklärung befreite Perspektive, erst eine Öffnung der subjektivrechtlichen Theorie lässt die Symmetrik des Rechts hervortreten. Wenn man noch einmal die Einsichten in das Symmetrische durchmustert, so ergeben sich klare Aussagen zu den einleitend gestellten Fragen und Aussichten. Eine Aussicht einer symmetrischen Ausdeutung der subjektivrechtlichen Befugnis war es, die Diskrepanz zwischen dingbezogenen und personenbezogenen Befugnissen und die Vergessenheit der reziproken Pflicht zu überwinden. Es ist zuerst zusammenzufassen, wie eine kohärentielle Deutung der subjektivrechtlichen Befugnis dies ermöglicht (§  18). Es ist auch zu sagen, warum diese Sicht zugleich eine Möglichkeit für eine Entschlüsselung der Theoriegruppe der materialen Befugnisse (Treuhand, wirtschaftliches Eigentum usf.) bedeutet (§  19). In sehr unterschiedlichen Bereichen der Rechtsordnung, bei Eigentum und Vertretung, bei Drittschadensliquidation und Gefährdungshaftung, bei Kauf und Arbeitsvertrag, hat sich eine Faktizität des Symmetrischen nach scheinbar analogen Wertungen und Ideen gezeigt. Man stößt im Ganzen an eine Phänomenologie, die nach Aussagen zur Symmetrie als Sollensbefehl und Sollensqualität sucht (§  20–§  21). Im Folgenden werden die Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammengefasst und kurz wiederholt.

1 

Chladenius, Einleitung zur richtigen Auslegung vernünftiger Reden und Schriften, Kap.  8 §  309, S.  187.

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem (Ding, Verhalten, Person) als heterochirale Symmetrie Die Befugnis eines Subjektes kann sich im Grunde nur beziehen auf das Subjekt selbst, auf die zukünftige Handlung eines anderen oder auf etwas Äußeres. Die Befugnisse an ›Mir‹, gedacht als Bedingung des Personseins, als Rechte, die dem Einzelnen durch sein Personsein zukommen (bezogen auf Ehre, Leben, Körperlichkeit usf.), aber auch das Versprechen eines künftigen Verhaltens – der Leistung – wurden aus der Betrachtung der Befugnisarten ausgenommen. Aber für den einbezogenen Bereich – vor allem im Bereich der Güter- und Vertragsordnung (nicht gedacht als eine erzwingbare Befugnis am Willen des anderen, sondern als Verteilungsart) – kann beansprucht werden, dass die Befugnis an etwas Äußerem als symmetrische Kohärenz verstehbar wird. Bei einer Durchmessung der wesentlichen Kerngebiete unserer Privatrechtsordnung, der statischen und dynamischen Verteilungsordnung, hat sich gezeigt: Die Verteilung an etwas Äußerem (Ding, Verhalten, Person) kann in einer Quintessenz auf die Alternative ›Form oder Symmetrie‹ gebracht werden. Aber ›Form oder Symmetrie‹ stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander: Es gibt die Symmetrieordnung der Formen zum einen, und einen Formbezug der materialen Symmetrieverhältnisse zum anderen. Die Verteilung der Vorteile und Nachteile an etwas Äußerem geschieht durch Formen der Zuständigkeit an etwas Äußerem, die in eine vierstellige Rela­ tion symmetrisch dekonstruierbar sind, das ist die erste Symmetrieart. Die andere ist das materiale Symmetrieverhältnis, das bipolar nach dem Schema Positiv – Negativ entsteht. Diese materiale Symmetrie transzendiert und durchbricht die formale Ordnung gerade an der Stelle, wo es eine sachliche Schwäche gibt, wo sich ein materiales Ungleichgewicht nicht mehr durch die Formteleologien rechtfertigen lässt. In dieser Rechtfertigung ist die Materie gewissermaßen rückgekoppelt an die Formen. In der Vertragsordnung spiegeln sich diese Linien dort wider, wo es nicht um die Grenzen oder Bedingungen privatautonomer Selbstherrlichkeit, sondern um die Suche nach gerechten, regeltypischen Verteilungsprogrammen geht. Man darf dieses dialektische Verhältnis von Form und Symmetrie nicht einfach so auf sich beruhen lassen, man muss es verstehen. Die Ausschaltung des einen Moments, des formalen oder materialen, aus der Betrachtung heißt, das Ganze nicht mehr sehen zu können.

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem

293

Eine kohärentielle, holistische Ausdeutung der subjektivrechtlichen Befugnis soll vorbereitet werden, indem die Ergebnisse der Untersuchung zu den Formen und materialen Symmetrien noch einmal zusammengefasst werden.

I. Das Primat der Verteilung von Vorteilen und Nachteilen durch heterochirale Formtypen Die Phänomenologie des Symmetrischen im Recht wird von den institutionellen Formen der ›Rechtszuständigkeit‹ beherrscht. Dinghafte Vorteile oder Nachteile aus Sachen treffen den Eigentümer, das Handeln des Vertreters wirkt für und gegen den Vertretenen. Vorteile und Nachteile aus etwas Äußerem „gebühren“ dem Inhaber der Form ›Eigentum‹ oder ›Vertretung‹, nicht einem Interessierten, wirtschaftlich Befugten, Dritten. Man kann von einer Fixierung der subjektivrechtlichen Vermögensbefugnis in einer Form als Regel sprechen1. Eine Überprüfung der Formen, die mit Verteilungsfragen betraut sind, hat eine gemeinsame Semantik erkennen lassen. Die positiven und negativen Folgen in Bezug auf ein Äußeres werden zur formalen Einheit synthetisiert (Konzen­ tration) und dem Forminhaber ,angerechnet‘ und allen anderen Subjekten zugleich ,abgerechnet‘ (Komplementarität) 2 . Rekapitulieren wir die Ergebnisse zur Verteilungsordnung anhand der beiden Hauptteile der Arbeit, in denen die Befugnisse oder Zuständigkeiten an etwas außer mir (Ding, Verhalten, Person) in zwei Subsystemen betrachtet wurden.

1. Die heterochirale Formtypik in der statischen Verteilungsordnung In der statischen Verteilungsordnung (gedacht als bewahrende Ordnung des IstZustandes aller Innehabungen, Befugnisse, Zuständigkeiten zwischen den Subjekten) werden Vorteile und Nachteile in Formen konzentriert und gebunden. Auf wenige Leitsätze gebracht: 1. Durch eigentumsförmige Konzentration werden nach den Parömien lucrum sentit dominus – casum sentit dominus u. a. die Schutzgewähr, Fruchtzuweisung, Zufallsgefahr verbunden 3. Im Gegenüber von Rechten und Nachteilen zeigt sich ein axiomatisches Residualprinzip der formalen Verteilungsart4. 2. Die eigentumsförmige Komplementarität wird in der Restitutionssituation durch die actiones directae des Eigentümers gegen die actiones contrariae des 1 

§  1 II. Einleitung, III. 3. 3  §  2 I. 2. 4  §  2 I. 2 (Eigentum), §  3 II. (Vertretung), §  4 I., II. 3 (Organschaft), §  5 II. (Gestion); zum Begriff Einleitung, III. 3. 2 

294

Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

Besitzers konkret5. Es zeigt sich, dass die ,Dekonzentration‘ beim Nichtbefugten, dem Besitzer, nicht nur eine formal-logische Entsprechung der Eigentümerbefugnis ist. Die Entlastungsfolgen für den Nichtbefugten (Besitzer) etwa sind keine physischen Dingfolgen, sondern beruhen wertungsmäßig auf seiner Nichtbefugnis6 . 3. Im Innern dieses vierstelligen Grundgerüstes, welches durch Konzentration und Komplementarität entsteht, hat sich eine Vielzahl von axiologischen Einzelverbindungen gezeigt7. 4. Stellvertretung ist eine Wirkungszuständigkeit am rechtsgeschäftlichen Handeln eines anderen. Als Zuständigkeit folgt sie demselben Verteilungsmuster und das bedeutet, dass die positiven und negativen Zuweisungen der Handlungsfolgen (zum Vertretenen) mit einer Ausschließung des Handelnden kor­ res­pondieren (Momente der Konzentration und Komplementarität) 8 . Gerade die beiden historischen Zentralformen, Eigentum und Stellvertretung, verbinden also in gleicher Weise die Vorteile und Nachteile aus etwas Äußerem, dem Ding oder stellvertretenden Handeln, zu einer Form. 5. Die Organschaft bildet den Prototyp der verhaltens- und personenbezogenen Rechtszuständigkeit. Auch die Organschaft bedeutet im Kern, dass Folgen aus instrumentellem Handeln dem Organträger ,angerechnet‘ und komplementär dem Handelnden ,abgerechnet‘ werden9. Durch die positive (Organbesitz, Zuweisung von Geschäftschancen) und die negative Wirkungsart (Prinzip der strikten Haftung) entsteht wiederum eine symmetrische Ordnung der Organschaft als Form. 6. Auch die moderne negotiorum gestio lässt sich als Zuweisungsform beschreiben10 . Durch ein Legalverhältnis wird der Geschäftsherr bei berechtigter, pflichtübernehmender oder genehmigter Geschäftsbesorgung für die positiven und negativen Wirkungen aus der Gestionshandlung rechtszuständig. Man kann dieselben vierstellig-symmetrischen Strukturen wie bei den anderen Formen nachweisen11.

2. Die heterochirale Formtypik in der dynamischen Verteilungsordnung In der dynamischen Verteilungsordnung (gedacht als ändernde Ordnung zur Überwindung des Ist-Zustandes in Richtung eines neuen, beständigen Soll-Zustandes) wirken analoge Verteilungsprinzipien. Die Vertragstypik lässt sich un5 

§  2 II. 1. §  2 II. 1, zur Nichtbefugnis allgemein Einleitung, III. 3. 7  §  2 II. 4. 8  §  3. 9  §  4 I. 10  §  5 III. 2, 3. 11  §  5 II. 6 

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem

295

ter dem Gesichtspunkt, dass symmetrisch gedachte Zuständigkeiten an Gegenständen (Kauf) oder Verhalten (Verträge auf Arbeit) ganz oder zum Teil das Subjekt wechseln, genauer verstehen. Die Form als ein institutionalisiertes Konstrukt zur Fixierung dinghafter oder personenbezogener Vorteile und Nachteile ist also nicht nur ein archimedischer Punkt der statischen Verteilungsordnung, die vor allem eine negative Schutzordnung für Güter ist, sondern an ihrer Semantik orientieren sich auch die vertraglichen oder gesetzlichen Programme des Bekommen-Sollens. Das wurde für den Kauf, den Vertrag auf Arbeit und den Rücktritt exemplifiziert. In knappen Leitsätzen: 1. Kauf zielt auf einen Symmetriewechsel (als Übertragung der Rechtszuständigkeit am Kaufobjekt) in einem bestimmten Zeitpunkt (Traditio, Abschluss des Erbschaftskaufvertrags, Annahmeverzug). Die Symmetrie ist regeltypisch vollkommen, also heterochiral, denn im kaufrechtlichen Umsatzplan werden Vorteile und Nachteile am Kaufobjekt in einer doppelten Zusammenführung – von Gefahr und Haben in S.  1, Nutzen und Lasten in S.  2 des §  446 – zur Einheit ›Gefahr, Nutzung, Lasten‹ synthetisiert12 . Diese gesetzestypische Verteilungssituation des Kaufs (als Wechsel einer vierstellig-symmetrischen Rechtszuständigkeit) ist in aller Regel auch dort gewahrt, wo Abweichungen vom Traditionsprinzip sachlich notwendig sind (etwa bei Annahmeverzug, Erbschaftskauf, Versteigerung) 13. 2. Bei Verträgen auf Arbeit ist das vertragliche Verteilungssoll gerichtet auf einen Wechsel verhaltens- und personenbezogener Zuständigkeit. Das Arbeitsergebnis aus dem instrumentellen Handeln wird dem Prinzipal ,angerechnet‘, dem Handelnden ,abgerechnet‘14 ; von negativen Folgen aus instrumentellem Handeln wird der insofern nicht mehr Rechtszuständige durch Risikoabnahme entlastet (Ersatz von Aufwendungen, Haftungsprivilegien) 15. 3. Der Verteilungsplan bei Rücktritt und Widerruf lässt sich als rückläufiger Symmetriewechsel (Wechsel der vierstellig geordneten Zuständigkeit) begreifen. Im alten Recht gab es die Symmetrisierung des Liquidationsschlüssels schon durch den technischen Verweis in das Vindikationsfolgenrecht (eigentumsförmige Heterochiralität); im neuen Recht hat sich die Verteilungslogik weitgehend erhalten16 .

12 

§  15 I. §  15 II. 14  §  16 I. 1. 15  §  16 II. 2. 16  §  17 I.–III. 13 

296

Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

3. Heterochiralität als Harmonie der Form Die formalen Zuständigkeiten an etwas Äußerem (Ding, Verhalten, Person) sind also vierstellig symmetrisch – heterochiral – geordnet. Das bedeutet, dass die Semantik der Form dem Prinzip der doppelten Polarität, durch Konzentration und Komplementarität, folgt. Man sieht auch, wie unabhängig von der Verteilungsart (statisch oder dynamisch) und von dem Verteilungsobjekt (Ding, Verhalten, Person) die Rechtszuständigkeit in gleicher Weise symmetrisch ist. Diese vierstellige Semantik – die Heterochiralität – erscheint in Anbetracht dieser Varianz ein universales Phänomen zu sein. Lässt sich von diesen Beispielen auf die Form schlechthin, auf ein höheres Ordnungsprinzip schließen? Um das zu verifizieren, wäre die Privatrechtsordnung umfassend zu untersuchen, aber Stellung und Art der gewählten Beispiele müssen es nahe legen. Denn es wurden bewusst die Hauptzuständigkeiten (Eigentum, Vertretung, Organschaft, Gestion) und nur wesentliche Programmierungen des Bekommensollens (Kauf, Verträge auf Arbeit, Rücktritt) gewählt. Natürlich ist das nur ein Fragment der ganzen Verteilungsordnung. Aber die Schlüsselstellung dieser Analysegegenstände lässt aus folgenden vier Gründen vermuten, dass man vor einer Semantik steht, derer sich offenbar auch die anderen institutionellen Formen bedienen müssen. 1. Es ist nicht schwer zu sehen, dass sie bei dinghaften Formen auf Zeit (Dienstbarkeiten, Erbbaurechte) und Formen, bei denen sich zwei heterochirale Befugnistypen für Substanz und Nutzung gleichsam kreuzen (Nießbrauch), oder bei denen eine gemeinsame Berechtigung aufgeteilt wird (Bruchteilsgemeinschaft), allesamt dem Eigentumsmodell nachgebildet oder doch an ihm orientiert sind. 2. Für die Wirkungszuständigkeiten aus dem Verhalten anderer sind mit Vertretung, Organschaft, Gestion ohnehin die wesentlichsten Formen erwähnt. 3. Man wird wegen der auffallenden technischen Relevanz der eigentums- und gestionsrechtlichen Legalverhältnisse, die ihrerseits Zielpunkt eines vielfältigen Verweisungssystems sind, auf eine höhere, allgemeinere Bedeutung zu schließen haben17. 4. Auch die Ordnung des Bekommen-Sollens, sei es die Vertragsordnung oder die Restitutionsordnung, muss diese Ordnungen wieder aufnehmen. Zwar geht es bei Verträgen oder der Restitution keinesfalls stets um den Wechsel von Zuständigkeiten an etwas Äußerem. Aber es ist auch einsehbar, dass jede Programmatik, soweit sie sich mit der Verteilung von Vorteilen oder Nachteilen an etwas Äußerem befasst, die Verteilungslösungen der statischen Ordnung widerspiegelt. Man kann annehmen, die Heterochiralität, die vollkommene Symmetrie, ist die Semantik der Form.

17 

§  2 I., §  5 I.

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem

297

II. Die materiale Symmetrie als binäres Verteilungsverhältnis, das auf die formale Verteilungsordnung bezogen bleibt Anders ist es bei materialen Symmetriebildungen, durch welche die formale Verteilungsordnung transzendiert wird. Aus den verschiedenartigen Durchbrechungen sind diejenigen Einbrüche herauszuheben, in denen sich eine asymmetrische Verteilungssituation zwischen zwei Subjekten offenbar nicht durchhalten lässt, das formale System sich öffnen muss. Es ist an die Phänomene solcher Öffnungen zu erinnern.

1. Die materialen Symmetriebildungen in der Güter- und Erwerbsordnung Einige materiale Symmetrieverhältnisse sind Einbrüche in die formale Güterund Erwerbsordnung. Ihr hervorstechendstes Merkmal ist eine zweifache Kopplung, die Verbindung eines Vorteils des einen Subjekts mit dem Nachteil eines anderen zur Asymmetrie zum einen, die überprüfende Rückbesinnung auf die Formteleologie, welche die Spannung legitimieren muss, zum anderen. In Leitsätzen formuliert: 1. Die Liquidationsbefugnis bei Drittschäden folgt nicht aus dem Gedanken des Ausgleichs und auch nicht aus einem formähnlichen relativen Recht (wirtschaftliches Eigentum) des Dritten18 . Sie folgt aus dem Ungleichgewicht zwischen definitivem Opfer des einen und unverdientem Entlastungsvorteil des anderen19. Die Asymmetrie, die bei einer Frustrierung des Vermögensopfers oder einer Entwertung einer unentgeltlichen Zuwendung entstünde, lässt sich nicht aus der Teleologie der formalen Verteilung erklären und wird korrigiert20 . 2. Das Recht zur Intervention oder Aussonderung bei Treuhand, Kommis­ sion, Sicherungseigentum und -zession, Guthaben auf Anderkonten usf. beruht ebenfalls nicht darauf, dass der relativ Befugte unter einem bestimmten Aspekt einem Eigentümer wirtschaftlich, relativ, material gleich steht21. Sondern zwischen einem material Befugten und einem vollstreckenden Gläubiger (oder einer Gläubigergemeinschaft) entstünde ohne dieses Privileg eine Asymmetrie. Dem Treugeberopfer (gedacht als nicht reziproker, endgültiger Nachteil) stünde ein komplementärer und unverdienter Befriedigungsvorteil gegenüber, der sich wieder nicht aus der (sachenrechtlich determinierten) Formteleologie rechtfertigen lässt22 . 3. Dieselbe Symmetriebildung ist gleichsam in umgekehrter Richtung möglich, also zulasten eines formal Berechtigten. Beispiele bilden die modernen 18 

§  7 II. §  7 III. 1, 2. 20  §  7 III. 3. 21  §  8 II. 22  §  8 III. 19 

298

Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

kondiktionsrechtlichen oder dinglichen Versionstypen, die den definitiven Rechtsverlust durch Erwerb eines Dritten korrigieren oder verhindern, weil wiederum der Erwerb unentgeltlich (§  816 Abs.  1 S.  2, §  822) oder unredlich erfolgte23. 4. Verwandt damit sind Vorsatz- und Schenkungsanfechtung, welche dem Gläubigerzugriff eine erweiterte Basis geben, weil deren vorherige Verringerung zu ihrem Nachteil wäre, mit dem wiederum ein unentgeltlicher oder doloser Erwerb korrespondiert 24.

2. Die materialen Symmetriebildungen in der Haftungsordnung Es lassen sich aber auch objektive Wagnisumschichtungen im Delikts- und Re­ stitutionsrecht als materiale Symmetrien begreifen. Dazu hat man von einem radikal-individualistischen System – wie dem des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 – her zu denken, welches die Schadenszufügung anderer bis zur Grenze eines zum Verschuldensprinzip konkretisierten Imperativs des neminem laedere erlaubt. Man kann dann dieselbe zweifache Kopplung erkennen: die hypothetische Asymmetrie zum einen, den Rückbezug zu diesem Prinzip der Handlungsfreiheit zum anderen. Das hervorstechendste Merkmal in diesem Bereich ist dann eine Dominanz der symmetrietopischen Rechtfertigung. Versucht man, die wesentlichen Einsichten in die Phänomene symmetrischer Risikoabwälzung auf einige wenige Punkte zu reduzieren, ergibt sich Folgendes: 1. Der Nutzer einer stofflichen Gefahrenquelle mit besonderem Gefahrenpotential haftet ohne Schuld. Der Grund der Umschichtung von Risiken bezieht sich auf ein für ihn günstiges Verhältnis zur Gefahrenquelle. Das ist der radikal reduzierte Grund der Gefährdungshaftung25. Zahllose Ausdrücke für die Rechtfertigung der sogen. Gefährdungshaftung sind dagegen mehr sprachlich variierende, im Kern symmetrische Wertdarstellungen. 2. Die Wirksamkeit der symmetriegerechten Wertbasis zeigt sich u. a. in der Ergebnisanalyse: Der Begriff „Halter“ spiegelt sie wider, wenn durch ihn Mindestanforderungen für die Beanspruchung eines Handlungs- oder Vermögensvorteils gesetzt sind. 3. Culpa- und Gefährdungshaftung beruhen auf zwei sich in der Kategorie der Verkehrspflichten mischenden Wertgedanken. Der Symmetriegrundsatz ist in einer überströmenden Kasuistik als eine Wertung neben anderen vital und sichtbar26 . 23 

§  9. §  10. 25  §  11 I. 26  §  12 II. 24 

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem

299

4. Auch die (außervertragliche) Haftung für Leute und Gehilfen lässt sich als Mittel der symmetriegerechten Risikozuteilung verstehen, denn es geht sachlich darum, eine Asymmetrie von Delegationsvorteil und Fremdnachteil zu verhindern. Mit der dingbezogenen Risikohaftung hat sie eine verwandte Wertbasis in der Korrelation von ›Eigeninteresse, Vorteil, Nutzen‹ gegen Wagnisübernahme27. 5. Die Wertungen sind offenbar umkehrbar und führen auch im Bereich der Restitution gleichermaßen zu Entlastungen, wo Risiken zwischen Helfer und Begünstigtem verteilt werden müssen. Bei der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag wird der Zentralbegriff der „Rechts- und Interessensphäre“ u. a. nach analogen Wertungen bestimmt 28 .

3. Die Logik des materialen Symmetrieschlusses Es ist für das Verständnis des Symmetrischen entscheidend, trotz der Verschiedenheit der materialen Symmetriephänomene gerade den Wechselbezug zu den Institutionen zu sehen. Das Phänomen der materialen Symmetrie folgt einer bestimmten Logik, die an die Mechanik einer einfachen Waage erinnert: Der Vorteil des einen, der Nachteil eines anderen sind gleichsam die ,Gewichtskräfte‘, die jeweils nach weiteren Kriterien ab- oder aufgewertet werden können. Durch das Zusammenwirken dieser ,Gewichtskräfte‘ kann der ,Balken‘ zum Ungleichgewicht, zur Asymmetrie neigen. In einer dreifachen Abschichtung lässt sich die materiale Symmetriebildung als eine Bewegung genauer darstellen. Erstens. In einer hypothetischen Situation wird ein Rechtssubjekt positiv oder negativ aus einem Ereignis betroffen, sei es aus einer Handlung, sei es aus einer Veränderung eines Äußeren, das Gegenstand juristischer Verteilung ist. Im Fachbezug stehen besondere Kriterien für die weitere Abwägung, etwa die besondere Härte des Betroffenseins (Gefahr für das Leben) oder ein definitives, nicht reziprokes Vermögensopfer. Zweitens. Es gibt eine Komplementärfolge bei einem anderen Subjekt, die eine hypothetische Asymmetrie zwischen den beiden mit dem Muster Positiv-Negativ bewirkt. Weitere fachbezogene Kriterien für die Gewichtung sind etwa der unverdiente Vorteil oder die Schwäche des unentgeltlichen Vorteilserwerbs. Drittens. Diese Asymmetrie ist – das ist ausschlaggebend – in Rückkopplung zur Formteleologie einem Rechtfertigungszwang ausgesetzt. Diese Rechtfertigung aus dem an sich geschlossenen System von Handlungsbefugnissen und Verteilungsformen muss die Asymmetrie legitimieren. Sonst entsteht eine materiale Symmetrie, welche die Spannung im Komplementärverhältnis aufhebt. 27 

28 

§  13 II. §  14 II.

300

Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

III. Die Antinomie von formaler und materialer Symmetrie als Abstraktionsproblem, ihre Auflösbarkeit nur durch Annahme eines chiralen Zentrums einer kohärentiell zu denkenden subjektivrechtlichen Befugnis Überlegen wir nun, was aus diesen Einsichten zu den Phänomenen formaler und materialer Symmetrik für eine Theorie der subjektivrechtlichen Befugnis folgt. Auf den ersten Blick weisen formale und materiale Symmetriearten auf Verschiedenes hin. Die formale Verteilungsart – es werden Rechtsvorteile und -nachteile in institutionellen Zuordnungsformen ,eingelagert‘, konzentriert mit positiven und negativen Folgen gegen andere – erhält durch ein reziprokes Moment im Komplementärverhältnis ihren besonderen Charakter. Materiale Symmetrien wirken einseitig – begünstigend oder belastend –, nicht wechselseitigreziprok. Um den Kern der subjektiven Befugnis an etwas Äußerem freizulegen, hat man den Umweg zu gehen und diese Antinomie zwischen formaler und materialer Symmetrie aufzulösen. Es ist dann nach einem Bindeglied zu suchen – und wir haben ja in der Tat gesehen, dass die materiale Symmetrie als eine Verteilung von Vorteilen und Nachteilen bezogen auf die Symmetrieobjekte (Ding, Verhalten, Person) außerhalb der Formen nicht auf unendlich verschiedene Arten erfolgen kann; es gibt nur eine begrenzte Zahl an Figurationen, die alle, wie die der Formen, in einem Binärsystem darstellbar sind. Betrachten wir noch einmal diese Abstufungen der möglichen Symmetriebildungen. Man kann vier Stufen trennen. 1. Die Symmetriebildung kann situativ sein, auch wenn die salomonische Rechtsentscheidung – im Einzelfall – nicht mehr dem Ideal unserer Rechtskultur entspricht (Beispiel: der exekutionsrechtliche Schutz für Hinterleute als „Abwehr eines drohenden unersetzlichen Schadens“ in der preußischen AGO von 1793) 29. 2. Sie kann – wie die beschriebenen materialen Symmetrien – abstrakt-problembezogen sein, also Vorteile und Nachteile an etwas Äußerem nach der einfach binären Kodierung von Positiv – Negativ zwischen zwei Subjekten nach einem allgemeinem Satz für typisierte Problemsituationen verteilen. 3. Sie kann (theoretisch) auch tripolar kodiert sein, also Zwischenformen gewissermaßen im Dreieck etwa nach dem Schema Positiv – Negativ – Positiv bilden; in diesem Fall werden (exakt bestimmte) Vorteilsgruppen und Nachteilsgruppen zu einer konzentrierten Einheit zusammengeschlossen und haben entweder positive oder negative Wirkungsfolgen im Komplementärverhältnis (Beispiel: jüngere Theorieangebote für ein modernes ius ad rem, einige Treuhandlehren). 4. Sie kann schließlich eine vollkommen29 

§  8 III. 2.

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem

301

vier­stellige Symmetrik wie bei den Formen haben, also durch eine doppelte Polarität von Konzentration und Komplementarität gekennzeichnet sein. Man kann also sagen: Die Symmetriewerdung hat verschiedene Stufen, die bloß situative materiale Symmetrik ist die unterste, die vollkommen symmetrische Form die höchste. Dann hat man sich die Symmetrie als aus einfachen Binärschlüsseln aufgebaut zu denken, die, je nach Eigenart der Rechtskultur, mehr oder weniger zur abstrakten, vierstelligen Form hinstrebt. Im Besonderen ist es diese Darstellungsmöglichkeit der Befugnis im Binärsystem, die uns auf den Verbindungsgrund aufmerksam macht, der die scheinbar so widersprüchliche Phänomenologie des Symmetrischen erklärt. Es ist die Möglichkeit einer Erfassung des Symmetrischen in einer Matrix: es gibt keine Symmetrie, die nicht zugleich ein Fraktal der heterochiralen Semantik ist30 . Jeder Versuch des Verstehens hat dann von einem chiralen Zentrum als causa der Symmetriebildung auszugehen. Das tiefere Ordnungsprinzip ist dann das der Heterochiralität für alle Symmetrien, nur zeigt es sich auf seinen Abstraktionsstufen unterschiedlich vollkommen. Die Annahme eines chiralen Ordnungsprinzips hebt die Dialektik von formalen und materialen Befugnistypen auf, sie ist die Brücke, welche diese Antinomie überwinden hilft. Es ist auch nicht mehr schwer zu sehen, dass diese Enträtselung der symmetrischen Phänomene, die sich als ein Gedanke auf verschiedenen Abstraktionsstufen gezeigt hat, uns zugleich den Schlüssel für ein tieferes Verständnis juristischer Reziprozität gibt: Die Notwendigkeit reziproke Gegenrechte mit zu bedenken und zu regeln gibt es erst auf einer höheren Abstraktionsstufe, dort, wo gemein hin die Rechte und Gegenrechte fixiert werden müssen, also bei den Formen. Reziprozität zielt auf einen hypothetischen Wertekonsens, nicht unbedingt auf das, was anthropologisch beobachtbar ist. Es könnten sich also zwei materiale Symmetrien durchaus zur Reziprozität hin ergänzen. Nur müsste man sich Sachverhalte vorstellen, in denen Anlass zu wechselseitigen materialen Symmetrien gegeben ist. Solche Reziprozität im juristischen, nicht im soziologischen Sinne, ist ein Wechselbezug, der kaum je wirklich wird. Beim Schutz vor Gläubigerzugriffen auf ein Anderkonto etwa ist die Frage nach reziproken Gegenrechten – des Gläubigers gegen den Mandanten! – uninteressant; nicht nur, weil sie kaum je auftauchen, sondern weil es kein Bedürfnis für eine abstrakte Form gibt, in der diese Rechte und Gegenrechte institutionell verbunden werden. Was demnach abstrakt gesagt werden kann, ist: Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem lässt sich in der Tat als Ende einer symmetrischen 30  Klar ist, dass es die isolierte Konzentration nicht geben kann: Das Subjekt steht nicht für sich allein. Nochmals in einfachster logischer Notation: Die Grundmatrix (+– –+), kann also nur dekonstruiert werden: bipolar entweder (+ –) oder (– +), oder tripolar, also 1. als Konzentra­ tion mit positiver Folge (+– –), oder 2. mit negativer (+– +), 3. als Dekonzentration mit positiver Folge für den Nichtbefugten (–  –+), oder 4. mit negativer Wirkung (+ –+), s. näher §  6 III.

302

Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

Kopplung denken. Im Inneren des Rechts werden Form und Materie zum Symmetrischen hin aufgehoben. Man kann sagen, Recht als Befugnis an etwas Äußerem ist, im Innern, kohärentiell-symmetrisch.

IV. Folgerung für den Subjektbezug des subjektiven Rechts Nutzen wir in einem Zwischenschritt den Moment, um von dieser Einsicht aus festzuhalten, welches Übermaß an Reduktion in der Forderung liegt, den Subjektbezug des subjektiven Rechts aufzugeben 31. Sicher kann man auf die Frage, worin der Subjektbezug des subjektiven Rechts liegt, kaum noch sagen: in seiner Bezüglichkeit zur Vernunft! Die Antike hatte die Vernunft auf den Kosmos, das Mittelalter auf die göttliche Ordnung der Welt bezogen und erst seit der Neuzeit, seit der Entdeckung Descartes einer vorgegebenen Selbstbezüglichkeit des Bewusstseins, wurde die Verbindung von Vernunft und Subjekt selbstverständlich. Aber die Entfaltung des subjektbezogenen Vernunftdenkens ist durch die Metaphysikskepsis in der Mitte des 19. Jahrhunderts längst angehalten. Deswegen ist die Theorie des subjektiven Rechts, die heute formallogisch oder fachdogmatisch ist, so wehrlos gegen die soziologischen Angriffe, die ganz unverfälscht darauf hinweisen, dass der ursprüngliche Subjektbezug des subjektiven Rechts längst verschwunden ist und nicht durch eine Gegeninstanz ersetzt wurde. In der Sichtweise auf subjektive Rechte als am Eigentum orientierte Befugnisse oder bloß als Imperative, erscheint das Subjekt nur noch als Geber eines aktiven Impulses, als Entscheider über Zwang oder über die Inanspruchnahme der Schutzgewähr. Vom Ideal des Willens ist nur noch das Subjekt übrig geblieben, als Instanz über den Zwang zu entscheiden, die Rechtsmacht zu gebrauchen. Wozu dann das Attribut subjektiv? Man muss nicht der subjektverges­ senen Systemtheorie anhängen, um die immanenztheoretische Folgefrage eines ideenverlorenen Paradigmas offen zur Sprache zu bringen: Wozu noch der Subjektbezug, wenn Recht nur Zwang ist? Die Faszination für das Willensdogma hat die Aufmerksamkeit für das Verhältnis vom Subjekt zum Verhalten anderer und dessen Überprüfung hin auf eine analoge Basis mit anderen hintangestellt. In ihr ist das Leistungsversprechen, gedacht als ein mobiles Stück Willenssubstanz, das einzige am Fremdverhalten, das zuteilbar ist. Fremdverhalten wird mit der Schablone der Eigentumsform auf ein Haben am Willen zurechtgeschnitten. Für eine subjektivrechtliche Befugnislehre, die sich von dieser Verengung löst, hängt der Gedanke des subjektbefreiten Rechts im leeren Raum. Für sie wird das Subjekt zum Bezugspunkt, an dem die kohärentiellen Zuweisungen 31 

Einleitung IV. 1.

§  18 Die subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem

303

überhaupt erst ansetzen können und dadurch ihren Sinn erst erhalten. Denn wie soll man sich ein subjektives Recht aus einer vollzogenen Handlung vorstellen, für die der Handelnde gar nicht rechtszuständig ist (wie das Organ, der Vertreter), ohne diesen Handelnden? Ist es nicht viel zu künstlich, die negative Nichtbefugnis des Besitzers am fremden Eigentum, die als Obliegenheit wirkt, die Sache nach eigenen Kräften zu nutzen, ohne den subjektiven Pflichtadressaten zu denken? Wo sollte in einer subjektlosen Konzeption von Recht die materiale Befugnis eines relativ Berechtigten bestimmt werden, wenn sie im Kern nur aus einer Bezüglichkeit zu seiner Person (besonderer Opferschutz bei der Gefährdungshaftung) oder seinem Vermögen (besonderer Schutz vor endgültigen Vermögensverlusten) begreiflich ist? Was soll ein subjektloses Vermögensopfer sein? Man sieht: eine subjektivrechtliche Befugnis an etwas Äußerem vermag ihr subjektives Moment in einer erweiterten Perspektive kaum plausibel aufzugeben. Für ein Verständnis der subjektivrechtlichen Befugnis, das nicht mehr von der Form her verallgemeinert ist, insbesondere die negative Seite einbezieht und für Befugnisse an Verhalten und Personen geöffnet ist, erhält der Subjektbezug durchaus einen Sinn: er wird auf einen Bezugspunkt in einem Kohärenzgeflecht reduziert, verschwindet aber nicht. Das ist zwar keine Rehabilitation des Subjektbezugs von Recht schlechthin, schon deswegen nicht, weil der Analysegegenstand, der Menschenrechte und zivile Personenrechte weitgehend ausblendet, zu eng gewählt ist. Aber es sichert den Subjektbezug auf dieser verkleinerten Basis gegen die Angriffe der Soziologie, aber auch gegen reduktionistische Interpretationen von Recht als reinem Zwang.

§  19 Die Entschlüsselung der Theoriefiguren für materiale Befugnisse (wirtschaftliches Eigentum, Treuhand) Diese theoretischen Einsichten haben Konsequenzen für die materialen Befugnisse, welche die Dogmatik als Sphäre, Kreis, Seite oder Als-Ob-Form, Quasiform bildlich fasst und mit Begriffen wie modernes ius ad rem, relatives Eigen, Treuhand, wirtschaftliches Eigentum oder Partei-Sein umschreibt. Das gedankliche Verfahren ist fast stets der Schluss von der institutionellen Befugnisform (Eigentum, Vertretung) auf eine nicht besser beschreibbare Zuständigkeit ohne Form, die positiv oder negativ gegen einen Empfänger wirkt. Diese formen­ bezogene Denkweise mündet fast stets in Dunkelheit und Paradoxie1. Die erhebliche Bedeutung dieser Figuren der materialen Befugnisarten müsste eine theoretische und hermeneutische Anstrengung an sich rechtfertigen. Aber eine anerkannte Metatheorie ist nicht verfügbar. Was von den Ansätzen der Treuhanddiskussion zwischen den Kriegen, dem Dogmenstreit um das relative Eigen in den 1950er Jahren, der intuitiven Adaption der steuerrechtlichen „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ übrig blieb, sind vage Figuren. Die Aussageart, welche die mit rechtlichen Anwendungsaufgaben betrauten Figuren zeitigen, ist gar nicht solche von Begriffen, sondern von Metaphern 2 . Blickt man auf wichtige Bereiche zurück, in denen solche Metaphern verwendet werden, können zwei Gruppen getrennt werden. 1. Die wichtigsten materialen Befugnisse werden durch Analogien zu den Formen beschrieben: die Schutzgewähr für Treugeber, wirtschaftliche Eigentümer, mittelbar Vertretene als wirtschaftliche Partei usf. Aus diesen Analogien zu den Formen wurde form­analoges – irgendwie wirtschaftliches, materiales – Denken schlechthin. Wir fanden es überall wieder, etwa im kauf- oder gestionsrechtlichen Zusammenhang, und es wird bekannt sein, dass dies Einzelbeispiele für ein sehr allgemeines Phänomen sind. 2. Die andere Gruppe bilden die formlosen Zuordnun-

1 

Einleitung IV. 3, §  6 , §  7 I., II. (Dritter mit Liquidationsbefugnis als wirtschaftlicher Eigner); §  8 II. (Treugeber als wirtschaftlicher Eigentümer), §  15 I. (Käufer als wirtschaftlicher Eigentümer), §  16 II. 1 (Sphäre und Seite des Arbeitgebers). 2  Präsenz und Aufmerksamkeit des Begriffs der Metapher in den geisteswissenschaftlichen Nachbardisziplinen ist von der deutschen Jurisprudenz nicht ausreichend gewürdigt worden. Dass eine breiter angelegte Untersuchung der juristischen Metaphern ebenso nötig ist wie dort, sollte die Arbeit gezeigt haben.

§  19 Die Entschlüsselung der Theoriefiguren für materiale Befugnisse

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gen von Vorteilen oder Nachteilen zu Kreis, Seite, Sphäre. Scheinbar schlägt hier das Pendel zurück zum Willensdogma. Es bleibt beim formalen Wesenszug des subjektiven Rechts, den es seit mehr als zweihundert Jahren nicht mehr hat ablegen können 3. Recht hat gar keinen Kern, sondern ist Sphäre, Kreis, Hülle – nicht mehr als eine Grenzlinie im weitläufigen Beziehungsnetz zu allen anderen. Recht wird, anders gesagt, in Kontextbezügen vorgestellt, man betrachtet es wie diejenige Freiheit, die Grenzen nur in der Freiheit der anderen Subjekte findet. In der Kreismetapher setzt sich die Denkungsart am deutlichsten fort. Sie soll bei Zuordnungsproblemen aller Art helfen: als Pflichtenkreis zur Bestimmung der Fremdheit eines besorgten Geschäfts, als Risikosphäre zur Begründung deliktischer Einstandspflichten oder zur Wagnisverteilung zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, Käufer und Verkäufer, Restitutionsgläubiger und -schuldner4. Warum wird Metaphorik anstelle klarer Begriffe und Erkenntnisse so leichthin geduldet? Man könnte meinen, eine solche Bildersprache sei für den Rechtssuchenden nur als Provisorium zumutbar. Aber über den Sinnverlust, der in dieser Metaphorik liegt, tröstet die Komplexitätseignung der Formeln („Rechtsund Interessenkreis“, „Risiko- oder Herrschaftssphäre“) in der gerichtlichen Anwendung hinweg. Es bedarf also einer komplexeren Theorie, die mehr erkennen kann, als dies mit plakativen und einleuchtenden (formanalogen oder sphärenartigen) Metaphern möglich ist. In der Binärkodierung der Befugnis, welche ihre Aufspaltung in Konzentration und Komplementarität ermöglicht, ist der Schlüssel für eine Ent-Paradoxierung der Phänomene der Theoriegruppe des relativen Eigens (Treuhandlehren, wirtschaftliches Eigentum oder Partei-Sein), aber auch der Kreis- und Sphärentheorien vorgegeben. Es wurde schon beschrieben, wie die Zuständigkeit an etwas Äußerem im Binärsystem darstellbar ist. Diese binärsystematische Darstellung der Befugnis erlaubt es, die Befugnistypen phänomenologisch sehr viel genauer zu beschreiben, indem ihre Kodierung vergleichbar wird5. Es war eine der verblüffenden Erkenntnisse der Arbeit, dass die Formen allesamt eine vierstellig-heterochi­ rale, die materialen Symmetrien dagegen eine zweistellige Relation haben. Man kann von hier aus den Grund für die dogmatisch-literarische und forensische Metaphorik für die Befugnisse ohne Form (wirtschaftliches Eigentum, Treuhand, Sphäre, Herrschaft) in dem Kennzeichnungsversuch bestimmter Symmetrien erkennen und dann ist auch die Ursache der bildlich-provisori3 

Einleitung, II. 2.

4 Durchgehender

Topos bei den behandelten Fragen, s. §  6 II. (Gestionsrecht), §  7 I. 3 (Schadensrecht), Einleitung zum dritten Abschnitt (Deliktsrecht), §  11 I. (Gefährdungshaftung), §  14 I., II. (gestionsrechtliche Entlastung), §  15 I., II. (Kauf), §  16 II. 2, III. 3 (Arbeitsvertrag), §  17 I. (Rücktritt). 5  §  6 III.

306

Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

schen Formeln gefunden: das Nichtverstehen der Wirkungszusammenhänge von Symmetrieprinzipien zwingt zur intuitiven Aussage. Anders gesagt: Treuhand, modernes ius ad rem, wirtschaftliches Eigentum usf. sind metaphorische Hilfskonstruktionen der Rechtsanwendung, mit denen das Symmetrische beschrieben wird. Es ist immer wieder derselbe Kategoriefehler, der schon die ganz einfache Perzeption von axiologischen oder sachpraktisch bewirkten Symmetrieschlüssen verhindert. Die Metapher ist in symmetrische Bezüge auflösbar und das bedeutet im Grunde schon: verzichtbar6 . Man sieht, dass das Symmetrische als ein Erstes zu denken ist, und alle Hinzufügungen von Metaphern, die Analogien zu Formen, nur Verwicklungen bedeuten. Das Defizit einer Dogmatik, die auf Metaphern setzt, ist es dagegen, dass es die Symmetriezusammenhänge gar nicht erfassen kann. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist zu sagen, dass sich die Metaphern, so, wie sie verwendet werden, nicht alle restfrei auflösen lassen – das wäre ein dogmatischer Optimismus, der schon angesichts der Komplexitätssteigerung durch „sphärenhaftes“ oder „wirtschaftliches“ Denken zu weit ginge. Dass bei der gestionsrechtlichen „Fremdheit“ des Geschäfts, die durch den Pflicht-Kreis bestimmt sein soll, nicht nur Verteilungsaufgaben bezogen auf etwas Äußeres, sondern allgemeinste Regressfragen beantwortet werden müssen, bezeugt schon diese Problemkomplexität. Noch eindeutiger ist es bei der Divergenz von individuell- und kollektiv-arbeitsrechtlichem Bestimmungshintergrund, den die Theorie­figur der Betriebssphäre im Arbeitsrecht hat. Gesagt werden kann aber, dass dann, wenn die Metaphern auf solche Verteilungsaufgaben bezogen sind – wie meist! –, sie in Wahrheit Symmetrien beschreiben7.

6 S. v. Bertalanffy, Allgemeine Systemtheorie, Deutsche Universitätszeitung 5/6 (1957), S.  8 ff. 7  S. zu den beiden Beispielen §  14 II. und §  16 III. 2.

§  20 Symmetrie als konsensualer und kohärentieller Sollensbefehl Die bisherige Bilanz der Symmetrieanalytik – zu formalen Zuständigkeitstypen, materialen Symmetrien, der Semantik vertraglicher oder restitutioneller Verteilungsprogramme –, hat gezeigt, dass die Ausgangsvermutung der Existenz ordnungswirksamer Symmetriesätze nicht zu verwerfen ist, sondern im Gegenteil mit größerer Schärfe in den Vordergrund treten muss. Die Symmetrieanalyse wurde in erster Linie nicht als eine applikable Theorie gedacht, sondern als Reflektionsfeld, auf dem geklärt werden kann, wie und warum rechtsförmige Verbindungen von Vorteilen und Nachteilen entstehen. Das Ergebnis ist aber ein mit juristischen Mitteln schwer fassbarer, prinzipieller Wert.

I. Symmetrie als konsensuales und kohärentielles Sollen in der bürgerlichrechtlichen Verteilungsordnung Die Berufung auf ein prinzipielles Sollen gehört zu den wichtigsten und zugleich unsichersten juristischen Argumentationsmitteln. Soll diese Ordnungswirksamkeit, die sich im Laufe der Arbeit in ständig wiederkehrenden Mustern gezeigt hat, im Gegensatz zur bloß situativen Rhetorik kategorisiert, als Prinzip, Wert, Idee begriffen werden, so bedürfte es scheinbar einer exakten Methode, nach der sich eine solche Kategorisierung richten kann. Eine solche Methode gibt es nicht, weswegen wichtige Ergebnisse der Arbeit unter den erkenntnistheoretisch wichtigen Aspekten von Konsens und Kohärenz noch einmal zusammengefasst werden1. Für die institutionellen Formen des Mein und Dein gilt: sie sind heterochiral, vierstellig symmetrisch. Als Faktizität ist diese Art der Formordnung, der Konzentriertheit in Komplementarität, gar nicht zu leugnen, wie der Vergleich der Grundformen (Eigentum, Organschaft, Vertretung, Gestion) zeigt. Aber die These einer heterochiralen Formbildung wäre nur dann fruchtbar, wenn es sich nicht um eine rein logische Aufteilungsart handelt, die in sich leer bleibt. Ein solches Leersein ist aber widerlegt worden. 1 

S. bereits die Einleitung IV. 3.

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Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

Ein axiologischer Gehalt von Konzentration und Komplementarität kam auf verschiedenen Ebenen ins Bewusstsein. 1. Auf einer sehr abstrakten Ebene kann man von einem axiomatischen Residualprinzip sprechen, nach dem lucrum und periculum an etwas Äußerem durch Formen konzentriert und verteilt werden 2 . Das Prinzip beruht offenbar auf einem Gedanken der Übertragung. Die Handlungsfreiheit, nach der die Folgen des eigenen Handelns primär den Handelnden angehen und treffen, wird analog auf die Situation des Habens an etwas Äußerem fortgedacht. Das neminem laedere wird zur äußerlichen Klammer. Es erschien wichtig, auf diesen Grundnexus hinzuweisen, der anderen vorauszugehen scheint. Eine freiheitliche Privatordnung wird auf diese Grundproportion angewiesen sein, sie hat keinerlei Alternativen zu seinem Aufbau. Eine freiheitliche Ordnung, in der das eigene Handeln nicht primär den Handelnden angeht, ist widersinnig. Es ist dann nur ein kleiner Schritt, wenn die Verteilungsordnung für das Äußere dieselben Grundsätze und Regeln enthält. Das Axiom bedeutet ganz einfach: Die ,natürlichen‘ (positiven und negativen) Wirkungen aus einem Verteilungsobjekt werden rechtlich als Verteilungsmaxime gedacht, gleichsam auf höhere Ebene gehoben: Vorteile und Nachteile bleiben dort, wo sie anfallen. Philosophisch gesagt: Nach dem heute herrschenden kontraktualistischen Paradigma einigen sich die Menschen auf wechselseitig vorteilhafte Regeln. Wechselseitigkeit heißt: Wer den Nutzen in Anspruch nimmt, muss die Kosten tragen. Die Gedanken des Trittbrettfahrens, von Austauschgerechtigkeit oder Vertrauensschutz usf. sind nur Ergänzungen. 2. Als Wert ist das Symmetrische zunächst eine Immanenz der Formen. Auf weniger abstrakter Ebene bieten die Legalverhältnisse aus Eigentum oder Ges­ tion Beispiele, wie Komplementärverhältnisse axiologisch in symmetrischen Strukturen geordnet sind. Wenn die Dogmatik stets versuchte, sich beim Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer an einem einheitlichen Gedanken zu orientieren und die Verteilungssituation mit derjenigen der Miete, Verwaltung, Gestion, Sequestration verglich, waren das Versuche, die vierstellig symmetrische Verteilungslogik zu beschreiben 3. Ähnliches haben wir bei den vertraglichen oder restitutionellen Verteilungsprogrammen beobachtet4. Die Einfachheit des Vierecks ist also nur ein Grundgerüst. In der Vielheit der Formen wird das Grundmotiv oft verändert, kann aber durch die Begriffe der Konzentration und Komplementarität weiter beschrieben werden, bis in die einzelnen Verästelungen der formgebundenen Verteilungen. Dies hat sich im Laufe der Arbeit als ein Gemeinsames für die ganze Verteilungsordnung erwiesen. 2 

§  2 I. §  2 II. 3. 4  §  15 I. 3, §  16 II. 1, §  17 II. 2. 3 

§  2 0 Symmetrie als konsensualer und kohärentieller Sollensbefehl

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Es ist nunmehr möglich, über Qualität und Wirkungsart der heterochiralen Symmetrik der Form Allgemeines zu sagen. Es gibt symmetrische Ordnungen, die der Jurist intuitiv richtig erkennt. Die These, dass die Institutionen eine uralte, reziproke „innere“ Formung haben, wird so gesehen durchaus plausibel5. In der Heterochiralität werden sowohl historische wie anthropologische, ökonomische wie soziale, philosophische wie ästhetische Einflüsse zusammen­ laufen: sie ist gewachsene Immanenz der juristischen Institute. 3. Die materialen Symmetrien sind schon auf eine gemeinsame Logik hin reduziert worden, deren Wertbasis aber nicht als ein Ganzes, sondern besser in den zwei wesentlichen Bereichen perzipierbar wird. Für den ersten Bereich, die Güter- und Erwerbsordnung, waren die Schwäche unverdienter Vorteile, die Benachteiligung des kulpos Handelnden und der Schutz vor definitiven Opfern die wichtigsten Wertgedanken. Über die Wertungen im einzelnen Kontext besteht dem Inhalt nach dort Übereinkunft, wo es sich um regelförmige Korrektive der formalen Güterzuweisung handelt, also bei den modernen Versionstypen, etwa bei der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs oder der Schenkungsanfechtung, die als selbstverständlich gelten. Die Symmetrie ist hier unter dem Etikett verschiedener Parömien offenbar ein Kontinuum, ein geschichtlich durchlaufender Topos. Diese Parömien sind wiede­ rum nur Chiffren von Ordnungslösungen für anthropologische, soziale, kulturelle Problemzwänge, deren historische Einbettung und Etappen in ihren Wandelungen weder auflösbar noch auch nur identifizierbar sind6 . Bei anderen materialen Symmetrien (Liquidationsbefugnis beim Drittschaden, Beständigkeit der Rechte aus Treuhand) sind die Wirkungen an sich mehr oder weniger anerkannt, auch wenn über konstruktive und dogmatische Fragen keine Einigung erzielbar ist. Für den zweiten Bereich, die symmetrietopische Wagnisumschichtung im Haftungs- und Restitutionsrecht, ist die symmetrietopische Begründung der strikten Haftung für Leute im Kern wohl streitfrei7. Auch bei der Gefährdungshaftung ist sie in den Materialien zu den Tatbeständen der Gefährdungshaftung stets nachweislich und es gibt einen weithin unkontroversen symmetrischen Wertkern des Prinzips, der in Redearten und Wortdivergenzen leicht übersehen wird.

5 

Einleitung IV. 1. gibt es einen Werteparallelismus beim Schutz relativer Rechte und der Schwäche formaler Rechte, denn wieder wird ein unverdienter oder unredlicher Vorteil genommen, §  9 I., II. und §  10 III. 7  §  12 II., §  13 II. 6  Dabei

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Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

II. Die zweifache dialektische Spannung des symmetrischen Sollens Ein Fernbild der deutschen Güter- und Vertragsordnung, gewissermaßen als eine Summe der vielen kleinen symmetrischen Fragmente, die in den Hauptteilen der Arbeit behandelt wurden, lässt eine zweifache dialektische Spannung von ›Form und Symmetrie‹ und ›Freiheit und Symmetrie‹ erkennen. Es gibt erstens eine Dialektik von ›Form und Symmetrie‹, die von der Formalisierung der Verteilungsordnung auszugehen scheint. Um die Verteilung sicher zu gestalten, ist primär versucht, das Mein und Dein durch abstrakte und äußerliche Formen zu bestimmen8 . Die Dialektik besteht darin, dass zum einen eine vierstellige Symmetrik eine Immanenz der Formen ist. Zum anderen sind die materialen Symmetrien mit den Formteleologien in einem unlösbaren Wertzusammenhang verkoppelt. Man kann zweitens aber auch in einem gewissen Sinn noch darüber hinausgehen und von einer Dialektik von ›Freiheit und Symmetrie‹ sprechen. Denn bei den Prinzipien der haftungs- oder restitutionellen Wagnisabwälzung gibt es eine andere Spannungslage, die im Verhältnis zum aufklärerischen Wertesystem von ›Freiheit, Gleichheit, Solidarität‹ steht. Wenn man die Symmetrie in diesem Bereich mit der Symmetrie der Verkehrsformen vergleicht, so erkennt man durchaus, inwieweit hier ein anderer Ordnungsbereich berührt wird: Der marktgläubige Liberalismus des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 ist längst Ordnungsfaktoren einer sozialen Ausgleichskultur gewichen, deren Verteilungspolitik darauf gerichtet ist, Härten des Marktes zu mildern. Der liberalen Verteilung durch den Besitz von Rechten, durch die juridischen Formen, ist eine unausgewogene Verteilung von knappen Gütern, Ressourcen, Kosten und Nutzen, Risiken und Chancen immanent. Solche Ungleichheiten rückgängig zu machen, war eine Hauptaufgabe des Zivilrechts im 20. Jahrhundert. Es entstand ein immer komplexeres Privatrechtssystem, das im Ausbau des Systems sozialer Hilfe und Gerechtigkeit auch an sich privatrechtsfremde Einlagerungen verarbeitet. Viele neue Rechtsgebiete gehören zu diesen Korrektiven, nur ist hier die Zersplitterung in die öffentlich-rechtlichen, strafrechtlichen und spezialgesetzlich-privatrechtlichen Bereiche größer. Die symmetrische Risikozuweisung steht unübersehbar in diesem Zusammenhang und gehört zu diesen Korrek­ tiven.

8 

§  1 II.

§  2 0 Symmetrie als konsensualer und kohärentieller Sollensbefehl

311

III. Keine Auflösung der dialektischen Spannung durch Abstraktionssteigerung eines prinzipiellen oder wertgebundenen Sollens Wie kann von dieser Varianz auf ein prinzipielles, allgemeines, werthaftes Sollen geschlossen werden? Erfahrung und Erstaunen über die Dichte und Kon­ stanz des Symmetrischen haben sich im Laufe der Arbeit vermehrt, nicht vermindert. Ein fundamental-axiologischer Satz lässt sich festhalten: mit dem freiheitsfunktionalen Axiom als Grunddetermination der Privatrechtsordnung – wie wir es bei der Eigentumsform beobachtet haben – ist zugleich ein universaler Zuweisungsgedanke mitbestimmt. Aber klar ist auch, dass von hier aus die ganze Phänomenologie nicht geklärt werden kann. Bisweilen ist ein Gewahrwerden dessen, was den Erscheinungen zugrunde liegt, oft gar nicht mehr möglich, da die symmetrische causa tief in den Institutionen verwurzelt ist. Die Betrachtung des Symmetrischen in der statischen und dynamischen Verteilungsordnung erlaubt es, unter den erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten von Konsens und Kohärenz festzuhalten: Welches Maß an Evidenzwert für ein prinzipielles Sollen zu verlangen ist, muss die Methodik vorgeben, die – um Missverständnisse zu vermeiden – hier nicht bestimmt werden soll. Meint man, um ein Beispiel zu geben, Rechtsprinzipien seien „nicht statische Elemente eines schulmäßig geschlossenen Baus, sondern Topoi, Auswahlgesichtspunkte des juristischen Wertens, autorisierte und legale Basis der Argumentation“9, haben sich solche Topoi wieder und wieder als konsensuale und systemische Basis erwiesen. Die Arbeit hat die Evidenz des symmetrischen Sollens erhöht, man kann die Arbeit als einen nachgelieferten Beleg verstehen und von einem allgemeinen Gerechtigkeitspostulat des Symmetrischen sprechen. Ein Systemjurist kann ohne Weiteres die Heterochiralität auflösen, die Befugnistypen auf eine prinzipielle Wurzel zurückführen und in ein System von Subprinzipien einordnen (Prinzip des Vorteilsschutzes für Gefahrträger, Entlastung für den Nichtbefugten usf.). Aber ein näherer Bestimmungsversuch eines Wertinhalts wird an der beschriebenen Dialektik von Form und Symmetrie scheitern. Die Hoffnung, das Symmetrische als einen positiven Wert, ein ideales oder zu optimierendes Sollen zu explizieren, wird durch die schwierige Dialektik getrübt, die sich nur zu etwas höchst Abstraktem hin auflösen ließe. Die verwickelte und überraschende Dialektik von ›Form und Symmetrie‹ zum einen, ›Freiheit und Symmetrie‹ zum anderen, bildet schließlich Antino­ mien, die ganz offenbar nicht durch ein konkretes ideales Sollen entschlüsselt werden können. Dann bleibt nur die Ausflucht in die Abstraktion, es bleibt, die symmetrischen Wertungen zu Gruppen zu ordnen und einem allgemeinsten 9 

Esser, Grundsatz und Norm, S.  20.

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Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

Symmetriebefehl zu unterstellen, gedacht als Idee und Wert, der sich zu optimieren habe.

§  21 Umkehr der Verhältnisse: Symmetrie als Primärphänomen des Rechts Es ist offenbar nicht möglich, Symmetrie als einen noch konkreteren positiven Wert fühlbar zu machen und zwischen den Prinzipienschichten des ulpianischen honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere! (in ihrer modernen abendländischen Überlieferung) und den aufklärerischen Schichten dar­über ›Freiheit, Gleichheit, Solidarität‹ zu verorten und auf ein niedrigeres Abstraktionsniveau zu senken. Mit diesem Anspruch wäre der tiefste Aspekt, den Symmetrie haben kann, ohnehin nicht getroffen. Die letzte Konsequenz für das Recht liegt darin, über Fundamental- und Prinzipiendenken hinauszugehen, gewissermaßen das Denken umzukehren. Die Symmetriephänomene wären dann nicht mehr Ausdrucksformen von werthaften Prinzipien, die im Spannungsverhältnis mit den zunächst (potentiell) gegenläufigen Wertgedanken stehen. Um diese Dialektik aufzulösen, muss man vielmehr zu einer Tiefenschicht des Rechts kommen, die sich der Rechtsidee nähert, also noch unter den römischen oder aufklärerischen Fundamentalwerten liegt, um diese Varianz der Formen und ihrer Durchbrechungen durch ein Sollen zu erklären und so die Dialektik zu beseitigen. Der zentrale Gedanke von ›Recht als Symmetrie‹ ist, die Symmetrie als ein Primärphänomen des Rechts in Betracht zu ziehen. Sie ist nicht als Prinzip oder Wert ein Sekundäres, sondern umgekehrt das Primäre. Diese Umkehr war nicht als analytischer Höhepunkt, sondern als Perzeptionsmöglichkeit gedacht1. Wie jedes Wahrnehmungsmuster dient auch die symmetrierechtliche Denkungsart nur als Modell, um über Recht und Befugnis zu reflektieren, weder als einziges noch als das eine wahre. Sie stellt sich nicht in Opposition zu den großen Entwürfen vom Recht des Humanismus, der historischen Schule oder der Interessenjurisprudenz. Wie schon erwähnt, beruhen die Erfolge der natur- und geisteswissenschaftlichen Symmetrieforschungen darauf, von einem gedanklichen Widerspruch zum zuvor Gedachten auszugehen 2 . Von hier aus scheint das naiv-anmaßende Inbetrachtziehen der Annahme, das Symmetrische sei etwas kategorial anderes als eine allgemeine Rechtsregel oder als ein „Fundamentalprinzip“, welches sich 1  2 

Einleitung IV. 4. Einleitung IV. 4.

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Schlussteil: Allgemeine Symmetrielehre

in die geläufigen Prinzipienkataloge irgendwo einreihen ließe, geradezu eine conditio sine qua non wirklicher symmetrischer Forschung. Lässt man sich auf diesen probabilistischen Wechsel der Denkrichtung ein, erkennt man die Möglichkeit, die zweifache dialektische Spannung aufzulösen. Es sind zwei Werte, Sicherheit und Freiheit, von denen dialektische Beziehungen sich entfalten. Die beschriebene Dialektik von ›Form und Symmetrie‹ würde zur Einheit in der Güterordnung, in der die Symmetrie als ein Unableitbares und Primäres gedacht wird. In ihr wird das Symmetrische als ein Erstes durch das Sicherheitsbedürfnis von Verkehr und Rechtssuchenden in Einklang gebracht, es wird zur Formsymmetrie. Diese Fixierung der Symmetrie, die Einlagerung der Vorteile und Nachteile in der Form, ist also bereits ein Zweites! Der Umstand, dass die Formen der Verteilung heterochiral-symmetrisch sind, ist nur noch eine Konsequenz. Auch die materiale Symmetrie ist dort, wo sie als Korrektur der Form auftritt und als verlegener Notbehelf des Systems erscheint, in Wahrheit etwas Primäres, nicht ein aus der Formordnung Abgeleitetes. In Wahrheit übernimmt sie nur die Aufgabe der symmetrischen Verteilung, wo die Formenordnung den Sollensbefehl nicht erfüllen kann. Die Einhaltung eines Primärsollens, die äußerlich als Durchbrechung der formalen Verteilungsordnung erscheint, ist also gar kein Widerspruch, sondern folgt einem ungeteilten Gedanken. Dieselbe Möglichkeit der dialektischen Auflösung ergibt sich für die Spannung von ›Freiheit und Symmetrie‹ in der Haftungs- und Verhaltensordnung. Die Denkrichtung umzukehren bedeutet dann: Selbst der radikale Individualismus des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 setzt erst an dem primären Gedanken der Konzentriertheit von lucrum und casum als ein Nachgeordnetes an. Jetzt wird klar, warum es gar nicht darauf ankommt, welcher Art die Freiheitsbefugnis ist (Freiheit der Person, des Eigentums, des Gewerbes), wie man ihn theoretisch auf den Begriff des subjektiven Rechts bezieht (Reflexphänomen im Geflecht von Imperativen, subjektivrechtliche Befugnis und Pflicht usf.): Die Konzentration ist bereits eine unsichtbare axiologische Inhärenz einer freiheitlichen bürgerlichrechtlichen Ordnung, die die freiheitliche Zuständigkeit prägt. Das, was als „Tropfen sozialistischen Öls“ (Gierke), Einschübe distributiver Gerechtigkeitselemente im Haftungsrecht (Esser) oder Materialisierung (Canaris) geschildert wird, ist ein Sekundäres und Späteres, welches dieses Axiom akzeptiert. Diese Denkweise zeigt schließlich, warum dann wieder das symmetrietopische Korrektiv selbst einem Symmetriesatz zu folgen scheint. Diese Umkehr der Verhältnisse, der Blick auf die Antinomien, die Dialektik von Form und Symmetrie, lässt erkennen, dass Symmetrie nicht im, sondern vor dem Wertesystem von Sicherheit und Freiheit zu denken ist. Dies ist ein Symmetriesatz, der diese scheinbar tiefste Grenze von Fundamentalität noch übersteigt, aber noch im Recht als Teil der Rechtsidee selbst, als eines seiner

§  21 Umkehr der Verhältnisse

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Primärprinzipien zu sehen ist. Die Dichte der symmetrischen Programmatik im Privatrecht, die man bislang in der Summe nicht sieht, und die von der Sicherung des Rechts durch symmetrische Formen bis zum universalen Maßstab für Verteilungsfragen reicht, legt eine letzte Folgerung nahe: Recht ohne Symme­ trie ist gar nicht möglich.

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Sachregister Abstraktion (der institutionellen Formen)  24, 26, 32, 42, 44, 53 ff., 90, 144, 149 f., 157, 164, 172, 176, 215, 232, 311 – Eigentum  53 ff. – Formalisierung der Eingriffskondik­ tion 57 – geschichtliche Entwicklung der  53 ff. – Legitimationswirkung  53, 55, 58 f., 62, 90, 149 – Lehre vom selbständigen dinglichen Vertrag 54 – Prinzip der  57, 60, 164, 168 – Stellvertretung  53 ff., 62, 87 – Umlauffähigkeit (Forderungen, Anleihen)  53 f., 58 f. Actio  – de in rem verso utilis  56, 177 f. – negotiorum gestio  77, 101 ff., 119, 231 ff., 294, siehe auch Geschäfts­ führung ohne Auftrag Aktionsberechtigung (Aktions­ befugnis)  25, 70 f., 215 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch  70, 226 Alterum non laedere  13 f., 313 Annahmeverzug  242, 251 f., 265, 270, 295 Anwartschaft  9, 66, 143 Arbeitsvertrag  243, 261 ff., 291 – Anrechnung und Ausschließung  259 ff. – Haftungsprivileg  267 ff., 295 – Nachteilsabnahme  264, 267  – Patente  261 ff. – Prinzip der Risikoabnahme  267 – Schatzfund  68, 260 – symmetrische Verteilungsmuster  249, 259, 269 ff.

– Überwälzung von Betriebsrisiken  264 ff. – Zuweisung der Arbeitsergebnisse  262 f. Aufklärung  12 ff., 17 f., 23, 28, 291 Aussonderung  59, 60, 153–155, 167, 173, 297 Begriffsjurisprudenz  18, 24, 126 Bereicherungsrecht 177 Besitzer  5, 54, 63, 73–84, 105, 111, 178, 219 f., 223, 247, 260, 278, 284, 289, 294, 303, 308 – als Beauftragter  77 – als Sequester  77–79, 284, 289, 308 – als Verwalter  76–82 – Nutzungsobliegenheit  75, 79, 80–82 Betriebsrisiko, siehe Arbeitsvertrag  Bruchteilsgemeinschaft 296 Casum sentit dominus  37, 68, 70, 99, 144, 246, 249, 266, 293 Commodum eius esse debet cuius periculum est 5 f., 84, 118, 249 f., 269, 289 Corpus Juris Civilis  10 f. Culpa  4, 7, 71, 73, 147, 151, 187 f., 192, 207, 225, 226 Das auf persönliche Art dingliche Recht  31 Deliktsrecht  4, 25, 57, 98, 134, 143, 182, 187–189, 217 ff. Diebstahl  252, 287 Dienstbarkeit 296 Dingliches Recht  31, 42, 54, 87, 163, 170, 186, 261 – historische Entwicklung, siehe Abstraktion

350

Sachregister

– relatives Eigen, siehe relative Befugnis  – Verhältnis zum schuldrechtlichen subjektiven Recht, siehe subjektives Recht Do ut des  29, 40 Dolus  7, 167, 187, 192 Dombrandfall  142, 232 Donellus  11 ff., 41 Drittschadensliquidation  126 ff., 157, 160, 161, 185, 255, 291 – als materiale Symmetrie  145 ff. – Ausgleichszweck  142, 144 – Frustrierung des Vermögensopfers  147–149 – Gefahrtragung  133, 136, 138, 142, 144, 152  – hypothetische Asymmetrie  149–151 – Inobhutnahme  130 ff. – Korkholzurteil 129 – kulposes Handeln  146 f. – Lehre des transitorischen Interesses  130 – mittelbare Stellvertretung  56, 131, 143, 160, 325 – Nähe zur Lehre vom Vorteilsausgleich  135 ff. – obligatorische Entlastung  130, 147 – Rechtfertigungen  134 ff. – Treuhand, Treugeberschutz  130 f., 136 f., 141, 144, 145–147, 152 – Typologie  131 ff. – Verbot der Schadensmultiplikation  133 – Verbot ungerechtfertigter Entlastung  135 f. – Verbot zufälliger Schadensverlagerung  136 f. – Verteilungsrelevanz des Anspruchs  138 ff.  Drittwirkung  53, 115, 147, 166 f. Durchgriff  56, 58, 177, 182 Eigentum  5, 7, 12, 18, 24 ff., 32, 53–63, 67–86, 96, 99, 101, 115–120, 122, 133, 139, 151 f., 157, 159, 162 f., 165, 168, 170, 193, 203, 214, 255, 291, 293, 294, 296 f., 302 f., 308 – Abstraktion der Eigentumsform, siehe Abstraktion

– accessorisches commudum  80 f. – als Herrschaftssphäre  67 f. – Ausgleichsanspruch 68 – Begriff  69 f. – casum et lucrum sentit dominus  68 ff. – Komplementarität bei  73 ff. – Konzentration bei  68 ff. – relatives, siehe relative Befugnis – Vindikation  7, 54, 68, 74 f., 79, 82, 140, 155, 176, 182, 276, 278, 284 – wirtschaftliches, siehe relative Befugnis Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Vindikationsfolgenrecht)  73 ff., 276 f., 284, 295 – Dogmatische Konzeptionen  75–78 – Kodifikationsziel 75 – Symmetriezwänge und -ursachen  79 ff. – Verwendungsersatz  74 f., 105, 230, 277 Eingriffskondiktion  57, 82 f. Erbbaurecht 296 Erfüllungsgehilfe 226 Erkenntnistheorie 20 Ethik  8, 15 f., 193, 200–205 Facultas agendi  10 ff. Formenordnung  52 ff., 66 ff., 113, 115, 118, 121, 124, 185, 314 – Durchbrechung der  63 f., 113 ff., 118, 124, 128, 147, 173, 185 f., 297, 313 f. – formale Rechtszuständigkeit, siehe dort  Fraus omnia corrumpit  181 f. Freiheitssphäre  16, 33, 190 Fundamentalprinzip  8, 313 Gefährdungshaftung  124, 189, 190 ff., 217, 222, 224, 226 f., 232, 235, 236, 269, 280, 291, 298, 303, 309 – Ansätze im BGB  206 ff. – Effizienzkalkül  201 ff. – Haftpflichtgesetz  205 f. – Haftung für Luxustiere  206 f. – Halterbegriff  213 ff. – Nutznießungsgedanke  205 ff., 212 – Preußisches Eisenbahngesetz  3 f., 181, 205 – Rechtfertigung 298

Sachregister

– Sonderrecht gegen Sonderpflicht  194, 197, 200 – sozialer Opferschutz  192 ff., 205 ff., 212 – Symmetriegerechtigkeit bei der  201 ff. Gefahrtragung  37, 43, 81, 120, 133, 136, 138, 142, 144, 152, 163, 170, 172, 245 f., 252 f., 277, 287 Gehilfenhaftung  225, 227 Gemeines Recht  77 Gerechtigkeit  1, 3, 8, 39, 51, 72, 167, 193, 199, 202, 204, 208, 209, 250, 262–264 – iustitia commutativa  190, 193, 308 – iustitia correctiva  193 – iustitia distributiva  72, 190, 193 – Symmetriegerechtigkeit, siehe Symmetrie Geschäftsführung ohne Auftrag  7, 78, 87 f., 101 ff., 231 ff., 296, 307 f., siehe auch negotiorum gestio – actiones contrariae  7, 73 f., 87, 102, 105 f., 293 – actiones directae  7, 73, 87, 102, 105 f., 293 – als fiktive Wirkungszuständigkeit  107 ff. – als formale Wirkungszuständigkeit  109 – als Gegenüber wechselseitiger Ausgleichsansprüche 107 – als Menschenhilfe  109 – als Verteilungsform  88, 107 – angemaßte  59, 82, 104, 231 – angewandte 104 – Aufwendungen für Leute  236 ff. – Aufwendungsersatz 102–105 – berechtigte  106, 111, 294 – Entlastung  231 ff. – Erlösherausgabe  86, 102, 104, 107  – fremdes Geschäft  108–110, 232, 235 – Funkenflugfall  235 f. – Funktionswandel  58, 102 – genehmigte  104, 107, 294 – Gestionskonzeptionen 101 – heimliche Wagniszuweisung  234 ff. – irrtümliche  104, 108 – mittelbares Interesse  232 ff.

351

– periculum gestionis  105 – pflichtübernehmende  104, 107, 294 – Suizidverhinderung  108, 231 – unberechtigte  101 f., 104, 107 Güterzuordnung  9, 16, 115 Gutglaubenserwerb  53–55, 79, 134, 178, 179, 182 Haftung  3 f., 7 f., 33 f., 37, 62, 71, 78, 82, 96 ff., 121, 134 f., 146, 166, 168, 190 ff., 217 ff., 267 f., 299, 309 Haftungsrecht  6, 7, 187 ff., 217 ff., 224 ff., 236, 314 – Einstandspflichten für Leute und Gehilfen, siehe Leutehaftung – Gefährdungshaftung, siehe dort – Gefährdungsprinzip  189 f., 205 – Verkehrspflichten, siehe dort – Verschuldensprinzip  189, 202, 222, 298 – Verursachungshaftung  193, 207 – Zweispurigkeit  190, 202, 206 Herausgabeanspruch  86, 137 Herrschaftsverhältnis  30 ff., 244 Historische Schule  313 Humanismus  10 ff., 331 Hypothetische Grundnorm  21 Idealismus  15 ff., 96, 187 Imperativentheorie  11, 18 ff., 22, 41, 140, 163, 302, 314 Inhaberschuldverschreibung 55 Interventionsklage 59 Ius ad rem  27, 42, 56, 58, 63, 115, 118, 122, 137 f., 152, 170, 254, 300, 304, 306, siehe auch relative Befugnis Ius et obligatio sunt correlata  27 f., 38 Iustitia distributiva, commutativa, correctiva, siehe Gerechtigkeit Juristische Person  93–100, 225, 227 – An- und Abrechnung von Handlungsfolgen  93 ff. – Fiktion  18, 94, 100 – Geschäftschancenlehre 95 – Organbesitz  94, 294 – Organschaft  27, 64, 87 ff., 96 ff., 112, 294 ff., 307 – reale Verbandspersönlichkeit  94

352

Sachregister

– Rechtfertigung der strikten Organhaftung 98 – Wesen  93 f., 97

– Verhältnis zur Gefährdungshaftung  226 – vertragliche  225 ff.

Kaufvertrag – als Wechsel einer heterochiralen Rechtszuständigkeit 294 – asymmetrische Verteilungen  251 ff. – CIF–Geschäft  257 f. – FOB–Geschäft 257 – Konzentration von Gefahr, Nutzen, Lasten  244 ff. – periculum est emptoris  246 – Traditionsprinzip  246 f. – Übergabe 245 – Verbindung von Haben und Gefahr  245 ff. – Verbindung von Nutzen und Lasten  251 – Vermeidung asymmetrischer Verteilung durch Auslegung  256 ff. – Versendungskauf  132, 253 ff., 285 – Vertragstypen  243 f. – Wechsel der symmetrischen Zuständigkeit  243 ff. Kieler Schule  20, 115, 117, 160 Kollusives Zusammenwirken  182 Korrespondenz von Nutzen und Lasten  2–8, 99 ff., 150, 244 ff., 284, 290, 295

Mittelbare Stellvertretung, siehe Stellvertretung Moderne Versionstypen  177 ff. Moralphilosophie, siehe Ethik

Legalverhältnis  7, 75, 81 f., 101, 104 f., 107, 109, 111, 235, 278, 289 f., 294, 296, 308 – eigentumsrechtliches, siehe Eigen­ tümer-Besitzer-Verhältnis – gestionsrechtliches, siehe Geschäftsführung ohne Auftrag  Leutehaftung  189, 224 ff. – bei Übernahme von Verkehrspflichten  228 – deliktische 226 – ex qua persona quis lucrum capit, eius factum praestare debet  226 – körperschaftliche Organisations­ pflichten  227 f. – symmetrietopische Rechtfertigung  225 

Nachteil  1 ff., 9, 22, 34–38, 41, 43, 47, 58, 61 ff., 84 ff., 93 ff., 113, 118, 121 ff., 150, 165, 166–175, 176, 184, 186, 191, 194, 197, 198, 200, 208, 215, 221, 229, 230, 243 ff., 253, 256, 264 ff., 273, 290, 292, 293 ff., 297 ff.  – als Symmetrieglied, siehe Symmetrie Naturrecht  10 ff., 20, 108 Nichtbefugnis  36 ff., 74, 78, 105 f., 121 ff., 234 f., 294, 303 – negative  37, 41, 121 f., 303 – positive  37, 78, 121 f., 235 Nießbrauch  66, 79, 296 Norma agendi  11 ff., 18, 27, 40 Noxalhaftung 96 Obligation  12, 30, 115 f.,118, 127, 150, 209 Organschaft  27, 64, 87 ff., 95 ff., 112, 294, 296, 307 – als verhaltens- und personenbezogene Rechtszuständigkeit  259, 270, 294 f. – Gerechtigkeitsidee 99 – Organhaftung  69, 96 ff., 199, 224 f. Pandektistik  6, 10, 12, 15, 17, 30, 70, 76, 78, 83 f., 89, 108, 118, 155 Partikulargesetz 75  Pfandrecht  119, 141, 216, 234 Pflicht  13 f., 16 f., 24, 27–29, 32 f., 37 f., 39 f., 42 f., 52, 57, 67 f., 78, 80–82, 91, 147, 159, 217–223, 227–229, 232, 236, 241, 243 f., 253, 258, 260 f., 264–268, 278–282, 287–289, 291, 314 – Arten  28 f. – immanente 28 – logisch-komplementäre  28 f., 38 – öffentlich-rechtliche  59, 61 – Pflichtverletzung, siehe dort – reziproke 29

Sachregister

– subjektivrechtliche Theorie der  27 ff. – subjektive Pflicht, siehe dort  Pflichtverletzung  280 ff. Prinzip der strikten Haftung  294 Privatautonomie 241 Privilege-Right-Theorie 21 Quod nobis debeatur  12 Quod nostrum est  12 f., 24, 41 Rechtsinstitut  39, 42, 53 Rechtsparömien 5 Rechts- und Interessenkreis  58, 103, 231 ff. Rechtszuständigkeit  36, 44, 49, 51 ff., 65 ff., 80, 87, 93 ff., 107 ff., 176, 182, 185, 239 ff., 251 ff., 293 ff. – dinghafte  36, 64, 66 ff., 87, 259 – formale  53 ff., 65 ff., 87 ff., 234 – heterochirale Formtypik  293 ff. – institutionelle Formen  293, 296 – institutionelle Zuordnungsform  64 – personen- und verhaltensbezogene  36, 87 ff. Reichshaftpflichtgesetz  4, 7, 211 Reine Rechtslehre  21, 28 f. Relative Befugnis, Berechtigung  42 ff., 120, 125, 304 ff. – als materiale Befugnis  52, 152, 304 ff. – Als-Ob-Form  44, 304 – als Quasiform  44, 152, 170, 304 – beim Kauf  248 f. – Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe  153 ff., siehe auch vollstreckungsrechtlicher Drittschutz – Doppelverkauf 85 – Entschlüsselung der  291, 304 ff. – Kreis- und Sphärenmetaphern  44, 270 ff., 305 – modernes ius ad rem  27, 42, 300, 304, 306 – Paradoxie der  42–44, 162–164, 304 ff. – Prätendentenstreit  63, 122 – relatives Eigen  42, 117 f., 120, 123, 139 f., 152, 255, 304 – Semantik und Kodierung der  118 ff. – theoretisches Verhältnis zu Eigentumslehren  24 ff.

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– Treuhand, siehe dort – verdinglichte Obligation  116 – wirtschaftliches Eigentum  27, 42, 61, 64, 120 f., 152, 162, 255, 291, 297, 304 ff. – wirtschaftliches Partei-Sein  64, 124, 304 Restitutionsordnung  273 ff., 296 Reziprozität  29, 39 f., 76, 106, 168 f., 300 f. Risiko-Nutznießungsgedanke 212 Risikozuweisung  34, 74, 219, 270, 310 Rücktrittsrecht (Rücktritt)  273 ff., 295 – als rückläufiger Symmetriewechsel  295 – altes Recht  275 ff. – dogmatische Konzeptionen  282 ff. – gebrauchsbedingte Abnutzung  290 – Ingebrauchnahme  288 ff. – Konzentrierung von Nutzen und Gefahr 284 – Pflichtwidrigkeit  280 ff. – reformiertes Recht  277 ff. – Symmetriedruck und Symmetriezwang  285 ff. – überholende Kausalität  279 – Verbindung von commodum und periculum 290 – Verbraucherschutz  280 ff. – Verteilungsschlüssel  273, 275, 278, 283 f., 286 – Vertrauensgedanke  280 ff. – vindikationsrechtlicher Liquidationsschlüssel  275 ff., 278 – Wertersatz  80, 277 – Zufallsgefahr 279 Schenkung  134, 181–183, siehe auch Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs – Drittschadensliquidation, siehe dort – Vollstreckungsschutz, siehe dort Schuldrechtsdogmatik  20, 22, 25, 127, 148, 280 Schutzpflichten 224 Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs  169, 178 ff., 299, 309 – als Symmetriesatz  182 ff. – Begriff von „Unentgeltlichkeit“  180 – bei Gläubigeranfechtung  183 ff. – fraus omnia corrumpit  181 f.

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Sachregister

– fundamentalistische Rechtfertigung  180 – Gläubigeranfechtung  183 ff. – historische Begründung  178 ff. – kollusives Zusammenwirken  182 Staatsphilosophie 71 – bellum omnium contra omnes  71 Stellvertretendes Commodum  83 ff., 130, 139 ff., 143, 146 Stellvertretung  33, 36, 51, 53, 55 f., 64, 89–93, 101, 108, 111 f., 115, 131 f., 174, 294 – Abstraktion, siehe dort – als Wirkungszuständigkeit am rechtsgeschäftlichen Handeln  89–93 – Anrechnung und Ausschließung bei der  91 ff. – mittelbare  56, 131, 143, 160 Strikte Haftung  3 f., 98, 100, 190 ff., 254 Subjektive Pflicht – Arten der  27 ff.  – immanente 28 – logisch–komplementäre  28, 38 – reziproke 29 Subjektives Recht  22, 117, 291, 303 – absolutes  9, 12, 26, 30, 58, 117, 140 – am Verhalten anderer  29 ff. – Begriff und Entwicklung des  10 ff., 314 – Formallogik  20 ff. – Interessentheorie 196 – Kern (Inneres)  19, 23, 25, 41, 300–302 – Prinzip der Heterochiralität, siehe Symmetrie – relatives  9, 12, 26, 30 – Subjektbezug  11, 20, 40 f., 302 f. – subjektive Pflicht, siehe dort – subjektivrechtliche Befugnis  25, 38, 51 – Theorie der Vermögensbefugnis  61 – Trennung des absoluten und relativen  9, 12, 26, 30, 63, 117, 140 – Verhältnis zur Symmetrietheorie  39 ff., 300 ff. – Willenslehren, siehe dort Suum cuique tribuere  10, 12 ff., 313 Symmetrie – allgemeine Symmetrielehre  291 ff. – als Primärphänomen  46–48, 313 ff.

– als Sollensbefehl  44 f., 307 ff. – Antinomie von formaler und materialer Symmetrie  300 – bei modernen Versionstypen  182 ff., 185 ff. – Beständigkeit relativer Rechte gegen Gläubigerzugriffe  153 ff.  – formale (formgebundene)  87 ff., 300–302 – Formbezug der materialen Symmetrieverhältnisse 292 – Gerechtigkeit (Symmetriegerechtigkeit)  190, 201–205, 217, 298 f. – Heterochiralität  36–38, 67, 293 ff. – Komplementarität  36 ff., 62, 67, 68, 73 ff., 88, 92, 96, 105, 121 f., 239, 244, 293 f., 296, 301, 305, 307 f. – Konzentration  36, 38, 40, 67–72, 79 f., 88, 92, 99, 105 f., 121–123, 126, 152, 172, 224, 227, 236 f., 239, 244 f. 251, 262, 293 f., 296, 301, 305, 308, 314 – Liquidationsbefugnis bei Drittschäden  185, 297 – Logik des materialen Symmetrie­ schlusses  297 ff. – materiale  63 f., 113 ff., 124, 145 ff., 164 ff., 182 ff., 185 ff., 205 ff., 219 ff., 225 ff., 234, 239, 292, 297, 298, 299 ff., 314 – Ordnungswirksamkeit  2 ff., 64 f., 114, 185, 213 ff., 221 ff., 227 ff. – prinzipielle  7–9, 44 f., 307 ff. – qualifizierte binäre Relation  121 – Rechtfertigungszwang, Rechtfertigungsdruck (für Asymmetrien)  146, 150 f., 165, 166 ff., 239, 251–258, 285 ff., 299 – regelförmige 7 – rhetorische  3–5, 205 – Rückkopplung zur Formteleologie  299 – Symmetriebefehl  65, 312 – Symmetriebildung  38, 63 f., 176, 297 ff. – Symmetrieglieder  34 ff., 87, 93, 105 – Symmetriemuster, Symmetrierelationen  34 ff., siehe auch Konzentration, Komplementarität, Heterochiralität – Symmetrieobjekte  34, 36, 300

Sachregister

– Symmetrieordnung der Formen  87 ff., 292, 315 – Symmetrietheorie  9, 32, 42 – Symmetriezwänge  79, 257, 275 – topische (Symmetrietopik)  5 –7, 33, 96 ff., 124, 169, 189, 192 ff., 206 ff., 219 ff., 225 ff., 235–237, 263, 265, 269, 298, 309, 314 – tripolare Relation  121–124, 172 f., 300–302 – und Schenkungsanfechtung  186, 298 – unvollkommene 38 – vierstellige Semantik  296, siehe auch Heterochiralität – vollkommene  38, siehe auch Heterochiralität – vorläufige Phänomenologie  2–8 Systemtheorie  41, 302 Theorie der Erlaubnisnorm  21 Theorie der Normsetzungsbefugnis  21 Traditionsprinzip  139, 151, 246–249, 251 f., 295 Treuhand  27, 42 ff., 52, 57, 95, 114 ff., 130 ff., 141, 152 ff., 170 ff., 242 f., 254, 291, 297, 300, 304 ff. – Außenwirkungen  42, 115, 152 f., 172, 180 – fiduziarische Pflichtenbindung  43 – Handeln für fremde Rechnung  43, 132, 145, 162 f. – -paradox, das  43, 162–164, siehe auch relative Befugnis – trust doctrine  114, 147, 159 – Überschuss an Rechtsmacht  43 – Weisungsmacht 43 Umverteilung  138, 161 Ungerechtfertigte Bereicherung  83, 102, 167, 178 f., 201 Unmittelbarkeitsprinzip – im Bereicherungsrecht  76, 83 – im Vollstreckungsrecht  155–158, 160 ff., 173 ff. Utilitarismus  19, 41 Utilitätsprinzip 7

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Verbraucherrecht  281, 282, 285 – Fernabsatz  243, 252 – Widerruf, siehe dort Verkehrspflichten  71, 97, 188 f., 217 ff., 298 – Aufsichts- und Organisations­ pflichten 227 – gesetzliche Wurzeln  219 f. – heimliche Gefährdungshaftung  222 – Kriterien der Pflichtbegründung  220 – symmetrietopische Begründung  205, 219 ff. Vermögensberechtigung  25–27, 61–63, 71, 166 Vermögensvorteil  215, 298 Vernunftrecht  13, 89, 102 Verschulden  3 f., 78, 97 f., 205, 207, 208, 210, 225, 228, 235, 277, 282 Verschuldensgrundsatz  207, 221 Verschuldenshaftung  190, 211 f., 217 ff. – Verhältnis zur Gefährdungshaftung  217 ff. – Verkehrspflichten, siehe dort Versendungskauf, siehe Kaufvertrag Versionsklage  176, 178, 230 Verteilungsordnung  49 ff., 59, 63, 99, 113 f., 124, 128, 148 f., 165, 173, 176 f., 186, 230, 239, 276 ff., 284, 292 ff., 307 ff. – dynamische  239 ff. – formale  51 f., 113, 114 ff., 124, 148, 176, 297 – materiale 52 – statische  49 ff. Vertragsordnung  58, 239, 241, 249, 296, 310 – Aufgaben des dispositiven Rechts  241 – symmetrische Deutung (der Vertragstypen)  241 f. – Typenkatalog 241 Verwendungsersatz, siehe Eigen­t ümerBesitzer-Verhältnis Vindikationsfolgenrecht, siehe Eigen­ tümer-Besitzer-Verhältnis Vollstreckungsrecht  59, 125, 140, 153 ff., 166 – Vermögensbegriff 58 – vollstreckungsrechtlicher Drittschutz, siehe dort

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Sachregister

Vollstreckungsrechtlicher Drittschutz  125, 153 ff., 176, 309 – als materiale Symmetrie  164 ff. – Ander- und Treuhandkonten  157 – Anvertrautsein  159, 163 – Bedeutung des Ausfallrisikos  170 – Bestimmtheit 161 – das „die Veräußerung hindernde Recht“  60 f., 154 – Doppelsträngigkeit des Treugeber­ privilegs 161 – Nürnberger Kommission zum ADHGB 170 – Offenkundigkeit  161 f. – par conditio creditorum  166, 183 – Preußische AGO von 1793  171, 300 – Preußische Konkursordnung  154 – Rechtfertigungsdefizit bei hypothetischer Asymmetrie  173 ff. – Treuhandparadox, siehe Treuhand – Treuhandprivileg  155, 165 f., 172 f. – Unmittelbarkeitsdoktrin  155, 157 f., 160 – unwiederbringlicher Drittnachteil  169 ff. – Verschaffungsanspruch 156 Vorteil  1 ff., 19, 22, 33 ff., 47, 51 ff., 61 ff., 84 ff., 93 ff., 113, 121 ff., 140 ff., 158, 169, 186, 194 ff., 215 f., 225 ff., 244 f., 256, 264, 269, 273, 283, 288, 290, 292 ff., 305 ff., 314

– als Symmetrieglied, siehe Symmetrie Widerrufsrecht (Widerruf)  274, 286 f. Willenslehren  17, 19, 28, 68, 89 Wirtschaftliches Eigentum, siehe relative Befugnis Zufallsgefahr  74, 172, 252, 278 ff., 285 f., 293 Zurechnung  33, 96 f., 102, 141, 188 Zuständigkeit, siehe Rechtszuständigkeit Zuweisung  23 f., 27, 32 f., 34 f., 37, 49, 57, 60 f., 68 f., 75, 80, 93 f., 96, 104 f., 110, 113, 140, 143, 150, 152, 192, 236, 242, 262 f., 270 f., 286, 294, 302 – als Kern des subjektiven Rechts  23, siehe auch subjektive Rechte  – dingbezogene, dinghafte  25, 33, 60, 74 f., 80, 140 – Fruchtzuweisung  37, 247, 293 – Güter  115, 309 – verhaltensbezogene  33, 91–112, 259 ff., 294 – von Risiken, Wagniszuweisung  34, 69, 191 ff., 220, 234–237, 264 ff. – von Vorteilen  5, 22, 144 Zuweisungsgehaltstheorie  23–27, 32, 34, 57, 73, 82 f.