Die Strafbarkeit von Geschäftsleitern nach § 54a KWG: Zugleich ein Beitrag zur strafrechtlichen Behandlung von Bankenkrisen [1 ed.] 9783428552368, 9783428152360

Die Empörung über das Geschäftsgebaren zahlreicher Finanzakteure war groß, als vor rund zehn Jahren das Ausmaß der Finan

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German Pages 426 Year 2017

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Die Strafbarkeit von Geschäftsleitern nach § 54a KWG: Zugleich ein Beitrag zur strafrechtlichen Behandlung von Bankenkrisen [1 ed.]
 9783428552368, 9783428152360

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Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Band 68

Die Strafbarkeit von Geschäftsleitern nach § 54a KWG Zugleich ein Beitrag zur strafrechtlichen Behandlung von Bankenkrisen

Von Leonhard Gehlen

Duncker & Humblot · Berlin

LEONHARD GEHLEN

Die Strafbarkeit von Geschäftsleitern nach § 54a KWG

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von C l a u s K r e ß, M i c h a e l Ku bi c i e l C o r n e l iu s Ne s t l e r, F r a n k Ne u b a c h e r M a r t i n Wa ßm e r, T h o m a s We i g e n d , B e t t i n a We i ß e r Professoren an der Universität zu Köln

Band 68

Die Strafbarkeit von Geschäftsleitern nach § 54a KWG Zugleich ein Beitrag zur strafrechtlichen Behandlung von Bankenkrisen

Von Leonhard Gehlen

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 0936-2711 ISBN 978-3-428-15236-0 (Print) ISBN 978-3-428-55236-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85236-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen und sie mit dem Promotionspreis 2017 der Fakultät ausgezeichnet. Rechtsprechung und Literatur konnten für die Drucklegung bis einschließlich November 2016 berücksichtigt werden. Zuvörderst danke ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel. Er gab nicht nur den entscheidenden Impuls bei der Themensuche, sondern war mir während der gesamten Promotionszeit ein ebenso verlässlicher wie kritischer Ansprechpartner. Dank gebührt daneben der Zweitgutachterin Frau Professor Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb. Die Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl sind für mich in fachlicher und persönlicher Hinsicht von unschätzbarem Wert. Die wissenschaftliche Förderung, die ich durch sie erfahren habe, hat entscheidend zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Bei den Herausgebern bedanke ich mich für die Aufnahme meiner Dissertation in die Reihe „Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften“. Aufgrund einer engen Verbundenheit mit der Universität zu Köln ist es mir eine besondere Ehre und Freude, in einer Schriftenreihe meiner Heimatuniversität publizieren zu dürfen. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, die mich während meiner gesamten Ausbildung unterstützt und mir in schwierigen Phasen Rückhalt gegeben hat. Ganz besonderer Dank gebührt dabei zum einen meinem Vater Hermann-Josef Gehlen für die kritische Durchsicht des Manuskripts, zum anderen meiner Freundin Laura Hemmer, die mir nicht nur in der Sache, sondern insbesondere auch in persönlicher Hinsicht jederzeit unterstützend zur Seite stand. Schließlich noch danke ich meinem ehemaligen Kollegen Dr. Peter Tettinger. Die stets hilfreichen Diskussionen mit ihm haben mir vor Augen geführt, welche Fähigkeiten einen guten Juristen ausmachen: sichere Methodik, ein kritischer Geist, logisches Denken und sprachliche Präzision. In der Hoffnung, dass der Leser hiervon in der Arbeit einiges wiederfinden möge, wünsche ich eine anregende und bereichernde Lektüre! Köln, im April 2017

Leonhard Gehlen

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Kapitel 1 Regelungshintergrund des § 54a KWG

33

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die Finanzkrise – Ursachen, Verlauf, Verantwortlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Die Aufarbeitung der Finanzkrise durch die deutsche Strafjustiz . . . . . . . . . . . . 63 B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Strukturelle Unzulänglichkeiten der existierenden Straftatbestände . . . . . . . . . . 81 II. Kapitulation des Strafrechts vor der Komplexität der Finanzbranche? . . . . . . . . 152 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Kapitel 2 Untersuchung des § 54a KWG

156

A. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 B. Intendierter Rechtsgüterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Sicherung der anvertrauten Vermögensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Schutz der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . 160 III. Schutz der Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 IV. Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

8

Inhaltsübersicht

C. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Tatverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 IV. Kausalzusammenhang zwischen Tatverhalten und Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . 287 V. Vorsatz und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 D. Eignung des Tatbestandes hinsichtlich des angestrebten Rechtsgüterschutzes . . . . . . . 311 I. Rechtsgüterschutz bei unterstellter Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Schutz des Bankenaufsichtswesens nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG? . . 315 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 E. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Angemessenheit des Strafrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Strafzumessungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 F. Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 I. Verhältnis zur Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 II. Verhältnis zum Bankrott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 H. Zu erwartende Praxisrelevanz – Repression, Prävention oder reine Symbolik? . . . . . . 331 I. Eignung des § 54a KWG zu repressiven Zwecken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Eignung des § 54a KWG zu präventiven Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 III. § 54a KWG als symbolisches Strafrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 I. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. § 54a KWG als Beispiel für Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. § 54a Abs. 3 KWG und die Rolle der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

Inhaltsübersicht

9

III. § 54a KWG als dem Gesetzgeber gelegene funktionierende Fehlkonstruktion . . 355 J. Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Kapitel 3 Perspektiven de lege ferenda

363

A. Begrenzte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Risikomanagementpflichten als Bezugspunkt des § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Beibehaltung der Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . 368 I. Der naheliegende Rückgriff auf das Bankrottstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 II. Fortbestehende Privilegierung der Verantwortlichen systemrelevanter Banken . 369 III. Notwendigkeit einer Vorverlagerung des Taterfolges gegenüber § 283 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 IV. Weitere Leitlinien für einen zu schaffenden Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . 384 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 C. Abhängigkeit des Anpassungsbedarfs im Strafrecht von vorgefundenen äußeren Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Kapitel 1 Regelungshintergrund des § 54a KWG

33

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die Finanzkrise – Ursachen, Verlauf, Verantwortlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Ursachen der Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Massenhafte Kreditvergabe auf dem US-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 aa) Liquiditätsschwemme infolge US-amerikanischer Niedrigzinspolitik . . 34 bb) Non-recourse loans, Anreizstrukturen und Überbeleihung . . . . . . . . . . . 35 cc) Eigenheim für alle – Bonität als untergeordnetes Kriterium der Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Verbriefungen und die Brücke über den Atlantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 aa) Verbriefung und Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 bb) Vermeintliche Transparenz und Sicherheit durch Ratings . . . . . . . . . . . . 43 cc) Fristentransformationsmodelle und deutsche (Landes-)Banken . . . . . . . 45 dd) Verbriefungsmarkt als Motor weiterer Kreditvergaben . . . . . . . . . . . . . . 47 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Aufsichts- und Aufsichtsrechtsversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Verlauf der Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Platzen der US-Immobilienblase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Vertrauensverlust und gescheiterte Fristentransformationen . . . . . . . . . . . . . 53 c) Banken weltweit in Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) Lehman Brothers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 e) Kosten der Bankenrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Systemfehler und individuelle Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Finanzkrise als Ergebnis eines anonymen Systemfehlers? . . . . . . . . . . . . . . 58

12

Inhaltsverzeichnis b) Finanzkrise als von Menschenhand verursachte Krise? . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c) Frage der Gewichtung, nicht der Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Die Aufarbeitung der Finanzkrise durch die deutsche Strafjustiz . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Vorüberlegung: Marktwirtschaft und staatliche Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . 64 a) Intensität staatlicher Einflussnahme auf die Wirtschaft im Wandel der Zeit

64

b) Was gerade Strafrecht im wirtschaftlichen Kontext leisten kann und soll . . . 66 aa) Strafrecht als klassisches Mittel der Repression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Strafrecht als ein Mittel der Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (1) Strafrecht als in Konkurrenz stehendes, expandierendes Mittel der Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (2) Praktische Auswirkungen expandierenden Strafrechts . . . . . . . . . . . 70 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Was Strafrecht nicht leisten kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Abgeschlossene und laufende Strafverfahren – eine Auswahl . . . . . . . . . . . . . . 73 a) HSH Nordbank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) LBBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 c) Hypo Real Estate Holding AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) IKB Deutsche Industriebank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 e) BayernLB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Weitgehende Ergebnislosigkeit trotz Empörung und hohen Aufwands . . . . . . . 78 B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Strukturelle Unzulänglichkeiten der existierenden Straftatbestände . . . . . . . . . . . . 81 1. Untreue, § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) § 266 StGB als akzessorischer, restriktiv anzuwendender Straftatbestand . . 84 aa) Akzessorietät und tatbestandliche Weite des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . 85 (1) Überschreiten des Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Eingehen übermäßiger, gegebenenfalls existenzgefährdender Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (3) Versäumnisse im Bereich des Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . . 93 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Verfassungsrechtliches Gebot einschränkender Auslegung . . . . . . . . . . . 96 (1) Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und verbleibende Unsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (2) Bedeutung für den Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) § 266 StGB als Verletzungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Feststellung des Vermögensnachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Nachweisschwierigkeiten und Verschleifungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Mittelbare Kausalität und Unmittelbarkeit des Vermögensnachteils . . . . 107

Inhaltsverzeichnis

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dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) § 266 StGB als Vorsatzdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Besondere Anforderungen an den Vorsatznachweis? . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Bezugspunkte und offene Fragen des Untreuevorsatzes . . . . . . . . . . . . . 110 (1) Vorsatz bezüglich des Pflichtenverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (2) Vorsatz bezüglich des Vermögensnachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Untreuevorsatz und Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 d) § 266 StGB als rein vermögensschützende Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Begrenzung möglicher Tatverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Begrenzter Unwertgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Bankrott, § 283 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) § 283 StGB als gläubiger-, ggf. kollektivrechtsgüterschützende Norm . . . . . 126 aa) Kollektivrechtsgüterschutz durch § 283 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems als Strafzumessungsaspekt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) § 283 Abs. 2 StGB als Pönalisierung einer Krisenverursachung . . . . . . . . . . 130 aa) Tatverhalten der Bankrotthandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (a) Verlust- und Spekulationsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (b) Geschäfte entgegen den Anforderungen ordnungsgemäßen Wirtschaftens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Herbeiführen einer Unternehmenskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Flexibilität durch Fahrlässigkeitsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) § 283 Abs. 6 StGB und staatliche Bankenrettungen – ein Problemfall . . . . . 144 aa) Staatliche Bankenrettung als faktisches Privileg für gewisse Bankverantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) § 283 Abs. 6 StGB als unüberwindbare Hürde de lege lata . . . . . . . . . . 145 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Anzeigepflichtverletzung, § 55 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Bilanzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Kapitulation des Strafrechts vor der Komplexität der Finanzbranche? . . . . . . . . . 152 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Untersuchung des § 54a KWG

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A. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 B. Intendierter Rechtsgüterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Sicherung der anvertrauten Vermögensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Schutz der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Schutz der Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 IV. Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. § 54a KWG als Sonderdelikt für Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Bedeutung der Systemrelevanz des Instituts für den Adressatenkreis? . . . . . . . 166 a) Keine Einschränkung durch den Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Ausgemachte Unstimmigkeiten und Vorschlag einer teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Der schillernde Begriff der Systemrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Keine teleologische Reduktion des Adressatenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Gesetzgeberischer Wille bezüglich des Adressatenkreises . . . . . . . . . . . 175 (1) Ziele des § 54a KWG laut Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Systemrelevanz in der Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (3) Anhaltspunkte außerhalb der Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Zwischenergebnis zum Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Tatverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Verwaltungsrechtsakzessorischer § 54a Abs. 1 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Erhebung in Gesetzesrang weitgehend bereits zuvor bestehender Risikomanagementpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Bestimmtheitserfordernis und prinzipienorientiertes Aufsichtsrecht – ein Spannungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Verwaltungsrechtsakzessorietät als Einfallstor für unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Anforderungen an die Bestimmtheit eines Strafgesetzes . . . . . . . . . . . . 186 cc) § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als prinzipienorientiertes Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 dd) Unbestimmtheit der Vorgaben in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG . . . 191 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

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c) Verhaltensumschreibung des „nicht Sorge tragen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) „Nicht Sorge tragen“ als Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) „Nicht Sorge tragen“ keine Pflicht zur Erfolgsabwendung . . . . . . . . . . . 196 cc) „Nicht Sorge tragen“ als Förderung der Bestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Ergänzung durch den verwaltungsaktsakzessorischen § 54a Abs. 3 KWG . . . . 199 a) Dogmatische Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) § 54a Abs. 3 KWG als Strafausschließungsgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) § 54a Abs. 3 KWG als objektive Bedingung der Strafbarkeit? . . . . . . . . 201 cc) § 54a Abs. 3 KWG als Teil des objektiven Tatbestandes . . . . . . . . . . . . 202 b) § 54a Abs. 3 KWG und das Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Etwaige Förderung der Bestimmtheit durch § 54a Abs. 3 KWG . . . . . . 204 (1) Fortbestehende Unbestimmtheit des Tatbestandes trotz § 54a Abs. 3 KWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (2) Ausräumung der Bestimmtheitsbedenken durch § 54a Abs. 3 KWG? 205 (3) Bestimmtheit allein hinsichtlich Straffreiheit genügt nicht Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Zwischenschaltung der BaFin und Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) § 54a Abs. 3 KWG als verwaltungsaktsakzessorischer Blanketttatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Verwaltungsaktsakzessorisches Strafrecht und Gesetzlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Wahrung des Gesetzesvorbehaltes durch § 54a Abs. 3 KWG . . . . . . 213 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) § 54a Abs. 3 KWG und das Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Informationsgewinnung als Voraussetzung behördlichen Handelns . . . . 216 bb) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (1) Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Etwaige Auswirkungen der Rechtswidrigkeit einer Anordnung der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG – Vollziehbarkeit der Anordnung 219 (2) Rechtswidrige Verwaltungsakte im verwaltungsaktsakzessorischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (3) Limitierte Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG . . . . . . . . . 223 (a) Materiell rechtswidrige Anordnung der BaFin mangels Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (b) Rechtswidrige Anordnung der BaFin aus anderen Gründen . . . . 224 (4) Bedenkliche Konsequenzen der zweigliedrigen Tatbestandsstruktur des § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

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Inhaltsverzeichnis (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 d) § 54a Abs. 3 KWG und der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) . . . 228 aa) SSM – eine Zäsur in der Architektur der Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . 228 bb) Bedeutung des SSM für § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 cc) Der EZB durch den SSM übertragene Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 dd) Richtlinienbezug des § 25c Abs. 4a–4c KWG – ein Grenzfall . . . . . . . . 233 (1) Argumente gegen eine Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Argumente für eine Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (a) Richtlinienbezug der Vorgaben in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (b) Richtlinienbezug des § 25c Abs. 4c KWG und Anordnungsbefugnis der EZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 ee) Auswirkungen bei Annahme einer Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . . 238 (1) Folgen für § 54a KWG im Falle einer Anordnungsbefugnis der EZB 239 (2) Fortbestehende Anordnungsbefugnis der BaFin gemäß § 25c Abs. 4c KWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (a) Aufforderung der BaFin durch die EZB über Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 SSM-VO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (b) Anordnungsverlangen der EZB an die BaFin über Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 SSM-VO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (c) „Teilzuständigkeit“ der BaFin für strafrechtlichen Teil der Anordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 ff) Auswirkungen bei Verneinung einer Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . 245 gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 e) Zwischenergebnis zu § 54a Abs. 3 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Relevanz interner Zuständigkeitsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Begriffsklärung: Gesamtverantwortung und Ressortverteilung . . . . . . . . . . . 249 b) Unbeachtlichkeit interner Zuständigkeitsverteilungen laut Regierungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Wortlaut und Entwurfsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Geäußerte verfassungsrechtliche und praktische Bedenken . . . . . . . . . . 252 c) Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Wortlautänderungen und Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG . . . . . . . . . 254 bb) Bisherige Folgerungen aus den Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 d) Beachtlichkeit interner Zuständigkeitsverteilungen in verabschiedeter Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Vorzugswürdigkeit einer Beachtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Möglichkeit der Annahme einer Beachtlichkeit de lege lata . . . . . . . . . . 258 e) Die Verhaltensanforderungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

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f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Begriff und Feststellung der Bestandsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Rechtslage bei Schaffung des § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 aa) Der Begriff der Bestandsgefährdung gem. §§ 48b, 48o KWG a.F. . . . . . 264 bb) Bestimmtheitsbedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 cc) Bedeutung einer Beurteilung durch die BaFin gemäß § 48b Abs. 3 KWG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 dd) Bedeutung der Vermutungen des § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. . . . . . . . . 268 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Auswirkungen neuer Sanierungs- und Abwicklungsregeln seit dem 1. 1. 2015 271 aa) Sanierungs- und Abwicklungsregeln im Wandel – SRM, BRRD, SAG 271 bb) Wegfall der §§ 48b, 48o KWG a.F. und Schaffung des SAG . . . . . . . . . 272 cc) Herkunft und Entwicklung der §§ 48b, 48o KWG a.F. sowie der Neuregelungen im SAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 dd) Erfordernis einer strafrechtsautonomen Begriffsbestimmung in § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 ee) Fortbestehende Schwierigkeiten unter Geltung des Art. 18 SRM-VO

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c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. § 54a KWG zwischen abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt? . . . . . . . 281 a) Bestandsgefahr als konkrete Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) § 54a KWG als abstraktes Gefährdungsdelikt laut Gesetzgeber . . . . . . . . . . 282 c) § 54a KWG als Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d) § 54a KWG als rein konkretes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 e) § 54a KWG als (Gefährdungs-)Erfolgsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 IV. Kausalzusammenhang zwischen Tatverhalten und Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Anforderungen an die Kausalität nach § 54a Abs. 1 und Abs. 3 KWG . . . . . . . 288 2. Nachweisschwierigkeiten derart mittelbarer Kausalbeziehungen . . . . . . . . . . . . 289 3. Erleichterung des Kausalitätsnachweises? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4. Verhältnis der Kausalitätsbeziehungen aus § 54a Abs. 1 und Abs. 3 KWG . . . . 295 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 V. Vorsatz und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Vorsätzlicher Verstoß gegen Risikomanagementpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2. Vorsätzliches oder fahrlässiges Herbeiführen der Bestandsgefährdung . . . . . . . 302 a) Vorsätzliches Herbeiführen der Bestandsgefährdung, § 54a Abs. 1, Abs. 3 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, § 54a Abs. 2 KWG . . . . . . . . . . . . . . 305 aa) Fahrlässiges Herbeiführen der Bestandsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Vorzugswürdigkeit einer Beschränkung auf Leichtfertigkeit . . . . . . . . . 306

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Inhaltsverzeichnis cc) § 54a Abs. 2 KWG – Drastische Erweiterung der Strafbarkeit oder überflüssige Vorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 dd) § 54a Abs. 2 KWG als strafrechtsdogmatisches Novum? . . . . . . . . . . . . 310 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

D. Eignung des Tatbestandes hinsichtlich des angestrebten Rechtsgüterschutzes . . . . . . . 311 I. Rechtsgüterschutz bei unterstellter Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Schutz des Bankenaufsichtswesens nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG? . . . 315 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 E. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Angemessenheit des Strafrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Strafzumessungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Auswirkungen der Bestandsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. Pflichtenkreis des Täters vor Erlass der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 F. Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 I. Verhältnis zur Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Konkurrenzverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Verdrängungswirkungen des § 54a KWG gegenüber § 266 StGB? . . . . . . . . . . 327 3. Hilfreiche Rückwirkungen des § 54a KWG auf den Untreuenachweis? . . . . . . 328 II. Verhältnis zum Bankrott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 H. Zu erwartende Praxisrelevanz – Repression, Prävention oder reine Symbolik? . . . . . . 331 I. Eignung des § 54a KWG zu repressiven Zwecken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 1. Aufsichtsrechtliche Alternativen zu einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG 332 2. Befolgung der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3. Einstellungen und Verständigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 II. Eignung des § 54a KWG zu präventiven Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Negative Generalprävention durch § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 2. Anordnungsbefolgung zur Vermeidung von Ermittlungs- und Strafverfahren 338 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 III. § 54a KWG als symbolisches Strafrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 I. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. § 54a KWG als Beispiel für Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 1. Berechenbarkeit des Strafrechts und Hochfrequenz-Reform der Bankenregulierung – ein erstes Spannungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

Inhaltsverzeichnis

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2. Nationales Strafrecht und Europäisierung der Bankenregulierung – ein zweites Spannungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 II. § 54a Abs. 3 KWG und die Rolle der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 1. Befolgung der Anordnung als safe harbour aus strafrechtlicher Sicht . . . . . . . . 350 2. Bedenkliche Aufrüstung der Aufsichtsbehörde – § 54a KWG als Zweckverfehlung des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III. § 54a KWG als dem Gesetzgeber gelegene funktionierende Fehlkonstruktion . . . 355 J. Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Kapitel 3 Perspektiven de lege ferenda

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A. Begrenzte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Risikomanagementpflichten als Bezugspunkt des § 54a KWG . . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Beibehaltung der Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 1. Vorteile durch Streichung des § 54a Abs. 1 KWG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 2. Vorteile durch Verzicht auf einen Taterfolg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . 368 I. Der naheliegende Rückgriff auf das Bankrottstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 II. Fortbestehende Privilegierung der Verantwortlichen systemrelevanter Banken . . . 369 1. Versuche einer Zurückdrängung impliziter Staatsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Fortbestehende Privilegierung anderen Ursprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 III. Notwendigkeit einer Vorverlagerung des Taterfolges gegenüber § 283 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 1. Anknüpfung an die Abwendung des Gangs in die reguläre Insolvenz? . . . . . . . 376 2. Anknüpfung an die Bestandsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 3. Systemrelevanz als Rechtfertigung einer vorverlagerten Strafbarkeit . . . . . . . . 378 4. Bestandsgefährdung und Systemrelevanz: Bekannte Schwierigkeiten, alternativer Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 IV. Weitere Leitlinien für einen zu schaffenden Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Geschäftstätigkeit als Anknüpfung für das Tatverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 3. Vorsatz- und Fahrlässigkeitsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 4. Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 5. Verortung im KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

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Inhaltsverzeichnis V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

C. Abhängigkeit des Anpassungsbedarfs im Strafrecht von vorgefundenen äußeren Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abb. ABCP ABl. ABS Abs. a.E. ÄndRL AEUV a.F. AG AktG allg. Alt. Anm. Art. AT BaFin BB BDI ber. Bespr. BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BilMoG BIZ BKR BR BRRD BT Buchst.

andere Ansicht am angegebenen Ort Abbildung Asset Backed Commercial Paper Amtsblatt Asset Backed Security Absatz am Ende Änderungsrichtlinie Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz allgemein, allgemeine Alternative Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BetriebsBerater (Zeitschrift) Bundesverband der Deutschen Industrie berichtigt Besprechung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesrat Bank Recovery and Resolution Directive (Bankensanierungs- und -abwicklungsrichtlinie) Bundestag Buchstabe

22 BVerfG BVerfGE bzw. ca. CB CCZ CDO CDS CG CLO CRD CRR DAR DAV DB ders. d. h. dies. DJT Drs. EBA ebd. ECB et al. EU EUV EuZW EZB f., ff. FAZ FG FinDAG FMSA FMStFG FMStG Fn. FS FSB GA gem. GG ggf.

Abkürzungsverzeichnis Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Compliance Berater (Zeitschrift) Corporate Compliance Zeitschrift Collateralized Debt Obligation Credit Default Swap Corporate Governance Collateralized Loan Obligation Credit Requirements Directive Credit Requirements Regulation Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Deutscher Anwaltverein Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe das heißt dieselbe Deutscher Juristentag Drucksache European Banking Authority (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) ebenda European Central Bank et alii/et aliae Europäische Union Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Zentralbank folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Festschrift Financial Stability Board Goltdammer‘s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) gemäß Grundgesetz gegebenenfalls

Abkürzungsverzeichnis GmbH GmbHG GVG GWR HdB HGAA HGB HRE HRRS Hrsg. hrsg. i. d. F. i. d. R. i.E. i. e.S. IMF InsO InstitutsVergV i.R.d. i.S.v. i.V.m. i.w.S. JA jew. JR JST JURA JuS JZ Kap. KO KPKp KredReorgG krit. KSzW KWG LFBG LG LTO MaRisk MBS MDR

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Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Handbuch Hypo Group Alpe Adria Handelsgesetzbuch Hypo Real Estate Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Herausgeber herausgegeben in der Fassung in der Regel im Ergebnis im engeren Sinne International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds) Insolvenzordnung Institutsvergütungsverordnung im Rahmen des/der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) jeweils Juristische Rundschau (Zeitschrift) Joint Supervisory Team Jura (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kapitel Konkursordnung Kölner Papiere zur Kriminalpolitik Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz kritisch Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Kreditwesengesetz Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht Legal Tribune Online (Online-Rechtsmagazin) BaFin-Rundschreiben zu Mindestanforderungen an das Risikomanagement Mortgage Backed Security Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

24 Mio. Mrd. m.w.N. n.F. NJW NJW-RR NJW-Spezial Nr. NStZ NStZ-RR NZG OLG OStA OWiG plc Prot. RegE RGSt Rn. S. s.a. SIV s. o. SoFFin sog. SPV SRB SRM SSM StGB StPO StraFo st. Rspr. StV s. u. u. a. UAbs. UmsG Urt. USA v.

Abkürzungsverzeichnis Millionen Milliarden mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Neue Juristische Wochenschrift Spezial Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Oberstaatsanwalt Gesetz über Ordnungswidrigkeiten public limited company Protokoll Regierungsentwurf Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Satz, Seite siehe auch Structured Investment Vehicle siehe oben Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung sogenannt (e/r/en/es) Special Purpose Vehicle Single Resolution Board Single Resolution Mechanism (Einheitlicher europäischer Bankenabwicklungsmechanismus) Single Supervisory Mechanism (Einheitlicher europäischer Bankenaufsichtsmechanismus) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger-Forum (Zeitschrift) ständige Rechtsprechung Strafverteidiger (Zeitschrift) siehe unten unter anderem Unterabsatz Umsetzungsgesetz Urteil Vereinigte Staaten von Amerika von/vom

Abkürzungsverzeichnis v. a. VAG Verf. vgl. VO Vorbem. VwGO VwVfG WiJ wistra WM WpHG ZAG z.B. ZBB zfbf ZGR ZHR ZIP ZIS ZJS ZRP ZStW zul. zul. abg. ZVglRWiss ZWH

vor allem Versicherungsaufsichtsgesetz Verfasser vergleiche Verordnung Vorbemerkung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Gesetz über den Wertpapierhandel Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zuletzt zuletzt abgerufen Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen

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Einleitung „Es bestehen unzureichende Möglichkeiten, Geschäftsleiter von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn das Institut bzw. das Versicherungsunternehmen durch Missmanagement in eine Schieflage geraten ist. Die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts setzen in ihrem Schutzzweck und dem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte. Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzem auf dem Spiel steht, werden nicht bewehrt.“1

Diese 2013 von der damaligen Bundesregierung ausgemachte Lücke sollte für den Bankensektor durch Schaffung einer Strafvorschrift geschlossen werden. In Gestalt des § 54a KWG trat eine solche am 2. 1. 2014 in Kraft. Sie wurde durch das weithin und auch im Folgenden als „Trennbankengesetz“ bezeichnete Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen geschaffen.2 Dieses Gesetz stellt eine der zahlreichen Reaktionen auf die vergangene Finanzkrise dar, welche im Sommer 2007 als US-Immobilienkrise begann und sich binnen kürzester Zeit zu einer globalen Banken- und Finanzkrise ausweitete.3 Selbstredend kann § 54a KWG aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzips des Art. 103 Abs. 2 GG nicht der Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise dienen. Sie und die Erfahrungen, die man im Zuge ihrer auch strafrechtlichen Aufarbeitung gemacht hat, waren für den Gesetzgeber jedoch der Anlass, der ihn zur Schaffung dieser neuen Strafvorschrift bewogen hat. Vereinfacht gesprochen soll § 54a KWG Verstöße von Geschäftsleitern gegen Risikomanagementpflichten strafrechtlich bewehren, wenn durch einen derartigen Verstoß eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts herbeigeführt wird.4 Eine Strafbarkeit ist 1

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2. Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7. August 2013, BGBl. I S. 3090 ff. § 54a KWG wurde durch dessen Art. 3 eingeführt. Durch Art. 4 desselben Gesetzes wurde mit § 142 VAG eine weitgehend parallele Vorschrift für den Versicherungssektor eingeführt. Diese Vorschrift ist jedoch im Zuge der Reform des VAG zum 1. Januar 2016 entfallen. Die hiesige Untersuchung bezieht sich lediglich auf § 54a KWG. Eine Vielzahl der nachfolgend angestellten Überlegungen ist aber auf die vormals existierende Parallelvorschrift des § 142 VAG a.F. übertragbar. 3 Diese soll im Folgenden gemeint sein, wenn von der Finanz- oder Bankenkrise die Rede ist. Hinsichtlich ihrer Ursachen und ihres Verlaufs s. im Folgenden S. 33 ff. sowie S. 52 ff. 4 Unter den Begriff des Instituts fallen nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1b KWG Kreditinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG und Finanzdienstleistungsinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1a 2

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Einleitung

allerdings nur möglich, wenn zugleich einer vollziehbaren Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuwidergehandelt wird, welche die Beseitigung des Verstoßes gegen die Risikomanagementpflichten zum Gegenstand hat (vgl. § 54a Abs. 3 KWG). In präventiver Hinsicht soll § 54a KWG Geschäftsleiter von Banken zur Vermeidung zukünftiger, durch Missstände im Risikomanagement verursachter Unternehmenskrisen anhalten; in repressiver Hinsicht sollen im Falle der Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch Unternehmenskrisen die individuell verantwortlichen Personen auf Managementebene haftbar gemacht werden.5 Viel wurde seit Ausbruch der Finanzkrise in der Presse über Verfehlungen der Banker und auch deren etwaige strafrechtliche Verantwortlichkeit berichtet.6 Insbesondere die im Nachgang der Finanzkrise angestrengten Strafverfahren gegen ehemalige Leiter zahlreicher Landesbanken haben ein großes mediales Echo erfahren. Obschon die Ursachen der Finanzkrise vielschichtig und alles andere als leicht zu durchdringen sind, schien die Öffentlichkeit die Schuldigen schon früh ausgemacht zu haben: Ihr Zorn richtete sich primär gegen Banken und deren Manager.7 Angesichts des erheblichen Einsatzes von Steuergeldern zur Rettung notleidender Banken und der zahlreichen Presseberichte, die Gier und Kontrollverlust der Banker beklagen, verwundert die weit verbreitete Empörung über das Gebaren der Finanzmarktakteure nicht. Ebenso wenig verwundert, dass auch der Ruf nach dem Strafrecht nicht ausblieb – er ist ein leichter und geht einher mit der Sehnsucht, die Krise zu personalisieren, ihr ein Gesicht zu geben.8 Die vergangene Finanzkrise bekam zwar spätestens durch Strafprozesse gegen ehemalige Bankvorstände wie Stefan Ortseifen (IKB Deutsche Industriebank AG), Georg Funke (Hypo Real Estate Holding AG), Werner Schmidt (BayernLB) und Dirk Jens Nonnenmacher (HSH Nordbank AG) das von vielen erhoffte Gesicht. Wer aber drakonische oder überhaupt nur Strafen erwartet hatte, wurde bisher weitgehend enttäuscht.9 Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 5. Oktober 2008 anlässlich der Schieflage der Hypo Real Estate und deren Stabilisierung mithilfe von Steuergeldern neben einer äußerst fragwürdigen Garantie für Spareinlagen zur Beschwichtigung KWG. Aus Vereinfachungsgründen soll im Folgenden für die vorstehenden Begriffe, soweit möglich, stellvertretend der Begriff des Instituts oder der Bank verwendet werden. 5 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. 6 Hierzu mit zahlreichen Nachweisen aus der Tagespresse Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142 f. 7 So auch die Beobachtung durch Schork/Groß, Bankstrafrecht, Vorwort; Krey, in: FS Roxin 2011, S. 1073, 1075. 8 Eine solche beobachtet etwa Trüg, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 290, 299. Mit zahlreichen Nachweisen zum Befund eines „Volkszorns, der nach Bestrafung ruft“ Brand, ZVglRWiss 113 (2014) 142, 143. Beise, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, S. 131, 132 meint, die Bürger würden nach einer juristischen Aufarbeitung „lechzen“. s.a. „Sehnsucht nach Sühne“, Der Spiegel, 5/2010, S. 64 ff. 9 Überblick zu einigen ausgewählten Strafverfahren unten S. 73 ff.

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der Bürger angekündigt, die Bundesregierung werde dafür sorgen, „dass diejenigen, die unverantwortliche Geschäfte gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden“10. Sollte sie dabei – was wahrscheinlich ist – auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinn gehabt haben, so ist ihre Ankündigung weitgehend verpufft. In den sich in den Folgejahren formierenden Chor der Enttäuschten stimmte im September 2012 auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein: Es sei „unbefriedigend“, dass die bisherige strafrechtliche Aufarbeitung der Finanzmarktkrise weitgehend fruchtlos geblieben sei, und er führte aus: „Wer seine Sorgfaltspflicht in einer Weise verletzt, die zu einer existenzbedrohenden Schieflage der Bank führt, der gefährdet eben nicht nur die Stabilität des Instituts selbst, sondern die Stabilität des gesamten Systems. Und damit sind dann Rechtsgüter betroffen, die einen hohen Wert für das Gemeinwohl haben. Zu deren Schutz die Allgemeinheit – also der Staat, die Steuerzahler – im Krisenfall einen hohen Preis zahlen muss. Und weil das so ist, muss auch das Strafrecht seinen Beitrag zum Schutz dieser Rechtsgüter leisten.“11

Diesen Beitrag soll insbesondere der rund ein Jahr später verabschiedete § 54a KWG leisten. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde ausdrücklich auch auf die Empörung in der Bevölkerung über das vermeintliche Fehlverhalten der Banker und die verspürte Not verwiesen, einem Wählerwunsch nach strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu entsprechen.12 Trotz der weit verbreiteten und in Teilen sicher berechtigten Empörung über das Geschäftsgebaren einzelner Banker im Vorfeld der Finanzkrise muss die Diskussion um eine etwaige Strafbarkeitslücke und – die Existenz einer solchen unterstellt – ihre verfassungsgemäße und zweckmäßige Ausfüllung aber sachlich geführt werden.13 In Anbetracht der skizzierten Umstände könnte man vermuten, die Einführung des § 54a KWG sei weitgehend auf Zustimmung gestoßen. Zumindest in der 10 Die gesamte Ansprache von Bundeskanzlerin Merkel ist im Wortlaut abrufbar unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/merkel-und-steinbrueck-im-wortlaut-die-spareinlagen-sind-si cher-a-582305.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 11 Abschlussvortrag von Bundesfinanzminister Schäuble im Saal der 17. Handelsblatt Jahrestagung in Frankfurt am Main am 5. September 2012, abrufbar unter http://www.bundesfi nanzministerium.de/Content/DE/Audio/Alternativtexte/2012 - 09 - 05-euroforum-alternativtext. html (zul. abg. 30. 11. 2016). 12 Verständnis für den in der Bevölkerung verbreiteten Ruf nach einer strafrechtlichen Verfolgung äußerte etwa der Bundestagsabgeordnete Sänger (FDP), BT-Plenarprotokoll 17/ 241, S. 30546 D. Der Bundestagsabgeordnete Brinkhaus (CDU/CSU) fragte in einer Sitzung des Finanzausschusses die Schaffung des § 54a KWG betreffend sichtlich empört, was er den Menschen in seinem Wahlkreis sagen solle. Er könne ihnen kaum sagen, dass es gut und richtig sei, dass jemand auch noch eine Abfindung erhalte, der eine Bank gegen die Wand fahre und der dafür verantwortlich sei, dass dreistellige Milliardenbeträge zur Bankenrettung eingesetzt werden müssten, was maßgeblich dazu beitrage, dass die Volkswirtschaft eine signifikante Rezession habe, vgl. Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 44. Zur Entwicklung eines sog. „Empörungsstrafrechts“ Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, in: FS Heintschel-Heinegg 2015, S. 275 ff. 13 Davor, dass das Strafrecht (auch) im hiesigen Kontext nicht zum willfährigen Vehikel eines Volkszorns gemacht werden darf, warnt zu Recht Kasiske, Leviathan 2011, 519, 521.

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Einleitung

strafrechtlichen Diskussion ist jedoch das Gegenteil der Fall. Die ersten Reaktionen sind ganz überwiegend14 ernüchternd ausgefallen: Es ist die Rede von § 54a KWG als einem „legislativen Totalschaden“15 und von „blindem Aktionismus des Gesetzgebers“16. Erhoben werden „schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken und strafrechtspolitische Einwände“.17 Die Norm sei eine „gesetzgeberische Totgeburt“ und hätte auf europäischer Ebene „allenfalls das Zeug zur Lachnummer“.18 § 54a KWG überschreite „alle Grenzen vernünftigen Strafrechts“ und sei „eine Wohltat für die Beschäftigung von Strafverteidigern“.19 Er sei „rechtspolitisch verfehlt“20 und – so heißt es nahezu einmütig – ein Fall „symbolischen Strafrechts“21. Die „handwerklich völlig verunglückte Vorschrift“ sei „so schnell wie möglich zu streichen“.22 Diese harsche Kritik gibt Anlass genug zu der Frage, ob § 54a KWG tatsächlich als ein gesetzgeberisches Versagen gelten muss oder aber ob der Strafgesetzgeber mit ihm nicht vielmehr ein ebenso berechtigtes wie schwieriges Unterfangen in begrüßenswerter Weise in Angriff genommen hat.

14 Etwas wohlwollender als die nachfolgend zitierten Autoren Reuse, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 475 f.; im Ansatz auch Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 342, der § 54a KWG rechtspolitisch begrüßt; s.a. Kubiciel, ZIS 2013, 53, 60; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 22 f. 15 Kasiske, ZIS 2013, 257, 264. 16 Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 271. 17 DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577. Ähnlich Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 105 („durchgreifende rechtliche und dogmatische Bedenken“); BDI, Stellungnahme, S. 2 („schwerwiegende rechts- und ordnungspolitische Bedenken“). 18 Mansdörfer, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 201, 209. 19 Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 683; ähnlich Hamm/Richter, WM 2013, 865 („hypertrophes Strafrecht“). 20 Wastl, WM 2013, 1401, 1406 mit Blick vor allem auf die Fahrlässigkeitsvariante in § 54a Abs. 2 KWG. 21 So früh schon explizit Hamm/Richter, WM 2013, 865; Hanten, Börsen-Zeitung v. 2. 3. 2013, S. 13 („Schulfall symbolischer Gesetzgebung“). Ebenfalls machen Symbolik aus Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 120; Kasiske, ZIS 2013, 257, 264; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 206; Binder, ZGR 2016, 229, 235; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 128; Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 201c; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 49; Beck/Samm/ Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 5; in diese Richtung auch Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, in: FS Heintschel-Heinegg 2015, S. 275, 282. s.a. Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014q: § 54a KWG sei ein Strafgesetz, das eines Tages Rechtshistorikern unter der Überschrift „symbolische Gesetzgebung“ als Dokument der Zeitgeschichte dienen könnte. 22 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 164. Für eine Streichung explizit auch Beck/Samm/ Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 5, 13; ein handwerkliches Misslingen monieren auch Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 271.

Gang der Untersuchung In Kapitel 1 wird der Regelungshintergrund des § 54a KWG untersucht. Da § 54a KWG in Reaktion auf die vergangene Finanzkrise geschaffen wurde, ist für sein Verständnis eine zumindest kursorische Beschäftigung mit selbiger angezeigt. In der gebotenen Kürze werden ihre Ursachen, ihr Verlauf und die Frage nach möglicher individueller Verantwortlichkeit im Rahmen ihrer Entstehung beleuchtet. Hieran anschließend wird der Blick auf einige Strafverfahren gerichtet, welche die deutsche Strafjustiz im Nachgang der Finanzkrise beschäftigt haben und zum Teil noch beschäftigen. Deren weitgehende Ergebnislosigkeit im Sinne eines Ausbleibens von Verurteilungen wirft die Frage nach einer Lückenhaftigkeit des strafrechtlichen Normenkomplexes auf. Eine Untersuchung der im Zusammenhang mit der Finanzkrise wichtigsten Straftatbestände soll klären, ob die vom Gesetzgeber bei Schaffung des § 54a KWG behauptete Lücke überhaupt existiert und wo die Ursachen dafür liegen, dass die Erfassung von Sachverhalten, wie sie der Finanzkrise vorausgingen, mit dem vorhandenen strafrechtlichen Normenkatalog offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Vor dem Hintergrund der in Kapitel 1 gewonnenen Erkenntnisse wird in Kapitel 2 § 54a KWG näher untersucht. Nach einem kurzen Blick auf das Gesetzgebungsverfahren und die in der Gesetzesbegründung angegebene Intention des Gesetzgebers gilt es, den Tatbestand des § 54a KWG zu analysieren und dessen Schwachstellen aufzudecken. Diese Analyse macht den Großteil des zweiten Kapitels aus, denn der Tatbestand des § 54a KWG wirft eine Fülle von Fragen auf. Diese sind nicht nur originär strafrechtlicher, sondern auch verfassungs-, verwaltungs-, europa- und bankrechtlicher Natur. Die bei der Analyse des Tatbestandes gewonnenen Erkenntnisse erlauben es, in der Folge zu erörtern, inwieweit § 54a KWG seinem Tatbestand nach dem vom Gesetzgeber angeführten Rechtsgüterschutz dienen kann. Einer Betrachtung bedürfen anschließend die Rechtsfolgen einer Verwirklichung des § 54a KWG, Fragen der Teilnahme sowie etwaiger Konkurrenzverhältnisse. Ein besonderes Augenmerk gilt schließlich noch der zu erwartenden Praxisrelevanz des § 54a KWG. Hierbei muss eine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob § 54a KWG tatsächlich ein „Schulfall symbolischen Strafrechts“1 ist. Nach einigen kritischen Schlussbetrachtungen, die zum Teil Folgerungen über § 54a KWG hinaus zulassen, erfolgt eine Zusammenfassung der in Kapitel 2 gewonnenen Erkenntnisse. Das abschließende Kapitel 3 zeigt unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus den ersten beiden Kapiteln Perspektiven de lege ferenda auf. Dabei wird zunächst nach 1

Hanten, Börsen-Zeitung v. 2. 3. 2013, S. 13.

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Gang der Untersuchung

den Möglichkeiten der Beibehaltung einer Anknüpfung strafrechtlicher Verantwortlichkeit an Missstände im Risikomanagement gefragt. Sodann soll auf die Möglichkeiten einer alternativen Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit eingegangen und ein etwaig bestehender Reformbedarf ausgemacht werden. Hieran anschließend werden mehrere Leitlinien für einen Straftatbestand skizziert, der § 54a KWG ersetzen könnte.

Kapitel 1

Regelungshintergrund des § 54a KWG Um Einzelheiten des § 54a KWG verstehen und bewerten zu können, bedarf es zunächst einer näheren Betrachtung seines Entstehungskontextes. Ausgangspunkt ist ein Überblick über die Finanzkrise und deren Aufarbeitung durch die deutsche Strafjustiz [A.]. In der Folge ist der vor Schaffung des § 54a KWG existierende Normenbestand auf die vom Gesetzgeber ausgemachte Lückenhaftigkeit hin zu untersuchen [B.].

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung Zunächst soll ein Blick zurück erfolgen mittels einer Darstellung einzelner Ursachen sowie des wesentlichen Verlaufs der Finanzkrise. Dabei gilt es auch der Frage nachzugehen, inwieweit sie Folge eines anonymen Systemfehlers oder Folge menschlichen (Fehl-)Verhaltens war [I.]. Anschließend sollen einzelne im Nachgang der Finanzkrise in Deutschland angestrengte Strafverfahren betrachtet werden [II.].

I. Die Finanzkrise – Ursachen, Verlauf, Verantwortlichkeiten Eine vertiefte Auseinandersetzung mit Ursachen und Verlauf der Finanzkrise ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich. Nicht nur würde dies den Rahmen der Arbeit sprengen. Vielmehr sind hierzu andere Autoren und Disziplinen aufgerufen und wesentlich besser in der Lage. Was indes geleistet werden soll und zur Erfassung des Regelungskontextes des § 54a KWG auch geleistet werden muss, ist eine zumindest kursorische Behandlung des Geschehens, das den Gesetzgeber zur Schaffung des § 54a KWG veranlasst hat. 1. Ursachen der Finanzkrise Die Ursachen der vergangenen Finanzkrise sind vielfältig und können vorliegend nicht ansatzweise erschöpfend dargestellt werden. Trotz im Einzelnen unterschiedlicher Gewichtungen lässt sich aber ein Ursachenkern ausmachen, über den weitgehend Einigkeit besteht. Aus diesem sei zunächst behandelt, wie es zur massenhaften Begründung von Kreditforderungen gegen US-amerikanische Schuldner

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

oft geringer Bonität kam [a)]. Auch das für die Entstehung der Finanzkrise zentrale Geschäftsmodell der Verbriefung, das gleichsam als Brücke über den Atlantik fungierte, bedarf näherer Betrachtung [b)]. Aufsichts- und vor allem Regulierungsmängel ermöglichten und begünstigten dabei ein über Jahre hinweg erfolgreich betriebenes Geschäftsmodell [c)]. a) Massenhafte Kreditvergabe auf dem US-Markt Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Finanzkrise nahmen Finanzprodukte ein, welche die Verbriefung von Kreditrisiken zum Gegenstand hatten. Diese Kreditrisiken folgten zumeist aus der Vergabe von Krediten an US-amerikanische Schuldner. Primär handelte es sich um Immobilienkredite1, zahlreich waren aber auch Forderungen etwa aus Kreditkarten- oder Leasingverträgen und ähnlichen Massenkreditgeschäften. Mit der Anzahl der vergebenen Kredite stieg zugleich die Anzahl der sich bei den Banken ansammelnden Kreditforderungen. Dabei traf das Kreditrisiko zunächst die kreditgebenden Banken. Diese haben nach einer Kreditvergabe im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Sie können entweder die Kreditforderung behalten und den Kreditvorgang bis zum Ende begleiten oder aber sie übertragen während der Kreditlaufzeit das Kreditrisiko auf Dritte. Letzteres wurde im Vorfeld der Finanzkrise vielfach betrieben und führte dazu, dass das Risiko eines Ausfalls ausgelagert und gleichzeitig Eigenkapital frei wurde. Zahlreiche Forderungen gegen US-amerikanische Schuldner wiesen indes, wie sich vor allem in der Rückschau deutlich zeigt, ein erhebliches Ausfallrisiko auf. Weshalb über Jahre hinweg die Kreditvergabe in großem Stil auch an Schuldner teils höchst zweifelhafter Bonität erfolgte, hat verschiedene Gründe, von denen im Folgenden die wichtigsten erwähnt seien. aa) Liquiditätsschwemme infolge US-amerikanischer Niedrigzinspolitik Von ganz wesentlicher Bedeutung für die im Vorfeld der Finanzkrise erfolgte massenhafte Kreditvergabe war ein über längere Zeit sehr niedriges Zinsniveau in den USA. So lag der Zins für kurzfristige Refinanzierungsgeschäfte der Banken bei der Zentralbank im Jahr 2000 noch bei 6,5 %, fiel aber bis Sommer 2003 auf ein historisches Tief von 1 % zurück.2 Die Zinssenkungen waren politisch gewollt und verfolgten den Zweck, nach den Anschlägen auf das World Trade Center und nach dem Platzen der New-Economy-Blase die Wirtschaft in den USA zu beleben. Der in der Folge der expansiven Geldpolitik der US-Notenbank entstandene Überfluss an Liquidität führte zu einer vermehrten Kreditvergabe und ermöglichte erst das Ent-

1 Zur Entwicklung des US-amerikanischen Marktes für Wohnungsbaudarlehen statt vieler Rudolph, ZGR 2010, 1, 4 ff. 2 Hierzu mit grafischer Darstellung Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 70 f.

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung

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stehen einer Immobilienpreisblase.3 Ob die lange Zeit lockere US-Zinspolitik im Ergebnis sinnvoll war oder nicht, mag hier dahinstehen. Sie war jedenfalls mitursächlich für die Entstehung und Auslösung der Finanzkrise. Kredite waren infolge der Liquiditätsschwemme günstig und wurden großzügig vergeben. Die Kreditvergabe selbst an schwache Schuldner wurde zum Massengeschäft: Zwischen 2003 und 2007 stieg die Anzahl der abgeschlossenen Hypothekenkredite im SubprimeMarkt sprunghaft von 1,5 auf über 6 Millionen an.4 In den Genuss auch beträchtlicher Kredite kamen Schuldner geringer Bonität unter anderem durch die Entwicklung riskanter Kreditvergabemodelle. Sie stellten eine Reaktion des Marktes auf den Liquiditätsüberschuss dar, der in Kombination mit der Struktur amerikanischer Immobilienkredite zu einer Kreditvergabepraxis führte, die nicht nur im Nachhinein waghalsig anmutet. bb) Non-recourse loans, Anreizstrukturen und Überbeleihung Die Struktur amerikanischer Immobilienkredite weicht erheblich von der Struktur deutscher Immobilienkredite ab.5 Bei US-amerikanischen Immobilienkrediten gibt es oftmals keinen Durchgriff auf das Vermögen oder das Arbeitseinkommen des Kreditnehmers. Dieser haftet vielmehr einzig mit dem finanzierten Objekt (sogenannte non-recourse loans).6 Die Finanzkrise hat die Fehlanreize, die hiervon ausgehen können, offenbart.7 Dient lediglich die beliehene Immobilie zur Absicherung der Kreditforderung, so hängt der Wert der Kreditforderung ganz entscheidend vom Wert der Immobilie ab. Die Forderung ist nur insoweit als gesichert anzusehen, als der Wert der Immobilie den Wert der Forderung übersteigt. Daher war es eigentlich üblich, zur Absicherung des Kreditgebers einen gewissen Teil der Finanzierung durch Eigenkapital zu bewirken, sogenanntes „down payment“. Auf eine solche Beteiligung des Kreditnehmers wurde in den Jahren vor der Finanzkrise aber zunehmend verzichtet. Denn übersteigt alsbald nach dem Abschluss des Kredits der Wert der Immobilie die Forderung, so kann – meinte man zumindest – auf eine Beteiligung des Käufers verzichtet werden. Und in den USA stiegen die Immobilienpreise kontinuierlich: Die Preissteigerungsrate betrug zwischen 1996 und 2006 ganze 190 %.8 Hierdurch war die Sicherung der Kreditforderungen über die Immobilie zunächst gewährleistet. Die Sicherung bestand freilich nur, solange die Immobilienblase nicht platzte. Sie platzte, als sich infolge eines 3

Näher hierzu Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, Rn. 132 ff. Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 154, Abbildung 5.4 m.w.N. 5 Hierzu Scholl, Vorstandshaftung, § 10 Rn. 3. Instruktiv auch Rack, CB 2014, 9, 13 f. zu den sehr unterschiedlichen Ausfallrisiken bei Immobilienkrediten in Deutschland und den USA auch infolge der unterschiedlichen rechtliche Regime. 6 Hierzu Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 139 f.; Rack, CB 2014, 9, 13 f. m.w.N. 7 Zeitler, WM 2012, 673, 676. 8 Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 63 f. mit grafischer Darstellung. 4

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

steigenden Zinsniveaus9 zahlreiche Schuldner gezwungen sahen, die – gemessen an ihren finanziellen Möglichkeiten oft überdimensionierten – Eigenheime zu verlassen. Dabei konnten die überforderten Kreditnehmer im Falle einer auf das Objekt beschränkten Haftung schlicht die Schlüssel der finanzierten Immobilie zurückgeben. Diese hierzulande erstaunlich anmutende Möglichkeit der Haftungsbeschränkung war aber nur einer von zahlreichen Gründen, die das Entstehen einer Immobilienpreisblase in den USA begünstigten. Von Gewicht waren auch die teils abenteuerlichen Anreize zur Steigerung der Kreditaufnahme, mit denen die hohe Liquidität verarbeitet werden sollte. Hierzu zählen etwa sogenannte teaser-rate-loans mit zunächst niedrigen Festzinsen, sogenannte adjustable rate mortgages (Hypotheken mit variabler Verzinsung) oder sogenannte interest-only-loans, für die man zunächst einige Jahre keine Tilgung leisten musste.10 Letztlich noch waren die zum Teil erheblichen Honorare und Provisionen für Beratungen, Bonitätsprüfungen und Kreditvermittlungen meist im Kreditvolumen enthalten bzw. wurden diesem zugeschlagen, ohne dass die Sicherheiten entsprechend erhöht wurden.11 Infolgedessen war die Kreditforderung zu Beginn des Kreditvorgangs oft nicht voll gesichert. Die skizzierten Kreditvergabemodelle fußten maßgeblich auf dem Glauben an stetig steigende Immobilienpreise und langfristig niedrige Zinsen. Sie lockten auch Schuldner geringer Bonität, die von den Banken bereitwillig bedient wurden – was teils sogar politisch gewollt war. cc) Eigenheim für alle – Bonität als untergeordnetes Kriterium der Kreditvergabe Selbst sehr schwache Schuldner durften vom Eigenheim träumen und dieses zumindest für die Jahre des Immobilienbooms oft auch bewohnen. Dass grundlegende Standards einer vernünftigen Kreditvergabe wie etwa eine angemessene Beteiligung mit Eigenkapital missachtet wurden, hatte neben der Liquiditätsschwemme und den beschriebenen Kreditstrukturen noch weitere Ursachen. So waren die Banken teilweise verpflichtet, Immobilienkredite auch Schuldnern geringer Bonität zu gewähren. Grund hierfür war insbesondere der sogenannte Community Reinvestment Act, welcher 1977 unter Präsident Jimmy Carter beschlossen und später unter Präsident Bill Clinton einer bedeutenden Novelle unterzogen wurde. Danach mussten Wohnungsbaukredite gleichmäßig an alle sozialen Gruppen und ethnischen Gruppen vergeben werden.12 Auch wenn derart erzwungene Kreditver-

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Hierzu sogleich unten S. 52 f. Näher hierzu und zu weiteren Kreditmodellen wie etwa sog. piggybacks Rudolph, ZGR 2010, 1, 8, sowie Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 144 f. 11 Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 286. 12 Näher hierzu Heun, JZ 2010, 53, 55 m.w.N. 10

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung

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gaben für die massive Anzahl sogenannter Subprime-Kredite13 nicht in erster Linie verantwortlich waren, so dürfte eine vermehrte Kreditvergabe an weitgehend mittellose Schuldner doch zumindest auch auf diesen Umstand zurückgeführt werden. Dass Kredite trotz einer oft augenfällig fehlenden Bonität der einzelnen Kreditnehmer vergeben wurden, lag letztlich vor allem daran, dass die (vermeintliche) Sicherheit aus den stetig steigenden Immobilienpreisen gezogen wurde. So konnten Schuldner etwa durch den Verkauf ihres zwischenzeitlich im Wert gestiegenen Eigenheims auch einen neuen, noch höheren Kredit aufnehmen. Die Kreditwürdigkeit löste sich zusehends von der persönlichen Finanzkraft des Schuldners und koppelte sich fortan ganz maßgeblich an die zunächst stetig steigenden Immobilienpreise. Ganz entscheidend für die fortlaufende Gewährung von Krediten auch an Schuldner zweifelhafter Bonität war aber auch, dass es den kreditgebenden Banken zunehmend möglich war, die anfallenden Kreditrisiken weiterzureichen. Einer kreditgebenden Bank ist die Bonität eines Schuldners schließlich weniger wichtig, wenn sie weiß, dass sie das Kreditrisiko alsbald nach der Kreditvergabe weiterreichen kann, sprich den Kreditvorgang nicht bis zum Ende begleiten muss. Dass die Kreditgeber in der Lage waren, auch Kredite abzustoßen, die unter den zuvor beschriebenen fragwürdigen Umständen zustande gekommen waren, geht in erheblichem Maße auf die intensive Nutzung von Verbriefungen zurück, die im Folgenden noch näher zu behandeln ist. dd) Zwischenergebnis Auf dem US-Kreditmarkt entwickelte sich über Jahre hinweg eine Kreditvergabepraxis, die im Nachhinein geradezu waghalsig anmutet. Die vorstehend skizzierten Umstände trugen maßgeblich dazu bei, dass massenhaft sogenannte NINJAKredite (no income, no job, no asset) vergeben wurden. Klassische Voraussetzungen einer Finanzierung wie ausreichendes Eigenkapital, sicherer Arbeitsplatz oder ein gesichertes Einkommen erschienen nebensächlich14, vernünftige Kreditvergabegrundsätze wurden vielfach missachtet. Für die Kreditnehmer war damit kein allzu großes Risiko verbunden, hafteten sie doch oft einzig mit dem finanzierten Objekt und erwarben sie dieses in der vermeintlich sicheren Erwartung stetig steigender Immobilienpreise. Wenn aber die Werthaltigkeit der Forderungen gegen amerikanische Schuldner oftmals zumindest zweifelhaft war, fragt es sich, weshalb die kreditgebenden Banken für ihre Forderungen fortlaufend Abnehmer fanden und in der Folge neue Kredite vergeben konnten. Dies gelang durch die intensive Nutzung von Verbriefungen, die es erlaubten, selbst höchst zweifelhafte Forderungen zu tauglichen und gefragten Objekten am Finanzmarkt zu machen. 13

Eine einheitliche Definition existiert zwar nicht, doch sind ersichtlich zweitklassige Kredite in Abgrenzung zum Prime-Markt gemeint. Zum Begriff Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 155, sowie Rudolph, ZGR 2010, 1, 7, jeweils m.w.N. 14 Otto, in: FS Krey 2010, S. 375, 379.

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

b) Verbriefungen und die Brücke über den Atlantik Ein über Jahre hinweg funktionierendes Verbriefungsmodell trug entscheidend dazu bei, dass immense Kreditrisiken weitergereicht und damit gleichzeitig neue Kredite vergeben werden konnten.15 Ohne dieses Modell wäre die vorgehend beschriebene exzessive Kreditvergabepraxis auf Dauer nicht möglich gewesen. Für die Zwecke der Verbriefung wurden die Forderungen aus den zahlreichen Kreditgeschäften gebündelt und strukturiert [aa)]. Wohlwollende Ratings vermittelten den Abnehmern nicht nur ein gewisses Maß an Transparenz, sondern vor allem auch an Sicherheit [bb)]. Zu den Abnehmern gehörten auch deutsche Banken, wodurch die Brücke über den Atlantik hergestellt wurde. Sie wollten – meist unter Einschaltung ausländischer Zweckgesellschaften – über das Mittel der Fristentransformation im Vergleich zu anderen Tätigkeitsfeldern relativ höhere Renditen erzielen [cc)]. Der über Jahre hinweg funktionierende und stetig wachsende Verbriefungsmarkt fungierte dabei seinerseits als Motor der fortwährend exzessiven Kreditvergabepraxis gerade auch gegenüber Schuldnern sehr geringer Bonität [dd)]. aa) Verbriefung und Strukturierung Die Rückzahlungsansprüche aus den massenhaft vergebenen Krediten waren, wie dargelegt, oftmals von zweifelhaftem Wert. Dies war den kreditgebenden Banken bewusst. Ihr Bestreben, diese Kredite nach Möglichkeit abzugeben, ist insoweit nur allzu verständlich. Die Verlagerung der Risiken auf Träger außerhalb des kreditgebenden Instituts war unter anderem deswegen von großem Interesse, weil die kreditgebende Bank durch einen solchen Transfer ihre Verpflichtung reduzierte, die Risiken mit Eigenkapital zu unterlegen.16 Zudem erhielt sie umgehend den Kaufpreis für die abgetretenen Forderungen. Infolge der weitgehenden Weiterreichung der vorhandenen Kreditrisiken agierten die Banken insoweit nicht mehr primär als Risikoträger, sondern als Risikohändler.17 Die Abstoßung der Kredite erfolgte in der Regel unter Einschaltung von Investmentbanken durch Abtretung der Ansprüche an eigens hierfür gegründete Zweckgesellschaften.18 Rechtlich wurde darauf geachtet, die Zweckgesellschaft von der kreditgebenden Bank, dem sogenannten Originator, zu trennen, um das Kreditrisiko vollständig von diesem zu lösen. Der Gründer der Zweckgesellschaft (sogenannter Arranger) musste vom Originator auch verschieden sein, um eine bi15 Eine detaillierte Darstellung der Verbriefungsmechanismen kann und muss an dieser Stelle nicht erfolgen. Verwiesen sei auf die Darstellungen etwa durch den Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 107 ff.; Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 21 ff., und (gleichsam kürzer) Rudolph, ZGR 2010, 1, 8 ff. 16 Hierzu Zeising, BKR 2007, 311, 315 f. m.w.N. 17 Zu dieser Entwicklung Ricken, Kreditrisikotransfer, S. 1 ff. 18 Näher hierzu Zeising, BKR 2007, 311, 313 f. Grafische Darstellung der Grundstruktur einer traditionellen Kreditverbriefung bei Ricken, Kreditrisikotransfer, S. 26.

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung

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lanzrechtliche Trennung vollziehen zu können – hätte der Originator lediglich eine Tochter gegründet, so hätte er diese grundsätzlich konsolidieren müssen.19 Die Zweckgesellschaft führte, nachdem ihr der Originator die einzelnen Kreditforderungen übertragen hatte, die Verbriefung durch und gab am Finanzmarkt in der Folge festverzinsliche Wertpapiere aus. Die Verbriefung von Krediten und Kreditrisiken – das heißt deren Einkleidung in Wertpapiere, die dann am Kapitalmarkt platziert werden – stellt ein modernes, inzwischen fest etabliertes Finanzinstrument dar. Als Verbriefung wird eine Transaktion bezeichnet, durch die ein Portfolio meist vergleichsweise illiquider Vermögensgegenstände so strukturiert wird, dass es am Kapitalmarkt handelbar wird.20 Bezüglich der für die Finanzkrise relevanten Verbriefungen aus dem US-Markt können vor allem sogenannte ABS (Asset Backed Securities) und sogenannte MBS (Mortgage Backed Securities) unterschieden werden. Bei Asset Backed Securities handelt es sich um durch Vermögensgegenstände (assets) gegen Kapitalverlust gesicherte (backed) Wertpapiere (securities).21 Sie können daher als forderungsgestützte Wertpapiere bezeichnet werden. Die Wertpapiere sind in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Vermögenswerte dergestalt unterlegt, dass der Emittent die eingenommenen Zahlungen an die Käufer der Wertpapiere weiterreichen kann.22 Während bei den ABS die zugrundeliegenden Vermögenswerte verschiedenster Natur sind (etwa Forderungen aus Autoleasingverträgen, Kreditkartengeschäften und ähnlichen Massenkreditgeschäften), entspringen bei MBS die zugrundeliegenden Forderungen Hypothekenkrediten. MBS können dabei als eine spezifische Variante der ABS angesehen werden.23 Verbriefungen sind als Finanzierungsinstrument am Finanzmarkt etabliert. Sie sind ein potenziell nützliches Instrument24 und wurden im Vorfeld der Finanzkrise in enormem Umfang genutzt. Vor allem wurde der weit überwiegende Teil an Forderungen aus US-amerikanischen Immobilienkrediten verbrieft, wobei sich dies insbesondere für Kredite aus dem Subprime-Segment anbot.25 Neben der Möglichkeit 19 Zu diesen Veranlassungen zur Gründung eigenständiger Zweckgesellschaften Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1095. 20 L/B/S-Geiger, Bankrechts-Kommentar, Kap. 20 Rn. 1. 21 B/F/S-Tollmann, KWG, vor §§ 22a ff. Rn. 6. Dort im Folgenden auch instruktiv zu den Vorteilen, Risiken und der Entwicklung von ABS. Eine einheitliche Definition von ABS gibt es nicht. 22 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1085. 23 So auch B/F/S-Tollmann, KWG, vor §§ 22a ff. Rn. 6; Rudolph, ZGR 2010, 1, 4; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1089 (ABS als „Oberbegriff“). Teilweise wird der Begriff der ABS hingegen nicht als Oberbegriff, sondern als solcher verwendet, der nur Vermögenswerte (assets) erfasst, die nicht auf Hypothekenkrediten fußen. 24 Allg. Meinung, s. nur Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 16; Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 165 ff.; Schröder, NJW 2010, 1169, 1170; Kasiske, Leviathan 2011, 519, 523; Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 810. 25 Vgl. Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 163 f. mit grafischer Darstellung des Anteils der Verbriefungen von Krediten geringer Bonität am Markt der MBS von 2001 bis 2008.

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

für Unternehmen, einen kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt zu erhalten, sind Verbriefungen grundsätzlich geeignet, Finanzierungsrisiken auf viele Schultern zu verteilen und insofern zu konsolidieren.26 Doch wurde das Instrument der Verbriefung im Vorfeld der Finanzkrise derart exzessiv und interessengesteuert genutzt, dass es, statt Risiken zu streuen, schließlich zur Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt werden sollte. Bei Ausbruch der Finanzkrise zeigte sich deutlich, dass Verbriefungen nicht nur von Vorteil sind, sondern Risiken bergen, die damals offensichtlich weder den Marktteilnehmern, noch den Regulatoren und den RatingAgenturen hinreichend bewusst waren oder die – schlimmer noch – bewusst ausgeblendet wurden.27 Entscheidend für den enormen Erfolg der Verbriefungen war, dass die den Wertpapieren zugrundeliegenden Kredite gebündelt (sogenanntes Pooling) und strukturiert wurden (sogenanntes Tranching).28 Das Tranchieren war dabei insofern rein fiktiver Natur, als den einzelnen Tranchen nicht spezifische Forderungen zugeordnet wurden, sondern allein eine Aufteilung des Verlust- oder Ausfallrisikos des Bündels vorgenommen wurde.29 Dies vollzog sich dergestalt, dass die Bedienung der einzelnen Tranchen entsprechend der Einteilung in Risikoklassen erfolgte: Zuerst bedient werden sollte die sogenannte Senior-Tranche, erst danach die MezzanineTranche und schließlich die Equity-Tranche. Der Geldzufluss wurde also nach vordefinierten Verteilungsschlüsseln, nach einem „Kaskaden-Prinzip“30, den verschiedenen Anleihetranchen zugeordnet.31 Anschaulich ist insoweit der Vergleich mit einem Wasserlauf, der verschiedene Becken durchläuft: Erst wenn das erste Becken voll ist, läuft das Wasser (hier: der Geldzufluss) in das zweite Becken ein und erst bei dessen Füllung in das dritte Becken (die Equity-Tranche).32 Die Aufteilung in Risikoklassen erlaubte es, die Senior-Tranche mit einem AAARating versehen zu lassen, was für den Anleger eine Sicherheit wie etwa bei einer deutschen oder amerikanischen Staatsanleihe mit vergleichbarer Laufzeit bedeutete, jedoch eine höhere Rendite versprach.33 Das hohe Rating ermöglichte es insbe26 Zu diesen und weiteren Vorteilen von ABS B/F/S-Tollmann, KWG, vor §§ 22a ff. Rn. 9, der indes zugleich davor warnt, dass statt einer Risikodiversifikation auch eine Risikokonzentration erfolgen kann, wenn in unverhältnismäßig großem Umfang gleichartige Risiken gekauft werden. Dazu noch näher unten S. 88 f. Ausführlich zur Entwicklung sowie zu Chancen und Risiken der Verbriefung Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 115 ff. 27 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 116. 28 Hierzu ausführlich Rudolph, zfbf 60 (2008), 713, 717 ff. Zu Recht sieht Horn, KSzW 2010, 67, 68, in der Bezeichnung „strukturierte Wertpapiere“ allerdings einen unpräzisen und beschönigenden Begriff für hochkomplexe und intransparente Finanzprodukte. 29 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 112. 30 Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 281. 31 Rudolph, ZGR 2010, 1, 9. 32 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 113; Rudolph, zfbf 60 (2008), 713, 719. 33 Vgl. Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 170 m.w.N.

A. Die Finanzkrise und ihre strafrechtliche Aufarbeitung

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sondere Pensionskassen und anderen institutionellen Anlegern, in diese Papiere zu investieren. Die Strukturierung ermöglichte es indes nicht nur, gewisse Tranchen mit einem geringen Ausfallrisiko zu schaffen, sondern sie führte zwangsläufig auch dazu, dass sich die Ausfallrisiken eines Portfolios von Krediten auf andere Tranchen konzentrierten, denen entsprechend ungünstige Ratings zugewiesen wurden (etwa der Equity-Tranche).34 Insgesamt ließen sich mit Hilfe der strukturierten Anleihen Risiken folglich nicht nur transferieren, sondern auch in ihrer Qualität transformieren.35 Mit dieser ersten Strukturierungsebene war aber das mögliche Ausmaß an Komplexität noch lange nicht erreicht, denn in der Regel blieb es nicht bei ihr. Die durch das Poolen und Tranchieren geschaffenen Kreditbündel wurden oftmals erneut einer Strukturierung unterzogen. Dies betraf insbesondere die Mezzanine- und die Equity-Tranche, schließlich waren diese angesichts der in ihnen gebündelten Ausfallrisiken zunächst wenig attraktiv. Die aus den minderwertigen Tranchen neu geschaffenen Bündel wurden dabei wieder so strukturiert, dass ein gewisser Anteil bevorzugt bedient werden sollte und daher ein AAA-Rating erreichte.36 Aus allenfalls mittelklassigen Forderungen wurde also ein (großer) Kern vermeintlich höchst sicherer Teile herausgeschält. Aus den dabei wieder übrig gebliebenen weniger werthaltigen Forderungen wurde dann im nächsten Vorgang unter Mischung mit anderen Kreditforderungen wiederum eine mit AAA bewertete Senior-Tranche geformt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages umschrieb diesen „Verbriefungstrick“ treffend mit „Tranchierung: Aus Landwein wird Qualitätswein“.37 Schärfer formuliert darf man durchaus sagen, dass auf jeder Stufe versucht wurde, „aus dem immer gehaltloser werdenden Brei an Ansprüchen noch ein paar AAAPapiere für den Endkunden heraus[zu]quetschen“38. Das Ausfallrisiko wurde dadurch immer weiter verwässert39, die Transparenz blieb auf der Strecke. Beispielhaft hierfür sind nicht zuletzt die durch Strukturierungen geschaffenen sogenannten CDO-Papiere („Collateralized Debt Obligations“), die sich ihrerseits aus verschiedenen Typen von Finanzprodukten zusammensetzten.40 Sie konnten zwar nicht mehr 34

Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/2008, S. 107. Rudolph, ZGR 2010, 1, 10 f. 36 Hierzu Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 114, Schaubild 35. 37 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 112. 38 Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 172. 39 Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 26. 40 Zu ihrer Struktur Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 112: „Während bei den ABS und MBS die verbrieften Forderungen relativ homogen sind und beispielsweise nur Forderungen aus Konsumentenkrediten oder aus Hypothekendarlehen enthalten, kann bei den CDOs die Verbriefungsstruktur differenzierter sein. Diese größere Flexibilität führte dazu, dass die CDO gegenüber der ABS als Verbriefungsinstrument zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die einer CDO zugrunde liegenden Forderungen können dabei wiederum aus einer ABS oder MBS entstanden sein […]. Wenn die einer Verbriefung zugrunde liegenden Forderungen überwiegend aus dem Kreditgeschäft stammen, spricht man von einer Collateralized Loan Obligation (CLO), wenn es sich um Anleihen handelt von einer Collateralized Bond Obligation 35

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direkt mit Hypotheken unterlegt werden, aber mit Wertpapieren, die (oft Subprime-) Hypotheken enthielten.41 Trotz der vielfach überaus positiven Ratings wurden die gebündelten und verbrieften Kreditforderungen von den Abnehmern indes nicht zum Zwecke der Durchsetzung erworben. Vom ursprünglichen Kreditnehmer in Gestalt etwa eines US-amerikanischen Immobilienkäufers hatte man sich ohnehin weit und in kaum noch zu entflechtender Weise entfernt. Ziel war es vielmehr, Gewinne durch den karussellartigen Weiterverkauf mit Provisionen und Boni zu erwirtschaften.42 Die Kredittranchen wurden nicht aufgeschnürt, sondern wie heiße Kartoffeln von Investor zu Investor weitergereicht.43 Mit zunehmender Weiterreichung der Risiken, Schnürung von Paketen und aufeinander aufbauenden Verbriefungen verschwammen die ursprünglichen Konturen der zugrundeliegenden Kreditforderungen zusehends und niemand konnte mehr mit Bestimmtheit sagen, welche Kreditforderungen sich nach mehrfachen Verbriefungsvorgängen etwa in einem CDO-Papier befanden.44 Hinzu kam ein sich immer stärker ausbreitender Markt für sogenannte Credit Default Swaps (CDS), welche eine Versicherung für den Forderungsausfall bedeuten sollten.45 Absicherungen über Credit Default Swaps trugen mit dazu bei, die Eigenkapitalanforderungen für die Finanzinstitute gering zu halten und das Eingehen großer Risikopositionen ohne entsprechende Vorsorge zu ermöglichen.46 Auch hier entstand mit fortschreitender Zeit ein immer undurchsichtigerer Zirkel an gegenseitigen Versicherungen und Rückversicherungen. Die Einbeziehung der Kreditversicherer hatte zur Folge, dass das Ausfallrisiko zwar ausgelagert wurde, aber letztlich (erneut) nur eine Verlagerung auf Dritte stattfand und die Finanzkrise schließlich auch die im Verbriefungsmarkt aktiven Kreditversicherer betraf.47 Die Rettung des Versiche(CBO). CDOs, die überwiegend auf Hypothekendarlehen basieren, nennt man Collateralized Mortgage Obligation (CMO).“ 41 Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 281. 42 Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 286; Hohnel-Krug, § 266 StGB Rn. 82. 43 Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 168; Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 286. 44 Die so entstandenen Papiere werden teils als CDOs zweiter Generation oder auch als CDO2 bezeichnet. Nicht selten wurden bis zu sechs Verbriefungsstufen vorgenommen, vgl. Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 171 f., mit grafischer Darstellung einer Verbriefungskaskade (Abb. 6.2). 45 Der CDS-Markt verselbständigte sich indes zusehends und die Swaps dienten nicht selten reinen Spekulations- und Wettgeschäften, s. Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 282 f. Auf Einzelheiten des CDS-Marktes kann hier nicht vertieft eingegangen werden, insoweit sei verwiesen auf Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 110 f., sowie die Darstellung bei L/B/S-Beck, Bankrechts-Kommentar, Kap. 23 Rn. 1 ff. 46 Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter, HdB CG von Banken, S. 81. 47 Hierzu Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1102.

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rungskonzerns American International Group (AIG) durch die US-amerikanische Regierung im Herbst 2008 zeugt hiervon. Ganz entscheidend für den Erfolg der Verbriefungen am Finanzmarkt war angesichts der ihnen immanenten Intransparenz und des Umstandes, dass ihnen im Kern vielfach überaus fragwürdige Kredite zugrunde lagen, die Rolle der Ratingagenturen. bb) Vermeintliche Transparenz und Sicherheit durch Ratings Die Finanzprodukte, die den Verbriefungen und Strukturierungen entsprangen, waren zweifellos undurchsichtig. Der ursprüngliche Kreditnehmer und dessen Bonität waren selbst für den interessierten Kunden kaum noch zu erkennen. Die äußerst großzügige Kreditvergabepraxis auf dem US-Immobilienmarkt aber war ebenso allgemein bekannt wie der Umstand, dass zahlreiche Schuldner weitgehend mittellos waren. Welche genau dies waren, wie hoch der Anteil an Subprime-Krediten in einem Finanzprodukt war und welche Versicherungen im Einzelnen existierten, kurz: wie hoch das Ausfallrisiko war, konnte kaum noch jemand verlässlich beurteilen.48 Die Poolbildung und das mehrfache Tranchieren führten zu einer regelrechten Informationsvernichtung, die einen Anleger normalerweise abschrecken, zumindest aber skeptisch machen sollte. Es bedurfte folglich einer vertrauenswürdigen Instanz, um Licht ins Dunkel zu bringen und eine möglichst einfache Antwort auf die Frage nach der Sicherheit der angebotenen Finanzprodukte zu geben. Angesichts der Komplexität der in Rede stehenden Finanzprodukte war das Informationsbedürfnis der Anleger besonders hoch und die Sehnsucht nach einer (vermeintlich) sachgerechten Bewertung der Finanzprodukte naturgemäß stark ausgeprägt.49 Diesem Bedürfnis kamen RatingAgenturen wie Standard&Poors, Fitch Ratings oder der Marktführer Moody’s nach. Sie bewerteten die strukturierten Wertpapiere und vergaben dabei reihenweise Bestnoten. Für die Bewertung wurden sie dabei regelmäßig von den emittierenden Banken bezahlt (sogenanntes issuer-paid rating), was unvermeidlich den Verdacht eines Interessenkonfliktes nahelegt, weil nicht davon auszugehen ist, dass sich die Ratingagenturen mit ihren bedeutendsten Auftraggebern überwerfen wollen.50 Hinzu tritt, dass die Ratingagenturen oftmals auch in die Produktentwicklung eingebunden 48

Zutreffend Park-Park/Sorgenfrei, Teil 1, Rn. 17: „Das gesamte System führte letztlich dazu, dass kein Erwerber der ABS-Anleihen genau wusste, was für Papiere sich hinter den Anlagen verbargen und wer in welchem Umfang die Ausfallrisiken versicherte.“ Auch Kasiske, Leviathan 2011, 519, 523 betont, dass spätestens durch die Formung von Collateralized Debt Obligations (CDO) die Risiken vollends undurchschaubar wurden. 49 Vgl. bereits Fender/Mitchell, BIZ-Quartalsbericht Juni 2005, S. 78. 50 s. statt vieler ausführlich zur Rolle der Ratingagenturen, dem angesprochenen Interessenkonflikt sowie Reformbedarf im Nachgang der Finanzkrise Zimmer, in: FS Hopt 2010, S. 2689 ff. Zu Paradoxien im Ratingsektor und der Reichweite berechtigten Vertrauens aus neuerer Zeit instruktiv Jobst/Kapoor, WM 2013, 680 ff.

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waren und dabei halfen, möglichst große mit AAA bewertbare Tranchen zu schaffen.51 Dann waren sie an der „Umwandlung von Land- in Qualitätswein“ mithilfe der Strukturierung doppelt behilflich: Zum einen bei der Herstellung und zum anderen bei der Etikettierung. Letztere war zwingend erforderlich, um den in Rede stehenden Finanzinstrumenten zumindest den Anschein von Sicherheit und Transparenz zu vermitteln. Ohne entsprechende Ratings wären die Verbriefungen am Markt erfolglos gewesen52, sie waren „ein entscheidendes Element, das den Markt geradezu betörte und letzte Zweifel überwand“, ihre Rolle kann man in diesem Zusammenhang „kaum überschätzen“53. Das den Ratings von den Marktteilnehmern entgegengebrachte, vielfach geradezu blinde Vertrauen war allerdings bedenklich. Dies gilt nicht nur in Anbetracht des beschriebenen Interessenkonflikts, in dem sich Ratingagenturen befanden, sondern auch, weil die Ratings, wie sich herausstellen sollte, die Risiken der in Rede stehenden Finanzprodukte nicht vollständig widerspiegelten. Auch wenn hierauf teilweise schon vor Ausbruch der Finanzkrise hingewiesen worden war54, wurde offensichtlich übersehen oder aber ignoriert, dass das größte Risiko nicht aus dem Ausfall einzelner Kreditnehmer resultieren würde (dies hätte ohnehin in erster Linie die schlechteren Tranchen, insbesondere die Equity-Tranche betroffen), sondern aus einem Zusammenbruch des gesamten US-amerikanischen Immobilienmarktes – wie es später auch geschah.55 Gerade die Ausfallkorrelation der Wertpapiere wurde bei ihrer Bewertung deutlich zu niedrig angesetzt.56 Ob sie überhaupt präzise hätte erfasst werden können, mag dahinstehen. Jedenfalls sahen sich die bedeutenden Ratingagenturen spätestens ab Mitte 2007 gezwungen, zahlreiche auf Subprime-Krediten fußende Wertpapiere herabzustufen oder aber wegen drohender Herabstufungen unter Beobachtung zu stellen. Es entstand in der Folge nicht nur eine erhebliche Unruhe im Hinblick auf die entsprechenden Papiere, welche die Nachfrage nach ihnen trotz abstürzender Preise zusammenbrechen ließ, sondern auch eine 51 Eine Verstärkung des Interessenkonfliktes sehen hierin etwa der Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 160 f. sowie The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report of 25 Feb. 2009, Ziff. 21. 52 Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 284. Ähnlich Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 120, 159. 53 Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 27. Diese Rolle war und ist Gegenstand teils erheblicher Kritik, s. etwa Trüg, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 290, 293 („fatale Rolle der Ratingagenturen“); Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 178 (Die Ratingagenturen hätten „kläglich versagt“). 54 s. etwa Fender/Mitchell, BIZ-Quartalsbericht Juni 2005, S. 78. 55 Zur Vernachlässigung dieses Risikos durch die Ratings Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 171; Gillmeister, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 280, 285 f.; Vaubel, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 19, 22. Zu Risiken als Schadensprognosen sowie zu den konkurrierenden (Fehl-)Prognosen im Vorfeld der Finanzkrise ausführlich Rack, CB 2013, 368 ff. 56 Vgl. The Financial Crisis Inquiry Commission, Financial Crisis Inquiry Report, S. 129, 146 ff.; Heun, JZ 2010, 53, 56; Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 22 ff.

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erhebliche Unruhe hinsichtlich etwaiger Bankenzusammenbrüche – schließlich sahen sich Banken durch die plötzlich schlechter gerateten Anlagen vielfach höheren Eigenkapitalanforderungen ausgesetzt.57 Ihre Kurse gerieten zusehends unter Druck. Auch deutsche Banken blieben von diesen Unruhen keineswegs verschont – sie hatten mitgedreht am großen Rad der Verbriefungen und dies in einem Umfang, der für einige Banken existenzbedrohende Ausmaße annahm. cc) Fristentransformationsmodelle und deutsche (Landes-)Banken Die Beteiligung deutscher Banken und dabei insbesondere zahlreicher Landesbanken am zuvor beschriebenen Modell bestand in erster Linie darin, in derart strukturierte Papiere zu investieren. Für diese Investitionen bedienten sie sich oftmals sogenannter Zweckgesellschaften.58 Diese kauften in erheblichem Umfang ABS-, MBS- und CDO-Papiere an und nahmen zum Teil auch weitere Verbriefungsvorgänge vor. Die Zweckgesellschaften wurden dabei meist im Ausland betrieben. Dies diente nicht nur dem Zweck, das Engagement nicht in den Bilanzen der formal getrennten Mutterbank aufweisen zu müssen, sondern auch und insbesondere dem Zweck, die Unterlegung der Anleihen mit ausreichendem Eigenkapital der hinter der Zweckgesellschaft stehenden Bank zu umgehen. Zudem unterlagen die ausländischen Zweckgesellschaften nicht der deutschen Bankenaufsicht. Da die Zweckgesellschaften allerdings kaum Eigenkapital aufwiesen, mussten sie entsprechendes Kapital am Markt beschaffen. Sie legten hierzu auf den von ihnen gekauften Papieren aufbauend sogenannte ABCP-Programme auf (Asset Backed Commercial Papers, im Folgenden: ABCP).59 Dabei handelte es sich um forderungsunterlegte, kurzlaufende Geldmarktpapiere.60 Der Ankauf verbriefter Forderungen (meist in Form von CDOs) wurde durch die Ausgabe der ABCP finanziert. Da Letztere deutlich kürzere Laufzeiten hatten als Erstere61, war es regelmäßig möglich, für das Commercial Paper einen geringeren Zins zu zahlen gemessen an dem Zins, den man mit dem durch den Kauf des Commercial Paper finanzierten Produkt erwirtschaftete.62 Die Fristentransformation diente also im Ergebnis der Nutzung von 57 Zum Ganzen Rudolph, zfbf 60 (2008), 713, 722 ff. Grafische Darstellung des Wertverlustes hypothekenbasierter CDOs der Kategorie AAA und BBB von 2006 bis 2010 bei Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 61 (Abb. 2.7). 58 Zu den als „Conduits“ oder „Structured Investment Vehicles (SIVs)“ betriebenen, pejorativ auch als „Zombiebanken“ bezeichneten Zweckgesellschaften und ihrer Funktion als „Quasi-Bank“ Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 94 f. 59 Zu ABCP instruktiv Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1107 ff. Grafische Darstellung eines ABCP-Programms bei Rudolph, ZGR 2010, 1, 16. 60 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1109. 61 Die Laufzeit betrug regelmäßig zwischen 30 und 90 Tagen, selten mehr als neun Monate, s. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 125 f. 62 Laut Florstedt, AG 2010, 315, 315 erzielten US-amerikanische subprime-Papiere eine Rendite von etwa 6 oder 7 %, die für die Zwecke der Refinanzierung ausgegebenen kurzlaufenden Wertpapiere wurden indes nur mit 1,5 bis 4 % verzinst.

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Zinsdifferenzen: Den ABCP-Programmen lag die Idee zugrunde, Geld mit kurzer Laufzeit und niedrigen Zinsen aufzunehmen, um es sofort in ABS-Anleihen mit höherer Verzinsung zu investieren.63 Sie stellten insoweit eine verkappte Abwandlung des klassischen Kreditgeschäfts dar, bei der das Aktiv- und das Passivgeschäft das Gewand der Verbriefung tragen: Die Hereinnahme von Geldern geschah durch die Emission der Commercial Papers und die Kreditvergabe durch den Ankauf verbriefter Kredite.64 Die mit einer Fristentransformation verbundenen Gefahren sind dabei seit jeher ebenso bekannt wie der teils als „goldene Bankregel“ bezeichnete Grundsatz, fristenkongruent zu finanzieren. Freilich gilt diese Regel nicht absolut. Durch Fristentransformationen wird vielmehr eine Optimierung der Kapitalallokation erreicht, die wesentliche Bedingung für eine moderne Volkswirtschaft ist65, in der Fristentransformation liegt ein Kern des Bankengeschäfts.66 Ein Vorwurf kann daher allenfalls darin liegen, dass das System der Fristentransformation exzessiv genutzt wurde. Die mit dem Prinzip „aus kurz mach lang“ ganz grundsätzlich verbundenen Risiken mussten dabei jedem Banker bewusst sein.67 Angesichts des Umstandes, dass die ABCP-Programme durch im Ausland angesiedelte, unterkapitalisierte Zweckgesellschaften betrieben wurden, fragt es sich, weshalb es überhaupt Abnehmer für ihre Commercial Papers gab. Deren Ausgabe durch eine unterkapitalisierte Zweckgesellschaft konnte nur funktionieren, wenn die Käufer ihr ein entsprechendes Vertrauen entgegenbringen durften, denn selbst in den Zeiten der ABS-Gläubigkeit wäre niemand bereit gewesen, mittels des Erwerbs eines Commercial Papers einer neu gegründeten und unterkapitalisierten Zweckgesellschaft mit Sitz im Ausland Geld zu leihen, das diese ohne nennenswertes Eigenkapital sogleich in hochverzinsliche Anlagen pumpt68. Das für das angestrebte Unterfangen nötige Vertrauen, welches zu niedrigen Zinssätzen gegenüber den ABCP-Käufern führte, wurde dadurch erreicht, dass Banken wie etwa die IKB und die SachsenLB Garantien für das ABCP-Geschäft ihrer Zweckgesellschaften abgaben. Die hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken (sogenannte Sponsoren) statteten Erstere mit Kredit- oder Liquiditätslinien aus. Das dadurch erst mögliche Vertrauen in die Zweckgesellschaften war auf der einen Seite zwar essentiell für das Funktionieren der ABCP-Programme, führte auf der anderen Seite aber unweigerlich dazu, dass letztlich die hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken wirtschaftlich das Kreditausfallrisiko trugen. Es kam also durch das Einstehen für eventuelle Ausfälle de facto zu einer Re-Intermediation des Kreditgeschäfts durch das Bankensystem, ohne dass die für die Zusage verantwortliche Bank

63 64 65 66 67 68

Schröder, ZStW 123 (2011), 771, 776. s. Schröder, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, S. 59, 67. Fischer, in: Schimanksy/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125 Rn. 15. Vgl. Wundenberg, Compliance, S. 30 m.w.N. s. Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 38. Schröder, ZStW 123 (2011), 771, 777.

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hierfür ausreichend Eigenkapital vorhielt.69 Denn die Sponsoren nutzten für die von ihnen gemachten Zusagen vor allem die Tatsache aus, dass im Rahmen von Basel I für Kreditzusagen mit einer Laufzeit von bis zu 364 Tagen keine Eigenkapitalunterlegung erforderlich war.70 Eine derartige Unterlegung hätte das zuvor beschriebene Modell wohl deutlich unattraktiver oder gar unmöglich gemacht. Für die SachsenLB etwa wurde errechnet, dass diese bei weniger als vier Milliarden Euro Eigenkapital über vierzig Milliarden Euro an Liquiditätszusagen für ihre Zweckgesellschaften abgegeben hatte und dass die SachsenLB für den Fall, dass sie ihre Zweckgesellschaften hätte bilanzieren müssen, 79 % mehr Eigenkapital benötigt hätte, als sie tatsächlich besaß.71 Dass eine Eigenkapitalunterlegung aufgrund der gewählten Konstruktion nicht erforderlich war, darf – auch wenn dies nicht positiv konnotiert sein soll – durchaus als „raffinierter Kunstgriff“72 bezeichnet werden, durch den sich die Sponsoren eine damals bestehende Regulierungslücke zunutze machten. In den Garantiezusagen lag also gepaart mit der massiven Nutzung der Fristentransformation die Gefahr für die garantiegebenden Banken.73 Zwar ließ sich angesichts des erheblichen Investitionsvolumens mit der Fristentransformation lange Zeit ein erheblicher Gewinn durch die Zinsmargen der Zweckgesellschaften realisieren, der in der Folge zu großen Teilen an die garantiegebenden Banken floss. Doch musste dieses System zusammenbrechen, sollte eines Tages die Werthaltigkeit der ABS-, MBS- und CDO-Papiere angezweifelt werden – schließlich waren sie die Basis, die dem gesamten Geschäftsmodell zugrunde lag. Und diese Basis wiederum baute auf höchst fragwürdig zustande gekommenen Krediten auf, deren Absicherung maßgeblich von stetig steigenden Immobilienpreisen abhing. dd) Verbriefungsmarkt als Motor weiterer Kreditvergaben Die Kreditvergabe auch an schwache Schuldner florierte nicht zuletzt aufgrund eines lange Zeit funktionierenden Verbriefungssystems, das die anfallenden Kreditrisiken gut kaschierte, rund um den Globus verteilte und damit Raum schuf für die Vergabe weiterer Kredite. Bereits bei der Kreditvergabe konnten Banken infolge des rasant wachsenden Verbriefungsmarktes und der Möglichkeit, durch eine Tranchierung auch minderwertige Kreditforderungen handelbar zu machen, damit rechnen, den Kredit nicht lange in ihren Büchern halten zu müssen.74 Eine Haftbarmachung der die Kreditvorgänge initiierenden Hypothekenbanken für Kreditri69

Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 126. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 128. 71 Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 26 m.w.N. 72 Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 35. 73 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 89, der die massive Fristentransformation durch Quasi-Banken als „größte Bedrohung für die Statik des Finanzsystems“ bezeichnet. 74 Vgl. Park-Park/Sorgenfrei, Teil 1, Rn. 18. 70

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siken der Hypotheken war meist nicht vorgesehen.75 Die Kreditnehmer mussten lediglich bis zur Abtretung an die Zweckgesellschaft die Raten bezahlen können, anschließend trugen die kreditgebenden Banken das Ausfallrisiko nicht mehr.76 Die Auslagerung der Kreditrisiken erlaubte es ihnen, neue Kredite zu vergeben und führte damit zu einem Anschwellen des Gesamtkreditvolumens und des ABS-getriebenen Anleihemarktes – wobei die Kreditnehmer als final verpflichtete Teile der Schuldnerkette indes nicht leistungsfähiger wurden.77 Dass der Anreiz zu einer fundierten Bonitätsprüfung spürbar sinkt, wenn die kreditgebenden Banken sicher sein können, Abnehmer selbst für zweifelhafte Kreditforderungen zu finden, liegt auf der Hand.78 Dass sie sicher sein konnten, Abnehmer zu finden, lag auch daran, dass fristentransformierende Zweckgesellschaften das Volumen ihres Engagements im ABS-Markt stetig ausweiteten und die oftmals dem US-amerikanischen Immobilienmarkt entspringenden ABS-Anleihen bei den von deutschen Banken gesponserten Zweckgesellschaften reißenden Absatz fanden.79 Der Markt für MBS und CDOs wuchs in den USA nach und nach zum größten Segment des Anleihemarktes noch vor dem Markt für staatliche Anleihen und andere forderungsbesicherte Wertpapiere.80 Die immensen Dimensionen gepaart mit der Involvierung und Verkettung von Banken rund um den Globus waren es letztlich, die dazu führten, dass mit dem Ende des vorstehend skizzierten Geschäftsmodells die gesamte Finanzbranche ins Wanken geriet. ee) Zwischenergebnis Die am Anfang der Kette stehenden Kredite, die großzügig auch an kaum kreditwürdige Schuldner vergeben wurden, stießen die kreditgebenden Banken alsbald ab. Eine intensive Nutzung des Verbriefungsmechanimus und eine ausgeklügelte Technik der Bündelung und Tranchierung von Kreditrisiken unter gleichzeitiger Einbeziehung der Ratingagenturen führten dazu, dass auch bei einer zweifelhaften Besicherung Kreditrisiken leicht weitergereicht werden konnten und das Gesamtkreditvolumen stetig wuchs. Erst die neuartigen Techniken der Verbriefung und die zunehmende Bankenpraxis des „originate and distribute“ konnten dabei den Umfang und die weltweite Verbreitung der US-Immobilienkrise verursachen.81 Das ständige Weiterreichen der Kreditrisiken erlaubte es über Jahre 75

Hierzu Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 19 f. Park-Park/Sorgenfrei, Teil 1, Rn. 18. 77 Gallandi, wistra 2009, 41, 42. 78 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 93, 118 f., der insbesondere in den letzten Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise ein unzureichendes Monitoring bei Hypothekenkrediten ausmachte. Horn, KSzW 2010, 67, 69 sieht hierin die größte Fehlerquelle. 79 Vgl. Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1130, der diesbezüglich von einer „fatalen Wechselwirkung“ spricht. 80 Rudolph, ZGR 2010, 1, 5. 81 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 89. 76

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hinweg einer Vielzahl von Akteuren, erhebliche Profite zu machen. Gleichzeitig führte es dazu, dass die Kreditrisiken über den Globus verteilt wurden und statt der ursprünglich kreditgebenden Banken vor allem entferntere Akteure die Risiken trugen. Hierzu dürfen auch zahlreiche deutsche (Landes-)Banken gezählt werden. Am Ende der Kette waren auch sie im Verbriefungsgeschäft engagiert – wenn auch meist nur im Hintergrund durch das Betreiben massiver Fristentransformationen mittels unterkapitalisierter ausländischer Zweckgesellschaften, welche rein wirtschaftlich gesehen von den deutschen (Landes-)Banken betrieben wurden. Das Instrument der Verbriefung erlaubte es ihnen, sich indirekt am über Jahre hinweg boomenden US-Immobilienmarkt zu beteiligen. Dies taten sie angesichts der lange Zeit erzielbaren Renditen gerne und in massivem Umfang. Instrumente, die eigentlich der Streuung und Reduzierung von Haftungsrisiken dienen sollen, wurden durch ihre konkrete Nutzbarmachung letztlich zur Keimzelle eines Risikos für das globale Finanzsystem. Durch die vielfältigen, kaum noch zu durchschauenden Verflechtungen der Beteiligten über die Finanzprodukte, aber auch durch Rückversicherungen und Liquiditätszusagen hatte sich ein Netz gebildet, das nur solange nicht riss, wie die Werthaltigkeit der gehandelten Papiere nicht ernsthaft angezweifelt wurde. Während die zu Beginn dieses Abschnitts genannten Ursachen wie etwa die US-amerikanische Niedrigzinspolitik, non-recourse loans und auch politische Ziele den äußeren Rahmen für das Geschäftsmodell begründeten, schloss sich das vorstehend zumindest in seinen Grundzügen beschriebene Verbriefungsgeschäft als ebenso unabdingbares Element auf dem Weg zur Finanzkrise an. Bei aller Komplexität des Geschäftsmodells bildeten den Grundpfeiler des Systems immer noch die US-amerikanischen Immobilienkredite. Solange der Wert der sie sichernden Immobilien stieg, konnte das System funktionieren. Es musste indes scheitern, sollte die Blase platzen. c) Aufsichts- und Aufsichtsrechtsversagen Das vor Ausbruch der Finanzkrise bestehende Aufsichtsrecht und das Verhalten der Aufsichtsbehörden haben das zuvor beschriebene Modell sowie den hieraus hervorgehenden Ausbruch der Finanzkrise nicht verhindern können. Dass auch Schwächen im Bereich der Bankenaufsicht die Entstehung der Finanzkrise zumindest begünstigt haben, darf inzwischen als gesicherte Erkenntnis gelten. Dabei dürfte es sich allerdings weniger um ein Aufsichtsversagen als vielmehr um ein Versagen des Aufsichtsrechts handeln. Denn Ersteres kann nur dann in Rede stehen, wenn im Einzelfall tatsächlich Handlungsmöglichkeiten existieren, die von den Aufsichtsbehörden in vorwerfbarer Weise nicht genutzt werden. Dies aber war im Vorfeld der Finanzkrise wohl vielfach nicht der Fall.82 Primär handelte es sich um ein Versagen des Bankenaufsichtsrechts, denn der damals geltende Regulierungsrahmen wies

82

In der Tendenz anders Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 42.

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Defizite auf, die das zuvor beschriebene System und das Ausmaß seines Scheiterns erst ermöglichten. Diese können hier nur in Ansätzen beschrieben werden.83 Von entscheidender Bedeutung für das Handeln deutscher Banken ihrer Banker war neben fragwürdigen Vergütungsstrukturen84 vor allem, dass die Gewährung von Liquiditätsfazilitäten an im Ausland befindliche, rechtlich eigenständige Zweckgesellschaften nicht mit der Verpflichtung einherging, die Zweckgesellschaften bilanziell zu konsolidieren. Gleichzeitig nutzten die Banken den Umstand aus, dass nach den seinerzeit gültigen Vorgaben von Basel I für Kreditzusagen mit einer Laufzeit von bis zu 364 Tagen keine Eigenkapitalunterlegung erforderlich war.85 Als das Geschäftsmodell der Zweckgesellschaften ins Stocken geriet, waren zahlreiche Sponsoren angesichts des Volumens der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaften nicht in der Lage, die massiven Verluste über ihr Eigenkapital abzufedern. Überdies schien die national geprägte Aufsichtsstruktur angesichts der Globalisierung der Finanzmärkte zu kleinteilig, um systemische Risiken angemessen zu erfassen und das Ausmaß des Handelns der Finanzmarktakteure offen zu Tage treten zu lassen.86 Hierzu trug die Entwicklung eines Systems von Schattenbanken maßgeblich bei, welches die Aufsicht bis heute vor erhebliche Probleme stellt. Dies sind nur wenige Aspekte, die aber andeuten, dass es sich im Kern weniger um ein Aufsichts-, als vielmehr um ein Regulierungsversagen im Sinne eines Versagens des Bankenaufsichtsrechts gehandelt hat.87 Hier besonders interessierend wurde im Nachgang der Finanzkrise an verschiedenen Stellen auch darauf hingewiesen, dass es Schwachstellen bei den Complianceund Risikomanagementsystemen gegeben habe.88 Offensichtlich waren nicht nur die Ratingagenturen, sondern auch die Banken über ihre vorgehaltenen Risikomanagementsysteme entweder nicht imstande, die über die Zweckgesellschaften auch sie 83 Einen Überblick gibt der De-Larosière-Report der High Level Group on Financial Supervision in the EU, Ziff. 25–31. Ausführlich zu Schwächen im Bankaufsichtsrecht und Schwächen der Bankenaufsicht im Vorfeld der Finanzkrise Scholl, Vorstandshaftung, § 11 Rn. 23 ff. 84 Zur insoweit erfolgten und von einer breiten Öffentlichkeit beobachteten Entwicklung B/ F/S-Wolfgarten, Vorbem. zur InstitutsVergV, Rn. 1 ff. Eingehend zum derzeitigen gesellschafts- und aufsichtsrechtlichen Vergütungsregime in Finanzinstituten Bauerfeind, GWR 2016, 89 passim. 85 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 128. Hierzu auch Scholl, Vorstandshaftung, § 11 Rn. 41 ff. m.w.N. Zum generellen Bestreben, den Einsatz von Eigenkapital zu minimieren, ebd. § 11 Rn. 24 ff. 86 Eine mangelnde internationale Abstimmung bemängelt etwa der De-Larosière-Report der High Level Group On Financial Supervision in The EU, Ziff. 28 ff. Blaurock, JZ 2012, 226, 228, sieht dies als den wichtigsten Faktor innerhalb der Ursachen der Finanzkrise an. 87 So auch Thiele, Finanzaufsicht, S. 33. Ein Großteil der an der BaFin wegen der Finanzkrise geübten Kritik sei daher „an den falschen Adressaten gerichtet“. 88 s. etwa den De-Larosière-Report der High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report of 25 Feb. 2009, Ziff. 13 ff., 23, 122 ff., 236, sowie Sachverständigenrat, Das deutsche Finanzsystem, Rn. 231 ff.

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selbst treffenden Risiken ausreichend zu berücksichtigen, oder aber es wurden vorhandene Erkenntnismöglichkeiten nicht genutzt oder gar ignoriert.89 Es darf auch vermutet werden, dass teils kein besonders großer Anreiz bei den beteiligten Banken bestand, die Risiken genau zu hinterfragen, schließlich stimmten über Jahre hinweg die Überschüsse ebenso wie die Bonuszahlungen. In einer Gemeinschaft, in der die laufenden Geschäftserfolge und die Boni den Maßstab des Erfolgs und die Grundlage des persönlichen Reichtums bilden, sind hohe Beiträge zum Konzernergebnis jedenfalls eine Legitimationsquelle, die auch ein Risiko-Controller und eine Konzernleitung nicht ohne weiteres in Frage stellen können.90 Auch die weiche Seite des Risikomanagements, die Risikokultur, wurde wohl über Gebühr vernachlässigt91, das Ertragsdenken dominierte. Beim Risikomanagement setzt nun § 54a KWG an, der die Einhaltung gewisser Risikomanagementpflichten durch eine strafrechtliche Flankierung fördern und etwaiges Fehlverhalten einer Ahndung öffnen soll. Die Norm stellt, selbst wenn dies in Tatbestand und Gesetzesbegründung nicht übermäßig deutlich hervortritt92, eine Reaktion auf die Erfahrungen im Rahmen der Finanzkrise dar. § 54a KWG ist dabei wie auch das ihn enthaltene Trennbankengesetz insgesamt nur eine der überaus zahlreichen Maßnahmen, die im Nachgang zur Finanzkrise ergriffen wurden. Letztere führte zu einer regelrechten Regulierungswelle, die noch kein Ende gefunden hat.93 Ob die zahlreichen regulatorischen Maßnahmen, die inzwischen veränderten Aufsichtsbefugnisse und -strukturen sowie insbesondere die immer weiter betriebene Europäisierung der Bankenaufsicht begrüßenswerte Reaktionen auf die Finanzkrise darstellen, kann und muss an dieser Stelle nicht bewertet werden.94 Für die vorliegende Untersuchung wird aber durchgehend von Bedeutung sein, ob und falls ja wie sich das Zusammenspiel eines fortschreitend europäisierten Bankenaufsichtsrechts und des Strafrechts sinnvoll realisieren lässt und ob dies im Falle des § 54a KWG gelungen ist. 89 Vgl. Sethe, ZBB 2012, 357, 362 sowie Rudolph, zfbf 60 (2008), 713, 727 f., der allerdings die Schwierigkeit betont, Risikointerdependenzen wie etwa zwischen Markt- und Kreditrisiken auf der einen und Liquiditätsrisiken auf der anderen Seite zu messen. 90 Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 40. 91 So Rudolph, zfbf 60 (2008), 713, 728 f. 92 Zutreffende Kritik insoweit durch Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014q: Der innere Bezug zu den Ursachen der Finanzkrise sei „nur schemenhaft zu erkennen“, die Entwurfsbegründung bediene sich eines „blutleeren Vokabulars, anstatt das Problem der Umgehung kreditwirtschaftlicher Grundsätze offen anzusprechen und die exzessive Fristentransformation in Conduits als mögliches Beispiel zu bezeichnen“. 93 Übersichten etwa bei Höche, in: Bankrechtstag 2013, S. 3 ff.; Börner, in: Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 33, 43 ff. 94 Generell skeptisch bezüglich einer immer fortschreitenden Europäisierung des Bankund Kapitalmarktrechts Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 63 ff., der von einer „systemgefährdenden Angleichung des Bankensystems“ spricht.

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

d) Zwischenergebnis Die Finanzkrise war ein polymorphes Gebilde, das sich einer monokausalen Betrachtungsweise entzieht.95 Makroökonomische Ursachen wie ein niedriges Zinsniveau und reichlich Liquidität gingen Hand in Hand mit der Entwicklung und Verbreitung komplexer Verbriefungsmechanismen; Fehlbeurteilungen durch Banken und Ratingagenturen wurden flankiert von einer unangepassten Aufsichtsstruktur. Das Gewicht dieser und anderer Ursachen mag im Einzelnen unterschiedlich bewertet werden. Eine klar dominierende Ursache gibt es jedenfalls nicht. Diese Vielschichtigkeit erschwert nicht nur die Suche nach sowie die Entwicklung von Instrumenten zur Vermeidung ähnlicher Krisen in der Zukunft. Sie erschwert zugleich die (auch rechtliche) Aufarbeitung dessen, was war. Dies gilt in besonderem Maße für die strafrechtliche Aufarbeitung, bedingt diese doch stets eine Anknüpfung an individuelles schuldhaftes Verhalten. Ob hierfür angesichts der zahlreichen systemischen Faktoren, welche die Entstehung der Finanzkrise begünstigt und das Verhalten der Finanzmarktakteure bestimmt haben, überhaupt Raum ist, soll in einem späteren Abschnitt behandelt werden (unten 3.). Zunächst gilt es, die wichtigsten Etappen des Verlaufs der Finanzkrise nachzuzeichnen, um ein Gefühl für das Ausmaß dieser Krise und die Bedeutung systemischer Risiken zu bekommen. 2. Verlauf der Finanzkrise Mitte des Jahres 2007 nahm die Finanzkrise konkrete Gestalt an. Mit dem Platzen der Immobilienblase [a)] setzte der Verlust des im Finanzsektor so wichtigen Vertrauens ein, der das vor allem von deutschen (Landes-)Banken betriebene Fristentransformationsmodell zum Erliegen brachte [b)]. Infolge des plötzlich einsetzenden Vertrauensverlustes im Finanzsektor gerieten Banken rund um den Globus in Schwierigkeiten [c)]. Sinnbildlich für die Finanzkrise steht dabei der Zusammenbruch von Lehman Brothers, der eine Zäsur im Verlauf der Finanzkrise bedeutete [d)]. Um einen Kollaps des Weltfinanzsystems zu verhindern, wurden vielfach und auch von Seiten der deutschen Regierung milliardenschwere Rettungsmaßnahmen ergriffen, deren Kosten bis heute nicht klar zu beziffern sind [e)]. a) Platzen der US-Immobilienblase Zwischen 2004 und Mitte 2007 wurde der über Jahre hinweg sehr geringe Leitzins durch die US-Notenbank von 1 % auf 5,25 % erhöht.96 Auch das Hypothekenzinsniveau stieg wieder an.97 Da sich in dieser Phase auch die Wirtschaft in den USA abschwächte, stagnierten bei vielen Kreditnehmern die Einkommen oder sie wurden 95 96 97

Binder, ZGR 2016, 229, 233 m.w.N. Grafische Darstellung bei Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 71, Abb. 2.11. Grafische Darstellung bei Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 72, Abb. 2.12.

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gar arbeitslos. Nicht zuletzt aufgrund der oft variabel ausgestalteten Zinssätze konnten immer mehr Schuldner ihre Kredite nicht mehr bedienen und mussten schließlich ihre Häuser verlassen. Da immer mehr Immobilien frei wurden und ein Überangebot an Immobilien entstand, sanken die Immobilienpreise nach Jahren des Booms zwangsläufig.98 Ein schneller, massiver Preisverfall zeugte davon, dass die US-Immobilienblase geplatzt und damit ein entscheidender Sicherheitsfaktor für das im vorherigen Abschnitt beschriebene Geschäftsmodell entfallen war. Erste Hedge Funds legten große Verluste offen und Ratingagenturen sahen sich Mitte 2007 gezwungen, die Ratings vieler Hypothekenverbriefungen und weiterer Derivate drastisch zurückzustufen – etliche gleich um mehrere Bewertungsstufen auf einmal, was für die Anleger in den Märkten so aussah, als hätten die Ratingagenturen erkannt, dass ihre bisherigen Analysen grundlegende Fehler enthielten und eine gänzliche Neubewertung der Risiken notwendig sei.99 b) Vertrauensverlust und gescheiterte Fristentransformationen Mit dem Platzen der Immobilienblase schwand nicht nur das Vertrauen in die im Wesentlichen auf den Immobilienkreditforderungen aufbauenden Verbriefungen, sondern auch das Vertrauen in die ABCP-Programme der insbesondere von deutschen (Landes-)Banken betriebenen Zweckgesellschaften. Letztere waren aufgrund des massiven Betreibens von Fristentransformationen und angesichts weitgehend fehlenden Eigenkapitals aber auf einen ständigen Geldzufluss angewiesen. Sie bedurften einer fortlaufenden Finanzierung durch die Ausgabe ihrer Commercial Papers. Ein Verkauf der von ihnen gehaltenen langfristig laufenden ABS-Anleihen schied aus, da der Markt für diese infolge des Vertrauensverlustes quasi zum Erliegen gekommen war.100 Als ab August 2007 auch die kurzfristigen Refinanzierungsmöglichkeiten für die Zweckgesellschaften aufgrund des um sich greifenden Vertrauensverlustes ausfielen, brach das System der Fristentransformation in sich zusammen – „eine gigantische Refinanzierungsfalle schnappte zu“101. Die Rückzahlung der kurzfristigen Kredite überforderte die ohne nennenswertes Eigenkapital ausgestatteten Zweckgesellschaften und rief die hinter ihnen stehenden Sponsoren auf den Plan. Sie sollten die von den ABCP-Käufern verweigerte Anschlussfinanzierung auffangen. Angesichts des enormen Umfangs der Geschäftstätigkeit im Verbriefungssektor waren die Sponsoren mit der Inanspruchnahme durch die Zweckgesellschaften allerdings vielfach überfordert und gerieten daher ihrerseits in Existenznot. Die plötzliche massive Inanspruchnahme der Kredit- bzw. Liquiditätslinien nach den Herabstufungen der auf den Immobilienkreditforderungen auf98 Zum Bestandsüberhang auf dem US-amerikanischen Häusermarkt zwischen 1970 und 2008 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/09, S. 126. 99 Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 25. 100 Hierzu Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/09, S. 120. 101 Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 33.

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

bauenden Finanzprodukte durch die Ratingagenturen wurde für die Sponsoren der Zweckgesellschaften zur Falle.102 Dass trotz der Liquiditätszusagen der hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken die Refinanzierung am Kapitalmarkt für die Zweckgesellschaft nicht mehr möglich war, zeigte deutlich, dass auch das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Sponsoren geschwunden war – und damit das Vertrauen selbst in Großbanken von gegebenenfalls gar systemischer Relevanz. c) Banken weltweit in Schwierigkeiten Vertrauen ist essentiell für ein funktionierendes Finanzwesen und von besonderer Bedeutung für den Interbankenhandel. Als das Vertrauen schwand, geriet der im Laufe der Jahre heiß gelaufene Motor im Verbriefungsgeschäft ins Stocken und der Ausbruch einer den US-amerikanischen Markt weit überschreitenden Banken- und Finanzkrise war nicht mehr aufzuhalten. Zu Recht darf die Finanzkrise als „Vertrauenskrise“103 und als „Lehrstück über die elementare Rolle des Vertrauens für die Wirtschaft und insbesondere die Finanzwirtschaft“104 bezeichnet werden. Im September 2007 erzeugte dieser Vertrauensverlust erste medienwirksame Bilder durch lange Schlangen von Kunden vor Geldautomaten der britischen Bank Northern Rock. Ihr war es nicht gelungen, sich auf dem Interbankenmarkt ausreichend zu refinanzieren, und die Einleger begannen, ihre Gelder in Sicherheit zu bringen. Im Februar 2008 schließlich wurde Northern Rock verstaatlicht. Das Bankensterben hatte eingesetzt. Beinahe täglich erfolgten nun Übernahmen und Verstaatlichungen, es wurden milliardenschwere Rettungspakete geschnürt.105 Der US-amerikanische Staat sah sich im Sommer 2008 gezwungen, die beiden weltweit größten Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac zu stützen, zuvor musste er bereits den Immobilienfinanzierer IndyMac auffangen.106 Auch zahlreiche deutsche Banken gerieten in Schwierigkeiten, weil sie selbst oder über Zweckgesellschaften in erheblichem Umfang in die nunmehr stark abgewerteten Papiere investiert hatten und hierdurch milliardenschwere Verluste erlitten. Als erstes bedurfte die halbstaatliche IKB AG Mitte 2007 umfangreicher Hilfsmaßnahmen107, es folgte unter anderem die SachsenLB, die ebenfalls staatliche Stützungsmaßnahmen benötigte und Anfang 2008 von der LBBW übernommen und auf diese verschmolzen wurde.108 Massive Verluste musste im Zuge der Finanzkrise auch die bedeutende

102

Vgl. Rudolph, ZGR 2010, 1, 17. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/08, S. 89 („massive Vertrauens- und Liquiditätskrise“). 104 Horn, KSzW 2010, 67, 67. 105 s. die tabellarische Übersicht bei Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 80 f. 106 Hierzu Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 86 ff. 107 Zur IKB in der Finanzkrise Scholl, Vorstandshaftung, § 12 Rn. 2 f. 108 Zur SachsenLB in der Finanzkrise Scholl, Vorstandshaftung, § 12 Rn. 15 f. 103

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Privatbank Hypo Real Estate (Bilanzsumme im Jahr 2007 ca. 400 Mrd. E109) hinnehmen, der insbesondere die Geschäfte ihrer irischen Tochter Depfa Bank plc. zum Verhängnis geworden waren. Sie konnte Ende des Sommers 2008 nur durch staatliche und private Kreditlinien in Höhe von rund 50 Mrd. E sowie staatliche Bürgschaften über 52 Mrd. E vorläufig gerettet werden.110 Der große Knall stand den Finanzmärkten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch bevor. d) Lehman Brothers Der große Knall erfolgte am 10. 9. 2008. Entgegen aller Erwartungen, eine Bank der Größenordnung von Lehman Brothers (die Bilanzsumme betrug 2007 rund 692 Mrd. US-Dollar111) müsse und würde gerettet werden, verweigerte die USRegierung ihr eine finanzielle Unterstützung. Lehman Brothers musste fünf Tage später Konkurs anmelden. Der Konkurs dieser weithin als systemrelevant erachteten Bank führte dazu, dass sich die schon lange schwelende Krise zu einem Flächenbrand ausweitete, weil das gegenseitige Vertrauen, die Basis des Bankenverkehrs, nun endgültig zusammengebrochen war.112 Der Startpunkt für die akute Phase der Finanzkrise war gesetzt und die Beschleunigung der realwirtschaftlichen Krise setzte ein.113 Die Krise, welche ihren Ausgangspunkt im amerikanischen Subprime-Markt hatte, weitete sich zu einem „internationalen Flächenbrand der Finanzmärkte“114 aus, der in der Folgezeit nicht nur zahlreiche Banken, sondern auch die Realwirtschaft immer stärker in Mitleidenschaft zog. Um der Abwärtsspirale zu entkommen, sahen sich Regierungen rund um den Globus gezwungen, milliardenschwere Rettungspakete für notleidende Banken und Versicherer zu schnüren. Der Zusammenbruch von Lehman Brothers hatte das Weltfinanzsystem ins Wanken gebracht, den Einsturz weiterer tragender Säulen wollte man nicht riskieren. e) Kosten der Bankenrettung Die weltweit ergriffenen Rettungsmaßnahmen erreichten bis dahin kaum vorstellbare Größenordnungen. Wie hoch die aufgebrachten Summen im Ergebnis sein werden, kann derzeit noch nicht verlässlich beurteilt werden. Dies ist für die vorliegenden Zwecke aber auch nicht nötig. Zur Veranschaulichung des Ausmaßes der Bankenrettung sollen lediglich die folgenden Zahlen dienen. 109

http://www.finanzen.net/bilanz_guv/Hypo_Real_Estate (zul. abg. 30. 11. 2016). Hierzu im Einzelnen Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 96 f.; Scholl, Vorstandshaftung, § 12 Rn. 53, jeweils m.w.N. 111 http://www.finanzen.net/bilanz_guv/Lehman_Brothers (zul. abg. 30. 11. 2016). 112 Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 89; ähnlich Rudolph, ZGR 2010, 1, 22 f. 113 Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 26. 114 Rudolph, zfbf 60 (2008), 713, 713. 110

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Unter dem Eindruck des Konkurses von Lehman Brothers, der Notrettung der Hypo Real Estate und des weltweit ausgelösten Bebens in der Bankenbranche schuf der deutsche Gesetzgeber äußerst kurzfristig durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) vom 17. 10. 2008115 den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). Ausgestattet wurde der SoFFin mit einem Etat von bis zu 480 Mrd. E, wobei 400 Mrd. E auf mögliche Garantien entfielen.116 Selbstredend handelt es sich insoweit nicht insgesamt um „verlorenes“ Geld. Soweit überhaupt staatliche Hilfsmittel in Anspruch genommen werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Belastung im Ergebnis den Staat und damit dessen Steuerzahler trifft. Werden die Gelder zurückgeführt, können für den Staat hieraus vielmehr Einnahmen folgen. In der Spitze wurden durch den SoFFin etwa 168 Mrd. E an Garantien gewährleistet – keine davon ist allerdings ausgefallen. Die letzten Liquiditätsgarantien wurden im Jahr 2013 zurückgeführt, sie führten zu Provisionen in Höhe von über 2 Mrd. E.117 Zum Ende des Jahres 2015 belief sich der seit seiner Gründung aufgelaufene, nicht gedeckte Fehlbetrag des SoFFin auf rund 22,6 Mrd. E.118 Die direkten Kosten, die die Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Finanzkrise für Bankenrettungen aufgebracht hat, sind noch nicht konkret zu beziffern und werden weiterhin kontrovers diskutiert. Realistisch scheint es nach bisherigem Stand, sie mit rund 50 Mrd. E zu veranschlagen.119 Noch höher sind freilich die indirekten Kosten, welche die Finanzkrise nach sich gezogen hat. So ging das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr um über 5 % zurück.120 Der Verlust an Wirtschaftsleistung bringt Lohnverluste und geringere Unternehmensgewinne mit sich, er führt zu geringeren Investitionen und damit auch geringerem technologischen Fortschritt. Gerade in diesen indirekten Kosten liegt ein erheblicher Schaden für die deutsche Volkswirtschaft. Auch wenn die Kosten der Finanzkrise für den Staatshaushalt und die Volkswirtschaft nicht genau beziffert werden können, sollen an dieser Stelle jedenfalls zwei Dinge festgehalten werden: Zum einen wird die vergangene Finanzkrise 115

BGBl. I, S. 1982. Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1, Abs. 4 FMStFG. 117 s. den Bericht über das Geschäftsjahr 2013 des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin), http://www.fmsa.de/export/sites/standard/downloads/sonstige/SoFFin_Bericht_zum_ Geschaeftsjahr_2013.pdf S. 1 (zul. abg. 30. 11. 2016). 118 Bericht über das Geschäftsjahr 2015 des Finanzmarktstabilisierungsfonds FMS (SoFFin), https://www.fmsa.de/export/sites/standard/downloads/pressemitteilungen/2016/2 0160513_Pressemitteilung_FMSA.pdf S. 1 (zul. abg. 30. 11. 2016). Die Höhe der aus dem FMS resultierenden haushaltswirksamen Belastungen wird erst mit Abrechnung des FMS festgestellt werden. 119 s. etwa FAZ v. 17. 08. 2013, S. 12 sowie http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hrehsh-commerzbank-und-co-was-wurde-aus-den-skandalbanken-a-993557.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 120 http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=en&pcode= tec00115&plugin=1 (zul. abg. 30. 11. 2016). 116

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weithin einmütig als die schwerste seit 1929 betrachtet.121 Zum anderen geben die vorstehenden Zahlen zumindest ein Gefühl dafür, welche Ausmaße eine Bankenkrise annehmen kann, welchen Preis Regierungen für die Stabilität des Finanzsystems zu zahlen bereit waren, welche Folgen sich für die Realwirtschaft aus einer Finanzkrise ergeben können und weshalb der Gesetzgeber in der Verursachung einer Unternehmenskrise – jedenfalls im Falle einer damit einhergehenden Gefährdung der Finanzmarktstabilität – einen „besonderen Unwertgehalt“122 erblickt, den er in Zukunft mithilfe des § 54a KWG strafrechtlich erfassen möchte. f) Zwischenergebnis Infolge des Platzens der US-Immobilienblase entwickelte sich mit beeindruckender Geschwindigkeit ab Mitte 2007 eine das gesamte Finanzsystem bedrohende Banken- und Finanzkrise, die als die schwerste Krise seit 1929 gelten darf. Nur durch kurzfristige und massive staatliche Interventionen konnte ein Kollaps des Weltfinanzsystems verhindert werden. Neben US-amerikanischen waren insbesondere europäische und darunter zahlreiche deutsche Banken betroffen, die sich vielfach in schließlich existenzbedrohendem Umfang auf dem Subprime-Markt engagiert hatten. 3. Systemfehler und individuelle Verantwortlichkeit Angesichts der zuvor beschriebenen fatalen Auswirkungen der Finanzkrise stellt sich die Frage nach Verantwortlichkeiten mit großer Dringlichkeit. Geht es – und allein das interessiert für die vorliegende Untersuchung – um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, so dürften die vorstehenden Ausführungen eine ganz grundlegende Schwierigkeit im Bereich wirtschaftlicher Tätigkeit allgemein und im Finanzsektor im Besonderen bereits angedeutet haben: Die Zuweisung und Feststellung individueller Verantwortlichkeit in einem hochkomplexen Umfeld, das einer Vielzahl systemischer Einflüsse ausgesetzt ist. Anders formuliert: „Das Wirtschaftsstrafrecht ist ein Recht, dem der Nachweis des Tatverhaltens besonders schwer fällt […], ein Recht, das es wegen des Kontextes des möglichen tatbestandsmäßigen Verhaltens besonders schwer hat, verschiedene individuelle Verantwortlichkeiten untereinander und individuelle von kollektiver Verantwortlichkeit zu unterscheiden.“123 Dies gilt in besonderem Maße für den Bankensektor. Das Strafrecht hat aber nur dort einen Platz, wo individuelles, schuldhaftes Verhalten in 121 Statt vieler Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 15, 69: „Die amerikanische Immobilienkrise hat das Weltfinanzsystem ins Wanken gebracht und ein gewaltiges Zerstörungswerk ausgelöst, das in dieser Form keine geschichtliche Parallelen aufweist.“ Deutlich auch Martini, NJW 2010, 2019 („schwerste Finanzkrise der Menschheitsgeschichte“). 122 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. 123 Prittwitz, ZIS 2012, 217, 219.

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Rede steht. Das Versagen eines Systems begründet keine strafrechtliche Verantwortung. Damit stellt sich die Frage, welchen Platz das Strafrecht bei der Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise und der Vermeidung und Aufarbeitung zukünftiger Krisen haben kann. Am Beispiel der vergangenen Finanzkrise stehen sich dabei im Wesentlichen zwei Argumentationsmuster gegenüber, die – in Einzelheiten abweichend – entweder auf ein Systemversagen abstellen und damit die Möglichkeiten und Bedeutung des Strafrechts für derartige Sachverhalte eher gering einschätzen [a)], oder aber die Finanzkrise vor allem als Ergebnis individuellen Fehlverhaltens erachten und damit durchaus ein potenziell strafwürdiges menschliches Verhalten erkennen [b)]. Im Ergebnis geht es allerdings weniger um zwei sich ausschließende Positionen, als vielmehr um eine unterschiedliche Gewichtung systemischer Einflüsse bei der strafrechtlichen Bewertung individuellen Verhaltens und um die Frage, was das Strafrecht überhaupt leisten kann [c)]. a) Finanzkrise als Ergebnis eines anonymen Systemfehlers? Nach Ansicht des Ökonomen Sinn ist die vergangene Finanzkrise auf einen anonymen Systemfehler zurückzuführen und die Suche nach Schuldigen, die man vor Gericht oder moralisch zur Rechenschaft ziehen könnte, mache wenig Sinn, weil das Fehlverhalten zum Normalfall geworden sei und sich bei Tausenden von Entscheidungsträgern zeige, ohne dass man einzelne Individuen zu Hauptverantwortlichen machen könnte und sollte.124 Mit dieser skeptischen Grundhaltung befindet sich der Ökonom in guter juristischer Gesellschaft. Auch in ihr wird vielfach auf die begrenzten Möglichkeiten des Strafrechts hingewiesen. Die notwendige Anknüpfung an persönliche Schuld mache es von vornherein aussichtslos, strukturelle Probleme, die Folgen des vernetzten Verhaltens einer Vielzahl von Akteuren weltweit seien, mit den Mitteln des Strafrechts adäquat erfassen zu wollen; das eigentliche Problem sei mit den Mitteln des Strafrechts nicht lösbar.125 Auch seien die Zurechnungsstrukturen des geltenden Strafrechts grundsätzlich nicht tauglich, um die vernetzten systemischen Prozesse des Finanzmarkts zu rekonstruieren.126 Der rechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise mit dem „hölzernen Handschuh des Strafrechts“ stünden in vielen Bereichen große Hindernisse entgegen; das Wirtschaftsstrafrecht stoße bei der Aufarbeitung der Finanzkrise, die im Kern als Systemversagen einzustufen sei, an seine Grenzen127 und die auf Individualverantwortung bezogenen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen seien als Instrumente für die Korrektur und Vermeidung systematischer, sektorweiter Fehlentwicklungen kaum geeignet128. 124 125 126 127 128

Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 128. Ransiek, WM 2010, 869, 869. Jahn, JZ 2011, 340, 345. Rönnau, in: Die sog. Finanzkrise, S. 43, 62. Binder, ZGR 2016, 229, 246 ff.

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Plastisch formuliert heißt es teilweise, man könnte es mit einer – konsequenterweise straflosen – „Teilnahme ohne Haupttat“ zu tun haben, wobei die selbständigen Mechanismen der betriebswirtschaftlichen Systeme den Hauptpart übernähmen und die mitwirkenden Personen (straflose) Teilnehmer wären.129 Ein zurückhaltender Gebrauch des Strafrechts sei angezeigt und eine stärkere Erforschung der strafrechtsrelevanten normativen und empirischen ökonomischen Zusammenhänge gefordert – bis dies nicht geschehen sei, bleibe die Anwendung des Strafrechts experimentell.130 Werde dennoch zum Instrument des Strafrechts gegriffen, so bediene die Politik das gesunde Volksempfinden, sie erheische Zustimmung für ihre schonungslose Aufklärung und lenke gleichzeitig von ihrer eigenen, strafrechtlich nicht fassbaren Verantwortung ab.131 Auch solle das Strafrecht nicht den Blick auf den Grund der Krise versperren. So heißt es, dass wer (vermeintlich) Schuldige gefunden habe, schon nicht mehr nach Ursachen zu fahnden brauche und zugleich das Strafrecht instrumentalisiere, das dann nicht mehr ultima ratio, sondern Ausdruck des Ressentiments sei.132 Teilweise wird eine strafrechtliche Verantwortlichkeit in Bezug auf die Finanzkrise im Ergebnis auch mit dem Argument abgelehnt – und hierin besteht der Unterschied zu einer generellen Skepsis gegenüber den Möglichkeiten einer strafrechtlichen Erfassung der in Rede stehenden Sachverhalte – der Staat habe seinen Strafanspruch dadurch verwirkt, dass er sich widersprüchlich verhalten habe. Eine strafrechtliche Missbilligung der Geschäfte scheide aus, weil eine kreditwesenrechtliche Billigung der Geschäfte stattgefunden habe. Das hochriskante derivative Kreditgeschäft der Vergangenheit sei das Gemeinschaftswerk von Bankvorständen, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht sowie Finanzmarktpolitikern und Fehler einer staatlichen Wirtschaftsaufsicht (hier im Kreditwesen) würden trotz einer möglichen Erfüllung des Tatbestandes die strafrechtliche Haftung aufheben.133 Ein Teil der Strafrechtswissenschaft betont also den Systemfehlergedanken und zweifelt an der Fähigkeit des Strafrechts zur Erfassung des Verhaltens Einzelner im Rahmen der vergangenen und wohl auch im Rahmen künftiger Banken- und Finanzkrisen oder wenigstens an der Legitimation der Bestrafung Einzelner angesichts eines Fehlverhaltens (auch) des Staates. 129

Lüderssen, StV 2009, 486, 487. Lüderssen, StV 2009, 486, 494. Kritisch gegenüber einer zu großen Zurückhaltung der Aufarbeitung auch mit den Mitteln des Strafrechts indes Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 81. 131 Hank, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 363, 368 f. 132 Hank, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 363, 369. 133 Forkel, ZRP 2010, 158, 159. s.a. mit im Ergebnis ähnlichen Auswirkungen Binder, ZGR 2016, 229, 249 ff.: „Markt-“ und „Staatsversagen“ als Determinanten für individuelle Fehlentscheidungen könnten in letzter Konsequenz ein Strukturversagen der Haftungssanktion auslösen, das allenfalls – wenn überhaupt – durch präventive Regulierung oder andere, nicht ausschließlich an persönlich vorwerfbares Fehlverhalten Einzelner anknüpfende Sanktionsformen kompensiert werden könne. 130

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b) Finanzkrise als von Menschenhand verursachte Krise? Zahlreiche Autoren stellen demgegenüber den Gedanken eines Systemfehlers in den Hintergrund. Die vergangene Finanzkrise habe ihren Ursprung nicht in einer Naturkatastrophe, sondern sei durch kaufmännische Entscheidungen der verantwortlichen Bankvorstände herbeigeführt worden, sie sei von Menschenhand gemacht.134 Systemisch sei die Finanzkrise nur in ihren Auswirkungen, nicht aber in ihren Ursachen gewesen.135 Das Bild der Finanzkrise als eines unabwendbaren Naturereignisses sei insbesondere durch eine geschickte Medienpolitik verbreitet worden, aber erkennbar unrichtig, weil sowohl die Produktion derjenigen Finanzinstrumente, die die globale Finanzkrise ausgelöst haben, als auch deren Erwerb und die permanente Aufblähung der gigantischen Geschäftsvolumina im Einzelnen auf ganz konkrete unternehmerische Entscheidungen einzelner Personen zurückzuführen seien und dementsprechend von Anfang bis Ende an sich im Detail steuerbar waren – die Frage sei nur, mit welchen Mitteln.136 Beklagt wird überdies eine in der öffentlichen Diskussion vielfach ausgemachte Verlagerung von „Schuld“ auf globale Strukturen (Markt, Staat, „die Banken“), welche wegen der Kompliziertheit der Materie zwar naheliegend, aber regelmäßig geeignet (und oft wohl auch bestimmt) sei, individuelle Verantwortung zu vernebeln.137 c) Frage der Gewichtung, nicht der Exklusivität Die Bedeutung und Fähigkeit des Strafrechts zur Aufarbeitung von Sachverhalten, wie sie der vergangenen Finanzkrise vorausgingen, wird also durchaus unterschiedlich bewertet. Allerdings besteht zwischen dem Systemfehlergedanken und einer möglichen strafrechtlichen Verantwortung Einzelner keineswegs ein Exklusivitätsverhältnis. Zunächst sollten zwei Fragen voneinander unterschieden werden. Die erste betrifft die Ursachen der vergangenen Finanzkrise und muss auch bei künftigen Krisen stets gestellt werden: Waren die einzelnen Ursachen systemischer Natur oder von Menschenhand gemacht? Die zweite Frage lautet, ob und wie das Strafrecht mit den einzelnen Ursachen umgehen kann. Die erste Frage, dies dürften die vorstehenden Ausführungen verdeutlicht haben, ist für die vergangene Finanzkrise dahingehend zu beantworten, dass sowohl systemische Ursachen wie etwa die Liquiditätsschwemme infolge der US-Zinspolitik, als auch individuelles (Fehl-)Verhalten zur Entstehung 134 s. aus dem strafrechtlichen Schrifttum stellvertretend für viele Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 792; Strate, HRRS 2009, 441, 442; Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1089. 135 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1080. 136 Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 72. Ähnlich Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 37 ff.: Die „Mär von der systemischen Krise“ treffe nicht zu. 137 Fischer, § 266 Rn. 72b. Ähnlich Otto, in: FS Krey 2010, S. 375, 386 f.; Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 37 f.: Die These der systemischen Krise erweise sich als „rhetorische Nebelkerze“.

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der Krise beigetragen haben. Die Gewichtung der verschiedenen Ursachen mag dabei je nach Sichtweise im Einzelnen unterschiedlich ausfallen. Dies aber leitet bereits über zur zweiten und hier besonders interessierenden Frage: Inwieweit kann das Strafrecht bei der Erfassung und Bewertung einzelner Ursachen eine Rolle spielen? Wo sind seine (derzeitigen) Grenzen und wie kann man diese, sollte man sie als nicht sachgerecht empfinden, gegebenenfalls verschieben? Zweifellos ist das Strafrecht nicht der Ort, an dem Systemfehler behoben werden können. Sie sind einer strafrechtlichen Bewertung nicht zugänglich. Das Strafrecht ist aber sehr wohl ein Ort, an dem Systemfehler bei der allein zu stellenden Frage nach einem schuldhaften Verhalten Einzelner berücksichtigt werden müssen. Strafwürdiges und strafbares Verhalten in einem von systemischen Einflüssen geprägten Umfeld auszumachen, nachzuweisen und mit dem geltenden Strafrecht zu ahnden sind zentrale Punkte nicht nur für die strafrechtliche Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise, sondern gleichsam für die Frage der Behandlung und Vermeidung individuellen Fehlverhaltens im Rahmen künftiger Krisen. Nicht genug kann betont werden, dass das (Fehl-)Verhalten Einzelner nicht losgelöst vom jeweiligen Kontext betrachtet werden kann. Immer werden die politischen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen Einfluss haben auf das Verhalten Einzelner – im Bankensektor ganz besonders. Dies gilt aber auch umgekehrt in dem Sinne, dass das Verhalten der einzelnen Akteure auf die Rahmenbedingungen und deren Ausgestaltung zurückwirkt. Rahmenbedingungen und individuelles Verhalten beeinflussen sich also gegenseitig. Bereits deswegen ist es nicht möglich, die Ursachen für Krisen wie die vergangene Finanzkrise entweder einzig in systemischen Ursachen oder allein in individuellem (Fehl-)Verhalten zu suchen. In der Finanzkrise realisierte sich vielmehr ein Gemisch von Systemfehlern und individuellem Fehlverhalten.138 Dies hat Bedeutung auch und insbesondere für die strafrechtliche Beurteilung der in Rede stehenden Verhaltensweisen. Hier gilt es, die verschiedenen systemischen Ursachen und deren Einflüsse auf das Verhalten Einzelner möglichst genau zu bestimmen.139 Die geltenden Straftatbestände – zu denen nunmehr auch § 54a KWG gehört – zeigen dabei das Prüfungsprogramm auf. Auf jeder Stufe der Prüfung muss die Frage gestellt werden, ob und falls ja inwieweit systemische Ursachen der Erfüllung einer Strafbarkeitsvoraussetzung entgegenstehen und damit der strafrechtlichen Ahndung menschlichen Verhaltens Grenzen setzen. Trotz aller Differenzen im Einzelnen ist die Schnittmenge zwischen den in den beiden vorigen Abschnitten skizzierten Standpunkten letztlich größer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Auch Verfechter des Systemfehlergedankens, welche die Suche nach Schuldigen für wenig sinnvoll halten, betonen, dass individuelle Schuld 138

Zutreffend Möschel, ZRP 2009, 129, 130. Kritisch hinsichtlich der Möglichkeit, individuelles Verhalten im Rahmen der Finanzkrise angesichts einer „Überlagerung“ durch ein Markt- und Staatsversagen zu sanktionieren, Binder, ZGR 2016, 229, 244 ff. 139

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verfolgt und geahndet werden muss, wo sie auftritt.140 Dies lässt sich übersetzen in einen Vorrang systemischer Ursachen und eine Skepsis bezüglich der Möglichkeit strafrechtlicher Aufarbeitung. Auch in anderen Äußerungen schwingt mit, dass es um ein Nebeneinander von Systemfehlern und individueller – womöglich auch strafrechtlicher – Verantwortung geht. So sei die Finanzkrise „vor allem auch durch systemische Faktoren“ hervorgerufen worden.141 Dann aber sind im Umkehrschluss auch individuelle Verhaltensweisen mitursächlich. Dass diese in einem gewissen systemischen Kontext erfolgten, schließt es nicht a priori aus, dass dabei Normverstöße begangen wurden, die geahndet werden müssen.142 Auch wenn es etwa heißt, dass es sich „im Kern“ um ein Systemversagen gehandelt habe, so muss es außerhalb dieses Kerns individuelles Versagen gegeben haben, das zumindest potenziell strafrechtlich relevant ist – mag dieses individuelle Versagen auch schwer zu fassen sein und das Wirtschaftsstrafrecht an seine Grenzen bringen. Wenn im Titel eines die Finanzkrise betreffenden Tagungsbandes die Frage gestellt wird, ob es sich bei der Finanzkrise um „Systemversagen oder global organisierte Kriminalität“ handelt143, so wird hierdurch – wohl bewusst überspitzend – ein Alternativverhältnis vorgegeben, das in dieser Form nicht besteht. Vielmehr muss bei der Frage nach vorhandener Kriminalität in jedem Einzelfall das System, in dem sich individuelles Verhalten abgespielt hat, berücksichtigt werden. So bezieht sich etwa die Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft gemäß § 160 Abs. 2 StPO ausdrücklich auch auf entlastende Umstände, zu denen gerade auch die aufgezeigten systemischen Faktoren gehören können. Mit Bezug auf die Finanzkrise kann für die Feststellung individuell vorwerfbaren Verhaltens etwa von Bedeutung sein, ob das in Rede stehende Verhalten üblich war, welche Risiken im Zeitpunkt des Handelns erkennbar oder nicht erkennbar waren, ob das Ausnutzen bestehender Regulierungslücken üblich war und vieles weitere. Systemische Ursachen sind für sich genommen einer strafrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich, sie sind jedoch von Gewicht für die strafrechtliche Beurteilung individuellen Verhaltens.144 Inwieweit und auf welcher Ebene der Feststellung strafrechtlich relevanten Verhaltens sie zu berücksichtigen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein anonymer Systemfehler dergestalt, dass sich eine strafrechtliche Auseinandersetzung mit der vergangenen Finanzkrise insgesamt verbietet oder von vornherein als nutzlos erscheint, liegt jedenfalls nicht vor. Und auch künftige Krisen dürfen nicht 140

So etwa der Ökonom Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 128 f. Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 37 f. (Hervorhebung durch den Verf.). Ähnlich in der Formulierung Beer, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 6, 9: Man habe es „in erster Linie mit einem Markt- bzw. Aufsichtsversagen zu tun“. Dann aber mag es in zweiter Linie auch strafwürdiges Verhalten Einzelner gegeben haben. 142 Vgl. Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 38; Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 81. 143 Schünemann (Hrsg.), Die sogenannte Finanzkrise – Systemversagen oder global organisierte Kriminalität? Berlin 2010. 144 Ähnlich Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 81. 141

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vorschnell aus dem Blickfeld des Strafrechts verschwinden, nur weil sie sich auch oder vielleicht sogar überwiegend auf systemische Ursachen zurückführen lassen. Die Feststellung, an welchem Punkt und in welchem Maß menschliches Verhalten systemischen Einflüssen ausgesetzt ist, muss eine der wesentlichen Aufgaben der strafrechtlichen Aufarbeitung vergangener Krisen und Beitrag zur Vermeidung künftiger Krisen sein. Sollte das geltende Strafrecht den Anforderungen, die sich aus der Komplexität der Materie und der oft undurchsichtigen Gemengelage individueller Verantwortlichkeit und systemischer Einflüsse ergeben, nicht gerecht werden können, muss über Anpassungen nachgedacht werden. Diese können ganz grundlegender Natur sein und Zurechnungsfragen ebenso zum Gegenstand haben wie die stets erneut und auch derzeit wieder aufflackernde Diskussion um die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit einer Verbandsstrafe.145 Derart grundlegende Veränderungen der strafrechtlichen Landschaft beiseite lassend hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 54a KWG für den Bankensektor zunächst eine „kleine Lösung“146 gewählt. Bevor auf sie, sprich auf § 54a KWG, eingegangen wird, soll jedoch noch ein Überblick gegeben werden über die bisherige Aufarbeitung der Finanzkrise durch die deutsche Strafjustiz und über die hierbei zu Tage getretenen Schwierigkeiten. Denn nicht zuletzt sie haben den Strafgesetzgeber zur Schaffung des § 54a KWG bewogen.

II. Die Aufarbeitung der Finanzkrise durch die deutsche Strafjustiz Als sich das Ausmaß der Finanzkrise abzeichnete und die Verhaltensweisen der an ihrer Entstehung Beteiligten näher beleuchtet wurden, waren allenthalben Rufe nach dem Staat zu vernehmen: Er sollte plötzlich retten, regulieren, Konjunkturpakete auflegen und die Verantwortlichen am besten auch gleich strafen. Letzteres hat er zumindest versucht. Bevor aber auf einzelne, im Nachgang der Finanzkrise angestrengte Strafverfahren eingegangen wird, soll eine grundlegende Überlegung vorangestellt werden: Sie hat das Verhältnis von Marktwirtschaft und staatlicher Einflussnahme zum Gegenstand. Dieses Verhältnis bedarf zunächst allgemein näherer Betrachtung, in der Folge aber auch hinsichtlich des Strafrechts als einer spezifischen Form staatlicher Einflussnahme im wirtschaftlichen Kontext [1.]. Im Anschluss an diese Überlegungen gilt es, sich einen Überblick über einen Teil der mit Bezug zur Finanzkrise laufenden und abgeschlossenen Strafverfahren zu verschaffen [2.].147 Der Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens erhärtete sich in 145

Hierzu statt vieler Kubiciel, KPKp 2/2014, 1 ff.; mit scharfer Kritik Schünemann, ZIS 2014, 1 ff. 146 Kubiciel, ZIS 2013, 53, 60. 147 Umfassender zu einzelnen Zivil- und Strafverfahren Scholl, Vorstandshaftung, § 12, s.a. Binder, ZGR 2016, 229, 230 ff., jew. m.w.N.

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den angestrengten Strafverfahren nur selten und wenn, so war er nicht sonderlich gewichtig. Dies steht in deutlichem Gegensatz zum betriebenen Aufwand und zum Ausmaß der Empörung, die den Bankern in der Finanzkrise entgegenschlug [3.]. 1. Vorüberlegung: Marktwirtschaft und staatliche Einflussnahme Nach skizzenhaften Überlegungen zur Frage, wieviel staatlicher Einflussnahme es für eine funktionierende Marktwirtschaft allgemein bedarf [a)] wird die Frage gestellt, was gerade das Strafrecht als spezifische Form staatlicher Einflussnahme im wirtschaftlichen Kontext leisten kann und soll [b)] – und was nicht [c)]. a) Intensität staatlicher Einflussnahme auf die Wirtschaft im Wandel der Zeit Die Frage, wieviel staatliche Intervention eine Marktwirtschaft benötigt, wird seit jeher sehr unterschiedlich beantwortet. Von freiheitlich-libertären bis hin zu sozialistisch geprägten Systemen reicht das Spektrum möglicher Antworten. Einige Modelle haben sich in der Praxis mehr oder weniger bewährt und durchgesetzt, andere dürfen inzwischen wohl als historisch überholt angesehen werden. Seitens der Regierungen westlicher Länder fällt die Antwort auf die Frage nach der erforderlichen Intensität staatlicher Einflussnahme in das ansonsten freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte nicht immer gleich aus – auch wenn die Leitlinie einer „sozialen Marktwirtschaft“ inzwischen als weitgehend gesetzt gelten darf.148 Augenfällig ist dabei, dass die Antwort nicht nur von der wirtschaftspolitischen Grundausrichtung der an der Macht befindlichen Regierungen abhängt, sondern auch und insbesondere von den vorgefundenen äußeren Umständen, die einem stetigen Wandel unterliegen und regelmäßig Anpassungen auslösen. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand in vielen Ländern zunächst die Steigerung der öffentlichen Wohlfahrt im Fokus.149 Zu diesem Zweck bediente man sich unter anderem des Instruments der Globalsteuerung, höherer Steuereinnahmen und (insbesondere etwa in Frankreich und Großbritannien) der Vergrößerung des Staatsbesitzes durch umfangreiche Verstaatlichungen vor allem in sogenannten „Schlüsselindustrien“.150 Begünstigt wurde die schnelle Entwicklung des Wohlfahrtsstaates 148

s. nur Art. 3 Abs. 3 EUV: „Die Union […] wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, […] hin.“ 149 Zum Begriff des Wohlfahrtsstaates und der Entwicklung desselben in der Nachkriegszeit Kaelble, Sozialgeschichte Europas, S. 332 ff. 150 In Frankreich wurden unter anderem Verstaatlichungen vorgenommen im Bankwesen: Banque de France (1945), Crédit Lyonnais (1945), Société générale (1945), BNP (1945); im Transportwesen: SNCF (1945), RATP (1945), Air France (1945/48); im Energiewesen: EDF (1946), GDF (1946); in der Automobilindustrie: Renault (1945).

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durch den Wirtschaftsaufschwung in den Nachkriegsjahren. Ab den 1970er Jahren wendete sich das Blatt, als negative Folgen dieser Wirtschaftspolitik augenscheinlich wurden: Haushaltsdefizit, Inflation und allgemeine Wachstumsschwäche waren damals die Begriffe der Stunde. Die durch den Ölpreisschock ausgelöste Wirtschaftskrise trug sodann maßgeblich dazu bei, dass es Ende der 1970er Jahre zu einer Gegenbewegung kam: Neoliberale und marktradikale Strömungen erhielten Aufwind. Für diese aufkommenden Strömungen stehen vor allem die konservativen Regierungen von Margaret Thatcher und Ronald Reagan, aber auch (mit Abstrichen) die ab 1982 an der Macht befindliche Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl.151 Angesagt waren nun die Konsolidierung des Haushalts und der Abbau der Staatsquote152, man setzte auf Deregulierung und freie Marktkräfte153. Der Zusammenbruch des kommunistischen Blocks verschärfte diesen Trend.154 Die 2008 einsetzende Finanzkrise hat die Grundannahmen des Neoliberalismus in Frage gestellt. Der Glaube an die „unsichtbare Hand“ des Marktes – danach bewirkt das egoistische Streben der Marktteilnehmer eine Steigerung des Wohlstands der gesamten Gesellschaft – erlitt eine empfindliche Einbuße. Die kapitalistische Wirtschaftsweise sah sich, wie die häufig verwendeten Begriffe „Turbokapitalismus“ oder „Kasinokapitalismus“155 verdeutlichen, grundlegender Kritik ausgesetzt. Insbesondere die Finanzwirtschaft und die Gier der Banker, aber allgemein auch Privatisierung und Deregulierung gerieten in Misskredit. Der Staat, den man zuvor Stück für Stück zurückgedrängt hatte, war plötzlich wieder gefragter Akteur und die Frage nach seiner Rolle aktueller denn je156. An die Selbstheilungskräfte des Marktes vermochte nach der Lehman-Pleite kaum mehr jemand zu glauben. Rettungspakete für notleidende Banken, Konjunkturpakete und eine stärkere Regulierung, die den entfesselten Märkten wieder die augenscheinlich erforderlichen Fesseln anlegen sollte, wurden mit dem Ziel gefordert, dass der Markt (wieder) zum gesamtgesellschaftlichen Vorteil arbeite und nicht nur zum Vorteil einiger weniger. Dass im Zusammenhang mit der Finanzkrise Gewinne privatisiert, Verluste letztlich jedoch sozialisiert worden waren und die Finanzwelt am Abgrund stand, bescherte den Regierungen gehörigen Handlungsdruck. Schnell setzte sich in der westlichen Welt als politischer Konsens durch, dass verschärfte Rahmenbedingungen geeignet seien, künftigen Wirtschafts- und Finanzkrisen vorzubeugen. Der Trend der Deregulierung sollte durchbrochen und angemessene Leitplanken sollten geschaffen werden um Auswüchse, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise zu beobachten waren, zu verhindern. Gesehen wurde die Lösung in Anbetracht der jüngsten Erfahrungen nicht im freien Spiel der Kräfte, 151 152 153 154 155 156

Zu dieser Entwicklung Heinze, Rückkehr des Staates?, S. 11. Hierzu Schröter, in: North, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 396 ff. Heinze, Rückkehr des Staates?, S. 11. Vgl. Heinze, Rückkehr des Staates?, S. 11. So etwa der Titel des Buchs von Sinn, Kasino-Kapitalismus, 3. Aufl. 2012. Heinze, Rückkehr des Staates?, S. 13.

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sondern vielmehr in zwar nicht systemumwälzenden157, aber doch nicht zu übersehenden staatsinterventionistischen Maßnahmen. Die Stärkung von Eigenkapitalbasis und Liquidität, eine Aufspaltung von Banken in Geschäfts- und Investmentbanken, die Deckelung von Boni und Vergütungen158 sowie viele weitere Maßnahmen standen in der Folge auf der Agenda. Auch die Risikomanagementsysteme der Banken wurden als Schwachstelle ausgemacht.159 Genau an diese knüpft seit Anfang 2014 nun die Strafvorschrift des § 54a KWG an, welche die inhaltlichen Vorgaben des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG strafrechtlich flankiert, deren Einhaltung sicherstellen und im Falle ihrer Missachtung Sanktionen ermöglichen soll. Ging es bisher um die Frage nach der erforderlichen Intensität staatlicher Einflussnahme im wirtschaftlichen Kontext im Allgemeinen, so muss mit Blick auf § 54a KWG die Frage gestellt werden, was gerade das Strafrecht als eine sehr spezifische Form staatlicher Einflussnahme in diesem Kontext zu leisten imstande ist.160 b) Was gerade Strafrecht im wirtschaftlichen Kontext leisten kann und soll Ungeachtet der im Einzelnen vertretenen Theorien zu Sinn und Zweck des Strafens161 darf auf dem Boden der für die Rechtsprechung bestimmenden vergeltenden Vereinigungstheorie162 vom Strafrecht auch im wirtschaftlichen Kontext im Kern zweierlei erwartet werden: Zum einen Repression für in der Vergangenheit begangene Straftaten [aa)] und zum anderen Prävention in Bezug auf in Zukunft zu befürchtende Straftaten [bb)]. aa) Strafrecht als klassisches Mittel der Repression Repression durch Strafrecht wird in erster Linie durch Verurteilungen Einzelner zu Geld- und Freiheitsstrafen bewirkt. Im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts tritt 157 Mir Puig, in: Die sog. Finanzkrise, S. 9, interpretiert die im Nachgang der Finanzkrise ergriffenen Maßnahmen als „Berichtigung der neoliberalen Ideologie“. 158 Zu dieser von einer breiten Öffentlichkeit besonders verfolgten Entwicklung s. B/F/SWolfgarten, Vorbem. zur InstitutsVergV, Rn. 1 ff. Eingehend zum derzeitigen gesellschafts- und aufsichtsrechtlichen Vergütungsregime in Finanzinstituten Bauerfeind, GWR 2016, 89 passim. 159 s. o. S. 50 f. 160 Zur Verknüpfung der historischen Entwicklung des Strafrechts mit der historischen Entwicklung politischer Ideen Mir Puig, in: Die sog. Finanzkrise, S. 9 ff. 161 s. stellvertretend die Darstellung bei Roxin, AT I, § 3 m.w.N. 162 Vgl. BVerfGE 45, 187, 253 f.; 109, 133, 173. Gegen sie indes statt vieler Roxin, AT I, § 3 Rn. 35 ff., der im Rahmen einer präventiven Vereinigungstheorie den Zweck der Strafe allein in der Prävention erblickt und die Höhe der Strafe durch das Maß der Schuld begrenzt sieht. Anders Bock, Criminal Compliance, S. 141: „Unrecht und Schuld sind strafbegründend, nicht nur strafbegrenzend.“

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hinzu, dass auch dem Unternehmen selbst, aus dem heraus Straftaten begangen werden, Sanktionen drohen können – etwa in Gestalt einer Bebußung gemäß § 30 OWiG. Auch wenn faktische Nebenwirkungen (etwa in Form von Reputationsschäden), die von Verurteilungen oder auch nur von Ermittlungsverfahren und Strafprozessen ausgehen können, keine Strafen im formalen Sinne darstellen, so darf ihre Bedeutung bei der Frage, inwieweit Strafrecht repressiv wirken kann, zumindest nicht ausgeklammert werden. Ist das mediale Interesse an einem Strafverfahren erst einmal geweckt, droht den Beschuldigten durch die Berichterstattung oftmals eine kaum noch zu korrigierende Vorverurteilung, welche die Unschuldsvermutung in diesem Stadium zumindest außerhalb der Justiz untergräbt. Einige Strafverfahren der jüngeren Vergangenheit zeugen hiervon.163 Neben der Prominenz einzelner Beschuldigter164, die in Wirtschaftsstrafverfahren nicht selten gegeben ist, kann es aber auch die Prominenz des Unternehmens selbst sein, die zu einer erhöhten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und letztlich zu massiven Reputationsschäden mit auch wirtschaftlichen Konsequenzen führen kann. Erwähnt seien hier nur der inzwischen arg lädierte Ruf der Deutschen Bank, der Siemens AG oder des Volkswagen Konzerns als einstige Vorzeigeunternehmen. Auf die zumindest strafähnliche Wirkung derartiger Nebenwirkungen von Strafverfahren wird im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG noch ausführlich zurückzukommen sein. Sie werden an dieser Stelle – freilich untechnisch, aber der Unterscheidung halber – der repressiven Wirkung des Strafrechts zugeordnet. bb) Strafrecht als ein Mittel der Prävention Neben der zurückblickend-repressiven Funktion des Strafrechts steht deren in die Zukunft gerichtete präventive Funktion. Diese kann auf den Einzelnen, aber auch auf die Allgemeinheit abzielen, sie kann positiv und negativ sein.165 Obschon es für präventive Zwecke alternative Regelungsinstrumente zum Strafrecht gibt, ist eine Ausweitung präventionsorientierten Strafrechts zu beobachten [(1)]. Diese ist ein maßgeblicher Grund für eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber rechtlichen Risiken innerhalb von Unternehmen [(2)]. (1) Strafrecht als in Konkurrenz stehendes, expandierendes Mittel der Prävention Vergegenwärtigt man sich die beiden grundlegenden Zielsetzungen von Strafnormen noch einmal (zurückblickend-retributiv auf der einen, zukunftsorientiert163 Als Beispiele genannt seien das Strafverfahren gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wegen Korruptionsvorwürfen sowie das Strafverfahren gegen den Moderator Jörg Kachelmann wegen des Vorwurfs der besonders schweren Vergewaltigung. 164 Zu Besonderheiten und Schwierigkeiten in Strafverfahren gegen Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft s. jüngst ausführlich Meinecke, Prominentenstrafrecht, passim. 165 Überblick zu den präventiven Straftheorien etwa bei NK-Streng, § 46 Rn. 34 ff.; Roxin, AT I, § 3 Rn. 11 ff.

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präventiv auf der anderen Seite), so wird deutlich, dass die erste Zielsetzung in Form der nachträglichen Repression durch Strafe im formalen Sinne allein auf der Grundlage von Strafnormen erfolgen kann. Bündig gesprochen: Wer strafen will beziehungsweise muss, der braucht Strafrecht. Im Unterschied hierzu kann unerwünschten Verhaltensweisen, die für die Zukunft zu befürchten stehen, zwar auch, aber eben nicht nur durch Strafnormen begegnet werden. Hinsichtlich der Prävention bietet sich dem Gesetzgeber anders als hinsichtlich der Repression durch Strafe ein ungleich vielfältigeres Instrumentarium. Insbesondere kann er sich zur Vermeidung unerwünschter Verhaltensweisen des Wirtschaftsverwaltungsrechts bedienen. Dieses hält unter Umständen mildere, gleichwohl effektivere Instrumente zur Verhaltenssteuerung bereit als das Strafrecht.166 So können beispielsweise unerwünschte Geschäftstätigkeiten faktisch unterbunden, unter Erlaubnisvorbehalt oder unter staatliche Aufsicht gestellt werden; es können Zulassungen zu gewissen Betätigungsfeldern beschränkt oder verweigert werden; es können behördliche Eingriffsbefugnisse begründet werden; es können, um ein Beispiel aus dem Bankwesen zu nennen, stärkere Eigenkapitalvorschriften oder Vorschriften zu Selbstbehalten beim Handel mit risikoreichen Papieren erlassen werden, um eine Anfälligkeit einzelner Banken für finanzielle Schieflagen zu verringern oder sehr waghalsiges Handeln nicht folgenlos zu lassen für die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Trotz eines breiten Spektrums an alternativen rechtlichen Instrumentarien wurde gerade der Präventionsgedanke vom Strafgesetzgeber in der Vergangenheit immer stärker in den Vordergrund gerückt.167 Die Rede ist von einer „Wende vom repressivlimitierenden zum präventiv-gestaltenden Vorgehen“168, das sich nicht nur, aber auch auf wirtschaftliches Fehlverhalten bezieht. Durch die zunehmende Betonung des Präventiven wurde und wird das (Wirtschafts-)Strafrecht vom Gesetzgeber immer häufiger als Steuerungsinstrument169 und weniger als Sanktionsinstrument begriffen

166 Zu wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Instrumenten als mögliche Alternative zum Strafrecht Achenbach, StV 2008, 323, 326 mit zahlreichen Beispielen und weiteren Nachweisen. Zu Instrumenten und Defiziten des Wirtschaftsverwaltungsrechts als mögliches konkurrierendes Instrumentarium s.a. Bock, Criminal Compliance, S. 196 ff. 167 Lesenswert Hassemer, HRRS 2006, 130 passim, der das moderne Strafrecht sich in Richtung eines Gefahrenabwehrrechts verwandeln sieht. Mit deutlicher Kritik an einer solchen Entwicklung auch Bock, Criminal Compliance, S. 130 ff. m.w.N. s.a. Braum, in: FS Kargl 2015, S. 57, 58, der meint, die Auflösung des tradierten Präventionsstrafrechts in ein europäisches Kontroll- und Interventionsrecht zu beobachten. 168 Nöckel, Grund und Grenzen, Rn. 147 m.w.N. zu dieser Entwicklung. 169 Zur Verhaltenssteuerung durch Strafrecht allgemein und im wirtschaftlichen Kontext im Besonderen s. Nöckel, Grund und Grenzen, Rn. 128 ff.; Mansdörfer, Theorie, S. 59 ff. Lesenswert auch Hassemer, wistra 2009, 169, 172 f., nach dessen Auffassung das Wirtschaftsstrafrecht zwar faktisch mittelbar lenkend wirke, es zur Wirtschaftslenkung aber weder systemisch befugt, noch professionell imstande sei – seine Aufgabe liege in der „Umhegung“, in der Funktion eines Linienrichters für das innerhalb dieser Grenzen autonome Teilsystem Wirtschaft.

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– was selbstredend nicht frei von Kritik geblieben ist170. An diese allgemeine Kritik anknüpfend wurde gegenüber § 54a KWG im Besonderen bereits früh der Vorwurf erhoben, er treibe diese Entwicklung auf die Spitze und laufe auf „eine völlig neue Qualität präventionszentrierten Strafrechts“ hinaus.171 Gerade weil bei einer primär präventiven Ausrichtung des Strafrechts vielfältige Alternativen zu einem Rückgriff auf selbiges existieren, muss dessen Einsatz in jedem Fall sorgfältig bedacht sein. Mögliche alternative Instrumente müssen zuvor durchdacht, vorhandene außerstrafrechtliche Regelungen gegebenenfalls verbessert und diese letztlich auch durchgesetzt werden. Dies mag mühsamer und weniger medienwirksam sein als der schnelle Griff zum Strafrecht, ist aber unerlässlich. Ungeachtet dessen hat das Strafrecht (auch im wirtschaftlichen Kontext) in den letzten Jahren Konjunktur.172 Kaum ein Lebenssachverhalt, so scheint es, bleibt von oftmals martialisch als „Bekämpfungsgesetz“ titulierten Vorhaben verschont. Eher selten ist der Elan des Gesetzgebers dabei Ergebnis einer behutsamen, vorausschauend-planerischen Gestaltung der strafrechtlichen Landschaft. Vielmehr entspringt er meist plötzlich auftretenden Situationen, die (vermeintlich) Handlungsbedarf generieren – das Strafrecht wird so zum „Mittel reaktiver Krisenbewältigung“173. Sicher darf und muss das Strafrecht nicht starr verharren und Reformbedarf ausblenden. Auch mögen plötzlich sich verändernde äußere Umstände erst einen Reformbedarf schaffen oder erkennen lassen. Der immer häufiger zu beobachtende 170 s. statt vieler sehr deutlich Bock, Criminal Compliance, S. 130 ff. m.w.N.: „Der Strafbetrieb ist aber längst dazu übergegangen, zu Lasten des Ausgangspunktes allen Strafens, der Vergeltung, Kompromisse zu machen. Das Strafrecht wird zeitgeistig politisiert und verpolizeilicht und zu einem flankierenden Element der Innenpolitik. Strafrecht wird zum Anlass, präventive Gefahrenabwehr im Hinblick auf mögliche bevorstehende weitere Rechtsverletzungen zu betreiben. […] Strafrechtliche Funktionsgrenzen zwischen Schuld und Prävention verschwimmen und werden letztlich geleugnet. Der Steuerungsanspruch des Strafrechts hat sich ausgedehnt, Steuerungsziele sind theoretisch beliebig zu vervielfältigen. […] Das Individualstrafrecht hat sich übernommen, es will eigentlich nicht mehr bestrafen, sondern Probleme lösen.“ Lesenswert auch die Kritik bei Hassemer, ZIS 2006, 266, 269 ff., sowie ders., HRRS 2006, 130, 139, der zu Recht darauf hinweist, dass nicht das Präventionsparadigma als solches besonderer Aufmerksamkeit bedürfe, sondern vielmehr die Auswüchse dieses Paradigmas und die Größe und Ausstattung des Raums, den das Präventionsparadigma mittlerweile besetzt halte. 171 Hamm/Richter, WM 2013, 865, 870. 172 Zu Recht kritisch Mitsch, ZIS 2016, 352, 352: „Die Kriminalpolitik der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart wirkt auf das geltende Strafrecht überwiegend expansiv und verschärfend ein. Vor allem seit der Amtsübernahme von Justizminister Heiko Maas verstärkt sich der Eindruck, dass die Politik das Strafrecht als Allzweckwaffe einsetzt zur Bekämpfung sozialer Störungen, für die individuelles menschliches Verhalten als Ursache festgestellt werden kann.“ 173 Hierzu mit berechtigtem Hinweis auf die damit verbundenen Gefahren (symbolische Gesetzgebung, Außerachtlassung alternativer Handlungsmöglichkeiten) Achenbach, StV 2008, 324, 325. Als jüngstes Beispiel mag insoweit die Reaktion auf die Vorkommnisse in der Silvesternacht 2015/2016 vor dem Kölner Hauptbahnhof dienen. Lesenswert zur Entwicklung eines sog. Empörungsstrafrechts und zu sog. Reaktionsgesetzen Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, in: FS Heintschel-Heinegg 2015, S. 275 ff.

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Griff zum Strafrecht kann im Einzelfall aber auch lediglich ein vorschneller Versuch sein, Entschlossenheit zu demonstrieren und vorgetragener Kritik am vorhandenen Rechtsrahmen kostengünstig und (vermeintlich) wirkmächtig zu begegnen. Im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG wird dem und der damit verbundenen Frage nach „symbolischem Strafrecht“ noch nachzugehen sein. Erforderlich ist jedenfalls stets ein Blick hinter die Kulissen, wenn es (wie in letzter Zeit oft) heißt, an dieser oder jener Stelle könne nur noch das Strafrecht helfen. Bedient sich der Gesetzgeber vermehrt des Strafrechts und rückt er dabei präventive Aspekte in den Vordergrund, so muss dies auch deshalb besonders kritisch hinterfragt werden, weil die präventive Wirkung von Strafnormen kaum messbar ist. Schon insgesamt kann die Effektivität von wirtschaftsstrafrechtlichen Normen nur schwerlich bewertet werden.174 Bei der Frage nach präventiven Wirkungen von Strafnormen in Bezug auf Wirtschaftskriminalität wird das Bild noch unschärfer. Die generalpräventive Wirkung von Strafnormen durch Abschreckung etwa ist bereits unabhängig von Besonderheiten des Wirtschaftsstrafrechts alles andere als leicht zu bestimmen; sichere empirische Feststellungen hierzu sind kaum möglich.175 Eventuell sind im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts die Akteure der Abschreckungsprävention besonders zugänglich, weil sie in besonderem Maße rational handeln und auf den mit einer staatlichen Strafe verbundenen sozialen Ächtungsausspruch besonders empfindlich reagieren.176 Möglicherweise ist insoweit aber auch zwischen eher rational handelnden Unternehmen und eher irrational handelnden Individuen zu differenzieren.177 Gesicherte Erkenntnisse hierzu gibt es (bislang) nicht.178 (2) Praktische Auswirkungen expandierenden Strafrechts Die Tendenz zu einer stetigen Ausweitung des Strafrechts im Allgemeinen und des Wirtschaftsstrafrechts im Besonderen gepaart mit einem gestiegenen Verfolgungseifer der Staatsanwaltschaften im Bereich der Wirtschaftskriminalität hat in den vergangenen Jahren spürbaren Veränderungen im Bereich der Unternehmensführung den Weg geebnet. Die rasant gewachsene Bedeutung des Themas Compliance ist dabei sicher die augenscheinlichste Veränderung. Zahlreiche Unterneh174 Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Kap. D Rn. 113. 175 Zur problematischen Bestimmung von Generalprävention im Wirtschaftsstrafrecht s. etwa Schneider, in: FS Heinz 2012, S. 663 ff.; Überblick bei NK-Villmow, vor §§ 38 ff. Rn. 77 ff. m.w.N. 176 Nöckel, Grund und Grenzen, Rn. 205 ff.; s.a. Kaspar, in: Wirtschaftskriminalität, S. 135, 138 ff. 177 So Schneider, in: FS Heinz 2012, S. 663, 670 ff. m.w.N. zu vereinzelten empirischen Studien. 178 So in Bezug auf die Generalprävention auch Schneider, in: FS Heinz 2012, S. 663, 670 f., der zu Recht auf die begrenzten Möglichkeiten hinweist, derartige Effekte zu messen. Ausführlicher Überblick über den Forschungs- und Diskussionsstand bei Nöckel, Grund und Grenzen, Rn. 217 ff.

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men geben inzwischen beträchtliche Summen aus, um Compliance-Programme zu unterhalten, die nicht nur einer zivilrechtlichen Haftung, sondern auch einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit sowie einer Schädigung des Unternehmens insgesamt vorbeugen sollen. Compliance ist längst nicht mehr nur belächeltes Modethema, sondern hat in der Unternehmenswirklichkeit mittlerweile einen festen Platz. Wo Einzelpersonen, aber auch Unternehmen handfeste Sanktionen oder wenigstens Reputationsschäden sowie der Einbruch von Geschäftsbeziehungen drohen, ist es auch nur sinnvoll, stärkeres Augenmerk auf eine Verhinderung oder zumindest frühzeitige Aufdeckung von Rechtsverstößen im Zusammenhang mit unternehmerischer Tätigkeit zu legen. Flächendeckendere und schärfere Strafgesetze haben maßgeblich zu einer Bewusstseinsschärfung und einem gesteigerten Normbefolgungsinteresse geführt und insoweit durchaus etwas „bewirkt“.179 Antrieb für die Anstrengungen seitens der Unternehmen sind dabei in erster Linie die im Falle einer Nichtbeachtung geltenden Rechts drohenden Konsequenzen.180 Die mit dem (Wirtschafts-)Strafrecht angestrebten präventiven Ziele setzen damit grundsätzlich eine effektive und konsequente Anwendung des Strafrechts für den Fall des Regelverstoßes, sprich eine konsequente Repression im Nachhinein, voraus. Ernsthaft drohende Repression durch Strafrecht erscheint insoweit als notwendige Bedingung wirksamer Prävention durch Strafrecht. Dass dies für § 54a KWG nur in (kritikwürdiger) abgeschwächter Weise gilt, wird noch zu zeigen sein.181 cc) Zwischenergebnis Die vorstehenden Überlegungen haben skizziert, welche Funktionen dem Strafrecht zuteilwerden und was ein expansives, primär präventiv ausgerichtetes Strafrecht bewirkt. Trotz aller Fokussierung auf die präventive Wirkung von Strafnormen sollte die repressive Funktion von Strafrecht aber auch im 21. Jahrhundert nicht unterschätzt werden. Mag sie gegenüber dem Präventionsgedanken auf erste Sicht auch antiquiert anmuten, so kann ihre eigenständige Funktion und ihre Zweckverbundenheit mit der Prävention ebenso wenig geleugnet werden wie der Umstand, dass das Verlangen nach Vergeltung und Sühne in der Zivilgesellschaft bis heute verwurzelt ist – im Nachgang der Finanzkrise hat es sich einmal mehr gezeigt.182

179

Schneider, in: FS Heinz 2012, S. 663, 675 ist insoweit der Auffassung, generalpräventive Effekte des geltenden Wirtschaftsstrafrechts seien „primär auf Unternehmensebene zu erzielen“. 180 Vgl. in diese Richtung Bock, Criminal Compliance, S. 141: „Die Eigenständigkeit des Strafrechts im öffentlichen Recht speist sich daraus, dass Prävention Reflex der repressiven Schuldvergeltung in Kombination von Tadel und Sanktion aus Enttäuschung über missbrauchte Freiheit ist.“ 181 Hierzu unten S. 331 ff. 182 Zum „Volkszorn“, der nach Bestrafung ruft, bereits oben S. 28 m.w.N.

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c) Was Strafrecht nicht leisten kann Sowohl der Gesetzgeber als auch die Bevölkerung versprechen sich oftmals viel vom Einsatz des Strafrechts. Überschätzen sollte man dessen Fähigkeiten allerdings nicht. Das Strafrecht kann beispielsweise nicht an Systemfehler, sondern stets nur an das Verhalten Einzelner anknüpfen – dies haben die Ausführungen zur Frage nach individueller Verantwortlichkeit und Systemversagen in der Finanzkrise bereits gezeigt.183 Zudem kann das Strafrecht nur dort zu einer Sanktion in Form einer Kriminalstrafe führen, wo es gelingt, die Verwirklichung eines Straftatbestandes gerichtsfest nachzuweisen. Gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität hält das Strafrecht dabei aber zahlreiche Hürden bereit, die es in rechtlicher, vor allem aber auch in tatsächlicher Hinsicht auf dem Weg hin zu einer Verurteilung zu nehmen gilt – eine für die Strafjustiz gerade in komplexen wirtschaftsstrafrechtlichen Fällen oft schwierige Aufgabe.184 Hohe Hürden sind aufgrund der Eingriffsintensität und des ultima-ratio-Grundsatzes allerdings auch angezeigt. Das Lösen krisenhafter Zuspitzungen im Wirtschaftsleben, wie sie etwa im Rahmen der vergangenen Finanzkrise aufgetreten sind, kann das Strafrecht ebenfalls nicht leisten. Es ist kein Krisenlösungsinstrument für gegenwärtige Krisen, sondern kann lediglich einzelne strafbare Beiträge mit Bezug zu einer Krise zurückblickend-retributiv ahnden sowie zukunftsorientiert-präventiv krisenverursachende Beiträge zu verhindern suchen. Als Krisenlösungsinstrument taugt allein das Wirtschaftsverwaltungsrecht. Die im Nachgang der Finanzkrise entwickelten neuen Abwicklungsmechanismen und Auffangsysteme für notleidende Banken sind Produkt eben dieser Aufgabe. Auf sie wird noch zurückzukommen sein. d) Zwischenergebnis Das Strafrecht als eine sehr spezifische Form staatlicher Regelung gesellschaftlichen Zusammenlebens ist ein vielseitiges, zugleich aber diffiziles Instrument. Hinsichtlich der Repression durch staatliches Strafen im formalen Sinne kommt dem Strafrecht eine Monopolstellung im Gesetzeskanon zu. Geht es aber um Prävention unerwünschten Verhaltens, tritt das als Steuerungsinstrument interpretierte Strafrecht in Konkurrenz zu anderen Regelungsinstrumenten etwa des Zivil- und Verwaltungsrechts. Ein Strafrecht, welches maßgeblich auf dem Präventionsgedanken fußt, bedarf auch vor diesem Hintergrund zumindest keiner geringeren Rechtfertigung als ein im Kern repressiv verstandenes Strafrecht. Weder kann Strafrecht im wirtschaftlichen Kontext akute Krisensituationen lösen, noch kann es systemische Mängel erfassen. Es wirkt zeitlich gesehen nur vor oder nach, nicht aber in der Gegenwart. Es wirkt inhaltlich gesehen nicht umfassend, sondern in Bezug auf Verursacher und Verursachungsbeiträge nur punktuell, wo strafwürdiges Verhalten 183

Hierzu bereits oben S. 57 ff. Zur Frage, ob das Strafrecht vor der Komplexität der Materie kapitulieren muss, s. u. S. 152 ff. 184

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Einzelner in Rede steht oder droht. Richtig eingesetzt und konzipiert ist das Strafrecht unverzichtbares Instrument eines geordneten gesellschaftlichen Zusammenlebens und hat auch im Wirtschaftsleben seine Daseinsberechtigung. Es muss sich jedoch angemessen in den Kanon verhaltenssteuernder Normen einfügen ohne diesen flächendeckend zu überlagern. Rückblickend betrachtet hat (auch) das Strafrecht die Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise nicht verhindert. Umso größer waren die Erwartungen in der Bevölkerung, über das Strafrecht könne man wenigstens im Nachhinein die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Diese Erwartungen wurden, wie im Folgenden dargelegt wird, weitgehend enttäuscht. 2. Abgeschlossene und laufende Strafverfahren – eine Auswahl Exemplarisch seien im Folgenden einige Strafverfahren angesprochen, die im Nachgang der Finanzkrise angestrengt und teilweise bereits durchgeführt wurden. Eine auch nur annähernd erschöpfende Darstellung ist an dieser Stelle nicht möglich, für die hiesigen Zwecke aber auch entbehrlich. Es sollen lediglich einige Aspekte einzelner Strafverfahren herausgegriffen werden, um stetig wiederkehrende Problemfelder aufzudecken. a) HSH Nordbank AG Einer der stark mediatisierten Strafprozesse anlässlich der Finanzkrise betraf ehemalige Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank. Angeklagt waren vor dem Landgericht Hamburg neben dem im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Dirk Jens Nonnenmacher, der vielen als Sinnbild des bösen Bankers diente, fünf weitere Vorstandsmitglieder. Bereits zum Prozessauftakt erklärte der Vorsitzende Richter, die Strafkammer werde juristisches Neuland betreten.185 Dies bezog sich nicht auf die in Rede stehenden Straftatbestände als solche, sondern vielmehr auf den zu bewertenden Sachverhalt. Den Angeklagten, die im Dezember 2007 den Gesamtvorstand der HSH Nordbank AG bildeten, wurde vorgeworfen, in einer die Voraussetzungen der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB erfüllenden Weise ihre gegenüber der HSH Nordbank AG bestehenden Vermögensbetreuungspflichten verletzt und dadurch der Bank einen Vermögensnachteil zugefügt zu haben. Dies soll dadurch geschehen sein, dass sie im Dezember 2007 auf Grundlage unzureichender Informationen dem Abschluss eines der Verbesserung der bankaufsichtsrechtlich zu bestimmenden Eigenkapitalquote der HSH Nordbank AG dienenden Finanzgeschäfts mit der französischen BNP Paribas, der sogenannten Omega 55-Transaktion, zustimmten. Im Rahmen dieses Überkreuzgeschäftes, das über die gemeinsam gegründete Zweckgesellschaft 185 s. beck-aktuell, Prozessauftakt vor Hamburger Landgericht gegen HSH-NordbankManager, becklink 1027785.

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„Omega Capital Funding 55“ mit Sitz in Dublin durchgeführt worden war, übernahm die HSH-Nordbank Risiken eines Wertpapierportfolios der BNP Paribas, in dem unter anderem isländische Anleihen und Papiere der US-Bank Lehman Brothers enthalten waren. Mit Ausbruch der Finanzkrise verlor das Portfolio massiv an Wert und zwang die HSH-Nordbank zu erheblichen Abschreibungen. Darüber hinaus wurde zwei Vorstandsmitgliedern zur Last gelegt, gemeinschaftlich die Verhältnisse der Bank in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand unrichtig wiedergegeben zu haben (Unrichtige Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG).186 Nach mehr als 60 Prozesstagen hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 9. 7. 2014 alle Angeklagten freigesprochen.187 Hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue habe die Hauptverhandlung zwar ergeben, dass die Angeklagten durch ihre Zustimmung zu der Transaktion „Omega 55“ ihre Vorstandspflichten aus § 93 Abs. 1, Abs. 2 AktG verletzt und hierdurch auch einen Vermögensnachteil der HSH Nordbank AG herbeigeführt hätten. Die festgestellten Pflichtverletzungen seien jedoch – so das Landgericht Hamburg – nicht in einer Weise „offensichtlich“ und „gravierend“ gewesen, dass sie im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes als tatbestandsmäßig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zu werten gewesen wären. Hinsichtlich des Vorwurfs nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG habe sich ergeben, dass in den Darstellungen des Vermögensstandes der HSH Nordbank AG zwar fälschlich ein Überschuss anstelle eines Fehlbetrages ausgewiesen worden sei, die Unrichtigkeit habe sich jedoch nicht als erheblich dargestellt, weshalb es bereits an der objektiven Tatbestandsverwirklichung fehle. Mit Urteil vom 12. 10. 2016 hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Freisprüche aufgehoben und die Sache an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.188 Der Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Untreue habe rechtlicher Überprüfung nicht standgehalten. Als durchgreifender Rechtsfehler habe sich erwiesen, dass die Begründung, mit der das Landgericht zwar eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 AktG bejaht, diese aber als nicht gravierend eingestuft habe, bereits hinsichtlich des Vorliegens der Pflichtverletzung Darstellungs- und Erörterungsmängel enthalte. Das Landgericht habe die Rechtsfrage letztlich unvollständig geprüft. Neun Jahre nach Beginn der Finanzkrise steht dieses Verfahren nunmehr wieder am Anfang, sein rechtskräftiger Abschluss ist in weite Ferne gerückt.

186

239 ff. 187

juris. 188

s. auch die prägnante Zusammenfassung des Verfahrens durch Binder, ZGR 2016, 229, LG Hamburg, Urt. v. 09. Juli 2014 – 608 KLs 12/11, 608 KLs 12/11 – 5550 Js 4/09 –, BGH, Urt. v. 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15 –, juris.

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b) LBBW Kam es im Verfahren HSH-Nordbank noch zu einer Anklage auch wegen des Vorwurfs der Untreue, so wurde ein solcher in einem unter anderem gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der LBBW geführten Strafverfahren erst gar nicht Gegenstand der Anklage. Hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue im Zusammenhang mit Verbriefungsgeschäften der LBBW wurde schon das Ermittlungsverfahren eingestellt.189 Die Einstellung wurde damit begründet, es bestünde zwar der Verdacht gegen die beschuldigten Vorstandsmitglieder, dass sie der LBBW einen Vermögensnachteil zugefügt hätten, indem sie ab Ende 2006 Investments in Verbriefungsgeschäfte genehmigten, obwohl sie sich insbesondere vor dem Hintergrund der damals aufkommenden Subprime- und Finanzmarktkrise über die potentiellen Risiken solcher Geschäfte nicht ausreichend informiert bzw. sie es pflichtwidrig unterlassen hätten, solche Investments wieder zu veräußern. Nach den durchgeführten Ermittlungen lasse sich der Nachweis untreuerelevanten Handelns allerdings nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung führen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stuttgart wurden im Zuge der Ermittlungen ca. 2.700 ABS-Bestandspositionen des LBBW-Konzerns untersucht. Soweit Investitionen nach den Ermittlungen überhaupt dem Verantwortungsbereich des LBBWVorstands zuzurechnen seien, sei es, so die Staatsanwaltschaft, aber entweder nicht möglich, gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einen Vermögensnachteil festzustellen, oder aber es fehle an der Nachweisbarkeit einer Pflichtwidrigkeit der Entscheidungen der Beschuldigten. Es könne den Beschuldigten nach den Ermittlungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden, dass ihre Handlungen evident pflichtwidrig gewesen seien. Bezüglich Auswahl und Überwachung von Verbriefungsgeschäften hätten bei der LBBW im tatrelevanten Zeitraum Maßnahmen zur Risikosteuerung und Risikoüberwachung bestanden. Es sei daher nicht möglich gewesen, sicher nachzuweisen, dass die beschuldigten Vorstandsmitglieder die Risiken der Verbriefungsgeschäfte nicht ausreichend hätten überblicken können. Ferner sei nicht hinreichend sicher nachweisbar, dass es für den Vorstand bereits ab Ende 2006 absehbar gewesen sei, dass es aufgrund der Entwicklungen am Subprimemarkt zu Verlusten bei den von der LBBW erworbenen Verbriefungen kommen könnte. Erst ab Frühjahr 2007 seien die mit der Subprimekrise verbundenen Risiken der Verbriefungsgeschäfte für die Vorstände erkennbar geworden. Dass aber ab diesem Zeitpunkt Käufe konkreter Investments erfolgt seien oder konkrete Investments zwingend hätten verkauft werden müssen und dies einen Vermögensnachteil für die LBBW verursacht hätte, könne nicht festgestellt werden. Damit sei eine Strafbarkeit der Vorstände wegen Untreue insgesamt nicht feststellbar. 189 s. die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 28. 11. 2012, http://www. staatsanwaltschaft-stuttgart.de/pb/,Lde/1235836/?LISTPAGE=1235504 (zul. abg. 30. 11. 2016). Die nachfolgenden Ausführungen zum Vorwurf der Untreue sind dieser Pressemitteilung entnommen.

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Anklage wurde lediglich wegen Bilanzfälschung erhoben. Den Vorständen wurde zum einen Unrichtige Darstellung nach § 331 Nr. 2 HGB in den LBBW-Konzernabschlüssen 2005 und 2006 zur Last gelegt. Investments in Verbriefungspapiere seien vielfach nicht über die bankeigene Bilanz erfolgt, sondern seien über Zweckgesellschaften getätigt worden. Im Ergebnis sei gezielt verschleiert worden, dass zwischen der LBBW und den Zweckgesellschaften Beherrschungsverträge bestanden hätten, weshalb die Vorstände die Zweckgesellschaften mit ihren Aktiva und Passiva von über sechs Milliarden in den Konzernabschluss der LBBW 2005 und 2006 hätten aufnehmen müssen (sog. Konsolidierung, § 290 HGB).190 Zum anderen ging es um den Vorwurf einer Unrichtigen Darstellung im Konzern- und Einzellagebericht der LBBW zum 31. 12. 2008. Das Landgericht Stuttgart stellte Ende April 2014 die Verfahren nach § 153a StPO gegen Zahlungen in Höhe von bis zu 50.000 E ein.191 Ein die Finanzkrise betreffendes Strafverfahren, das lange zuvor mit einer spektakulären Razzia begonnen hatte, endete damit äußerst glimpflich. c) Hypo Real Estate Holding AG Auch ehemaligen Vorständen der Hypo Real Estate droht ein Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaft München I hat Anklage erhoben gegen Georg Funke und sieben weitere ehemalige Vorstände der HRE.192 Das Hauptverfahren beginnt im März 2017. Kern der Anklage ist eine bewusst falsche Berichterstattung über die Liquiditätslage und die Liquiditätsrisiken der HRE-Gruppe im Konzernabschluss 2007 und dem Zwischenbericht zum 30. 6. 2008 der HRE Holding AG. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Zuspitzung der Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die HREGruppe sei die Darstellung der Liquiditätslage der HRE-Gruppe in den genannten Geschäftsberichten in evidenter Weise von den tatsächlichen Verhältnissen abgewichen. Diese Unrichtige Darstellung (§ 331 Nr. 2 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG) sei von dem gesamten ehemaligen Vorstand zu verantworten. Hinzu tritt für einen ehemaligen Finanzvorstand der Vorwurf der Marktmanipulation (§§ 20a Abs. 1 Nr. 1, 38 Abs. 2 Nr. 1 WpHG). Der Angeschuldigte habe im Rahmen eines Vortrages 190 Angesichts der zum Tatzeitpunkt geltenden Bilanzierungsvorschriften erachtet Kubiciel, Kansai Law Journal (2013), S. 21, 25 die Auslegung der Staatsanwaltschaft Stuttgart als „nur schwer zu vereinbaren“ mit dem Analogieverbot. Näher zur Bedeutung der Bilanzdelikte für die Aufarbeitung der Finanzkrise unten S. 150 f. 191 LG Stuttgart, 14 KLs 151 Js 97163/08. Für die Einstellung musste der ehemalige Vorstandsvorsitzende Jaschinski 50.000 E zahlen, die übrigen Vorstände 40.000 E und zwei mitangeklagte Wirtschaftsprüfer 20.000 E, s. beck-aktuell, LG Stuttgart stellt Strafverfahren gegen frühere LBBW-Vorstände ein, becklink 1032212. 192 Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft München I vom 29. 09. 2014, https://www.jus tiz.bayern.de/sta/sta/m1/presse/archiv/2014/04510/index.php (zul. abg. 30. 11. 2016). Dieser Pressemitteilung sind die nachfolgenden Ausführungen zum Inhalt der Anklage entnommen.

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im September 2009 gegenüber Konferenzteilnehmern unmittelbar vor der Bereitstellung von umfangreichen Liquiditätshilfen durch Dritte den Eindruck einer nach wie vor stabilen Liquiditätslage der HRE-Gruppe erweckt. Das Verfahren wurde unter anderem hinsichtlich des Vorwurfs einer Untreue im Zusammenhang mit dem Erwerb der Depfa Bank plc sowie im Rahmen der Refinanzierungsstrategie, des Liquiditätsrisikomanagements und des übrigen Risikomanagements der HRE-Gruppe noch während des Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zur Begründung hieß es, es hätten sich entweder keine Hinweise auf Pflichtverletzungen ergeben bzw. eine mögliche Pflichtverletzung habe sich wegen der damaligen Marktsituation nicht mehr kausal auf den Zusammenbruch der HRE-Gruppe ausgewirkt. d) IKB Deutsche Industriebank AG Eine Verurteilung hat es im Zusammenhang mit der Finanzkrise dennoch bereits gegeben. Sie betrifft den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der IKB Stefan Ortseifen. Als erster deutscher Spitzenbanker wurde er im Nachgang der Finanzkrise mit Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14. 7. 2010 wegen vorsätzlicher Marktmanipulation gemäß §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 2 Nr. 11, 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.193 Die Revision des Angeklagten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs als unbegründet verworfen.194 Gestützt wurde die Verurteilung Ortseifens auf die Veranlassung einer Presseerklärung am 20. 7. 2007, welche irreführende Angaben über kurserhebliche Umstände enthielt. In ihr war der Eindruck erweckt worden, die Bank sei von den Ausläufern der US-Hypothekenmarktkrise lediglich in Höhe eines geringen einstelligen Millionenbetrags betroffen. Tatsächlich war die Bank zum Zeitpunkt der Presseerklärung über ihre Zweckgesellschaften Rhineland Funding Capital Corporation und Rhinebridge plc, in welche außerhalb der eigenen Bilanz Risiken aus dem Geschäft mit forderungsbesicherten Wertpapieren ausgelagert worden waren, schon in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags von der Krise betroffen. Nur wenige Tage später geriet die Bank in eine Existenzkrise, aus der sie nur mit Hilfe eines kurzfristigen Rettungspakets der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bankenverbände wieder herausgeführt werden konnte. Ein etwaig untreuerelevantes Verhalten hinsichtlich der Verluste der IKB durch ihr Engagement im Verbriefungsgeschäft war nicht Gegenstand der Anklage. Die Verurteilung Ortseifens erfasst also nicht eine Schädigung der Bank oder das Herbeiführen einer Existenzgefährdung, sondern lediglich einen Nebenaspekt in Form

193 194

LG Düsseldorf, Urt. v. 14. Juli 2010 – 14 KLs 6/09, 14 KLs – 130 Js 54/07 – 6/09 –, juris. BGH wistra 2011, 467 f.

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der Marktmanipulation durch eine irreführende Pressemitteilung und ist insoweit nicht paradigmatisch für die hier interessierenden Fälle. e) BayernLB Ebenfalls im Zusammenhang mit der vergangenen Finanzkrise, wenn auch nicht direkt die Spekulationen der BayernLB auf dem Subprime-Markt betreffend, stand ein Verfahren gegen ehemalige Vorstände der BayernLB. Im Kern ging es um den milliardenschweren (Fehl-)Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) im Jahr 2007. Die Staatsanwaltschaft hatte den Ex-Managern vorgeworfen, die HGAA im Jahr 2007 trotz offenkundiger Risiken gekauft und damit hohen Schaden angerichtet zu haben. Außerdem ging es um den Vorwurf der Bestechung des früheren Kärntner Landeshauptmanns Haider im Zusammenhang mit dem Erwerb der Hypo Group Alpe Adria. Nachdem gegen vier Mitangeklagte das Verfahren bereits am 26. 8. 2014 gegen Geldauflagen von bis zu 20.000 E eingestellt worden war195, verurteilte das Landgericht München den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Werner Schmidt am 27. 10. 2014 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Bestechung eines europäischen Amtsträgers, wobei die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.196 Der Verurteilung ging eine Verständigung zwischen der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung und dem Gericht gemäß § 257c StPO voraus, die außerdem als Bewährungsauflage die Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 100.000 E und die Einstellung des Prozesses gegen Werner Schmidt wegen des Vorwurfs der Untreue beinhaltete. Für einen Untreuevorwurf hinsichtlich des Erwerbs der Hypo Group Alpe Adria war nach Auffassung des Gerichts kein Tatnachweis zu erbringen. 3. Weitgehende Ergebnislosigkeit trotz Empörung und hohen Aufwands Ob eine umfassende Aufarbeitung der Krisenursachen auf der Grundlage zivilund (hier interessierend) strafrechtlicher Haftungssanktionen gelungen ist, erscheint bislang zweifelhaft, auch wenn die weitere Entwicklung in wichtigen Verfahren abzuwarten bleibt.197 Die weit verbreitete Empörung über die Vorgänge vor und 195 s. die Pressemitteilung vom 26. 8. 2014, http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/m/ presse/archiv/2014/04475/ (zul. abg. 30. 11. 2016). Eine weitere Einstellung erfolgte am 27. Oktober 2014 gegenüber einem fünften ehemaligen Vorstand gegen Zahlung von 50.000 E, s. die Pressmitteilung vom 27. 10. 2014, http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/ m/presse/archiv/2014/04552/index.php (zul. abg. 30. 11. 2016). 196 s. die Pressemitteilung vom 27. 10. 2014, http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/m/pres se/archiv/2014/04552/index.php (zul. abg. 30. 11. 2016). Die nachstehenden Ausführungen sind dieser Pressemitteilung entnommen. 197 Binder, ZGR 2016, 229, 232.

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während der Finanzkrise steht jedenfalls in keinem Verhältnis zu den bisher erfolgten Verurteilungen.198 Angesichts der in der Not gewährten milliardenschweren Rettungspakete aus öffentlichen Mitteln und der Nachteile für die gesamtwirtschaftliche Lage ist es weiten Teilen der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln, weshalb bisher keine empfindliche Kriminalstrafe ausgeurteilt wurde und mit einer solchen auch nicht mehr zu rechnen ist. Der beliebte Vorwurf einer Klassenjustiz liegt für viele nur allzu nahe. Doch zeigen die bisherigen Verfahren, dass entgegen teilweise geäußerter Befürchtungen und behaupteter Beobachtungen weder Staatsanwaltschaften, noch Gerichte Scheu hatten und wohl auch in Zukunft nicht haben werden, auch gegen hochrangige Banker zu ermitteln und die äußerst komplexen Sachverhalte in Angriff zu nehmen.199 Trotz knapper Ressourcen haben die Staatsanwaltschaften über Jahre hinweg umfangreiche Ermittlungsverfahren mit dem Ziel durchgeführt, hochkomplexes Finanzgebaren zu entflechten und einer strafrechtlichen Würdigung zuzuführen. Ganze Datenberge wie etwa die rund 2.700 ABS-Positionen im LBBWVerfahren waren dabei zu bearbeiten. Allein die Ermittlungsarbeit im Verfahren Hypo Real Estate hat fast sechs Jahre gedauert. Um der Situation Herr zu werden wurde selbst der (bedenkliche) Weg gewählt, zur Unterstützung auf Großkanzleien zurückzugreifen.200 Ganze Vorstandsriegen wurden angeklagt, gegen Nichtzulassungen wie im Fall BayernLB wurde Beschwerde eingelegt – die Staatsanwaltschaften haben durchaus Engagement und Hartnäckigkeit bewiesen. Die Gerichte ihrerseits haben auf dem Weg der Wahrheitsfindung langwierige Verfahren durchgeführt, deren Dauer 50 Verhandlungstage nicht selten überstieg. Derartige Verfahren bedeuten angesichts knapper Ressourcen für jedes Gericht eine erhebliche Belastung. Von falscher Scheu, auch hochrangige Manager auf die Anklagebänke zu bringen, kann jedenfalls nicht die Rede sein. „Wir werden das sehr kleinteilig untersuchen“ hieß es mancherorts seitens des Gerichts gegenüber den angeklagten Bankern und „In Ihrem früheren Berufsleben sind sie vielleicht schneller zu Entscheidungen gelangt, aber nun kommen wir zur Entschleunigung. Wir werden 198

Groß/Reichling, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 380. In diese Richtung auch The Economist, May 4th 2013, „Blind Justice“, wonach Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten bei der Frage nach einer strafrechtlichen Verantwortung einzelner Banker für Verhalten im Zusammenhang mit der Finanzkrise „a more muscular approach“ gezeigt hätte, abrufbar unter http://www.economist.com/news/ finance-and-economics/21577064-why-have-so-few-bankers-gone-jail-their-part-crisisblind-justice (zul. abg. 30. 11. 2016). Ein Zögern der Staatsanwaltschaft bei der Aufarbeitung der Finanzkrise beklagt hingegen Krey, in: FS Roxin 2011, S. 1073, 1076 f. Auch Strate, HRRS 2012, 416, 417 rügt eine Zurückhaltung der Staatsanwaltschaften, die allerdings nicht wunder nehme angesichts der geringen Unterstützung durch die Strafrechtswissenschaft. 200 So soll die Staatsanwaltschaft Leipzig bei ihren Ermittlungen in Sachen SachsenLB auf Gutachten der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zurückgegriffen und hierfür rund zwei Millionen Euro verauslagt haben, s. http:// www.juve.de/nachrichten/verfahren/2013/03/sachsenlb-staatsanwaltschaft-klagt-ex-vorstandean-verteidiger-kritisieren-freshfields-gutachten (zul. abg. 30. 11. 2016). 199

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manchmal nur in einem Ameisentempo vorankommen“.201 Der Ansehensverlust, den die Strafjustiz anlässlich der Aufarbeitung der Finanzkrise in der breiten Öffentlichkeit durchaus erlitten haben dürfte, ist – von Ausnahmen abgesehen202 – nicht von ihr zu verantworten. Dass trotz der aufgezeigten, insgesamt beachtlichen Mühen nennenswerte Verurteilungen ausgeblieben sind, muss also andere Gründe haben als falsche Scheu oder Unvermögen der Strafjustiz. Der Strafgesetzgeber stellte sich nicht zuletzt angesichts der aufgezeigten Schwierigkeiten auf den Standpunkt, der vorhandene strafrechtliche Normenkatalog bedürfe einer Ergänzung.203 Diese hat er inzwischen in Form des § 54a KWG vorgenommen. Ob – und falls ja warum – die vom Gesetzgeber ausgemachte Lücke im Bereich des Strafrechts existiert, wird im folgenden Abschnitt analysiert [B.]. Denn dass Verurteilungen bisher weitgehend ausblieben, ist ein Befund, der näherer Untersuchung bedarf. Erst vor dem Hintergrund einer Bestandsanalyse kann beurteilt werden, ob § 54a KWG eine sinnvolle Ergänzung des hergebrachten strafrechtlichen Normenkataloges bedeutet.

B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts Der Gesetzgeber hat § 54a KWG geschaffen, weil seiner Ansicht nach bisher unzureichende Möglichkeiten bestanden, Geschäftsleiter von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn ein Institut durch Missmanagement in eine Schieflage geraten ist. Die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts würden in ihrem Schutzzweck und dem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen. Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzem auf dem Spiel stehe, würden nicht bewehrt.204 Leider beschränkt sich der Gesetzgeber darauf, diese Lücke pauschal zu behaupten; eine nähere Begründung bleibt er schuldig. Die Ausführungen zur Aufarbeitung der Finanzkrise durch die deutsche Strafjustiz legen den Verdacht einer 201 So der Vorsitzende Richter Tully zu Beginn des Strafverfahrens gegen Vorstände der HSH Nordbank AG, zitiert nach beck-aktuell, Prozessauftakt vor Hamburger Landgericht gegen HSH-Nordbank-Manager, becklink 1027785. 202 Eine solche stellt etwa das Versäumnis der Staatsanwaltschaft Leipzig dar, in einem Verfahren ehemalige Manager der Landesbank Sachsen betreffend die sofortige Beschwerde gegen einen Nichteröffnungsbeschluss des LG Leipzig handschriftlich zu unterzeichnen. Das OLG Dresden hat die sofortige Beschwerde als unzulässig angesehen und daher verworfen. Sie sei mangels Unterschrift nicht formgerecht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen, s. OLG Dresden, Beschl. v. 13. 2. 2014 – 2 Ws 658/13, BeckRS 2014, 09910. Auch wenn ein derartiges Versäumnis sicherlich Gift ist für die öffentliche Meinung über die (Straf-)Justiz, so betrifft es doch einen Einzelfall. 203 Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2. 204 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2.

B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts

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Regelungslücke zwar durchaus nahe und die Schaffung des § 54a KWG ist im Kontext der Aufarbeitung der Finanzkrise zu sehen, die die Ohnmacht der Strafjustiz offenbarte205. Ob ein Regelungsdefizit aber tatsächlich besteht, bedarf genauerer Betrachtung. Dazu sollen im folgenden Abschnitt die Straftatbestände untersucht werden, die im Grundsatz geeignet erscheinen, Fehlverhalten im Zusammenhang mit krisenhaften Zuspitzungen an den Finanzmärkten zu erfassen. Selbstredend kann es weder darum gehen, eine erschöpfende Darstellung dieser Straftatbestände vorzunehmen, noch konkrete Sachverhalte unter einzelne Straftatbestände zu subsumieren. Was aber geleistet werden soll ist eine Erörterung möglicher struktureller Unzulänglichkeiten eines Teils des vor Schaffung des § 54a KWG bereits vorhandenen Normenkataloges [I.]. Dabei soll die Belastungsprobe der Straftatbestände durchaus auch unter Berücksichtigung von Verhaltensweisen erfolgen, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise aufgetreten sind. An diese Erörterung wird sich die Frage anschließen, ob das Strafrecht angesichts der Komplexität der Finanzbranche und der ihr entspringenden Sachverhalte an seine Grenzen stößt [II.].

I. Strukturelle Unzulänglichkeiten der existierenden Straftatbestände Behandelt werden im Folgenden in erster Linie die Straftatbestände der Untreue und des Bankrotts. Kürzere Ausführungen sind § 55 KWG und den Bilanzdelikten gewidmet. Nicht vertieft eingegangen wird hingegen auf die Tatbestände des Betruges und der Marktmanipulation. Zu Letzteren beiden nur das Folgende: Der Straftatbestand des Betrugs206 sieht sich als reines Vermögensdelikt einer Vielzahl der Probleme ausgesetzt, welche auch § 266 StGB betreffen, sodass insofern auf die diesbezüglich noch zu machenden Ausführungen verwiesen werden kann. Seiner Schutzrichtung nach ist er nicht auf den Bestand eines Unternehmens oder gar auf kollektive Interessen gerichtet, sondern auf den individuellen Vermögensschutz. Außerdem knüpft der Betrug seinem Tatverhalten nach an eine Täuschung über Tatsachen und nicht an die Verletzung von Risikomanagementvorschriften an. Dass er einen eher kleinteiligen Ansatz verfolgt, spiegelt sich auch im möglichen Täterkreis wider: Über den Betrugstatbestand wird in aller Regel die Anlageberatung angegriffen.207 Der Fokus liegt damit auf der Mitarbeiter-, nicht auf der Geschäftsleiterebene. Dies äußert sich auch darin, dass in den bisherigen Prozessen gegen Geschäftsleiter der von der vergangenen Finanzkrise besonders be205

B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 1. Zu seiner Rolle bei der Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise sei statt vieler verwiesen auf die Ausführungen von Rönnau, in: Die sog. Finanzkrise, S. 43 ff.; Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 82 ff.; Gallandi, wistra 2009, 41, 43 f.; Ransiek, WM 2010, 869, 872 ff.; Park/Rütters, StV 2011, 434, 440 f. 207 Bittmann, NStZ 2011, 361, 362. 206

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

troffenen Banken der Betrugstatbestand keine Rolle spielte und sich die strafrechtliche Aufarbeitung der Finanzkrise vielmehr auf den Untreuetatbestand und Bilanzdelikte fokussierte.208 Überdies setzt der Betrugstatbestand einen Wissensvorsprung gegenüber dem Opfer voraus. Gerade ein solcher aber ist zumindest im Rahmen der Finanzkrise regelmäßig zu verneinen oder jedenfalls nicht nachweisbar, da kaum jemand noch wusste, was genau er tat und welche Risiken er kaufte oder verkaufte. Hierauf wird ebenfalls im Rahmen der Untersuchung des § 266 StGB noch einzugehen sein. Auf den Straftatbestand der Marktmanipulation (§ 38 Abs. 2 WpHG) soll an dieser Stelle ebenfalls nicht näher eingegangen werden. Er führte zwar im Prozess gegen den ehemaligen IKB-Vorstandsvorsitzenden Stefan Ortseifen zu einer Verurteilung209, der Tatbestand betrifft jedoch einen sehr randständigen, punktuellen Aspekt in Form der Verursachung einer Kurs- oder Marktpreismanipulation. Dies hat weder etwas mit der Herbeiführung einer finanziellen Schieflage eines Instituts oder einer Destabilisierung des Finanzsystems zu tun, noch mit der Verletzung von Risikomanagementpflichten oder einem zu risikoreichen Geschäftsgebaren. Der Tatbestand der Untreue hingegen bedarf schon alleine deshalb näherer Erörterungen, weil er bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise im Fokus der Ermittlungen und teilweise auch im Fokus der Hauptverhandlung stand. Zu einer Verurteilung kam es aber, wie dargelegt, in keinem der bisherigen Verfahren. Der Untreuetatbestand und dessen Struktur bedürfen daher genauerer Untersuchung [1.]. Das Bankrottstrafrecht spielte bei der Aufarbeitung der Finanzkrise in der Praxis zwar keine und in der Wissenschaft nur eine äußerst marginale Rolle. Gleichwohl bedarf § 283 StGB näherer Betrachtung, da diese Norm insbesondere durch die Erfassung auch des Herbeiführens einer Unternehmenskrise (vgl. § 283 Abs. 2 StGB) ein dem Grunde nach naheliegender Tatbestand ist [2.]. Kürzere Ausführungen sind § 55 KWG als speziell bankstrafrechtlicher Vorschrift mit Bezug zur Insolvenz [3.] sowie den Bilanzdelikten [4.] gewidmet. Letztere bedürfen einiger Ausführungen, da sie im Rahmen der bisherigen strafrechtlichen Aufarbeitung oftmals Gegenstand der Anklage waren. 1. Untreue, § 266 StGB Laut Schünemann findet die rechtliche Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise durch die deutsche Strafrechtspflege ihr „Epizentrum“ im Untreuetatbestand.210 § 266 StGB ist zudem die im Zusammenhang mit der Finanzkrise meistgenannte Vorschrift und der Begriff der Untreue soll für einen Teilbereich selbiger stehen.211 Im Hinblick auf die bisherige wissenschaftliche Diskussion mag die zentrale Be208 209 210 211

Zu einzelnen Verfahren im Überblick oben S. 73 ff. Dazu oben S. 77 f. Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 84. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 56a.

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deutung des Untreuetatbestandes zutreffen und auch die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zielten vielfach auf den Vorwurf der Untreue ab. Ob § 266 StGB aber tatsächlich das „Epizentrum“ der Aufarbeitung der Finanzkrise ist, erscheint zweifelhaft. Denn obschon zahlreiche Institute derart massive Verluste erlitten, dass sie in eine existenzbedrohende Schieflage gerieten, ergab sich oftmals bereits kein hinreichender Tatverdacht für eine Untreue und falls es doch einmal zur Anklage kam erhärtete sich der Vorwurf der Untreue bisher in keinem Verfahren so, dass es zu einer Verurteilung nach § 266 StGB gekommen wäre.212 Dass eine Verurteilung nach § 266 StGB bislang ausgeblieben ist und es wohl auch nicht mehr zu einer solchen kommen wird, vermag durchaus zu überraschen. „§ 266 StGB passt immer“ heißt es doch in einem viel zitierten Ausspruch Ransieks.213 Im Wirtschaftsstrafrecht sei dies die Norm, heißt es weiter, die ganz unabhängig davon greife, um welche Spezialmaterie es sich handele; es brauche nur ein Risiko für fremdes Vermögen mit dem Handeln oder Unterlassen einer Person verbunden zu sein.214 Ähnlich heißt es andernorts, die Tendenz gehe dahin, jedem als unredlich oder inkorrekt empfundenen Verhalten den Stempel des § 266 StGB aufzudrücken215, § 266 StGB zu einer Art „Auffangtatbestand“ zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu instrumentalisieren216 bzw. ihn zu einer „Allzweckwaffe gegen alle denkbaren Varianten wirtschaftlichen Fehlverhaltens“217 zu machen. Die bisher ausgebliebenen Verurteilungen nach § 266 StGB im Zusammenhang mit der Finanzkrise scheinen dies nicht zu bestätigen. Ob in weiteren Strafverfahren im Nachgang zur Finanzkrise, aber auch in Fällen zukünftiger Bankenkrisen der Untreuetatbestand eine Rolle spielen wird, ist offen. Dass § 266 StGB gemessen an den Anklagen und Verurteilungen im Nachgang zur Finanzkrise keineswegs immer zu passen scheint, liegt jedenfalls nicht an einer mangelnden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Untreue. In den vergangenen Jahren erging eine regelrechte Flut von Veröffentlichungen zur Untreue im Allgemeinen218 und nicht wenige betrafen dabei die Rolle des Untreuetatbestandes bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise im Besonderen219. Trotzdem fällt die von

212

Zu einzelnen Verfahren im Überblick oben S. 73 ff. Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 634. Zustimmend für das Bankstrafrecht Groß/ Reichling, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 236. 214 Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 634. 215 Beulke, in: FS Eisenberg 2009, S. 245, 246. 216 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 5. 217 Perron, GA 2009, 219, 222. Eine Übersicht zahlreicher ähnlicher Umschreibungen findet sich bei LK-Schünemann, § 266 Rn. 3, der sich gegen diese verbreitete Kritik wendet. 218 s. etwa den Überblick über Literatur seit 1998 bei LK-Schünemann, § 266. 219 s. (nicht erschöpfend) Schünemann, ZStW 123 (2011), 767 passim; Schröder, ZStW 123 (2011), 771 passim; Wohlers, ZStW 123 (2011), 791 passim; Fischer, ZStW 123 (2011), 816 passim; Schröder, NJW 2010, 1169 passim; Park/Rütters, StV 2011, 434, 437 ff.; Deiters, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 132 passim; Bittmann, NStZ 2011, 213

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vielen erhoffte nachweisbare Erfüllung seiner Merkmale durch Verhaltensweisen mit Bezug zur Finanzkrise offensichtlich schwer. Worin dies begründet liegt soll im Folgenden untersucht werden. Denn vor dem Hintergrund, dass § 266 StGB eigentlich immer passen soll, ist die Notwendigkeit eines weiteren Straftatbestandes in Gestalt des § 54a KWG zumindest fraglich.220 Dabei soll nicht der Versuch unternommen werden, Verhaltensweisen wie diejenigen, die zur Finanzkrise führten, im Einzelnen unter die Merkmale des § 266 StGB zu subsumieren. Nicht nur würde die Komplexität eines jeden Falles den Rahmen der hiesigen Untersuchung sprengen. Vielmehr fehlt es dem Verfasser auch an ausermittelten Sachverhalten und damit der Voraussetzung einer jeden belastbaren Subsumtion. Auch soll nicht auf die zahlreichen Einzelprobleme eingegangen werden, welche die Sachverhalte der Finanzkrise in Bezug auf § 266 StGB aufwerfen. Dies wurde bereits durch zahlreiche Veröffentlichungen geleistet, auf die an dieser Stelle verwiesen sei.221 Ziel der nachstehenden Ausführungen ist es einzig, diejenigen Strukturen des Untreuetatbestandes auszumachen, welche im Wesentlichen dazu führen, dass § 266 StGB zumindest im Ergebnis nicht das Epizentrum der strafrechtlichen Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise darstellt und dieses wohl auch bei künftigen Bankenkrisen nicht darstellen wird. Zur Veranschaulichung dieser Strukturen und der mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten soll, soweit dies als sinnvoll erachtet wird, dennoch ein Bezug zu Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise hergestellt werden. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen die akzessorische Ausgestaltung des Tatbestandes der Untreue [a)], ihre Eigenschaft als Verletzungsdelikt [b)], als Vorsatzdelikt [c)] und als rein vermögensschützendes Delikt [d)]. a) § 266 StGB als akzessorischer, restriktiv anzuwendender Straftatbestand Infolge der Akzessorietät des Untreuetatbestandes ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für ein möglicherweise untreuerelevantes Verhalten [aa)], die durch das Gebot einschränkender Auslegung allerdings wieder reduziert werden [bb)].

361 passim; ausführlich auch Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13 passim und Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 84 ff. 220 Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 103 etwa meint, § 54a Abs. 1, Abs. 3 KWG unterfallende Sachverhaltskonstellationen könnten auch von § 266 StGB erfasst werden. Er merkt dabei aber zugleich an, dass sich dann bei § 266 StGB ähnliche Probleme stellen wie bei § 54a KWG (a.a.O. Fn. 73). Auch Wastl, WM 2013, 1401, 1404 sieht § 54a KWG unterfallende Sachverhalte grundsätzlich als von § 266 StGB erfasst an. 221 s. die Nachweise in Fn. 219.

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aa) Akzessorietät und tatbestandliche Weite des § 266 StGB § 266 StGB ist ein akzessorischer Tatbestand. Ob ein Verhalten als pflichtgemäß oder aber als pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB einzustufen ist, ergibt sich mithin nicht allein aus dem Strafrecht selbst, sondern aus einer Anbindung an die Primärrechtsordnung.222 Die Akzessorietät zu außerstrafrechtlichen Regelungen, an der sich im Einzelnen zahlreiche Streitigkeiten entzünden, darf als im Grundsatz asymmetrisch bezeichnet werden.223 Die Asymmetrie besteht darin, dass strafrechtlich jedenfalls nicht verboten sein kann, was die Primärrechtsordnung erlaubt, andererseits ein Verstoß gegen Pflichten der Primärrechtsordnung aber nicht stets auch eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen muss. Insbesondere Letzteres ist Gegenstand von Kontroversen. Hierauf wird zurückzukommen sein. Die Akzessorietät des Untreuetatbestandes und die mit ihr einhergehende tatbestandliche Weite sind mit Blick auf die Bestimmung strafbaren Verhaltens Segen und Fluch zugleich. Einerseits kommen durch sie zahlreiche Anknüpfungspunkte für untreuerelevantes Verhalten in Betracht. Andererseits gerät eine ausufernde Anwendung des Untreuetatbestandes in Konflikt mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Im Kern geht es bei der Anwendung des Untreuetatbestandes im unternehmerischen Kontext um eine Grenzziehung zwischen noch erlaubten und nicht mehr erlaubten, gar einer Strafbewehrung zugänglichen Verhaltensweisen. Dies stellt zwar eine im Wirtschaftsstrafrecht allgegenwärtige, deshalb aber keineswegs einfache Aufgabe dar.224 Der Rückgriff auf Vorgaben der Primärrechtsordnung kann diese Grenzziehung erleichtern. Die zur Ausfüllung des Untreuetatbestandes heranzuziehenden Normen der Primärrechtsordnung können allerdings auch solche sein, die ihrerseits generalklauselartigen Charakters oder anderweitig in erheblichem Maße unbestimmt sind. Dem Normtext des § 266 Abs. 1 StGB lassen sich Anforderungen an die Bestimmtheit der in Bezug genommenen Normen schließlich nicht entnehmen.225 Die sich auf § 266 StGB übertragenden Auslegungsschwierigkeiten werden naturgemäß dann besonders akut, wenn die Primärrechtsordnung dem Verpflichteten eigene Entscheidungsspielräume mit abstrakt schwer zu bestimmenden Grenzen einräumt.226 Dies ist gerade bei den für die Bestimmung pflichtwidrigen Verhaltens im

222 St. Rspr., vgl. BVerfGE 126, 170, 204; BGHSt 55, 288, 300 m.w.N. s.a. statt vieler Fischer, § 266 Rn. 58; SK-StGB-Hoyer, § 266 Rn. 47; SSW-Saliger, § 266 Rn. 33. 223 So oder mit ähnlicher Formulierung („limitierte Akzessorietät“, „negative Akzessorietät“) die überwiegende Literatur. Statt vieler MüKo-StGB-Dierlamm, § 266 Rn. 14; Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 801 m.w.N. Kritisch hingegen LK-Schünemann, § 266 Rn. 93 ff. 224 Ausführlich hierzu Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 7 ff., 29 ff. 225 BVerfGE 126, 170, 205. 226 Vgl. BVerfGE 126, 170, 205 unter beispielhafter Nennung von § 93 Abs. 1 AktG.

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Bankensektor relevanten Regelungen des Gesellschafts- und des Bankaufsichtsrechts nicht selten der Fall.227 Zunächst soll exemplarisch auf einige Ansätze zur Begründung eines untreuerelevanten Tatverhaltens eingegangen werden, die im Zuge der untreuerechtlichen Erfassung der Finanzkrise diskutiert wurden und noch werden. (1) Überschreiten des Unternehmensgegenstandes Ein erster denkbarer Anknüpfungspunkt für ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist die Überschreitung des festgelegten Unternehmensgegenstandes. Er setzt dem Vorstandshandeln privatautonom Grenzen des Erlaubten. Dieser Ansatz wurde teilweise für die Aufarbeitung der Finanzkrise bemüht, insbesondere für die Verantwortlichen der in Schieflage geratenen Landesbanken. Sie hätten, so die Argumentation, durch das massive Engagement im Bereich verbriefter Kreditforderungen über mit Garantiezusagen versehene, im Ausland betriebene Zweckgesellschaften unter massivem Betreiben von Fristentransformationen nicht mehr (auch nicht mittelbar) der Verfolgung öffentlicher Zwecke gedient.228 Die Berufung auf die Überschreitung des Unternehmensgegenstandes mag bei den Landesbanken ein zielführender Ansatz zur Annahme pflichtwidrigen Verhaltens sein. Im Einzelnen hängt dies von der Gestaltung des Innenverhältnisses ebenso ab wie von Ausmaß und Inhalt der getätigten Geschäfte.229 Aufgrund der sehr fallspezifischen Gegebenheiten und der Abhängigkeit auch vom jeweiligen Landesrecht soll dieser Ansatz hier nicht weiter vertieft werden. 227 Die Bedeutung gesellschafts- und bankaufsichtsrechtlicher Vorgaben für § 266 StGB kann vorliegend nur kursorisch behandelt werden. Eine vertiefte Darstellung der Wechselwirkungen zwischen Straf-, Gesellschafts- und Aufsichtsrecht vor dem Hintergrund des Investments in Subprime-Papiere findet sich bei Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 62 ff. Genereller zum Verhältnis des Zivilrechts zum Strafrecht im Bereich des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts und zu Möglichkeiten der Verbesserung der Abstimmung zwischen den Disziplinen jüngst Merkt, ZGR 2016, 201 ff. 228 s. aus dem strafrechtlichen Schrifttum Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 89; aus dem gesellschaftsrechtlichen Schrifttum und an Beispielen ausführend Lutter, BB 2009, 786 ff. Zu entsprechenden Bedenken im Vorfeld der Finanzkrise mit Bezug auf die Tätigkeit der SachsenLB Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht Landesbank Sachsen Girozentrale, S. 29. Einen Verdacht auf einen Verstoß gegen den Unternehmenszweck der IKB formulierte auch das OLG Düsseldorf in einem Verfahren die Bestellung eines Sonderprüfers betreffend, s. OLG Düsseldorf ZIP 2010, 28, 30 f. Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 31 sieht eine Unvereinbarkeit des Geschäftsgebarens mit der Satzung der IKB jedenfalls als „nicht unbedingt zwingend“ an; zurückhaltend auch Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 51 f. 229 Näher hierzu in Bezug auf die vergangene Finanzkrise Lutter, BB 2009, 786 ff., der zum Ergebnis kommt, dass die von ihm untersuchten Satzungen der SachsenLB, der BayernLB sowie der WestLB zwar keine Sperren gegen bestimmte privatrechtliche Wertpapiergeschäfte enthielten, dass aber in allen Fällen jenseits jeglichen öffentlichen Zwecks und mithin rechtswidrig gehandelt worden sei.

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(2) Eingehen übermäßiger, gegebenenfalls existenzgefährdender Risiken Eine Pflichtwidrigkeit kann sich auch bei grundsätzlicher Zulässigkeit eines selbst erheblichen Engagements im Kreditersatzgeschäft oder in anderen Geschäftsbereichen ergeben, sobald dieses Engagement gewisse Grenzen überschreitet. Vorab sei betont, dass bei der Frage, ob übermäßige und im Ergebnis womöglich untreuerelevante Risiken eingegangen wurden, keinesfalls aus dem Blick geraten darf, dass dem Bankgeschäft das Eingehen von Risiken immanent ist und dass Bankmanager kraft ihres Berufs nachgerade verpflichtet sind, risikobehaftete Geschäfte zu tätigen. Das Eingehen von – mitunter auch erheblichen – Risiken ist daher keinesfalls bereits per se pflichtwidrig.230 In seiner Rechtsprechung zur Untreuestrafbarkeit im Rahmen der Bewilligung von Großkrediten etwa stellt der Bundesgerichtshof dies deutlich heraus. Danach kann bei der generell risikobehafteten Vergabe von Krediten durch Entscheidungsträger einer Bank eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nur dann bejaht werden, wenn die Risiken und die Chancen der Kreditvergabe nicht auf der Grundlage umfassender Informationen sorgfältig abgewogen worden sind.231 Nur wenn die – allerdings weit zu ziehenden – Grenzen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums, innerhalb dessen die Risikoabwägung durchzuführen ist, durch Verstöße gegen die banküblichen Informations- und Prüfungspflichten überschritten werden, mithin das Verfahren der Kreditgewährung fehlerhaft ist, soll eine Pflichtverletzung vorliegen, die zugleich einen Missbrauch der Vermögensbetreuungspflicht aus § 266 Abs. 1 StGB begründet.232 Die den Bankverantwortlichen zustehenden Handlungs- und Beurteilungsspielräume bestehen somit nur auf der Grundlage sorgfältig erhobener, geprüfter und analysierter Informationen.233 Bereits hier klingt an, dass sich die jüngere Rechtsprechung unter anderem dadurch auszeichnet, dass bei der Beurteilung, ob die Grenzen erlaubten Verhaltens überschritten wurden oder nicht, der Beachtung von Verfahren verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wird. § 54a KWG ist ein weiterer Schritt in Richtung einer verstärkten Prozeduralisierung des Strafrechts, auf den noch zurückzukommen sein wird. Im Einzelfall kann es jedenfalls nur darum gehen, ob exzessive, nicht mehr vertretbare Risiken eingegangen werden. Leitlinien für die Bestimmung dieser Frage bietet für die hier interessierenden Fallgestaltungen neben dem Gesellschaftsrecht vor allem das Bankenaufsichtsrecht. Durch dieses wird der Pflichtenkanon der Verantwortlichen von Kreditinstituten näher konturiert.234 Allerdings bedeutet ein 230 Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875, 876; Bittmann, NStZ 2011, 361, 364; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1146, 1154. 231 Vgl. BGHSt 46, 30, 34; 47, 148, 149; BGH StV 2010, 78, 79. 232 Vgl. BGHSt 47, 148, 152; s.a. BGH NJW 2006, 453, 454 f.; StV 2010, 78, 79. 233 BGH StV 2010, 78, 79. 234 Zu den (teils problematischen) Wechselwirkungen zwischen Aufsichts- und Gesellschaftsrecht sowie zur Entstehung eines „Bankgesellschaftsrechts“ s. Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 662 ff. m.w.N. Grundlegender noch zum Spannungsverhältnis zwischen Regu-

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Verstoß gegen bankaufsichtsrechtliche Vorgaben nicht automatisch ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 266 StGB. Die Untreue kann nicht als Summe verstanden werden, die sich aus einer bankaufsichtsrechtlichen Pflichtwidrigkeit und einem Schaden zusammensetzt.235 Auch dies verdeutlicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kredituntreue. Danach folgt aus einem Verstoß gegen die in § 18 KWG normierten Informations- und Prüfungspflichten hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers nicht automatisch eine Pflichtverletzung nach Maßgabe des § 266 StGB, mag auch von dem Verstoß gegen die Prüfpflichten eine Indizwirkung ausgehen.236 Eine einzelne bankaufsichtsrechtliche Norm, welche zweifelsfrei verletzt wurde und zu einer Untreuestrafbarkeit führen würde, existiert für die vergangene Finanzkrise ohnehin nicht.237 Weder ein Engagement im Verbriefungsgeschäft, noch das Betreiben von Zweckgesellschaften im Ausland, die Abgabe von (unterjährigen) Liquiditätsgarantien an selbige oder aber das Betreiben bzw. Unterstützen von Fristentransformationsmodellen war für sich genommen von strafrechtlicher Relevanz. Dennoch könnte ein untreuerelevantes Verhalten vorgelegen haben. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob durch die zuvor beschriebenen Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise womöglich pflichtwidrigerweise Klumpenrisiken und/oder existenzgefährdende Risiken eingegangen wurden. In Betracht kommt zunächst eine gegebenenfalls auch strafrechtlich relevante Pflichtwidrigkeit durch eine fehlende Berücksichtigung des sogenannten Klumpenrisikos.238 Zu dieser Art des Risikos führte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Beschluss betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers wegen Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat der IKB aus, die hinreichende Diversifikation des Kreditportfolios und damit insbesondere die Vermeidung von Klumpenrisiken gehöre zu den Grundsätzen des sorgfältigen Bankmanagements und es

lierung in Zeiten der Bankenunion einerseits und Privatrecht andererseits Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 576 ff. 235 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1158. 236 Vgl. BGHSt 46, 30, 32; 47, 148, 150 ff. Kritisch zur engen Orientierung der beiden Entscheidungen an § 18 KWG Knauer, NStZ 2002, 399, 400 ff. Das Bundesverfassungsgericht sieht die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit erfolgende Auslegung des Merkmals der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht als verfassungsrechtlichen Anforderungen genügend an, s. BVerfGE 126, 170, 219 ff. 237 So auch das Ergebnis der Analyse von Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 120. 238 So etwa Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 91, der hierin eine „selbständige Pflichtwidrigkeit“ erblickt. s.a. MG-Schumann, § 67 Rn. 59, der das Eingehen von Klumpenrisiken als pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB erachtet. Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 808 verknüpft das Element der Eingehung existenzgefährdender Risiken mit der Eingehung von Klumpenrisiken. Ausführlich zu Klumpenrisiken im Bankaufsichts-, Investment- und Aktienrecht Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht Lutter, ZIP 2009, 197, 199.

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gebe ein Gebot, Klumpenrisiken zu vermeiden.239 Ein pauschales Gebot, Klumpenrisiken zu vermeiden, ist allerdings bereits losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen zweifelhaft. Skeptisch macht schon ein Blick in § 13 KWG, der Klumpenrisiken ab einer bestimmten Größenordnung zwar für bedenklich, aber nicht für grundsätzlich unzulässig erachtet.240 Auch ist zweifelhaft und eine Frage des Einzelfalls, ob vor der Finanzkrise überhaupt übermäßige Klumpenrisiken eingegangen wurden. Gegen das Eingehen übermäßiger Klumpenrisiken mag sprechen, dass durch das Poolen, Tranchieren und Verbriefen sehr unterschiedliche Forderungen zusammengeführt wurden, was eigentlich zu einer Risikodiversifikation führt. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Schuldner lag zumindest eine Adressatenkonzentration nicht vor. Denkbar ist allenfalls der Vorwurf, es seien übermäßige Klumpenrisiken im Hinblick auf einen bestimmten Sektor eingegangen worden. Denn auch wenn die den Wertpapieren zugrundeliegenden Forderungen oft durchmischt waren – sie reichten von Immobilienkreditforderungen über Kreditkartenforderungen bis hin zu Forderungen aus Leasingverträgen – lag der Schwerpunkt doch auf dem US-Immobilienmarkt. Eine Sektorkonzentration dürfte unter Risikogesichtspunkten grundsätzlich zwar weniger schwer wiegen als eine Adressatenkonzentration.241 Allerdings wurde in einen Sektor investiert, der bis 2007 derart anwuchs, dass sein Zusammenbruch schließlich genügte, um selbst etablierte Banken rund um den Globus in Schwierigkeiten zu bringen. Ob einzelne Institute ein übermäßiges und gegebenenfalls auch strafrechtlich relevantes Klumpenrisiko eingegangen sind, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls.242 An dieser Stelle geht es – wie häufig – um die Abgrenzung noch erlaubten wirtschaftlichen Verhaltens von solchem, das die schwierig zu ermittelnde Grenze des Erlaubten überschreitet. Zielführender könnte es angesichts dieser Unwägbarkeiten sein, nicht auf das Eingehen von Klumpenrisiken, sondern auf das Eingehen bestandsgefährdender Risiken abzustellen. Dieser Ansatz liegt in Ansehung der bedrohlichen Schieflage, in die zahlreiche Institute im Rahmen der Finanzkrise gerieten, sowohl bei der Behandlung der Altfälle, als auch für künftige Fallkonstellationen nahe. Wenn ein Institut in eine existenzbedrohende Schieflage gerät, spricht auf erste Sicht manches dafür, dass im Vorfeld übermäßige, im Ernstfall existenzbedrohende Risiken eingegangen wurden, die den Weg in die Strafbarkeit nach § 266 StGB ebnen könnten. So wird auch im strafrechtlichen Schrifttum bei der untreuerechtlichen Beurteilung 239

OLG Düsseldorf ZIP 2010, 28, 32 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers wegen Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat der IKB. 240 Gegen ein kategorisches Konzentrationsverbot, wie es im Beschluss des OLG Düsseldorf anklingt, Florstedt, AG 2010, 315, 320. Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), 649, 677 erachten die Eingehung von Klumpenrisiken als aktienrechtlich nicht von vornherein verboten, nehmen jedoch einen Rechtfertigungszwang an; ebenso Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 172 ff., der vor allem das Element der Risikoerkennung betont. 241 So auch Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505. 242 Aus zivilrechtlicher Sicht Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505, der etwa im Fall der IKB schon eine kritische Grenze erreicht sieht. Damit ist allerdings noch nicht entschieden, ob dies auch für § 266 StGB relevant ist.

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mit Blick auf die Finanzkrise vielfach an die Eingehung bestandsgefährdender Risiken angeknüpft.243 Ob ganz grundsätzlich ein untreuerelevantes Verbot besteht, existenzgefährdende Dispositionen vorzunehmen, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung tendiert zu einem solchen Verbot. So hat der Bundesgerichtshof – allerdings zum Recht der GmbH – entschieden, dass auch bei einem Einverständnis aller Gesellschafter der Grundsatz gelte, dass durch eine Handlung die Existenz der Gesellschaft nicht gefährdet werden dürfe und eine solche Gefährdung untreuerelevant sein könne.244 Diese Rechtsprechung ist keineswegs unumstritten.245 Durch sie würden, so die teilweise Kritik, der Verfügungsmacht der Anteilseigner Grenzen gesetzt, was letztlich dem Gläubigerschutz diene.246 Für die hier in Rede stehenden Sachverhalte bedarf die Frage, ob die Eingehung existenzgefährdender Risiken auch bei einem Einverständnis der Anteilseigner zulässig ist, keiner Entscheidung, wenn man davon ausgeht, dass es bei den involvierten Banken an einem entsprechenden Einverständnis in die dem Umfang und Risikogehalt nach existenzbedrohenden Geschäfte gefehlt hat.247 Sollte ein solches theoretisch vorgelegen haben, kann allerdings durchaus bezweifelt werden, ob im Eingehen im Ernstfall existenzbedrohender Risiken tatsächlich ein untreuerelevantes Verhalten liegen kann, wie es die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nahelegt. Es kann gezweifelt werden, da gesellschafts- und bankaufsichtsrechtlich ein Verbot des Eingehens existenzbedrohender Risiken zumindest fraglich ist. Allerdings legen sowohl gesellschaftsrechtliche als auch – hier besonders interessierend – bankenaufsichtsrechtliche Regelungen ein solches nahe.248 Nicht nur hat in einer Aktiengesellschaft der Vorstand gemäß § 91 Abs. 2 AktG geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh zu erkennen. Auch das Bankaufsichtsrecht mit den Vorschriften zur Eigenkapitalun243 Schröder, ZStW 123 (2011), 771, 785 sieht den Grund dafür, dass bei der strafrechtlichen Beurteilung der Fristentransformation via Zweckgesellschaften meist an das Eingehen existenzgefährdender Risiken angeknüpft werde, darin, dass an dieser Stelle der Bereich der Pflichtwidrigkeit „sicher erreicht sei“. s.a. Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092 f.; G/J/WWaßmer, § 266 StGB Rn. 94. 244 BGHSt 35, 333, 336 f.; s.a. BGHSt 49, 147, 158; 54, 52, 57 ff. 245 Zum Meinungsstand Fischer, § 266 Rn. 99 ff. m.w.N. 246 Vgl. SSW-Saliger, § 266 Rn. 106 m.w.N. s.a. Perron, ZGR 2016, 187, 192, nach dem es sich um Straftaten gegen die Interessen der Gläubiger, also um typische Insolvenzdelikte, nicht aber um einen Angriff von innen auf das Vermögen der Gesellschafter handele. Der Untreuetatbestand werde insoweit für Zwecke des Gläubigerschutzes missbraucht. 247 So Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1163. 248 Dies ist keineswegs unumstritten. Neben den Auffassungen, das Eingehen existenzgefährdender Risiken sei grundsätzlich pflichtwidrig oder aber es bedeute keineswegs automatisch eine Pflichtverletzung, wird teilweise zwischen konkreten und abstrakten Bestandsgefährdungen unterschieden (so etwa Redeke, ZIP 2010, 159, 160 ff.). Ein Überblick über das Meinungsbild in gesellschaftsrechtlicher Literatur und Rechtsprechung findet sich bei Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 170 f.

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terlegung, zur Sicherung der Solvenz, zur Liquidität und zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zeigt deutlich ein Ringen um die Solvenz und damit zugleich den Bestand der Kreditinstitute.249 Gegen ein Verbot des Eingehens existenzgefährdender Risiken spricht auch nicht, dass eine Orientierung am theoretisch denkbaren Maximalrisiko jede unternehmerische Tätigkeit lähmen würde250 und bei Instituten die Ausschaltung des theoretisch denkbaren Maximalrisikos im Ergebnis gar darauf hinaus laufen würde, alle Geschäfte mit Eigenkapital zu bestreiten251. Dies kann nicht verlangt werden und wird auch nicht verlangt. Jedem unternehmerischen Handeln wohnt stets die Gefahr auch des insgesamten Scheiterns inne. Für den Bankensektor gilt nichts anderes. Auch ohne, vor allem aber mit Einverständnis der eigentlich über die Untreue geschützten Vermögensinhaber zeigt der Umstand, dass bei einem Abstellen auf das Eingehen existenzgefährdender Risiken der Gläubiger- und gegebenfalls sogar Systemschutz in den Vordergrund rückt jedenfalls, dass der Untreuetatbestand seinem Schutzzweck nach vorliegend nicht passgenau ist und der Fokus vielmehr auf § 283 StGB gelegt werden sollte. Er behandelt Unternehmenskrisen und dient dem Schutz von Gläubiger- und ggf. auch Kollektivinteressen. Auf ihn wird zurückzukommen sein. Hält man eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit durch das Eingehen existenzgefährdender Risiken für möglich, so resultierten diese in der Finanzkrise im Wesentlichen aus den von den Sponsoren gewährten Liquiditätsgarantien. Deren Risiko realisierte sich, als die Zweckgesellschaften die Garantien entgegen der Erwartung weiter Teile der Branche tatsächlich in Anspruch nehmen mussten. Dies überforderte die hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken und brachte diese in eine finanzielle Schieflage. Denn die Garantien waren bewusst so ausgestaltet, dass eine Eigenkapitalunterlegung entfiel bzw. dass eine solche gezielt umgangen wurde. Dass das damals geltende Regulierungsrecht diese Möglichkeit zuließ, darf bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit freilich nicht ausgeblendet werden. Stellt man zur Begründung der Pflichtwidrigkeit darauf ab, dass Garantiezusagen gegeben wurden in einem Umfang, der im Ernstfall existenzbedrohend sein würde und dies obwohl angesichts der Volumina und der Risiken der Geschäftstätigkeit der Zweckgesellschaften das Eigenkapital des Sponsors sehr gering war, würde man strafrechtlich an ein Verhalten anknüpfen, das bankaufsichtsrechtlich im tatrelevanten Zeitpunkt erlaubt war. Dies aber würde der akzessorischen Ausgestaltung des § 266 StGB und dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zuwider laufen. Denn die Einhaltung regulatorischer Vorgaben soll eine Gewähr dafür bieten, strafrechtlich nicht relevant zu handeln, mag auch der umgekehrte Fall, das heißt ein Verstoß gegen regulierungsrechtliche Vorgaben, in seiner Bedeutung für eine strafrechtliche Beurteilung 249 Vgl. hierzu Schröder, NJW 2010, 1169, 1171; zust. Fischer, § 266 Rn. 67a. Gegen diesen Schluss Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 178 f. 250 Auf diese Gefahr hinweisend Fleischer, NJW 2010, 1504, 1506. 251 Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875, 878.

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umstritten sein. Über diese Unstimmigkeit könnte nur mit der Begründung hinweggeholfen werden, dass die Existenzsicherung zur (konkludent) vereinbarten Grundlage des (Grund-)Rechtsverhältnisses gehört und von einer etwaigen kreditwesenrechtlichen Pflicht zur Eigenkapitalunterlegung unabhängig ist.252 Die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben soll auch deswegen nicht zwingend entlasten, weil aufsichtsrechtliche Lücken bewusst ausgenutzt wurden.253 Insoweit ist zumindest ein nicht unerheblicher Begründungsaufwand von Nöten, der aber unter Rückgriff auf den Umgehungsgedanken wohl zu leisten sein dürfte. Bei der Anknüpfung an das Eingehen bestandsgefährdender Risiken tritt allerdings noch eine weitere Gefahr auf den Plan: Sie besteht darin, dass aus einer eingetretenen Situation (hier der Existenzgefahr) auf die Bewertung des sie herbeiführenden Verhaltens als pflichtwidrig geschlossen wird. Die Frage, ob ein Verhalten pflichtwidrig war, muss jedoch aus einer Sicht ex ante beurteilt werden.254 Bezogen auf die Finanzkrise muss also im Einzelfall gefragt werden, ob das Engagement im Bereich verbriefter Kreditforderungen und, hierbei besonders interessierend, die Abgabe erheblicher Garantien für ausländische unterkapitalisierte Zweckgesellschaften auch bereits im Zeitpunkt ihrer Vornahme als pflichtwidrig zu bewerten war. Dies ist keineswegs sicher. Diese Frage sollte schon deshalb nicht vorschnell bejaht werden, weil auch das Nichteingehen von Risiken durchaus pflichtwidrig sein kann. Eine vorbehaltlose Einstufung als pflichtwidrig erscheint insbesondere deshalb zweifelhaft, weil vor Ausbruch der Finanzkrise die Verbriefungsmaschinerie jahrelang störungsfrei funktionierte, ein entsprechender Markt bestand und die in Rede stehenden Papiere vielfach Bestbewertungen erhielten, die sich in entsprechenden Renditen niederschlugen. Es handelte sich zudem nicht um Spekulationen einiger weniger, besonders waghalsiger Banken, sondern um ein verbreitetes Geschäftsmodell, welches über Jahre hinweg weltweit praktiziert wurde. Im Einzelfall stellt sich dabei schon auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit die schwierige Frage, inwieweit das wesentliche oder gar alleinige Vertrauen auf die Ratings berechtigt war255, welche weitergehenden Informationen gegebenenfalls eingeholt und wie diese im Einzelnen 252 Vgl. Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 809, der die fehlende aufsichtsrechtliche Pflicht zur Eigenkapitalunterlegung ebenfalls nicht als Argument ansieht, das einer Wertung des Verhaltens als pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB „zwingend entgegensteht“. Ähnlich Schröder, NJW 2010, 1169, 1171; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1171, 1188, sowie Forkel, ZRP 2010, 158 f., der aber im Ergebnis trotzdem eine strafrechtliche Ahndung ausschließt aufgrund einer Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs wegen widersprüchlichen Verhaltens des Staates. 253 Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 809. 254 Vgl. für Fälle der Kreditvergabe etwa BGHSt 46, 30, 34; 47, 148, 149 f.: Eine Pflichtverletzung könne nicht deshalb angenommen werden, weil das Engagement später notleidend wurde. 255 Hierzu ausführlich Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 184 ff. m.w.N., der die Annahme einer Pflichtwidrigkeit des (branchenüblichen) Vertrauens auf externe Ratings trotz möglicher Interessenkollisionen als einen „offensichtlichen Rückschaufehler“ ansieht. Lesenswert auch Rönnau, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, S. 115, 119 ff.

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bewertet wurden, wann genau die Liquiditätsgarantien abgegeben wurden und welche Geschäftstätigkeit welcher Zweckgesellschaft damit abgesichert werden sollte. Pauschale Annahmen verbieten sich dabei. Festgehalten werden kann, dass die Annahme einer auch schon bei Betrachtung ex ante pflichtwidrigen Eingehung existenzgefährdender Risiken zumindest nicht ohne näheren Begründungsaufwand möglich ist. Ein Anknüpfen an das Eingehen existenzgefährdender Risiken stellt ungeachtet dessen aber einen der vielversprechendsten Ansätze zur Annahme eines untreuerelevanten Verhaltens im Rahmen der Finanzkrise dar. Wann genau die Grenze der Pflichtwidrigkeit überschritten wurde, ist selbstredend Frage des Einzelfalls. (3) Versäumnisse im Bereich des Risikomanagements Aufgrund der Akzessorietät des § 266 StGB kommt neben der Vornahme pflichtwidrig risikoreicher Geschäfte dem Grunde nach auch die Verletzung von Risikomanagementvorgaben als Anknüpfungspunkt für ein untreuerelevantes Verhalten in Betracht. Gerade das Investment in strukturierte Wertpapiere unter Ausnutzung von „Schlupflöchern“ in Bilanz- und Eigenkapitalvorschriften hat den Blick auf den Bereich des Risikomanagements als Ansatzpunkt für eine (auch strafrechtliche) Verhaltensverantwortlichkeit gelenkt.256 Entsprechende Ansätze finden sich für die vergangene Finanzkrise in der Literatur.257 Weil das damals geltende Regulierungssystem derart beschaffen war, dass das Engagement im Bereich verbriefter Kreditforderungen kaum Angriffsflächen bot für ein pflichtwidriges Geschäftsleiterverhalten im Sinne eines klaren Verstoßes gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben, nimmt der Versuch eines Rückgriffs auf Regelungen betreffend das Risikomanagement als übergeordneter, weiträumigerer Pflichtenkategorie nicht wunder.258 Dies gilt umso mehr, als es deren Ziel ist, die Risikotragfähigkeit des Instituts laufend sicherzustellen, vgl. § 25a Abs. 1 S. 3 Hs. 1 KWG. Insgesamt steckt die Befassung mit der Frage, inwieweit die Verletzung von Risikomanagementvorgaben Bedeutung im Strafrecht – und hier zunächst interessierend im Untreuetatbestand – haben kann, noch in den Anfängen.259 Vor der Finanzkrise spielte die Bemühung von Risikomanagementvorschriften für § 266 StGB kaum je eine Rolle. Sie stellt sich in ihrem Nachgang vor allem, weil der Vorwurf 256

Vgl. Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 135. Vorsichtig Bräuning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1093 f., die unter Rückgriff auf das Gesellschaftsrecht mittelbar auf § 25a KWG abstellen; vorsichtig auch Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 24, wonach KWG-Vorschriften über § 93 AktG „zumindest mittelbar“ als Maßstab herangezogen werden könnten. Deutlicher hingegen MG-Schumann, § 67 Rn. 5 ff.: § 25a KWG sei für die Prüfung und den Nachweis einer Untreue durch pflichtwidrige Kreditvergabe „essenziell“. 258 Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 120. 259 Ähnlich Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 192, der in der Folge eine erste grundlegende Untersuchung mit Blick auf § 266 StGB unternommen hat; s. inzwischen auch Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 116 ff. 257

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neben einem Abstellen auf die Vornahme einzelner Investments, die zu einzelnen Schäden geführt haben könnten, im Ansatzpunkt auch lauten kann, dass ein fehlerhaftes Risikomanagement dazu führte, dass Gefahren der Investmentstruktur insgesamt nicht, nicht richtig oder aber zu spät erkannt wurden.260 Es geht mithin um die strafrechtliche Erfassung eines Maßnahmebündels.261 Zugleich bedeutet das Anknüpfen an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben, dass an ein weitgehend prozeduralisiertes Recht angeknüpft wird – ein naheliegender Ausweg in Ermangelung materieller Anknüpfungspunkte für ein strafbares Verhalten.262 Eine Anknüpfung an Verfehlungen im Bereich des Risikomanagements im Rahmen der Treubruchsvariante des § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB mag auf erste Sicht verwundern, heißt es in der amtlichen Begründung zu § 54a KWG doch, die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts würden dem strafbewehrten Verhalten nach andere Schwerpunkte setzen und Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzem auf dem Spiel steht, nicht erfassen.263 Dies bedarf näherer Untersuchung. Auch vor Schaffung der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Risikomanagementpflichten durch das Trennbankengesetz bestand für Geschäftsleiter von Kreditinstituten ungeachtet gesellschaftsrechtlicher Vorgaben eine aufsichtsrechtlich verankerte Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems, das die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet (vgl. § 25a Abs. 1 KWG und die Konkretisierung durch die MaRisk (BA)). In der Verletzung hieraus resultierender Organisationsvorgaben wird teilweise ein für § 266 StGB relevantes pflichtwidriges Verhalten gesehen.264 Es ist aber fraglich, ob angesichts der weitgehend prinzipienorientierten Formulierung265 und der nur selten gegebenen konkreten Ge- oder Verbote eine Verletzung dort enthaltener Vorgaben im Einzelfall festgestellt werden kann und ob sich diese Vorgaben für die Begründung einer un260

Vgl. Ransiek, WM 2010, 869, 874. Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 195 f. 262 Zu den beiden Möglichkeiten der Prozeduralisierung, strafbarkeitseinschränkend oder strafbarkeitserweiternd zu wirken, Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 213 ff. 263 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2. 264 So etwa Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1093. Ohne nähere Begründung meint Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 673, dass Pflichtverletzungen im Risikomanagement häufig als Untreue erfasst werden können. Von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben i.R.d. § 266 StGB gehen ebenfalls aus Wastl, WM 2013, 1401, 1404; Ahlbrecht, BKR 2014, 98; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205; Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 339; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 116 ff. 265 Zu regel- und prinzipienorientierten Regelungsstrategien im Finanzaufsichtsrecht Wundenberg, Compliance, S. 37 ff. Zum Konfliktpotenzial mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot s. noch im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG unten S. 188 ff. 261

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treuerelevanten Pflichtwidrigkeit überhaupt eignen.266 Auch wenn man eine derartige Anknüpfung dem Grunde nach für möglich halten sollte: Ein Untreuevorwurf kann auf sie schwerlich gestützt werden, denn eine Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten wirft im Rahmen des § 266 StGB mehrere kaum überwindbare Schwierigkeiten auf. Vorweggenommen sei an dieser Stelle lediglich, dass diese Schwierigkeiten zum einen die Existenz und Nachweisbarkeit eines Zurechnungszusammenhangs zwischen der Verletzung von Risikomanagementvorgaben und der Verursachung eines Vermögensnachteils betreffen und dass sie zum anderen die Frage aufwerfen, ob ein eingetretener Vermögensnachteil unmittelbar auf der Verletzung von Risikomanagementvorgaben beruht und für § 266 StGB beruhen muss. Darüber hinaus ist die Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben auch angesichts des Schutzzwecks des § 266 StGB bedenklich, denn der Untreuetatbestand zielt allein auf den Vermögensschutz des Treugebers ab. Auf diese Punkte wird sogleich noch im Einzelnen zurückzukommen sein. (4) Zwischenergebnis Der vorstehende, nur einige Teilaspekte der Vorgänge im Vorfeld der Finanzkrise aufgreifende Abschnitt dürfte verdeutlicht haben, dass bereits die Feststellung einer untreuerelevanten Pflichtverletzung in derart komplexen Zusammenhängen Schwierigkeiten bereitet. Aufgrund der akzessorischen Ausgestaltung des § 266 StGB kommen zwar zahlreiche verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht. Im Einzelfall ist es aber schwierig, die Grenze zwischen noch erlaubtem und nicht mehr erlaubtem Verhalten zu bestimmen. Trotzdem: Werden Liquiditätsgarantien in einem Ausmaß abgegeben, das im Ernstfall existenzbedrohend sein kann, und unterbliebt eine angemessene Unterlegung der Risiken mit Eigenkapital, weil bewusst Regulierungslücken ausgenutzt werden, und dienen die Liquiditätsgarantien dem Betreiben massiver Fristentransformationsmodelle ganz erheblichen Umfangs in unterkapitalisierten ausländischen Zweckgesellschaften mit zwar gut gerateten, im Kern aber intransparenten Finanzprodukten, so liegt der Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens ungeachtet der Umstände des Einzelfalls regelmäßig nahe.267 Eingeengt 266 Skeptisch bezüglich der Möglichkeit, die Vorgaben des KWG das Risikomanagement betreffend zur Ausfüllung des § 266 StGB heranzuziehen, Kasiske, ZIS 2013, 257, 260 Fn. 25. Da sich die Schwierigkeit, den Vorgaben des KWG das Risikomanagement betreffend konkrete Ge- und Verbote zu entnehmen, auch im Rahmen des § 54a KWG stellt, sei diesbezüglich auf die dortigen Ausführungen verwiesen (S. 184 ff.). Ob die MaRisk (BA) über ihre aufsichtsrechtliche Funktion hinaus zur materiell-rechtlichen Ausfüllung der Haftungsvorschriften herangezogen werden können, ihnen also auch eine strafrechtliche Dimension immanent ist, bemisst sich im Wesentlichen nach deren verwaltungsrechtlicher Qualifikation sowie den verfassungsrechtlichen Grenzen strafrechtlicher Gesetzgebung, vgl. hierzu Momsen, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 26 Rn. 19. Schmitt, BKR 2006, 125, 128 ff., hält eine „ergänzende“ Bemühung der MaRisk für möglich. 267 Ähnlich Schröder, ZStW 123 (2011), 771, 785 ff., sowie am Beispiel der IKB auch Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 31. Großzügig hinsichtlich der Annahme pflicht-

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wird der Kreis möglicher untreuerelevanter Pflichtverletzungen allerdings durch das Gebot einschränkender Auslegung. bb) Verfassungsrechtliches Gebot einschränkender Auslegung Seit langem umstritten war die für den Bereich der Risikogeschäfte bedeutsame Frage, ob für die Annahme einer Untreue im Hinblick auf die Pflichtverletzung eine besondere Intensität, eine besondere Höhenmarke zu verlangen ist. Während der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mehrfach eine „gravierende“ Verletzung der dem Treupflichtigen obliegenden Pflichten verlangte,268 verzichtete der 3. Strafsenat in der Revision im Fall Mannesmann/Vodafone auf dieses Erfordernis.269 In der Folge sah auch der 1. Strafsenat davon ab, das Kriterium ausdrücklich aufrecht zu erhalten.270 In der Literatur wurde die Frage heftig diskutiert.271 (1) Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und verbleibende Unsicherheiten In diese Unsicherheit hinein erging im Jahr 2010 der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB.272 In ihm heißt es, die Anwendung des § 266 StGB müsse auf Fälle klaren und deutlichen (evident) pflichtwidrigen Handelns beschränkt bleiben, Wertungswidersprüche zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregeln müssten vermieden und der Charakter des Untreuetatbestandes als reines Vermögensdelikt bewahrt werden.273 Der an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geübten Kritik, eine Restriktion auf gravierende oder evidente Pflichtverletzungen lasse sich dem Wortlaut des § 266 StGB nicht entnehmen274, hält das Bundesverfassungsgericht entgegen, dass eine derartige Restriktion im Hinblick auf den sehr weiten Wortlaut nötig sei. Wer einwende, es würden insoweit nur weitere Wertungsspielräume entstehen, deren Folgen im Einzelfall unvorhersehbar seien, verkenne, dass sich gravierende Pflichtverletzungen nur dann bejahen ließen, wenn die Pflichtverletzung evident sei.275

widrigen Verhaltens LK-Schünemann, § 266 Rn. 120: Die Pflichtwidrigkeit sei „multipel begründet“. 268 Etwa in BGHSt 47, 148, 150; 47, 187, 197. 269 BGHSt 50, 331, 343 ff. 270 BGH NJW 2006, 453, 454 f. 271 s. den Überblick über den Diskussionsstand vor der Entscheidung BVerfGE 126, 170 ff. bei Seibt/Schwarz, AG 2010, 301, 311 f. Ausführlich auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 95 ff., jew. m.w.N. 272 BVerfGE 126, 170 ff. = NJW 2010, 3209 ff. 273 BVerfGE 126, 170, 210. 274 So etwa die Kritik von Schünemann, NStZ 2005, 473, 475. 275 BVerfGE 126, 170, 211.

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Trotz der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur einschränkenden Auslegung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals in § 266 StGB ist vieles im Unklaren geblieben.276 Die Suche nach einem eigenen strafrechtlichen Unrecht in der (gesellschaftsrechtlichen) Pflichtverletzung ist wieder in vollem Gange.277 Nicht nur heißt es, die Ausführungen zur Pflichtwidrigkeit ließen keine verfassungsrechtliche Zwangsläufigkeit erkennen.278 Auch bleiben etwa die Fragen zurück, wann eine Pflichtverletzung als gravierend einzustufen ist, was unter Evidenz verstanden wird und wie sich die Begriffe zueinander verhalten.279 Das Bundesverfassungsgericht liefert in seiner Entscheidung nur einige wenige Anhaltspunkte für eine nähere Begriffsbestimmung280: Es spricht zum einen davon, Ziel müsse es sein, „die Anwendung des Untreuetatbestandes auf Fälle klarer und deutlicher (evidenter) Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken“, zum anderen heißt es, „dass sich gravierende Pflichtverletzungen nur dann werden bejahen lassen, wenn die Pflichtverletzung evident ist.“281 Letzterem lässt sich entnehmen, dass Evidenz wohl eine Mindestvoraussetzung sein soll, um eine Pflichtverletzung als gravierend einzustufen. Evidenz wiederum, so der erste Ausschnitt, wird mit den Attributen „klar und deutlich“ umschrieben. Betont wird damit die leichte Erkennbarkeit der Pflichtwidrigkeit. Teilweise wird die Position des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts damit als anschlussfähig an die schon zuvor vielfach vertretene Lehre erachtet, wonach eine Pflichtverletzung als gravierend gilt, wenn sie auf Basis einer Gesamtwürdigung der Umstände evident unvertretbar und/oder willkürlich ist, weil sie auch unter Berücksichtigung des unternehmerischen Handlungsspielraums nicht mehr als eine ex-ante im materiellen Unternehmensinteresse liegende Entscheidung gedacht werden kann.282 Einzelheiten sind hier noch ungeklärt. Festgehalten werden soll an dieser Stelle jedenfalls, dass die Merkmale gravierend und evident zwar nicht identisch283, wohl aber eng miteinander verknüpft sind. Identisch sind sie nicht, weil das Attribut „gravierend“ auf eine Intensität des Pflichtenverstoßes abstellt284, das Attribut „evident“ indes auf den hohen Grad seiner 276

Überblick über den Diskussionsstand bei SSW-Saliger, § 266 Rn. 47 ff. Vgl. Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 93 f. 278 LK-Schünemann, § 266 Rn. 99. 279 Eine Übersicht der überaus zahlreichen in der Literatur vertretenen Begriffsbildungen findet sich bei Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 64 Fn. 175. 280 Schünemann, ZIS 2012, 183, 192 f. spricht von „recht eklektischen Bemerkungen“ zur Pflichtwidrigkeit, die „keine klare Richtung“ erkennen lassen. 281 BVerfGE 126, 170, 211; aufgegriffen etwa jüngst durch die Entscheidung im Verfahren HSH-Nordbank BGH, Urt. v. 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15 –, juris, Rn. 25. 282 Saliger, ZIS 2011, 902, 906. 283 So aber wohl die Interpretation der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch MGSchumann, § 67 Rn. 14a. Er sieht die Begriffe evident und gravierend durch das Bundesverfassungsgericht gleichgesetzt. Dies kommt durch die gewählte Formulierung aber zumindest nicht eindeutig zum Ausdruck. 284 Als Synonyme gelten etwa laut Duden, Synonymwörterbuch: schwerwiegend, tief greifend, erheblich, ins Gewicht fallend, massiv, drastisch. 277

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Erkennbarkeit.285 Eng miteinander verknüpft sind sie gleichwohl, weil gravierende Pflichtverletzungen in der Regel auch deutlich als solche zu erkennen und damit evident sind. Der Umkehrschluss mag weniger zwingend sein, doch dürften klar erkennbare, das heißt evidente Pflichtverstöße, oft auch gravierend, weil deutlich entfernt vom pflichtgemäßen Verhalten sein. Hält man diese Differenzierung aufrecht, so muss angemerkt werden, dass den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wohl nur zu entnehmen ist, dass eine Evidenz, das heißt eine leichte Erkennbarkeit vorliegen muss, nicht aber zwingend auch ein besonderes inhaltliches Gewicht.286 Die in der Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangene Rechtsprechung bedient sich zum Teil weiterhin explizit des Kriteriums der „gravierenden Pflichtverletzung“287, teils wird auf die Merkmale „klar und deutlich (evident)“288 oder „klar und evident“ zurückgegriffen und im selben Atemzug unter Verweis auf die Entscheidungen, in denen der 1. Strafsenat die Unterscheidung zwischen einfachen und (strafbaren) gravierenden Pflichtverletzungen entwickelt hat, von einer „schweren“ Pflichtverletzung gesprochen289. In einer anderen jüngeren Entscheidungn werden die Adjektive „klar“, „evident“ und „schwerwiegend“ unter Verweis auf den Untreue-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts staccatoartig aneinandergereiht.290 Eindeutige, wiederkehrende Strukturen sind nur schwerlich auszumachen. Eine präzise inhaltliche Bestimmung der Anforderungen an die Pflichtwidrigkeit ist damit nicht gewonnen, es verbleiben erhebliche Unsicherheiten.291 Die weitere Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur bleibt abzuwarten. 285

Als Synonyme gelten etwa laut Duden, Synonymwörterbuch: augenfällig, deutlich, erkennbar, offenkundig, unübersehbar. 286 So auch Böse, JURA 2011, 617, 622; ähnlich MüKo-StGB-Dierlamm, § 266 Rn. 175: Das BVerfG fordere klare und deutliche Verstöße und habe das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung als deren Unterfall ausdrücklich anerkannt. Dabei bleibt allerdings im Dunkeln, wie eine gravierende Pflichtverletzung einerseits nur einen Unterfall und andererseits zugleich ein Erfordernis darstellen soll. Eine „gravierende Pflichtverletzung“ halten Wessing/ Krawczyk, NZG 2010, 1121, 1123 für erforderlich. Ebda. S. 1124 sprechen sie allerdings wieder unterschiedslos von „gravierend bzw. evident“. Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507, 512, sprechen von einer „offensichtlich schwerwiegenden“ Pflichtverletzung, wobei eine „quantitative Bewertung“ gemeint sein soll. Was darunter zu verstehen ist, bleibt unklar. Allein diese wenigen Nachweise dürften die weit verbreitete Konfusion ausreichend verdeutlichen. 287 So etwa BGHSt 56, 203, 213. Ausdrücklich auch OLG Hamm NStZ-RR 2012, 374, 374 f. 288 BGHSt 55, 288, 300. 289 So der 5. Strafsenat, s. BGH StV 2014, 88, 88. Kubiciel, StV 2014, 91, 91, deutet dies als Anschluss an die Rechtsprechungslinie des 1. Strafsenats; Jahn, JuS 2014, 82, 84, sieht damit inzwischen „das Evidenzprinzip“ beim BGH „voll rehabilitiert“. 290 BGH NJW 2015, 1618, 1620. 291 Kritisch etwa Safferling, NStZ 2011, 376, 377: Die Begriffe „gravierend“ oder „evident“ gäben nicht mehr als eine graduelle Abstufung her und unterstellten einen bestimmten oder bestimmbaren Schwellenwert, ab dem die Strafbarkeit eingreife, ohne dass aber ein geeigneter hinreichend konkreter Maßstab hierfür erkennbar sei. Die Begriffe würden sich durch eine „Substanzlosigkeit“ auszeichnen. Ähnlich Schünemann, ZIS 2012, 183, 193, der im Merkmal der Evidenz nicht mehr als einen „intuitiven Eindruck“ sieht, der ohne analytische Klärung des

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(2) Bedeutung für den Bankensektor Das Erfordernis einer – wie auch immer im Einzelnen gearteten – inhaltlichen Höhenmarke oder erhöhten Erkennbarkeit in Bezug auf eine untreuerelevante Pflichtverletzung wirkte sich bereits bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise aus und dürfte auch für zukünftige, ähnlich gelagerte Fallgestaltungen eine nicht unerhebliche Einschränkung des Kreises untreuerelevanten Verhaltens bedeuten. Im Verfahren gegen ehemalige Vorstände der HSH Nordbank etwa gelangte die Strafkammer unter Betonung der durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Handhabung des Untreuetatbestandes zu dem Ergebnis, dass die Angeklagten zwar ihre Vorstandspflichten in Bezug auf die Transaktion „Omega 55“ verletzt hätten, die Informationslage des Vorstandes aber gleichwohl nicht derart lückenhaft gewesen sei, dass das Verhalten der Angeklagten das „Maß einer „gravierenden“ und „evidenten“ Pflichtverletzung“ erreicht habe.292 Mit einer ähnlichen Argumentation wurde das Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der LBBW wegen des Verdachts der Untreue infolge der Geschäftstätigkeit im Verbriefungssektor eingestellt.293 Allerdings gilt es anzumerken, dass das freisprechende Urteil im Verfahren gegen ehemalige Vorstände der HSH Nordbank im Oktober 2016 durch den Bundesgerichtshof aufgehoben worden ist. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt bei einem Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 1 AktG stets eine „gravierende“ bzw. „evidente“ Pflichtverletzung vor. Seien die in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens überschritten und sei damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, liege eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die (gleichsam „automatisch“) so gravierend sei, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründe. als evident empfundenen Objekts nur eine „Scheinlösung“ liefere. Zweifelnd, ob „Evidenz“ überhaupt eine materiell-rechtliche Anforderung an einen Straftatbestand sein kann oder soll Fischer, ZStW 123 (2011), 816, 824. MüKo-StGB-Dierlamm, § 266 Rn. 176 ff. macht für die inhaltliche Bestimmung einer gravierenden Pflichtverletzung vier „Leitkriterien“ aus, die man in eine Gesamtschau einstellen müsse. Allein dieser (im Kern löbliche) Versuch einer Systematisierung zeigt, wie sehr man um eine Präzisierung dessen ringt, was die höchstrichterliche Rechtsprechung und das Bundesverfassungsgericht zur Konturierung des Untreuetatbestandes und zur Garantie seiner verfassungsmäßigen Handhabung anbieten. Kubiciel, StV 2014, 91, 91 f. sieht den Grund dafür, dass das Kriterium einer schweren oder gravierenden Pflichtwidrigkeit nicht nur hochgradig unbestimmt, sondern auch kaum bestimmbar sei, darin, dass der Begriff der Pflichtwidrigkeit objektiv nicht graduierbar sei. Er lasse vielmehr nur die binäre Unterscheidung zwischen pflichtwidrig und pflichtgemäß zu. Zu fragen sei, ob die außerstrafrechtliche Pflichtwidrigkeit strafrechtlich gravierend sei. 292 LG Hamburg, Urteil vom 09. Juli 2014 – 608 KLs 12/11, juris, Rn. 1530. Das dabei anklingende kumulative Erfordernis (gravierend und evident) dürfte als Ausdruck der Verunsicherung unterinstanzlicher Gerichte über die Anforderungen an das Merkmal der Pflichtwidrigkeit zu werten sein und dem Bedürfnis entspringen, sich in jede Richtung abzusichern. 293 Vgl. die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 28. 11. 2012, http://www. staatsanwaltschaft-stuttgart.de/pb/,Lde/1235836/?LISTPAGE=1235504 (zul. abg. 30. 11. 2016). Zum Verfahren s. o. S. 75 f.

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Angesichts des durch § 93 Abs. 1 AktG eingeräumten weiten unternehmerischen Entscheidungsspielraums sei für eine gesonderte Prüfung der Pflichtverletzung als „gravierend“ bzw. „evident“ kein Raum.294 Es ist also weder das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung, noch der Prüfungsinhalt als solcher, an dem der Bundesgerichtshof sich stößt, sondern die zweistufige Prüfung des Landgerichts bei dem in Rede stehenden Verstoß gegen die in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens. Auch unter Berücksichtigung der im Kern restriktiven und in Einzelheiten noch unklaren Behandlung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals der Untreue ist die Hürde für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit indes auch im Bankensektor nicht unüberwindbar. Dabei kommt es ganz wesentlich darauf an, worin genau die untreuerelevante Pflichtverletzung im Einzelfall liegt. Jedenfalls wenn das Tatverhalten im Eingehen existenzgefährdender Risiken liegt, dürfte die Annahme einer gravierenden und/oder evidenten Pflichtverletzung nahe liegen.295 Selbst wenn man also für § 266 StGB ein einschränkendes Kriterium fordert in Form einer gravierenden und/ oder evidenten Pflichtverletzung, so dürfte dies den Tatbestand des § 266 StGB nicht von vornherein als untauglich erscheinen lassen, Fehlverhalten im Bankensektor strafrechtlich zu erfassen. Der gerichtsfeste Nachweis eines untreuerelevanten Pflichtenverstoßes ist aber, soviel dürfte feststehen, infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht leichter geworden. cc) Zwischenergebnis Die tatbestandliche Weite des § 266 StGB erlaubt es zwar, eine Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte für ein untreuerelevantes Verhalten zu wählen. Gleichzeitig bedingt sie aber eine im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen strafrechtlich noch erlaubten und nicht mehr erlaubten Verhaltensweisen. Diese Schwierigkeiten zeigten sich auch bei dem Versuch, objektiv tatbestandsmäßiges Verhalten einzelner Akteure im Vorfeld der Finanzkrise festzustellen. Das vom Bundesverfassungsgericht unterstrichene Gebot restriktiver Auslegung engt den Kreis untreuerelevanter Pflichtverletzungen weiter ein, ohne dem Rechtsanwender derzeit klare Leitlinien an die Hand zu geben. In Bezug auf die Finanzkrise steht die Bestimmung eines untreuerelevanten Verhaltens damit in vielen Fällen auf tönernen Füßen. Für künftige Bankenkrisen dürfte nichts anderes gelten.

294

BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15 –, juris, Rn. 24 ff. Schröder, NJW 2010, 1169, 1173; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1183; Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 30, sowie – trotz Ablehnung dieser zusätzlichen Höhenmarke – Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 93, der wie Kasiske neben dem existenzbedrohenden Umfang der Geschäfte auf ergänzende Aspekte abstellt wie das Auslösen einer staatlichen Rettung, die Ausschaltung der staatlichen Bankenaufsicht durch ausländische Zweckgesellschaften und das Ausnutzen von Regulierungslücken. 295

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b) § 266 StGB als Verletzungsdelikt Die Feststellung eines Vermögensnachteils im Sinne des § 266 StGB stellt die Rechtspraxis in komplexen Fällen vor erhebliche Herausforderungen [aa)]. Unabhängig davon ist unklar, ob ein Unmittelbarkeitskriterium zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil zu fordern ist, das die vom Untreuetatbestand erfassten Fälle weiter einschränken würde [bb)]. Schließlich gilt es, Nachweisschwierigkeiten nicht durch eine Verschleifung einzelner Tatbestandsmerkmale zu begegnen [cc)]. aa) Feststellung des Vermögensnachteils Während § 54a KWG ein Gefährdungsdelikt darstellt296, ist § 266 StGB ein Verletzungsdelikt. Nötig ist die Zufügung eines Nachteils gegenüber demjenigen, dessen Vermögensinteressen der Täter zu betreuen hat. Unter einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB ist dabei jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße zu verstehen. Diese ist nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung – das heißt auf Grund eines Vergleichs des Vermögensstandes vor und nach der treuwidrigen Handlung – festzustellen.297 Die Feststellung des Vermögensnachteils ist bei komplexen Sachverhalten, wie sie in der Finanzbranche häufig anzutreffen sind, regelmäßig schwierig. In dem im Jahr 2010 ergangenen Beschluss zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB hat das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensnachteils noch einmal unterstrichen und einer zu laxen Handhabe des Nachteilsmerkmals eine Absage erteilt. Dem gerichtsfesten Nachweis eines Vermögensnachteils hat es dabei ein enges Korsett verpasst. Der Nachteil müsse grundsätzlich der Höhe nach beziffert und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden; normative Gesichtspunkte könnten bei der Feststellung eines Nachteils zwar durchaus eine Rolle spielen, sie dürften aber, solle der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen.298 Die damit für komplexe Risikogeschäfte verbundenen Schwierigkeiten seien anhand von Vorgängen im Vorfeld der Finanzkrise exemplarisch dargestellt. Soweit forderungsbesicherte Wertpapiere angekauft wurden, ist es zunächst denkbar, bereits im Zeitpunkt des Ankaufs einen Vermögensnachteil anzunehmen. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung muss aber neben dem Vermögensabfluss in Gestalt der Ankaufsumme auch der Vermögenszufluss berücksichtigt werden. Dafür ist zu ermitteln, ob der Kaufpreis durch einen entsprechenden Marktwert der gekauften Wertpapiere kompensiert wird. Ist dies der Fall, scheidet die Annahme eines 296

Zur Einordnung als abstraktes oder konkretes Gefährdungsdelikt unten S. 281 ff. St. Rspr., s. BGHSt 15, 342, 343 f.; 47, 295, 301 f.; 55, 288, 304; BGH NStZ 2004, 205, 206; NStZ-RR, 2006, 175, 175; NJW 2011, 3528, 3529; statt vieler Fischer, § 266 Rn. 115a. 298 BVerfGE 126, 170, 211 f. 297

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Vermögensnachteils aus. Bereits die Beurteilung, ob der Kaufpreis angemessen war oder nicht, wirft angesichts der Komplexität und Intransparenz der gehandelten Papiere freilich erhebliche Schwierigkeiten auf.299 Für die Vollendung der Untreue kann allerdings auch das Vorliegen eines Gefährdungsschadens300 ausreichen, dem die Annahme zugrunde liegt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung unter bestimmten Umständen bereits die Gefahr eines zukünftigen Verlustes eine gegenwärtige Minderung des Vermögenswerts und damit einen vollendeten Nachteil im Sinne des § 266 StGB darstellen kann.301 Besondere praktische Bedeutung kommt dem Gefährdungsschaden im Bereich der Risikogeschäfte zu.302 Zwar wurde die Figur des Gefährdungsschadens im Grundsatz durch das Bundesverfassungsgericht gebilligt, doch hat es ihrer Anwendung in der Praxis aufgrund der Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG Grenzen gesetzt.303 Insbesondere müsse im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene präzisierende und restriktive Auslegung des Nachteilsmerkmals ein Gefährdungsschaden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festgestellt werden. Als grundsätzlich geeignete Methode zur Bewertung von Vermögenspositionen in der wirtschaftlichen Praxis erachtet das Bundesverfassungsgericht dabei bilanzrechtliche Grundsätze. Ungeachtet möglicher Kritik an der Figur des Gefährdungsschadens im Allgemeinen und der hierzu ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Speziellen reicht eine nur abstrakte Gefahr einer Schädigung jedenfalls nicht für die Annahme eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB. Nötig ist vielmehr ein aktueller, gegenwärtiger Minderwert, wobei in der Praxis eigene Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils zur Wahrung des Vollendungserfordernisses erforderlich sind. Dies gilt umso mehr, als es keinen Tatbestand der versuchten Untreue gibt. Freilich ist bis heute umstritten, von welchen Kriterien es im Einzelnen abhängt, ob eine noch nicht zum formellen Verlust eines Vermögensstückes eskalierte Gefahrensituation bereits unter den Begriff des Vermögensschadens subsumiert werden kann.304 Was den Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere im Rahmen der Finanzkrise anbelangt, müsste die (konkrete) Nachteilsbestimmung wohl dadurch geschehen, dass man fragt, ob das Ausfallrisiko im Zeitpunkt des Kaufs bereits derart hoch war, dass ein objektiver, vollständig informierter Betrachter zu dem rechtlich relevanten Zeitpunkt eine Wertberichtigung nach anerkannten kaufmännischen Grundsätzen vorgenom-

299

Vgl. Gallandi, wistra 2009, 41, 44; Ransiek, WM 2010, 869, 873. Teils auch leicht irreführend als (schadensgleiche) Vermögensgefährdung bezeichnet. 301 BVerfGE 126, 170, 221 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Diskussion um den Gefährdungsschaden. 302 Fischer, § 266 Rn. 158. 303 s. BVerfGE 126, 170, 221 ff. 304 LK-Schünemann, § 266 Rn. 181. 300

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men hätte.305 Gegebenenfalls muss ein entsprechender Abschreibungsbedarf unter Heranziehung von Sachverständigen bestimmt werden und müssen unvermeidlich verbleibende Prognose- und Beurteilungsspielräume durch vorsichtige Schätzung ausgefüllt werden.306 Mit Blick auf das Geschäftsgebaren im Vorfeld der Finanzkrise fällt unter diesen Prämissen die Annahme eines Gefährdungsschadens schwer. Jedenfalls solange ein funktionierender Markt für die in Rede stehenden Papiere existierte und es daher möglich war, auf einen etwaigen Kursverlust oder eine ausbleibende Anschlussfinanzierung durch Verkauf der Papiere zu reagieren, lag im Erwerbszeitpunkt ein Vermögensschaden – auch in Form eines Gefährdungsschadens – nicht vor.307 Erst ab dem Zeitpunkt, in dem das Vertrauen in die Werthaltigkeit der Papiere sank, rückt die Annahme eines (Gefährdungs-)Schadens in greifbare Nähe. Entweder waren die Papiere dann schon im Zeitpunkt des Ankaufs nicht den gezahlten Preis wert oder aber – dies ist wahrscheinlicher – es war aufgrund drohender Ausfälle in der Zukunft schon ein aktueller Minderwert gegeben. Beides setzt für die Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des § 266 StGB allerdings voraus, dass die Bestimmung des Nachteils hinreichend konkret erfolgt. Für die konkrete Schadensermittlung kommt es insoweit maßgeblich auf die Zusammensetzung des erworbenen Wertpapiers und den Zeitpunkt an, in dem es für einen bestimmten Preis gehandelt wurde. Angesichts der bereits beschriebenen, oft mehrfachen Strukturierungsvorgänge ist es aber auch im Nachhinein schwierig, den Wert einzelner solcher Papiere zu einem bestimmten Zeitpunkt auch nur annähernd sicher zu bestimmen.308 Staatsanwaltschaften und Gerichte können derartige Komponenten mit einem vertretbaren Aufwand an Zeit und (Steuer-)Geldern kaum ermitteln.309 Der im Rahmen der Finanzkrise erfolgte zeitweise Zusammenbruch des ABS-Marktes insgesamt erschwert die Berechnung eines zurechenbaren Schadens zusätzlich.310 Ob eine hinreichend konkrete Schadensberechnung in diesen Fällen überhaupt möglich ist, erscheint auch 305 Zum Abstellen auf den Wertberichtigungsbedarf BVerfGE 126, 170, 223 ff. Hierzu mit Bezug zur Finanzkrise Schröder, NJW 2010, 1169, 1174; Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 811. Kritisch gegenüber einer exakten Quantifizierung des („Gefährdungs“-)Schadens mit Hilfe von Bilanzierungs- und Bewertungsregeln und unter Betonung der Bedeutung normativer Erwägungen für die Ermittlung eines Gefährdungsschadens Fischer, StV 2010, 95, 100 f. Anders wohl auch Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 31, der den Schaden aus der Unvertretbarkeit des eingegangenen Risikos ableiten will. 306 Vgl. BVerfGE 126, 170, 229 f. Kritisch zur zunehmenden Bedeutung von Sachverständigen bei der Feststellung des Vermögensschadens Hefendehl, wistra 2012, 325 passim; relativierend hingegen Krause, wistra 2012, 331 f. 307 s.a. Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1094; Schröder, NJW 2010, 1169, 1173; Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 193 f.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 56d. 308 s. Gallandi, wistra 2009, 41, 44; Park/Rütters, StV 2011, 434, 439 sowie Ransiek, WM 2010, 869, 873, der auch einen Ankauf von ABS-Papieren nach Ausbruch der Krise nicht per se in die Nähe eines Vermögensschadens rücken möchte. 309 Kubiciel, ZIS 2013, 53, 55. 310 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1195.

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unter Bemühung bilanzrechtlicher Ansätze zweifelhaft.311 Auch dies ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Erneut sind es die Komplexität und Intransparenz der Finanzbranche bzw. ihrer Produkte, die das Strafrecht vor erhebliche Herausforderungen stellen. Die Schwierigkeiten der Nachteilsermittlung stellen sich in gleicher Weise, wenn man, am Beispiel der Finanzkrise bleibend, im Rahmen der Pflichtwidrigkeit nicht auf den Ankauf forderungsbesicherter Wertpapiere, sondern auf die Liquiditätszusagen an die Zweckgesellschaften abstellt. Naheliegend für eine Schadensermittlung ist insoweit die Heranziehung der Rechtsprechung zur Übernahme von Bürgschaften.312 Danach hängt die Höhe der Belastung des Vermögens von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Bürgschaft ab.313 Ein Gefährdungsschaden mit der vollen Bürgschaftssumme liegt dabei nur vor, wenn das besicherte Geschäft von vornherein zum Scheitern verurteilt ist oder es sich um ein hochspekulatives Risikoprojekt handelt.314 Auch bei diesem Ansatz hängt das Vorliegen eines Schadens im Wesentlichen davon ab, wie die zugrundeliegenden Wertpapiere wirtschaftlich zu bewerten sind. Schließlich sind sie das Element, welches darüber entscheidet, wie wahrscheinlich eine Inanspruchnahme aus der Liquiditätsgarantie ist. Wie wahrscheinlich im Einzelfall die Inanspruchnahme der Sponsoren tatsächlich war und in welcher Höhe die Banken riskierten, für die Verbindlichkeiten ihrer Zweckgesellschaften einstehen zu müssen, hängt nicht nur von der wirtschaftlichen Ausstattung der Zweckgesellschaft, sondern vor allem von der Werthaltigkeit der verbrieften Kreditforderungen ab. Auch hier gilt: Solange ein funktionierender Markt für solche Papiere bestand, war die Inanspruchnahme der Sponsoren und damit ein Vermögensnachteil nicht zu erwarten. Jedenfalls aber muss ein entsprechender Vermögensnachteil konkret beziffert und nicht nur pauschal behauptet werden. Die in jeder Fallkonstellation gebotene konkrete Ermittlung des Nachteils darf auch nicht aus der Erwägung heraus unterbleiben, dass sie mit (mitunter erheblichen) praktischen Schwierigkeiten verbunden ist.315 Vielmehr müssen die Strafgerichte – auch in komplexen Fällen – den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den 311 Skeptisch etwa Rönnau im Handelsblatt v. 28. 1. 2014, S. 28: „Es ist aber schwierig, den Schaden genau zu beziffern. Wer kann schon sagen, wie viel ein Unternehmen, das gekauft wurde, oder ein sehr komplexes Wertpapier wert ist?“. Pessimistisch auch A/R/R-Seier, V 2 Rn. 289 („praktisch unmöglich“). Zu kurz gegriffen erscheint die pauschalierende Annahme von Krey, in: FS Roxin 2011, S. 1073, 1081, es habe aufgrund eines Abschreibungsbedarfs der nicht werthaltigen Papiere ein (nach seiner Sicht „realer“) Vermögensschaden vorgelegen. Er übergeht die Schwierigkeiten einer konkreten Bezifferung. Zur schwierigen Nachteilsbestimmung beim Erwerb von Spekulationsobjekten allgemein Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 94 ff. 312 Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 31; Schröder, ZStW 123 (2011), 771, 789. 313 BGH NStZ-RR 2006, 378, 379. 314 BGH NStZ-RR 2006, 378, 379 m.w.N. 315 Vgl. BVerfGE 126, 170, 211.

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Urteilsgründen darlegen.316 Diese Vorgaben erweisen sich für die hoch komplexen Fallgestaltungen der vergangenen Finanzkrise – und eine Reduktion der Komplexität von Finanzprodukten ist für die Zukunft kaum zu erwarten – als hinderlich.317 Nicht nur inhaltlich, sondern auch angesichts knapper Ressourcen steht die Justiz insoweit manches Mal vor kaum lösbaren Aufgaben. Die mit der Feststellung eines konkreten Vermögensnachteils verbundenen Schwierigkeiten spiegeln sich auch in den bisherigen Strafverfahren die Finanzkrise betreffend wider. In Bezug auf den Vorstand der LBBW heißt es etwa in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Einstellung des Ermittlungsverfahrens, es sei entweder nicht möglich gewesen, gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einen Vermögensnachteil festzustellen, oder aber es habe an der Nachweisbarkeit einer Pflichtwidrigkeit der Entscheidungen der Beschuldigten gefehlt.318 Auch im Bereich des Nachteilsmerkmals setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der strafrechtlichen Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise, aber auch der Erfassung zukünftiger Krisen also deutliche Grenzen.319 Damit ist festzuhalten: Selbst unter Heranziehung von Sachverständigen und des Rekurrierens auf einen etwaigen Mindestschaden stellt die Struktur des § 266 StGB als Verletzungsdelikt unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Bestimmung des Nachteilsmerkmals die Strafjustiz bei der Nachteilsfeststellung für Geschäfte im Zusammenhang mit der Finanzkrise vor kaum überwindbare Hürden. Ob § 54a KWG, der als Gefährdungsdelikt ausgestaltet wurde, derartige Schwierigkeiten in zukünftigen Fällen vermeiden kann, wird die weitere Untersuchung zeigen müssen.

316

Vgl. BVerfGE 126, 170, 211 f. Sehr deutlich Groß/Reichling, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 388: Eine den Anforderungen des BVerfG genügende Feststellung eines Schadens erscheine – jedenfalls in komplexeren Fällen – „beinahe unmöglich“. Nur etwas zurückhaltender Saliger, NJW 2010, 3195, 3198. 318 Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 28. 11. 2012, abrufbar unter http://www.staatsanwaltschaft-stuttgart.de/pb/,Lde/1235836/?LISTPAGE=1235504 (zul. abg. 30. 11. 2016). Zum Verfahren im Überblick oben S. 75 f. 319 Zutreffend insoweit mit Blick auf die Finanzkrise Kubiciel, ZIS 2013, 53, 55: „Die vom BVerfG verlangte wirtschaftlich nachvollziehbare, auf anerkannte Bewertungsverfahren und -maßstäbe gestützte Feststellung der Schadenshöhe sowie die Begrenzung von Schätzungen auf ,unvermeidlich verbleibende Prognose- und Beurteilungsspielräume‘ schließen aus, was zur Aufarbeitung der Finanzmarktkrise notwendig wäre: Die Ersetzung wirtschaftlicher Feststellungen durch Wertungen und Schätzungen.“ Seiner Ansicht nach machen die vom BVerfG formulierten Anforderungen an den Nachweis eines Vermögensschadens aus § 266 StGB eine Vorschrift für die betriebswirtschaftliche Normallage, in der sich Vermögenspositionen leicht bilanzieren lassen. Bei der Bewältigung komplexerer Vorgänge sei der Anwender des Untreuetatbestandes hingegen schnell überfordert. Eine drohende Überforderung der Praxis hinsichtlich der konkreten Feststellung von Schadenshöhen machen allgemein auch aus Fischer, § 266 Rn. 163a; LK-Schünemann, § 266 Rn. 163. 317

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bb) Nachweisschwierigkeiten und Verschleifungsverbot Den aufgezeigten und auch außerhalb bankrechtlich geprägter Sachverhalte oftmals anzutreffenden Schwierigkeiten, pflichtwidriges Verhalten einerseits und Vermögensnachteil andererseits zu bestimmen, begegnete die Praxis oftmals damit, dass aus dem Schaden auf die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht geschlossen wurde oder aber aus der Pflichtverletzung auf einen vagen (Gefährdungs-) Schaden.320 Dadurch aber machte man aus zwei Tatbestandsmerkmalen eines – die Merkmale wurden bildlich gesprochen aufeinander „verschliffen“. Die Gefahr einer solchen Verschleifung rührt daher, dass die Aufarbeitung und strafrechtliche Bewertung immer aus der Retrospektive erfolgt. Im Nachhinein ist man stets klüger – daraus folgt aber nicht unbedingt, dass man im Vorhinein die falschen Entscheidungen getroffen hat.321 In der Retrospektive fällt es selbstredend leichter, Maßnahmen auszumachen, die einen eingetretenen Schaden verhindert hätten. Angesichts dessen betonte das Bundesverfassungsgericht zu Recht, die in § 266 StGB enthaltenen Tatbestandsmerkmale müssten einzeln voneinander geprüft werden.322 Im Falle des Nachteilsmerkmals müsse die Auslegung den gesetzgeberischen Willen beachten, dieses Merkmal als selbstständiges neben dem der Pflichtverletzung zu statuieren. Man dürfe daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, das heißt es in diesem Merkmal aufgehen lassen. Deswegen und um das Vollendungserfordernis zu wahren, seien eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten. Das Verschleifungsverbot ist dabei nicht auf § 266 StGB beschränkt, sondern stellt eine allgemeine Vorgabe dar323, die auch im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG noch Bedeutung erlangen wird. In ihr liegt inhaltlich nichts Neues.324 Die Betonung des Verschleifungsverbots durch das Bundesverfassungsgericht dürfte in der Praxis die Hürden des Nachweises untreuerelevanten Verhaltens wieder auf das erforderliche, wenngleich zu früheren Zeiten wohl höhere Maß anheben. Auch wenn die Prüfungen der Pflichtverletzung und des Nachteils miteinander verknüpft sind und dem Eintritt eines Schadens zumindest in gewissen Fällen eine Indizwirkung für das Vorliegen einer Pflichtverletzung zukommen dürfte325: Die Mahnung 320 Zu dieser Gefahr Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 569 ff., 610 f.; zu dieser Gefahr im Bereich der Risikogeschäfte im Besonderen ders., HRRS 2006, 10, 14; s.a. Volk, in: FS Hamm 2008, S. 803, 805 ff. 321 Hellwig, Gutachten 68. DJT, S. E 35. 322 Vgl. BVerfGE 126, 170, 211. 323 Saliger, NJW 2010, 3195, 3195; Krüger, NStZ 2011, 369, 372; Schlösser, HRRS 2011, 254, 255; Krell, ZStW 126 (2014), 902, 917. 324 So auch Krüger, NStZ 2011, 369, 372: Es handele sich um ein Gebot der Methodik, verfassungsrechtlich Neues liege darin nicht. A.A. Saliger, NJW 2010, 3195, 3195: Das „neue allgemeine Verschleifungsverbot“ sei „in der bisherigen Judikatur nicht angelegt und daher eine signifikante Neuerung“. 325 Vgl. Fischer, § 266 Rn. 64; s.a. Krell, ZStW 126 (2014), 902, 910 m.w.N.: Das Verschleifungsverbot solle keineswegs dahingehend missverstanden werden, als könne nicht ein

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des Bundesverfassungsgerichts die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen betreffend dürfte die Bedeutung des § 266 StGB für die Aufarbeitung der Finanzkrise und auch für zukünftige Krisen weiter senken. cc) Mittelbare Kausalität und Unmittelbarkeit des Vermögensnachteils Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Untreuestrafbarkeit stellt für manche Arten von Pflichtverletzungen ihre nur mittelbare Verknüpfung mit dem Taterfolg des Vermögensnachteils dar. Dies gilt insbesondere für die hier besonders interessierende Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben, denn ein Vermögensnachteil kann ebenso wenig wie eine Bestandsgefährdung eines Unternehmens unmittelbar durch das Unterlassen gebotener Risikomanagementmaßnahmen herbeigeführt werden. Unmittelbar ursächlich für einen Vermögensnachteil oder eine Bestandsgefährdung sind nur die Risikogeschäfte, die unter der Geltung des Risikomanagementsystems vorgenommen werden. Dies lässt die Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben im Rahmen des § 266 StGB in zweierlei Hinsicht als wenig zielführend erscheinen. Zunächst stellt sich aufgrund dieser Mittelbarkeit die Frage der Nachweisbarkeit eines Zurechnungszusammenhangs zwischen Tatverhalten und Taterfolg. Sie erscheint zweifelhaft, da die Anknüpfung an die gegenüber der Geschäftstätigkeit gleichsam abstraktere und erfolgsfernere Ebene des Risikomanagements den Einzug einer Vielzahl von Störfaktoren ermöglicht, die den Kausalzusammenhang unterbrechen oder zumindest seinen sicheren Nachweis weitgehend unterbinden können. Ganz ähnliche Nachweisschwierigkeiten stellen sich auch im Rahmen des § 54a KWG, weshalb diese Problematik hier ihr Bewenden haben soll. Auf sie wird noch ausführlich zurückzukommen sein.326 Neben der Frage der Nachweisbarkeit in der Praxis stellt sich auch die grundlegendere Frage, ob eine nur mittelbare Verknüpfung von pflichtwidrigem Verhalten in Form der Verletzung von Risikomanagementvorgaben und Vermögensnachteil für § 266 StGB ausreicht. Die Frage nach einem Unmittelbarkeitserfordernis im Rahmen der Untreue wird zwischen den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs unterschiedlich beurteilt und ist derzeit Gegenstand heftiger Kontroversen.327 Der 5., 3. und 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs328 sowie Teile des Schrifttums329 verlangen und derselbe Umstand für beide Merkmale von ausschlaggebender Bedeutung sein. Es liege auf der Hand, dass etwa die Bonität des Darlehensnehmers bei der Kreditvergabe das zentrale Kriterium für Pflichtwidrigkeit und Nachteil sei. Insofern gehe es zunächst einmal um die tatsächlichen Umstände. Diese müssten freilich zutreffend rechtlich gewürdigt werden. 326 s. u. S. 289 ff. 327 Überblick bei Mosiek, HRRS 2012, 454 ff. 328 BGH NJW 2009, 3173, 3175 (5. Strafsenat, in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt); in der Sache wohl auch BGH NStZ 2010, 329, 330 (3. Strafsenat); deutlich BGH NJW 2011, 3528, 3529 (2. Strafsenat); nunmehr ausdrücklich auch BGH BeckRS 2012, 10160 Rn. 18 (3. Strafsenat).

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ein unmittelbares Beruhen des Vermögensnachteils auf dem pflichtwidrigen Tun. Der 1. Strafsenat hingegen hat in einem obiter dictum in seiner Entscheidung zum Kölner Parteispendenskandal330 trotz der eine restriktive Auslegung des § 266 StGB anmahnenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts331 auf einen derart engen Unmittelbarkeitszusammenhang verzichtet. Dem pflichtet ein Teil des Schrifttums bei.332 Fordert man einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil, dürfte eine Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben im Rahmen des § 266 StGB schon deshalb für die Tatbestandserfüllung ausscheiden, da diese Verletzung für sich genommen noch nicht den Vermögensnachteil begründet. Denn ob, wann und wie die auf dem Weg zum Taterfolg notwendig zwischengeschaltete Geschäftstätigkeit einen (Gefährdungs-)Schaden herbeiführen wird, ist im Zeitpunkt des Unterlassens von Risikomanagementpflichten noch völlig unklar.333 dd) Zwischenergebnis Die Ausgestaltung des § 266 StGB als Verletzungsdelikt bereitet bei komplexen Sachverhalten wie solchen im Vorfeld der Finanzkrise erhebliche Schwierigkeiten, da ein Vermögensnachteil (auch in Form eines Gefährdungsschadens) von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festgestellt werden muss. Am Beispiel der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Komplexität von Finanzprodukten und deren Intransparenz eine präzise wirtschaftliche Bewertung selbst im Nachhinein kaum zulassen. Einer großzügigen Handhabung des Nachteilsmerkmals hat das Bundesverfassungsgericht indes eine Absage erteilt. Auch darf das Nachteilsmerkmal nicht mit dem der Pflichtwidrigkeit verschliffen werden. Knüpft man für das Tatverhalten an die Verletzung von Risikomanagementpflichten an, ist nicht nur der Kausalitätsnachweis aufgrund der Mittelbarkeit der Anknüpfung kaum zu führen, sondern scheidet eine Strafbarkeit nach § 266 StGB aufgrund dieser Mittel-

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LK-Schünemann, § 266 Rn. 168; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 107; in der Tendenz auch BeckOK-StGB-Wittig, § 266 Rn. 39.1; SSW-Saliger, § 266 Rn. 78, dort auch ausführlich zum Meinungsstand. 330 BGHSt 56, 203, 220 f.; krit. Bespr. durch Jahn, JuS 2011, 1133, 1135 f. 331 BVerfGE 126, 170 ff. 332 Etwa S/S-Perron, § 266 Rn. 39; G/J/W-Waßmer, § 266 StGB Rn. 167; Bittmann, wistra 2011, 343, 344; Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 72 ff. Zuvor bereits Martin, Bankuntreue, S. 150. 333 So zutreffend Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 342, der zu dem Schluss gelangt, dass die Verletzung von Risikomanagementvorgaben nie zu einem Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB führen könne. Eine parallele Strafbarkeit nach § 54a KWG und § 266 StGB könne seiner Auffassung nach daher nicht bestehen. s.a. zuvor mit Blick auf § 266 StGB bereits Helmrich, NZG 2011, 1252, 1255, der ebenfalls das Unmittelbarkeitskriterium betont und davor warnt, § 266 StGB an dieser Stelle zu überdehnen, sowie Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 120 ff.

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barkeit jedenfalls dann aus, wenn man einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil fordert. c) § 266 StGB als Vorsatzdelikt Anders als § 54a KWG, der in seinem Absatz 2 auch die fahrlässige Herbeiführung einer Bestandsgefahr ausreichen lässt, ist § 266 StGB ein reines Vorsatzdelikt. Zwar genügt für seine Verwirklichung auch Eventualvorsatz; gleichwohl stellt der Nachweis vorsätzlichen Handelns eine weitere, schwer überwindbare Hürde dar. Auch das hat die bisherige Aufarbeitung der Finanzkrise gezeigt, scheiterten an dieser Hürde doch nicht wenige Verfahren. Womöglich war der nicht zu führende Nachweis vosätzlichen Handelns nicht der einzige Grund, weshalb eine Untreuestrafbarkeit ausschied. Oft dürfte hierin aber die offensichtlichste Hürde auf dem Weg zur Strafbarkeit gelegen haben. § 266 StGB verlangt, dass der Täter zum einen Vorsatz bezüglich der Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht hat und zum anderen bezüglich des Vermögensnachteils. Nicht nur wird allgemein diskutiert, ob an den Vorsatznachweis im Rahmen des § 266 StGB besondere Anforderungen gestellt werden müssen [aa)], sondern es ist auch der Bezugspunkt des Untreuevorsatzes umstritten [bb)]. Die hiermit für komplexe Fallgestaltungen des Finanzsektors verbundenen Schwierigkeiten seien am Beispiel der Vorgänge im Vorfeld der Finanzkrise illustriert [cc)]. aa) Besondere Anforderungen an den Vorsatznachweis? Auch angesichts des wenig konturierten objektiven Tatbestandes der Untreue und der mit dieser Weite einhergehenden Gefahr, die unternehmerische Freiheit über Gebühr einzuschränken, wird in der Rechtsprechung immer wieder betont, an die Feststellung des Untreuevorsatzes seien strenge Anforderungen zu stellen; die Prüfung möglichen Vorsatzes müsse sorgfältig erfolgen.334 Dies soll insbesondere für die Feststellung des Vorsatzes bei uneigennützigem Handeln335 und bei Risikogeschäften gelten.336 Letzteren sei die Möglichkeit einer Vermögensgefährdung immanent und die bewusste Eingehung des immanenten Risikos könne für sich genommen nicht ausreichen, weil Risiken wesentliche Strukturelemente im marktwirtschaftlichen System seien und die Eingehung von Risiken notwendiger Bestandteil unternehmerischen Handelns sei.337

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BGHSt 3, 23, 25; 46, 30, 34 f.; 47, 148, 156 f.; 47, 295, 302. Vgl. BGHSt 3, 23, 25; BGH NJW 1975, 1234, 1236. Zur Skepsis mahnt auch die Entscheidung BGH StV 2014, 88, 89. 336 s. aus neuerer Zeit BGH StV 2014, 88, 89. 337 BGH StV 2014, 88, 89. 335

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Das Bestreben, die Weite des § 266 StGB durch Restriktionen auf Ebene des subjektiven Tatbestandes zu korrigieren338, ist auf Kritik gestoßen.339 Ungeachtet Letzterer dürfte die Linie der Rechtsprechung es jedenfalls verhindern, dass vorsätzliches Handeln vorschnell bejaht wird. Auf einige (offene) Fragen der Vorsatzfeststellung soll im Folgenden eingegangen werden. bb) Bezugspunkte und offene Fragen des Untreuevorsatzes Sowohl die Anforderungen an den Vorsatz hinsichtlich des Pflichtenverstoßes [(1)] als auch hinsichtlich des Vermögensnachteils [(2)] sind Gegenstand heftiger Kontroversen in Rechtsprechung und Literatur. (1) Vorsatz bezüglich des Pflichtenverstoßes Der Täter muss zunächst Vorsatz hinsichtlich seines Pflichtenverstoßes haben. Problematisch ist an dieser Stelle bereits, ob vorsätzliches Handeln ausscheidet, wenn der Betroffene unwiderlegt behauptet, er sei nicht von einer Pflichtwidrigkeit seines Handelns ausgegangen. Dies hängt von der umstrittenen Frage der Einordnung des Irrtums über die Pflichtwidrigkeit des eigenen Verhaltens ab.340 Teilweise wird die Pflichtwidrigkeit als gesamttatbewertendes Merkmal verstanden mit der Folge, dass ein Irrtum über sie als lediglich zu einer fakultativen Strafmilderung führender Verbotsirrtum eingeordnet wird, so er denn vermeidbar war.341 Andere hingegen stufen die Pflichtwidrigkeit als normatives Tatbestandsmerkmal ein, sodass ein vorsatzausschließender Irrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB möglich erscheint mit der Folge einer Entlastung mangels Fahrlässigkeitsstrafbarkeit.342 Die Rechtsprechung zeigt in dieser Frage keine einheitliche Linie. Während der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Fall Mannesmann/Vodafone beide Ansätze verwarf und bezüglich der Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum auf „wertende Kriterien und differenzierende Betrachtungen“ verwies343, scheint der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs im Fall Kanther/Weyrauch bei einem Irrtum über die rechtlichen Anforderungen für die Aufstellung von Rechenschaftsberichten politischer Parteien der zweitgenannten Auffassung gefolgt zu sein, indem er einen Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB für möglich hielt.344 Ebenso heißt es in einer neueren Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zum Untreuevorsatz bei 338 Eine entsprechende Intention lässt sich etwa der Entscheidung BGHSt 51, 100, 121 entnehmen. 339 Statt vieler LK-Schünemann, § 266 Rn. 190 m.w.N. 340 Zum Meinungsstand MüKo-StGB-Lindemann, § 266 Rn. 282. 341 LK-Schünemann, § 266 Rn. 193 f.; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 122. 342 S/S-Perron, § 266 Rn. 49; SK-StGB-Hoyer, § 266 Rn. 118; Bittmann, NStZ 2011, 361, 366; Beulke, in: FS Eisenberg 2009, S. 245, 265. 343 BGH NStZ 2006, 214, 217 (insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331). 344 BGHSt 51, 100, 119.

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Risikogeschäften, es sei auf kognitiver Ebene zu verlangen, dass der Täter das von ihm eingegangene Risiko zutreffend bewerte.345 Naturgemäß erschwert es die Annahme vorsätzlichen Handelns, wenn man nicht nur eine reine Tatsachenkenntnis der die Pflichtwidrigkeit begründenden Umstände verlangt, sondern darüber hinaus eine Wertung des Handelns als pflichtwidrig. Auf die hiermit verbundenen Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung der Finanzkrise wird zurückzukommen sein. (2) Vorsatz bezüglich des Vermögensnachteils Mannigfaltige Schwierigkeiten ergeben sich aber auch bei der Frage der Anforderungen an den Vorsatz hinsichtlich der Zufügung eines Vermögensnachteils. Kontrovers diskutiert wird hierbei insbesondere die Frage nach den Anforderungen an den Vorsatz im Falle eines Gefährdungsschadens. Die Strafsenate des Bundesgerichtshofs sind uneins, ob der Vorsatz über die Kenntnis der konkreten Möglichkeit des Schadenseintritts und die Inkaufnahme dieser Gefahr hinaus auch eine Billigung der Realisierung der Gefahr umfassen muss – sei es auch nur in der Form, dass der Täter sich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolges abfindet. Letzterer, die Hürden für die Annahme vorsätzlichen Handelns erhöhende Ansatz, entspricht der Auffassung des 2. Strafsenats346, der sich der 5. Strafsenat zumindest mit Blick auf Risikogeschäfte angeschlossen hat347. In einer neueren Entscheidung heißt es insoweit, für das voluntative Element könne es nicht ausreichen, dass der Betreffende allein die Gefährdungslage billige. Dies werde, da unternehmerische Entscheidungen regelmäßig einen Gefährdungsanteil aufweisen würden, dem subjektiven Untreuevorwurf nicht gerecht. Vielmehr könne nur dann von einer billigenden Inkaufnahme eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB ausgegangen werden, wenn der Täter nicht nur die konkrete Gefahr in Kauf nehme, sondern darüber hinaus auch die Realisierung dieser Gefahr billige, sei es auch nur in der Form, dass der Täter sich mit dem Eintritt des unerwünschten Erfolges abfinde. Allerdings relativierte der 5. Strafsenat seine strikte Position dadurch, dass er für die beweismäßige Feststellung des Vorsatzes dem vom Täter erkannten Gefährdungsgrad ein erhebliches indizielles Gewicht zubilligte.348 Dieser Restriktionsansatz auf der Ebene des Vorsatzes ist in weiten Teilen der Literatur auf Kritik gestoßen.349 Auch der 1. Strafsenat ist ihm entgegengetreten.350 345

BGH StV 2014, 88, 89. BGHSt 51, 100, 120 ff.; ohne Einschränkung bestätigt durch BGH NStZ 2007, 704, 705; BGH NJW 2010, 1764, 1764 f. 347 BGHSt 52, 182, 189 f.; aus neuerer Zeit BGH StV 2014, 88, 89 f. Der 5. Strafsenat sieht sich dabei allerdings nicht in Widerspruch zur Position des 1. Strafsenats. 348 BGH StV 2014, 88, 89. Die damit verbundene Relativierung konstatiert zu Recht Kubiciel, StV 2014, 91, 93. 349 s. exemplarisch Bernsmann, GA 2007, 219, 229 f.; Ransiek, NJW 2007, 1727, 1729; S/S-Perron, § 266 Rn. 50 m.w.N. Krit. auch Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430, 434 f., die 346

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Er teilt zwar grundsätzlich die Bedenken gegen eine mögliche Überdehnung des Untreuetatbestandes infolge einer doppelten Vorverlagerung der Strafbarkeit (bei Handeln mit nur bedingtem Vorsatz im Hinblick auf eine bloße Vermögensgefährdung), lehnt die teilweise vorgenommene Restriktion auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes indes ab.351 Angesichts dieser Unsicherheiten wäre die Herbeiführung einer Klärung durch den Großen Senat (§ 132 Abs. 2 GVG) wünschenswert, eine Anrufung unterblieb aber bislang.352 Ungeachtet dieser Divergenzen, ihrer konkreten Bedeutung353 und der mit ihnen einhergehenden Unsicherheiten in Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen an den Vorsatznachweis bei Risikogeschäften im Rahmen der Untreue muss Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen jedenfalls sein, dass Organe oder Mitarbeiter einer Bank nicht nur gemeinhin davon ausgehen, dass ein Geschäft im Rahmen des erlaubten Pflichtenkreises stattfindet, sondern vor allem, dass es zum Erfolg führt und sich die eingegangenen Risiken nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang verwirklichen.354 Zutreffend hob der 5. Strafsenat kürzlich noch einmal hervor, dass die bewusste Eingehung von Risikogeschäften immanenten Risiken für sich genommen nicht zur Annahme vorsätzlichen Handelns ausreichen könne, weil Risiken wesentliche Strukturelemente im marktwirtschaftlichen System seien und die Eingehung von Risiken notwendiger Bestandteil unternehmerischen Handelns sei.355 cc) Untreuevorsatz und Finanzkrise Soweit es die Finanzkrise betrifft, wird hinsichtlich der Möglichkeit einer Annahme vorsätzlichen Handelns mehrheitlich danach differenziert, zu welchem Zeitpunkt das gegebenenfalls tatbestandsmäßige Verhalten stattgefunden hat. Hierbei wird regelmäßig – wenn auch in der konkreten Benennung des Zeitraums unterschiedlich – das Publikwerden der Finanzkrise als Wendepunkt angesehen.356 allerdings in manchen Konstellationen auf eine Restriktion im subjektiven Bereich nicht verzichten möchten. A.A. M/R-Matt, § 266 Rn. 155; i.E. auch BeckOK-StGB-Wittig, § 266 Rn. 48.1. Zum Diskussionsstand A/R/R-Seier, V 2 Rn. 192 ff. 350 BGHSt 53, 199, 204 (zu § 263 StGB); s. zuvor bereits BGH NJW 2008, 2451, 2452. 351 s. BGH NJW 2008, 2451, 2452. 352 Entsprechender Wunsch auch bei Jahn, JuS 2014, 82, 84. 353 G/J/W-Waßmer, § 266 StGB Rn. 225 spricht insoweit von einer nur scheinbaren Restriktion, weil die Billigung der Realisierung des Gefährdungsschadens von der Billigung der Realisierung des endgültigen Vermögensschadens überhaupt nicht unterscheidbar sei, da ein Gefährdungsschaden gerade deshalb bejaht werde, weil die (sehr hohe) Wahrscheinlichkeit des endgültigen Vermögensverlustes bestehe. 354 Dies betont zu Recht Kubiciel, ZIS 2013, 53, 54; ähnlich Park/Rütters, StV 2011, 434, 440; Deiters, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 132, 135. 355 BGH StV 2014, 88, 89. 356 s. nur Schröder, NJW 2010, 1169, 1174; ders., ZStW 123 (2011) 771, 790, der hierfür das Jahr 2007 nennt; Wohlers, ZStW 123 (2011) 791, 813. Skeptischer hinsichtlich der Annahme von Vorsatz Park/Rütters, StV 2011, 434, 440.

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Für den Zeitraum vor Publikwerden der Finanzkrise begegnet die Annahme eines vorsätzlichen Pflichtenverstoßes erheblichen Bedenken. Bereits eine Kenntnis der Tatsachen, welche das besondere Risiko des betriebenen Geschäfts ausmachten, darf bezweifelt werden. Zwar waren die Ausmaße der Liquiditätsgarantien ebenso bekannt wie das Betreiben massiver Fristentransformationen durch unterkapitalisierte Zweckgesellschaften und das Beruhen dieses Modells auf verbrieften Kreditforderungen. Ob aber im Einzelfall auch Kenntnis vorhanden war hinsichtlich der Gefahr eines Zusammenbruchs des US-Immobilienmarkts insgesamt und der Gefahr, dass auch vermeintlich sichere Papiere mit AAA-Rating in Mitleidenschaft gezogen würden, ist ebenso fraglich wie eine Kenntnis der Gefahr, dass infolge eines massiven Vertrauensverlustes der gesamte ABS-Markt sowie schließlich der Interbankenhandel zum Erliegen kommen könnten. Gerade die Ausfallkorrelationen und hieran anknüpfende systemische Risiken wurden von den meisten Finanzmarktakteuren – darunter auch renommierte Ratingagenturen, Aufsichtsbehörden und zahlreiche (vermeintliche) Experten – deutlich unterschätzt. Kenntnis hinsichtlich dieser Gefahren darf also keineswegs vorschnell unterstellt, sondern muss im Einzelnen nachgewiesen werden. Für eine Kenntnis der sich später dann realisierenden Gefahrenlage mag sprechen, dass vor den immensen Risiken des aufgeblähten US-Immobilienmarktes und des auf ihn aufbauenden Verbriefungsmarktes vereinzelt schon deutlich vor Ausbruch der Finanzkrise gewarnt wurde.357 Die Umstände, unter denen die für das geschaffene Geschäftsmodell überlebensnotwendigen Ratings zustande kamen, waren, wie dargelegt358, zumindest fragwürdig und weithin bekannt. Auch gehört es zum Grundwissen eines jeden Bankers, dass das massive Betreiben von Fristentransformationen erhebliche Risiken birgt, die sich realisieren, wenn die kurzfristige Refinanzierung langfristiger Engagements ins Stocken gerät. Ebenfalls sind die Risiken einer gemessen am Geschäftsvolumen geringen Eigenkapitalausstattung allgemein bekannt. Schließlich mutet auch der Glaube an ein stetiges Wachstum der US-Immobilienpreise naiv an. Nur wenige Jahre zuvor hatte die Dotcom-Blase dem Finanzmarkt die Gefahren einer jeder Blasenbildung noch vor Augen geführt. All dies mag für die Möglichkeit eines Erkennens der Risiken, die in diesem Geschäftsmodell lagen, sprechen und im Einzelfall sogar die Annahme ermöglichen, dass den Akteuren eine Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens bewusst war. Allerdings muss auch hier der Gefahr begegnet werden, Rückschaufehlern zu erliegen. Die Gefahr, der Neigung nachzugeben, vom Umfang des Schadensausmaßes auf die Erkennbarkeit und das Wissen um das Ausmaß der eingegangenen Risiken und sodann deren Billigung zu schließen, dürfte hier besonders groß sein.359 Aber auch 357 Vgl. etwa Fender/Mitchell, BIZ-Quartalsbericht Juni 2005, S. 83 ff. sowie die Ausführungen zu entsprechenden Warnungen in Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht Landesbank Sachsen Girozentrale, S. 47 ff. 358 s. o. S. 43. 359 So zutreffend Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 235 unter Anführung von Beispielen aus der Literatur, die bei ihm den „Geschmack von Rückschaufehlern“ zurücklassen.

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wenn im Nachhinein der Zusammenbruch des Systems als unausweichlich erscheinen mag, muss die ex post erfolgende strafrechtliche Bewertung gewisser Verhaltensweisen aus einer Perspektive ex ante erfolgen. Hierfür muss, ebenso wie im Rahmen der Bewertung eines Verhaltens als pflichtwidrig, das spätere Fiasko ausgeblendet werden.360 Dann aber sprechen gewichtige Argumente gegen ein vorsätzliches Handeln. Zu nennen ist hier zunächst, dass sich zahlreiche Marktteilnehmer im Segment verbriefter Kreditforderungen in ähnlicher Weise und Größenordnung engagierten und das aufgebaute Modell über Jahre hinweg störungsfrei funktionierte. Die Marktüblichkeit des Eingehens von Risiken, die sich im Ergebnis vielfach als existenzbedrohend erwiesen, vermag in objektiver Hinsicht, das heißt bei der Frage der Pflichtwidrigkeit, nicht zu entlasten. Sie stellt aber ein Argument für die Verneinung vorsätzlichen Handelns dar. Zum einen, weil sie als Argument vorgebracht werden kann für ein mangelndes Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit des eigenen Handelns, so man ein solches fordert361. Zum anderen aber auch, weil im Falle einer Marktüblichkeit fraglich ist, ob sich die Akteure im Einzelfall der eingegangenen Risiken überhaupt hinreichend bewusst waren. Die Berufung darauf, man habe keine ausreichende Kenntnis von Anlageform und Verlustrisiko gehabt, muss zwar daraufhin überprüft werden, ob sie eine reine Schutzbehauptung darstellt.362 Gingen die Bankverantwortlichen aber – wenn vielleicht auch irrig – davon aus, dass jederzeit die Möglichkeit besteht, erworbene Papiere am Markt wieder zu veräußern und dass selbst der Ausfall zahlreicher Schuldner des US-Immobilienmarktes die Werthaltigkeit gut bewerteter Papiere etwa der Senior-Tranche nicht tangieren würde, so ist ihnen vorsätzliches Handeln nicht ohne Weiteres anzulasten. Eine gewichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang erneut die erteilten Ratings und die Frage, ob und inwieweit das Vertrauen in sie gerechtfertigt war. Die in Rede stehenden Papiere suggerierten gerade aufgrund der teils sehr positiven Ratings eine Werthaltigkeit, die sich im Nachhinein als trügerisch herausstellte. Trotz der zweifelhaften Umstände ihrer Entstehung363 durfte den Ratings allerdings grundsätzlich Vertrauen geschenkt werden, weil das geltende Recht das Vertrauen in solche Bewertungen trotz eines potenziellen Interessenkonfliktes für schutzwürdig

Der Begriff „Schadensausmaß“ soll an dieser Stelle untechnisch, also nicht im Sinne eines Vermögensschadens i.S.d. § 266 StGB verstanden werden. 360 Altenburg, BB 2015, 323, 325 hält dies für „kaum möglich“. Das Problem des Rückschaufehlers sei zwar etwa durch die Fahrlässigkeitsdelikte dem Strafrecht nicht fremd, es finde seine Zuspitzung aber dann, wenn komplexe Risikoentscheidungen Jahre später im Wissen um den Ausgang der damals unsicheren Situation bewertet werden sollen. 361 Zur diesbezüglichen Kontroverse oben S. 110 f. 362 Laut Fischer (zitiert nach Trendelenburg, in: Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 221, 224) dürfte die Berufung auf mangelnde Kenntnis von Anlageform und Verlustrisiko vielfach als Schutzbehauptung zu begreifen sein. 363 Hierzu oben S. 43 f.

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erachtet.364 Was allgemein und auch von den Ratingagenturen sowie der Bankenaufsicht unterschätzt wurde war das systemische Risiko, das dem Geschäftsmodell innewohnte. Dass sich das systemische Risiko schließlich realisierte heißt aber noch nicht, dass man es vorher erkannt hatte. Solange also Geschäftsleiter die Risiken nicht genau erkannten und an ein perpetuum mobile glaubten, ist ihnen Vorsatz nicht vorzuwerfen; der eingegangenen Risiken und der auf ihnen aufbauenden Gefahr für das Vermögen der Bank waren sie sich dann nicht in ausreichendem Maße bewusst.365 Von einem entsprechenden Vertrauen ist zumindest bis zum Ausbruch der Finanzkrise, als das Risiko des Systems verbriefter Kreditforderungen noch allgemein unterschätzt wurde, regelmäßig auszugehen – der Nachweis des Gegenteils dürfte jedenfalls schwer fallen.366 Die Möglichkeit, vorsätzliches Verhalten anzunehmen, reduziert sich dabei noch weiter, wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung eines Teils der Strafsenate des Bundesgerichtshofs für bedingten Vorsatz im Falle eines Gefährdungsschadens verlangt, dass auch die spätere Realisierung der Gefährdung wenigstens billigend in Kauf genommen wird.367 Der Nachweis von Vorsatz hinsichtlich des Eintritts eines Vermögensnachteils – sei es auch nur in Form des dolus eventualis – wird kaum je gelingen, darf Geschäftsleitern doch nicht vorschnell unterstellt werden, eine Schädigung ihres Unternehmens zu billigen. Nicht nur geht mit einer solchen die Gefahr des Verlustes der eigenen Stellung im Unternehmen einher, sondern es muss mit Blick auf die Finanzkrise auch berücksichtigt werden, dass vielfach versucht wurde, Refinanzierungsrisiken zu versichern, sodass nicht zuletzt angesichts derartiger Vermeidebemühungen ein Billigen im Rechtssinne ganz regelmäßig ausscheiden muss.368 In der Literatur wird mit Bezug zur Finanzkrise vorsätzliches Verhalten dennoch teilweise recht leicht angenommen oder wenigstens für möglich erachtet – und dies auch schon für den Zeitraum vor Ausbruch der akuten Krise.369 Teilweise heißt es 364 Kubiciel, ZIS 2013, 53, 54 f. unter Hinweis darauf, dass das deutsche und europäische Wirtschaftsverwaltungsrecht die Produktzulassung in vielen Fällen von einer Konformitätsbewertung („Zertifizierung“) durch Unternehmen abhängig mache, die von den Produzenten zu bezahlen sei. 365 Vgl. Otto, in: FS Krey 2010, S. 375, 402. 366 So im Ergebnis auch Schröder, NJW 2010, 1169, 1174; ders., ZStW 123 (2011), 771, 790, der vorsätzliches Handeln erst ab Anfang des Jahres 2007 als möglich erachtet; Wohlers, ZStW 123 (2011), 791, 813; Park/Rütters, StV 2011, 434, 440; Kubiciel, ZIS 2013, 53, 55; Jahn, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, S. 157, 170, der den Nachweis vorsätzlichen Handelns im Falle eines fehlenden unmittelbaren Zusammenhangs mit persönlichen Boni „nur um den Preis wagemutiger subjektiver Zuschreibungen“ als möglich erachtet. 367 Zum Streitstand oben S. 111 f. 368 Etwas schwächer im Ergebnis Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 239 ff. Dort auch umfassend zur teilweise zur Vorsatzbegründung bemühten Anreizstruktur durch Boni für kurzfristige Gewinne. 369 Zahlreiche Gründe für die Annahme wenigstens bedingten Vorsatzes macht etwa Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 99 aus.

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unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, es spreche vieles dafür, jedenfalls in den Fällen, in denen ein vom Täter nicht beherrschbares Risiko von existenzgefährdender Dimension eingegangen wurde, bereits die Kenntnis des Risikos für einen Untreuevorsatz ausreichen zu lassen.370 Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof formuliert, dass „eine Billigung nahezu stets anzunehmen ist, wenn der Bankleiter erkennt, dass die Kreditvergaben die Existenz der Bank aufs Spiel setzen“.371 Selbst im Fall der Gewährung von Garantien erheblichen Umfangs an unterkapitalisierte ausländische Zweckgesellschaften, die massive Fristentransformationen mit intransparenten Finanzprodukten betreiben, ist aber nicht gesagt, dass der Bankleiter eine mögliche Gefahr für die Existenz seiner Bank tatsächlich erkannt hat.372 Denn auch wenn er Umfang und Art der Geschäfte der Zweckgesellschaften ebenso kannte wie das Ausmaß der ihnen gewährten Sicherheiten – das Risiko eines Systemzusammenbruchs wurde weitgehend verkannt und darf auch nicht einfach als erkannt unterstellt werden allein angesichts des Umfangs des eingegangenen Engagements. Sicher war den Bankvorständen bewusst, dass das Fristentransformationsmodell nur solange funktionieren konnte, wie die ständige Refinanzierung der langfristigen Engagements oder aber der Verkauf selbiger gewährleistet war. Genau hieran aber dürften sie geglaubt und existenzgefährdende Risiken im Zweifel verkannt haben. Und falls nicht, dürfte ihnen das Gegenteil nur schwer nachweisbar sein. Für den Zeitraum nach Ausbruch der Krise dürften die Schwierigkeiten, vorsätzliches Handeln nachzuweisen, zwar deutlich geringer sein, weil ab diesem Zeitpunkt das allgemeine Vertrauen in ein weiteres Funktionieren des Systems zerstört war und der einzelne Vorstand dies nicht mehr ausblenden konnte. Die immensen, teils existenzbedrohenden Risiken traten jetzt offen zu Tage. Wer in dieser Situation weiterhin in entsprechende Papiere investierte oder weitere Liquiditätszusagen an Zweckgesellschaften abgab, ist eines vorsätzlichen Handelns zumindest verdächtig. Allerdings dürften diese Fälle selten sein.373 So man den Tatvorwurf in einem fehlenden Abstoßen gefährlicher Papiere zur Vermeidung größerer Schäden erblickt, wird der Untreuevorwurf zumeist an der fehlenden Veräußerungsmöglichkeit scheitern, was bereits den objektiven Tatbestand entfallen lässt. Denn nach Ausbruch der Krise war der Markt für verbriefte Kreditforderungen weitgehend zusammengebrochen und waren Investitionen in diesem Markt zum Stillstand gekommen. Und selbst wenn in der Nichtveräußerung eine Pflichtver-

370 So Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 36 hinsichtlich des Geschäftsmodells der IKB. Auch Krey, in: FS Roxin 2011, S. 1073, 1084 f. geht bei von der Höhe her existenzbedrohenden Investitionen in toxische Derivate davon aus, der Vorsatz sei „typischerweise gegeben“, schränkt seine Position aber selbst wieder insoweit ein, als er meint, dass dieser spätestens bei Taten nach Anfang 2008 auch beweisbar sei. 371 BGHSt 47, 148, 157. 372 So aber wohl Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 36. 373 Schröder, NJW 2010, 1169, 1174; Kubiciel, ZIS 2013, 53, 55.

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letzung gelegen haben sollte – Vorsatz in Bezug auf die Zufügung eines Vermögensnachteils dürfte auch hier kaum gegeben sein. Die vorstehenden Überlegungen, die an der Nachweisbarkeit vorsätzlichen Handelns zweifeln, werden durch die bisherige strafjustizielle Aufarbeitung der Finanzkrise bestätigt. Soweit im Schrifttum schon früh formuliert wurde, dass die Schwierigkeiten des Vorsatznachweises nicht die Einleitung von Ermittlungsverfahren blockieren dürften, weil ein die Verfahrenseinleitung erzwingender Anfangsverdacht „allemal“ bestehe374, haben die Strafverfolgungsbehörden dem durch die Einleitung von Ermittlungen entsprochen. Über den zur Eröffnung der Hauptverhandlung erforderlichen hinreichenden Tatverdacht hinaus ist bisher allerdings kein Verfahren gelangt. Dabei erwies sich das Erfordernis des Vorsatznachweises als beträchtliche Hürde. Im Verfahren gegen ehemalige Vorstände der LBBW etwa wurde das Ermittlungsverfahren in Bezug auf den Vorwurf der Untreue unter anderem mit dem Hinweis darauf eingestellt, es könne nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden, dass es für den Vorstand bereits ab Ende 2006 absehbar war, dass es aufgrund der Entwicklungen am Subprimemarkt zu Verlusten bei den von der LBBW erworbenen Verbriefungen kommen konnte; erst ab Frühjahr 2007 seien die mit der Subprimekrise verbundenen Risiken der Verbriefungsgeschäfte für die Vorstände erkennbar geworden.375 Den Vorsatznachweis gerichtsfest zu führen ist offensichtlich eine der Hauptschwierigkeiten bei § 266 StGB. Selbst in dem seltenen Fall, dass eine Pflichtverletzung und ein auf sie zurückgehender Vermögensnachteil in einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügenden Weise nachgewiesen werden können, darf aus dem Vorliegen dieser Elemente nicht ohne weiteres auf einen entsprechenden Vorsatz geschlossen werden.376 Die aufgezeigten Schwierigkeiten beschränken sich dabei nicht auf die vergangene Finanzkrise. Sie sind ohne weiteres übertragbar auf künftige Fallkonstellationen ähnlicher Natur. dd) Zwischenergebnis Der Nachweis vorsätzlichen Verhaltens stellt ungeachtet der im Einzelnen derzeit divergierenden Anforderungen der Strafsenate des Bundesgerichtshofs ein kaum überwindbares Hindernis in Bezug auf Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise dar. Die in der Strafrechtswissenschaft früh prognostizierten Schwierigkeiten des Vorsatznachweises werden durch die bisherige Aufarbeitung der Finanzkrise bestätigt. Mit Recht darf der Vorsatznachweis als ein weiteres und wahrscheinlich sogar als größtes „Nadelöhr“377 des § 266 StGB bezeichnet werden. Er bereitet der Staatsanwaltschaft die größten Probleme und birgt für die Verteidigung die größten 374 375 376 377

Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 99. Dazu oben S. 75 f. Zu Recht zur Vorsicht mahnend Jahn, JZ 2011, 340, 346. Deiters, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 132, 138.

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Chancen.378 Im Schrifttum ist die Warnung formuliert worden, man dürfe nicht der menschlich unter Umständen verständlichen Neigung nachgeben, die eigene Einschätzung der Sach- und Rechtslage zugleich für die des Angeklagten zu halten, wobei die Gefahr umso größer ausfalle, je dringlicher der Ruf nach Vergeltung sei.379 Diese Warnung haben die Strafgerichte und Staatsanwaltschaften bisher – bewusst oder unbewusst – anscheinend beherzigt. Dass die subjektive Tatseite derart große Schwierigkeiten bereitet, ist letztlich logische Konsequenz der Ausgestaltung des § 266 StGB als Verletzungsdelikt. Verlangt der objektive Tatbestand die größtmögliche Rechtsgutbeeinträchtigung in Form eines Verletzungserfolges, so setzen sich diese hohen Hürden spiegelbildlich auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes fort. Wer dabei die kognitive und voluntative Komponente des Vorsatzes nicht bis zur Unkenntlichkeit verwässern möchte, gelangt schnell an die Grenzen der Nachweisbarkeit der Tatbestandserfüllung. Dies ist nicht zuletzt der Komplexität der in Rede stehenden Materie und damit der ihr entspringenden Sachverhalte geschuldet. Ob angesichts dieser Schwierigkeiten § 54a KWG mit seiner Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt und der Normierung einer Fahrlässigkeitsvariante in § 54a Abs. 2 KWG eine begrüßenswerte Erleichterung bedeutet, wird die weitere Untersuchung zeigen. d) § 266 StGB als rein vermögensschützende Norm In der Gesetzesbegründung zu § 54a KWG heißt es, die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts würden ihrem Schutzzweck und dem strafbewehrten Verhalten nach andere Schwerpunkte setzen als es § 54a KWG nunmehr soll.380 In der Tat begrenzt der Schutzzweck des § 266 StGB den Kreis möglicher Tatverhalten und lässt eine Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten zumindest nicht ohne weiteres zu [aa)]. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der begrenzte Schutzzwecks des § 266 StGB es erlaubt, dem vom Gesetzgeber ausgemachten besonderen Unwertgehalt Rechnung zu tragen, den dieser in der Verursachung einer Unternehmenskrise und einer damit unter Umständen einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems erkennt381 [bb)]. aa) Begrenzung möglicher Tatverhalten Nach ganz überwiegender Auffassung ist § 266 StGB eine rein vermögensschützende Norm, die das Vermögen im Sinne der Gesamtheit der geldwerten Güter

378 379 380 381

Schröder, NJW 2010, 1169, 1174. Deiters, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 132, 138 f. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2. Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29.

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einer Person schützt.382 Dies hat unter anderem Auswirkungen auf die Bestimmung des Kreises möglicher Tatverhalten, denn § 266 StGB unterfällt ein Verhalten nur dann, wenn es eine Pflicht verletzt, die ihrerseits vermögensschützend ist383. Eine Auslegung, die den Charakter des Untreuetatbestandes als reines Vermögensdelikt wahrt, hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB noch einmal angemahnt.384 Mit Blick auf die hier besonders interessierende Heranziehung von Vorschriften zur Unterhaltung eines Risikomanagementsystems ist der begrenzte Schutzzweck des § 266 StGB problematisch. Die Vorschriften des KWG385 (und hier besonders interessierend die zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation) dienen im Ausgangspunkt schließlich nicht dem Schutz des Vermögens der Banken, sondern dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Banken und der Funktionsfähigkeit des Bankensystems.386 Von der Verfolgung öffentlicher Interessen zeugen die in § 6 Abs. 2 KWG genannten Ziele der Bankenaufsicht ebenso wie etwa § 4 Abs. 4 FinDAG. Als Hauptzweck der Bankenaufsicht kann insoweit die Gewährleistung eines funktionsfähigen Kreditgewerbes im Interesse der Gesamtwirtschaft gelten – unmittelbaren Gläubigerschutz im Interesse des einzelnen Anlegers gewährleistet die Bankenaufsicht hingegen nicht.387 In den Vordergrund getreten ist in den letzten Jahren darüber hinaus die Vermeidung systemischer Risiken des Finanzsektors.388 Damit ist bei einem Heranziehen von Vorschriften des KWG zur Begründung pflichtwidrigen Verhaltens die Rechtsgutsbezogenheit mit Blick auf § 266 StGB als vermögensschützende Norm zumindest auf erste Sicht nicht gegeben. Trotzdem wurde im Nachgang der Finanzkrise der Verstoß gegen Vorschriften des KWG teils zur Begründung einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 StGB herangezogen.389 Dabei wurde etwa am Beispiel der Aktiengesellschaft als entscheidend angesehen, dass der Verstoß gegen Risikomanagementvorgaben zugleich einen Verstoß gegen die §§ 76, 93 AktG bedeute, die ihrerseits vermögensschützend seien 382 Statt vieler BVerfGE 126, 170, 200 f. m.w.N.; BGHSt 43, 293, 297; 47, 295, 301; 55, 288, 300; Fischer, § 266 Rn. 2; LK-Schünemann, § 266 Rn. 23; G/J/W-Waßmer, § 266 StGB Rn. 9; A/R/R-Seier, V 2 Rn. 10 f., jew. m.w.N. 383 Fischer, § 266 Rn. 60; MüKo-StGB-Dierlamm, § 266 Rn. 47; S/S-Perron, § 266 Rn. 19a, jew. m.w.N. Ausführlich zur Diskussion um das Erfordernis eines Fremdvermögensbezugs bei § 266 StGB Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 79 ff. 384 BVerfGE 126, 170, 210. 385 Zur Untreuerelevanz des für Aktiengesellschaften zudem geltenden § 91 Abs. 2 AktG Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 197 f. m.w.N. 386 Zur schwierigen Bestimmung des Gesetzeszwecks des KWG s. Martin, Bankuntreue, S. 141 f. m.w.N. sowie Fischer, in: Fischer/Klanten, Bankrecht, Kap. 2 I Rn. 2.4 ff. Ausführlich Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, passim. 387 Fischer, in: Schimanksy/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 125 Rn. 19 ff. 388 Schelm, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Teil 1. I. Rn. 2.3. s.a. § 6 Abs. 4 KWG. 389 Vgl. Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1093 f. (§ 91 Abs. 2 AktG i.V.m. § 25a KWG); Ransiek, WM 2010, 869, 874 f.; s.a. Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1158 ff.

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und die durch die im KWG enthaltenen Vorgaben zum Risikomanagement lediglich konkretisiert würden.390 Ob eine Inbezugnahme der Risikomanagementvorschriften des KWG im Rahmen des § 266 StGB – sei es über den Umweg anderer Vorschriften wie etwa solcher des AktG oder aber direkt – aber tatsächlich möglich ist, begegnet Bedenken. Unter dem Schlagwort des Schutzzweckzusammenhangs wird vor allem seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestandes diskutiert, welche Pflichten einen ausreichenden Vermögensbezug aufweisen und welche nicht.391 Der nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache Siemens/AUB lässt sich entnehmen, dass aufgrund des Schutzzwecks der Untreue nicht in jedem Verstoß gegen die Rechtsordnung auch eine im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich relevante Pflichtverletzung erblickt werden könne und eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit auch dann nicht vorliege, wenn dadurch zugleich reflexartig eine vermögensschützende Vorschrift wie die des § 93 AktG verletzt werde.392 Eine Normverletzung sei – so das Gericht – in der Regel nur dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits – wenigstens auch, und sei es mittelbar – vermögensschützenden Charakter habe.393 Weiter heißt es, die §§ 93, 116 AktG seien Vorschriften von erheblicher Unbestimmtheit und generalklauselartigem Charakter und eine allein auf die Verletzung der §§ 93, 116 AktG abstellende Auslegung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals des § 266 Abs. 1 StGB sei nicht geeignet, die verfassungsrechtlich gebotene Beschränkung der Anwendung des Untreuetatbestandes auf evidente Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken und damit den Charakter des Untreuetatbestandes als eines Vermögensdelikts zu bewahren.394 Für eine Heranziehung der Vorschriften des KWG im Rahmen des § 266 StGB ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die Verletzung solcher Vorschriften des KWG 390 Vgl. Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1093 f.; zustimmend Kasiske, in: Die sog. Finanzkrise, S. 13, 24. 391 Überblick bei SSW-Saliger, § 266 Rn. 35 ff. s.a. zuvor bereits Rönnau, StV 2011, 753, 754 f., der die Frage des ausreichenden (Fremd-)Vermögensbezug als Mindestvoraussetzung einer untreuetauglichen Pflicht als aktuelles Diskussionsfeld der Untreue ausmacht. 392 BGHSt 55, 288, 300 ff. 393 BGHSt 55, 288, 301. Dieses auf die Schutzrichtung abstellende Konzept ist in anderen Entscheidungen aufgegriffen worden, s. BGHSt 56, 203, 211; BGH NJW 2013, 401, 403. Für einen nur mittelbaren Fremdvermögensbezug auch SSW-Saliger, § 266 Rn. 36. Einen unmittelbaren Vermögensbezug fordern hingegen Corsten, HRRS 2011, 247, 249 (der in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, Compliance-Pflichten hätten regelmäßig keinen vermögensschützenden Charakter); Böttger, in: ders., Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 3 Rn. 41 sowie Dierlamm, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 201, 208 (die Verhaltenspflichten müssten „spezifisch dem Vermögensschutz dienen“). Nicht nach einem spezifischen Vermögensschutz differenzierend Preussner/Pananis, BKR 2004, 347, 351; Helmrich, NZG 2011, 1252, 1252 ff. 394 BGHSt 55, 288, 302.

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kein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 266 StGB darstellt, die nicht, und zwar auch nicht nur mittelbar, dem Vermögensschutz dienen. Dies gilt auch dann, wenn ihre Verletzung zugleich eine Verletzung anderer vermögensschützender Vorschriften wie etwa der §§ 93, 116 AktG darstellt. Von Bedeutung für § 266 StGB könnte vor diesem Hintergrund allerdings die Verletzung solcher Vorgaben zum Risikomanagement sein, die zumindest mittelbar dem Vermögensschutz dienen. Dabei tauchen zwei Problemkreise auf: Erstens, wann besteht im Einzelnen ein (auch nur mittelbarer) Vermögensbezug gewisser Pflichten? Zweitens, würde ein nur mittelbarer Vermögensbezug verletzter Pflichten den Vorgaben genügen, die das Bundesverfassungsgericht an die Anwendung des Untreuetatbestandes gestellt hat? In der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung besteht bis heute keine Einigkeit über die Untreuerelevanz der Vorschriften des KWG im Allgemeinen oder auch im Einzelnen. Chowdhury hat zutreffend herausgearbeitet, dass das Meinungsspektrum von einer generellen Untreuerelevanz der Vorschriften des KWG über Differenzierungen nach einzelnen Vorschriften bis hin zur tendenziellen Verneinung der Untreuerelevanz reicht, wobei insgesamt aber einer Relevanz zugeneigt wird.395 Auf § 54a KWG bezogen muss insoweit gefragt werden, ob die von ihm in Bezug genommenen Verhaltenspflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG (zumindest auch) dem Vermögensschutz dienen. Die Kriterien, wann eine Norm (auch nur mittelbar) vermögensschützenden Charakter hat, sind allerdings weitgehend unklar, die Begriffe unmittelbar/mittelbar denkbar unscharf.396 Während teilweise von einem unmittelbaren Vermögensbezug der Vorschriften des KWG das Risikomanagement betreffend ausgegangen wird397, zweifeln andere bei den in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verankerten Vorgaben selbst einen nur mittelbar vermögensschützenden Charakter an.398 So habe etwa § 25c Abs. 4a Nr. 1a KWG, der eine Dokumentationspflicht hinsichtlich des Gesamtziels, der Ziele des Instituts für jede wesentliche Geschäftsaktivität sowie der Maßnahmen zur Erreichung dieser 395 Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 199 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Er neigt dazu, auf die Nähe einer Vorschrift zu einem Schaden des Institutsvermögens abzustellen. Auch dies erlaubt freilich keine wirklich trennscharfe Abgrenzung. Er befürwortet überdies eine Herleitung der Schutzzweckrelevanz von KWG-Vorschriften über gesellschaftsrechtliche Sorgfaltsgeneralklauseln, also eine „mittelbare“ Herleitung. s.a. bereits Martin, Bankuntreue, S. 141 ff., die zwischen relativen (auf die einzelne Kreditvergabe abstellenden) und absoluten (auf die Kreditpolitik insgesamt abstellenden) Vorschriften des KWG unterscheiden möchte. 396 Berechtigte Kritik insoweit bei Brand/Sperling, AG 2011, 233, 239 f., die anmerken, man könne über die Figur des „mittelbaren Vermögensschutzes“ fast jedes gewünschte Ergebnis begründen. Auslegungsansätze finden sich bei SSW-Saliger, § 266 Rn. 37, wobei allerdings zugestanden wird, dass die Analyse in der Praxis nicht selten Schwierigkeiten mit sich bringe, da Vorschriften häufig mehrere Zwecke unmittelbar und/oder mittelbar verfolgen würden. 397 s. etwa Altenhain, in: Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 237, 254. 398 Zweifelnd hinsichtlich der Dokumentationspflichten nach § 25c Abs. 4a Nr. 1 Buchst. a, Buchst. b; Abs. 4b S. 2 Nr. 1 Buchst. a, Buchst. b KWG, eher bejahend hinsichtlich § 25c Abs. 4a Nr. 2 Buchst. a, Abs. 4b S. 2 Nr. 2 a), im Ergebnis aber offenlassend Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 339 f.

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Ziele statuiert, nur die Dokumentation als solche, nicht aber die Überprüfung der gewonnenen Ergebnisse im Blick und stelle eine nur formelle, nicht hingegen materielle Pflicht dar.399 Dem kann allerdings entgegengehalten werden, dass auch Dokumentationspflichten im Ergebnis einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung und über diese der Bestandserhaltung des Instituts dienlich sind, denn sie tragen zu einer gelungenen Risikoerkennung, Risikosteuerung und Risikoverhinderung und damit im Ergebnis auch zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit bei. Die hierdurch geförderte Stabilität des Instituts dient dabei nicht nur den Gläubigern, sondern im Ergebnis auch dem Treugeber selbst, sprich der Bank.400 So ließe sich ein wenigstens mittelbarer Bezug zum Vermögen des Treugebers unter Umständen noch begründen. Deutlich dürfte jedenfalls geworden sein, wie schwer die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Vermögensbezug, zwischen äußerst mittelbarem und nicht mehr vorhandenem Vermögensbezug zu treffen ist und wie ergebnisorientiert die Unterscheidung im Zweifel eingesetzt werden kann. Selbst wenn man einzelnen Vorschriften des Bankenaufsichtsrechts und hier interessierend den Vorgaben in Bezug auf das Risikomanagements einen mittelbaren Vermögensbezug nicht absprechen möchte, stellt sich in der Folge immer noch die bereits erwähnte zweite und grundsätzlichere Frage, ob ein derart mittelbarer Bezug angesichts der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des Untreuetatbestandes und der Betonung seines Charakters als Vermögensdelikt für die Annahme pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne des § 266 StGB ausreichen kann. Damit würde zwar der in der Siemens/AUB-Entscheidung des Bundesgerichtshofs angelegten Linie genügt.401 Deren Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts darf aber durchaus angezweifelt werden.402 Die Diskussion um die erforderliche Intensität des Vermögensbezuges verletzter Pflichten befindet sich noch in den Anfängen. Ihr kann hier nicht weiter nachgegangen werden.403 Sicher möglich wäre die Heranziehung von dem Bankrecht entspringenden Verhaltenspflichten im Rahmen des § 266 StGB derzeit wohl nur, wenn ihnen zweifelsfrei ein unmittelbar vermögensschützender Charakter innewohnen würde. Eine solche Annahme bedürfte aber einer tragfähigen, angesichts der Ausrichtung auf öffentliche und überindividuelle Interessen nur schwer vorstellbaren Begründung. Letztlich muss der Gefahr begegnet werden, den Schutzzweck des 399

Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 339 f. Vgl. Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1158 ff. Zwar lägen Ziele des Bankenaufsichtsrechts wie die Existenzsicherung der Institute zunächst im öffentlichen Interesse. Es sei aber möglich, das unvertretbare Risiko, welches das Bankenaufsichtsrecht festlege, auf den Einzelfall herunterzubrechen. Dann gehe es im Kern immer auch um das Vermögen der Bank, also das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut. 401 Zu ihr oben S. 120. 402 Eine Unvereinbarkeit nimmt etwa MüKo-StGB-Dierlamm, § 266 Rn. 47 an. 403 Zur Diskussion um die Intensität eines Vermögensbezugs von im Rahmen des § 266 StGB herangezogenen Normen Rönnau, StV 2011, 753, 754 f., sowie Krell, NStZ 2014, 62 ff., jew. m.w.N. 400

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§ 266 StGB über Gebühr auszudehnen.404 Der Untreuetatbestand ist nicht dazu bestimmt, Gläubiger- oder auch Allgemeininteressen zu schützen. In diese Richtung droht der Tatbestand indes zu entgleiten, wenn man den Fremdvermögensbezug der im Einzelfall verletzten Pflicht großzügig handhabt. Damit ist festzuhalten: Die Bemühung einer Verletzung von Risikomanagementvorgaben des KWG zur Begründung eines pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne des § 266 StGB steht – sollte sie überhaupt möglich sein – auf tönernen Füßen. Letztlich geht es um die Frage, wie eng der Vermögensbezug verletzter Verhaltenspflichten im Rahmen des § 266 StGB sein muss beziehungsweise wie weit der Schutzzweck des § 266 StGB ausgedehnt werden kann und ob neben den Schutz angetrauten Vermögens auch der Schutz von Allgemeininteressen treten kann405. Die Frage, ob alle in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG normierten Pflichten oder welche im Einzelnen im Falle ihrer Verletzung zur Begründung der Untreue bemüht werden können, wird sich aber in der Praxis ohnehin kaum stellen, denn ihrer Heranziehung stehen an anderer Stelle der Untreueprüfung weitere, kaum überwindbare Hürden entgegen. Zu nennen ist insbesondere die bereits erwähnte Schwierigkeit, eine nachweisbare Kausalitätsbeziehung zwischen der Verletzung von Risikomanagementpflichten einerseits und dem Eintritt eines Vermögensnachteils andererseits herzustellen.406 bb) Begrenzter Unwertgehalt Der Charakter des § 266 StGB als rein vermögensschützende Norm hat nicht nur Auswirkungen auf den Kreis möglicher Tatverhalten, sondern wirft auch die Frage auf, ob er den Unrechtsgehalt, den die vorwerfbare Herbeiführung der Bestandsgefährdung eines Instituts (eventuell einhergehend mit einer Gefahr für das ganze Finanzsystem) in sich trägt, überhaupt erfassen kann. Dies darf bezweifelt werden. Schünemann407 etwa ist der Auffassung, die Finanzkrise mit ihren unfassbaren Dimensionen habe gezeigt, dass der deutsche Untreuetatbestand insoweit unzulänglich sei und erhebliche kriminalpolitische Lücken aufweise. Er sei weder im objektiven, noch im subjektiven Teil auf das spezifische Unrecht zugeschnitten, das sich durch die jedes vernünftige Verhältnis zum Eigenkapital verlierenden, glücksspielartigen Investitionen in die amerikanischen „Giftpapiere“ realisiert habe. Dabei stützt Schünemann sich vor allem auf die Überlegung, das Unrecht habe nicht nur in der Schädigung, sondern in der „po404 Großzügig hinsichtlich des Schutzzwecks der Untreue insoweit Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1159 ff., der eine Verschiebung des Schutzzwecks durch die Bemühung von Vorgaben des KWG als gerechtfertigt ansieht. 405 Vgl. Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 202, nach dessen Auffassung eine Relevanz risikopolitischer Vorschriften des KWG für § 266 StGB ohne ein Bekenntnis zum Schutz von Allgemeininteressen in § 266 StGB ausgeschlossen sein dürfte. 406 Hierzu in Ansätzen oben S. 107 f. 407 Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100.

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tentiellen Vernichtung des Treugebers“ bestanden, also „geradezu in einer Potenzierung des Untreuetatbestandes“, wobei exakt dieses Unrecht aber vom Bankrotttatbestand des § 283 StGB erfasst sei. Wie dargelegt ist geschütztes Rechtsgut der Untreue nach nahezu einhelliger Auffassung allein das Vermögen des Treugebers. Gemessen daran sind die Grenzen des § 266 StGB jedenfalls dann erreicht, wenn nicht nur einzelne Vermögensinteressen geschädigt, sondern die Wirtschaftsordnung und damit die Freiheit aller Bürger bedroht worden ist.408 § 266 StGB kann den Unwert eines Verhaltens nicht erfassen, das nicht nur eine Schädigung des angetrauten Vermögens bewirkt, sondern das darüber hinaus auch noch kollektive Interessen wie etwa die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft verletzt.409 Gerade die Größe und Vernetzung vieler Banken führt aber verbunden mit ihrer essentiellen Bedeutung für die Realwirtschaft dazu, dass die Auswirkungen im Falle eines Bankenzusammenbruchs oft weit über die Schädigung des angetrauten Vermögens hinausgehen und regelmäßig auch kollektive Interessen berühren. Der Verlauf der Finanzkrise mit dem Bedürfnis nach weltumspannend nötig gewordenen Hilfsmaßnahmen und erheblichen negativen Auswirkungen auch auf die Realwirtschaft410 zeugt hiervon. Das Bestreben, diesen Wirkungsgrad des Handelns allein mit dem Tatbestand der Untreue erfassen zu wollen, ist aufgrund des begrenzten Schutzzwecks des § 266 StGB zum Scheitern verurteilt. § 266 StGB vermag nur einen Teilbereich der Auswirkungen des Handels der Finanzakteure und damit auch nur einen Teilbereich etwaig begangenen Unrechts zu erfassen. Dies zum einen, weil § 266 StGB nur eine Schädigung, nicht aber eine Vernichtung des Treugebers erfordert, und zum anderen, weil § 266 StGB nicht den Schutz überindividueller Interessen erfasst. Ungeachtet der im Einzelnen beleuchteten Anwendungs- und Nachweisschwierigkeiten ist die Untreue also auch dem geschützten Rechtsgut und in der Konsequenz auch ihrem Unrechtsgehalt nach nicht der allein passende Tatbestand für die Aufarbeitung der Finanzkrise und wird dies auch für künftige Krisen nicht sein können. Er wird auch in Zukunft seiner Schutzrichtung nach die Gefährdung kollektiver Rechtsgüter und damit den Kern dessen, was eine das Finanzsystem bedrohende Bankenkrise ausmacht, nicht erfassen. e) Zwischenergebnis „Ist ein Risikogeschäft Gegenstand der Anklage, so wird die Anklage selbst zum Risikogeschäft.“411 Dies scheint in besonderem Maße für die bisherigen Versuche zu 408

Vgl. Kubiciel, ZIS 2013, 53, 59. Vgl. Hefendehl, in: FS Samson 2010, S. 295, 313 f.; deutlich auch Kasiske, ZRP 2011, 137, 138, der von einem „strafwürdigen Sozialschaden“ spricht, der vom Schutzbereich des § 266 StGB als Vermögensdelikt nicht erfasst werden könne. s.a. Kubiciel, ZIS 2013, 53, 57. 410 Zu ihnen Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 19 ff. 411 MG-Nack, 4. Aufl., § 66 Rn. 4. 409

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gelten, die Finanzkrise mithilfe von § 266 StGB aufzuarbeiten. Die vorstehenden Ausführungen zu den problematischsten Elementen der Norm haben deren Struktur und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Bereich hochkomplexer Risikogeschäfte aufgezeigt. Sie liegen unter anderem in der akzessorischen Ausgestaltung und damit der tatbestandlichen Weite, die keine klaren Vorgaben enthält, wann ein strafrechtlich erlaubtes und wann ein strafrechtlich nicht mehr erlaubtes Risiko eingegangen wird. Hinsichtlich des vom Bundesverfassungsgericht formulierten Gebotes, den Kreis untreuerelevanter Verhaltensweisen auf Fälle klaren und deutlichen pflichtwidrigen Handelns zu beschränken, bestehen weiterhin zahlreiche Unsicherheiten. Als problematisch erwies sich auch die Ausgestaltung der Untreue als Verletzungsdelikt und das damit verbundene Erfordernis der Ermittlung eines konkret bezifferbaren Vermögensnachteils. Mit der Ausgestaltung als Verletzungsdelikt Hand in Hand geht die Schwierigkeit des Nachweises eines auch nur bedingten Schädigungsvorsatzes. Schließlich noch ist § 266 StGB vom Schutzzweck her nicht geeignet, Verhaltensweisen ihrem Unrechtsgehalt nach zu erfassen, die über den Schutz des angetrauten Vermögens hinaus den Bestand einer Bank tangieren und Gläubigerinteressen sowie kollektive Interessen wie die Stabilität des Finanzsystems berühren. § 266 StGB ist also in vielerlei Hinsicht „unpassend“. Ferner trat zutage, dass ein Abstellen auf die für die vorliegende Untersuchung wesentlich interessierende Verletzung von Risikomanagementpflichten zur Begründung einer Untreuestrafbarkeit nicht erfolgversprechend ist. Zum einen ist bereits fraglich, ob Vorgaben zum Risikomanagement angesichts ihrer Unschärfe, vor allem aber angesichts des begrenzten Schutzzwecks des Untreuetatbestandes überhaupt zur Begründung eines pflichtwidrigen Verhaltens herangezogen werden können. Zum anderen dürfte der Nachweis der Kausalität zwischen ihrer Verletzung und dem Eintritt eines Vermögensnachteils kaum zu führen sein. Verlangt man eine Unmittelbarkeit des Vermögensnachteils oder aber einen starken Vermögensbezug der verletzten Verhaltenspflicht, kann der Vorwurf der Untreue ohnehin nicht an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben geknüpft werden. Auf den ersten Blick scheint § 54a KWG daher eine sinnvolle Ergänzung zu § 266 StGB zu schaffen: Angeknüpft wird durch ihn explizit an ein näher spezifiziertes Tatverhalten in Form eines unzureichenden Risikomanagements. Ausreichend ist zudem der Eintritt einer Gefährdungslage und § 54a Abs. 2 KWG enthält eine flexible Fahrlässigkeitsvariante. Die Gesetzesbegründung stellt überdies maßgeblich auf den Schutz kollektiver Interessen ab. Ob § 54a KWG aber tatsächlich eine begrüßenswerte Ergänzung des bestehenden Normenkatalogs darstellt, wird Kapitel 2 der Untersuchung zeigen. 2. Bankrott, § 283 StGB Die vorliegende Untersuchung kann nicht ohne einen Blick auch auf das Bankrottstrafrecht auskommen. Angesichts des Umstandes, dass § 54a KWG auf das

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Herbeiführen einer Bestandsgefährdung abstellt und weil im Rahmen der Untersuchung des § 266 StGB Ausführungen zur Eingehung existenzgefährdender Risiken und zum Schutz von Gläubigerinteressen angezeigt waren, drängt sich die Frage auf, weshalb § 283 StGB – und insbesondere dessen Absatz 2 – in der Diskussion um die Aufarbeitung der Finanzkrise kaum eine Rolle gespielt hat und ob dies bei vergleichbaren Sachverhalten in Zukunft ebenfalls zu erwarten ist. Die mangelnde Beachtung des Bankrottstrafrechts verwundert schließlich bereits, wenn man sich noch einmal die – freilich unjuristischen – Begrifflichkeiten vergegenwärtigt, welche die Diskussion um die vergangene Krise geprägt haben. Vielfach war die Rede von „Bankenpleiten“ bzw. Banken würden „zusammenbrechen“ oder stünden vor dem Zusammenbruch und zum Auffangen der „Krisensituation“ sei es erforderlich, staatliche „Rettungspakete“ zu schnüren. Auch wird die Finanzkrise als eine „Krise des Gläubigerschutzes“412 bezeichnet. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, ob § 283 StGB seinem Schutzzweck nach das Herbeiführen der Schieflage einer Bank und die Gefährdung von Kollektivinteressen wie denen eines funktionierenden Kreditwesens, der Stabilität des Finanzsystems und einer funktionstüchtigen Gesamtwirtschaft erfassen kann [a)]. Anschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob § 283 Abs. 2 StGB seiner tatbestandlichen Ausgestaltung nach geeignet ist, das Herbeiführen einer Krisensituation durch Bankverantwortliche, wie es im Vorfeld der Finanzkrise zu beobachten war, zu erfassen [b)]. Dabei wird nicht verkannt, dass diese Überlegungen für die zurückliegende Finanzkrise ohne Bedeutung sind, weil insoweit jedenfalls § 283 Abs. 6 StGB einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Falle einer staatlichen Bankenrettung entgegensteht [c)]. Die Ausführungen zu § 283 StGB sind mit Blick auf den weiteren Gang der Untersuchung dennoch erforderlich. Sie stellen nicht nur eine Vorarbeit für die Bewertung des neu geschaffenen § 54a KWG dar, sondern auch für die später erfolgende Skizzierung einer zu § 54a KWG alternativen Strafnorm. a) § 283 StGB als gläubiger-, ggf. kollektivrechtsgüterschützende Norm Dass über die Eignung des § 283 StGB zur Erfassung von Sachverhalten, wie sie der Finanzkrise zugrunde lagen, bisher kaum – und wenn dann meist auf § 283 Abs. 6 StGB beschränkt – diskutiert wurde413, ist bedauerlich. Mag der Schutzzweck des § 283 StGB auch Gegenstand von Kontroversen sein, so scheidet der Schutz auch 412

MG-Richter, § 76 Rn. 11. Ausnahmen bilden die zwar treffenden, leider aber punktuell bleibenden, weil auf § 283 Abs. 6 StGB beschränkten Ausführungen durch Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100 f.; Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 63 ff. und Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 184. Lediglich ein Problemaufriss findet sich hinsichtlich der Frage, ob Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise als Bankrotthandlungen i.S.d. § 283 Abs. 1 StGB erfasst werden könnten, bei MG-Richter, § 76 Rn. 12; Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 92, sowie Park-Park/ Sorgenfrei, Einleitung, Teil 1 Rn. 23. 413

B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts

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überindividueller Rechtsgüter (anders als bei § 266 StGB) jedenfalls nicht von vornherein aus [aa)]. § 283 StGB kann es zudem im Rahmen der Strafzumessung wohl auch ohne eine Überdehnung seines Schutzzwecks erlauben, eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und damit einen der wesentlichen Aspekte auch des § 54a KWG zu erfassen [bb)]. aa) Kollektivrechtsgüterschutz durch § 283 StGB? Schünemann hob im Zusammenhang mit der Finanzkrise bereits früh den von § 266 StGB verschiedenen Unrechtsgehalt des § 283 StGB hervor und betonte dessen höhere Passgenauigkeit: Der Bankrotttatbestand schütze das Vermögen der Gläubiger und eventuell sogar die Gesamtwirtschaft, der Unrechtsgehalt liege nicht nur in der Schädigung, sondern weitergehend in der potentiellen Vernichtung des Treugebers.414 Die Situation, in der der Bestand des Treugebers (hier: der Bank) in Gefahr ist, soll nunmehr § 54a KWG über das Merkmal der Bestandsgefährdung erfassen. Knüpft § 283 StGB aber in ähnlicher Weise an eine Unternehmenskrise an, so bedarf es allein schon aus diesem Grunde einer näheren Untersuchung seines Schutzzwecks. Einigkeit herrscht im Kern darüber, dass die §§ 283 ff. StGB dem Gläubigerschutz dienen.415 Insofern hat das Bankrottstrafrecht individualrechtsgutsschützenden Charakter in Bezug auf das Vermögen der betroffenen Gläubiger. Nicht zuletzt mit Blick auf die verfassungsrechtliche Legitimation der Straftatbestände der §§ 283 ff. StGB ist indes umstritten, ob darüber hinaus auch der Schutz kollektiver Rechtsgüter bezweckt ist. Während teilweise eine über den Individualschutz hinausgehende Schutzzweckbestimmung abgelehnt wird416, gehen andere von einem Schutz auch kollektiver Interessen aus. Befürwortet wird dies zum Teil für die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft417 sowie speziell für die Kreditwirtschaft418. 414

Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100. Mit nur leichten Unterschieden im Einzelnen BGHSt 28, 371, 373; 55, 107, 115; BGH NJW 2001, 1874, 1875; Fischer, vor § 283 Rn. 3; G/J/W-Bär/Reinhart, vor §§ 283 ff. Rn. 1; LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 45 f.; MüKo-StGB-Radtke/Petermann, vor §§ 283 ff. Rn. 11; S/S-Heine/Schuster, vor §§ 283 ff. Rn. 2; SK-StGB-Hoyer, vor § 283 Rn. 3; Lackner/Kühl, § 283 Rn. 1; NK-Kindhäuser, vor §§ 283 ff. Rn. 19. 416 MüKo-StGB-Radtke/Petermann, vor §§ 283 ff. Rn. 17 ff.; M/R-Altenhain, § 283 Rn. 1; NK-Kindhäuser, vor §§ 283 ff. Rn. 32. Zweifelnd auch SK-StGB-Hoyer, vor § 283 Rn. 6, sowie G/J/W-Bär/Reinhart, vor §§ 283 ff. Rn. 1. Eingehend zur Frage des Rechtsgüterschutzes Krause, Erlaubtes Risiko, S. 154 ff., der den Schutz überindividueller Rechtsgüter ebenfalls als nicht bezweckt ansieht. 417 BGHSt 55, 107, 115; Lackner/Kühl, § 283 Rn. 1; S/S-Heine/Schuster, vor §§ 283 ff. Rn. 2; Fischer, vor § 283 Rn. 3. 418 So etwa die zivilrechtliche Entscheidung BGH NJW 2003, 974, 975; Bittmann, in: ders., Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 25; S/S-Heine/Schuster, vor §§ 283 ff. Rn. 2; LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 55 f.; A/R/R-Wegner, VII 1 Rn. 3 („zumindest“); Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 75. 415

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

Die Kontroverse um die Schutzgüter des Bankrottstrafrechts kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Jedenfalls ist nach derzeitigem Meinungsstand der Schutz auch überindividueller Interessen durch die §§ 283 ff. StGB nicht per se ausgeschlossen. Geht man von einem solch weiten Schutzzweck aus, dann steht das Bankrottstrafrecht seinem Schutzzweck nach der Intention des Gesetzgebers, welche dieser bei Schaffung des § 54a KWG hatte, zumindest nahe. Schließlich sollte mit § 54a KWG unter anderem ein Straftatbestand geschaffen werden, der Missstände im Kreditwesen vermeiden hilft und die Gesamtwirtschaft vor Nachteilen durch ebensolche schützt.419 Von besonderem Gewicht war es für § 54a KWG jedoch auch, einen Tatbestand zum Schutz der Stabilität des Finanzsystems zu schaffen. Die Finanzkrise hat schließlich eindrucksvoll gezeigt, was es bedeutet, wenn die Stabilität des Finanzsystems in Gefahr gerät und welche Anstrengungen seitens der Politik im Ernstfall unternommen werden, um einen Kollaps der Finanzmärkte zu verhindern. Ob auch eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems ihrem Unrechtsgehalt nach über § 283 StGB erfasst werden kann, begegnet jedoch Bedenken. Der Tatbestand des § 283 StGB fordert eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems selbstredend nicht. Ob die Verursachung einer derartigen Gefährdung durch die Krisensituation der Bank im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden darf und angemessen berücksichtigt werden kann, ist angesichts des Schutzzwecks des § 283 StGB zumindest zweifelhaft. Denn mit seinem Ursprung im Gläubigerschutz geht es bei § 283 StGB nicht um die Verhinderung und im Falle ihres Vorliegens die Erfassung systemischer Auswirkungen durch Ansteckungseffekte im Finanzsektor. bb) Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems als Strafzumessungsaspekt? Die Frage, ob § 283 StGB seinem Schutzzweck nach auch der Stabilität des Finanzsystems dienen kann, bedarf hier allerdings keiner Klärung. Denn wenn die Unternehmenskrise aufgrund der Beschaffenheit der Bank eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bedeutet, kann dies im Rahmen der Strafzumessung angemessen berücksichtigt werden auch ohne den Schutzzweck des § 283 StGB überdehnen zu müssen. Ausgangspunkt hierfür ist § 46 Abs. 2 S. 2 Alt. 4 StGB. Danach sind namentlich die verschuldeten Auswirkungen der Tat ein Aspekt im Rahmen der Strafzumessung. Was anders als eine Auswirkung der Tat aber soll es darstellen, wenn eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems dadurch entsteht, dass ein Kreditinstitut selbstverschuldet in eine Krisensituation nach Maßgabe des § 283 StGB gerät? Die Berücksichtigung des Herbeiführens einer Systemgefahr im Bankensektor als Strafzumessungsaspekt bedeutet dabei ein Anknüpfen an eine sogenannte außer419 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Näher zum mit § 54a KWG intendierten Rechtsgüterschutz unten S. 157 ff.

B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts

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tatbestandliche Folge.420 Kein unüberwindbares Hindernis für eine Berücksichtigung einer Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems dürfte es dabei sein, dass die Auswirkungen der Tat gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 Alt. 4 StGB „verschuldet“ sein müssen. Denn hinsichtlich der vorwerfbaren Verursachung ist – nach allerdings nicht unbestrittener Auffassung – die Vorhersehbarkeit der Auswirkungen ausreichend.421 Dabei soll es genügen, dass sie ihrer Art und ihrem Gewicht nach im Wesentlichen erkennbar waren.422 Ob und in welchem Maße das eigene Institut systemrelevant ist dürfte für den Täter zumindest in den Grundzügen ersichtlich sein und damit auch die Folgen für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt sollte das Institut insolvenzbedingt zusammenbrechen oder auch nur in die Gefahr eines solchen Zusammenbruchs geraten. Den Bankverantwortlichen wird unter anderem aufgrund behördlicher Einstufungen ihres Instituts in ausreichendem Maße vor Augen geführt, welche Konsequenzen dessen Schieflage haben kann. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob derartige Auswirkungen auch dann berücksichtigt werden können, falls sie vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst werden sollten. Für die vorliegenden Zwecke muss bezogen auf § 283 StGB gefragt werden, ob eine durch die Unternehmenskrise ausgelöste Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems auch dann gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 StGB strafschärfend berücksichtigt werden kann, wenn die Stabilität des Finanzsystems oder auch die Gesamtwirtschaft nicht zu den von § 283 StGB geschützten Rechtsgütern zählen sollten. Ob und falls ja inwieweit der Schutzzweck einer Norm der Berücksichtigung der Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Grenzen setzt, ist umstritten.423 Mit Erwägungen zum Schutzbereich der Norm oder anhand weiterer Kriterien werden mit verschiedenartigen Ansätzen differenzierte, in ihrer Reichweite unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen.424 Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich – von Einzelfällen abgesehen425 – die Linie entnehmen, dass eine Beschränkung auf Tatfolgen, die in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen, nicht angezeigt ist und dass für Tatfolgen, die in keinem unmittelbaren Zusam420

Zur Bedeutung außertatbestandsmäßiger Folgen für die Strafzumessung MüKo-StGBMiebach/Maier, § 46 Rn. 215 f.; S/S-Stree/Kinzig, § 46 Rn. 26a; LK-Theune, § 46 Rn. 149 ff. 421 Vgl. BGHSt 37, 179, 180; NStZ-RR 2006, 372, 372; Lackner/Kühl, § 46 Rn. 34; SKStGB-Horn/Wolters, § 46 Rn. 123; a.A. S/S-Stree/Kinzig, § 46 Rn. 26b: Anwendung des Grundgedankens der §§ 15, 16 StGB, d. h. Berücksichtigung nur der tatsächlich vorausgesehenen Tatfolgen. 422 Vgl. BGH NStZ-RR 2006, 372, 372; 2010, 170. 423 Zum Meinungsstand Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 597 ff. 424 Lackner/Kühl, § 46 Rn. 34 m.w.N. Eine Begrenzung auf den Schutzbereich der Norm, deren Übertretung dem Täter angelastet wird, verlangen etwa SK-StGB-Horn/Wolters, § 46 Rn. 123. 425 Vgl. BGH NStZ 1993, 337, 337 f.: Nur solche Folgen der Tat könnten strafzumessungserheblich sein, die „geeignet sind, das Tatbild zu prägen und die Bewertung der Schuldschwere zu beeinflussen“, und „die in den Schutzbereich der strafrechtlichen Norm fallen, deren Verletzung dem Täter vorgeworfen wird“.

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

menhang mit dem strafbaren Verhalten stehen und außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen, das Abgrenzungskriterium der Voraussehbarkeit der Tatfolge als ausreichend erachtet wird.426 Im Ergebnis kann also über § 283 StGB die Herbeiführung einer Unternehmenskrise durch eine bankrottrelevante Geschäftstätigkeit ihrem Unrechtsgehalt nach erfasst werden. Dies gilt umso mehr, als bei insgesamt vorsätzlichem Handeln bei Kreditinstituten regelmäßig ein besonders schwerer Fall gemäß § 283a S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB vorliegt427 und damit ein Strafrahmen eröffnet ist, innerhalb dessen dem erhöhten Unrechtsgehalt im Falle einer Gefährdung des Finanzsystems und der Gesamtwirtschaft angemessen Rechnung getragen werden kann. cc) Zwischenergebnis § 283 StGB erlaubt es, den Unrechtsgehalt zu erfassen, der in der Herbeiführung einer Institutskrise liegt. Überdies erlaubt er im Rahmen der Strafzumessung gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 StGB wohl auch ohne eine Überdehnung seines Schutzzwecks eine angemessene und gegebenenfalls erheblich strafschärfende Berücksichtigung systemischer Auswirkungen der Unternehmenskrise. Diese Konstruktion steht allerdings auf keinem festen Fundament und wäre eher eine Notlösung. § 54a KWG könnte insoweit die deutlich vorzugswürdigere Lösung darstellen. Dass § 283 StGB für die Aufarbeitung der Finanzkrise keine Rolle gespielt hat, liegt jedenfalls nicht an einem offensichtlich unpassenden Schutzzweck. b) § 283 Abs. 2 StGB als Pönalisierung einer Krisenverursachung Auch seinem Tatbestand nach ist § 283 StGB jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet, Verhaltensweisen, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise an der Tagesordnung waren, zu erfassen. Während er in § 283 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass der Täter eine der dort aufgezählten Bankrotthandlungen in der Krise (Überschuldung, drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit) vornimmt, stellt § 283 Abs. 2 StGB nicht ein Tatverhalten in der Krise, sondern das Herbeiführen selbiger unter Strafe. Dabei beschränkt sich § 283 Abs. 2 StGB auf eine Strafbewehrung des Herbeiführens der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. 426

Vgl. BGH NStZ 2002, 645: „Es kommt nicht darauf an, ob die Folgen in den Schutzbereich der strafrechtlichen Normen fallen, deren Verletzung dem Angeklagten vorgeworfen wird. Der Senat hätte Bedenken gegen eine solche, die Strafzumessung einengende Auslegung des § 46 Abs. 2 StGB. Er hält für Tatfolgen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten stehen und außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen, das Abgrenzungskriterium der Voraussehbarkeit der Tatfolge weiterhin für ausreichend.“ s.a. BGH NStZ-RR 2006, 372, 372. Kritisch zu dieser Linie LK-Theune, § 46 Rn. 156, unter Hinweis auf die Gefahr, dass auf dem Umweg über die Strafzumessung die Verletzung von Rechtsgütern oder Interessen geahndet werde, die das Strafrecht nicht schützen wolle. 427 Vgl. RegE BT-Drs. 7/3441, S. 37; Fischer, § 283a Rn. 3; NK-Kindhäuser, § 283a Rn. 5; S/S-Heine/Schuster, § 283a Rn. 5.

B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts

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Von maßgeblichem Interesse für die vorliegende Untersuchung ist § 283 Abs. 2 StGB, der ähnlich wie § 54a KWG auf das Herbeiführen einer Unternehmenskrise abstellt. Insofern nimmt es nicht wunder, dass § 283 StGB und dabei insbesondere dessen Absatz 2 in der strafrechtswissenschaftlichen Diskussion im Nachgang der Finanzkrise zumindest als ein dem Grunde nach tauglicher Tatbestand genannt wurde.428 Auch wenn sich die bisherige Diskussion im Wesentlichen auf den als hinderlich ausgemachten und noch zu besprechenden § 283 Abs. 6 StGB beschränkte, soll nachfolgend zumindest kursorisch auch auf die weiteren Voraussetzungen einer Strafbarkeit nach § 283 StGB eingegangen werden. Dabei ist zunächst auf einige Bankrotthandlungen [aa)], sodann auf den nach § 283 Abs. 2 StGB nötigen Erfolg der Unternehmenskrise [bb)] und schließlich auf die angesichts von Fahrlässigkeitsvarianten flexible Struktur des § 283 Abs. 2 StGB einzugehen [cc)]. aa) Tatverhalten der Bankrotthandlung Die Frage einer etwaigen Erfüllung der in § 283 Abs. 1 Nr. 1–8 StGB normierten Bankrotthandlungen ist – soweit ersichtlich – im Nachgang der Finanzkrise nicht behandelt worden. Dass sich die Strafjustiz mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 283 Abs. 6 StGB nicht mit ihr beschäftigt hat, ist verständlich und richtig. Die fehlende Aufarbeitung der Eignung des Tatbestandes im Schrifttum ist hingegen bedauerlich.429 Ausführungen gerade auch zum Tatverhalten sind schließlich erforderlich, um die grundsätzliche Eignung des § 283 StGB zur Erfassung von Unternehmenskrisen im Bankensektor und einen gegebenenfalls vorhandenen Anpassungsbedarf festzustellen. Im Folgenden soll zunächst auf § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingegangen werden, der auf die Vornahme von Risikogeschäften abstellt [(1)], und sodann auf die generalklauselartig formulierte Bankrotthandlung des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB [(2)]. In beiden Fällen wird, anders als in § 54a KWG, nicht an Missstände im Bereich des Risikomanagements, sondern an die Geschäftstätigkeit als solche angeknüpft. (1) § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB fordert das Eingehen eines Verlust- oder Spekulationsgeschäfts [(a)] in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise [(b)].

428

Vgl. Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100 f.; Kasiske, ZIS 2013, 257, 264. Soweit überhaupt Ausführungen zu § 283 StGB gemacht wurden, beschränkten sich diese im Wesentlichen auf § 283 Abs. 6 StGB, vgl. oben Fn. 413. 429

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

(a) Verlust- und Spekulationsgeschäft In den seltenen Ausführungen zur Frage, ob im Vorfeld der Finanzkrise gegebenenfalls Bankrotthandlungen im Sinne des § 283 Abs. 1 StGB vorgenommen wurden, wird das Engagement in ABS-Transaktionen mit Zweckgesellschaften teils unter dem Aspekt des Verlustgeschäfts betrachtet.430 Ein Verlustgeschäft im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt allerdings nur vor, wenn es von vornherein auf eine Vermögensminderung angelegt ist und zu einer Vermögenseinbuße führt, das Geschäft also schon nach der Vorauskalkulation bei Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben einen Vermögensverlust bewirkt.431 Weder aber war ein unmittelbares Engagement im ABS-Markt, noch war die Vergabe von Garantiezusagen an weitgehend mittellose Zweckgesellschaften zum Zwecke der Förderung deren exzessiver Fristentransformationen von vornherein auf eine Vermögensminderung angelegt bzw. führten schon nach der Vorauskalkulation zu einem Vermögensverlust. Im Gegenteil waren die genannten Engagements über einen langen Zeitraum äußerst ertragreich. Die Annahme des Eingehens von Verlustgeschäften im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist daher zumindest für den maßgeblich interessierenden Zeitraum vor Ausbruch der Finanzkrise abzulehnen. Naheliegender ist die ebenfalls in § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB enthaltene Tatbestandsvariante der Vornahme von Spekulationsgeschäften.432 Dies sind nach der amtlichen Begründung solche Geschäfte, bei denen ein besonders großes Risiko eingegangen wird in der Hoffnung, einen größeren als den üblichen Gewinn zu erzielen, und um den Preis, möglicherweise einen größeren Verlust hinzunehmen.433 Schon dieser Umschreibung lässt sich entnehmen, dass es nur um besonders außergewöhnliche Geschäfte gehen kann und diese gegenüber „normalen“ Geschäften mit angemessenem Risiko abgegrenzt werden müssen, um nicht eine zu weitgehende Strafbarkeit zu normieren. Teilweise heißt es, der Eintritt des Gewinns hänge bei Spekulationsgeschäften vielfach vom Zufall ab.434 Mancherorts wird das Element des Zufalls gar als zwingend angesehen mit der Begründung, gerade im Kontrollverlust,

430

Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 92. Vgl. Sonderausschuss BT-Drs. 7/5291 S. 18; RegE BT-Drs. 7/3441 S. 35; Fischer, § 283 Rn. 7; Lackner/Kühl, § 283 Rn. 12; NK-Kindhäuser, § 283 Rn. 29; LK-Tiedemann, § 283 Rn. 54; Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 92. 432 So dann auch Park-Park/Sorgenfrei, Teil 1, Einleitung, Rn. 23. 433 RegE BT-Drs. 7/3441 S. 35. Jeweils zumindest ähnlich Lackner/Kühl, § 283 Rn. 12; Fischer, § 283 Rn. 8; SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 44; NK-Kindhäuser, § 283 Rn. 30; MüKoStGB-Radtke/Petermann, § 283 Rn. 25; Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 94; S/S-Heine/Schuster, § 283 Rn. 10; LK-Tiedemann, § 283 Rn. 55. 434 So MüKo-StGB-Radtke/Petermann, § 283 Rn. 25; Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 94; Fischer, § 283 Rn. 8; Pelz, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 9 A Rn. 123. Dabei wird regelmäßig auf die Entscheidung RGSt 16, 238, 240 rekurriert, die allerdings den damaligen Begriff des Aufwands i.S.d. § 210 Nr. 1 KO zum Gegenstand hatte. 431

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den der Täter im Hinblick auf sein Vermögen erleide, liege die abstrakte Gefährlichkeit seiner Tat.435 Die Annahme, das Element des Zufalls sei zur Kennzeichnung eines Spekulationsgeschäfts zwingend, geht indes fehl.436 Der Kontrollverlust kennzeichnet in systematischer Hinsicht weniger das Tatverhalten der Vornahme von Spekulationsgeschäften als vielmehr das des Spiels (§ 762 BGB) und dort des sogenannten Glücksspiels. Das Spiel ist aber in § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB gesondert angeführt und sollte daher begrifflich nicht vermengt werden mit dem Spekulationsgeschäft.437 Ungeachtet dessen muss jedenfalls eine restriktive Auslegung des Merkmals des Spekulationsgeschäfts vorgenommen werden. Nicht ausreichend ist eine allein hohe und auch überdurchschnittliche Risikobehaftung.438 Der Einordnung als Spekulationsgeschäft sind lediglich extreme Fälle zugänglich.439 Dennoch dürften nicht wenige Geschäfte im Vorfeld der Finanzkrise einer Einordung als Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB zugänglich sein. Denn vergegenwärtigt man sich noch einmal deren grundlegende Voraussetzungen (als da wären: Das Eingehen eines besonders großen Risikos in der Hoffnung, einen größeren als den üblichen Gewinn zu erzielen, aber um den Preis, möglicherweise einen größeren Verlust zu erleiden), so beschreibt dies recht treffend, was vor Ausbruch der Finanzkrise geschehen ist: In Anbetracht eher geringer Margen im klassischen Kreditgeschäft gingen zahlreiche deutsche Banken dazu über, sich im Geschäft verbriefter Kreditforderungen zu engagieren. Hierfür wurden oftmals im Ausland betriebene, unterkapitalisierte Zweckgesellschaften mit enormen Liquiditätsgarantien ausgestattet. Ermöglicht werden sollte durch diese Liquiditätsgarantien das Betreiben exzessiver Fristentransformationen über Schattenbanken – langfristige 435

Vgl. Verjans, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 64; A/R/R-Wegner, VII 1 Rn. 122. Für das Erfordernis eines Zufallselements auch SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 44; LKTiedemann, § 283 Rn. 56. G/J/W-Reinhart, § 283 StGB Rn. 28, sieht das Merkmal des Spekulationsgeschäfts dann zumindest als „zweifelsfrei erfüllt“ an. 436 Ablehnend auch Bittmann, in: ders., Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 122: Mit einem solchen Erfordernis werde der Anwendungsbereich dieser Alternative gegen Null gedrückt. 437 Wer auf das Element des Zufalls zur Begründung eines Spekulationsgeschäftes dennoch nicht verzichten möchte, muss dessen Vorliegen im Einzelfall prüfen. In Bezug auf das Geschäftsgebaren im Vorfeld der Finanzkrise dürfte die Annahme eines Zufallselementes allenfalls dann gelingen, wenn man in der Verhaltensweise der verantwortlichen Akteure ein glücksspielartiges Verhalten erblickt. Auch wenn mancherorts ein solches Zufallselement hervorgehoben wird (s. nur Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100: „aleatorische Teilnahme an einem intensiven Schneeballsystem“, ähnlich Martini, NJW 2010, 2019, 2019: „Aus Bankern wurden Glücksritter, gleichsam Plünderer in weißen Kragen“), so handelte es sich bei den realisierten Gewinnen und Verlusten dennoch nicht um rein zufällige Folgen. An dieser Stelle muss der Gefahr entgegengetreten werden, die mangelnde Beherrschbarkeit nach Ausbruch der Krise mit vom Zufall abhängigen Gewinn- oder Verlustchancen im Vorfeld der Krise gleichzusetzen. 438 Verjans, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 4 Rn. 64. 439 Vgl. LK-Tiedemann, § 283 Rn. 56.

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Engagements wurden bei ihnen kurzfristig refinanziert. Damit ließ sich über einen längeren Zeitraum eine überdurchschnittliche Rendite erwirtschaften, die mit einem besonders großen Risiko verbunden war. Denn sollte die Zweckgesellschaft die Liquiditätsgarantien in Anspruch nehmen, war die Inanspruchnahme oftmals von solchem Umfang, dass das dahinterstehende Institut (der sogenannte Sponsor) selber in Existenznot geraten sollte. Eben dieses Risiko realisierte sich, als die Anschlussfinanzierung aufgrund des Platzens der US-Immobilienblase scheiterte und die Sponsoren ihren Liquiditätszusagen ausgesetzt waren. Dass dieses Vorgehen durchaus verbreitet war, hindert es nicht, es als riskanten Ausnahmefall anzusehen, denn eine Einordnung als riskanter Ausnahmefall muss sich an inhaltlichen Kriterien orientieren; den Maßstab kann nicht die tatsächliche Verbreitung einer bestimmten Praxis bilden. Dass die Subsumtion von Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise unter den Begriff des Spekulationsgeschäfts im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB diesen Begriff nicht überdehnt, zeigen auch andere Umschreibungen dieses Tatbestandsmerkmals. Wenn es heißt, dass als Spekulationsgeschäft auch die „Teilnahme an wagnisreichen Geschäften mit offener Finanzierung allein aus der Erwartung eines erheblichen Gewinnes“440 gilt, dann ist dies in Einklang zu bringen mit der ausgeprägten Teilnahme an meist durch Zweckgesellschaften betriebenen Fristentransformationenmodellen in der Erwartung eines entsprechend hohen Gewinns durch die hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken. Die massive Fristentransformation bedeutete im Wesentlichen eine offene Finanzierung – ein Risiko, das sich bei Ausbruch der Finanzkrise schlagartig realisierte und Sponsoren mit in die Existenzkrise riss. Als Beispiel eines Spekulationsgeschäfts wird außerdem die Kreditgewährung an einen unbekannten Kreditnehmer ohne Bonitätsprüfung genannt.441 Vergegenwärtigt man sich, dass die Beteiligung am Geschäft der verbrieften Kreditforderungen im Ergebnis zu einer Stellung ähnlich eines Kreditgebers führte und die in Rede stehenden Finanzprodukte höchst intransparent waren, so scheint auch dies die Heranziehung des Merkmals Spekulationsgeschäft zu erlauben. Freilich müsste auch hier wieder diskutiert werden, inwieweit das Vertrauen in die Ratings im Einzelfall zu berücksichtigen ist. Festzuhalten bleibt, dass bezogen auf das erhebliche Engagement im Verbriefungssektor unter Einschaltung unterkapitalisierter Zweckgesellschaften und deren massiver Fristentransformation eine Subsumtion unter den Begriff des Spekulationsgeschäftes zumindest möglich und in vielen Fällen wohl sogar naheliegend ist. Freilich ist dies für die strafrechtliche Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise ohne Bedeutung. Die vorstehenden Ausführungen zeigen aber, dass § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB durchaus geeignet ist, auch innovative Geschäftsmodelle zu erfassen. Damit wird zugleich deutlich, dass die Norm auch zur Erfassung künftigen Geschäftsgebarens durchaus ein probates Mittel darstellen könnte. Der Begriff des 440 441

Weyand, in: Wimmer et al., HdB Fachanwalt Insolvenzrecht, Kap. 11 C I. Rn. 12. NK-Kindhäuser, § 283 Rn. 30; Krause, Erlaubtes Risiko, S. 130.

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Spekulationsgeschäfts ermöglicht es, verschiedene Konstellationen zu erfassen, die stets auf denselben Kern zurückgehen, nämlich darauf, dass übermäßig spekulative Risikogeschäfte vorgenommen werden, die zu einer Unternehmenskrise führen können. Der Gegenstand der Spekulation ist dabei austauschbar: Ob SubprimeBlase, Dotcom-Blase, Technologie-Blase – immer geht es um spekulatives Verhalten in der Erwartung überdurchschnittlicher Gewinne. (b) Geschäfte entgegen den Anforderungen ordnungsgemäßen Wirtschaftens Eine undifferenzierte Heranziehung des Merkmals Spekulationsgeschäft würde allerdings dem Umstand nicht hinreichend Rechnung tragen, dass unternehmerisches Handeln allgemein und solches im Bankensektor im Besonderen stets risikobehaftet ist. Um eine ausufernde Pönalisierung unternehmerischen Handelns zu vermeiden, wird die Strafbarkeit nicht nur über eine restriktive Auslegung des Begriffs des Spekulationsgeschäfts eingeschränkt, sondern darüber hinaus auch durch das Erfordernis eines den Anforderungen ordnungsgemäßen Wirtschaftens widersprechenden Handelns. Der Begriff der ordnungsgemäßen Wirtschaft aber ist, obschon „Grundbegriff des Insolvenzstrafrechts“442, schwer zu fassen, er hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab443. Maßgebend für die Beurteilung ist eine ex ante-Sicht.444 Auch hier muss der Gefahr begegnet werden, einem Rückschaufehler zu unterliegen und vom Eintritt des Misserfolgs auf eine im Vorhinein fehlende Ordnungsgemäßheit der wirtschaftlichen Maßnahme zu schließen.445 Einen ersten Anhaltspunkt für die Bewertung eines Handelns als den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechend können etwa die handelsrechtlichen Anforderungen ordentlichen kaufmännischen Verhaltens bilden.446 Unweigerlich denkt man an dieser Stelle auch wieder an die „goldene Bankregel“ fristenkongruenter Finanzierung oder zumindest an die Gefahren exzessiver Fristentransformationen. Gegenstand und Größe des Unternehmens sind bei der Beurteilung des Handelns ebenso zu berücksichtigen wie die in Rede stehende Branche und das Vorliegen einer Unternehmenskrise.447 Besonders in den hier interessierenden Fällen des Herbeiführens einer Krise im Sinne von § 283 Abs. 2 StGB liegen die Hürden für die Annahme eines nicht ordnungsgemäßen Wirtschaftens hoch, jedenfalls höher als im Rahmen von 442

LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 101. BeckOK-StGB-Beukelmann, § 283 Rn. 39. Eingehend zum Begriff des Handelns in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Bittmann, in: ders., Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 58 ff., sowie Krause, Erlaubtes Risiko, S. 284 ff. 444 S/S-Heine/Schuster, § 283 Rn. 12; Lackner/Kühl, § 283 Rn. 11; NK-Kindhäuser, vor §§ 283 Rn. 72; MüKo-StGB-Radtke/Petermann, § 283 Rn. 27; LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 106. 445 Vgl. LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 107. 446 Fischer, § 283 Rn. 6. 447 LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 118. 443

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§ 283 Abs. 1 StGB.448 Die Üblichkeit gewisser Geschäfte in bestimmten Branchen darf dabei jedoch keine Berücksichtigung finden; die Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit richtet sich nicht nach einer tatsächlichen, gegebenenfalls zu nachlässigen Übung (Ist-Zustand), sondern nach einem normativen Soll-Zustand.449 Unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte können – im Bewusstsein, dass wegen der Vielzahl der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte die Formulierung allgemeiner Grundsätze kaum möglich ist – für die Bestimmung des ordnungsgemäßen Wirtschaftens im Wesentlichen drei Kriterien ausgemacht werden: Der Schuldner handelt in den Grenzen ordnungsgemäßer Wirtschaft, wenn er beim Umgang mit seinem Vermögen eine wirtschaftlich vernünftige Zielsetzung verfolgt, eine sorgfältige Risikoabwägung vornimmt und seine Entscheidung auf einer hinreichenden Informationsgrundlage beruht.450 Dabei besteht ein weiter Vertretbarkeitsrahmen. Negativ formuliert ist der Maßstab ordnungsgemäßen Wirtschaftens erst verletzt, wenn die wirtschaftliche Entscheidung oder Maßnahme als zweifelsfrei unvertretbar erscheint; positiv formuliert liegt kein Verstoß gegen die Anforderungen ordnungsgemäßen Wirtschaftens vor, solange Sachkundige über die Vertretbarkeit unterschiedlicher Meinung sind.451 Im Grundsatz gilt also, dass das Eingehen eines Spekulationsgeschäftes nur dann tatbestandsmäßig ist, wenn es zweifelsfrei unvertretbar ist.452 Bereits die angeführten Kriterien (sorgfältige Risikoabwägung, Handeln auf angemessener Informationsgrundlage) aber auch die Nähe zur Evidenz dürften angedeutet haben, dass es vielfach um Aspekte geht, die in vergleichbarer Weise auch im Rahmen der Bewertung eines Verhaltens als untreuerelevant von Bedeutung sind. Hier ist es im Rahmen des § 283 StGB, ähnlich wie bei der Feststellung einer Pflichtverletzung im Rahmen des § 266 StGB, Aufgabe der Fachgerichte, die hohen Hürden strafbaren Verhaltens sowie deren mögliche Verletzung im Einzelfall zu bestimmen. Auch wenn hinsichtlich denkbarer Pauschalierungen Vorsicht geboten ist, scheint eine Subsumtion von Vorgängen im Vorfeld der Finanzkrise unter den Begriff des Spekulationsgeschäftes, das den Grundsätzen ordnungsgemäßen Wirtschaftens widerspricht, zumindest nicht ausgeschlossen. Insoweit besteht eine Parallele zum Pflichtwidrigkeitsmerkmal in § 266 StGB.453 Bereits bekannte Fragestellungen tauchen freilich erneut auf: Etwa die Frage, wie die Rolle der Ratingagenturen und das Vertrauen in selbige zu beurteilen ist, oder die Frage, warum trotz einer weitgehenden Üblichkeit derartiger Engagements einige Institute sie 448 Vgl. MG-Richter, § 83 Rn. 61; NK-Kindhäuser, vor §§ 283 ff. Rn. 89; LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 104 f.; im Ergebnis auch Krause, Erlaubtes Risiko, S. 357 f. 449 LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 118; a.A. Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 97. 450 Vgl. NK-Kindhäuser, vor §§ 283 ff. Rn. 74. 451 LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 117 m.w.N. 452 S/S-Heine/Schuster, § 283 Rn. 12; MüKo-StGB-Radkte/Petermann, § 283 Rn. 27; vgl. auch SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 47. 453 Hierzu oben S. 84 ff.

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gemieden haben. Oder auch wann, warum und durch wen es Warnungen vor derartigen Geschäftsmodellen gab und welche Informationsgrundlage im Einzelfall in welchem Zeitpunkt bestand. Die Parallelität der Fragestellungen im Rahmen der §§ 283, 266 StGB liegt darin begründet, dass in beiden Fällen an die Geschäftstätigkeit als solche angeknüpft wird und diese Geschäftstätigkeit unweigerlich einer Einordnung als strafrechtlich relevant oder irrelevant bedarf. Festzuhalten ist, dass die Annahme, Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Finanzkrise seien als Spekulationsgeschäft im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu werten, parallel zur Annahme pflichtwidrigen Verhaltens im Rahmen des § 266 StGB jedenfalls möglich erscheint. (2) § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB Denkbar ist es auch, hinsichtlich der Vorgänge im Vorfeld der Finanzkrise den generalklauselartig verfassten § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu bemühen. Erfasst werden sollen über ihn Handlungen, die nicht in den kasuistischen Aufzählungen der Nummern 1–7 genannt sind, den dort aufgezählten Handlungen aber gleichstehen.454 Hierbei ist umstritten, ob er ein Auffangtatbestand für solche Fälle ist, die nicht nach den Nummern 1–7 strafbar sind oder ob er als Grundtatbestand des gesamten Absatzes 1 anzusehen ist.455 Gerade weil § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB durch seine generalklauselartige Formulierung in besonderem Maße zukunftsoffen ist, könnte er einen Schlüssel dafür darstellen, auch bisher unbekannte Geschäftsmodelle und Produkte der durchaus erfindungsreichen Finanzbranche bei Bedarf strafrechtlich erfassen zu können. Auch in der Literatur wird seine vermehrte Heranziehung durchaus befürwortet.456 Eine generalklauselartige Umschreibung des möglichen Tatverhaltens liegt im Übrigen auch einem Vorschlag von Kasiske zugrunde, der die Existenzgefährdung systemrelevanter Kreditinstitute schon vor Schaffung des § 54a KWG strafrechtlich erfasst sehen wollte und hierfür als Tatverhalten „Handlungen, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Wirtschaft widersprechen“ vorschlug.457 Auf eine strafrechtliche Anknüpfung an einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßen Wirtschaftens wird in Kapitel 3 dieser Arbeit noch zurückzukommen sein. Zunächst soll auf weitere Erfordernisse einer Strafbarkeit nach § 283 Abs. 2 StGB eingegangen werden.

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s. BT-Drs. 7/3441 S. 36. Für eine Einordnung als Auffangtatbestand BGH NStZ 2009, 635, 636; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1712, 1713; Fischer, § 283 Rn. 30; SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 91; NK-Kindhäuser, § 283 Rn. 6; M/R-Altenhain, § 283 Rn. 33; BeckOK-StGB-Beukelmann, § 283 Rn. 73; G/J/W-Reinhart, § 283 StGB Rn. 8; a.A. LK-Tiedemann, § 283 Rn. 9 ff. (Grundtatbestand). 456 s. LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 232. 457 Kasiske, ZRP 2011, 137, 139. 455

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bb) Herbeiführen einer Unternehmenskrise § 283 Abs. 2 StGB stellt das Herbeiführen einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit unter Strafe. Anders als bei § 283 Abs. 1 StGB muss dabei eine Kausalbeziehung bestehen zwischen einer oder mehreren Bankrotthandlungen einerseits und der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit andererseits. Das heißt die Krise muss durch die Bankrotthandlung(en) zumindest mitverursacht worden sein.458 Das Herbeiführen einer Situation nur drohender Zahlungsunfähigkeit genügt für § 283 Abs. 2 StGB nicht. Wann Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Einzelfall vorliegt, ist nicht leicht zu ermitteln. Die Akzessorietät zu den §§ 17, 19 InsO bildet insoweit einen wesentlichen Streitpunkt.459 Für die hier interessierenden Fälle der Krise einer Bank tritt hinzu, dass es einer – soweit ersichtlich – noch nicht erfolgten Betrachtung der Frage bedarf, ob im Falle der Rettung einer Bank durch den Staat regelmäßig bereits eine wirtschaftliche Krise im Sinne des § 283 Abs. 2 StGB vorgelegen hat oder nicht. Falls nicht, wäre ein Beiseiteschieben des bisher fast ausschließlich als hinderlich diskutierten § 283 Abs. 6 StGB nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung, um eine Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 2 StGB auch im Falle staatlich geretteter Banken zu ermöglichen. Denn sollte es schon am Eintritt einer Unternehmenskrise nach Maßgabe des § 283 Abs. 2 StGB fehlen, entfiele eine Strafbarkeit bereits mangels Verwirklichung des objektiven Tatbestandes. Auf § 283 Abs. 6 StGB käme es dann nicht mehr an. Erste Schwierigkeiten ergeben sich bereits daraus, dass die Begrifflichkeiten des Insolvenzrechts auf Bankenkrisen nicht zugeschnitten sind. Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie ist nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zur näheren Bestimmung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass zur Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von einer bloßen Zahlungsstockung zwei Elemente entscheidend sein sollen460 : Zum einen müsse festgestellt werden, ob zum Stichtag mehr als 90 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten durch liquide Mittel gedeckt sind. Soweit dies der Fall ist, liege regelmäßig Zahlungsfähigkeit vor. Neben diese stichtagsbezogene Betrachtung trete als zweites Element eine Prognose hinzu. Zahlungsfähigkeit sei auch bei weniger liquiden Mitteln gegeben, wenn absehbar sei, dass die Liquiditätslücke in überschaubarer Zeit beseitigt werde. Eine Anknüpfung an diese Begriffsbestimmung ist für den Bankensektor problematisch, weil in ihm die für das Finanzsystem bedrohlichen Ansteckungseffekte schon wesentlich früher auftreten können. Ein eher nachgiebiger Zahlungsunfä458 Vgl. OLG Frankfurt NStZ 1997, 551, 551 f.; Fischer, § 283 Rn. 31; MüKo-StGBRadtke/Petermann, § 283 Rn. 70; SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 112. 459 Überblick bei Fischer, vor §§ 283 ff. Rn 6 ff. m.w.N. 460 Vgl. BGHZ 163, 134, 144 ff.

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higkeitsbegriff wie der vorgenannte wird für die Zwecke des Bankenrestrukturierungsrechts auch vom Gesetzgeber als ungeeignet angesehen. Das Bankenrestrukturierungsrecht, so heißt es, müsse im Interesse der Bewahrung der Finanzmarktstabilität grundsätzlich bei jedem Zahlungsausfall und ohne zeitliche Verzögerungen greifen können.461 Gerade die Vermeidung von Ansteckungseffekten und damit die Vermeidung systemischer Auswirkungen war auch Grund dafür, dass in der Finanzkrise die Banken durch staatliche Intervention kurzfristig vor dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO bewahrt wurden. Dann aber scheidet eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 2 StGB unter Anknüpfung an dieses Tatbestandsmerkmal aus. § 283 Abs. 2 StGB erlaubt aber auch eine Anknüpfung an den Taterfolg der Überschuldung. Nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Diese Fassung geht zurück auf das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom 17. 10. 2008462 und hat, obwohl zunächst nur zeitlich begrenzt vorgesehen, inzwischen unbefristete Geltung erlangt.463 Sie knüpft nunmehr wieder an den bereits vom Bundesgerichtshof vor Inkrafttreten der InsO vertretenen464 sogenannten zweistufigen modifizierten Überschuldungsbegriff an.465 Danach stehen das prognostische Element (die Fortführungsprognose) und das exekutorische Element (die Bewertung des Schuldnervermögens nach Liquidationswerten) gleichwertig nebeneinander.466 Was die Überschuldungsbilanz im Zeitpunkt einer staatlichen Intervention anbelangt, so muss diese eine rechnerische Überschuldung ausweisen. Die in die Überschuldungsbilanz aufzunehmenden Gegenstände sind dabei mit ihrem Liquidationswert anzusetzen.467 Hierunter sind diejenigen Werte zu verstehen, die sich bei einer Zerschlagung des Unternehmens bei einer Einzelveräußerung jedes Gegen461 RegE BT-Drs. 18/2575 S. 165 zum durch das BRRD-Umsetzungsgesetz neu geschaffenen § 63 SAG. Auf diesen wird im Rahmen der Behandlung des § 54a KWG noch ausführlich zurückzukommen sein. 462 Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) vom 17. 10. 2008, BGBl. I, S. 1982. 463 Die zwischenzeitlich verlängerte Befristung wurde aufgehoben durch Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. 12. 2012, BGBl. I, S. 2418. Zur Entwicklung des Überschuldungsbegriffs s. Braun-Bußhardt, InsO, § 19 Rn. 1 ff. 464 s. BGHZ 119, 201, 214. 465 So ausdrücklich BT-Drs. 16/10600 S. 13. 466 BT-Drs. 16/10600 S. 13. Zu den durchaus problematischen Auswirkungen des veränderten Überschuldungsbegriffs auf die Anwendung der §§ 283 ff. StGB s. Krause, in: Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 337, 343 ff. 467 BT-Drs. 16/10600 S. 13.

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stands ergeben würden.468 Für die Zwecke der Bankenrestrukturierung indes ergeben sich Besonderheiten. Für die Feststellung, ob Vermögenswerte des Instituts die Höhe seiner Verbindlichkeiten unterschreiten oder dies in näherer Zukunft der Fall sein wird, gelten teilweise von den Bewertungsvorschriften der Insolvenzordnung abweichende Vorschriften, vgl. etwa §§ 69 ff. SAG.469 Bereits an dieser Stelle deutet sich ein Spannungsverhältnis zwischen den Besonderheiten des Bankensektors und klassischen insolvenz(straf)rechtlichen Begrifflichkeiten und Normen an, auf das noch zurückzukommen sein wird. Selbst wenn man unterstellt, dass eine rechnerische Überschuldung im Moment einer staatlichen Intervention vorliegt470, genügt dies allein nicht für die Annahme einer Überschuldung. Schließlich ist weitergehend erforderlich, dass die Fortführungsprognose negativ ausfällt. Das heißt eine Überschuldung ist nicht gegeben, wenn nach überwiegender Wahrscheinlichkeit die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig zur Fortführung ausreicht.471 Dies bereitete in der vergangenen Finanzkrise Schwierigkeiten bezüglich der Institute, die letztlich von einer impliziten Staatsgarantie profitierten, denn bei ihnen schied angesichts des zu erwartenden staatlichen Einschreitens eine negative Fortführungsprognose und damit eine Überschuldung regelmäßig aus. Spätestens mit Geltung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und den dadurch in Aussicht gestellten Rettungsmaßnahmen dürfte die Fortführungsprognose für die betroffenen Bankinstitute positiv geworden sein und die Annahme einer Überschuldung daher ausscheiden.472 In strafrechtlicher Hinsicht wird es für den Ausschluss der Annahme einer Überschuldung sogar schon reichen, dass eine Fortführung nicht sicher ausgeschlossen werden kann.473 Möchte man überhaupt mit dem Überschuldungsbegriff operieren, so könnte ein Ausweg allenfalls darin bestehen, die Gewährung außerordentlicher finanzieller Hilfen durch den Staat bei der Fortführungsprognose außer Acht zu lassen. Im Ergebnis müsste dann die Feststellung der Überschuldung eines Instituts nach dem zweistufigen modifizierten Überschuldungsbegriff vor Eingreifen der staatlichen Intervention erfolgen, wobei innerhalb dieses Überschuldungsbegriffs die Fortführungsprognose ihrerseits dergestalt „modifiziert“ werden müsste, dass bei der Frage der Fortführung außerordentliche finanzielle Hilfen von Seiten des Staates außer 468

Henssler/Strohn-Arnold, § 19 InsO Rn. 5. Eingeführt wurde das SAG mit Wirkung zum 1. 1. 2015 durch Artikel 1 des BRRDUmsetzungsgesetztes vom 10. 12. 2014, BGBl. I, S. 2091. 470 Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100 f. und Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 184 problematisieren dies in Bezug auf die vergangene Finanzkrise gar nicht erst. Anders wohl Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 92 a.E., wobei offen bleibt, ob er auf die Krisensituation des § 283 Abs. 2 StGB abstellt oder den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit des § 283 Abs. 6 StGB. 471 BT-Drs. 16/10600 S. 13. Zu den Anforderungen an eine derartige Fortführungsprognose im Überblick Henssler/Strohn-Arnold, § 19 InsO Rn. 6 m.w.N. 472 Rönnau, in: Die sog. Finanzkrise, S. 43, 60 mit Blick auf § 55 KWG. 473 Wegner, HRRS 2012, 68, 72. 469

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Betracht bleiben. Dies wäre mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 19 InsO noch zu vereinbaren und würde auch in Einklang stehen mit der in der amtlichen Begründung zum Überschuldungsbegriff gemachten Ausführung, dass eine Überschuldung nicht gegeben sei, wenn nach überwiegender Wahrscheinlichkeit die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig zur Fortführung ausreiche.474 Dass eine solche Prognose praktische Schwierigkeiten aufwerfen würde, liegt auf der Hand. Zum einen erfordert sie ein gedankliches Ausblenden einer staatlichen Rettung, zum anderen müsste geklärt werden, wann genau eine außerordentliche finanzielle Hilfe durch öffentliche Gelder erfolgt und wie damit umzugehen ist, dass bereits die Inaussichtstellung einer solchen Hilfe oder auch nur die Erwartung des Marktes einer solchen die Fortführungsprognose stets positiv machen dürfte. Selbst wenn außerordentliche finanzielle Hilfen von Seiten des Staates in Zukunft unterbleiben sollten, so sind durch die inzwischen erfolgte Etablierung zahlreicher Sonderregime für in finanzielle Schwierigkeiten geratene Banken neue Probleme entstanden. Durch das Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG), das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) aber auch die SRM-Verordnung475 wurde ein Instrumentarium geschaffen, das im Einzelfall dazu führen soll, unter größtmöglicher Schonung des Staatshaushaltes Bankensanierungen und Bankenabwicklungen ohne systemische Konsequenzen durchführen zu können. Dieses durchaus als Sonderinsolvenzrecht zu bezeichnende Instrumentarium476 soll es ermöglichen, eine mit Ansteckungseffekten verbundene reguläre Insolvenz einer Bank im Einzelfall ebenso zu vermeiden wie die Gewährung außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln. Es ist ein primär bankenaufsichtsrechtlichen Zielen verpflichtetes Sonderregime und ungleich stärker auf den Erhalt als „going concern“ ausgerichtet als das klassische Insolvenzrecht.477 Die Etablierung dieses Sonderinsolvenzrechts führt zu neuen Spannungen mit Blick auf die §§ 283 ff. StGB, da diese an das klassische Insolvenzrecht und dessen Begrifflichkeiten und Instrumente anknüpfen. Wird das Insolvenzrecht für Finanzinstitute an neue Gegebenheiten angepasst, so stellt dies zumindest ein Indiz dafür dar, dass auch im Insolvenzstrafrecht Anpassungen erforderlich sein könnten. Hierauf wird am Ende der Untersuchung zurückzukommen sein.

474

s. BT-Drs. 16/10600 S. 13, Hervorhebung durch den Verf. Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. L 225 vom 30. 7. 2014, S. 1, ber. durch ABl. L 101 vom 18. 4. 2015, S. 62 (im Folgenden: SRM-VO). 476 So auch die Bezeichnung durch Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 586. 477 Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 586. Zum Hintergrund der europäischen Regulierung der Bankenrestrukturierung lesenswert Grieser/Mecklenburg-Guzmán/Schenk, in: Europäisches Bankaufsichtsrecht, S. 965, 969 ff. 475

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Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass die Krisenmerkmale des § 283 Abs. 2 StGB weder auf den Bankensektor im Allgemeinen, noch auf die Situation einer staatlichen Intervention zur Vermeidung einer regulären Insolvenz im Besonderen zugeschnitten sind. Wollte man § 283 StGB für zukünftige Bankenkrisen handhabbar machen, bestünde, anders als die auf § 283 Abs. 6 StGB fokussierte Diskussion im Nachgang der Finanzkrise vermuten lässt, auch insoweit ein nicht unerheblicher Anpassungsbedarf. Ob ein Rückgriff auf den in § 54a KWG verwendeten Begriff der Bestandsgefährdung eine probate Alternative darstellt, mag hier noch dahinstehen. Auf die Vorund Nachteile der Verwendung dieses Begriffs als tatbestandlichen Erfolg wird diese Untersuchung ebenso noch ausführlich zu sprechen kommen wie auf die Spannungen, die sich mit Blick auf das (Bankrott-)Strafrecht aus der Etablierung von Vorschriften ergeben, die für den Bankensektor Alternativen zum Gang in die reguläre Insolvenz bereithalten. cc) Flexibilität durch Fahrlässigkeitsvarianten Wie im Rahmen des § 266 StGB bereits dargelegt, ist es meist nicht möglich, den Bankverantwortlichen Vorsatz in Bezug auf eine Schädigung oder gar Existenzgefährdung der Bank nachzuweisen, sollte ein solcher überhaupt je vorliegen.478 Anders als § 266 StGB stellt § 283 StGB aber kein reines Vorsatzdelikt dar. § 283 Abs. 4 StGB und § 283 Abs. 5 StGB erlauben es vielmehr, vom Vorsatzerfordernis abzurücken. Hinsichtlich des Herbeiführens einer Krisensituation (§ 283 Abs. 2 StGB) formuliert § 283 Abs. 4 Nr. 2 StGB eine Vorsatz-Fahrlässigkeitsvariante und § 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB eine reine Fahrlässigkeitsvariante. Muss bei § 283 Abs. 4 Nr. 2 StGB das Tatverhalten vorsätzlich erfolgen und die Krisensituation leichtfertig verursacht werden, genügt es bei § 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB, dass die Bankrotthandlung fahrlässig vorgenommen und die Krisensituation leichtfertig verursacht wird. Die Beschränkung der Strafbarkeit auf ein leichtfertiges Herbeiführen der Krisensituation verhindert dabei eine zu weitgehende Beschränkung unternehmerischer Freiheit. Sie sorgt dafür, dass nur Fälle erfasst werden, in denen es der Sache nach um einen stark erhöhten Grad von Fahrlässigkeit im Hinblick auf den möglichen Eintritt des Taterfolges der Krise geht. Dass für § 54a Abs. 2 KWG hingegen einfache Fahrlässigkeit genügen soll, wird vor diesem Hintergrund noch kritisch zu hinterfragen sein. Auch wenn hinsichtlich der Herbeiführung des Taterfolgs Leichtfertigkeit genügt, muss für § 283 Abs. 4 Nr. 2 StGB dennoch Vorsatz bezüglich der Bankrotthandlung vorliegen. Umstritten ist dabei ähnlich wie im Rahmen des § 266 StGB479 insbesondere, ob für die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB hinsichtlich der normativen Merkmale wie des Verstoßes gegen die Grundsätze 478 479

s. o. S. 111 ff. Dazu näher oben S. 110 f.

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ordnungsgemäßen Wirtschaftens bereits die Kenntnis der diese Beurteilung tragenden Tatsachen ausreicht480 oder ob vielmehr erforderlich ist, dass der Täter diese Beurteilung nachvollzieht, das heißt die Maßstäbe für eine ordnungsgemäße Wirtschaft kennt und die Divergenz zwischen diesen und seinem Vorgehen erfasst.481 Muss man dabei vorsätzliches Verhalten in Bezug auf die Bankrotthandlung ablehnen, steht allerdings noch der Rückgriff auf § 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB als reine Fahrlässigkeitsvariante offen.482 Für sie genügt eine fahrlässige Bankrotthandlung gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB – nicht jedoch eine solche gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Die Fahrlässigkeit bezieht sich dann im Falle eines Spekulationsgeschäftes im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht auf das Spekulieren als solches, das stets vorsätzlich stattfindet; eine fahrlässige Begehung ist aber in der Weise möglich, dass der Täter bei im Übrigen vorsätzlich-finalem Handeln über ein Tatbestandsmerkmal irrt.483 Das kann – und dies ist vorliegend interessierend – das Erkennen bzw. Nichterkennen des Widerspruchs des Verhaltens zu den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft betreffen.484 Dies dürfte auch den wesentlichen Anwendungsbereich des § 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB ausmachen.485 In den Fällen des § 283 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 StGB reduziert sich der Strafrahmen im Höchstmaß auf zwei Jahre. Die Annahme eines für Kreditinstitute grundsätzlich einschlägigen besonders schweren Falles gemäß § 283a StGB486 scheidet dann allerdings aus, weil dieser sich lediglich auf die Absätze 1 bis 3 des § 283 StGB bezieht. Festzuhalten ist, dass durch die Fahrlässigkeitselemente in § 283 Abs. 4, Abs. 5 StGB im Rahmen des § 283 StGB eine flexiblere Deliktsstruktur gegeben ist als bei § 266 StGB und diese Flexibilität angesichts der – wenn auch nicht vorsätzlichen, so doch unter Umständen leichtfertigen – Verhaltensweisen im Vorfeld der Finanzkrise und im Rahmen künftiger Krisen durchaus sinnvoll erscheint. Dabei ist es insbesondere die Leichtfertigkeit in Bezug auf den Taterfolg, welche einer zu weitgehenden Pönalisierung unternehmerischen Misserfolgs angemessene Grenzen setzt.

480 So Fischer, § 283 Rn. 32; SSW-Bosch, § 283 Rn. 34; S/S-Heine/Schuster, § 283 Rn. 56 (jedenfalls bzgl. § 283 Abs. 1 Nr. 8). 481 So BGH NJW 1953, 1480, 1481 (zum ehemals einschlägigen § 240 Abs. 1 Ziff. 1 KO); BGH MDR 1981, 510, 511; LK-Tiedemann, § 283 Rn. 189; SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 110; MüKo-StGB-Radtke/Petermann, § 283 Rn. 73; Park-Sorgenfrei, § 283 Rn. 111. 482 Auf diese Möglichkeit verweisend auch BGH MDR 1981, 510, 511. 483 Vgl. LK-Tiedemann, § 283 Rn. 215, der richtigerweise betont, ein fahrlässiges Spekulieren sei schon begrifflich kaum vorstellbar und das Handlungsunrecht liege gerade in dem bewussten Eingehen eines hohen Risikos in der Hoffnung auf hohen Gewinn. 484 SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 118; MüKo-StGB-Radtke/Petermann, § 283 Rn. 77; Bittmann, in: ders., Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 305. 485 Vgl. LK-Tiedemann, § 283 Rn. 215. 486 Vgl. RegE BT-Drs. 7/3441 S. 37; Fischer, § 283a Rn. 3; NK-Kindhäuser, § 283a Rn. 5; S/S-Heine/Schuster, § 283a Rn. 5; LK-Tiedemann, § 283a Rn. 6.

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c) § 283 Abs. 6 StGB und staatliche Bankenrettungen – ein Problemfall Dass im Nachgang zur Finanzkrise Überlegungen in Bezug auf das Tatverhalten und den Taterfolg des § 283 StGB allenfalls in Ansätzen angestellt wurden, ist auf die Existenz des § 283 Abs. 6 StGB zurückzuführen. Er stellt für Geschäftsleiter von Banken, die im Krisenfall durch eine staatliche Intervention gerettet werden, in strafrechtlicher Hinsicht ein nicht zu rechtfertigendes, faktisches Privileg dar [aa)], das de lege lata einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 283 StGB im Falle einer staatlichen Bankenrettung entgegensteht [bb)]. aa) Staatliche Bankenrettung als faktisches Privileg für gewisse Bankverantwortliche Aufgrund des § 283 Abs. 6 StGB ist die Tat nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist. Als objektive Bedingung der Strafbarkeit487 führt § 283 Abs. 6 StGB dazu, dass diejenigen Fälle nicht erfasst werden können, in denen das Institut infolge einer finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln vor dem Eintritt einer dieser Situationen bewahrt wird. Die Rettung zahlreicher Institute im Zuge der vergangenen Finanzkrise bewirkte also, dass es für diese bzw. für deren Verantwortliche am Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 6 StGB fehlte.488 Ob eine „Einstandspflicht“ des Staates während der Finanzkrise tatsächlich bestand und ob eine solche heute noch besteht, kann an dieser Stelle ebenso dahinstehen wie die Antworten auf die Fragen, ob ein Unterlassen der Rettung damals vorzugswürdig gewesen wäre und ob eine Rettung in Zukunft stets unterbleiben sollte. Im Rahmen der Finanzkrise galt jedenfalls spätestens nach den Erfahrungen, die man mit der unterbliebenen Rettung von Lehman Brothers gemacht hatte, die Maxime, in ihrer Existenz gefährdete und als systemrelevant erachtete Banken im Zweifel mit öffentlichen Geldern zu retten statt eine weitere Destabilisierung des Finanzsystems zu riskieren. Damit erhielten die für unverzichtbar erachteten Banken ein staatlich finanziertes Sicherheitsnetz hinsichtlich ihrer Existenz – und die Banker ein ebensolches hinsichtlich einer ihnen sonst womöglich drohenden Strafbarkeit nach § 283 StGB. Die Finanzkrise hat also offengelegt, dass aus strafrechtlicher Sicht Verantwortliche von als systemrelevant erachteten Kreditinstituten gegenüber Verantwortlichen aus an487

RegE BT-Drs. 7/3441 S. 33. Allg. M., vgl. Fischer, vor § 283 Rn. 12; Lackner/Kühl, § 283 Rn. 26; BeckOK-StGB-Beukelmann, § 283 Rn. 31; MüKo-StGB-Radtke/Petermann, vor §§ 283 ff. Rn. 94 ff.; LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 89; S/S-Heine/Schuster, § 283 Rn. 59. 488 Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 100 f.; Kasiske, ZIS 2013, 257, 264; Kubiciel, ZIS 2013, 53, 57; Schröder, WM 2014, 100, 102; MG-Richter, § 76 Rn. 12; Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 63 f.

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deren Wirtschaftszweigen im Falle einer drohenden Insolvenz mittels staatlicher Rettungsmaßnahmen aus faktischen Gründen privilegiert werden.489 Mehr noch: Die Verantwortlichen von als systemrelevant erachteten Instituten werden im Falle einer staatlichen Bankenrettung auch gegenüber den Verantwortlichen solcher Institute privilegiert, denen keine Systemrelevanz zugesprochen wird. Nicht nur fehlt es an einem sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung in strafrechtlicher Hinsicht. Weitergehend muss sogar betont werden, dass mit zunehmender Bedeutung des Instituts für den Finanzmarkt auch die Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen wächst. Wenn aber ausgerechnet im Falle einer derartigen Bedeutung des Instituts und der damit verbundenen gesteigerten Verantwortung der Geschäftsleiter eine Strafbarkeit regelmäßig (auch) aufgrund des § 283 Abs. 6 StGB ausscheidet, ist dies ein nicht hinnehmbarer Widerspruch.490 Wenig verwunderlich zielen daher Bemühungen im Schrifttum darauf ab, den als hinderlich empfundenen § 283 Abs. 6 StGB zu umgehen. bb) § 283 Abs. 6 StGB als unüberwindbare Hürde de lege lata Naucke sieht die Wortlautgrenze des § 283 Abs. 6 StGB für Fälle, wie sie hier in Rede stehen, als „überspringbar“ an.491 Dabei sind seine Argumente teils staatsrechtlicher Natur, teils haben sie einen methodisch-teleologischen Ursprung. Soweit er ausführt, die staatliche Rettung großer Finanzinstitute sei außerhalb republikanischer Verfassungsregeln verlaufen492, ist dem zu Recht entgegengehalten worden, dass die Rettungsmaßnahmen nicht nur die Zustimmung des Bundestages gefunden haben, sondern aufgrund der Verhinderung des Zusammenbruchs des Finanzsystems wohl auch dem Allgemeinwohl und damit den Anforderungen einer republikanischen Demokratietheorie entsprochen haben dürften.493 Auch Nauckes methodisch-teleologische Argumentation, die Straffreistellung der Bankverantwortlichen entspreche nicht dem Schutzzweck des § 283 Abs. 6 StGB494, überzeugt nicht. Er führt an, dass § 283 Abs. 6 StGB eigentlich Unternehmer privilegieren solle, denen es durch wirtschaftliches Geschick gelungen sei, die Insolvenz abzuwenden, nicht aber Bankverantwortliche privilegieren solle, weil sie die Möglichkeit besäßen, über das Handeln staatlicher Stellen Straffreiheit zu erlangen. § 283 Abs. 6 StGB solle daher dann nicht zur Anwendung gelangen, wenn er zu einem dem Zweck des § 283 StGB widersprechenden Ergebnis, hier der 489

Vgl. Schröder, WM 2014, 100, 102. In diese Richtung auch Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 101; Kasiske, ZRP 2011, 137, 140; ders., ZIS 2013, 257, 264; MG-Richter, § 76 Rn. 13 („Gerechtigkeitslücke“); Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 63 („frappierende Ungleichheit“). 491 Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 64. 492 Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 66. 493 Kubiciel, ZIS 2013, 53, 58. 494 Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 64 f. 490

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Freistellung von Bankverantwortlichen, führe. Diese Argumentation geht fehl, denn über § 283 Abs. 6 StGB soll nicht der Unternehmer privilegiert werden, der den Eintritt der Merkmale des § 283 Abs. 6 StGB noch zu verhindern weiß, sondern es soll durch § 283 Abs. 6 StGB vielmehr vermieden werden, dass ein wirtschaftlich schwacher Unternehmer vor Eintritt der in § 283 Abs. 6 StGB verankerten Bedingung der Gefahr unterliegt, angezeigt und in ein Strafverfahren verwickelt zu werden, das möglicherweise erst die wahre Ursache für den wirtschaftlichen Ruin wäre.495 Unter Ablehnung Nauckes Argumentation heißt es, im Fall geretteter Banken werde diese Zweckrichtung nicht offenkundig verfehlt, so dass kein Anlass für eine teleologische Reduktion des § 283 Abs. 6 StGB bestehe.496 Zu bedenken ist allerdings, dass im Falle staatlicher Rettungsmaßnahmen strafrechtliche Ermittlungen nicht dazu führen, dass das Unternehmen endgültig seine Zahlungen einstellt, über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wird, denn die Rettungsmaßnahmen zielen gerade darauf ab, den Eintritt dieser Situationen zu vermeiden. Schließlich noch wird für eine Ausschaltung des § 283 Abs. 6 StGB angeführt, dass die Berufung auf ihn zweifelhaft sei angesichts eines als selbstverständlich angenommenen Zusammenwirkens von Personen in politisch machtvollen Geldorganisationen und finanziell abhängiger Politik, eines Zusammenwirkens, das eine verfassungsrechtliche Grundlage nicht vorweisen könne und als Folge § 283 Abs. 1–5 StGB lahmlege.497 Gegen die Annahme einer unzulässigen politischen Einflussnahme mag in Bezug auf die Finanzkrise allerdings vorgebracht werden, dass es kein bewusstes und zielgerichtetes Erpressen der Politik durch die Banken war, das zum Ergreifen der Rettungsmaßnahmen führte498, sondern dass es im Ergebnis schlicht die Bedeutung einiger Banken für den Finanzmarkt war, welche die Politik zu ihren Rettungsmaßnahmen veranlasste.499 Soweit Naucke hieran anknüpfend das Modell einer „politischen Wirtschaftsstraftat“ skizziert, läge einer solchen jedenfalls kein Verhalten zugrunde, das seinem Inhalt und seinem Unrechtsgehalt nach über das klassische Bankrottstrafrecht abgebildet werden könnte. Festzuhalten bleibt, dass die Wortlautgrenze des § 283 Abs. 6 StGB mit Blick auf die vergangene Finanzkrise und auch in Bezug auf zukünftige Krisen keineswegs schlicht „überspringbar“ ist. Da mit einer Bankenrettung durch außerordentliche 495 RegE BT-Drs. 7/3441 S. 33; Fischer, vor § 283 Rn. 4, NK-Kindhäuser, vor §§ 283 ff. Rn. 102; LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 87. Zutreffend insofern die Kritik an Naucke durch Kubiciel, ZIS 2013, 53, 58, der den Gratifikationsgedanken für Unternehmer verwirft und auf die mit § 283 Abs. 6 StGB verfolgte utilitaristische Erwägung der Vermeidung potenziell existenzbedrohender Strafverfahren abstellt. 496 Kubiciel, ZIS 2013, 53, 58. 497 Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 66. Er erblickt hierin „das eigentlich Strafwürdige“, lenkt den Blick auf die Kategorie eines politischen Delikts und betrachtet die „Wirtschaft“ dabei lediglich als Tatmittel. 498 s. aber Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 71 f. 499 Vgl. Kubiciel, ZIS 2013, 53, 58.

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finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln aber ein sachlich nicht zu rechtfertigendes Privileg verbunden ist, wurde von anderer Seite vorgeschlagen, § 283 Abs. 6 StGB zu modifizieren. So schlug Schünemann unter den Eindrücken der Finanzkrise unter anderem vor, § 283 Abs. 6 StGB um die Variante zu ergänzen, dass es allein deshalb nicht zum Insolvenzverfahren komme, weil dieses durch eine staatliche Intervention verhindert werde.500 Vergleichbare Formulierungen fanden sich im parallel zu § 54a KWG entwickelten § 142 Abs. 1 Nr. 2 VAG a.F. und finden sich im österreichischen § 159 Abs. 3 StGB.501 Sie zielen dabei jedoch nicht auf Merkmale ähnlich derjenigen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit des § 283 Abs. 6 StGB ab, sondern setzen früher an. Sie stellen darauf ab, dass eine wirtschaftliche Krise zwar nicht eingetreten ist, ohne den Einsatz öffentlicher Mittel aber eingetreten wäre. Sie betreffen, möchte man insoweit eine Parallele ziehen, eher § 283 Abs. 2 StGB und weniger § 283 Abs. 6 StGB. Klargestellt sei an dieser Stelle, dass mit einer solchen Modifizierung des § 283 Abs. 6 StGB keine Erweiterung strafwürdigen Verhaltens verbunden wäre. Denn § 283 Abs. 6 StGB liegt außerhalb des Unrechtstatbestandes und wirkt, da der Strafgesetzgeber bereits die bloße Bankrotthandlung pönalisieren könnte, strafbarkeitseinschränkend.502 Auf eine mögliche Anpassung des § 283 Abs. 6 StGB soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Nicht nur ist der hierauf abzielende Vorschlag von Schünemann offensichtlich versandet. Er hätte sich auch angesichts der bereits in Bezug auf das Vorliegen der Krisenmerkmale gemachten Ausführungen503 wohl als unzureichend erwiesen. Gewichtiger als das aber ist noch, dass sich die Vorzeichen der Bankenregulierung und insbesondere der Bankenrestrukturierung seit Ausbruch der Finanzkrise grundlegend verändert haben. Dies darf und soll hier nicht unbe500

Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 101. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 184 erachtet dies als „die einfachste Lösung“. 501 § 142 Abs. 1 VAG in der Fassung vom 7. August 2013 (zur Entwicklung oben Fn. 2) lautete: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 64a Absatz 7 nicht dafür Sorge trägt, dass ein Unternehmen über eine dort genannte Strategie, einen dort genannten Prozess, ein dort genanntes Verfahren, eine dort genannte Funktion oder ein dort genanntes Konzept verfügt und dadurch 1. die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Unternehmens herbeiführt oder 2. herbeiführt, dass die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung nur durch die Inanspruchnahme staatlicher Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union abgewendet wird.“ § 159 Abs. 3 des österreichischen StGB lautet: „Ebenso ist zu bestrafen, wer grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) seine wirtschaftliche Lage durch kridaträchtiges Handeln (Abs. 5) derart beeinträchtigt, dass Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht von einer oder mehreren Gebietskörperschaften ohne Verpflichtung hierzu unmittelbar oder mittelbar Zuwendungen erbracht, vergleichbare Maßnahmen getroffen oder Zuwendungen oder vergleichbare Maßnahmen anderer veranlasst worden wären.“ 502 Vgl. LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 87, 89; mit Bezug zur Finanzkrise auch Naucke, Politische Wirtschaftsstraftat, S. 64. 503 s. o. S. 138 ff.

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rücksichtigt bleiben. Selbst wenn eine implizite Staatsgarantie für einen Teil der Banken auch heute noch bestehen sollte, so wurden doch zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um eine solche zumindest einzudämmen. Auf die Frage, ob sich aus ihnen Konsequenzen für eine mögliche Anpassung des § 283 StGB ergeben, soll nur dann eingegangen werden, wenn sich nicht § 54a KWG schon als sachgerechte Lösung dieses Problems erweisen sollte. Denn geht es im Kern darum, dass die Systemrelevanz einer Bank für deren Verantwortliche kein Privileg in strafrechtlicher Hinsicht bedeuten soll, so findet sich genau dieser Aspekt in der amtlichen Begründung zu § 54a KWG wieder, wenn es dort heißt, dass durch die Anknüpfung an den Begriff der Bestandsgefährdung sichergestellt werde, dass Geschäftsleiter nicht strafrechtlich von staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen zugunsten des Instituts bzw. Unternehmens profitieren.504 Ob dies durch Schaffung des § 54a KWG tatsächlich gelungen ist, muss sich in Kapitel 2 der Untersuchung zeigen. d) Zwischenergebnis § 283 StGB steht seinem Schutzzweck nach § 54a KWG deutlich näher als § 266 StGB. Er erlaubt es, auch das Herbeiführen von Gefahren für Schutzgüter wie die Kreditwirtschaft und die Gesamtwirtschaft dem Unrechtsgehalt nach zu erfassen. Selbst eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems könnte im Rahmen der Strafzumessung gegebenenfalls Berücksichtigung finden. Hinsichtlich des Tatverhaltens erweist sich § 283 StGB als flexibel auch hinsichtlich komplexer Finanzgeschäfte. Zudem stellt er anders als § 266 StGB kein reines Vorsatzdelikt dar. Er hält bezüglich § 283 Abs. 2 StGB, das heißt hinsichtlich des Herbeiführens einer Krisensituation, eine Vorsatz-Fahrlässigkeits- und eine reine Fahrlässigkeitsvariante bereit und ist auch insoweit deutlich flexibler ausgestaltet als § 266 StGB. Im Falle einer Bankenrettung durch finanzielle Hilfen von staatlicher Seite indes scheidet eine Strafbarkeit gemäß § 283 StGB aus. Nicht nur ist dann bereits das Vorliegen der für die Tatbestandserfüllung notwendigen Krisensituation äußerst fraglich. Es fehlt vor allem am Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 6 StGB, die in derartigen Fällen de lege lata ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Die derzeit mit Blick auf § 283 StGB bestehende und in der vergangenen Finanzkrise zum Tragen gekommene Privilegierung der Verantwortlichen als systemrelevant erachteter Banken ist sachlich nicht gerechtfertigt. Um beurteilen zu können, ob § 283 StGB im Falle künftiger Bankenkrisen in gegebenenfalls modifizierter Fassung eine Rolle spielen kann, muss auch auf die Veränderungen im Bereich der Bankenrestrukturierung eingegangen werden. Dort wurden in den letzten Jahren zahlreiche Regelungen mit dem Ziel getroffen, Alternativen zum Gang in eine reguläre Insolvenz zu schaffen und implizite Staatsgarantien sowie systemgefährdende Ansteckungseffekte nach Möglichkeit zu vermeiden. Auf die Frage einer Modifikation des § 283 StGB soll aber erst dann eingegangen werden, wenn 504

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29.

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sich herausstellt, dass § 54a KWG das bestehende faktische Privileg nicht zu beseitigen vermag. 3. Anzeigepflichtverletzung, § 55 KWG Eine strafrechtliche Verantwortung der Geschäftsleiter von Kreditinstituten besteht nach § 55 KWG i.V.m. § 46b Abs. 1 S. 1 KWG im Falle des Unterlassens der Anzeige, dass das Institut zahlungsunfähig oder überschuldet ist.505 Strafrechtlich geahndet werden kann neben vorsätzlichem auch fahrlässiges Verhalten, § 55 Abs. 2 KWG. Die Anzeigepflicht der Insolvenzreife gegenüber der BaFin ist Konsequenz des Umstandes, dass die Institute den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht selbst stellen können, sondern dies alleine der BaFin obliegt, § 46b Abs. 1 S. 4 KWG. Eine strafbewehrte Antragspflicht nach § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 S. 1 InsO besteht insoweit nicht.506 Dass im Zusammenhang mit der vergangenen Krise eine Strafbarkeit nach § 55 KWG i.V.m. § 46b Abs. 1 S. 1 KWG in keinem Fall in Rede stand, mag insbesondere darin begründet liegen, dass krisenbedingt eine enge Abstimmung zwischen der einzelnen Bank und der BaFin gegeben war und somit selbst im Falle einer Überschuldung von einer fristgemäßen Inkenntnissetzung der BaFin ausgegangen werden darf.507 Überdies ist, wie im Rahmen der Untersuchung des § 283 StGB bereits erläutert, schon zweifelhaft, ob überhaupt eine Überschuldung gegeben sein kann, wenn im Krisenfall ein staatliches Einschreiten wahrscheinlich ist oder auch nur möglich erscheint.508 Abgesehen davon stellt § 55 KWG einen der Zielsetzung nach von § 54a KWG grundverschiedenen Tatbestand dar. Er hat keinen verhaltenserzwingenden Charakter hinsichtlich der Vermeidung einer finanziellen Schieflage und knüpft auch nicht an das Risikomanagement an. Die Strafbewehrung zielt vielmehr auf das schuldhafte Nichtanzeigen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ab. Als Rechtsgut der Strafnorm wird daher die Effektivität des auf ein mögliches Insolvenzverfahren hinwirkenden Verwaltungsverfahrens509 ebenso genannt wie die Wirksamkeit der materiellen Staatsaufsicht über das Kreditwesen in Gestalt des sich an eine Anzeige anschließenden Prüfungsverfahrens durch die Bundesanstalt510. 505 Ob der Tatbestand auch bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit greift, wird kontrovers diskutiert. Bejahend Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 55 KWG Rn. 7; ebenso Schwennicke/ Auerbach-Haß/Herweg, KWG, § 46b Rn. 10; unklar B/F/S-Lindemann, KWG, § 55 Rn. 2; ohne nähere Differenzierungen nur auf das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abstellend MüKo-StGB-Janssen, § 55 KWG Rn. 12. 506 Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 55 KWG Rn. 15. 507 Rönnau, in: Die sog. Finanzkrise, S. 43, 61. 508 Dazu oben S. 140 f. 509 B/F/S-Lindemann, KWG, § 55 Rn. 2. 510 Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 55 KWG Rn. 1.

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Bündig gesprochen geht es um die Sicherstellung des Prüfungsverfahrens für die Stellung eines Insolvenzantrages durch die BaFin.511 Allenfalls reflexartig schützt § 55 KWG auch einzelne Vermögensinteressen, die Kreditwirtschaft oder gar die Gesamtwirtschaft. 4. Bilanzdelikte In den die Finanzkrise betreffenden Strafprozessen waren neben der Untreue oftmals Bilanzdelikte Gegenstand der Anklage.512 Hieran anknüpfend heißt es teilweise, die Staatsanwaltschaft habe in den Bilanzdelikten einen Auffangtatbestand für den Fall des Scheiterns der Untreue entdeckt.513 Die Bezeichnung als Auffangtatbestand kann dabei nur untechnisch gemeint sein, denn mit der Heranziehung der Bilanzdelikte geht im Vergleich zur Untreue eine deutliche Verschiebung sowohl hinsichtlich des Tatverhaltens als auch hinsichtlich der Schutzrichtung einher. Was das Tatverhalten betrifft, knüpft das Bilanzstrafrecht weder an die Geschäftstätigkeit, noch an das Risikomanagement an. Es geht vielmehr um die richtige Darstellung der Unternehmenslage (vgl. § 331 HGB (ggf. i.V.m. § 340 m HGB), § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Was den Schutzzweck betrifft unterscheiden sich die Bilanzdelikte deutlich von den bereits erörterten Tatbeständen und auch von § 54a KWG, denn sie zielen im Wesentlichen auf den Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Information über die Vermögensverhältnisse der (Kapital-)Gesellschaft bzw. des Konzerns ab514. Um Vermögensschäden oder gar eine Bestandsgefahr geht es nicht. Damit erspart man sich zwar den Nachweis eines Vermögensschadens, einer Existenz- oder Bestandsgefahr und mögliche Beweisprobleme hinsichtlich ihrer Ursachen.515 Aber man erfasst eben auch nicht den mit der Herbeiführung einer Bestandsgefahr verbundenen Unwert – ganz zu schweigen von der Erfassung des Herbeiführens einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems. Abgesehen von diesem engen Schutzzweck der Bilanzdelikte werfen auch sie angesichts nicht unerheblicher Spielräume und immer wieder vorhandener Unklarheiten über die genaue Bilanzierungspflicht516 mannigfaltige Nachweisschwie511 512 513

HGB. 514

MüKo-StGB-Janssen, § 55 KWG Rn. 4. Exemplarisch zu einzelnen Verfahren oben S. 73 ff. Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 90 bezüglich § 331

Vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 29 Rn. 3; A/R/R-Ransiek, VIII 1 Rn. 28. Vgl. Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 90. 516 Problematisch war bezüglich der vergangenen Finanzkrise vor allem, ob die fehlende Konsolidierung im Ausland betriebener Zweckgesellschaften vor der Änderung des § 290 HGB durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25. 3. 2009, BGBl. I, S. 1102 ff. die Bilanz unrichtig machte und ob dies nach strafrechtlichen Kriterien auch als „evident“ unrichtig anzusehen ist. Vgl. exemplarisch OLG Düsseldorf AG 2011, 31, 32 f. unter Ablehnung einer Unrichtigkeit gem. § 331 Nr. 1a HGB im Geschäftsbericht 2006/07 einer AG, welche Zweckgesellschaften nicht konsolidiert hatte. Eine entsprechende Unrichtigkeit für Altfälle 515

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rigkeiten auf, die ihre Anwendung mit zunehmender Komplexität und zunehmendem Umfang der Sachverhalte deutlich erschweren. An dieser Stelle seien die hochkomplexen, weitgehend intransparenten Finanzkonstrukte in Erinnerung gerufen, die zur Entstehung der Finanzkrise beitrugen. Den Wert und die Sicherheit der gehandelten ABS-Papiere auch nur annähernd sicher zu bestimmen, fiel angesichts des Poolings und der fortlaufenden Tranchierung und Umstrukturierung deutlich schwerer, als es die Ratings vermuten ließen und es schon die Bewertung einzelner Kreditforderungen ist.517 Bewertungsschwierigkeiten sind dabei strafrechtlich zugunsten des Schuldners aufzulösen – vertretbare Bewertungsansätze im Jahresabschluss etwa müssen akzeptiert werden.518 Für Bilanzdelikte wie § 331 HGB kommen daher nur eindeutige Fälle unrichtiger Bewertungen oder das gänzliche Verschweigen von Risiken in Betracht.519 Solche Fälle aber sind für die Finanzkrise nicht festgestellt und auch in Zukunft kaum zu erwarten. Zudem dürften den Strafverfolgungsbehörden oftmals ausreichende Ressourcen und Mittel fehlen, die tatsächlich und rechtlich schwierigen Sachverhalte aufzuklären und sich den komplexen bilanzrechtlichen Fragestellungen zu widmen.520 5. Zwischenergebnis Die in den Gesetzesmaterialien zu § 54a KWG aufgestellte und nicht näher begründete Behauptung, die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts würden in Schutzzweck und strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen als § 54a KWG und Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzem auf dem Spiel steht, seien nicht strafbewehrt521, trifft im Wesentlichen zu. Eine Anknüpfung an Verfehlungen im Bereich des Risikomanagements spielte lediglich im Rahmen der Untersuchung des § 266 StGB eine Rolle. Vor allem mit Blick auf die Kausalität von Verfehlungen im Risikomanagement für einen Vermögensnachteil, aber auch mit Blick auf den Charakter des § 266 StGB als rein vermögensschützendes Delikt sind der Heranziehung von Risikomanagementvorebenfalls ablehnend Ransiek, WM 2010, 869, 870; Waßmer, ZIS 2011, 648, 649; Rönnau, in: Die sog. Finanzkrise, S. 43, 54. A.A. Gallandi, wistra 2009, 41, 45. Ausführlich zu außerbilanziellen Geschäften über Zweckgesellschaften und damit verbundenen strafrechtlichen Risiken Becker/Endert, ZGR 2012, 699 ff. Inzwischen wurde § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB n.F. eingeführt. Danach wird ein beherrschender Einfluss eines Mutterunternehmens auch dann angenommen, „wenn das Mutterunternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (Zweckgesellschaft)“. 517 Zu diesen Schwierigkeiten Ransiek, WM 2010, 869, 871 f. 518 Vgl. A/R/R-Ransiek, VIII 1 Rn. 13. 519 Ransiek, WM 2010, 869, 872. 520 Vgl. Rönnau, in: Die sog. Finanzkrise, S. 43, 56. 521 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2.

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schriften im Rahmen der Untreue deutliche Grenzen gesetzt. Verfehlungen im Bereich des Risikomanagements stellten daher bislang keinen vielversprechenden Anknüpfungspunkt für eine strafrechtliche Verantwortung dar. Unabhängig davon erscheinen ganz allgemein der Nachweis eines bezifferbaren Vermögensnachteils und der Nachweis vorsätzlichen Handelns fast ausgeschlossen angesichts der hochkomplexen Sachverhalte, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise auftraten. Eine Reduktion der Komplexität der Finanzmärkte ist für die Zukunft nicht zu erwarten. Was die Schutzrichtung der untersuchten Tatbestände anbelangt, hat sich gezeigt, dass oftmals nur der Schutz individueller Vermögensinteressen erfasst ist (etwa bei Untreue und Betrug) oder aber gegenüber § 54a KWG gänzlich andere Schutzrichtungen verfolgt werden (etwa durch die Bilanzstraftaten und durch § 55 KWG). Die Strafnorm, die ihrem Schutzzweck nach am nächsten an die Vorstellung des Gesetzgebers heranreicht, die dieser bei Schaffung des § 54a KWG hatte, ist § 283 StGB. Er läuft indes vor allem wegen seines Absatzes 6 jedenfalls im Falle staatlicher Rettungsmaßnahmen leer. Neben die alle Tatbestände durchziehende Schwierigkeit, die komplexen Sachverhalte mit den vorhandenen Ressourcen der Justiz zu ermitteln und rechtlich zu bewerten, treten vielfach Nachweisschwierigkeiten. Diese sind naturgemäß dort besonders stark ausgeprägt, wo die in Rede stehenden Tatbestände (etwa § 266 StGB) als vorsätzliche Erfolgsdelikte ausgestaltet sind. Diese recht ernüchternde Bilanz führt zur Frage, ob nicht angesichts der inzwischen gegebenen Komplexität der Finanzbranche und ihrer Produkte die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Strafrechts erreicht sind und der Strafgesetzgeber ebenso wie die Strafjustiz dies hinzunehmen haben.

II. Kapitulation des Strafrechts vor der Komplexität der Finanzbranche? Die Versuche, die Finanzkrise strafrechtlich aufzuarbeiten, zeigen symptomatisch ein gewichtiges Problem des Wirtschaftsstrafrechts: Den Umgang mit äußert komplexen Sachverhalten.522 Diese bedeuten für Strafgesetzgeber, Strafjustiz aber auch Strafrechtswissenschaft eine erhebliche Herausforderung. Die Komplexität betrifft zum einen die Qualität der Sachverhalte.523 Der vielschichtige, nur schwer zu 522

Zur Zunahme von Komplexität in vielen Lebensbereichen und dem Bedürfnis von Juristen, sich diese mithilfe von Sachverständigen zu erschließen, Hefendehl, wistra 2012, 325, 326. Ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen zur gesteigerten Komplexität wirtschaftsstrafrechtlicher Sachverhalte Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 11 ff. 523 Zur steigenden Komplexität der Finanzmärkte Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1083. Hassemer, wistra 2009, 169, 170 sieht derzeit nicht viele Gegenstandsbereiche rechtlicher Regelung, die es in ihrer Komplexität mit „der Wirtschaft“ aufnehmen können. Die Komplexität des Finanzsystems relativierend indes Fischer, ZStW 123 (2011), 816, 819, der nicht glaubt, dass das Finanzsystem sich in seiner Komplexität, Intelligenz oder Plausibilität

B. Etwaige Lückenhaftigkeit des geltenden Strafrechts

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durchschauende Handel mit verbrieften Forderungen im Vorfeld der Finanzkrise ist hierfür ein eindrückliches Beispiel. Selbst professionelle Marktteilnehmer waren offensichtlich nicht mehr in der Lage, die getätigten Geschäfte und die mit ihnen verbundenen Risiken in ausreichendem Maße zu überblicken.524 Die Komplexität betrifft aber auch die Quantität der Sachverhalte. Besonders die Strafjustiz hat mit ihr zu kämpfen. Mehr als 50 (angesetzte) Verhandlungstage waren bei Strafverfahren im Nachgang der Finanzkrise keine Seltenheit. Das Urteil gegen den ehemaligen IKBVorstandsvorsitzenden Stefan Ortseifen erstreckt sich, obschon der Vorwurf der Untreue wegen des Engagements im ABS-Geschäft gar nicht erst Gegenstand der Anklage war, über rund 70 Seiten525, das freisprechende Urteil im Verfahren HSHNordbank umfasst rund 220 Seiten526. Die Anklage im Verfahren Hypo Real Estate ist auch ohne Untreuevorwurf beinahe 500 Seiten stark geworden.527 Vielfach wird beklagt, die Justiz könne diesen Anforderungen nicht in ausreichendem Maße gerecht werden.528 In der Tat sind die verbreitete Personalknappheit und die oft fehlende fachspezifische Ausbildung529, aber auch die teils hohe Fluktuation in wirtschaftsstrafrechtlichen Abteilungen der Staatsanwaltschaften sowie in Wirtschaftsstrafkammern Umstände, die besonders bei den in Rede stehenden komplexen und langwierigen Wirtschaftsprozessen überaus misslich sind. Unweigerlich taucht daher die Frage auf, ob das Strafrecht und mit ihm auch die Strafjustiz vor der Komplexität der Finanzmärkte kapitulieren darf. Ungeachtet aller Schwierigkeiten, welche die strafrechtliche Behandlung derart komplexer Sachverhalte bereiten mag: Auch für deren Behandlung gelten das Legalitätsprinzip und der Amtsermittlungsgrundsatz. Die hohe Komplexität vermag eine Vernachlässigung der strafprozessrechtlichen Maximen nicht zu rechtfertigen. von irgendeinem anderen der Leitsysteme unserer Zivilisation substantiell abhebe. Selbst falls Fischers Auffassung zutreffen sollte, ist zu bedenken, dass nicht jedes Leitsystem unserer Zivilisation zugleich auch Gegenstand (straf-)rechtlicher Beurteilung ist. 524 Zweifelsohne kann die Komplexität von Finanzgeschäften einen Nährboden für kriminelles Verhalten darstellen. „Beunruhigend“ an der vergangenen Finanzkrise ist nach zutreffender Ansicht von Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1141, dass nicht nur Privatanleger, sondern in erheblichem Umfang auch professionelle Marktteilnehmer gewissermaßen Opfer der Komplexität wurden. 525 LG Düsseldorf, Urt. v. 14. Juli 2010 – 14 KLs 6/09, 14 KLs – 130 Js 54/07 – 6/09 –, juris. 526 LG Hamburg, Urt. v. 09. Juli 2014 – 608 KLs 12/11, 608 KLs 12/11 – 5550 Js 4/09 –, juris. 527 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/anklage-gegen-exbanker-anleger-hinters-licht-gefuehrt/10771008.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 528 Mangelnde justizielle Ressourcen beklagt Jahn, JZ 2011, 340, 345 f. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1805, bemängelt vor allem eine fehlende Kompetenz der Strafgerichte im Gesellschaftsund Bankrecht sowie eine mangelnde Abstimmung mit den entsprechenden Zivilsenaten. ParkPark/Sorgenfrei, Teil 1 Einleitung Rn. 25, sehen die Strafverfolger angesichts der Komplexität der Finanzprodukte und der Marktmechanismen vor kaum lösbaren Aufgaben, selbst wenn etwa durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften versucht werde, Expertise zu konzentrieren. 529 s. etwa die berechtigte Kritik bei Schünemann, wistra 2015, 161, 163.

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Kap. 1: Regelungshintergrund des § 54a KWG

Die Justiz muss sich auf die Machtprobe mit den Finanzmärkten und deren Akteuren einlassen. Dabei muss es ihr auch darum gehen, den Verdacht zu entkräften, dass ihre Mittel und Möglichkeiten in dem Maß abnehmen, in dem mehr Nullen an einer Schadenssumme hängen.530 Der Gesetzgeber seinerseits muss, freilich unterstützt durch die Wissenschaft531, über alternative Regelungskonzepte nachdenken im Bewusstsein der Schwierigkeit, mittels der Dichotomie schuldig/unschuldig die Komplexität wirtschafts- und hier interessierend bankrechtlicher Sachverhalte sachund praxisgerecht zu erfassen. Die Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise mit den Mitteln des Strafrechts und die Frage, ob das Strafrecht zur Verhinderung ähnlich verhängnisvoller Entwicklungen in der Zukunft einen Beitrag leisten kann, kann man als komplexeste Fragestellung bezeichnen, die jemals an das Wirtschaftsstrafrecht herangetragen worden ist.532 Der Strafgesetzgeber hat auf diese Herausforderung unter anderem in Form des § 54a KWG geantwortet. Ob diese Antwort gelungen ist, soll Kapitel 2 dieser Arbeit klären.

C. Zwischenergebnis Die vergangene Finanzkrise hat das Weltfinanzsystem in seinen Grundfesten erschüttert. Staatliche Rettungsmaßnahmen bislang ungekannten Ausmaßes wurden ergriffen, um in Existenzgefahr geratene Banken und Versicherungen zu stabilisieren. Die Kosten dieser beispiellosen, milliardenschweren Rettungsbemühungen sind bis heute nicht konkret bezifferbar. Die Ursachen, die zu dieser Situation führten, sind vielschichtig. Neben zweifellos gegebenen systemischen Einflüssen ist die vergangene Finanzkrise jedenfalls auch das Ergebnis individuellen (Fehl-)Verhaltens. Die Aufarbeitung der Finanzkrise durch die deutsche Strafjustiz wurde und wird teilweise noch mit großem Aufwand betrieben. Zählbare Ergebnisse blieben indes aus. Der in der Öffentlichkeit vielfach formulierte Ruf nach strafrechtlicher Verantwortung verhallte. Die Gemengelage aus individuellem Handeln und systemischen Einflüssen sowie die Komplexität der Sachverhalte und die Berücksichtigung, dass unternehmerisches Handeln stets mit der Eingehung von Risiken verbunden ist, bereiten dem Strafrecht ersichtlich Schwierigkeiten. Der deutsche Strafgesetzgeber hat letztlich den Schluss gezogen, dass das geltende Strafrecht lückenhaft sei. Ihm ist zuzustimmen in der Einschätzung, dass die bisher vorhan530 So die Formulierung in einem Kommentar von Prantl, http://www.sueddeutsche.de/wirt schaft/die-justiz-und-die-finanzkrise-straftat-geldverbrennung-1.376044 (zul. abg. 30. 11. 2016). 531 s. aus jüngerer Zeit etwa Schünemann, wistra 2015, 161 ff., der die teilweise behauptete qualitative Dysfunktionalität des Wirtschaftsstrafrechts verneint und für die seiner Auffassung nach seit Jahren unbewältigte quantitative Überforderung des Wirtschaftsstafverfahrens die unternehmensinternen Ermittlungen als neues Aufklärungsparadigma zur Diskussion stellt. 532 So Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 72.

C. Zwischenergebnis

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denen Straftatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts in ihrem Schutzzweck und dem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen, als sie der neu geschaffene § 54a KWG setzen soll. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass die hieraus gezogene Konsequenz in Form der Schaffung des § 54a KWG zu begrüßen wäre. Dies muss das folgende Kapitel zeigen.

Kapitel 2

Untersuchung des § 54a KWG Zunächst wird ein Überblick über das zu § 54a KWG führende Gesetzgebungsverfahren [A.] und den mit der neuen Strafnorm intendierten Rechtsgüterschutz [B.] gegeben. Sodann gilt es, den Tatbestand des § 54a KWG eingehend zu untersuchen [C.]. Diese Untersuchung bildet den Kern von Kapitel 2. Erst danach kann beurteilt werden, inwieweit § 54a KWG seinem Tatbestand nach geeignet ist, den intendierten Rechtsgüterschutz zu verwirklichen [D.]. Anschließend werden die für den Fall eines tatbestandsmäßigen Verhaltens normierten Rechtsfolgen betrachtet [E.] sowie Fragen der Teilnahme [F.] und das Verhältnis des § 54a KWG zu den §§ 266, 283 StGB [G.] geklärt. Ein besonderes Augenmerk wird in der Folge auf die zu erwartende Praxisrelevanz des § 54a KWG und die Frage gelegt, ob § 54a KWG in repressiver und/oder präventiver Hinsicht Wirkung entfalten kann oder ob es sich bei ihm um einen Fall symbolischen Strafrechts handelt [H.]. Nach kritischen Schlussbetrachtungen [I.] erfolgt eine Zusammenfassung der bezüglich § 54a KWG in Kapitel 2 gewonnenen Erkenntnisse [J.].

A. Gesetzgebungsverfahren § 54a KWG wurde mit Wirkung zum 2. 1. 2014 durch Artikel 3 des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen geschaffen.1 Das gemeinhin und auch im Folgenden als Trennbankengesetz bezeichnete Gesetz ist eine der zahlreichen Reaktionen auf die Finanzmarktkrise. Inhaltlich kann es in drei Abschnitte unterteilt werden2: Artikel 1 betrifft die Sanierung und Abwicklung von Banken. Der namensgebende Artikel 2 enthält Vorschriften zur Einführung eines zumindest teilweisen Trennbankensystems. Artikel 3 beinhaltet die Einführung des § 54a KWG. Artikel 4 führte eine weitgehend parallele Strafnorm im Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) ein3 und kann daher mit Artikel 3 inhaltlich zusammengefasst werden. 1

Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7. August 2013, BGBl. I S. 3090 ff. 2 Baumann, GWR 2013, 307, 307; Brandi/Gieseler, DB 2013, 741, 741; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 201. 3 Die inzwischen jedoch wieder weggefallen ist, s. o. Kap. 1 Fn. 2.

B. Intendierter Rechtsgüterschutz

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Das Trennbankengesetz und damit auch § 54a KWG gehen zurück auf einen Entwurf der damaligen Bundesregierung vom 4. 3. 2013.4 Der Bundesrat begrüßte in seiner Stellungnahme die mit dem Entwurf verbundene Intention, die Widerstandsfähigkeit des Finanz- und insbesondere des Bankensektors gegen künftige Krisensituationen weiter stärken zu wollen5, äußerte sich zum geplanten Straftatbestand des § 54a KWG aber nicht. Auch der bezüglich § 54a KWG betriebene, im Vergleich zu den ersten beiden Artikeln des Trennbankengesetzes eher geringe Begründungsaufwand der Bundesregierung lässt vermuten, dass der Einführung der Strafvorschrift zunächst wenig Beachtung geschenkt wurde. In der Folge nahm sich ihrer allerdings der Finanzausschuss des Bundestages an. Er machte in seiner Beschlussempfehlung einige Änderungsvorschläge hinsichtlich der geplanten Strafvorschrift und ihrer Bezugsnormen.6 Die Änderungsvorschläge betrafen im Wesentlichen die Umschreibung des Tatverhaltens und die Einfügung eines dritten Absatzes in § 54a KWG. Unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses stimmte der Bundestag am 17. 5. 2013 dem Gesetzentwurf zu.7 Der Bundesrat verzichtete auf die Einberufung eines Vermittlungsausschusses8 und das Trennbankengesetz wurde am 7. 8. 2013 ausgefertigt.9 Das Gesetzgebungsverfahren wurde somit zügig durchgeführt. § 54a KWG trat am 2. 1. 2014 und damit noch vor Ablauf eines Jahres seit Beginn des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft.

B. Intendierter Rechtsgüterschutz In der Gesetzesbegründung zu § 54a KWG heißt es, die Wahrung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements durch aufsichts- und strafrechtliche Regelungen diene nicht nur der Sicherung der angetrauten Vermögenswerte und der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen, sondern auch der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft durch Missstände im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen.10 Der Gesetzgeber verfolgt mit § 54a KWG also sowohl den Schutz individueller Interessen (Sicherung der angetrauten Vermögenswerte), als auch den Schutz kollektiver Interessen (ordnungsgemäße Durchführung der Bank- und Finanzdienstleistungen, Stabilität des Finanzsystems, Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft). 4 RegE BT-Drs. 17/12601, Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen. 5 BR-Drs. 94/13 (B) S. 1. 6 BT-Drs. 17/13523 S. 33 ff. 7 BT-Plenarprotokoll 17/241 v. 17. 5. 2013, S. 30549. 8 s. BR-Drs. 378/13 (B). 9 BGBl. 2013 I S. 3090 ff. 10 Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 28, 44.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Die angegebene Zielrichtung ist damit im Wesentlichen deckungsgleich mit den allgemeinen Zielen der Bankenaufsicht, wie sie etwa in § 6 Abs. 2 KWG formuliert sind. Danach hat die Bundesanstalt Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können. Hinzugefügt wurde für die Begründung der Schaffung des § 54a KWG allein das Ziel des Schutzes der Stabilität des Finanzsystems, das mittlerweile allerdings auch in § 6 Abs. 4 KWG anklingt. Bereits diese weitgehende Parallelität zu den Zielsetzungen der (nationalen) Bankenaufsicht wirft die Frage auf, ob der durch § 54a KWG erfolgte Rückgriff auf das Strafrecht angesichts gleichlautender Ziele des Bankenaufsichtsrechts den ultima-ratio-Grundsatz wahrt. Auch liegt der Gedanke nicht fern, dass der Gesetzgeber sich womöglich keine vertieften Gedanken gemacht hat über die Ziele des § 54a KWG und in der Eile des Gesetzgebungsverfahrens wenig reflektiert schlicht die hergebrachten Ziele der Aufsicht übernommen hat – lediglich ergänzt um die „Stabilität des Finanzsystems“ als Reaktion auf die im Zuge der Finanzkrise gemachten Erfahrungen. Die vom Gesetzgeber in der Entwurfsbegründung angegebenen Schutzgüter sollen daher im Folgenden näher analysiert werden [I.–IV.]. Eine Antwort auf die Frage, ob sie im Falle einer Verwirklichung des Tatbestandes des § 54a KWG tatsächlich tangiert sind oder ob § 54a KWG mit der schließlich Gesetz gewordenen Fassung nicht noch eine andere Schutzrichtung erhalten hat, kann erst nach der Analyse des Tatbestandes gegeben werden und ist daher einem späteren Abschnitt vorbehalten.11

I. Sicherung der anvertrauten Vermögensinteressen Wie dargelegt heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 54a KWG, dass die Wahrung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements durch aufsichts- und strafrechtliche Regelungen unter anderem der Sicherung der anvertrauten Vermögenswerte diene.12 Die Nennung dieses Schutzzwecks erstaunt zunächst, ist doch der Schutz anvertrauten Vermögens bereits (alleiniger) Zweck des § 266 StGB und wird bei dessen Anwendung teils auch von der Möglichkeit einer Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben ausgegangen.13 So wird denn auch der Schutz der an-

11 12 13

Unten S. 311 ff. Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 28, 44. s. bereits oben S. 93 ff., 118 ff.

B. Intendierter Rechtsgüterschutz

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vertrauten Vermögensinteressen als mit § 54a KWG verfolgter Zweck angezweifelt.14 Auch wenn die Gesetzesmaterialien nicht mit der gewünschten Eindeutigkeit formuliert sind, so lässt sich ihnen die Absicht zum Schutz angetrauter Vermögensinteressen dennoch entnehmen. Wenn es heißt, die Wahrung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements diene nicht nur der Sicherung der angetrauten Vermögenswerte und der ordnungsgemäßen Durchführung der Bank- und Versicherungsgeschäfte und Finanzdienstleistungen, sondern auch der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft durch Missstände im Kredit-, Finanzdienstleistungs- und Versicherungswesen15, so bringt der Gesetzgeber durch diese Formulierung hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die genannten Ziele kumulativ verfolgt werden sollen. Auch der Schutz angetrauten Vermögens muss daher als vom Gesetzgeber mit § 54a KWG intendiert verstanden werden.16 Gegen den Schutz angetrauten Vermögens als (ein) Ziel des § 54a KWG spricht auch nicht, dass bereits § 266 StGB diesem Schutz zu dienen bestimmt ist. Denn zum einen erfasst § 54a KWG mit seiner Anknüpfung an Fehlverhalten im Bereich des Risikomanagements Fallgestaltungen, die, wie bereits dargelegt, von § 266 StGB in aller Regel nicht erfasst werden können.17 Dies kommt auch zutreffend in der in den Gesetzesmaterialien enthaltenen Formulierung zum Ausdruck, die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts würden in ihrem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen.18 Zum anderen dürfte der Begriff des anvertrauten Vermögens im Rahmen des § 54a KWG weiter zu verstehen sein als in § 266 StGB. Während § 266 StGB eine Pflicht zur fremdnützigen Vermögensbetreuung verlangt, stellt § 54a KWG nicht auf eine derart enge Vermögensbetreuungsbeziehung ab. Er kann daher durchaus so verstanden werden, dass der Schutz anvertrauten Vermögens und damit zugleich der Schutz der Stabilität des jeweiligen Instituts auch im Interesse der Gläubiger und dabei insbesondere im Interesse der Einleger erfolgt.19 Damit ergibt sich ein gegenüber § 266 StGB deutlich erweiterter Kreis geschützter Vermögenswerte. Bei § 266 StGB stünde bei einem Vorstandshandeln in der AG etwa allein der Schutz des Vermögens der Bank, sprich der AG, in Rede. Über 14 Ablehnend Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338, der den Vermögensschutz nur als faktische Wirkung der Vorschrift ansieht, sowie MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 5. In diese Richtung auch Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 1. Die Frage nur aufwerfend Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868; Wastl, WM 2013, 1401, 1402; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 669; Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 7. 15 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 28, 44, Hervorhebung durch den Verf. 16 Anders Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338, der der vorgenannten Passage der Gesetzesbegründung entnehmen möchte, § 54a KWG solle einzig der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft dienen. 17 Hierzu bereits oben S. 93 ff., 107 f., 118 ff. 18 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2. 19 In diese Richtung auch Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 23.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

§ 54a KWG indes würden (bewusst und gewollt) auch die Vermögensinteressen der Gläubiger der Bank erfasst. Dass der Schutz anvertrauten Vermögens im Rahmen des § 54a KWG weiter verstanden werden darf und sollte als in § 266 StGB, zeigt sich auch darin, dass § 54a KWG explizit und ausschließlich an Risikomanagementvorgaben und damit an Vorgaben des Bankenaufsichtsrechts anknüpft. Primäres Ziel des Bankenaufsichtsrechts aber ist nicht der Schutz des Vermögens der Bank, sondern es soll vielmehr im öffentlichen Interesse das Bankwesen als solches aufgrund seiner überragenden Bedeutung für die realwirtschaftliche Entwicklung in seiner Funktion geschützt werden, wobei dieser Funktionsschutz mittelbar immer auch dem Schutz der Einleger bzw. Gläubiger des Instituts dient, die zwar nicht individuell, wohl aber in ihrer Gesamtheit geschützt sind.20 Ist Zielsetzung des KWG danach auch der Schutz der Institutsgläubiger in ihrer Allgemeinheit vor Verlusten, so darf § 54a KWG infolge seiner Anknüpfung an Vorgaben des KWG zum Risikomanagement durchaus als (auch) gewollt gläubigerschützend verstanden werden und damit einem weiter gezogeneren Kreis angetrauter Vermögensinteressen dienen, als dies bei § 266 StGB der Fall ist – mag dies in der in den Gesetzesmaterialien gewählten Formulierung auch nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Dass damit zugleich eine Nähe zum Schutzzweck des § 283 StGB gegeben ist21, zeigt erneut dessen oft unterschätzte Sachnähe.

II. Schutz der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte § 54a KWG soll auch die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen schützen. Eine solche ordnungsgemäße Durchführung kann angesehen werden als Teil eines funktionierenden Kreditwesens, welches nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts überindividuelles Rechtsgut und elementarer Wert des Gemeinschaftslebens ist22. Ist selbst das versammelnde Element des Kreditwesens bzw. dessen Funktionsfähigkeit geläufiges Rechtsgut, so muss dies auch für den Schutz hier herausgestellter einzelner Elemente desselben gelten. Die Bedeutung eines funktionierenden Kreditwesens für die Gesellschaft und insbesondere die Entwicklung der Realwirtschaft ist dabei kaum zu unterschätzen. Die Finanzkrise zeugt hiervon. Sie erst dürfte schmerzhaft deutlich gemacht haben, welche Bedeutung die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens hat und welche Folgen von ihrer Beeinträchtigung ausgehen können.23 20 s. Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 A Rn. 25 ff. m.w.N. Zum Gläubigerschutz als Ziel der Bankenaufsicht ausführlich Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, S. 90 ff. s.a. Wundenberg, Compliance, S. 28 f. m.w.N. 21 Zu diesem oben S. 126 ff. 22 BVerfGE 90, 145, 204. 23 Pointiert Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1143: „Bis zum Jahr 2007 noch abstrakt und rein synthetisch anmutende Rechtsgüter wie ,Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des

B. Intendierter Rechtsgüterschutz

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Während der Schutz der ordnungsgemäßen Durchführung von Bank- und Finanzdienstleistungen und damit im Ergebnis der Schutz des Kreditwesens auch aus der Diskussion um andere Straftatbestände wie etwa § 283 StGB durchaus bekannt ist, bereitet die darüberhinausgehende Formulierung, § 54a KWG solle auch der Stabilität des Finanzsystems dienen, größere Schwierigkeiten.

III. Schutz der Stabilität des Finanzsystems Die Finanzkrise und dabei insbesondere die Folgen des Zusammenbruchs von Lehman Brothers haben gezeigt, wie wichtig die Stabilität des Finanzsystems ist und wie schnell sie infolge der Vernetzung der Banken gefährdet ist, wenn auch nur einzelne bedeutende Banken ins Wanken geraten. Setzt infolge eines um sich greifenden Vertrauensverlustes der Domino-Effekt erst einmal ein, drohen weite Teile des Finanzsektors und als Folge auch die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Dass über die Wahrung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und die Verhinderung von Bestandsgefährdungen im Ergebnis auch die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes gefördert werden soll, ist ausgewiesenes Ziel des § 54a KWG.24 Dass es in Ergänzung zu den in § 6 Abs. 2 KWG formulierten Zielen der Bankenaufsicht ausdrücklich in die Gesetzesbegründung aufgenommen wurde, zeugt von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, den sich bereits aus § 6 Abs. 2 KWG ergebenden Kanon um diesen Aspekt zu erweitern. Auch sieht der Gesetzgeber gerade in der Verursachung einer Bestandsgefährdung eines Unternehmens im Finanzsektor, welche die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems als Ganzes tangiert, einen „besonderen Unwertgehalt“25, den er mit § 54a KWG strafrechtlich zu erfassen sucht. Insoweit überrascht es nicht, wenn die Stabilität des Finanzsystems teilweise als das durch § 54a KWG „unzweifelhaft primär geschützte Rechtsgut“ angesehen wird.26 Dieser Standpunkt impliziert allerdings drei Dinge: Erstens, dass die Stabilität des Finanzsystems ein fassbares Rechtsgut darstellt. Zweitens, dass § 54a KWG unter anderem auf dessen Schutz abzielt. Und drittens, dass zwischen den durch § 54a KWG geschützten Rechtsgütern eine Rangfolge besteht. Dies bedarf näherer Erörterung. Der Begriff der „Stabilität des Finanzsystems“ ist äußerst vage, seine Verwendung im Strafrecht indes nicht völlig neu. Auch § 54 KWG etwa wird attestiert, nicht nur die staatliche Aufsicht über das Kreditwesen, sondern auch die Funktionsfähigkeit

Kapitalmarkts‘ oder ,Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens‘ haben infolge der Krise nicht nur ein Gesicht bekommen, sondern haben sich darüber hinaus, um im Bild zu bleiben, in eine angsteinflößende Fratze verwandelt, die uns über Monate hinweg anglotzte.“ 24 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2, 28 f., 44. 25 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. 26 So etwa Wastl, WM 2013, 1401, 1402, vgl. auch Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 126.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

des Finanzmarktes bzw. die Stabilität des Finanzsystems insgesamt zu schützen.27 Eine wesentliche Differenz zwischen dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes und dem der Stabilität des Finanzsystems dürfte dabei nicht bestehen. Die Funktionsfähigkeit setzt schließlich ein Mindestmaß an Stabilität voraus. Was genau aber mit der Stabilität des Finanzsystems gemeint ist, bleibt im Dunkeln, eine nähere Erläuterung bleibt der Gesetzgeber schuldig. Damit beschwört er nachgerade die Kritik herauf, die ganz allgemein gegenüber weit formulierten, überindividuellen Rechtsgütern geäußert wird. Sie geht zurück auf die Frage, inwieweit dem Rechtsgutsbegriff eine systemkritische, sprich strafrechtsbegrenzende Funktion zukommen kann und soll, denn eine solche verschwindet zusehends, wenn der Gesetzgeber sehr weit gefasste Kollektivschutzgüter formuliert.28 Der Vermeidung einer uferlosen Ausbreitung des Strafrechts unter dem Rekurs auf kaum fassbare Universalrechtsgüter mag eine auf die Person und ihre Grundbedürfnisse ausgerichtete Rechtsgutslehre dienen.29 Mit Blick auf § 54a KWG und den intendierten Schutz der Stabilität des Finanzsystems könnte der personale Bezug in zweifacher Weise hergestellt werden: Zum einen dahingehend, dass die Vermeidung einer Instabilität des Finanzsystems im Interesse jedes Einzelnen ist, weil bei einer derartigen Gefahr für den Steuerzahler kostspielige staatliche Rettungsmaßnahmen erforderlich werden können, um als systemrelevant erachtete Banken funktionsfähig zu halten. Mehr noch aber ergibt sich ein Bezug der Stabilität des Finanzsystems zum Schutz von Personen und deren Grundbedürfnissen daraus, dass ein stabiles Finanzsystem unabdingbare Voraussetzung für die (auch wirtschaftliche) Entfaltung des Einzelnen ist. Anders formuliert: Ohne einen funktionierenden Finanzmarkt ist ein modernes Wirtschaftsleben nicht denkbar; das Finanzsystem zu gefährden heißt, die ökonomische Basis des Staates und der Bürger und damit eine grundlegende Voraussetzung der personalen Freiheit aller zu unterminieren.30 Insofern sieht sich trotz einer nicht zu leugnenden Vagheit die Annahme eines durch § 54a KWG intendierten Schutzes des Rechtsguts „Stabilität des Finanzsystems“ keinen unüberwindbaren Hindernissen ausgesetzt.31 Vielmehr könnten die Erfahrungen, die man im Rahmen der Finanzkrise machte, gegebenenfalls sogar dazu beitragen, dass die Formulierung von auf erste Sicht nur schwer greifbaren Kollektivrechtsgütern allgemein oder zumindest im Wirtschaftsstrafrecht auf grö27 s. A/R/R-Schröder, X 3 Rn. 2; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54 Rn. 6, 9; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 54 Rn. 1; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 639; Park-Janssen, § 54 KWG Rn. 12; MüKo-StGB-Janssen, § 54 KWG Rn. 11; Hohnel-Brunke, § 54 KWG Rn. 4. 28 Statt vieler zum Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts, zu im Einzelnen vertretenen Rechtsgutskonzeptionen und Kritik an selbigen NK-Hassemer/Neumann, vor § 1 Rn. 108 ff. 29 So etwa NK-Hassemer/Neumann, vor § 1 Rn. 131 ff. 30 Kubiciel, ZIS 2013, 53, 57. 31 Dies gilt umso mehr, wenn man sich hinsichtlich der Relevanz der Rechtgutstheorie an dem jüngst von Kudlich skizzierten Modell orientiert, vgl. Kudlich, ZStW 127 (2015), 635 ff.

B. Intendierter Rechtsgüterschutz

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ßere Akzeptanz stößt. Jedenfalls darf vor der Formulierung womöglich schwer fassbarer Kollektivrechtsgüter und der Ausrichtung von Straftatbeständen an ebensolchen nicht zurückschrecken, wer, wie hier vertreten, den auf den Vermögensschutz begrenzten Unrechtsgehalt des § 266 StGB für die Erfassung systemischer Gefährdungen, wie sie etwa durch die Finanzkrise bewirkt wurden, als unzureichend erachtet.32 Selbstredend dürfen zwar auch die in der Finanzkrise gemachten Erfahrungen kein Blankett für die Formulierung konturenloser PseudoRechtsgüter bedeuten, die ohne Wirklichkeitsbezug dem Strafgesetzgeber als Scheinrechtfertigung für die Einführung neuer Straftatbestände dienen. Dies aber ist jedenfalls bei § 54a KWG nicht der Fall. Losgelöst von diesen rechtsguttheoretischen Fragen ist die Eignung des § 54a KWG, in jedem Fall seiner Tatbestandsverwirklichung der Stabilität des Finanzsystems zu dienen, allerdings fraglich, denn § 54a KWG verlangt seinem Wortlaut nach zunächst nur eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts, nicht aber eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems als Ganzes. Ob § 54a KWG nur auf Geschäftsleiter sogenannter systemrelevanter Institute anwendbar ist und wie die Deliktsstruktur des § 54a KWG durch die beiden Pole Bestandsgefährdung und Systemgefährdung zu bewerten ist, bedarf noch genauerer Betrachtung. Erst nach diesbezüglichen Erörterungen wird eine Antwort auf die Frage möglich sein, ob und falls ja in welchem Maße § 54a KWG tatsächlich imstande ist, dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems zu dienen und ob dieser Schutz sein primäres Ziel darstellt.

IV. Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft Schließlich noch formuliert die Gesetzesbegründung das Ziel, über die strafrechtliche Flankierung von Risikomanagementvorgaben dem Schutz der Gesamtwirtschaft zu dienen, indem Nachteile für selbige vermieden werden.33 Dies rückt die Verzahnung eines funktionierenden Kreditwesens sowie der Stabilität des Finanzsystems einerseits und der Gesamtwirtschaft andererseits in den Fokus. Geraten die ersten beiden Rechtsgüter in Gefahr, kann dies auch Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben, denn die Gesamtwirtschaft ist ganz wesentlich von der Kreditgewährung und damit einem funktionierenden Kreditwesen sowie einem stabilen Finanzsystem abhängig. Die Aufnahme des Ziels der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft in die Gesetzesbegründung zu § 54a KWG dürfte – sollte sie nicht in der bloßen Übernahme der in § 6 Abs. 2 KWG genannten Ziele der Bankenaufsicht begründet sein – ebenfalls ganz wesentlich geprägt sein von den Erfahrungen der Finanzkrise und deren Auswirkungen gerade auch auf die Realwirt-

32 33

s. o. S. 123 f. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 28, 44.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

schaft. Allerdings handelt es sich beim Schutz der Gesamtwirtschaft durch § 54a KWG im Ergebnis eher um eine faktische Wirkung der Vorschrift.

V. Zwischenergebnis Die Ausführungen des Strafgesetzgebers hinsichtlich der mit § 54a KWG verfolgten Ziele bleiben bedauerlicherweise kursorisch. Über eine Wiedergabe der allgemeinen Ziele der Bankenaufsicht, ergänzt um den nicht näher beschriebenen Schutz der Stabilität des Finanzsystems, kommt der Gesetzgeber nicht hinaus. Durch die Formulierung überindividueller, schwer fassbarer Rechtsgüter setzt er sich der Kritik aus, die der Formulierung solcher Rechtsgüter ganz allgemein entgegengebracht werden kann. Diese betrifft indes nicht spezifisch § 54a KWG. In seinem Rahmen erscheint der Rückgriff auf zugegebenermaßen nicht leicht greifbare Kollektivrechtsgüter wie etwa die Stabilität des Finanzsystems aber nicht nur als im Ergebnis hinnehmbar, sondern als angezeigt. Dass insbesondere die Stabilität des Finanzsystems nicht nur eine vorschnell zur Rechtfertigung eines neuen Straftatbestandes bemühte Worthülse, sondern tatsächlich ein bedeutsames und bisher unzureichend erfasstes Rechtsgut darstellt, dessen Schutz auch im Interesse jedes Einzelnen liegt, hat die Finanzkrise verdeutlicht. Über die Anteilseigner und Gläubiger der Banken hinaus wurden durch die Beeinträchtigung des Kreditwesens und der Stabilität des Finanzsystems auch vermeintlich Unbeteiligte getroffen – sei es infolge eines Ansteckungseffektes der Banken untereinander, durch Auswirkungen auf die Realwirtschaft oder sei es angesichts des Einsatzes von Steuergeldern zur Rettung einzelner Banken. Derartige, kollektive Interessen berührende Auswirkungen der Existenzgefahr einer Bank konnten bisher durch § 266 StGB nicht und durch § 283 StGB nur schwerlich erfasst werden.34 Ob § 54a KWG die vom Gesetzgeber angeführten Rechtsgüter tatsächlich schützen kann oder aber ob er mit Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens noch eine ganz andere, gegebenenfalls zulasten der vorgenannten Ziele gehende Zielrichtung in Form des Schutzes des staatlichen Kreditaufsichtswesens erhalten hat, wird erst nach der Analyse seines Tatbestandes beurteilt werden können.

C. Tatbestand Der Tatbestand des § 54a KWG wirft eine Fülle an Fragen auf, die bei der Bestimmung des Adressatenkreises ihren Anfang nehmen [I.], aber ebenso das inkriminierte Verhalten [II.] und den Taterfolg [III.] betreffen. Darüber hinaus wirft der Zurechnungszusammenhang zwischen Tatverhalten und Taterfolg Schwierigkeiten 34

s. o. S. 123 f., 126 ff.

C. Tatbestand

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auf [IV.]. Abschließend wird auf Möglichkeiten der vorsätzlichen und fahrlässigen Begehung eingegangen [V.].

I. Adressatenkreis § 54a KWG zielt in Verbindung mit § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG in persönlicher Hinsicht auf Geschäftsleiter ab [1.]. In Anbetracht der mit § 54a KWG verfolgten Ziele muss allerdings der Frage nachgegangen werden, ob der Straftatbestand auch Geschäftsleiter nicht systemrelevanter Institute erfasst [2.]. 1. § 54a KWG als Sonderdelikt für Geschäftsleiter Liest man § 54a KWG ohne die von ihm in Bezug genommenen aufsichtsrechtlichen Normen des KWG, scheint zunächst jedermann tauglicher Täter zu sein. Erst durch den Verweis auf § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG wird deutlich, dass nur die nach dieser Norm verpflichteten Geschäftsleiter angesprochen sind. § 54a KWG ist demnach ein (echtes) Sonderdelikt.35 Wer Geschäftsleiter ist, ist in § 1 Abs. 2 S. 1 KWG legaldefiniert. Es sind diejenigen natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind. Dies betrifft in erster Linie die Vorstandsmitglieder einer AG, die Mitglieder des Vorstands einer eG sowie bei Sparkassen im Regelfall alle Vorstandsmitglieder nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen.36 Im Fall einer Gruppe sind gemäß § 25c Abs. 4b KWG die Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens angesprochen.37

35 Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 269; Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 847; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 202; Erbs/KohlhaasHäberle, § 54a KWG Rn. 2; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 10; Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 20; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 4; Reischauer/ Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 4; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 19; Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 41; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 290; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 680; Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 201c; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 128. 36 s. im Einzelnen B/F/S-Schäfer, KWG, § 1 Rn. 212. 37 Zu möglichen, hier nicht zu vertiefenden Schwierigkeiten der Durchsetzung eines gruppenweiten Compliance- und Risikomanagements Wundenberg, Compliance, S. 177 ff. Er zeigt einen Konflikt auf zwischen der bankaufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeit und der gesellschaftsrechtlichen Leitungsmacht im faktischen Aktienkonzern, den er im Sinne eines Optimierungsgebots aufzulösen sucht. Bedeutung könnte dies in strafrechtlicher Hinsicht erlangen bei der Frage, ob dem Geschäftsleiter die für eine Unterlassungsstrafbarkeit erforderliche Handlungsmöglichkeit überhaupt offen stand.

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Dass § 54a KWG nur Geschäftsleiter anspricht, liegt daran, dass das Risikomanagement eine der Kernaufgaben gerade der Geschäftsleitung ist. § 54a KWG knüpft nicht an die Geschäftstätigkeit als solche an, sondern wählt als Anknüpfungspunkt strategische Aspekte der Bankensteuerung. Diese gegenüber einer Anknüpfung an die konkrete Geschäftstätigkeit gleichsam abstraktere Ebene geht Hand in Hand mit dem Bestreben, durch § 54a KWG auch überindividuelle Rechtsgüter zu schützen. Ob die Anknüpfung an Organisationsvorgaben in praktischer Hinsicht sinnvoll ist, soll im Einzelnen noch hinterfragt werden. Jedenfalls bedingt es die Anknüpfung an die Ebene der Geschäftsorganisation, hinsichtlich des Täterkreises auf die Geschäftsleitung abzustellen. 2. Bedeutung der Systemrelevanz des Instituts für den Adressatenkreis? § 54a KWG erfasst seinem Wortlaut nach auch Geschäftsleiter nicht systemrelevanter Institute [a)]. Angesichts der Gesetzesbegründung wurde dies vielfach als zu weitgehend empfunden und teilweise eine teleologische Reduktion des Täterkreises auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute befürwortet [b)]. Eine Begrenzung des Adressatenkreises mittels des Kriteriums der Systemrelevanz fällt nicht nur schwer [c)], sondern ist auch nicht angezeigt, da die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion des Adressatenkreises nicht zweifelsfrei gegeben sind [d)]. a) Keine Einschränkung durch den Wortlaut Der Wortlaut des § 54a KWG selbst trifft keine Unterscheidung zwischen Geschäftsleitern systemrelevanter und nicht systemrelevanter Institute. Auch die von § 54a KWG in Bezug genommenen Normen treffen eine solche nicht. Sie sprechen lediglich von den Geschäftsleitern „eines Instituts“ (§ 25c Abs. 4a KWG) sowie von den Geschäftsleitern „des übergeordneten Unternehmens“ (§ 25c Abs. 4b S. 2 KWG). Damit müssen zunächst ungeachtet einer etwaigen Systemrelevanz der jeweiligen Bank sämtliche Geschäftsleiter als taugliche Täter des § 54a KWG in Betracht gezogen werden. Dem Wortlaut nach sind von § 54a KWG also gleichermaßen die Geschäftsleiter von international tätigen Großbanken wie der Deutschen Bank und von regional tätigen Sparkassen oder Genossenschaftsbanken erfasst.38 b) Ausgemachte Unstimmigkeiten und Vorschlag einer teleologischen Reduktion Bei einem derart weit gezogenen Täterkreis drängt sich die Frage auf, ob § 54a KWG angesichts der mit ihm verfolgten Zwecke tatbestandlich nicht zu weit gefasst ist. Denn wie dargelegt soll er nach Auffassung des Gesetzgebers unter anderem die 38

So auch Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 6.

C. Tatbestand

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Stabilität des Finanzsystems als Ganzes schützen.39 Schützen muss und kann man allerdings nur dort, wo Gefahren bestehen. Ein nicht systemrelevantes Institut wie etwa eine regional tätige Sparkasse kann aber selbst dann, wenn sie in ihrem Bestand gefährdet sein sollte oder gar zusammenbricht, schwerlich zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes werden. Zahlreich waren und sind daher die Stimmen, welche Unstimmigkeiten ausmachen zwischen der dem Wortlaut nach gegebenen tatbestandlichen Weite des § 54a KWG einerseits und den laut der Gesetzesbegründung mit § 54a KWG verfolgten Zielen andererseits. Eine klare Unvereinbarkeit des weiten Wortlautes mit dem verfolgten Zweck wurde allerdings nur selten formuliert. Die Stellungnahmen blieben meist schwammig, konkrete Folgerungen wurden kaum formuliert.40 Soweit ersichtlich wurde bisher einzig durch Schwerdtfeger dezidiert gefordert, eine teleologische Reduktion des Tatbestandes vorzunehmen und hierdurch eine Beschränkung des Adressatenkreises auf Geschäftsleiter sogenannter systemrelevanter Institute herbeizuführen.41 Bevor auf die Frage eingegangen wird, ob eine teleologische Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter als systemrelevant erachteter Institute angezeigt ist, soll der Versuch unternommen werden, das zur Unterscheidung bemühte Merkmal der Systemrelevanz einer näheren Bestimmung zuzuführen. Erst nach einer Klärung dessen, was hiermit gemeint sein soll, kann beurteilt werden, ob eine an dieses Merkmal angelehnte Unterscheidung hinsichtlich des Adressatenkreises des § 54a KWG durchführbar und angezeigt ist. c) Der schillernde Begriff der Systemrelevanz Die Institutsstruktur in Deutschland ist überaus heterogen. Die Unternehmensdatenbank der BaFin enthält derzeit ca. 1.800 zugelassene Kreditinstitute, ca. 700 39

Hierzu bereits oben S. 161 ff. Mit Kritik, aber ohne dezidierte Konsequenzen etwa Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868, die die tatbestandliche Weite „erstaunt“; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 269 finden sie „auffällig“; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 669, sowie Beck/Samm/KokemoorWegner, KWG, § 54a Rn. 6, nennt sie „bemerkenswert“; Richter, in: Regulating Corporate Compliance Liability, S. 321, 329, findet diesen Umstand „quite remarkable“. Vorsichtig auch Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204, sowie Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 54a Rn. 4, nach denen angesichts der intendierten Schutzrichtung eine Einschränkung auf sog. systemrelevante Unternehmen bzw. die Ausklammerung kleinerer, nicht im enferntesten systemrelevanter Institute „nahegelegen“ hätte; s.a. MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 6. Für eine Anwendung auch auf Geschäftsleiter kleiner Institute indes Beck/Samm/KokemoorKleinert, KWG, § 25c Rn. 129; Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 43, 45; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 290. 41 Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338 f. Auf dieser Linie lag auch bereits der Vorschlag von Kasiske, ZRP 2011, 137, 139, der einen im KWG verankerten Sondertatbestand für die Gefährdung systemrelevanter Kreditinstitute forderte und vorschlug, dass die Tat nur strafbar sein solle, wenn durch die BaFin eine Bestands- und Systemgefährdung festgestellt werde. 40

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zugelassene Finanzdienstleistungsinstitute und ca. 600 zugelassene Finanzierungsleasing- und Factoringinstitute.42 Die Spannbreite reicht dabei von international tätigen Großbanken über kommunale Sparkassen bis hin zu Leasinggesellschaften unterschiedlicher Größen. Welche dieser Institute in welchem Maße systemrelevant sind, ist nicht leicht zu beurteilen. Auch wenn der schillernde Begriff der Systemrelevanz im Nachgang der Finanzkrise in aller Munde war und es bis heute geblieben ist, so bereitet seine nähere Bestimmung doch erhebliche Schwierigkeiten.43 Gerät eine als systemrelevant erachtete Bank in Bestandsgefahr, kann sich der Staat im Ernstfall dazu gezwungen sehen, eine Insolvenz zu verhindern, um größeren Schaden abzuwenden. Als systemrelevant und damit „too big to fail“ (zu groß, um zu scheitern44) können also Unternehmen bezeichnet werden, deren Insolvenz die Volkswirtschaft mit höheren Kosten belasten würde als ihre Rettung.45 Die Rettung systemrelevanter Banken durch den Staat als letzten Kapitalgeber („lender of last resort“) ist wirtschaftlich und wirtschaftspolitisch jedoch fragwürdig. Sie steht im Widerspruch zu den Grundprinzipien eines marktwirtschaftlich verfassten Finanzsystems, weil die Freiheit wirtschaftlichen Handelns von der Haftung für dieses Handeln entkoppelt wird: Die Risiken von Bankgeschäften müssen nicht (mehr) die Eigentümer, Geschäftsführer oder Gläubiger der Banken tragen, sondern die Staaten und deren Steuerzahler – während Gewinne privatisiert werden, werden Verluste sozialisiert.46 In einer marktwirtschaftlichen Ordnung sind Staatshilfen jedoch eine Anomalie.47 Sie sind bedenklich, weil von einer Sozialisierung der Verluste eine entdisziplinierende Wirkung ausgehen und sogenanntem moral hazard Vorschub geleistet werden kann. Ein Großteil der Bemühungen im Nachgang der Finanzkrise war und ist daher der Lösung oder zumindest Eindämmung der sogenannten too big to fail-Problematik gewidmet. Sie wird auch in dieser Untersuchung fortlaufend von Bedeutung sein. Anhaltspunkte für eine nähere Begriffsbestimmung der Systemrelevanz fanden sich bei Schaffung des § 54a KWG in § 48b Abs. 2 KWG a.F., der allerdings mit Wirkung zum 1. 1. 2015 aufgehoben wurde.48 Abgelöst wurde er durch eine weitgehend identische Regelung in § 67 Abs. 2 SAG, die jedoch bereits mit Ablauf des 42 Vgl. die entsprechenden Unternehmensdatenbanken der BaFin unter https://www.bafin. de/DE/PublikationenDaten/Datenbanken/Datenbanken_node.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 43 Ausführlich hierzu und mit zahlreichen weiteren Nachweisen Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 116 ff. 44 Der vielfach und auch hier verwendete Begriff des „too big to fail“ steht dabei stellvertretend auch für andere Eigenschaften, die eine Systemrelevanz ausmachen können, wie etwa „too complex to fail“ (zu komplex, um zu scheitern) oder „too interconnected to fail“ (zu vernetzt, um zu scheitern). 45 BaFin-Journal 10/2013, S. 31. 46 Vgl. Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter, HdB CG von Banken, S. 328 f. 47 Hellwig, Gutachten zum 68. DJT, S. E 9. 48 Aufgehoben durch Art. 2 des BRRD-Umsetzungsgesetzes vom 10. 12. 2014, BGBl. I S. 2091.

C. Tatbestand

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5. 11. 2015 wieder aufgehoben wurde.49 Dennoch soll zunächst auf die ehemals in § 67 Abs. 2 S. 1 SAG a.F verankerte Begriffsbestimmung eingegangen werden. Danach liegt eine Systemgefährdung vor, wenn zu besorgen ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Instituts oder der Gruppe in der konkreten Marktsituation in erheblicher Weise negativ auswirkt auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte, auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderen Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems oder auf die Realwirtschaft. Es muss also zu befürchten sein, dass die finanzielle Schieflage oder schlimmstenfalls der Zusammenbruch eines Marktteilnehmers auf andere, originär rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Marktteilnehmer übergreift und letztlich den funktionellen Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems bewirken kann.50 Ähnlich formuliert die Aufsichtsrichtlinie der BaFin in Art. 6 Abs. 1, dass systemrelevante Institute solche Institute sind, deren Bestandsgefährdung aufgrund ihrer Größe, der Intensität ihrer Interbankbeziehungen und ihrer engen Verflechtung mit dem Ausland erhebliche negative Folgeeffekte bei anderen Kreditinstituten auslösen und zu einer Instabilität des Finanzsystems führen können.51 Durch diese Definitionsansätze wird bereits deutlich, dass es bei der Beurteilung der Systemrelevanz nicht allein um quantitative Aspekte wie die Größe einer Bank geht, sondern auch um gleichsam weichere, qualitative Faktoren wie die Komplexität der Geschäftstätigkeit und die Vernetzung der Bank. Die zuvor gegebenen Umschreibungen vermitteln zwar eine erste Ahnung dessen, was eine Systemrelevanz ausmachen soll, sie lassen aber noch nicht konkret erkennen, wann eine Bank im Einzelfall als systemrelevant einzustufen ist. Im Zeitpunkt der Schaffung des § 54a KWG fanden sich nähere Anhaltspunkte hierfür in § 48b Abs. 2 S. 2 KWG a.F., danach im Wesentlichen identisch in § 67 Abs. 2 S. 2 SAG a.F. Für die Einschätzung, ob eine Systemgefährdung vorliegt (welche die zu besorgende Konsequenz der Bestandsgefahr eines systemrelevanten Instituts darstellt), wurden dort mehrere insbesondere zu berücksichtigende Aspekte genannt. Beispielhaft seien hier erwähnt die Art und der Umfang der Verbindlichkeiten des Instituts oder der Gruppe gegenüber anderen Instituten, Gruppen und sonstigen 49

Aufgehoben durch Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe (Abwicklungsmechanismusgesetz) vom 2. 11. 2015, BGBl. I S. 1866 f. 50 Vgl. den Definitionsansatz durch Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 A Rn. 7 m.w.N., s.a. Schneider, ZRP 2009, 119, 120, der anschaulich drei Effekte einer Insolvenz eines Instituts beschreibt, die, stehen sie zu befürchten, die Einstufung des Instituts als „systemrelevant“ erlauben sollen: Erstens ein vertikaler Dominoeffekt, der darin liege, dass die Insolvenz eines Instituts zum Zusammenbruch weiterer Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen führe. Zweitens ein horizontaler Dominoeffekt, der darin liege, dass eine Insolvenz zum Zusammenbruch einer Vielzahl weiterer Unternehmen in der Realwirtschaft führe. Und drittens ein „Effekt des Verlusts des Systemvertrauens“, der darin liege, dass eine Insolvenz bei einem großen Teil der Bevölkerung zu einem Verlust des Systemvertrauens führe, weil sie u. a. ihre Einlagen verlieren würden. 51 Aufsichtsrichtlinie abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichun gen/DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/rl_130521_aufsichtsrichtlinie.html (zul. abg. 30. 11. 2016).

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Unternehmen des Finanzsektors (§ 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SAG a.F.), die Art, der Umfang und die Zusammensetzung der von dem Institut oder der Gruppe eingegangenen Risiken sowie die Verhältnisse auf den Märkten, auf denen entsprechende Risikopositionen gehandelt werden (§ 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SAG a.F.), die Vernetzung mit anderen Finanzmarktteilnehmern (§ 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SAG a.F.), die Komplexität der von dem Institut oder der Gruppe mit anderen Marktteilnehmern abgeschlossenen Geschäfte (§ 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 6 SAG a.F.) und die Ersetzbarkeit der von dem Institut oder der Gruppe im Inland oder grenzüberschreitend angebotenen Dienstleistungen und technischen Systeme (§ 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 8 SAG a.F.). Die genannten Kriterien vermitteln schon einen näheren Eindruck davon, was die Systemrelevanz einer Bank ausmachen soll. Sie stehen im Sachzusammenhang mit der Sanierung und Abwicklung von Banken. Die Systemrelevanz spielt aber auch in anderen Sachzusammenhängen eine Rolle und wird dort ebenfalls näher bestimmt. So unterscheiden etwa die §§ 10 f, 10 g KWG hinsichtlich der Anordnung von Kapitalpuffern zwischen „global systemrelevanten Instituten“ (§ 10 f KWG) und „anderweitig systemrelevanten Instituten“ (§ 10 g KWG). Auf die in den §§ 10 f, 10 g KWG enthaltenen Kriterien verweist seit der Aufhebung des § 67 Abs. 2 SAG a.F., das heißt seit dem 6. 11. 2015, auch § 20 Abs. 1 S. 3 SAG. In § 10 f Abs. 2 S. 2 KWG werden für die quantitative Analyse als Kriterien für eine Einstufung als „global systemrelevant“ genannt die Größe der Gruppe, die grenzüberschreitenden Aktivitäten der Gruppe, die Vernetztheit der Gruppe mit dem Finanzsystem, die Ersetzbarkeit hinsichtlich der angebotenen Dienstleistungen und Finanzinfrastruktureinrichtungen der Gruppe sowie die Komplexität der Gruppe. Vergleichbar heißt es in § 10 g Abs. 2 S. 2 KWG, für die qualitative und quantitative Analyse hinsichtlich einer Einstufung als „anderweitig systemrelevant“ müssten insbesondere folgende Faktoren berücksichtigt werden: Größe, wirtschaftliche Bedeutung für den Europäischen Wirtschaftsraum und die Bundesrepublik Deutschland, grenzüberschreitende Aktivitäten sowie Vernetztheit mit dem Finanzsystem. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach § 20 Abs. 1 S. 3 SAG ein Institut nicht nur dann potenziell systemgefährdend ist, wenn es entweder ein global systemrelevantes Institut nach § 10 f KWG oder ein anderweitig systemrelevantes Institut nach § 10 g KWG ist, sondern auch dann, wenn für das entsprechende Institut keine vereinfachten Anforderungen gemäß den Kriterien nach § 19 Abs. 2 SAG festgesetzt werden können. Die Identifizierung der Institute, für die keine vereinfachten Anforderungen festgesetzt werden können, erfolgt durch eine quantitative Analyse, die gegebenenfalls durch eine weitergehende Analyse ergänzt wird, bei der insbesondere die in § 19 Abs. 2 SAG genannten Kritierien berücksichtigt werden (Risikoprofil des Instituts, Rechtsstatus, Art der Geschäftstätigkeit, Eigentümer- und Beteiligungsstruktur, Rechtsform, Mitgliedschaft in einem institutsbezogenen Sicherungssystem).52 52 Überblick zu Mechanismen der Bestimmung potenziell systemgefährdender Institute unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2016/fa_bj_1605_

C. Tatbestand

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Die vorstehenden Ausführungen zeigen neben den wichtigsten, stets wiederkehrenden Faktoren zur Bestimmung einer möglichen Systemrelevanz zugleich auf, dass die Einordnung als systemrelevant oder nicht systemrelevant immer auch abhängig ist von dem System, auf das man Bezug nimmt – Letzteres kann, muss aber nicht global verstanden werden. Neben weltweit bedeutsamen Banken gibt es auch eine Reihe von Banken, deren Schieflage zwar nicht die Stabilität des weltweiten Finanzsystems gefährden würde, die aber zumindest für den Finanzmarkt und die Wirtschaft in Deutschland von großer Bedeutung sind. Neben den vorgenannten Anhaltspunkten besteht mittlerweile die für die Aufsichtspraxis wichtige Unterscheidung zwischen sogenannten bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten (wobei dieses Begriffspaar häufig synonym verwendet wird zum Begriffspaar systemrelevant / nicht systemrelevant). Diese Unterscheidung ist insbesondere von Relevanz für den (später noch näher zu behandelnden) Einheitlichen europäischen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, sog. SSM)53, denn unter dessen Geltung unterfallen sogenannte bedeutende Banken der direkten Aufsicht der EZB. Dies sind unter anderem Banken, deren Gesamtwert der Aktiva 30 Mrd. E übersteigt oder bei denen das Verhältnis der gesamten Aktiva zum BIP des teilnehmenden Mitgliedstaats der Niederlassung 20 % übersteigt, wobei die Bilanzsumme auch im letzten Fall mindestens 5 Mrd. E betragen muss. Überdies kann die EZB ein Institut auch von sich aus als bedeutend betrachten, wenn es Tochterbanken in mehr als einem teilnehmenden SSM-Mitgliedstaat errichtet hat und seine grenzüberschreitenden Aktiva oder Passiva einen wesentlichen Teil seiner gesamten Aktiva oder Passiva darstellen.54 Die Unterscheidung zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten findet sich aber auch an anderer Stelle wie etwa in § 17 InstitutsVergV – freilich mit teilweise abweichenden Kriterien angesichts des dort mit der Einstufung verfolgten Zwecks.55 Auch wenn die verschiedenen Regelungskomplexe zur Bestimmung einer Systemrelevanz bzw. besonderen Bedeutung einer Bank im Kern ähnlich sind, so sind die Anknüpfungspunkte und das in Bezug genommene System nicht immer deckungsgleich. Festgehalten werden muss damit an dieser Stelle, dass es einen einheitlichen Begriff der Systemrelevanz nicht gibt.56 Es fehlt an einer allgemeingül-

potenziell_systemgefaehrdende_institute.html;jsessionid=4120BC1F6F8773EAB763373173 9E8295.1_cid372?nn=7845970#doc7960326bodyText2 (zul. abg. 30. 11. 2016). 53 Dazu näher unten S. 228 ff. 54 s. die Kriterien in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2–5 SSM-VO (Kap. 2 Fn. 290) sowie Art. 39 ff. SSM-Rahmen-VO (Kap. 2 Fn. 298). Näher zur Abgrenzung bedeutender und weniger bedeutender Kreditinstitute im Rahmen des SSM Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 141 ff. 55 Näher hierzu B/F/S-Wolfgarten, InstitutsVergV, § 17 Rn. 1 ff. 56 Vgl. insofern immer noch aktuell Günther, WM 2010, 825 ff., der verschiedene Definitionsansätze darstellt und den Charakter der Systemrelevanz als eines unbestimmten Rechtsbegriffs unterstreicht.

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tigen Definition der Systemrelevanz und an allgemeingültigen Kriterien.57 Die Bestimmung, ob ein Institut als systemrelevant gilt oder nicht, richtet sich überdies unabhängig vom jeweiligen Sachzusammenhang nie nur nach starren Kriterien, sondern zwingt stets auch zur Berücksichtigung weicher Faktoren. Neben quantitative Kriterien wie etwa die Größe eines Instituts treten qualitative Kriterien wie etwa dessen Ersetzbarkeit. Auch äußere Umstände wie das ökonomische Umfeld spielen eine entscheidende Rolle, mikro- und makroprudentielle Faktoren greifen bei der Frage nach der Systemrelevanz ineinander. Die Einstufung eines Unternehmens des Finanzsektors als systemrelevant bedarf letztlich auch einer wertenden Prognoseentscheidung, da die Auswirkungen einer Insolvenz des Unternehmens auf den Finanzsektor und auch die Auswirkungen eines instabilen Finanzmarktes auf die Realwirtschaft beachtet werden müssen.58 Der Prognosefähigkeit bankensystemischer Zusammenhänge werden dabei zu Recht Bedenken entgegengebracht.59 Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass bei der Einordnung eines Instituts als systemrelevant oder nicht systemrelevant erhebliche Beurteilungsspielräume existieren und eine schwierige Prognoseentscheidung erforderlich ist, deren Grundlage ständigen Veränderungen unterworfen ist. Mit Blick auf § 54a KWG stellt sich die Frage, wer diese Beurteilung vorzunehmen hätte, das heißt wer im Falle einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG bestimmen würde, ob ein Geschäftsleiter zum Adressatenkreis zählt oder nicht. Die zuvor beispielhaft angeführten Regelungskomplexe, die sich mit der Systemrelevanz befassen, weisen verschiedene Stellen zur Bestimmung der Systemrelevanz aus. Für die Zwecke der §§ 10 f, 10 g KWG etwa ist dies die BaFin im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank, im Rahmen des SSM liegen Bestimmungsbefugnisse bei der EZB. Darüber hinaus gibt etwa die global systemrelevanten Banken betreffend der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board – FSB) jedes Jahr eine aktualisierte Liste heraus, auf der sich derzeit 30 Banken befinden.60 Zahlreiche und sehr unterschiedliche Stellen äußern sich also in sehr unterschiedlichen Rahmen und mit sehr unterschiedlichen Bezugspunkten und Hintergründen zur möglichen Systemrelevanz von Banken. Für die Zwecke des § 54a KWG hingegen würde die Feststellung einer (globalen oder nationalen) Systemrelevanz durch die BaFin oder auch eine andere Stelle das Strafgericht aufgrund des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung jedenfalls nicht davon entbinden, die Systemrelevanz eigenständig festzustellen.61 Dass dies regelmäßig die 57

Ähnlich Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 E Rn. 361 ff. m.w.N. Die Schwierigkeiten einer Begriffsbestimmung werden durch die umfangreichen Erörterungen von Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 116 ff. eindrucksvoll belegt. 58 Günther, WM 2010, 825, 828. 59 Hierzu Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 130 ff. m.w.N. Er ist der Auffassung, eine objektive Zuordnung systemischer Risiken zu einzelnen Rechtssubjekten sei ex ante nicht möglich. 60 Stand 21. 11. 2016, abrufbar unter http://www.fsb.org/wp-content/uploads/2016-list-ofglobal-systemically-important-banks-G-SIBs.pdf (zul. abg. 30. 11. 2016). 61 Zutreffend Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338.

C. Tatbestand

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Beurteilungskompetenz des Gerichts überschreiten dürfte, bedarf keiner näheren Erläuterung.62 Die Einschätzungen der vorgenannten Stellen zur Systemrelevanz wären insoweit theoretisch nicht mehr als ein Indiz für das Strafgericht – allerdings ein faktisch wohl entscheidendes.63 Der Umstand, dass hinsichtlich der Einordnung einer Bank als systemrelevant erhebliche Beurteilungsspielräume bestehen, stimmt hinsichtlich des Bemühens der Systemrelevanz als Abgrenzungskriterium für die Anwendbarkeit von Rechtsnormen bedenklich. Das Zu- oder Absprechen von Systemrelevanz stellt eine Prognose, eine Wertung dar, die zutreffend sein kann, aber nicht muss. Die Zuschreibung von Systemrelevanz unter Inkaufnahme von Fehleinschätzungen auf eine solche Prognose zu stützen, mag für Regulierungsfragen hinnehmbar sein.64 Für das Strafrecht aber ist ein Bemühen des Merkmals der Systemrelevanz angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe ungleich heikler. Ob die getroffene Prognose und damit die Bewertung als systemrelevant zutreffend ist, wird sich in der Regel nicht überprüfen lassen. Denn ob ein Institut während einer gewissen Zeitspanne systemrelevant war oder nicht, zeigt sich tatsächlich erst dann, wenn es zu einer Insolvenz kommt. Diese wird aber bei als systemrelevant erachteten Instituten notfalls durch staatliche Stützungsmaßnahmen verhindert. Das wiederum heißt, Geschäftsleiter sogenannter systemrelevanter Institute würden dem Adressatenkreis des § 54a KWG nur unterfallen, weil das Institut als systemrelevant gilt, weil es als systemrelevant eingestuft wird. Ob es aber tatsächlich systemrelevant ist, wird man auch im Nachhinein im Zweifelsfall nicht feststellen können, weil die Situation, in der sich dies unter Beweis stellen würde, gar nicht erst eintritt. Da das Herbeiführen einer Systemgefahr zudem nicht Tatbestandsmerkmal ist, würde selbst bei einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter als systemrelevant erachteter Institute gegebenenfalls ein Verhalten erfasst, welches de facto die Schutzgüter der Stabilität des Finanzsystems und der Verhinderung von (erheblichen) Nachteilen für die Gesamtwirtschaft gar nicht tangieren kann. Wenn aber zur Befürwortung einer teleologischen Reduktion maßgeblich oder gar einzig auf diese beiden Schutzgüter abgestellt wird65, so zeigen die vorstehenden Ausführungen zum Begriff der Systemrelevanz, dass diese Eigenschaft als Abgrenzungskriterium wenigstens im Grenzbereich versagt. Die unvermeidbare Unschärfe des Begriffs der Systemrelevanz zusammen mit den durch ihn eröffneten 62 Hierauf bereits vor Schaffung des § 54a KWG zu Recht hinweisend Kasiske, ZRP 2011, 137, 139, der insoweit vorschlug, eine entsprechende Beurteilung durch die BaFin gemäß § 48b Abs. 3 KWG a.F. zur objektiven Strafbarkeitsbedingung zu machen. 63 Zum parallelen Problem der Feststellung einer Bestandsgefährdung s. noch unten S. 268. 64 Zur Bildung eines „rechtlichen Systemrelevanzbegriffs“ unter Rückgriff auf die gefahrenabwehrrechtliche Dogmatik, wonach keine Gewissheit im Hinblick auf einen drohenden Schadenseintritt bestehen muss, um ein hoheitliches Tätigwerden zu begründen, Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 137 ff. 65 Allein auf sie abstellend und eine teleologische Reduktion befürwortend Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338 f.

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Wertungsspielräumen und der Notwendigkeit kaum zu leistender Prognoseentscheidungen sprechen dagegen, das Kriterium der Systemrelevanz zur Begrenzung des Adressatenkreises des § 54a KWG zu bemühen. Die für eine solche ganz grundlegende Begrenzung strafrechtlicher Verantwortung erforderliche Trennschärfe vermag der Begriff der Systemrelevanz aus sich selbst heraus jedenfalls nicht aufzuweisen.66 Festzuhalten ist: Der Begriff der Systemrelevanz verspricht mehr, als er halten kann. Nicht nur mangelt es an einer allgemeingültigen Definition der Systemrelevanz und an allgemeingültigen Kriterien. Soweit es einen Konsens über Kriterien überhaupt geben mag, ist deren Anwendung ein überaus komplexes Unterfangen. Es erfordert insbesondere Wertungen und Prognosen. Die Dichotomie systemrelevant/ nicht systemrelevant vermag auf erste Sicht Halt zu versprechen und sich als Abgrenzungskriterium für den Täterkreis des § 54a KWG anzubieten. Sie bildet die Realität aber nicht adäquat ab. Zwischen zweifelsfrei systemrelevanten Instituten und zweifelsfrei nicht systemrelevanten Instituten existiert ein nicht unerheblicher Graubereich – die Systemrelevanz ist keine binäre Eigenschaft67. Auch der Rückgriff auf das Merkmal der Systemrelevanz kann im Übrigen nicht vermeiden, dass § 54a KWG Fälle unterfallen können, in denen Rechtsgüter wie die Stabilität des Finanzsystems oder auch der Schutz der Gesamtwirtschaft de facto nicht tangiert sind. Umgekehrt würde eine fehlerhafte Ablehnung der Systemrelevanz zur Straflosigkeit mit Blick auf § 54a KWG führen, obwohl die vorgenannten Rechtsgüter tangiert sind. Nicht zuletzt ist vorstellbar, dass im Rahmen einer krisenhaften Zuspitzung die Unterstützung einer Bank auf politischer Ebene befürwortet und die Systemrelevanz der Bank behauptet wird, eine solche bei einer späteren strafrechtlichen Prüfung in Anbetracht der im Strafrecht geltenden Pflicht zur engen und erkennbaren Auslegung jedoch nicht feststellbar ist. Es kann also wirtschaftspolitisch eine Einstufung als systemrelevant möglich sein, während die Systemrelevanz in strafrechtlicher Hinsicht zu verneinen ist. Die aufgezeigten Schwierigkeiten, die eine Orientierung des Adressatenkreises an einer etwaigen Systemrelevanz des in Rede stehenden Instituts mit sich bringt, sind für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit68 gewisser Verhaltensweisen aber nur von Bedeutung, sollte hinsichtlich des Adressatenkreises tatsächlich eine teleologische Reduktion angezeigt sein. d) Keine teleologische Reduktion des Adressatenkreises Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion des Adressatenkreises [aa)] sind bei § 54a KWG nicht erfüllt, da ein eindeutiger Wille des Gesetzesgebers, den 66 s. aber noch unten, S. 380 ff., zu einer strafrechtsautonomen Begriffsbestimmung im Rahmen eines § 54a KWG ersetzenden und § 283 StGB ergänzenden Tatbestandes. 67 BaFin, Jahresbericht 2013, S. 28. 68 Zu ihrer Bedeutung im Rahmen der Strafzumessung unten S. 320 f.

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Adressatenkreis auf bestimmte Geschäftsleiter zu beschränken, nicht feststellbar ist [bb)]. aa) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Dass eine Einschränkung auf Geschäftsleiter sogenannter systemrelevanter Institute dem Wortlaut nach nicht erforderlich ist, wurde bereits dargelegt.69 Entscheidende Bedeutung für die Annahme einer teleologischen Reduktion des Adressatenkreises kommt der Frage zu, ob der Gesetzgeber nur Geschäftsleiter systemrelevanter Institute oder ob er dem Wortlaut entsprechend alle Geschäftsleiter im Sinne des § 1 Abs. 2 KWG erfassen wollte. Denn nur wenn der Gesetzgeber eine in Anbetracht von Sinn und Zweck der Norm zu weitgehende Regelung geschaffen hätte wäre eine teleologische Reduktion angezeigt.70 Für § 54a KWG gilt es insoweit zu fragen, welchen Zweck der Gesetzgeber mit seiner Schaffung verfolgt hat und ob die dem Wortlaut des § 54a KWG nach gegebene Erfassung der Geschäftsleiter auch nicht systemrelevanter Institute bewusst oder unbewusst erfolgte. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass es in erster Linie eine Entscheidung des Gesetzgebers ist, ob er Missständen im Risikomanagement auch dann begegnen will, wenn diese zwar zu einer Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts führen, nicht aber zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems oder für die Gesamtwirtschaft werden können. Hierbei ist er allein an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG. Ob mit § 54a KWG eine strafrechtliche Verantwortlichkeit tatsächlich nur für die Fälle statuiert werden sollte, in denen eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität und Nachteile für die Gesamtwirtschaft in Rede stehen, begegnet Bedenken. bb) Gesetzgeberischer Wille bezüglich des Adressatenkreises Zur Ermittlung des mit § 54a KWG verfolgten gesetzgeberischen Willens gilt es die in der Gesetzesbegründung angegebenen Ziele ebenso zu berücksichtigen [(1)] wie die die dort erfolgte oder auch nicht erfolgte Behandlung der Systemrelevanz [(2)]. Schließlich noch können Anhaltspunkte außerhalb der Gesetzesbegründung zur Klärung der gesetzgeberischen Intention beitragen [(3)]. (1) Ziele des § 54a KWG laut Gesetzesbegründung Zur Befürwortung einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG stützt sich Schwerdtfeger unter anderem darauf, dass § 54a KWG einzig der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft durch

69 70

s. o. S. 166 ff. Zu den Voraussetzungen einer solchen Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 f.

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Missstände im Kredit-, Finanzdienstleistungs- und Versicherungswesen diene.71 Dies ist unzutreffend. Richtig ist zwar, dass im Falle fehlender Systemrelevanz der Schutz der Stabilität des Finanzsystems als Ganzes und die Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft nicht erreicht werden können.72 Doch sind in diesem Fall zumindest die enger gefassten Ziele des Schutzes anvertrauten Vermögens sowie der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen berührt. Dass mit § 54a KWG auch der Schutz dieser Ziele verfolgt wird, wurde bereits erörtert.73 Diese in der Entwurfsbegründung ausdrücklich angeführten Ziele dürfen aber nicht übergangen werden, auch wenn einiges dafür spricht, dass der Gesetzgeber mit ihrer Aufnahme in die Gesetzesbegründung (unter Ergänzung um das Kriterium der Stabilität des Finanzsystems) schlicht diejenigen Ziele aufgegriffen hat, die in § 6 Abs. 2 KWG für die Bankenaufsicht ganz allgemein formuliert sind.74 Größeres Gewicht sollte vor diesem Hintergrund der Frage zuteilwerden, ob in den Gesetzesmaterialien eine Unterscheidung zwischen Geschäftsleitern systemrelevanter und nicht systemrelevanter Banken angelegt ist und ob sich einer solchen entnehmen lässt, dass nur Geschäftsleiter systemrelevanter Banken § 54a KWG unterfallen sollen. (2) Systemrelevanz in der Gesetzesbegründung Zur Begründung einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG wird von Schwerdtfeger zudem angeführt, im Gesetzgebungsverfahren sei stets ein „klarer Bezug“ hergestellt worden zur Systemrelevanz von Instituten. Die dem Wortlaut nach gegebene Erfassung von Geschäftsleitern auch nicht systemrelevanter Institute sei übersehen worden und insoweit planwidrig erfolgt. Zur Stützung der Annahme einer planwidrigen Erweiterung des Täterkreises wird unter anderem angeführt, dass der Gesetzesentwurf unter dem Punkt „Problem und Ziel“ mehrfach systemrelevante Kreditinstitute und Finanzgruppen anspreche und damit (ausschließlich) diese in den Fokus des Gesetzes zu nehmen scheine.75 Dem muss widersprochen werden. Zutreffend ist zwar, dass unter dem Punkt „Problem und Ziel“ mehrfach systemrelevante Kreditinstitute und Finanzgruppen angesprochen werden. Doch ist von solchen allein in Bezug auf Artikel 1 des Trennbankengesetzes die Rede. Dieser enthält aber Regelungen zur Planung der 71 Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338. Den ebenfalls in der Gesetzesbegründung erwähnten Schutz des angetrauten Vermögens sieht er lediglich als faktische Wirkung des § 54a KWG an. Auch diejenigen Autoren, die nicht dezidiert eine teleologische Reduktion fordern, begründen ihre Bedenken vielfach damit, dass § 54a KWG dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems und der Gesamtwirtschaft dienen soll, vgl. die Nachweise in Fn. 40. 72 Insoweit zutreffend Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338 f. 73 Oben S. 157 ff. 74 s. o. S. 158. 75 So im Kern die Argumentation von Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 339.

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Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten. Strafrechtlichen Inhalts sind lediglich die Artikel 3 und 4 des Trennbankengesetzes. Diesbezüglich aber fehlen unter dem Punkt „Problem und Ziel“ Hinweise auf systemrelevante Institute und Finanzgruppen. Der Begriff der Systemrelevanz wird in diesem Abschnitt nicht verwendet, die Rede ist schlicht von „Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen“, von „Unternehmenskrisen im Banken- und Versicherungssektor“ sowie von der „Krise des Instituts bzw. des Unternehmens“.76 Gerade der Umstand, dass mit dem Kriterium der Systemrelevanz in Bezug auf Artikel 1 des Trennbankengesetzes auf den ersten beiden Seiten des Regierungsentwurfs noch argumentiert wird, dieses bei der Behandlung der neuen Strafvorschriften dann nur eine Seite später aber nicht mehr erwähnt wird, spricht gegen den von Schwerdtfeger ausgemachten klaren Bezug zur Systemrelevanz, gegen eine unbesehene Aufnahme der Geschäftsleiter auch nicht systemrelevanter Institute in den Kreis der Adressaten und damit im Ergebnis gegen eine teleologische Reduktion des Adressatenkreises des § 54a KWG. Zuzugeben ist allerdings, dass in der Gesetzesbegründung ebenso ein klares Bekenntnis zur Einbeziehung von Geschäftsleitern nicht systemrelevanter Institute fehlt. Die Gesetzesbegründung lässt insgesamt eine klare Trennung zwischen Geschäftsleitern systemrelevanter und nicht systemrelevanter Institute vermissen. Während in ihr teilweise ohne einen Bezug zu systemischen Auswirkungen allein auf eine Unternehmenskrise abgestellt wird77, heißt es an anderer Stelle, die Bestandsgefährdung eines Unternehmens im Finanzsektor tangiere die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems als Ganzes.78 Letzteres ist in dieser Pauschalität unzutreffend, denn das Finanzsystem als Ganzes ist nur im Falle der Bestandsgefährdung eines systemrelevanten Instituts tangiert. Sähe der Gesetzgeber dies erstaunlicherweise anders, würde die zitierte Passage jedenfalls gegen eine teleologische Reduktion sprechen. Geht man hingegen davon aus, dass nur systemrelevante Institute die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes tangieren können, so lässt der vorstehende Passus den Leser jedenfalls im Unklaren darüber, ob die Systemrelevanz Voraussetzung sein soll für die Anwendung des § 54a KWG. Wenig belastbar ist auch eine andere Stelle der Gesetzesbegründung, an der es heißt, mit § 54a KWG werde „zugleich auch“ die Verursachung einer Systemgefährdung unter Strafe gestellt, die immer begrifflich eine Bestandsgefährdung des Instituts mit umfasse.79 Der zweite Halbsatz ist zwar inhaltlich zutreffend. Dass § 54a KWG aber „zugleich auch“ die Verursachung einer Systemgefahr unter Strafe stellt, heißt nicht, dass bei Ausbleiben einer Systemgefahr § 54a KWG nicht erfüllt sein könnte. Denn das „zugleich auch“ heißt nur, dass eine zur Bestandsgefahr hinzu-

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RegE BT-Drs. 17/12601 S. 2 f. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29, 44. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44.

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tretende Systemgefahr erfasst wird, nicht aber, dass bei einer Bestandsgefahr, die keine Systemgefahr auslöst, keine Strafbarkeit gegeben sein soll. Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung, mit § 54a KWG werde dem besonderen Unwertgehalt Rechnung getragen, der in der Verursachung der Unternehmenskrise und der damit einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liege.80 An dieser Stelle wird erneut die Unternehmenskrise mit ihren systemischen Auswirkungen verknüpft und es scheint an dieser Stelle, als sei diese Verknüpfung zwingend. Ob mit einer Unternehmenskrise stets eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems einhergeht oder nur in manchen Fällen und ob § 54a KWG auch die Fälle erfassen soll, in denen eine solche Gefährdung nicht gegeben ist, bleibt dennoch unklar. Der an den vorgenannten Stellen der Gesetzesbegründung hervorgehobene Aspekt der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und die scheinbar zwangsläufige Verknüpfung mit der Bestandsgefahr sprechen zwar eher für die Annahme einer teleologischen Reduktion. Ein sicherer Schluss dahingehend, dass der Gesetzgeber Geschäftsleiter nicht systemrelevanter Institute nicht erfassen wollte, ist aber gleichwohl nicht möglich. Im Falle einer mit der Unternehmenskrise verbundenen Gefährdung der Finanzmarktstabilität mag, wie vom Gesetzgeber ausgeführt, ein besonderer Unwertgehalt gegeben sein, dem der Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Rechnung tragen soll.81 Dass in der Herbeiführung einer Unternehmenskrise ohne eine solche Gefährdung aber überhaupt kein strafwürdiges Unrecht liegen soll, ist damit nicht gesagt. Im Gegenteil könnte die Formulierung in den Gesetzesmaterialien auch dahingehend interpretiert werden, dass in einer Bestandsgefahr ohne eine mit ihr einhergehende Systemgefahr zwar nur ein einfacher, aber eben auch von § 54a KWG erfasster Unwertgehalt liegt und nur im Falle einer zur Bestandsgefahr hinzutretenden Systemgefahr ein besonderer Unwertgehalt gegeben ist. Beide Konstellationen würden dann von § 54a KWG erfasst, wobei die Obergrenze des Strafrahmens von bis zu 5 Jahren dem schwerwiegenderen Fall Rechnung tragen würde.82 Gegen eine teleologische Reduktion spricht auch, dass nach Auffassung des Gesetzgebers der Eintritt einer Systemgefährdung insbesondere im Strafmaß zum Ausdruck kommen soll.83 Richtig wäre es angesichts der tatbestandlichen Fassung des § 54a KWG, die den Eintritt einer Systemgefahr gerade nicht verlangt, zwar gewesen, dass der Eintritt einer Systemgefährdung nicht insbesondere, sondern allein im Strafmaß zum Ausdruck gelangt. Der gesetzgeberischen Vorstellung, der Eintritt einer Systemgefahr sei auf der Strafzumessungsebene zu berücksichtigen, lässt sich aber zumindest entnehmen, dass eine Systemgefahr nicht Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes sein soll. Nähme man aber eine teleologische Reduktion auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute vor, würde der Eintritt einer 80 81 82 83

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. s. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. Zur Bedeutung der Systemrelevanz im Rahmen der Strafzumessung noch unten S. 320 f. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44, Hervorhebung durch den Verf.

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Systemgefahr faktisch zum Tatbestandsmerkmal gemacht. Dann dürfte man den Eintritt einer Systemgefährdung als solchen jedoch wegen § 46 Abs. 3 StGB in der Strafzumessung nicht mehr berücksichtigen, sondern allenfalls das Ausmaß der eingetretenen Systemgefährdung. Dies aber entspricht nicht den in der Gesetzesbegründung enthaltenen Ausführungen zur Strafzumessung. Für eine Absicht des Gesetzgebers, auch Geschäftsleiter nicht systemrelevanter Institute durch § 54a KWG zu erfassen, könnte außerdem sprechen, dass in der Begründung des Regierungsentwurfs teilweise lediglich von der „Strafbarkeit der Verursachung einer Bestandsgefährdung“84 gesprochen wird. Dies liest sich, als reiche eine schlichte Bestandsgefahr für eine Strafbarkeit nach § 54a KWG bereits aus, unabhängig von mit ihr etwaig einhergehenden systemischen Auswirkungen. Allerdings wird diese Aussage umgehend dadurch relativiert, dass es im Anschluss heißt, die Strafbarkeit der Verursachung einer Bestandsgefährdung sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass durch staatliche Maßnahmen der Eintritt der Unternehmenskrise verhindert werde85, denn ein staatliches Einschreiten steht nur im Falle angenommener Systemrelevanz zu erwarten. Für eine teleologische Reduktion könnte schließlich sprechen, dass es in der Gesetzesbegründung unter anderem heißt, repressiv verfolge § 54a KWG den Zweck, im Fall der Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch Unternehmenskrisen die individuell verantwortlichen Personen auf Managementebene haftbar zu machen86. Dies leistet § 54a KWG zwar auch dann, wenn man eine teleologische Reduktion ablehnt. Die Passage könnte aber durchaus so verstanden werden, dass das Herbeiführen der Unternehmenskrise einzig im Falle einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität strafbar sein soll. Eine solche, zu einer teleologischen Reduktion führende Lesart ist möglich, nicht aber zwingend. Gegen sie sprechen weitere, außerhalb der Gesetzesbegründung liegende Umstände. (3) Anhaltspunkte außerhalb der Gesetzesbegründung Zur Begründung einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG dienen Schwerdtfeger auch die Beratungen des Finanzausschusses als Argument, in denen weitgehend die Rede von systemgefährdenden Instituten oder Gruppen gewesen sein soll.87 Dies ist in der Sache zwar richtig88, lässt sich aber zum einen damit erklären, dass die mit einer Systemgefährdung verbundenen Fälle besonders gewichtig sind und daher sowohl im Gesetzgebungsverfahren, als auch ganz allgemein im Zentrum der Diskussion standen. Zum anderen betreffen die von Schwerdtfeger zur Argumentation herangezogenen Äußerungen der Vorsitzenden nicht nur die neuen 84

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. 86 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. 87 Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 339. 88 Vgl. die Ausführungen der Vorsitzenden Reinemund in: Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 2. 85

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Strafvorschriften, sondern auch den originär aufsichtsrechtlichen Teil des Trennbankengesetzes. Im Abschnitt der Experten-Anhörung, der die Strafvorschriften betrifft, fehlt hingegen ein klarer Bezug zu systemrelevanten Instituten.89 Ein Argument dafür, dass der gesetzgeberische Wille sich bei Schaffung des § 54a KWG einzig auf systemrelevante Banken erstreckte, lässt sich der Arbeit des Finanzausschusses daher nicht entnehmen. Gegen eine teleologische Reduktion könnte auch sprechen, dass bereits vor Schaffung des § 54a KWG von Kasiske ein Vorschlag für einen Sondertatbestand im KWG gemacht wurde, der auf das Herbeiführen einer Bestandsgefahr für ein Kreditinstitut abstellte, und dass dieser Vorschlag ausdrücklich auf die Gefährdung systemrelevanter Kreditinstitute beschränkt war.90 Eine solche ausdrückliche Beschränkung hat der Gesetzgeber bei Schaffung des § 54a KWG nicht aufgegriffen. Allerdings ist unklar, ob er den vorhergehenden Vorschlag Kasiskes überhaupt zur Kenntnis genommen hat und in dieser Kenntnis bewusst von einer Übernahme dieser Einschränkung abgesehen hat. Hier lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Von größerem Gewicht für die Ermittlung des gesetzgeberischen Willens hinsichtlich des Adressatenkreises dürfte ohnehin ein anderer Umstand sein. Er liegt darin, dass bereits während des Gesetzgebungsverfahrens auf eine möglicherweise zu weit geratene tatbestandliche Fassung des § 54a KWG hingewiesen wurde.91 Während auf die im selben Atemzug genannten Bestimmtheitsbedenken92 im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG noch reagiert wurde93, hat der Gesetzgeber die Kritik an der im Vergleich zur Entwurfsbegründung auffälligen tatbestandlichen Weite des § 54a KWG nicht aufgegriffen. Der Gesetzgeber wurde also auf einen möglicherweise zu weit gezogenen Tatbestand deutlich hingewiesen und dürfte diesen Hinweis auch zur Kenntnis genommen haben. Trotzdem hielt er an der ursprünglichen Fassung in Bezug auf den Adressatenkreis fest. Ein Übersehen des Problems durch den Gesetzgeber und eine planwidrig zu weit geratene Vorschrift liegen damit fern. cc) Zwischenergebnis Weder die Gesetzesmaterialien, noch sonstige Umstände lassen zweifelsfrei einen Willen des Gesetzgebers erkennen, mit § 54a KWG nur Geschäftsleiter systemrelevanter Institute zu erfassen. Es ist zwar durchaus Raum für eine solche Auslegung 89 Vgl. Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 38 ff. 90 s. Kasiske, ZRP 2011, 137, 139. 91 s. etwa Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868 f.; im Ansatz zuvor auch schon DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 579. 92 Hamm/Richter, WM 2013, 865, 866 f.; DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580. 93 Zur damit möglicherweise verbundenen Ausräumung von Bestimmtheitsbedenken im Einzelnen noch unten S. 204 ff.

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des gesetzgeberischen Willens, zwingend ist sie aber nicht. Infolgedessen muss eine teleologische Reduktion des Adressatenkreises auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute unterbleiben. Die Praxis wird sich am Wortlaut des Tatbestandes zu orientieren haben, der alle Geschäftsleiter unabhängig davon erfasst, ob sie ein systemrelevantes Institut leiten oder nicht. Ob dies sinnvoll ist, mag hier zunächst dahinstehen. 3. Zwischenergebnis zum Adressatenkreis § 54a KWG ist ein echtes Sonderdelikt für Geschäftsleiter. Eine Reduktion des Tatbestandes auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute ist zum einen kaum praktikabel, zum anderen mangels eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens nicht zulässig. Die Frage der Systemrelevanz des in Rede stehenden Instituts ist für § 54a KWG lediglich im Rahmen der Strafzumessung von Bedeutung.

II. Tatverhalten Nicht nur die Bestimmung des Adressatenkreises des § 54a KWG bereitet Schwierigkeiten, sondern auch die Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Der Gesetzesentstehung folgend wird zunächst § 54a Abs. 1 KWG behandelt. Er verzahnt das Strafrecht mit dem Bankenaufsichtsrecht und wirft insbesondere die Frage nach der Wahrung des Bestimmtheitsgebotes auf [1.]. Anschließend soll näher auf § 54a Abs. 3 KWG und die durch ihn erfolgte Verknüpfung der Strafbarkeit mit einer Zuwiderhandlung gegen eine aufsichtsbehördliche Anordnung eingegangen werden [2.]. Schließlich noch ist zur Bestimmung des konkreten Pflichtenkreises jedes einzelnen Geschäftsleiters eine etwaige Relevanz interner Zuständigkeitsverteilungen zu erörtern [3.]. 1. Verwaltungsrechtsakzessorischer § 54a Abs. 1 KWG § 54a Abs. 1 KWG verweist zur Bestimmung der strafbewehrten Geschäftsleiterpflichten auf die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Pflichten, die inhaltlich weitgehend den von der BaFin veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk (BA)) entsprechen. Sie wurden vom Gesetzgeber durch § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zur Wahrung des Gesetzlichkeitsprinzips in Gesetzesrang erhoben [a)]. Aufgrund ihrer aufsichtsrechtlichen Herkunft sind sie durch eine Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe und eine Normstruktur gekennzeichnet, welche mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes in Konflikt geraten [b)]. Die ungewöhnliche Umschreibung des Tatverhaltens als „mangelnde Sorgetragung“ verlangt nach einer inhaltlichen Bestimmung und einer Untersuchung ihrer möglichen Auswirkungen auf die Bestimmtheit des Tatbestandes [c)].

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a) Erhebung in Gesetzesrang weitgehend bereits zuvor bestehender Risikomanagementpflichten § 54a Abs. 1 KWG verweist zur näheren Bestimmung des Tatverhaltens auf die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Geschäftsleiterpflichten bezüglich des Risikomanagements. Diese wurden zusammen mit § 54a KWG durch Artikel 3 des Trennbankengesetzes in das KWG eingeführt.94 Normiert wird in ihnen eine Vielzahl von Anforderungen an Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte, für deren Einhaltung die Geschäftsleiter im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung Sorge zu tragen haben. Diese Mindeststandards konkretisieren die in § 25a KWG allgemeiner umschriebenen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und ein angemessenes Risikomanagement, was vor Einführung der Absätze 4a und 4b des § 25c KWG ausschließlich durch Rundschreiben der BaFin, insbesondere der MaRisk (BA), erfolgte.95 Angestrebt wird im Ergebnis ein umfassender Regelkreislauf von Risikoplanung, Risikoinventur, Risikosteuerung und Risikoüberwachung.96 Dabei betreffen die Vorgaben in § 25c Abs. 4a KWG die Geschäftsleiter einzelner Institute, die Vorgaben in § 25c Abs. 4b KWG hingegen die Geschäftsleiter übergeordneter Unternehmen.97 Die Vorgaben des Aufsichtsrechts gelten rechtsformübergreifend und überlagern gleichsam die unabhängig davon bestehenden gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zur Governance.98 Auf die zahlreichen verschiedenen Pflichten kann an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden.99 In der Entwurfsbegründung heißt es, jedenfalls bei der Verletzung dieser Pflichten sei von gravierenden Missständen im Risikomanagement des betreffenden Instituts auszugehen und die genannten Risikomanage94

Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7. August 2013, BGBl. I S. 3090. 95 Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 112. 96 Vgl. Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508 mit Blick auf § 25a KWG. 97 Zu Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Geschäftsleiter übergeordneter Unternehmen die aufsichtsrechtlich geforderte Gruppen-Governance gesellschaftsrechtlich durchzusetzen Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884, 885 ff. 98 Hierzu sowie zu den sich aus der schrittweisen Rechtsangleichung der Governance der Kreditinstitute ergebenden Spannungen zwischen Gesellschafts- und Aufsichtsrecht Schneider/ Schneider, NZG 2016, 41 ff.; Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 582 ff. 99 Hinsichtlich der Entwicklung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement und Compliance im Finanzmarktrecht sowie bezüglich einzelner Pflichten und Risikoarten sei statt vieler verwiesen auf Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 505 ff.; Beck/ Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 117 ff.; Schwennicke/Auerbach-Langen, § 25c Rn. 68 ff., sowie auf den Überblick von Reuse, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 437 ff., der insbesondere die Parallelen zu § 25a KWG aufzeigt. Da § 25c Abs. 4a und Abs. 4b KWG maßgeblich auf die Maßstäbe des § 25a KWG und die MaRisk (BA) zurückgehen, sei auch verwiesen auf die Darstellungen bei B/F/S-Braun, KWG, § 25a Rn. 93 ff.; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 30 ff., 50 ff.; Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 14 Rn. 31 ff. sowie Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 D Rn. 278 ff.

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mentpflichten seien für ein angemessenes und wirksames Risikomanagement von so grundlegender Bedeutung, dass bei ihrer Missachtung die Stabilität des Instituts in Frage stehe.100 Übergeordnetes Ziel der in Bezug genommenen Regelungen ist dabei die Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, vgl. § 25a Abs. 1 S. 3 KWG. Diese ist sichergestellt, wenn auf Grundlage einer ganzheitlichen Risikoinventur fortlaufend gewährleistet ist, dass wesentliche Risiken durch eine angemessene Haftungsmasse abgedeckt sind.101 Die nunmehr gesetzlich normierten Anforderungen bestanden – wie bereits erwähnt – weitgehend auch schon zuvor. Sie ergaben sich (und ergeben sich immer noch) im Wesentlichen aus § 25a KWG sowie näher aus den Rundschreiben der BaFin zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk (BA)). Diese Verlautbarungen der Verwaltung tragen maßgeblich dazu bei, das Aufsichtsrecht näher zu konkretisieren, indem sie die Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde darlegen.102 Inhaltlich sollte mit der Regelung in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b KWG nach Auffassung des Gesetzgebers keine Neuerung verbunden sein.103 Nur vereinzelt sind Anforderungen geändert worden. So sehen etwa die Regelungen in § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. f, Abs. 4b S. 2 Nr. 3 lit. f KWG vor, dass Stresstests auch für das Gesamtrisikoprofil des Kreditinstituts bzw. auf Gruppenebene durchgeführt werden müssen. Dies entspringt Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens und war auch zuvor in den MaRisk (BA) nicht vorgesehen.104 Die Notwendigkeit der Erhebung der zuvor in den MaRisk (BA) geregelten Risikomanagementvorgaben in Gesetzesrang sieht der Gesetzgeber zutreffend in der Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG.105 Unzureichend für die Strafbewehrung wäre eine alleinige Regelung in den MaRisk (BA) gewesen. Dass sich durch die Regelung in einem förmlichen Gesetz die Reaktionszeit auf sich ändernde Umweltbedingungen erheblich erhöht hat und damit ein Verlust an Dynamik verbunden ist, ist zwar bedauerlich106, bei einer Strafbewehrung der Verletzung von Geschäftsleiterpflichten wegen des Gesetzlichkeitsprinzips aber nicht zu vermeiden. Ob der Gesetzgeber, wie teilweise angenommen, den Bestimmtheitsgrundsatz aber „allenfalls zur Hälfte“ richtig verstanden hat, indem er die Pflichten in Gesetzesrang erhoben hat107, hängt davon ab, ob er die strafbewehrten Pflichten auch hinreichend konkret im Gesetz verankert hat. 100

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Vgl. MaRisk AT 4.1 Tz 1. 102 Vgl. Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 6 m.w.N. 103 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29, 43 f. 104 s. BT-Drs. 17/13523 S. 34, 36. 105 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29, 44. 106 Dies wird beklagt etwa durch Die Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 26. In diese Richtung auch Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 73. 107 So Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 676. 101

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b) Bestimmtheitserfordernis und prinzipienorientiertes Aufsichtsrecht – ein Spannungsfeld Mit der Anknüpfung des § 54a KWG an Vorgaben des Aufsichtsrechts geht die Verwendung einer erheblichen Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe einher [aa)]. Dies macht eine Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Bestimmtheit eines Straftatbestandes erforderlich [bb)]. Da der von § 54a Abs. 1 KWG in Bezug genommene Katalog an Geschäftsleiterpflichten weitgehend prinzipienorientiert ausgestaltet ist [cc)], genügt er für sich genommen dem Bestimmtheitsgebot nicht [dd)]. aa) Verwaltungsrechtsakzessorietät als Einfallstor für unbestimmte Rechtsbegriffe § 54a Abs. 1 KWG stellt aufgrund der Binnenverweisung auf § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG einen Fall der Blankettgesetzgebung im weiteren Sinne dar.108 Er ist, weil er inhaltlich an Pflichten anknüpft, die in Verwaltungsgesetzen festgeschrieben sind, verwaltungsrechtsakzessorisch ausgestaltet.109 Über die Anknüpfung an verwaltungsrechtliche Pflichten ist er zugleich Einfallstor für verwaltungsrechtliche Begrifflichkeiten. § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG fordert das Vorhandensein gewisser Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte im Bereich des Risikomanagements. Diese werden in der Folge in einem ausführlichen Katalog beschrieben. In Gesetzesrang erhoben wurden allerdings nur die nach Ansicht der Bundesregierung wesentlichen Geschäftsleiterpflichten hinsichtlich des Risikomanagements mit dem Ziel der Normierung eines „Mindeststandards“110. Trotz dieser Beschränkung ist der Pflichtenkatalog in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG sehr umfangreich geraten. Er erstreckt sich im Bundesgesetzblatt über fünf Spalten und umfasst 38 typographische Absätze mit rund 11.000 Satzzeichen, was manche Autoren dazu verleitet hat, von § 54a Abs. 1, Abs. 2 KWG als „extremen Blankettnormen“111 und von einer „Schrotschusstechnik“ zu sprechen, mit der möglichst alle Eventualitäten erfasst 108 So auch Goeckenjan, wistra 2014, 201, 202; Schröder, WM 2014, 100, 102 („Unterfall der Blankettstrafgesetzgebung“). 109 Im Rahmen der Verwaltungsakzessorietät lassen sich drei Formen entsprechend der jeweiligen Anknüpfung unterscheiden: Die begriffliche Verwaltungsakzessorietät, die Verwaltungsrechtsakzessorietät und die Verwaltungsaktsakzessorietät, s. BeckOK-StGB-Witteck, Verwaltungsakzessorietät, Rn. 3 ff.; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 202 ff. Grundlegend zu verweisungsbedingter Akzessorietät bei Straftatbeständen Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, passim; zur Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, passim. 110 So mehrfach in RegE BT-Drs. 17/12601, etwa S. 5, 29 f., 43 f. 111 Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 84; ähnlich Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 125 („exzessive Blanketttechnik“).

C. Tatbestand

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werden sollen112. In der Tat versteht der Gesetzgeber den strafbewehrten Mindeststandard zumindest in quantitativer Hinsicht sehr weit. Die ausführliche Auflistung der verschiedenen Risikomanagementpflichten vermag dabei den Eindruck der Unbestimmtheit keineswegs von vornherein zu beseitigen, denn es ist nicht der Umfang eines Tatbestandes, der zu seiner Bestimmtheit führt, sondern dessen inhaltliche Präzision. Zudem schränken die äußerst umfangreichen Kataloge in § 25c Abs. 4a und Abs. 4b S. 2 KWG die Lesbarkeit der Norm, die aufgrund der Verweisungstechnik ohnehin bereits erschwert ist, noch einmal deutlich ein. Der von § 54a KWG in Bezug genommene Pflichtenkatalog ist von äußerst unscharfen Begriffen geradezu durchzogen. Lediglich beispielhaft seien einige wenige Erfordernisse aufgegriffen: Es bedarf einer „konsistenten Risikostrategie“, „Notfallkonzepten“ für Notfälle „in zeitkritischen Aktivitäten“ und einer „klaren Abgrenzung von Verantwortungsbereichen“. Die Liste derart schwammiger Begriffe ließe sich problemlos fortsetzen.113 Aber nicht nur erfolgt die Beschreibung dessen, was der Sache nach verlangt wird, mithilfe äußerst unscharfer Begrifflichkeiten. Erschwerend tritt hinzu, dass die einzurichtenden Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte häufig auch „angemessen“ sein müssen. Das Erfordernis der „Angemessenheit“ stellt ein den Pflichtenkatalog durchziehendes Element dar, es wird allein in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG 16 Mal verwendet. So müssen Risikoberichte etwa in „angemessenen Abständen“ getätigt werden, es müssen „angemessene Stresstests“ erfolgen, es muss eine „angemessene personelle und technisch-organisatorische Ausstattung“ gewährleistet sein und es müssen „angemessene Notfallkonzepte“ vorhanden sein. Die „angemessenen Stresstests“ müssen dabei – als wäre dies nicht unscharf genug – (nur) für die „wesentlichen Risiken“ durchgeführt werden. Die Rede ist auch von „wesentlichen Geschäftsaktivitäten“, „wesentlichen Beeinträchtigungen der Vermögenslage“, „wesentlichen Prozessen“ sowie „wesentlichen Risiken“ – allein 14 Mal wird der Begriff „wesentlich“ in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verwendet. Doch was trennt Wesentliches von Unwesentlichem, Angemessenes von Unangemessenem? Die Angemessenheit ist ebenso abhängig vom jeweiligen Institut wie die Wesentlichkeit. Inhaltlich rekurriert der Begriff der Angemessenheit auf den Grundsatz der doppelten Proportionalität.114 Eine zentrale Begriffsdefinition dessen, was wesentlich sein soll, fehlt.115 Sie kann es wohl auch nicht geben, da sie vom jeweiligen Institut abhängig ist. Wenn der Gesetzgeber meint, durch § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG einen „konkreten Mindeststandard“116 an Risikomanagementpflichten normiert zu haben, 112 113

86. 114 115 116

Goeckenjan, wistra 2014, 201, 202. s. die Auflistung bei Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 51. Näher hierzu Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 42. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29.

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so ist dies eine beschönigende Sichtweise, denn wirklich konkrete Verhaltenspflichten lassen sind nur sehr wenigen der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG gemachten Vorgaben entnehmen. Soweit überhaupt konkrete Pflichten formuliert werden, sind diese in der Folge oftmals wieder flexibel ausgestaltet. Beispielhaft erwähnt sei § 25c Abs. 4a Nr. 3d KWG, wonach mindestens vierteljährlich gegenüber der Geschäftsleitung über die Risikosituation einschließlich einer Beurteilung der Risiken berichtet werden muss. Diese zunächst präzise Vorgabe wird dadurch relativiert, dass vorrangig gilt, dass „in angemessenen Abständen“ berichtet werden muss. Die feste Vierteljahresfrist stellt damit zwar eine Mindestanforderung dar, ihre Einhaltung bedeutet im Einzelfall aber nicht zwingend, dass der Risikomanagementpflicht genügt wird. Eine mangelnde Bestimmtheit des § 54a KWG wurde vor diesem Hintergrund wenig überraschend bereits während des Gesetzgebungsverfahrens und in ersten Stellungnahmen des Schrifttums gerügt.117 In ihnen heißt es etwa, § 54a Abs. 1 KWG zeichne sich durch die „exzessive Verwendung vollkommen konturloser, denkbar unbestimmter Schlagworte“118 aus; weder der genaue Inhalt der Zielvorgaben, noch die Weise, das jeweilige Ziel zu erreichen, könne den Vorschriften entnommen werden119 ; die „nahezu unüberschaubaren Pflichtenkataloge“ seien „kaum justiziabel“120 und man hätte die Norm „unbestimmter kaum fassen können“121. Dieser Vorwurf zwingt zu einer näheren Erörterung dessen, was Art. 103 Abs. 2 GG an Bestimmtheit tatsächlich fordert. bb) Anforderungen an die Bestimmtheit eines Strafgesetzes Das spezifische Anliegen des Art. 103 Abs. 2 GG ist die besondere rechtliche Ordnung staatlichen Strafens.122 Er enthält neben dem Analogieverbot, dem Verbot von Gewohnheitsrecht und dem Rückwirkungsverbot insbesondere ein striktes Bestimmtheitsgebot.123 Diese Garantien verfolgen einen doppelten Zweck124 : Ei117 Kritik durch DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580; Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 23; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 867; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Kasiske, ZIS 2013, 257, 261; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101 f.; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 675. Skeptisch auch Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG, Rn. 3 f.; Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 38, 40; Theile, in: Berndt/ Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 125; im Grundsatz auch Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 145. Eine mangelnde Bestimmtheit wurde auch durch die Sachverständigen im Finanzausschuss mehrfach hervorgehoben, vgl. Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 44. 118 Hamm/Richter, WM 2013, 865, 867. 119 Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101. 120 Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 125. 121 Brand, ZVglRWiss 113 (2014) 142, 145. 122 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 164. 123 St. Rspr, s. aus neuerer Zeit BVerfGE 126, 170, 194; 130, 1, 43.

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nerseits geht es um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten, das heißt jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Art. 103 Abs. 2 GG hat insofern freiheitsgewährleistende Funktion. Andererseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung festzulegen. Beide Aspekte sind bei § 54a KWG problematisch. Der zweite Aspekt, das heißt die Frage, ob der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären, bei § 54a KWG genügt hat, wird im Zusammenhang mit § 54a Abs. 3 KWG noch ausgiebig zu behandeln sein.125 Für § 54a Abs. 1 KWG wurde diesem Erfordernis durch die Schaffung des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und der damit verbundenen Erhebung vormals in den MaRisk (BA) enthaltener Pflichten in Gesetzesrang zumindest formal Rechnung getragen, auch wenn Zweifel geäußert werden dürfen, ob sich der Gesetzgeber angesichts der weitgehend unverändert aus dem Aufsichtsrecht übernommenen Regelungen inhaltlich auch nur in Ansätzen mit selbigen auseinandergesetzt hat.126 Mit Blick auf § 54a Abs. 1 KWG ist in erster Linie zweifelhaft, ob der Vorhersehbarkeit, sprich dem Erfordernis der Normenklarheit, genügt wurde. Der Blankettcharakter des § 54a Abs. 1 KWG hat schließlich zur Folge, dass neben dem Blankettgesetz auch die dieses Blankett ausfüllenden Vorschriften den sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen unterliegen.127 Denn das bei Androhung von Strafe verbotene Verhalten ergibt sich erst aus einer Zusammenschau des Blankettstraftatbestandes und der ihn ausfüllenden Vorschriften. Konkret gesprochen: Auch die in Bezug genommenen Regelungen des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG müssen den Anforderungen aus Art. 103 Abs. 2 GG genügen. Die insoweit bestehenden Anforderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen128: Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Rechtsvorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf

124

St. Rspr., s. nur BVerfGE 126, 170, 194 f. m.w.N. Dazu unten S. 208 ff. 126 Zu Recht kritisch Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 86, der die „bloße Verlagerung von langer Verwaltungslyrik in das Bundesgesetzblatt“ als „Scheinerfüllung des Gesetzesvorbehaltes“ bezeichnet. 127 Vgl. BVerfGE 37, 201, 209; BVerfG NJW 2011, 3778, 3779. I. E. auch Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 366 f., der dieses Erfordernis indes aus der Funktion des Verweisungsmerkmals ableitet. Kritisch hingegen Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 184 ff., nach dem die in Bezug genommene Verhaltensnorm nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG unterfalle. 128 Näher insbesondere zum Gebot der Normenklarheit im Kontext verweisender Straftatbestände Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 349 ff. 125

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

den Normzweck möglich ist (Grundsatz der Normenklarheit).129 Allerdings muss er auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden.130 Es ist daher nicht erforderlich, jeden Straftatbestand bis ins Letzte auszuführen, da sonst die Gefahr bestünde, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten; der Gesetzgeber darf sich vielmehr auf die wesentlichen für die Dauer gedachten Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe beschränken.131 Er ist nicht gezwungen, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit unmittelbar in ihrer Bedeutung für jedermann erschließbaren deskriptiven Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben; das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln im Strafrecht nicht von vornherein aus.132 Eine allgemeine Aussage über den nötigen Grad der Bestimmtheit eines Straftatbestandes ist dabei nicht möglich, zu beachten sind immer die Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestandes einschließlich der Umstände, die zu der gesetzlichen Regelung führen.133 Dabei muss der Gesetzgeber einerseits die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist134, andererseits darf er aber auch den Kreis der Normadressaten (und deren etwaiges Sonderwissen) berücksichtigen.135 Der Unvermeidbarkeit von Randunschärfen kann in Grenzfällen ausnahmsweise dadurch begegnet werden, dass lediglich das Risiko einer Bestrafung erkennbar ist.136 Die Rechtsprechung ist dabei gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen.137 Ob der Blanketttatbestand des § 54a Abs. 1 KWG mit seiner Anknüpfung an die Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG diesen Anforderungen genügt, ist auf erste Sicht zweifelhaft und verlangt nach einer näheren Betrachtung der Normstruktur, die den Eindruck mangelnder Bestimmtheit unweigerlich vermittelt. cc) § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als prinzipienorientiertes Aufsichtsrecht Die Kritik an der Unbestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG findet ihren tieferen Grund darin, dass das von § 54a Abs. 1 KWG in Bezug genommene Aufsichtsrecht 129 130 131 132 133 134 135 136 137

BVerfGE 93, 213, 238. BVerfGE 28, 175, 183; 47, 109, 120; 126, 170, 195. Vgl. BVerfGE 14, 245, 251; 126, 170, 195. BVerfGE 48, 48, 56 f.; 126, 170, 196. BVerfGE 28, 175, 183; 126, 170, 196. BVerfGE 14, 245, 251; 75, 329, 342; 126, 170, 196. BVerfGE 48, 48, 57; 126, 170, 196. Vgl. BVerfGE 92, 1, 12; 126, 170, 196. BVerfGE 126, 170, 198 f. (Präzisierungsgebot).

C. Tatbestand

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weitgehend prinzipienorientiert ausgestaltet ist. Das heißt, Strukturmerkmal der in Bezug genommenen Regelungen ist es, dem Beaufsichtigten unter Rückgriff auf unbestimmte Rechtsbegriffe und der Formulierung gesetzgeberischer Ziele und Erwartungen bewusst einen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung dieser Vorgaben zuzugestehen, den dieser sodann nach pflichtgemäßem Ermessen wahrnimmt.138 Dies und vor allem das daraus resultierende Spannungsverhältnis mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot hat Kasiske überzeugend herausgearbeitet.139 Der Verweis des § 54a Abs. 1 KWG beziehe sich auf Normen der qualitativen Bankenaufsicht und damit auf Normen, die nicht nur einen Regel-, sondern vor allem auch einen Prinzipiencharakter aufweisen würden. Die Offenheit und Unbestimmtheit der in Bezug genommenen Vorschriften sei dabei nicht Ausdruck schlechten gesetzgeberischen Handwerks, sondern gewollt und im Aufsichtsrecht durchaus sinnvoll. Ein prinzipiengeleitetes Aufsichtsrecht schreibe dem Adressaten nicht nur Regeln vor, sondern formuliere auch Prinzipien, die Zielvorgaben und Erwartungen vermitteln würden, wobei dem Normadressaten Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung eingeräumt würden. Es erweise sich dabei als flexibel und ermögliche eine Feinsteuerung des Risikomanagements im Wege des trial and error; die Zielvorgaben des Gesetzes würden durch Dialog und Kooperation der Institute mit der Bankenaufsicht konkretisiert. Diese Regelungstechnik trage der hohen Dynamik der Finanzmärkte sowie der großen Vielfalt der zu beaufsichtigenden Institute Rechnung. Sie eröffne den Adressaten erhebliche Gestaltungsspielräume, die diese unter Einbeziehung der Aufsichtsbehörde eigenverantwortlich auszufüllen hätten. Dieser Befund ist zutreffend und wirft unweigerlich die Frage auf, ob ein solches Regelungskonzept vom Strafrecht in Bezug genommen werden kann. Kasiske sieht in den prinzipienorientierten Normen des Aufsichtsrechts keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für Strafvorschriften. Der Gesetzgeber habe durch § 54a KWG strafrechtsdogmatisches Neuland betreten, was im Ergebnis dazu führe, dass die prinzipienorientierten Normen des Bankenaufsichtsrechts mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot in Konflikt gerieten. Mit der offenen und flexibel ausgerichteten qualitativen Bankenaufsicht gehe ein Verlust an Rechtssicherheit einher, der für das Aufsichtsrecht durchaus tragbar, für das Strafrecht hingegen fatal sei. Aufsichtsrechtliche Normen könnten, soweit sie Prinzipiencharakter aufweisen, nicht als strafgesetzliche Tatbestandsmerkmale herangezogen werden.140 138 Vgl. Kasiske, ZIS 2013, 257, 258 f. m.w.N. Ausführlich zu regelorientierten Regelungsstrategien im Finanzaufsichtsrecht einerseits und prinzipienorientierten Regelungsstrategien andererseits Wundenberg, Compliance, S. 37 ff. Zur Entwicklung und zu Charakteristika prinzipienorientierter Organisationsanforderungen für Institute Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 14 Rn. 7 ff. 139 Kasiske, ZIS 2013, 257, 258 ff. m.w.N. Die nachfolgenden Ausführungen sind dieser Passage entnommen. 140 s. Kasiske, ZIS 2013, 257, 258 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Die von Kasiske formulierte Kritik an der Unbestimmtheit und die für sie ausgemachten Gründe entsprechen der nahezu einhelligen Meinung im Schrifttum.141 Auch der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 54a KWG die infolge der Strafbewehrung erhöhten Anforderungen an die gesetzlich bestimmte Ausgestaltung der Geschäftsleiterpflichten zutreffend erkannt.142 Er glaubt, diesen Anforderungen durch die Normierung eines einheitlichen gesetzlichen Mindeststandards an Geschäftsleiterpflichten Rechnung getragen zu haben.143 Die Erkennbarkeit des strafbewehrten Verhaltens spricht er allerdings nicht direkt an. Angesichts des Umstands, dass die konkreten Anforderungen an das Risikomanagement von Institut zu Institut unterschiedlich sind, weist er lediglich darauf hin, dass die Pflichten der Geschäftsleiter „institutsbezogen“ auszulegen seien144. Die Möglichkeit einer Präzisierung der Geschäftsleiterpflichten durch eine institutsbezogene Auslegung wird im Schrifttum allerdings bezweifelt. Der in Bezug genommene Pflichtenkatalog enthalte schließlich nicht nur schlicht unbestimmte Begriffe, sondern es handele sich um prinzipiengeleitete Normen, für die es keinen allgemeinen objektiven Maßstab gebe – bei ihnen müsse der geltende Maßstab für den Einzelfall jeweils erst entwickelt werden, gegebenenfalls im Dialog mit den Aufsichtsbehörden.145 Es sei also gar nicht möglich, im Vorhinein den konkret erforderlichen Pflichtenumfang allein durch Auslegung zu bestimmen. Der Pflichtenkreis, das heißt der genaue Inhalt der Zielvorgaben für das einzelne Institut, und 141 Frühe Kritik bereits durch DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580; Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 23; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 867; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 675. Sie riss auch in der Folge nicht ab, s. Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 203; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 118 ff.; Volk, in FS Schiller 2014, S. 672, 676 Fn. 10; Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 328; Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 86 f.; Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 11 f.; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 7; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 131. Kritisch auch Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 145, der die Bestimmtheitsbedenken aber durch eine enge Lesart des § 54a Abs. 1 KWG und durch die Umschreibung des Tatverhaltens als „Sorgetragung“ als ausgeräumt ansieht (a.a.O. S. 150 f.). Ob dem gefolgt werden kann, soll noch erörtert werden (unten S. 198 f.). Schröder, WM 2014, 100, 104, hingegen sieht eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes durch § 54a Abs. 1 KWG keineswegs als sicher an und meint, es hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine restriktive und verfassungskonforme Auslegung etabliert. Dem Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit widersprechend indes B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 6, der unter anderem darauf hinweist, dass lediglich in zwei Fällen (§ 25c Abs. 4a Nr. 3 f und 6 sowie Abs. 4b Nr. 3 f und 6) das unbestimmte Adjektiv „angemessen“ verwendet werde, ohne dass dies weiter qualifiziert werde. Eine Unbestimmtheit bereits deswegen ablehnend, weil der strafrechtliche Gesetzlichkeitsgrundsatz nicht für die Primärnorm gelte, Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 222. 142 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29, 44. 143 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. 144 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Dies aufgreifend Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 113. 145 Kasiske, ZIS 2013, 257, 260.

C. Tatbestand

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auch der Weg zu deren Erreichung werde in der Praxis erst im Dialog zwischen dem Bankmanagement und der BaFin festgelegt, indem Gespräche geführt und bankintern vorgenommene Risikobeurteilungen und entwickelte Strategien durch die BaFin überprüft würden.146 Dabei würden die Anforderungen überdies einem ständigen Wandel unterliegen, die Anforderungen an das Risikomanagement würden parallel zu der Entwicklung der Geschäftstätigkeit bzw. der Risikostruktur des Instituts fortentwickelt.147 Der exakte Inhalt eines angemessenen Risikomanagements stehe daher nicht als objektives Faktum fest, sondern stelle sich als wandelbares Ergebnis eines Entwicklungsprozesses dar, der stetig fortschreite.148 Neben dieser inhaltlichen Wechselhaftigkeit der Anforderungen sei es dem prinzipienorientierten System auch immanent, dass die Zielvorgaben nicht von vornherein umfassend erfüllt würden, sondern im Bedarfsfall eine Korrektur durch die BaFin stattfinden müsse.149 dd) Unbestimmtheit der Vorgaben in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG Die vorstehenden Ausführungen legen eine nicht ausreichende Bestimmtheit der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verwendeten Begriffe zwar nahe. Die skizzierten, im Schrifttum angestellten Überlegungen bedürfen allerdings der Überprüfung. Denn wie dargelegt kann es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gerade die Vielgestaltigkeit der zu regelnden Materie erfordern, wertausfüllungsbedürftige Begriffe bis hin zu Generalklauseln auch im Strafrecht zu verwenden. Aufgrund der Verschiedenheit der Institute in Bezug etwa auf Größe, Vernetzung, Risikogeneigtheit und Geschäftsfeld könnte hier in mustergültiger Weise ein Lebensbereich betroffen sein, in dem der Gesetzgeber gerade nicht gezwungen ist, jeden Straftatbestand bis ins letzte Detail auszuführen. Eventuell könnte sich der Gesetzgeber bei § 54a KWG in zulässiger Weise darauf beschränkt haben, die wesentlichen für die Dauer gedachten Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Maß der Strafe zu normieren und unter Inkaufnahme unvermeidbarer Randunschärfen wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar zu machen. So wurde in der bisherigen Diskussion nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich § 54a KWG als Sonderdelikt an einen eng umgrenzten Personenkreis richtet. Die Geschäftsleiter sind über die Vorschriften das Risikomanagement betreffend in der Regel informiert. Zumindest darf eine entsprechende Kenntnis von ihnen erwartet werden. Das Risikomanagement als Leitungsaufgabe ist essentieller Bestandteil ihrer täglichen Arbeit. Dennoch bedeutet dieses Sonderwissen hinsichtlich der Bestimmtheit keinen Freischein für die Ausgestaltung eines Straftatbestandes, der an Verfehlungen im Bereich des Risikomanagements anknüpft. Erforderlich ist, dass 146 147 148 149

Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102. Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102. Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102. Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102.

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der Normadressat aufgrund seines Fachwissens im Stande ist, den Regelungsinhalt der verwendeten Begriffe zu verstehen und ihnen konkrete Verhaltensanweisungen zu entnehmen.150 Auch unter Berücksichtigung des Sonderwissens der Geschäftsleiter lassen sich § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG nur schwerlich konkrete Verhaltensanweisungen für das Risikomanagement entnehmen.151 Wenn es im Schrifttum teilweise heißt, es hätte sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit eine restriktive und in diesem Sinne verfassungskonforme Auslegung etabliert“152, so überzeugt dies nicht, denn es ist unklar, wie sich eine solche verfassungskonforme Auslegung hätte etablieren sollen. Eine Besonderheit der durch § 54a KWG erfassten Sachverhalte ist, wie dargelegt, deren Vielgestaltigkeit. Die Bandbreite an Instituten ist gerade bei Ablehnung einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute153 derart groß und die Institutsstrukturen, der Geschäftsumfang und die Betätigungsfelder sind derart unterschiedlich, dass die Vorgaben des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG kaum über den Einzelfall hinaus präzisiert werden können. Allgemein anerkannte Vorgaben etwa an Geschäfts- und Risikostrategien, Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, an Notfallkonzepte und Stresstests lassen sich angesichts der Diversität der vom KWG erfassten Institute nicht formulieren.154 Was angemessen und was wesentlich ist, was eine konsistente Risikostrategie ist, lässt sich jeweils nur im Hinblick auf das konkrete Institut bestimmen und ist selbst in Bezug auf dieses ständigen Veränderungen unterworfen. Dies kommt deutlich auch in § 25a Abs. 1 S. 4 KWG zum Ausdruck, wenn es dort heißt, dass die Ausgestaltung des Risikomanagements von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstätigkeit abhängt und dass die Angemessenheit und Wirksamkeit vom Institut regelmäßig zu überprüfen ist.155 Die vom Gesetzgeber geforderte institutsbezogene Auslegung ist vor diesem Hintergrund nicht zu leisten und löst das Bestimmtheitsproblem nicht. Selbst wenn die Rechtsprechung, die ein Präzisierungsgebot trifft156, einzelfallbezogen entscheiden würde, wie die in Rede stehenden Begriffe auszulegen sind, würden sich daraus keine verallgemeinerungsfähigen Präzisierungen ergeben, die dazu führen könnten, den Vorschriften für zukünftige Sachverhalte konkrete Verhaltensanweisungen zu entnehmen.

150

s. BVerfGE 48, 48, 57; vgl. auch BVerfG NJW 1987, 3175, 3176. So auch Hanten, Börsen-Zeitung v. 2. 3. 2013, S. 13; Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 40. 152 Schröder, WM 2014, 100, 104, der aber selbst einräumt, dass einer derartigen Lösung immer ein Rest Unsicherheit innewohnt. 153 Zu den Gründen der Ablehnung einer solchen oben S. 174 ff. 154 Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 54a Rn. 3. 155 Dass das Risikomanagement dem jeweiligen Institut angepasst sein muss, ist ein Element des Grundsatzes der doppelten Proportionalität, vgl. Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 32. 156 BVerfGE 126, 170, 198 f. 151

C. Tatbestand

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Zwar hat der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG durchaus erkannt. Er hat daraus bei § 54a Abs. 1 KWG allerdings nicht die richtigen Konsequenzen gezogen, sondern zumindest in der Entwurfsfassung einen Straftatbestand geschaffen, der dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht genügt. Der beiläufige Verweis auf eine (nicht mögliche) institutsbezogene Auslegung hilft hier nicht. Keine Hilfe stellt auch die nähere Konkretisierung der Vorgaben zum Risikomanagement durch die MaRisk (BA) dar. Die in ihnen enthaltenen Vorgaben sind nicht nur selbst in erheblichem Maße unbestimmt, sodass auch bei ihrer Mitbetrachtung die Erkennbarkeit strafbewehrten Verhaltens oftmals noch zweifelhaft sein dürfte. Sie sind vor allem untergesetzliche, lediglich verwaltungsintern wirkende Bestimmungen, die nicht dem Vorbehalt des Gesetzes genügen und daher zumindest nicht direkt für eine Strafbegründung herangezogen werden können. Sie können für die Bestimmung strafbaren Verhaltens allenfalls mittelbar über § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG Bedeutung erlangen. Die Bedeutung der MaRisk (BA) für die Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit liegt dann allerdings nicht darin, dass im Falle eines Verstoßes gegen sie ein strafrechtlich relevantes Verhalten gegeben sein muss oder ihnen deutlich entnehmbar wäre, welches Verhalten bei Strafe bedroht ist. Strafrechtliche Risiken gemäß § 54a KWG bestehen allein dann, wenn gegen die Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verstoßen wird. Die MaRisk (BA) können allenfalls dadurch Bedeutung für § 54a KWG erlangen, dass eine Strafbarkeit regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn ihren Anforderungen genügt wird.157 Allerdings sollte die Einhaltung der MaRisk (BA) nicht pauschal als safe harbour mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit erachtet werden, weil sie jedenfalls nicht bindend sind hinsichtlich der Frage, ob gegen Vorgaben des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verstoßen wurde oder nicht.158 Der Verweis auf eine institutsbezogene Auslegung löst, wie dargelegt, zwar nicht das Bestimmtheitsproblem. Er zeigt aber das Dilemma auf, in dem sich der Gesetzgeber befindet, wenn er eine strafrechtliche Verantwortung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten knüpfen möchte: Einerseits muss er abstrakt-generell die Strafbarkeit in hinreichend bestimmter Art und Weise normieren (dies hat er mit § 54a Abs. 1 i.V.m. § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG versucht), andererseits sieht er sich einer Vielzahl von Lebenssachverhalten unterschiedlicher Ausprägung gegenüber, die eine hinreichend präzise und zugleich allgemeinverbindliche Regelung nahezu unmöglich machen (daher sein Ruf nach einer institutsbezogenen Auslegung). Ist weder eine aus sich heraus hinreichend präzise Regelung, noch eine präzisierende Auslegung möglich, so ist das dahinterstehende Dilemma für den Gesetzgeber aber keine Rechtfertigung für die Formulierung unbestimmter Straf157

Zu diesem tatbestandsausschließenden Charakter Momsen, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 26 Rn. 22. 158 Zu Recht im Konjunktiv formulierend daher Momsen, in: Rotsch, Criminal Compliance, § 26 Rn. 22.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

tatbestände – auch nicht im Wirtschaftsstrafrecht. Derartige Schwierigkeiten müssen vielmehr mahnen, dem Strafrecht im Wirtschaftsleben nur dort einen legitimen und erfolgversprechenden Platz zuzuweisen, wo den Bestimmtheitserfordernissen Genüge getan werden kann.159 Abschließend sei noch auf einen weiteren in der Literatur vorgetragenen Begründungsansatz zur Annahme mangelnder Bestimmtheit des § 54a KWG eingegangen. Er stellt darauf ab, dass durch § 54a KWG ein kasuistisch geformter, äußert umfangreicher Katalog an Vorgaben in Bezug genommen wurde. Angesichts dessen heißt es, § 54a KWG sei ein Beispiel des bislang nicht genügend beachteten Problemfeldes der „Unterbestimmtheit durch Überbestimmtheit“, denn er lasse in seiner Ausführlichkeit die eigenständige handlungsleitende Aussage des Gesetzgebers nur noch schwer erkennen.160 Sicher trägt neben der Verweisungstechnik der Umfang der durch § 54a KWG in Bezug genommenen Vorgaben nicht gerade zur Lesbarkeit der Strafnorm bei. Die Annahme einer „Unterbestimmtheit durch Überbestimmtheit“ dürfte aber – falls man sie überhaupt für möglich hält – jedenfalls in Bezug auf § 54a KWG fehlgehen, denn es ist vorliegend nicht die Vielzahl an für sich genommen bestimmten Vorgaben und deren Detailgrad, die zu seiner Unbestimmtheit führen, sondern die weitgehend prinzipienorientierte Ausgestaltung der Vorgaben zum Risikomanagement, die klare Ge- und Verbote vermissen lässt und einer präzisierenden Auslegung nicht zugänglich ist. Es fehlt mithin schon an einer Situation, die eine sogenannte Überbestimmtheit begründen könnte. Dann aber kann die Unterbestimmtheit nicht auf eine solche zurückgeführt werden. ee) Zwischenergebnis Die vielfach formulierte Kritik an der Bestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG hinsichtlich der Anknüpfung an aufsichtsrechtliche Bestimmungen und Begrifflichkeiten ist berechtigt. Zwar hat der Gesetzgeber die Bestimmtheitsproblematik erkannt, welche durch eine unveränderte Übernahme aufsichtsrechtlicher Regelungen in das Strafrecht entsteht. Er hat ihr aber bei der Ausgestaltung des § 54a Abs. 1 KWG nicht hinreichend Rechnung getragen. Es entsteht der Eindruck, der Gesetzgeber habe über das Instrument der Blankettstrafgesetzgebung versucht, möglichst schnell und einfach einen neuen Straftatbestand zu kreieren. Das Spannungsverhältnis der beiden Regelungskomplexe Aufsichts- und Strafrecht, welches in der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Normen zum Ausdruck kommt (Zielvorgaben, Prinzipienorientierung und Flexibilität auf der einen, konkrete Ge- und Verbote sowie Vorhersehbarkeit auf der anderen Seite), hat der Gesetzgeber unterschätzt. Dies mag auch der Eile des Gesetzgebungsverfahrens geschuldet sein, ändert an dem Befund der Unbestimmtheit indes nichts.

159 160

So zu Recht Prittwitz, in: Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 53, 60. SK-StGB-Rudolphi/Jäger, § 1 Rn. 13a.

C. Tatbestand

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Obschon mit der Anknüpfung an die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG eine problematische Unbestimmtheit verbunden ist, könnte diese auf zwei Arten noch beseitigt werden: Zum einen durch die in der verabschiedeten Fassung verwendete Formulierung des Tatverhaltens als „mangelnde Sorgetragung“, zum anderen durch die gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens noch kurzfristig eingefügte zusätzliche Hürde des § 54a Abs. 3 KWG. Ob durch diese beiden Elemente der Vorwurf der Unbestimmtheit ausgeräumt werden kann, bedarf weiterer Erörterung, wobei mit der Umschreibung des Tatverhaltens als Sorgetragung begonnen werden soll.161 c) Verhaltensumschreibung des „nicht Sorge tragen“ Eine Strafbarkeit nach § 54a KWG setzt nach dessen Absatz 1 voraus, dass der Täter „nicht dafür Sorge trägt“, dass das Institut oder die Gruppe über die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG genannten Risikomanagementeinrichtungen verfügt. Auch die in Bezug genommenen Vorschriften stellen auf eine mangelnde Sorgetragung ab. Die Reichweite dieser im Strafrecht ungewöhnlichen Formulierung ist bislang ungeklärt.162 Sie wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gefunden, nachdem an der Formulierung der Entwurfsfassung Kritik geübt worden war. Die mangelnde Sorgetragung bedeutet ein Unterlassen des Geschäftsleiters [aa)]. Im Vergleich zur Sicherstellungspflicht aus der Entwurfsfassung ist mit der Verhaltensumschreibung des „nicht Sorge tragen“ eine inhaltliche Restriktion verbunden [bb)]. An der aus der Anknüpfung an die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG folgenden Unbestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG vermag die verwendete Formulierung indes nichts zu ändern [cc)]. aa) „Nicht Sorge tragen“ als Unterlassen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verlangen eine Sorgetragung der Geschäftsleiter, an deren Missachtung § 54a KWG anknüpft. Eine Missachtung der Geschäftsleiterpflichten ist zum einen denkbar durch das gänzliche Unterlassen der Implementierung vorgeschriebener Maßnahmen, welches unzweifelhaft ein Unterlassen darstellt. Ein solches wird in der Praxis aber kaum anzutreffen sein.163 Häufiger und zugleich problematischer dürfte der Fall sein, dass zwar Risikomanagementstrukturen implementiert sind und sich die Geschäftsleiter insoweit um eine Einhaltung der Vorgaben zum Risikomanagement bemühen, die getroffenen 161 Zu möglichen Auswirkungen des § 54a Abs. 3 KWG auf die Bestimmtheit unten S. 204 ff. 162 Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270. Erste Interpretationsversuche finden sich bei Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 847; Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 148 ff. Eine parallele Formulierung existiert lediglich in § 59 Abs. 1 Nr. 10a LFGB. 163 Kasiske, ZIS 2013, 257, 261.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Maßnahmen im Ergebnis aber unzureichend sind. So ist beispielsweise denkbar, dass Stresstests für die wesentlichen Risiken sowie das Gesamtrisikoprofil zwar vorgesehen sind (§ 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. f KWG), diese aber zu unregelmäßig durchgeführt werden oder aber nicht alle wesentlichen Risiken erfassen. Die Einordnung als Handeln oder Unterlassen ist bei vorhandenen, aber unzureichenden Risikomanagementstrukturen weniger eindeutig, da immerhin Anstrengungen unternommen werden, den Vorgaben zu genügen. Auf die im Einzelnen zur Abgrenzung zwischen Begehung und Unterlassung bemühten Kriterien soll hier nicht näher eingegangen werden.164 Nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit dürfte auch bei einem zwar vorhandenen, aber im Ergebnis unzureichendem Risikomanagement ein Unterlassen vorliegen, denn Anknüpfungspunkt für § 54a KWG ist das mangelhafte Risikomanagementsystem, sprich die Missachtung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG. Es wird also darauf abgestellt, dass erforderliche Maßnahmen im Ergebnis gerade nicht ergriffen werden. § 54a Abs. 1 KWG stellt also stets auf ein Unterlassen der Geschäftsleiter ab.165 Ob dies auch für § 54a Abs. 3 KWG gilt und ob diese Bestimmung überhaupt ein Element des Tatbestandes darstellt, bedarf noch der Klärung. Erst danach kann eine endgültige Einordung des § 54a KWG als Unterlassungsdelikt erfolgen. bb) „Nicht Sorge tragen“ keine Pflicht zur Erfolgsabwendung Im Regierungsentwurf hieß es noch, jeder Geschäftsleiter eines Instituts habe im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation des Instituts nach § 25a Abs. 1 S. 2 KWG sicherzustellen, dass das Institut über dort genannte Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte verfügt.166 Die in Kraft getretene Fassung des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG formuliert abweichend von der Entwurfsfassung, dass die Geschäftsleiter im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung Sorge dafür zu tragen haben, dass das Institut bzw. die Gruppe über die erforderlichen Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte verfügt. Aus der Sicherstellung durch jeden Geschäftsleiter im Rahmen seiner Gesamtverantwortung wurde folglich eine Sorgetragung der Geschäftsleiter im

164

Hierzu im Überblick Roxin, AT II, § 31 Rn. 73 ff., s.a. MüKo-StGB-Freund, § 13 Rn. 4 ff. m.w.N. 165 Ebenso Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 676. 166 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 22, Hervorhebung durch den Verf. Ähnlich hieß es in Bezug auf Gruppen, dass jeder Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Gruppe sicherzustellen hat, dass die Gruppe über die näher bezeichneten Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte verfügt, RegE BT-Drs. 17/12601 S. 23. Der Begriff der Sicherstellung wurde dabei auch in der Entwurfsfassung des § 54a KWG verwandt, RegE BT-Drs. 17/ 12601 S. 24.

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Rahmen ihrer Gesamtverantwortung.167 Parallel hierzu spricht auch § 54a KWG nicht mehr von fehlender Sicherstellung, sondern von mangelnder Sorgetragung. Die Interpretation des Tatverhaltens der Sorgetragung entscheidet maßgeblich über die Reichweite des objektiven Tatbestandes.168 Mit der veränderten Formulierung könnte eine Restriktion des strafrechtlich relevanten Verhaltens gegenüber der Entwurfsfassung verbunden sein. Eine in der geänderten Umschreibung des Tatverhaltens liegende sachliche Änderung wird allerdings teilweise mit dem Argument verneint, es handele sich bei der Sicherstellung und der Sorgetragung um synonyme Verhaltensumschreibungen.169 Dem wird entgegengehalten, dass Sicherstellen etwas anderes bedeute als Sorge tragen. Die ursprüngliche Formulierung der Sicherstellung enthalte eine Erfolgskomponente, welche in Synonymen wie „gewährleisten“ und „garantieren“ zum Ausdruck komme.170 Wenn man indes für die Einhaltung der Vorgaben „Sorge tragen“ müsse, so sei dies eine weniger erfolgsorientierte Formulierung.171 Denn „Sorge tragen“ sei unter anderem gleichbedeutend mit „sich bemühen“.172 An anderer Stelle heißt es, die Ersetzung des Verbs „sicherstellen“ durch die Formulierung „dafür Sorge tragen“ habe zu einer weicheren Formulierung und zu einer Entschärfung des Risikos strafrechtlicher Haftung geführt.173 Dass in der Formulierung einer Sorgetragungspflicht eine gegenüber einer Sicherstellungspflicht abgemilderte Erfolgskomponente liegt, ist zutreffend. Schon der natürliche Wortsinn legt eine abgemilderte Erfolgskomponente nahe. Würde es sich bei den Begriffen Sorgetragung und Sicherstellung um Synonyme handeln, wäre zudem unverständlich, weshalb die Änderung vor der Verabschiedung des Trennbankengesetzes noch vorgenommen wurde. Geschuldet ist nach der hier vertretenen Ansicht zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Sorgetragung also lediglich ein Bemühen zur Einhaltung der Risikomanagementvorgaben, nicht aber zwingend ein Erfolg. Sollte trotz ausreichenden Bemühens das Risikomanagement im Ergebnis unzureichend sein, so hat man zwar Sorge getragen, nicht aber sichergestellt, dass die Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG eingehalten werden. Dies wäre nach der Entwurfsfassung tatbestandsmäßig gewesen, nach der hier zur verabschiedeten Fassung vertretenen Auslegung ist es dies nicht. Diese Auslegung steht auch nicht im 167

Gegenüberstellung in BT-Drs. 17/13523 S. 33 ff. Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270. 169 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 847; ebenso Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 54a Rn. 5. 170 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 148 f. 171 Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 7; ähnlich Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 148 f. 172 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 148 f.; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 131; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 290 („Sich kümmern“ und kein „Gewährleisten“). 173 Schröder, WM 2014, 100, 103. Ähnlich Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 676; Höche, in: Bankrechtstag 2013, S. 3, 23. 168

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, der die Wortlautänderung unbegründet ließ. cc) „Nicht Sorge tragen“ als Förderung der Bestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG? Über eine Abmilderung der inhaltlichen Anforderungen an das Verhalten der Geschäftsleiter hinaus könnte sich die Änderung der Umschreibung des Tatverhaltens aber auch positiv auf die Bestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG ausgewirkt haben. Wie dargelegt werden durch § 54a Abs. 1 KWG die Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG in Bezug genommen und damit Normen, die berechtigte Zweifel an der Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes wecken.174 Die Formulierung, die Geschäftsleiter hätten für die Einhaltung dieser Vorgaben „Sorge zu tragen“, wird teilweise zur Ausräumung von Bestimmtheitsbedenken bemüht.175 Aus der veränderten Formulierung wird dabei gefolgert, dass nur noch eklatante, besonders gravierende Pflichtverstöße, die ihre Pflichtwidrigkeit quasi auf der Stirn tragen, und die (seltenen) Fallgestaltungen, in denen Geschäftsleiter überhaupt keine Anstrengungen unternehmen ihre Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zu erfüllen, für eine Tatbestandserfüllung in Frage kommen.176 Dem kann nicht gefolgt werden. Die Formulierung einer Sorgetragungspflicht anstelle einer Sicherstellungspflicht räumt die sich aus der Inbezugnahme aufsichtsrechtlicher Regelungen resultierenden Bestimmtheitsbedenken nicht aus. Zwar stellt eine Sorgetragungspflicht inhaltlich weniger strenge Anforderungen auf als eine Sicherstellungspflicht. In welchem Maße dies den Geschäftsleiter im Einzelfall entlastet bleibt aber unklar. Die weithin unbestimmten Zielvorgaben in Bezug auf das Risikomanagement müssen angesichts einer Sorgetragungspflicht zwar nicht zwingend eingehalten werden, sondern es ist lediglich ein Bemühen, ein Anstrengen im Hinblick auf ihre Einhaltung erforderlich. In welchem Maße ein solches Bemühen erforderlich ist, um nicht tatbestandsmäßig zu handeln, bleibt aber im Dunkeln. Den Vorwurf der Unbestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG hat die Formulierung einer Sorgetragungspflicht mithin nicht entschärft.177 Sie hat ihn sogar noch verstärkt, da nunmehr nicht nur unklar ist, welche Maßnahmen bezüglich des Risikomanagements im Einzelfall getroffen werden müssen, sondern darüber hinaus auch die Frage offen ist, ab welchem Grad des Bemühens um die Einhaltung der schwammigen Vorgaben

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s. o. S. 184 ff. Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 151. 176 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 151, der damit eine deutliche Parallele zur untreuerechtlichen Behandlung unternehmerischer Entscheidungen gegeben sieht. Gegen ein Evidenzkriterium auch angesichts der Prinzipienorientierung hingegen zu Recht Kasiske, ZIS 2013, 257, 261. 177 So auch Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 87; ähnlich Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 676. 175

C. Tatbestand

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eine Strafbarkeit ausscheidet. Die erfolgsbezogene Sicherstellungspflicht der Entwurfsfassung war insoweit strenger, zugleich aber präziser gefasst. dd) Zwischenergebnis Die in § 54a Abs. 1 KWG gewählte Formulierung des „nicht Sorge tragen“ stellt auf ein Unterlassen des Geschäftsleiters ab. Auch wenn damit im Vergleich zur Entwurfsfassung eine Abmilderung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit verbunden ist, vermag diese geänderte Formulierung am Vorwurf der Unbestimmtheit nichts zu ändern, sondern verstärkt ihn sogar noch. Allein § 54a Abs. 3 KWG könnte an der mangelnden Bestimmtheit des Tatbestandes noch etwas ändern. 2. Ergänzung durch den verwaltungsaktsakzessorischen § 54a Abs. 3 KWG Kurz vor Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde § 54a KWG noch um einen dritten Absatz und § 25c KWG um einen Absatz 4c ergänzt. Beide Änderungen gehen auf eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages zurück.178 Angesichts schon während des Gesetzgebungsverfahrens geäußerter Bedenken gegenüber der hinreichenden Bestimmtheit des geplanten § 54a KWG179 empfahl der Finanzausschuss des Bundestages, die Strafbarkeit von einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen.180 Dies darf als die einschneidenste Änderung gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf gewertet werden.181 Die Kurzfristigkeit der Änderung wurde durch die Fraktion der SPD ausdrücklich bemängelt: Eine fundierte rechtliche Prüfung der durch den Finanzausschuss angestrebten Änderungen sei wegen der großen Eile nicht möglich gewesen.182 Die damaligen Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP allerdings waren davon überzeugt, dass die Verantwortlichen nach der Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG und der Zwischenschaltung der Anordnungsbefugnis der BaFin nun „eine klare Regelung an der Hand“ hätten.183 Ob Letzteres zutrifft, muss noch erörtert werden. 178

BT-Drs. 17/13523 S. 37 f. DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 578, 580; Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 23; Deutsche Bundesbank, Stellungnahme; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 867 f. 180 BT-Drs. 17/13523 S. 38. 181 Ähnlich Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 99. 182 Vgl. BT-Drs. 17/13539 S. 6. Kritik an der gesetzgeberischen Eile auch bei Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 120. Schröder, WM 2014, 100, 101 betont zwar zu Recht, dass der Gesetzgeber nach der Finanzkrise auf die hektische Einführung neuer Strafvorschriften verzichtet habe. Jedoch hat der Gesetzgeber die bis zur Schaffung des § 54a KWG verstrichene Zeit nicht für eine vertiefte Untersuchung sinnvoller Änderungen des Strafrechts genutzt, sondern im Wahljahr 2013 die Schaffung des § 54a KWG binnen kürzester Zeit über das Knie gebrochen und dabei kurz vor Ende des Gesetzgebungsverfahrens ohne vertiefte Diskussionen um die Reichweite der bewirkten Änderungen § 54a Abs. 3 KWG eingefügt. 183 BT-Drs. 17/13539 S. 6. 179

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Zuvor aber ist zu klären, wie § 54a Abs. 3 KWG dogmatisch einzuordnen ist [a)]. Erst danach können seine verfassungsrechtlichen Implikationen untersucht und kann die Frage beantwortet werden, ob er – wie intendiert – den Vorwurf der Unbestimmtheit ausräumen kann [b)]. Angesichts der Anknüpfung an den Erlass eines Verwaltungsakts stellen sich auch verwaltungs(prozess)rechtliche Fragen [c)]. Eines besonderen Augenmerks bedarf die Frage, ob unter Geltung des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (SSM) überhaupt noch eine Zuständigkeit der BaFin für den Erlass von Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG besteht, wie es § 54a Abs. 3 KWG voraussetzt [d)]. a) Dogmatische Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG Mit § 54a Abs. 3 KWG und dem Erfordernis einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung der BaFin wurde eine zusätzliche Hürde auf dem Weg zur Strafbarkeit eingefügt, deren dogmatische Einordnung umstritten ist. Der Gesetzgeber ging davon aus, mit § 54a Abs. 3 KWG einen Strafausschließungsgrund zu schaffen [aa)]. In Betracht gezogen wird teilweise aber auch eine Einordnung als objektive Bedingung der Strafbarkeit [bb)]. Richtigerweise ist § 54a Abs. 3 KWG allerdings Element des Tatbestandes [cc)]. aa) § 54a Abs. 3 KWG als Strafausschließungsgrund? Gemäß § 54a Abs. 3 KWG ist die Tat nur strafbar, wenn die Bundesanstalt dem Täter durch Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG die Beseitigung des Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a KWG oder § 25c Abs. 4b S. 2 KWG aufgegeben hat, der Täter dieser vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt und hierdurch die Bestandsgefährdung herbeiführt. Nach Auffassung des Finanzausschusses soll § 54a Abs. 3 KWG Strafausschließungsgrund sein.184 Strafausschließungsgründe sind solche Umstände, deren Vorliegen die Strafbarkeit ausschließt bzw. deren Nichtvorliegen Voraussetzung der Strafbarkeit ist.185 Sie müssen also fehlen, damit ein an sich rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten bestraft werden kann.186 Das Unrecht ist dabei bereits vollständig durch die restlichen Anforderungen der Strafnorm umschrieben. Eine Einordnung als Strafausschließungsgrund geht allerdings fehl. Einen persönlichen Strafausschließungsgrund kann § 54a Abs. 3 KWG schon deshalb nicht darstellen, weil dies gemäß § 28 Abs. 2 StGB zur Folge hätte, dass bei Fehlen einer Anordnung der BaFin zwar der Geschäftsleiter straflos wäre, nicht aber ein etwaiger 184 BT-Drs. 17/13523 S. 3; BT-Drs. 17/13539 S. 14. So auch Wastl, WM 2013, 1401, 1403. Offen lassend Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849, die neben einer Einordnung als sachlichen Strafausschließungsgrund auch eine Einordnung als objektive Bedingung der Strafbarkeit in Betracht ziehen. 185 Roxin, AT I, § 23 Rn. 3. 186 Rönnau, JuS 2011, 697, 697.

C. Tatbestand

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Teilnehmer – ein nicht nachvollziehbares Ergebnis.187 Aber auch die Annahme eines sachlichen Strafausschließungsgrundes überzeugt nicht. Gegen einen solchen spricht schon die mit der Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG verbundene Motivation des Gesetzgebers. Er verfolgte weder ein bestimmtes kriminalpolitisches Ziel, noch bestimmte außerstrafrechtliche Interessen. Die einzige den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Motivation für die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG liegt darin, der Kritik an der Unbestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG zu begegnen.188 Dass § 54a KWG in seiner Entwurfsfassung als zu weitgehend empfunden wurde und Fälle erfasste, die zwar vielleicht strafwürdig, nicht aber strafbedürftig sind, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Gegen die Annahme eines Strafausschließungsgrundes spricht auch der Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG. Typisch für einen Strafausschließungsgrund sind Formulierungen wie „Die Tat ist dann nicht strafbar, wenn …“ in § 326 Abs. 6 StGB oder „Wegen dieser Tat wird nicht bestraft, wer …“ in § 258 Abs. 5 StGB. Die Formulierung des § 54a Abs. 3 KWG indes ist gegenläufig, sie lautet „Die Tat ist nur strafbar, wenn …“ Es geht also nicht darum, dass eine Strafbarkeit ausgeschlossen wird, sondern darum, dass sie nur unter zusätzlichen Voraussetzungen begründet wird.189 Es ist aber nicht zu erklären, wie eine Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung ein Grund sein kann, die Strafbarkeit auszuschließen.190 Angesichts der dem Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG nach erforderlichen Kausalverknüpfung von Anordnungsverstoß und Bestandsgefährdung („und hierdurch die Bestandsgefährdung herbeigeführt hat“) wäre das Herbeiführen des Taterfolgs überdies zugleich Strafausschließungsgrund. Dies kann in dogmatischer Hinsicht nicht überzeugen.191 Eine Einordnung als Strafausschließungsgrund scheidet damit aus. Dass der Gesetzgeber diese Bezeichnung fälschlicherweise wählte, darf als Zeichen mangelnder gesetzgeberischer Sorgfalt gewertet werden. bb) § 54a Abs. 3 KWG als objektive Bedingung der Strafbarkeit? Verbreitet ist die Einordnung des Absatzes 3 als objektive Bedingung der Strafbarkeit.192 Solche Bedingungen erscheinen typischerweise als strafbarkeitsbegrün187 188 189

Rn. 4. 190

Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 37. Vgl. BT-Drs. 17/13539 S. 6. Zutreffend Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204 f.; Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG

Vgl. Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 87. Vgl. im Ansatz Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 677. 192 Hierzu tendieren Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 156 f.; Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338; MG-Schumann, § 66 Rn. 34; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 303; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 135; Richter, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 504; Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 201c; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 37. 191

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

dende Erfolge. Ihre Verwirklichung ist zwar materielle Voraussetzung der Strafbarkeit eines Verhaltens, auf die in ihnen enthaltenen Merkmale müssen sich aber weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit beziehen – sie stehen außerhalb des Unrechts- und Schuldtatbestandes.193 Für die Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG als objektive Bedingung der Strafbarkeit spricht zum einen der Wortlaut, denn er entspricht den Formulierungen, die typischerweise bei objektiven Bedingungen der Strafbarkeit verwendet werden.194 Zum anderen würde diese Einordnung dem Umstand Rechnung tragen, dass die Zuwiderhandlung eine zusätzliche Voraussetzung auf dem Weg hin zur Strafbarkeit darstellt. Trotzdem überzeugt auch die Annahme einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit nicht. Ausweislich des Wortlautes von § 54a Abs. 3 KWG muss der Verstoß gegen die Anordnung der BaFin kausal sein für den Eintritt der Bestandsgefährdung. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit haben aber ebenso wenig etwas mit Kausalität hinsichtlich des Taterfolges zu tun wie Strafausschließungsgründe.195 Auch spricht die Schuldunabhängigkeit einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit dagegen, § 54a Abs. 3 KWG als eine solche anzusehen. Denn das Zuwiderhandeln gegen eine behördliche Anordnung ist kein vom Täterverhalten unabhängiges Geschehen, für das er nichts kann.196 cc) § 54a Abs. 3 KWG als Teil des objektiven Tatbestandes Lag die Intention des Gesetzgebers darin, durch § 54a Abs. 3 KWG dem Bestimmtheitsgebot Rechnung zu tragen, hätte es nahe gelegen, das Tatverhalten in § 54a Abs. 1 KWG konkreter zu umschreiben. § 54a Abs. 1 KWG blieb aber unangetastet und die Reaktion auf dessen Unbestimmtheit lag in der Schaffung des § 54a Abs. 3 KWG. Obschon § 54a Abs. 3 KWG systematisch betrachtet einen eigenständigen Absatz bildet, der neben den das Tatverhalten umschreibenden Absatz 1 derselben Norm getreten ist, muss § 54a Abs. 3 KWG richtigerweise dem objektiven Tatbestand und damit dem Unrechtstatbestand zugeordnet werden. Diese Auffassung scheint sich auch im Schrifttum vermehrt Bahn zu brechen.197 Bei Absatz 3 handelt es sich um das 193

s. Rönnau, JuS 2011, 697, 697. Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205. 195 Vgl. Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 677. 196 Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 88; ähnlich Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 121. 197 Für diese Einordnung Schröder, WM 2014, 100, 105 (die Anordnung gehöre zum Unrechtstatbestand); Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 99; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205; Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 88 f.; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 122; Altenhain, in: Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 237, 251 Fn. 56; Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 4; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 9; Beck/ Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 30; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 21; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 24 (missverständlich insoweit 194

C. Tatbestand

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zentrale Element der Strafnorm.198 Dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung hiervon abweichend von einem Strafausschließungsgrund ausgeht, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Formulierung des Absatzes 3 derjenigen einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit ähnelt. Schließlich sind für die dogmatische Einordnung weder die (Fehl-)Einschätzung oder Formulierung des Gesetzgebers, noch die verfehlte systematische Stellung, sondern allein die Funktion und Wirkungsweise des geschaffenen Normbestandteils entscheidend. Einzig die Einordnung als Teil des objektiven Tatbestandes wird der nach dem Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG nötigen Kausalverknüpfung gerecht. Zwar heißt es dort, dass „die Tat“ nur strafbar ist, wenn die Bundesanstalt dem Täter durch Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG die Beseitigung des Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a KWG oder § 25c Abs. 4b S. 2 KWG aufgegeben hat, der Täter dieser vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt und hierdurch die Bestandsgefährdung herbeigeführt hat. „Die Tat“ müsste demnach bereits bei Vorliegen der Merkmale aus § 54a Abs. 1 KWG gegeben sein. Dieser Formulierung ist aber in Anbetracht der gesetzgeberischen Eile, mit der § 54a Abs. 3 KWG eingefügt wurde, und der Fehlvorstellung, er bilde einen Strafausschließungsgrund, kein entscheidendes Gewicht beizumessen. „Die Tat“ ist nach hier vertretener Auffassung nicht abschließend in § 54a Abs. 1 KWG umschrieben, sondern ergibt sich erst aus der Zusammenschau mit den in § 54a Abs. 3 KWG normierten Merkmalen. Versteht man § 54a Abs. 3 KWG wie hier vertreten als weiteres Element des Tatbestandes, hätte es in systematischer Hinsicht freilich nahe gelegen, seine Voraussetzungen in § 54a Abs. 1 KWG zu verorten.199 Teilweise wird in der Formulierung eines eigenständigen Absatzes auch ein Hindernis gesehen für eine Einordnung als Element des Tatbestands.200 Entscheidend für die dogmatische Einordnung ist aber nicht die Verortung von Merkmalen in einem eigenständigen Absatz, sondern sind allein Inhalt und Funktion der geschaffenen Regelung. Dass die im jetzigen Absatz 3 enthaltenen Merkmale nicht an § 54a Abs. 1 KWG gekoppelt wurden, ist nichtsdestotrotz kritikwürdig und wohl einerseits auf die zeitlich später erfolgte Ergänzung der Entwurfsfassung zurückzuführen, andererseits der Fehleinschätzung des Gesetzgebers hinsichtlich der dogmatischen Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG geschuldet. Die Einordnung als weiteres Element des Tatbestandes wird nicht nur der in § 54a Abs. 3 KWG normierten Kausalbeziehung gerecht. Sie wirkt zugleich der Kritik Rn. 25). Nach Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 852 und Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 38 wäre eine derartige Ausgestaltung insbesondere mit Blick auf die Teilnahmestrafbarkeit überzeugender gewesen. Sie verkennen dabei, dass § 54a Abs. 3 KWG tatsächlich Teil des objektiven Tatbestandes ist und nur die dogmatische Einordnung durch den Gesetzgeber fehlgeht. 198 B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 18. 199 So auch Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 26. 200 B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 18.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

entgegen, es sei gesetzestechnisch verfehlt, einen unbestimmten Tatbestand, der den Voraussetzungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht gerecht wird, erst auf der Ebene eines Strafausschließungsgrundes einzuschränken.201 Ob § 54a Abs. 3 KWG den Vorwurf der Unbestimmtheit, dem sich § 54a Abs. 1 KWG ausgesetzt sieht, tatsächlich beseitigen kann, gilt es nunmehr zu untersuchen. b) § 54a Abs. 3 KWG und das Verfassungsrecht § 54a Abs. 3 KWG wirft in zweierlei Hinsicht verfassungsrechtliche Fragen auf. Zunächst bedarf der Klärung, ob er die gegenüber § 54a Abs. 1 KWG vielfach formulierten und nach hier vertretener Auffassung berechtigten Bestimmtheitsbedenken in Gestalt einer mangelnden Vorhersehbarkeit des strafbewehrten Verhaltens202 ausräumen kann [aa)]. Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt aber nicht nur das Erfordernis der Vorhersehbarkeit strafbewehrten Verhaltens, sondern auch, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Voraussetzungen der Strafbarkeit entscheiden muss. Angesichts der Abhängigkeit einer Strafbarkeit nach § 54a KWG von einer Zuwiderhandlung gegen eine aufsichtsbehördliche Anordnung ist die Wahrung dieses strengen Gesetzesvorbehaltes fraglich [bb)]. aa) Etwaige Förderung der Bestimmtheit durch § 54a Abs. 3 KWG Nach § 54a Abs. 3 KWG hängt die Strafbarkeit von der Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt als konkret-individuelle Verhaltensanweisung ab. Hierdurch wird der Aufsichtsbehörde die institutsbezogene Präzisierung der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Vorgaben übertragen. In § 54a Abs. 3 KWG und dessen Anknüpfung an eine aufsichtsbehördliche Einzelfallentscheidung kommt genau das zum Ausdruck, was für die Bestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG fehlt: Dass stets im Einzelfall von Institut zu Institut und je nach dessen Lage entschieden werden muss, welche konkreten Risikomanagementvorgaben zu beachten sind. Während teilweise auch nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG von einer Unbestimmtheit des § 54a KWG ausgegangen wird [(1)], sehen andere die Bestimmtheitsbedenken inzwischen als ausgeräumt an [(2)]. Richtigerweise wird durch Absatz 3 nur eine teilweise Bestimmtheit herbeigeführt, die den Vorwurf der Unbestimmtheit letztlich nicht entkräften kann [(3)].

201 Entsprechende Kritik bei Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 271. Ähnlich Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 158, der bezweifelt, ob es „opportun“ sei, eine (seiner Ansicht nach) objektive Strafbarkeitsbedingung zu installieren, um Bestimmtheitsbedenken am objektiven Tatbestand auszuräumen. Wastl, WM 2013, 1401, 1406 indes sieht, ohne die Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG als Strafausschließungsgrund anzuzweifeln, durch seine Einfügung dem ganz überwiegenden Großteil der Bestimmtheitsbedenken die rechtliche Grundlage entzogen. 202 Hierzu im Einzelnen oben S. 184 ff.

C. Tatbestand

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(1) Fortbestehende Unbestimmtheit des Tatbestandes trotz § 54a Abs. 3 KWG? Die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes wird teils auch nach Einführung des Absatzes 3 verneint.203 Zur Begründung heißt es, die Normierung einer zusätzlichen Verhaltenspflicht über Absatz 3 ändere dogmatisch nichts an der Unbestimmtheit des objektiven Tatbestandes; die in § 54a Abs. 1 KWG normierte Pflicht werde durch den neuen Absatz 3 nicht inhaltlich konkretisiert.204 Ferner heißt es, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Berechenbarkeit und die Bestimmbarkeit würden durch die Delegation der Bestimmung der Risikomanagementanforderungen an die BaFin nicht gesichert.205 Die Anordnung der BaFin komme zur Berechenbarkeit der Risikomanagementpflichten zu spät – die Geschäftsleiter hätten zwar Rechtsmittel, jedoch ohne aufschiebende Wirkung (§ 49 KWG) und deshalb keine andere Wahl, als der Anordnung zu folgen.206 Während letztere Argumentation in fragwürdiger Weise Aspekte des Rechtsschutzes mit Fragen der Bestimmtheit vermengt, wird auf Ersteres, das heißt auf eine fehlende inhaltliche Konkretisierung des § 54a Abs. 1 KWG durch Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG, zurückzukommen sein. (2) Ausräumung der Bestimmtheitsbedenken durch § 54a Abs. 3 KWG? Die damaligen Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP meinten hingegen, mit § 54a Abs. 3 KWG hätten die Verantwortlichen nun „eine klare Regelung an der Hand“207. Auch im Schrifttum wird das Bestimmtheitsgebot nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG mehrheitlich als gewahrt angesehen, selbst wenn die insoweit gewählten Formulierungen nicht immer eindeutig ausfallen. So liest man, es sei zu begrüßen, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit nun durch das Erfordernis eines Zuwiderhandelns gegen eine Anordnung der BaFin „erheblich präzisiert“ worden seien.208 Teilweise liest man ähnlich vage, § 54a Abs. 3 KWG habe das Bestimmtheitsproblem in begrüßenswerter Weise „entschärft“, Unwägbarkeiten bei der Interpretation der Vorschrift seien „geglättet“ worden.209 Andernorts heißt es, „dem ganz überwiegenden Großteil“ der verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Bestimmtheit sei durch die Notwendigkeit einer vorherigen Anordnung durch die BaFin „die rechtliche Grundlage entzogen“ worden, für die Argumentation bezüg203

Rack, CB 2013, 322, 323; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102; mit Zweifeln Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 676; offen lassend Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 6. 204 Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102. 205 Rack, CB 2013, 322, 323. 206 Rack, CB 2013, 322, 323. 207 BT-Drs. 17/13539 S. 6. 208 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849; ähnlich Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270 f. 209 Schröder, WM 2014, 100, 104; ähnlich Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 122.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

lich einer Verletzung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots verbleibe aber auch jetzt „durchaus noch Raum.“210 Es mehren sich mittlerweile jedoch solche Stimmen, die sich auch nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG klar für eine hinreichende Bestimmtheit im Sinne einer Erkennbarkeit des strafbewehrten Verhaltens aussprechen.211 In den Fällen, in denen überhaupt eine Begründung für die Annahme einer hinreichenden Bestimmtheit gegeben wird, heißt es meist schlicht, durch den Erlass der Anordnung würden die Anforderungen an das Risikomanagement seitens der BaFin zu einer konkreten Regel hin präzisiert, die dem Adressaten eindeutig kommuniziere, welches Verhalten von ihm erwartet werde.212 Dies erweist sich bei näherer Betrachtung als Trugschluss. (3) Bestimmtheit allein hinsichtlich Straffreiheit genügt nicht Art. 103 Abs. 2 GG Das von Befürwortern der Bestimmtheit angeführte Argument, die Anforderungen an das Risikomanagement würden durch die Anordnung der BaFin zu einer konkreten Regel hin präzisiert, die dem Adressaten eindeutig kommuniziere, welches Verhalten von ihm erwartet werde, mag im Idealfall zwar inhaltlich zutreffend sein.213 Der hieraus gezogene Schluss, § 54a KWG genüge nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG dem Bestimmtheitsgrundsatz, geht allerdings fehl. Wie bereits erörtert enthält Art. 103 Abs. 2 GG für den Gesetzgeber unter anderem die Verpflichtung, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.214 Dies ist bei § 54a KWG auch nach Einfügung des Absatzes 3 nicht der Fall. Die durch ihn bewirkten Änderungen gegenüber der Entwurfsfassung haben lediglich zu einer „Teilbestimmtheit“ des § 54a KWG geführt. Diese entzieht ihn aber nicht insgesamt dem Vorwurf der Unbestimmtheit.

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Wastl, WM 2013, 1401, 1406. Kasiske, ZIS 2013, 257, 261; van Kann/Rosak, BB 2013, 1475, 1482; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 203; Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 3; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 36; Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 222. In diese Richtung auch Fischer, zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 238, der vor einem zu großen Jubel über den Fund eines vermeintlich verfassungswidrigen Falles warnt. Zwar würden 60 % der einschlägigen Dissertationen zum Ergebnis kommen, dass die Norm verfassungswidrig sei, doch werde das Bundesverfassungsgericht dies aller Voraussicht nach nicht so sehen und einen Weg über die verfassungskonforme Auslegung der Norm suchen. Ähnlich Prittwitz, zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 241. Zu den Schwierigkeiten einer verfassungskonformen Auslegung mit Blick auf § 54a Abs. 1 KWG s. bereits oben S. 192. 212 Vgl. etwa Kasiske, ZIS 2013, 257, 261; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 203. 213 Zum Bestimmtheitserfordernis in Bezug auf die aufsichtsbehördliche Anordnung unten S. 217 f. 214 Zum Erfordernis der Vorhersehbarkeit bereits oben S. 186 ff. 211

C. Tatbestand

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Zwar bewirkt die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG, dass der einzelne Geschäftsleiter in negativer Hinsicht klar erkennen kann, wann er sich jedenfalls nicht strafbar macht – nämlich dann, wenn er die Anordnung der BaFin befolgt.215 Er kann aber immer noch nicht positiv erkennen, wann genau er sich strafbar macht. Der rechtsstaatliche Schutz des Normadressaten verlangt aber Letzteres. Dass bei § 54a KWG die Grenze hin zum strafbaren Verhalten auch nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG noch nicht hinreichend klar erkennbar ist, liegt daran, dass der Gesetzgeber das ursprünglich allein in § 54a Abs. 1 KWG normierte Tatverhalten aufrechterhalten hat. Über die Unbestimmtheit des § 54a Abs. 1 KWG aber hilft die Normierung einer weiteren Verhaltenspflicht durch § 54a Abs. 3 KWG nicht hinweg. Dies veranschaulicht ein einfaches Beispiel: Angenommen, der Geschäftsleiter befolgt (aus welchem Grund und auf welche Weise auch immer) die Anordnung der BaFin nicht und fragt sich, ob er sich nach § 54a KWG strafbar machen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn er auch den Anforderungen des § 54a Abs. 1 KWG nicht genügt. Schließlich hat der Gesetzgeber diesen Teil des Tatbestandes im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht gestrichen. Dadurch ist hinsichtlich des Tatverhaltens eine doppelte Anknüpfung, eine Zweispurigkeit entstanden: Das tatbestandsmäßige Verhalten ergibt sich erst aus einer Gesamtschau der Absätze 1 und 3. Ob eine Streichung des § 54a Abs. 1 KWG und eine alleinige Anknüpfung an eine Zuwiderhandlung gegen eine behördliche Anordnung vorzugswürdig gewesen wäre, soll am Ende der Arbeit erörtert werden. Solange die Zweispurigkeit des Tatbestandes besteht, müssen jedenfalls auch die Voraussetzungen des § 54a Abs. 1 KWG für eine Strafbarkeit gegeben sein. Das heißt, der Geschäftsleiter muss nicht nur der Anordnung der BaFin zuwidergehandelt und dadurch die Bestandsgefährdung herbeigeführt haben, sondern er darf zudem auch nicht Sorge getragen haben hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und muss auch hierdurch zur Herbeiführung einer Bestandsgefährdung beigetragen haben. Diese Zweispurigkeit ist dabei nicht nur rein formaler Natur, sondern sie besteht auch in inhaltlicher Hinsicht. Zum einen liegt im Verstoß gegen die aufsichtsbehördliche Anordnung nicht immer auch ein Verstoß gegen die Anforderungen aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG, denn an Letzterem fehlt es etwa, wenn die aufsichtsbehördliche Anordnung mangels Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG materiell rechtswidrig ist. Zum anderen überschneiden sich die Verhaltensweisen, welche die Absätze 1 und 3 des § 54a KWG erfüllen, in zeitlicher Hinsicht nur teilweise. Auf das Verhältnis der Absätze 1 und 3 zueinander und gerade auch die beiden vorgenannten Aspekte der inhaltlichen und zeitlichen Inkongruenz wird noch ausführlich im Rahmen der Untersuchung der Kausalität zurückzukommen sein. An dieser Stelle soll zunächst nur auf die möglichen Auswirkungen der Zweispurigkeit des Tatbestandes auf die Bestimmtheitsproblematik eingegangen werden. Der mit 215 Daher ist (nur) insoweit Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 222 zuzustimmen.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

der Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG intendierte Zweck der Herbeiführung einer hinreichenden Bestimmtheit des Tatbestandes wird jedenfalls verfehlt. Denn wenn sich – das zuvor erwähnte Beispiel aufgreifend – der Geschäftsleiter selbst im Falle eines Anordnungsverstoßes immer noch fragen muss, ob er auch gegen Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verstoßen hat, dann ist für ihn aufgrund der Unbestimmtheit dieser Vorgaben216 immer noch nicht hinreichend konkret erkennbar, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. In konzeptioneller Hinsicht ist die fehlende Herbeiführung der Bestimmtheit dadurch bedingt, dass § 54a Abs. 3 KWG eine weitere, gegenüber § 54a Abs. 1 KWG eigenständige Verhaltensanforderung aufstellt und nicht lediglich an die vorhandene Verhaltensanforderung des § 54a Abs. 1 KWG anknüpft und diese inhaltlich präzisiert oder gar vollständig ersetzt. Doch nicht nur vermag § 54a Abs. 3 KWG entgegen anderslautender Stimmen im Schrifttum die in § 54a Abs. 1 KWG angelegte Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zu beseitigen. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber durch Einfügung des dritten Absatzes auf noch dünneres verfassungsrechtliches Eis begeben, denn die Abwälzung der Norminterpretation auf die Aufsichtsbehörde und eine durch sie erfolgende Statuierung von Verhaltensanforderungen könnte auch gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstoßen. bb) Zwischenschaltung der BaFin und Gesetzesvorbehalt § 54a Abs. 3 KWG ist ein Blanketttatbestand im engeren Sinne und verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet [(1)]. Aufgrund der mit dem Anordnungserfordernis verbundenen Beteiligung der Aufsichtsbehörde an der Festlegung strafbaren Verhaltens stellt sich die Frage nach der Einhaltung des aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehaltes und des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Nach der Erörterung der insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Anforderungen [(2)] wird § 54a Abs. 3 KWG auf die Einhaltung dieser Anforderungen hin untersucht [(3)]. (1) § 54a Abs. 3 KWG als verwaltungsaktsakzessorischer Blanketttatbestand Wie dargelegt ist § 54a KWG mit Blick auf das Tatverhalten zweispurig ausgestaltet. Dabei ist nicht nur § 54a Abs. 1 KWG, sondern auch § 54a Abs. 3 KWG verwaltungsakzessorisch ausgestaltet. Beiden Absätzen gemein ist die Anknüpfung an den aufsichtsrechtlichen Begriff der Bestandsgefährdung. Im Übrigen unterscheiden sie sich aber hinsichtlich ihrer Verwaltungsakzessorietät: Anders als § 54a Abs. 1 KWG, der an ein anderweitig gesetzlich vorgeschriebenes Verhalten anknüpft und insoweit verwaltungsrechtsakzessorisch ist217, nimmt § 54a Abs. 3 KWG Bezug 216 217

Hierzu im Einzelnen oben S. 191 ff. s. o. S. 184 ff.

C. Tatbestand

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auf eine Zuwiderhandlung gegen eine (vollziehbare) Anordnung der BaFin und damit auf eine verwaltungsrechtliche Einzelentscheidung in Form eines Verwaltungsakts. Er ist insoweit verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet. Als Verwaltungsaktsakzessorietät wird der Umstand bezeichnet, dass für die Strafbarkeit ein Handeln ohne Genehmigung oder unter Verstoß gegen eine vollziehbare Untersagung bzw. einen anderen (vollziehbaren) belastenden Verwaltungsakt vorausgesetzt wird.218 § 54a Abs. 3 KWG ist daher auch anders als § 54a Abs. 1 KWG nicht Blanketttatbestand im weiteren, sondern im engeren Sinne.219 Da aber erst § 54a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KWG den Tatbestand vollständig abbildet, handelt es sich bei § 54a KWG insgesamt betrachtet weder um einen reinen Blanketttatbestand im weiteren Sinne, noch um einen solchen im engeren Sinne. § 54a KWG ist vielmehr ein Blanketttatbestand im doppelten Sinne, der in seiner Struktur mehr an ein strafrechtliches Gerüst für die Inkorporierung aufsichtsrechtlicher Begriffe, aufsichtsrechtlicher Vorgaben in Form von Gesetzen und schließlich auch aufsichtsrechtlicher Vorgaben durch behördliche Einzelfallentscheidungen erinnert als an eine eigenständige Strafnorm. In ihm sind alle Formen der Verwaltungsakzessorietät versammelt. Diese starke verwaltungsakzessorische Prägung wirft zahlreiche Schwierigkeiten auf und wird noch ganz grundlegende Erkenntnisse liefern. Doch zunächst zur Einhaltung des Gesetzesvorbehaltes. An ihr bestehen Zweifel, weil durch die zwingend erforderliche Einbeziehung der BaFin die Möglichkeit einer Strafbarkeit maßgeblich vom Einschreiten der Exekutive und damit von der durch sie erfolgenden Auslegung der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Vorgaben abhängt. Hieran anknüpfend wird teilweise von einer Zuständigkeitskonzentration bei einer einzigen Behörde gesprochen, die nicht mit dem durch Art. 103 Abs. 2 GG garantierten Gesetzesvorbehalt und dem dahinterstehenden Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar sei.220 Die Normierung eines Verstoßes gegen eine Anordnung der BaFin als Strafbarkeitsvoraussetzung führe dazu, dass die Aufsichtsbehörde durch den Erlass eines Verwaltungsaktes darüber entscheide, ob Nachlässigkeiten im Risikomanagement als strafbedürftig zu qualifizieren seien oder nicht.221 Dass in der Beteiligung der BaFin ein Verstoß gegen den aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalt liegen soll, verwundert ein wenig, wenn man sich die Wirkungsweise des § 54a Abs. 3 KWG vergegenwärtigt. Mit dessen Einfügung ging inhaltlich eine Restriktion des Kreises strafbaren Verhaltens einher im Vergleich zur Entwurfsfassung. Nicht nur dürfte dies die (Fehl-)Einschätzung des Gesetzgebers gefördert haben, es handele sich bei § 54a Abs. 3 KWG um einen Strafausschlie218

Vgl. MüKo-StGB-Schmitz, vor §§ 324 ff. Rn. 46. Zu § 54a Abs. 1 KWG als Blanketttatbestand im weiteren Sinne oben S. 184. 220 Kasiske, ZIS 2013, 257, 261. 221 Vgl. Kasiske, ZIS 2013, 257, 261; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 122 f. 219

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

ßungsgrund.222 Zugleich ist diese Restriktion der Grund, weshalb man an einem Verstoß gegen den aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalt zweifeln könnte. Denn wenn der Kreis strafbaren Verhaltens durch § 54a Abs. 3 KWG nicht erweitert, sondern vielmehr – im Vergleich zu einer alleinigen Geltung des § 54a Abs. 1 KWG – eingegrenzt wurde, kann die Frage gestellt werden, ob und inwieweit angesichts der tätergünstigen Auswirkungen des § 54a Abs. 3 KWG der Gesetzesvorbehalt überhaupt greift.223 Eine solche Fragestellung ginge indes fehl. Richtig ist zwar, dass § 54a Abs. 3 KWG zu einer Verengung des Kreises strafbaren Verhaltens gegenüber der Entwurfsfassung geführt hat. Trotzdem gilt Art. 103 Abs. 2 GG auch für ihn uneingeschränkt. Dass die uneingeschränkte Geltung des Gesetzesvorbehalts in Bezug auf § 54a Abs. 3 KWG überhaupt angezweifelt werden könnte, ist dem Umstand geschuldet sein, dass § 54a Abs. 3 KWG erst nachträglich die Regelung des § 54a Abs. 1 KWG ergänzt hat und er aufgrund der Beibehaltung dieses Absatzes den Kreis strafbaren Verhaltens de facto eingeschränkt hat. Infolge der zumindest unglücklichen systematischen Verortung weiterer Tatbestandsmerkmale in einem eigenständigen Absatz, der Beibehaltung des § 54a Abs. 1 KWG und der fälschlichen Einordnung des Absatzes 3 als Strafausschließungsgrund trägt § 54a Abs. 3 KWG und damit die Einschaltung der BaFin zwar das Gewand einer Entlastung der Geschäftsleiter. Dogmatisch gesehen formt § 54a Abs. 3 KWG allerdings den Tatbestand mit.224 Die systematisch vorzugswürdige Verortung der zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzung einer Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin in § 54a Abs. 1 KWG hätte die Beteiligung der BaFin bei der Normierung der Strafbarkeitsvoraussetzungen und damit auch die uneingeschränkte Geltung des Gesetzesvorbehalts offen zu Tage treten lassen. Erneut erweist sich die Zweispurigkeit des Tatbestandes verbunden mit der räumlichen Trennung der Strafbarkeitsvoraussetzungen in verschiedenen Absätzen als misslich und als Quell von Unsicherheiten. (2) Verwaltungsaktsakzessorisches Strafrecht und Gesetzlichkeitsprinzip Die Anknüpfung einer Strafnorm an verwaltungsrechtlich normierte Pflichten und, hier vor allem interessierend, an Verwaltungsakte stellt eine (insbesondere im Umweltstrafrecht) verbreitete Regelungstechnik dar. Sie erweist sich im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG von ambivalenter Wertigkeit: Neben einer Steigerung der Vorhersehbarkeit (die bei § 54a KWG allerdings nicht zur Bestimmtheit des Tat-

222

Zur dogmatischen Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG oben S. 200 ff. Zum Geltungsumfang des Art. 103 Abs. 2 GG und dazu, dass tätergünstige Ausformungen der Strafbarkeitsvoraussetzungen Art. 103 Abs. 2 GG nicht unterfallen, Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 197. 224 Hierzu bereits oben S. 202 ff. 223

C. Tatbestand

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bestandes führt225) kann eine mit dem Verwaltungsakt verbundene Tatbestandswirkung zu einer Verkürzung der eigentlich strafrechtlichen Schutzgüter oder zu einer unverhältnismäßigen Sanktion bei gewisser Gefährlichkeit des Täterhandelns führen.226 Der Hauptvorwurf gegenüber einer verwaltungsaktsakzessorischen Ausgestaltung von Straftatbeständen geht aber gemeinhin dahin, dass den Behörden strafrechtliche Normsetzungsbefugnis verliehen werde, ohne dass die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG erfüllt seien und dass damit gleichzeitig gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen werde.227 Der Vorwurf des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG und den Grundsatz der Gewaltenteilung wurde insbesondere anlässlich der weitgehend verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts erhoben. Vielfach wurde kritisch angemerkt, der Gesetzgeber habe sich unter Missachtung des Gewaltenteilungsgrundsatzes entmachtet; er habe einen Blankoscheck ausgestellt, den auszufüllen nunmehr der verwaltungsrechtlichen Fachkompetenz zustehe.228 Nachdem das Bundesverfassungsgericht zunächst die grundsätzliche Vereinbarkeit der näheren Spezifizierung einer Strafnorm durch den Verordnungsgeber mit den Vorgaben der Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG festgestellt hatte229, hatte es in der Folge auch über die Möglichkeit der Anknüpfung einer Strafbarkeit an die Nichtbefolgung eines Verwaltungsaktes zu befinden, ähnlich wie sie nunmehr in § 54a Abs. 3 KWG normiert ist. Im Ergebnis bejahte das Bundesverfassungsgericht diese Möglichkeit.230 Dabei betonte es erneut, dass der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen habe und dass er diese Entscheidung nicht den Organen der vollziehenden Gewalt überlassen dürfe. An die Bestimmtheit der Strafnorm im förmlichen Gesetz seien im Falle der Anknüpfung einer Strafdrohung an die Nichtbefolgung eines Verwaltungsaktes jedenfalls keine geringeren Anforderungen zu stellen, als wenn die nähere Spezifizierung des Tatbestandes einer Rechtsverordnung überlassen werde. Die Stellung des Gesetzgebers gegenüber der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt werde in beiden Fällen durch dieselben Grundsätze, nämlich durch den Vorbehalt eines förmlichen Gesetzes und durch das Gewaltenteilungsprinzip, geprägt. Ebenso wenig wie es der vorherigen Entscheidung nach für die Bestimmtheit einer Strafnorm genüge, dass sich die Merkmale des Tatbestandes einer Rechtsverordnung entnehmen ließen, die auf einer selbst nicht hinreichend 225

s. o. S. 206 ff. Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 204. 227 Vgl. MüKo-StGB-Schmitz, vor §§ 324 ff. Rn. 47 m.w.N. Eingehend zum Parlamentsvorbehalt bei verweisenden Straftatbeständen Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 308 ff. 228 Vgl. die Kritik durch Schünemann, in: FS Triffterer, S. 437, 444 ff.; Hassemer, in: FS Lenckner 1998, S. 97, 114 f. 229 BVerfGE 75, 329, 342. 230 BVerfGE 78, 374, 381 ff. Dieser Entscheidung sind die nachfolgenden Ausführungen entnommen. 226

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

bestimmten Ermächtigung beruhe, reiche auch die pauschale Anknüpfung einer Strafdrohung an Verstöße gegen inhaltlich nicht näher bestimmte Verwaltungsakte nicht aus. Auch in diesem Fall müsse der Gesetzgeber grundsätzlich selbst festlegen, welches Verhalten mit Freiheitsstrafe bedroht sein soll. Werde der Tatbestand eines Blankettstrafgesetzes, das Freiheitsstrafe androht, durch eine Rechtsverordnung ergänzt, müsse die Verbotsmaterie jedenfalls in ihren Grundzügen in einem förmlichen Gesetz hinreichend umschrieben sein, dem Verordnungsgeber dürften lediglich gewisse Spezifizierungen des Tatbestandes überlassen bleiben. Entsprechendes habe zu gelten, wenn ein solcher Straftatbestand in einem förmlichen Gesetz an den Verstoß gegen Verhaltenspflichten anknüpft, die durch einen Verwaltungsakt begründet werden. Auch im Schrifttum ist die Möglichkeit, eine Strafandrohung an Verstöße gegen Verwaltungsakte anzuknüpfen, anerkannt.231 Dabei wird betont, auch die Exekutive sei nach der grundgesetzlichen Ordnung eine eigenständig legitimierte Staatsgewalt, die nicht auf den reinen Gesetzesvollzug begrenzt sei, sondern in gebotener Vorsicht auch im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG gesetzeskonkretisierend tätig werden dürfe.232 Auch wenn sich die Abhängigkeit der strafrechtlichen Beurteilung von Verwaltungsakten nach wie vor Bedenken ausgesetzt sieht, dürfte die mit ihr verbundene verfassungsrechtliche Problematik für den Bereich des Umweltstrafrechts inzwischen geklärt sein.233 Die weitgehende Abkühlung der Diskussion darf aber nicht den Blick dafür versperren, dass die Abhängigkeit einer strafrechtlichen Beurteilung von Verwaltungsakten nur in engen Grenzen verfassungskonform ist. Der Gesetzesvorbehalt verlangt bei verwaltungsaktsakzessorischen Strafnormen schließlich, dass das Gesetz die Strafdrohung nicht pauschal an Verstöße gegen inhaltlich nicht näher bestimmte Verwaltungsakte anknüpft, sondern dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit entscheidet. Er selbst muss zumindest eine Grundentscheidung darüber treffen, was strafbar sein soll und darf diese Entscheidung nicht an die Verwaltung delegieren; der Verwaltungsakt darf allenfalls präzisierend wirken. Was an einer Strafvorschrift zum Wesentlichen gehört und wann lediglich eine Spezifizierung in Rede steht, ist im Einzelfall freilich nicht leicht zu bestimmen.234

231 Aus verfassungsrechtlicher Sicht Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 218; Sachs-Degenhart, GG, Art. 103 Rn. 66; BeckOK-GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 33. 232 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 218. 233 Ausführlich zur Diskussion um die Wahrung des Bestimmtheitsgebot im Bereich des verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrechts NK-Ransiek, vor §§ 324 ff. Rn. 17 ff. 234 Vgl. Kühl, in: FS Lackner 1987, S. 815, 833; s. jüngst Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 327 ff.

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(3) Wahrung des Gesetzesvorbehaltes durch § 54a Abs. 3 KWG Durch die Zwischenschaltung einer Anordnung wird der BaFin eine zentrale Rolle zuteil bei der Frage, ob ein Versäumnis im Bereich des Risikomanagements § 54a KWG unterfallen kann oder nicht. Wenn es im Schrifttum heißt, dies sei nicht mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalt und dem dahinterstehenden Gewaltenteilungsgrundsatz vereinbar, weil der Gesetzgeber selbst festlegen müsse, welches Verhalten mit Strafe bedroht wird235, so ist Letzteres zwar, wie zuvor ausgeführt, richtig. Eine Unvereinbarkeit des § 54a Abs. 3 KWG mit diesen Vorgaben besteht allerdings nicht. Die Schaffung des § 54a Abs. 3 KWG und die mit ihm verbundene Einführung eines verwaltungsaktsakzessorischen Elements in die Strafnorm ist letztlich Ausdruck der misslichen Situation, in der sich der Strafgesetzgeber befindet, wenn er Versäumnisse im Bereich des Risikomanagements zum Bezugspunkt strafrechtlicher Verantwortlichkeit machen möchte: Knüpft er die Strafbarkeit nicht an eine konkrete Anordnung der Aufsichtsbehörde an, sondern beschränkt er sich auf die Inbezugnahme aufsichtsrechtlicher Vorschriften, so setzt er sich dem Vorwurf aus, die Strafnorm sei unbestimmt und verstoße daher gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Knüpft er, um die Bestimmtheitsbedenken auszuräumen, an eine konkrete Maßnahme der Aufsichtsbehörde an, so droht eine Verletzung des ebenfalls in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Gesetzesvorbehaltes. Der Strafgesetzgeber befindet sich damit in einem verfassungsrechtlichen Dilemma. Selbstredend erlaubt dieses Dilemma es dem Strafgesetzgeber nicht, von verfassungsrechtlichen Vorgaben abzuweichen. Kann er ihnen nicht genügen, muss er auf eine entsprechende Strafnorm verzichten. Vergegenwärtigt man sich jedoch das bestehende Dilemma, so vermag dies den Blickwinkel auf § 54a Abs. 3 KWG ein wenig zu verändern. Die Frage nach der Einhaltung des Gesetzesvorbehaltes sowie des dahinterstehenden Grundsatzes der Gewaltenteilung bedarf vor diesem Hintergrund einer wohlwollenderen Bewertung, als sie Teile des Schrifttums vornehmen. § 54a Abs. 3 KWG ist eingebettet in § 54a KWG, der in seinem Absatz 1 unter Verweis auf § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und insoweit auch unter Wahrung des Gesetzesvorbehaltes das pönalisierte Verhalten zu umschreiben sucht. Dort findet sich der Maßstab, den die BaFin bei Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG zugrunde zu legen hat. Der Strafgesetzgeber hat die Strafbarkeit über § 54a Abs. 3 KWG also nicht an einen Verstoß gegen eine beliebige Anordnung der BaFin geknüpft, sondern nur an Anordnungen betreffend Verstöße im Bereich des Risikomanagements und dort auch nicht hinsichtlich eines jeden Verstoßes, sondern nur hinsichtlich eines Verstoßes gegen die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG aufge235

So Kasiske, ZIS 2013, 257, 261; im Ergebnis auch Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 122 f.; Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 32; Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 56. Mit Zweifeln an der Einhaltung des Gesetzesvorbehaltes auch Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 135.

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listeten Vorgaben. Nur innerhalb dieses Rahmens ist die BaFin berufen, (auch) für die Zwecke des Strafrechts inhaltlich präzisierende Vorgaben an die Geschäftsleiter zu machen. Unter Strafe steht also keineswegs der Verstoß gegen eine Anordnung, die weitgehend in das Ermessen der BaFin gestellt ist. Vielmehr macht der gesetzliche Rahmen der BaFin zahlreiche und relativ enge Vorgaben. Dass gleichwohl eine erhebliche Unsicherheit besteht hinsichtlich der sich aus ihnen ergebenden konkreten Anforderungen, liegt, wie dargelegt, an der weitgehenden Prinzipienorientierung der in Bezug genommenen Normen und der Vielgestaltigkeit der ihnen unterfallenden Sachverhalte.236 Sie ist insoweit unvermeidbar. Insbesondere diese Prinzipienorientierung und Vielgestaltigkeit aber drängt nachgerade dazu, die Exekutive in die konkrete Bestimmung dessen, was strafrechtlich relevant ist, mit einzubinden – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebotes. Zwar ist die BaFin bei Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen inhaltlich frei, nach § 25c Abs. 4c KWG „geeignete Maßnahmen“ anzuordnen, wodurch ihr auf der Rechtsfolgenseite ein nicht unerheblicher Spielraum zukommt. Entscheidend und enger sind jedoch die Vorgaben für die Frage, ab wann eine solche Anordnung ergehen kann – nämlich erst dann, wenn das Institut oder die Gruppe nicht über die Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte nach § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verfügt. Eine Entmachtung des Gesetzgebers droht dadurch nicht, die Exekutive muss sich mit § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG vielmehr an einen relativ engen gesetzlichen Rahmen halten. Dass dieser gesetzliche Rahmen nach hier vertretener Auffassung für sich genommen keinen hinreichend bestimmten Tatbestand bilden könnte237, ist für die Frage der Vereinbarkeit des § 54a Abs. 3 KWG mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalt und dem dahinter stehenden Gewaltenteilungsgrundsatz unschädlich. Mit Blick auf die parlamentarische Steuerungsverpflichtung muss die Verbotsmaterie bei einem Blankettstrafgesetz, das Freiheitsstrafe androht, jedenfalls in ihren Grundzügen in einem förmlichen Gesetz hinreichend umschrieben sein.238 Solche Grundzüge dürften sich § 54a KWG i.V.m. § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG angesichts der vorstehenden Ausführungen wohl noch entnehmen lassen. Die Rolle der BaFin beschränkt sich also im Ergebnis darauf, präzisierend bzw. gesetzeskonkretisierend tätig zu werden.239 Damit stellt ihre Einbindung in die Strafnorm des § 54a KWG keine Verletzung des Gesetzesvorbehaltes und des Gewaltenteilungsgrundsatzes dar und § 54a KWG genügt jedenfalls insoweit verfassungsrechtlichen Anforderungen – auch wenn es sich sicherlich um einen Grenzfall handelt, der bei entsprechender Argumentation auch der gegenteiligen verfassungsrechtlichen Beurteilung zugänglich ist. 236 237 238 239

Zu Ersterer oben S. 188 ff., zur Vielgestaltigkeit der Institutslandschaft oben S. 167 f. s. ausführlich oben S. 184 ff. Vgl. BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 389. Ob ihr das im Einzelfall gelingt, ist eine andere Frage. Dazu näher unten S. 217 f.

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cc) Zwischenergebnis Wie dargelegt wurde bereits während des Gesetzgebungsverfahrens bemängelt, in der Eile sei eine fundierte rechtliche Prüfung der mit § 54a Abs. 3 KWG verbundenen Änderungen nicht möglich gewesen. In der Tat scheint eine solche unterblieben zu sein. In ihrem Rahmen hätte man sich jedenfalls auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob § 54a KWG wenigstens nach der Einfügung des Absatzes 3 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Wahrscheinlich unterblieb eine vertiefte Prüfung der Vereinbarkeit des § 54a KWG mit den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur aus Zeitmangel, sondern auch, weil eine bestimmtere Verhaltensanforderung als eine solche durch behördliche Anordnung zumindest theoretisch nicht denkbar und eine fortbestehende Verletzung des Bestimmtheitsgebotes damit fern zu liegen schien. Bei genauerer Betrachtung hätte sich aber aufdrängen müssen, dass die Zwischenschaltung einer behördlichen Anordnung und das Erfordernis einer Zuwiderhandlung gegen selbige nicht reichen, um § 54a KWG dem Vorwurf der Unbestimmtheit zu entziehen. § 54a Abs. 3 KWG wahrt als Element des Tatbestandes zwar wohl noch den aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden strengen Gesetzesvorbehalt. Seine Einfügung ändert aber nichts daran, dass § 54a KWG insgesamt zu unbestimmt gefasst ist und aus diesem Grund gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstößt. Es ist für den Normadressaten wie auch schon in der Entwurfsfassung nicht erkennbar, wann er sich strafbar macht. Dass er zweifelsfrei erkennen kann, wann er sich jedenfalls nicht strafbar macht, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. c) § 54a Abs. 3 KWG und das Verwaltungsrecht Die Einbindung der BaFin wirft nicht nur verfassungsrechtliche, sondern auch verwaltungs(prozess)rechtliche Fragen auf, denn das Handeln der BaFin soll nicht nur eine Strafbarkeit ermöglichen, sondern stellt zugleich eine aufsichtsbehördliche Maßnahme dar. Die Anordnung der BaFin darf vor diesem Hintergrund als janusköpfig bezeichnet werden: Sie enthält eine strafrechtliche Seite, da erst die Anordnung die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 54a KWG eröffnet. Sie enthält aber zugleich eine verwaltungsrechtliche Seite, da die Anordnung auch eine aufsichtsbehördliche Maßnahme darstellt. Für die nachfolgenden Ausführungen soll zunächst davon ausgegangen werden, dass die BaFin eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG gegenüber Geschäftsleitern jeglicher Art von Institut erlassen kann. Etwaige Verschiebungen in der Zuständigkeit unter Geltung des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (engl. Single Supervisory Mechanism, Abk. SSM) sind einem eigenen Abschnitt vorbehalten.240 Macht die BaFin einen Missstand aus [aa)], so kann sie gemäß § 25c 240

Hierzu noch ausführlich unten S. 228 ff.

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Abs. 4c KWG unter den dort genannten Voraussetzungen eine Anordnung an einen oder mehrere Geschäftsleiter erlassen [bb)]. Ist die Anordnung rechtswidrig, stellt sich die Frage, ob sich dies auf eine Strafbarkeit nach § 54a KWG auswirkt [cc)]. aa) Informationsgewinnung als Voraussetzung behördlichen Handelns Eine erste Hürde auf dem Weg zum Erlass der Anordnung besteht darin, dass die BaFin zum Ergebnis kommen muss, dass ein Missstand im Bereich des Risikomanagements vorliegt. Die Informationsquellen der BaFin sind zwar vielfältig241, eine lückenlose Sachverhaltskenntnis der Aufsichtsbehörde können sie jedoch nicht gewährleisten. Nicht zuletzt im Vorfeld der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass auch Aufsichtsbehörden wie die BaFin Risiken vielfach nicht gekannt, nicht erkannt oder aber nicht richtig beurteilt haben.242 Erschwert werden kann die Informationsgewinnung mit Blick auf § 54a KWG durch ein denkbares Bestreben der Geschäftsleiter, gezielt Risiken zu verschleiern, um eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG zu vermeiden. Im Schrifttum wird teilweise befürchtet, man könne „mit einem Schuss Bauernschläue“ zu dem Ergebnis kommen, dass kein strafrechtliches Risiko drohe, solange es nur gelinge, Risiken vor der BaFin zu verbergen. Da die Strafbarkeit zwingend eine Anordnung der BaFin voraussetze, könne sich § 54a KWG insoweit als „zahnloser Tiger“ erweisen.243 So berechtigt dieser Einwand auch sein mag, er ist nicht spezifisch strafrechtlicher Natur. Er steht in engem Zusammenhang mit dem bis heute drängenden Problem der Auslagerung von Geschäftstätigkeiten in sogenannte Schattenbanken. Diese führt nicht nur zur Umgehung von Regulierungsvorgaben, sondern behindert auch den Informationsfluss an die Aufsichtsbehörden. Unzureichende Informationen erschweren dabei nicht nur das Handeln der Aufsichtsbehörden, sondern auch das Erkennen und Erfassen strafbaren Verhaltens. Dies gilt für § 54a KWG umso mehr, als die Strafbarkeit von einem vorherigen Aufsichtshandeln abhängt und die Anordnung der BaFin rechtzeitig ergehen muss, damit die Zuwiderhandlung gegen sie für den Eintritt der Bestandsgefährdung überhaupt noch kausal werden kann. In einer sich rasant zuspitzenden Krise könnte, so die geäußerte Befürchtung, eine entsprechende Anordnung der BaFin zu spät kommen.244 An dieser Stelle ist zu hoffen, dass die BaFin sich frühzeitig ein ausreichendes und zutreffendes Bild des jeweiligen Instituts machen kann, sie dies auch macht und überdies nicht zu spät zum Instrument der Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG greift. Denn selbst wenn es durch Fehler im Risikomanagement zu einer Bestandsgefährdung kommen sollte, scheidet eine 241

Zu ihnen Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 D Rn. 289 ff. Zur Rolle der Bankenaufsicht im Vorfeld der Finanzkrise oben S. 49 ff. 243 Schröder WM 2014, 100, 106; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014v. Auch Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205 sieht eine geringe Praxisrelevanz des § 54a KWG unter anderem darin begründet, dass die Verantwortung für die Erkennung und Abwendung von Gefahren von den Unternehmen auf die BaFin abgewälzt worden sei. 244 Schröder, WM 2014, 100, 106; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014v. 242

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Strafbarkeit nach § 54a KWG zwingend aus, wenn zuvor keine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG erlassen wurde, der zuwidergehandelt wurde – und dies, obschon die von § 54a KWG geschützten Rechtsgüter tangiert wären. Die umfassenden Informationspflichten gegenüber der BaFin sowie dir ihr zukommenden Informationsrechte dürften zumindest die Befürchtung entkräften, § 54a KWG könne infolge von Informationsdefiziten insgesamt einen zahnlosen Tiger darstellen. Dies nicht nur, weil die Verletzung von Informationspflichten ordnungsrechtliche Konsequenzen haben kann, sondern auch, weil bei einer derartigen Umgehung § 266 StGB wieder in den Fokus rückt. Denn wenn eine Verschleierung von Risiken erfolgt, um einer Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG zu entgehen, dürfte dies bei der Prüfung des Vorliegens einer Pflichtverletzung und vorsätzlichen Handelns im Rahmen des § 266 StGB besonders kritisch zu würdigen sein.245 Falls § 54a KWG einen zahnlosen Tiger darstellen sollte, dann sind hierfür, wie die Untersuchung bereits gezeigt hat und im Folgenden weiter zeigen wird, andere Gründe als ein eventuelles Informationsdefizit deutlich gewichtiger. bb) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG Bevor auf die Auswirkungen einer rechtswidrigen Anordnung der BaFin eingegangen wird, bedarf es einer kurzen Erörterung, welche Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen in formeller [(1)] und materieller Hinsicht [(2)] an eine Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG zu stellen sind. (1) Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Für den Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG hat die BaFin die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu beachten. Vor Erlass der Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich eine Anhörung des betroffenen Geschäftsleiters erforderlich. Der Verwaltungsakt kann zwar auch formlos ergehen (§ 37 Abs. 2 VwVfG), dies dürfte aber schon alleine aus beweisrechtlichen Gründen in der Praxis nicht vorkommen.246 Der Verwaltungsakt muss ferner inhaltlich hinreichend bestimmt sein, § 37 Abs. 1 VwVfG. Der Entscheidungsinhalt muss dabei so gefasst sein, dass der Adressat ohne weiteres erkennen kann, was genau von ihm gefordert wird. Die BaFin muss also dem Adressaten aufzeigen, an welcher Stelle das Risikomanagement nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt.247 Zweifelhaft ist 245 Schröder, WM 2014, 100, 106. Näher zu dieser denkbaren Rückwirkung noch unten S. 328 f. 246 Angesichts der erheblichen Konsequenzen einer Nichtbefolgung der Anordnung eine einschränkende Auslegung dahingehend fordernd, dass die aufsichtsbehördliche Anordnung schriftlich ergehen muss und mit einem Hinweis auf die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen zu versehen ist, Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 9. 247 Vgl. Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 329; MüKo-StGBJanssen, § 54a KWG Rn. 21.

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allerdings, ob die BaFin konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Pflichten aus § 25c KWG aufgeben wird; vielmehr wird – ähnlich wie im Gesetzestext – eine Zielbestimmung formuliert werden und die Wahl der konkreten Umsetzungsmittel in der Regel dem adressierten Institut bzw. Geschäftsleiter überlassen bleiben.248 Die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe reichen nicht aus.249 Wie die BaFin Anordnungen gemäß § 25c Abs. 4c KWG im Einzelfall ausgestalten wird, bleibt abzuwarten.250 Unzureichend wäre jedenfalls eine nur generelle Warnung oder ein pauschaler Hinweis auf unzureichende Risikomanagementstrukturen. (2) Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen In materieller Hinsicht setzt § 25c Abs. 4c KWG voraus, dass das Institut oder die Gruppe nicht über die Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte nach § 25c Abs. 4a bzw. Abs. 4b KWG verfügt. An dieser Stelle muss die BaFin die institutsbezogene Auslegung der dort enthaltenen Vorgaben vollziehen und beurteilen, ob diesen Vorgaben genügt wird. Gelangt sie zum Ergebnis, dass ihnen nicht genügt wird, kann sie nach ihrem Ermessen gestützt auf § 25c Abs. 4c KWG geeignete Maßnahmen zur Behebung des Missstands ergreifen. Ihr kommt also bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Anordnung ein nicht unerheblicher Spielraum zu. Die Anordnung muss dabei, um eine Strafbarkeit des Geschäftsleiters zu ermöglichen, dem Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG entsprechend gegenüber dem Täter, das heißt gegenüber dem einzelnen Geschäftsleiter erfolgen. Nicht ausreichend ist es, eine Anordnung dem Institut oder anderen Geschäftsleitern zukommen zu lassen.251 Dies kann zwar im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Tätigkeit von Bedeutung sein (vgl. § 25a Abs. 2 S. 2 KWG und auch § 25c Abs. 4c KWG), ermöglicht aber nicht die Täterschaft des Geschäftsleiters, der nicht selbst Adressat der Anordnung war.252 Auch genügt es nicht, wenn der Geschäftsleiter von einer entsprechenden Anordnung etwa an das Unternehmen weiß.253

248

Vgl. Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 304. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 54a Rn. 6. 250 Ein mögliches Beispiel formuliert Erting, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 86. 251 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Altenhain, in: Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 237, 251; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 20; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 26; Theile, in: Berndt/ Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 136. 252 Die Passage in BT-Drs. 17/13539 S. 14, die Anordnung der BaFin könne sowohl an das beaufsichtigte Unternehmen als auch an alle oder einzelne Geschäftsleiter gerichtet werden, trifft daher dann nicht zu, wenn die Anordnung die Strafbarkeit nach § 54a KWG ermöglichen soll. 253 MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 20. 249

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cc) Etwaige Auswirkungen der Rechtswidrigkeit einer Anordnung der BaFin Ist die Anordnung der BaFin gemäß § 44 VwVfG nichtig, scheidet eine Strafbarkeit nach § 54a KWG aus. Nichtigen Verwaltungsakten ist im Strafrecht grundsätzlich keine Bedeutung beizumessen.254 Näherer Betrachtung bedarf allerdings die Frage, ob eine Strafbarkeit auch dann ausscheidet, wenn die Anordnung der BaFin zwar nicht nichtig, aber doch rechtswidrig ist. Der Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG verlangt allein die Vollziehbarkeit der Anordnung und nicht deren Rechtmäßigkeit [(1)]. Allerdings ist bereits losgelöst von § 54a KWG umstritten, ob ein Verstoß gegen eine rechtswidrige Anordnung zur Begründung einer Strafbarkeit bemüht werden kann [(2)]. Für § 54a Abs. 3 KWG ist diese Kontroverse weitgehend entschärft, weil seine Verwaltungsaktsakzessorietät aufgrund der besonderen Tatbestandsstruktur des § 54a KWG deutlich limitiert ist [(3)]. Letztere zeitigt allerdings fragwürdige Konsequenzen [(4)]. (1) Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG – Vollziehbarkeit der Anordnung In erster Linie ist es eine Entscheidung des Gesetzgebers, ob die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen Verwaltungsanordnungen von deren Rechtmäßigkeit abhängen soll oder nicht.255 Der vom Gesetzgeber gewählte Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG verlangt explizit nur die Vollziehbarkeit der Anordnung der BaFin. Vollziehungsvoraussetzungen finden sich in § 6 Abs. 1 VwVG. Danach ist ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, durchsetzbar, wenn er unanfechtbar ist, wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet ist oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist. Gemäß § 49 KWG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Anordnung der Bundesanstalt nach § 25c Abs. 4c KWG keine aufschiebende Wirkung. Da der Wortlaut des § 54a KWG nur eine solche Vollziehbarkeit verlangt, ist es zunächst naheliegend, die Rechtmäßigkeit der Anordnung für eine Strafbarkeit nach § 54a KWG nicht zu fordern.256 Dies begegnet allerdings Bedenken und führt in ein grundlegendes Problem der Verwaltungsaktsakzessorietät.

254

Vgl. BGHSt 23, 86, 91; BeckOK-StGB-Witteck, Verwaltungsakzessorietät, Rn. 6; SKStGB-Schall, vor §§ 324 ff. Rn. 72; Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 197, jew. m.w.N. Differenzierend S/S-Heine/Hecker, vor §§ 324 ff. Rn. 16a. 255 BVerfGE 87, 399, 408. 256 Für eine Unbeachtlichkeit der Rechtswidrigkeit Rack, CB 2013, 322, 323; Schork/ Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848; B/F/S-Lindemann, KWG § 54a Rn. 20; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 136. Dass es allein auf die Vollziehbarkeit ankommen soll, findet Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 27 „mit Blick auf die Strafandrohung bedenklich“.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

(2) Rechtswidrige Verwaltungsakte im verwaltungsaktsakzessorischen Strafrecht Die Verknüpfung von Straf- und Verwaltungsrecht ist nicht zu leisten, ohne dass Spannungen entstehen. Dies tritt deutlich zu Tage bei der Frage, wie das Strafrecht verfahren soll, wenn der eine bestimmte Verhaltensweise fordernde Verwaltungsakt, gegen den zur Begründung einer Strafbarkeit verstoßen werden muss und gegen den auch verstoßen wird, zwar vollziehbar, aber rechtswidrig ist. Das Strafrecht wird dann mit der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts konfrontiert und damit mit einem dem öffentlichen Recht entstammenden Instrument zur Stabilisierung von Verwaltungsentscheidungen.257 Ob ein vom Wortlaut der Norm erfasster Verstoß gegen einen materiell rechtswidrigen Verwaltungsakt eine Strafbarkeit nach sich ziehen kann, ist umstritten.258 Die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums bemühen zur strafrechtlichen Behandlung fehlerhafter Verwaltungsakte im Kern die verwaltungsrechtliche Fehlerlehre. Selbst bei fehlerhaften belastenden Verwaltungsakten komme es auch für die Belange des Strafrechts allein auf die formelle verwaltungsrechtliche Wirksamkeit des Verwaltungsaktes an, nicht hingegen auf dessen materiellrechtliche Richtigkeit.259 Zur Begründung wird unter anderem angeführt, auch rechtswidrige belastende Verwaltungsakte seien, sofern sie nicht nichtig sind, mit Erlangung der Bestandskraft oder wegen sofortiger Vollziehbarkeit von den Betroffenen zu beachten; sie würden eine verbindliche Verhaltensnorm schaffen.260 Die auch strafrechtliche Berücksichtigung dieser Verbindlichkeit diene insoweit der Einheit der Rechtsordnung.261 Auch sei die besondere Situation des in seiner Rechtmäßigkeit angezweifelten Verwaltungsakts durch die Anknüpfung des Gesetzestatbestandes an den Verwaltungsakt und die ihn charakterisierenden Stabilisierungsmechanismen, zu denen auch die Bestandskraft zähle, in den jeweiligen Tatbestand rezipiert.262 Als Teil des strafrechtlichen Tatbestandes komme seiner Verbindlichkeit für die Missbilligung der Zuwiderhandlung unmittelbare und entscheidende Bedeutung zu.263 Selbst 257

Vgl. Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 221. Grundlegender Überblick über die anlässlich der Neuregelung des Umweltstrafrechts im StGB entbrannte Diskussion bei Kühl, in: FS Lackner 1987, S. 815, 834 ff. s.a. die Darstellung bei Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 201 ff., der sich im Grundsatz für eine Beachtlichkeit auch rechtswidriger belastender Verwaltungsakte ausspricht. 259 Grundlegend BGHSt 23, 86, 91 f., wo die Vollziehbarkeit betont wird, nicht die inhaltliche Richtigkeit. s.a. BGHSt 31, 314, 315; BGH NJW 1982, 189, 189; 2005, 2095, 2097; OLG Karlsruhe NJW 1978, 116, 116 f.; LK-Steindorf, 11. Aufl., vor § 324 Rn. 31; SK-StGBSchall, vor § 324 Rn. 78; S/S-Heine/Hecker, vor §§ 324 ff. Rn. 16a, mit einem Überblick auch über Alternativansätze. Ausführlich zum Meinungsspektrum Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 126 ff. 260 Vgl. SK-StGB-Schall, vor § 324 Rn. 69 m.w.N. 261 s. etwa LK-Steindorf, 11. Aufl., vor § 324 Rn. 31. 262 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 221. 263 BGHSt 23, 86, 93. 258

C. Tatbestand

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wenn die Möglichkeit einer späteren Aufhebung des Verwaltungsakts durch das Verwaltungsgericht bestehe, gebieten es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs „die berechtigten Bedürfnisse der staatlichen Ordnung, die auch ein Anliegen der Allgemeinheit sind und denen sich jeder einsichtige Bürger, der Ordnung und Sicherheit wünscht, beugen muss“, dass der Betroffene der vollziehbaren Anordnung nachkommt.264 Es müsse dem Betroffenen zugemutet werden, der Anordnung bei Gefahr der Bestrafung nachzukommen, auch wenn noch nicht feststehe, ob eine Zuwiderhandlung letztlich das sachliche Recht verletze, weil noch die Möglichkeit einer Aufhebung des Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht bestehe.265 Auch der spätere Wegfall des Verwaltungsakts als eines Tatumstandes, der für die Verwirklichung des Straftatbestandes wesentlich war, beseitige die bereits vollendete Zuwiderhandlung selbst im Falle des rückwirkenden Entfalls des Tatumstands nicht.266 Gegen eine an der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre orientierte Auflösung des Spannungsfeldes zwischen einem auf Rechtsgüterschutz angelegten Strafrecht einerseits und der Tatbestandswirkung auch rechtswidriger Verwaltungsakte andererseits ist einige Kritik vorgetragen worden. Die Orientierung an der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre führe dazu, dass strafrechtlich an ein Verwaltungshandeln angeknüpft werde, das unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG erfolge und das durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt in unzulässiger Weise in die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten eingreife.267 Da auch die Verwaltungsbehörde an das Gesetz gebunden sei, begehe der Täter nur dann einen Gesetzesverstoß, wenn der verletzte Tatbestand durch eine gesetzeskonforme Entscheidung der Verwaltungsbehörde ergänzt werde.268 Auch wird gerügt, dass eine strafrechtliche Unbeachtlichkeit belastender rechtswidriger Verwaltungsakte im Ergebnis zur Pönalisierung bloßen Verwaltungsungehorsams führe und damit eines Verhaltens, das den Unwertgehalt einer strafwürdigen Handlung nicht erreiche.269 Die Überlegung, dass rechtswidrige Verwaltungsakte bis zur Rücknahme bestandskräftig seien und deshalb auch von den Strafgerichten respektiert werden müssten, offenbare ein geradezu polizeistaatliches Verständnis von der Rolle der Exekutive, die durch eigene Rechtsverletzungen, nämlich die Missachtung des materiellen Verwaltungsrechts, die Verletzung von strafrechtlich geschützten Rechtsgütern wie von Zauberhand rechtfertige.270 Schließlich noch wird in Fortführung obiger Kritik vorgebracht, die Übertragung der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre in das Strafrecht 264

BGHSt 23, 86, 92. BGHSt 23, 86, 92. 266 BGHSt 23, 86, 93; OLG Köln wistra 1991, 74, 75; a.A. etwa S/S-Heine-Hecker, vor §§ 324 ff. Rn. 21 f. (Strafaufhebungsgrund) m.w.N. 267 Vgl. Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 179 ff. 268 Kühl, in: FS Lackner 1987, S. 815, 853, in Bezug auf umweltstrafrechtliche Normen. 269 Zu entsprechender Kritik s. Kühl, in: FS Lackner 1987, S. 815, 842 ff. m.w.N., sowie SSW-Saliger, vor §§ 324 ff. Rn. 31 270 Schünemann, in: FS Triffterer 1996, S. 437, 451. 265

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

gerate in Konflikt mit dem Gedanken des Rechtsgüterschutzes. Denn zum einen könne etwa im Fall einer zu weitreichend erteilten Genehmigung eine materiell strafwürdige Rechtsgutsverletzung gegeben sein und umgekehrt könne es im Fall eines Verstoßes gegen eine rechtswidrige Anordnung an einem materiell strafwürdigen Verhalten fehlen.271 Angesichts dieser erheblichen Einwände befürworten Teile der Strafrechtswissenschaft mit unterschiedlichen Lösungsansätzen im Einzelnen eine von der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre gelöste, genuin strafrechtliche Behandlung rechtswidriger, aber vollziehbarer Verwaltungsakte. Nach verbreiteter Auffassung können allein rechtmäßige Verwaltungsakte strafrechtlich relevante Verhaltenspflichten begründen.272 Widersprüche zum Verwaltungsrecht entstünden durch eine solche Sichtweise nicht; der Anwendungsbereich der strafrechtlichen Norm sei dann lediglich enger als das Verwaltungsrecht.273 Vom Standpunkt der Rechtsgüterschutzlehre aus wäre dieser Ansatz gegenüber der Orientierung an der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre vorzugswürdig und auch der Einheit der Rechtsordnung würde insoweit Rechnung getragen, als die materiellen Wertungen des Verwaltungsrechts und nicht ein Art. 20 Abs. 3 GG widersprechendes Verhalten der Behörde Geltung beanspruchen würden.274 Allerdings spricht gegen diesen Ansatz, dass es infolge der mit ihm verbundenen Beurteilungskompetenz der Strafgerichte zu divergierenden Entscheidungen von Straf- und Verwaltungsgerichten275 oder auch verschiedenen Strafgerichten276 kommen könnte. Damit aber würde ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit ermöglicht. Auch wird gegen eine strafrechtsspezifische Umgestaltung der Bestandskraftlehre die von Art. 103 Abs. 2 GG angestrebte Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit ins Feld geführt.277 Schließlich noch sei das Strafgericht mit der

271 Zum Spannungsverhältnis zwischen der verwaltungsrechtlichen Fehlerlehre und dem Gedanken des Rechtsgüterschutzes Kubiciel, Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 272 ff. Er stellt sich gegen den gängigen Blick vom Rechtsgut auf das Umweltstrafrecht und rückt stattdessen die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten in den Vordergrund. 272 Rechtswidrigen Verwaltungsakten wird eine Wirkung im (Umwelt-)Strafrecht abgesprochen unter anderem von SSW-Saliger, vor §§ 324 ff. Rn. 31; MüKo-StGB-Schmitz, vor §§ 324 ff. Rn. 80 ff.; NK-Ransiek, vor §§ 324 ff. Rn. 46; Arnhold, JZ 1977, 789 f.; Kühl, in: FS Lackner 1987, S. 815, 842 ff.; Bergmann, Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 196 ff. 273 NK-Ransiek, vor §§ 324 ff. Rn. 46. 274 Vgl. Schünemann, in: FS Triffterer 1996, S. 437, 446 ff., der maßgeblich auf die Rücknehmbarkeit und nicht auf die Bestandskraft des rechtswidrigen Verwaltungsakts abstellen möchte. 275 Hierauf verweist LK-Steindorf, 11. Aufl., vor § 324 Rn. 33. 276 Hierauf verweisen S/S-Heine/Hecker, vor §§ 324 ff. Rn. 16b. 277 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 221 m.w.N.

C. Tatbestand

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Inhaltskontrolle der Behördenentscheidung nicht nur überfordert, sondern dürfe eine Ermessensentscheidung § 114 VwGO entsprechend gar nicht erst nachprüfen.278 (3) Limitierte Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG Die vorstehend skizzierte Diskussion um den Umgang des Strafrechts mit zwar rechtswidrigen, aber vollziehbaren Verwaltungsakten müsste sich angesichts der verwaltungsaktsakzessorischen Ausgestaltung des § 54a Abs. 3 KWG eigentlich auch bei ihm einstellen. Allerdings wird die Problematik im Rahmen des § 54a KWG ganz wesentlich dadurch entschärft, dass er keinen klassischen Fall einer verwaltungsaktsakzessorischen Strafnorm darstellt.279 Hierfür gibt es zwei Gründe. Der erste Grund ergibt sich bereits aus der Formulierung des die Verwaltungsaktsakzessorietät begründenden § 54a Abs. 3 KWG selbst. Zwar spricht er, wie bereits dargelegt, nur von der Vollziehbarkeit der Anordnung der BaFin und nicht von deren Rechtmäßigkeit. Doch ist damit der Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG nicht erschöpft, denn weiter heißt es, dass die Bundesanstalt dem Täter durch Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG die Beseitigung des Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG aufgegeben haben muss. Damit verlangt schon § 54a Abs. 3 KWG selbst – obschon er an einen lediglich vollziehbaren Verwaltungsakt anknüpft – dem Wortlaut nach auch einen tatsächlichen Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG. Der zweite Grund, weshalb § 54a KWG keinen klassischen verwaltungsaktsakzessorischen Straftatbestand darstellt, liegt darin, dass mit § 54a Abs. 3 KWG zwar kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein verwaltungsaktsakzessorisches Tatbestandselement eingefügt wurde, gleichzeitig aber an der in § 54a Abs. 1 KWG enthaltenen ursprünglichen Umschreibung des Tatverhaltens festgehalten wurde. § 54a Abs. 1 KWG aber ist lediglich verwaltungsrechtsakzessorisch und nicht verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet. Das Resultat der Beibehaltung des § 54a Abs. 1 KWG ist die bereits erwähnte und in ihren Konsequenzen vielfach missliche zweigliedrige Tatbestandsstruktur. Für die hier interessierende Frage der Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit rechtswidriger Verwaltungsakte bringt sie allerdings eine Entschärfung der zuvor beschriebenen Problematik mit sich. Denn die zweigliedrige Struktur des Tatbestandes bewirkt, dass die über § 54a Abs. 3 KWG begründete Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG nur eine stark limitierte ist. Im Einzelnen dürfte für § 54a KWG Folgendes gelten:

278 Vgl. LK-Steindorf, 11. Aufl., vor § 324 Rn. 33. Hiergegen MüKo-Schmitz, vor §§ 324 ff. Rn. 89. 279 So zu Recht bereits Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

(a) Materiell rechtswidrige Anordnung der BaFin mangels Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG Werden die Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG eingehalten, scheidet eine Strafbarkeit nach § 54a KWG in jedem Fall aus. Dies gilt auch, wenn ein Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin vorliegt. Denn zum einen fehlt es dann bereits an einem Verstoß gegen § 54a Abs. 1 KWG, der weiterhin Element des Tatbestandes ist, und zum anderen sind die Voraussetzungen des § 54a Abs. 3 KWG trotz der Vollziehbarkeit der Anordnung nicht erfüllt, weil es dort wie dargelegt heißt, die Anordnung müsse die Beseitigung des Verstoßes aufgeben. Auch wenn § 54a Abs. 3 KWG ausdrücklich von einer vollziehbaren Anordnung spricht, muss, möchte man den Wortlaut dieses Absatzes insgesamt respektieren, ein Verstoß gegen die in Bezug genommenen Risikomanagementpflichten tatsächlich vorliegen. Erhält der Geschäftsleiter trotz Beachtung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG eine vollziehbare Anordnung der BaFin zur Beseitigung eines vermeintlichen Verstoßes, so besteht für ihn zwar de facto kein Strafbarkeitsrisiko. Dennoch ist ihm zu raten, die Einhaltung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG frühestmöglich klarzustellen und sich dadurch mit Blick auf § 54a KWG abzusichern. Eine solche Absicherung bei der BaFin wird kaum möglich sein, weil diese selbst die (materiell rechtswidrige) Anordnung erlassen hat und daher (wenn auch fälschlicherweise) auf dem Standpunkt steht, es liege ein Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG vor. Die Chancen etwa auf eine Rücknahme der Anordnung gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG sind gering. Ratsam zur Vermeidung eines Anfangsverdachts und damit eines möglichen Ermittlungsverfahrens ist es dann, im Verfahren nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die gemäß § 49 KWG nicht vorhandene aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage anordnen zu lassen. Bestehen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung der BaFin nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollziehungsinteresse. Wird die aufschiebende Wirkung deshalb angeordnet, scheidet ab diesem Zeitpunkt ein potenziell strafbares Verhalten nicht nur aus, weil es wohl an einem Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG fehlt, sondern auch, weil nicht mehr, wie von § 54a Abs. 3 KWG verlangt, gegen eine vollziehbare Anordnung verstoßen wird. Damit wäre das Risiko eines Anfangsverdachts gebannt und für die Rechtssicherheit des Geschäftsleiters gesorgt. Eine derartige Absicherung ist freilich solange nicht gegeben, wie eine Eilrechtsentscheidung noch nicht ergangen ist. (b) Rechtswidrige Anordnung der BaFin aus anderen Gründen Das dem Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG nach gegebene Erfordernis einer (nur) vollziehbaren, nicht aber auch rechtmäßigen Anordnung der BaFin ist trotz der vorstehenden Ausführungen für die Belange des Strafrechts nicht bedeutungslos. Es behält seine Bedeutung für die Fälle, in denen die Rechtswidrigkeit der aufsichtsbehördlichen Anordnung auf formellen Mängeln beruht oder aber auf anderen materiellen Mängeln als einem fehlenden Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2

C. Tatbestand

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KWG. Zu denken ist etwa an Ermessensfehler der BaFin.280 Aus diesem Grund darf und muss die in § 54a Abs. 3 KWG angelegte Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG als limitiert bezeichnet werden. Falsch wäre es, sie für § 54a KWG insgesamt zu leugnen. Eine Unbeachtlichkeit formeller Mängel ließe sich zwar noch damit begründen, dass diese kein Grund sein sollen, der strafrechtlichen Ahndung des tatsächlich gegebenen Rechtsgutsangriffs entgegenzustehen.281 Für die Fälle materieller Rechtswidrigkeit, bei denen sich die Rechtswidrigkeit nicht aus einem fehlenden Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG ergibt, behält die bereits skizzierte Diskussion um die Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit materiell rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht allerdings ihre volle Bedeutung. Leidet die Anordnung der BaFin an einem formellen Mangel oder an einem materiellen Mangel, der andere Ursachen hat als einen fehlenden Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG, so sollte der Geschäftsleiter zur eigenen Absicherung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO darauf hinwirken, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnet.282 Gelingt dies nicht, bleibt die Anordnung weiterhin vollziehbar und es droht trotz der Rechtswidrigkeit der behördlichen Anordnung angesichts der aufgezeigten Linie der Rechtsprechung283 grundsätzlich eine Strafbarkeit nach § 54a KWG. Ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung an, müssen zwei Fälle unterschieden werden: Im ersten Fall ergeht der gerichtliche Beschluss nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, bevor es zur Situation einer Bestandsgefährdung kommt. Dann fehlt es an einer vollziehbaren Anordnung im Moment des Eintritts der Bestandsgefährdung. In diesem Fall wird die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 54a KWG teilweise abgelehnt. Aus dem Erfordernis der Vollziehbarkeit folge, dass eine Strafbarkeit ausscheiden müsse, wenn an die Nichtbefolgung einer Anordnung angeknüpft werden solle, nachdem deren sofortige Vollziehbarkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgesetzt wurde.284 Dies ist zutreffend, allerdings nicht misszuverstehen dahingehend, dass eine Strafbarkeit immer schon dann ausscheidet, wenn die Bestandsgefährdung nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung eintritt. Denn dabei würde aus dem Blick geraten, dass die Nichtbefolgung der Anordnung im Stadium ihrer Vollziehbarkeit ihre Auswirkungen womöglich erst zu einem späteren Zeitpunkt entfaltet. Anders gesprochen: Es ist durchaus denkbar, dass die erst nach der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eintretende Bestandsgefährdung kausal auf die Nichtbefolgung der Anordnung vor dem gerichtlichen Beschluss, das heißt im Stadium der Vollziehbarkeit, zurückgeht. Freilich ist dies eine unter Kausalitätsaspekten nur schwer ermittelbare Abfolge. Die pauschale Annahme, im Falle der

280 281 282 283 284

Zutreffend Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848 Fn. 12. Vgl. BeckOK-StGB-Witteck, Verwaltungsakzessorietät, Rn. 6. Entsprechende Empfehlung auch bei Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 28. Zu dieser oben S. 220 f. Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor Eintritt der Bestandsgefährdung scheide eine Strafbarkeit stets aus, verbietet sich jedenfalls. Im zweiten Fall ergeht der gerichtliche Beschluss erst nachdem der Verstoß gegen die Anordnung als kausale Ursache für die bereits eingetretene Bestandsgefährdung gesetzt wurde. Der Geschäftsleiter beantragt also vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der BaFin, erhält die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aber erst, nachdem sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 54a KWG erfüllt sind. Hier stellt sich die Frage, ob die zunächst gegebene Strafbarkeit nach § 54a KWG wieder entfällt. Dies wird zum Teil mit der Begründung verneint, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung habe zwar verwaltungsrechtlich rückwirkende Kraft, strafrechtlich dürfte diese Rückwirkung aber unbeachtlich sein.285 Dem widersprechend wird teilweise auf § 283 Abs. 6 StGB verwiesen, bei dem nach allgemeiner Ansicht die objektive Bedingung der Strafbarkeit entfalle, wenn das Insolvenzgericht den entsprechenden Beschluss auf Beschwerde des Schuldners hin aufhebe.286 Es erschließe sich nicht, weshalb im Falle des § 54a KWG etwas anderes gelten solle, falls das Verwaltungsgericht die Vollziehbarkeit der Anordnung aussetze.287 Neben dieser Parallele zu § 283 Abs. 6 StGB spricht für eine Beachtlichkeit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht auch für den Fall, dass im Zeitpunkt des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO alle Voraussetzungen des § 54a KWG bereits vorgelegen haben, dass es andernfalls maßgeblich vom Zeitpunkt des gerichtlichen Beschlusses abhängen würde, inwieweit eine Strafbarkeit nach § 54a KWG möglich ist oder nicht. Hiervon sollte die Strafbarkeit aber nicht abhängen, da der einzelne Geschäftsleiter auf diesen Zeitpunkt nur sehr begrenzt Einfluss nehmen kann durch frühzeitige Stellung eines Antrags. Ebenso dürfte es allerdings vertretbar sein, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs288 zu betonen, dass im Zeitpunkt der Tat alle Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllt waren. Die vorstehenden Überlegungen gelten entsprechend für den Fall einer späteren Aufhebung der behördlichen Anordnung im Hauptsacheverfahren.

285

Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848 f.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 10; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 20. Zum Meinungsstand über die Auswirkungen der nachträglichen Aufhebung von Verwaltungsakten auf die Strafbarkeit des Täters S/S-Heine/Hecker, vor §§ 324 ff. Rn. 21 f.; mit Bezug zu § 54a KWG gegen die allgemein überwiegend vertretene Ansicht eine Strafbarkeit verneinend Schwennicke/AuerbachSchwennicke, § 54a Rn. 11 m.w.N. 286 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 160 m.w.N. 287 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 160. 288 Vgl. BGHSt 23, 86, 93 wonach die Beseitigung einer durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnung der Ahndung eines Verstoßes gegen das fehlerhaft aufgestellte Verkehrszeichen nicht im Wege steht.

C. Tatbestand

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(4) Bedenkliche Konsequenzen der zweigliedrigen Tatbestandsstruktur des § 54a KWG Die Problematik, ob im Falle einer rechtswidrigen Anordnung der BaFin eine Strafbarkeit ausscheidet, ist, wie dargelegt, infolge der besonderen tatbestandlichen Struktur des § 54a KWG weitgehend entschärft. So begrüßenswert die zweigliedrige Tatbestandsstruktur des § 54a KWG an dieser Stelle erscheinen mag: Vollends aus dem Tatbestand verbannt ist die Diskussion um die Frage der (Un-)Beachtlichkeit rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht durch sie nicht. Grund hierfür ist, dass die zweigliedrige Tatbestandsstruktur des § 54a KWG das Problem der (Un-)Beachtlichkeit rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht nicht auflöst, sondern für das Fehlen eines Verstoßes gegen § 25 Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG aufgrund der Existenz des § 54a Abs. 1 KWG und des Wortlautes des § 54a Abs. 3 KWG die Beantwortung der Frage nach der Beachtlichkeit einer rechtswidrigen Anordnung lediglich in eine bestimmte Richtung lenkt. Die Argumente, die einer Beachtlichkeit auch rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht ganz losgelöst von § 54a KWG entgegengehalten werden können, sind durch diese Richtungsweisung weder beseitigt, noch haben sie an Gewicht verloren. Das insoweit bestehende Spannungsverhältnis tritt lediglich seltener zu Tage. Die besondere zweigliedrige Tatbestandsstruktur des § 54a KWG mag zwar dem Rechtsgüterschutz dienlich sein. Sie führt im Ergebnis aber dazu, die Tatbestandswirkung und damit die verbindliche Verhaltensnorm des Verwaltungsaktes im Strafrecht auszuhöhlen. Auch sind mit Blick auf die Rechtssicherheit bedenkliche Divergenzen möglich hinsichtlich der Beurteilung eines Sachverhaltes durch Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits. Die limitierte Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG entschärft das Problem der (Un-)Beachtlichkeit rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht folglich nur auf erste Sicht. Im Ergebnis gelangt man doch zu den Fragestellungen zurück, die ganz allgemein mit der verwaltungsaktsakzessorischen Ausgestaltung von Straftatbeständen verbunden sind. (5) Zwischenergebnis Die bei verwaltungsaktsakzessorischen Straftatbeständen häufig auftauchende Streitfrage, wie mit zwar rechtswidrigen, aber vollziehbaren belastenden Verwaltungsakten im Strafrecht umzugehen ist, wird bei § 54a KWG nur selten virulent. § 54a KWG ist aufgrund seines Absatzes 3 zwar verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet, er stellt aber keinen Regelfall einer verwaltungsaktsakzessorischen Strafnorm dar. Grund hierfür ist die ungewöhnliche zweigliedrige Struktur des § 54a KWG. Im Fall einer mangels Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG materiell rechtswidrigen Anordnungen scheidet eine Strafbarkeit stets aus, denn einen solchen Verstoß setzen sowohl § 54a Abs. 1 KWG i.V.m. § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als auch § 54a Abs. 3 KWG selbst voraus. Die Frage nach der (Un-)Beachtlichkeit einer rechtswidrigen Anordnung beschränkt sich damit für

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

§ 54a KWG auf die (wohl seltenen) Fälle formell rechtswidriger Anordnungen und materiell rechtswidriger Anordnungen, bei denen die Rechtswidrigkeit einen anderen Grund hat als das Fehlen eines Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG.289 Bei einer solchen Fehlerhaftigkeit stellen sich die Fragen, die mit der Behandlung rechtswidriger Verwaltungsakte im Strafrecht generell verbunden sind, in bekannter Weise. In den Fällen, in denen die Anordnung der BaFin materiell rechtswidrig ist, weil kein Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG gegeben ist, zwingt die limitierte Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG zur Straffreiheit. Allerdings ist auch diese durch die besondere Normstruktur vorgegebene Lösung nicht frei von Kritik, weil sie die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts weitgehend aushöhlt. Angesichts dieser Fragen drängt sich die Frage auf, ob man auf § 54a Abs. 1 KWG und damit die Zweispurigkeit des Tatbestandes nicht besser hätte verzichten und allein an einen Tatbestand nach dem Vorbild des § 54a Abs. 3 KWG hätte anknüpfen sollen. Hierauf wird in Kapitel 3 der Arbeit zurückzukommen sein. d) § 54a Abs. 3 KWG und der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) Während die vorstehenden Ausführungen von einer Zuständigkeit der BaFin für den Erlass einer Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG ausgingen und eine solche bei Schaffung des § 54a KWG auch bestand, muss dies inzwischen für einen Teil der Banken in Frage gestellt werden. Grund hierfür ist, dass in Reaktion auf die Finanzund Staatsschuldenkrise derzeit am Aufbau einer europäischen Bankenunion gearbeitet wird. Ein zentrales Element ihrer Verwirklichung ist die Etablierung eines einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (engl. Single Supervisory Mechanism, im Folgenden: SSM). Er stellt eine Zäsur in der Architektur der Bankenaufsicht dar [aa)], die auch für § 54a KWG Bedeutung erlangt [bb)]. Durch den SSM wurden zahlreiche Aufsichtsaufgaben auf die EZB übertragen [cc)]. Die konkreten Auswirkungen auf § 54a KWG hängen dabei in erster Linie von der schwierig zu beurteilenden und eingehend zu untersuchenden Frage ab, ob der Regelungskomplex des § 25c Abs. 4a–4c KWG einen Richtlinienbezug aufweist [dd)]. Abhängig davon, ob man einen solchen Bezug annimmt oder nicht, ergeben sich für § 54a KWG unterschiedliche Konsequenzen [ee)], [ff)]. aa) SSM – eine Zäsur in der Architektur der Bankenaufsicht Als ein Element der angestrebten Bankenunion wurde durch die Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank der sogenannte einheitliche 289 So zutreffend bereits Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849 Fn. 12, mit dem (wohl seltenen) Beispiel, dass eine Anordnung über die Mindestanforderungen der §§ 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG hinausgeht.

C. Tatbestand

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europäische Aufsichtsmechanismus (SSM) errichtet.290 Mit ihm wird in Abkehr von einer bislang im Kern nationalen, dezentral organisierten Aufsicht eine stärkere Vergemeinschaftung der Aufsichtspraxis in Europa angestrebt mit dem Ziel, die Politik der Union hinsichtlich der Beaufsichtigung von Kreditinstituten kohärent und wirksam umzusetzen.291 Im Rahmen dieses einheitlichen Aufsichtsmechanismus wird die Aufsicht über Banken der Eurozone (und gegebenenfalls weiterer Banken, vgl. Art. 7 SSM-VO) nunmehr unter Beteiligung der EZB und der national zuständigen Aufsichtsbehörden vorgenommen, Art. 6 Abs. 1 S. 1 SSM-VO. Die Übertragung wesentlicher Aufsichtsbefugnisse auf die EZB innerhalb des SSM soll Aufsichtsarbitrage verhindern und einen Beitrag zur Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten sowie zur Stabilität des Finanzsystems in der Union und in jedem einzelnen Mitgliedstaat leisten.292 Die Bezeichnung als einheitlicher Aufsichtsmechanismus darf durchaus als euphemistisch gelten293, ist die gefundene Aufsichtsstruktur von einer Einheitlichkeit doch ein gutes Stück entfernt.294 Im Ergebnis wurde ein Kompromiss zwischen der Vermeidung von Aufsichtsarbitrage und der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes gefunden295, indem im Grundsatz eine Unterscheidung zwischen sogenannten bedeutenden und sogenannten weniger bedeutenden Instituten vorgenommen wird.296 Die anfallenden Aufsichtsaufgaben werden dabei innerhalb des SSM zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und der EZB verteilt. Dies geschieht allerdings nicht im Sinne einer strengen Trennung, sondern in Form einer unterschiedlich ausgestalteten Zusammenarbeit innerhalb des SSM. Dieser hat damit den Charakter eines Netzwerkes, in dem nationale Behörden und EZB unter der Leitung der EZB kooperieren.297 Dabei liegt zumindest dem Grunde nach die direkte Aufsicht über 290

Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. L 287 vom 29. 10. 2013, S. 63 (im Folgenden: SSM-VO). 291 Vgl. Erwägungsgrund 12 der SSM-VO. 292 Vgl. Art. 1 Abs. 1 SSM-VO sowie Erwägungsgrund 30 der SSM-VO. Näher zu Zielen und Aufgaben des SSM Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 111 ff. 293 Ähnlich Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3, 3 („The term Single Supervisory Mechanism promises more that it can deliver.“). 294 Ausführlich zur mittlerweile sehr komplexen Struktur der (europäischen) Aufsichtsbehörden Andrae/Gebhard/Manger-Nestler/Schalast/Riso/Walter/Zagouras, in: Europäisches Bankaufsichtsrecht, S. 57 ff. sowie spezifisch zum SSM Pfau, in: Europäisches Bankaufsichtsrecht, S. 293 ff. 295 Vgl. Ceyssens, NJW 2013, 3704, 3706 f. Eine unmittelbare europäische Beaufsichtigung aller Banken würde gegen das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EUV verstoßen, s. Peters, WM 2014, 396, 400, die den zweistufigen Aufbau der Aufsicht grundsätzlich begrüßt. 296 Zur Abgrenzung bedeutender und weniger bedeutender Kreditinstitute im Rahmen des SSM Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 141 ff. s.a. oben S. 171. 297 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2014, S. 45. Zur Funktions- und Arbeitsweise des SSM im Einzelnen Berger, WM 2015, 501 ff. sowie ausführlich Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 59 ff., der von einem „Behördenverbund“ bzw. einer „Verbundverwaltung“ (§ 5 Rn. 64 ff.) spricht.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

sogenannte bedeutende Institute bei der EZB, die laufende Aufsicht über weniger bedeutende Institute liegt weiterhin bei den nationalen Aufsichtsbehörden (vgl. Art. 4, Art. 6 Abs. 4, 5 SSM-VO sowie Art. 39 ff. SSM-RahmenVO298). Seit dem 4. 11. 2014 kommt damit der EZB – freilich unter enger Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden – eine zentrale Rolle in der direkten Aufsicht über derzeit 127 Unternehmen und Gruppen der Eurozone zu, darunter 21 deutsche.299 Die Anzahl der direkt von der EZB beaufsichtigen Institute bzw. Gruppen ist damit zwar gering, jedoch machen diese gemessen an den Aktiva mehr als 80 % des Bankensektors im Eurogebiet aus.300 Ob eine europäische Bankenunion im Allgemeinen und der SSM im Besonderen sinnvolle Beiträge zur Stabilisierung der Finanzmärkte und zur Verhinderung oder wenigstens Eindämmung von Finanzkrisen ähnlich der vergangenen darstellen, kann und braucht an dieser Stelle keiner Beurteilung zugeführt werden.301 Auch der berechtigten Frage, ob der SSM mit Art. 127 Abs. 6 AEUV überhaupt auf einer sicheren rechtlichen Grundlage steht, soll hier nicht nachgegangen werden.302 Ferner wird die Vereinbarkeit von Bankenaufsicht und Geldpolitik unter dem Dach der EZB bezweifelt.303 Angesichts derart tiefgreifender Bedenken verwundert es nicht, dass Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde.304 Über diese wurde bislang nicht entschieden. Ungeachtet dessen stellt der SSM jedenfalls eine Zäsur im Bankenaufsichtsrecht dar, die auch für § 54a KWG Bedeutung erlangt und neue Fragen in Bezug auf dessen Anwendung und Bedeutung aufwirft. Allein auf diese soll im Folgenden eingegangen werden.

298 Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung), ABl. L 141 vom 14. 05. 2014, S. 1 (im Folgenden: SSM-Rahmen-VO). 299 Stand 15. 11. 2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/list_of_super vised_entities_201611.en.pdf?a9caa144fa232a75fb36cf1213edd990 (zul. abg. 30. 11. 2016). 300 https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Euro/Finanzmarktregulierung/ Bankenaufsicht/_node.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 301 Lesenswerte Kritik in Bezug auf die Europäische Bankenunion bei Schneider, EuZW 2013, 452–457. Grundsätzliche Kritik an einer Regulierung der Finanzmärkte durch international koordinierte Regeln und Institutionen bei Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 63 ff. 302 Diesbezüglich werden vielfach erhebliche Zweifel formuliert, s. von der Groeben/ Schwarze/Hatje-Selmayer, Art. 127 AEUV Rn. 51 ff. m.w.N. 303 Hierzu Peters, WM 2014, 396, 399 f. m.w.N. 304 Az. 2 BvR 1685/14, s. Legal Tribune Online vom 28. 07. 2014, http://www.lto.de/recht/ nachrichten/n/verfassungsbeschwerde-europolis-bankenunion-bankenaufsicht/ (zul. abg. am 30. 11. 2016).

C. Tatbestand

231

bb) Bedeutung des SSM für § 54a KWG Bei Schaffung des § 54a KWG durch das Trennbankengesetz im Jahr 2013 war die SSM-Verordnung noch nicht erlassen.305 Der Gesetzgeber schuf mit § 54a KWG zu diesem Zeitpunkt einen Tatbestand, der über § 54a Abs. 3 KWG und § 25c Abs. 4c KWG an die hergebrachte Bankenaufsicht durch die BaFin anknüpfte. Beide Normen sprachen und sprechen noch immer davon, dass es einer Anordnung „der Bundesanstalt“ bedarf. Vom Inkrafttreten des § 54a KWG am 2. 1. 2014 bis zur Aufnahme der Tätigkeit des SSM am 4. 11. 2014 war das Abstellen auf eine Anordnungsbefugnis der BaFin richtig und unproblematisch. Keine tiefgreifenden Änderungen gegenüber dem Jahresbeginn 2014 haben sich durch den SSM für sogenannte weniger bedeutende Institute ergeben. Innerhalb des SSM unterstehen sie grundsätzlich weiterhin der Aufsicht der nationalen Aufsichtsbehörden (vgl. Art. 6 Abs. 4 SSM-VO), auch wenn der EZB eine „Aufsicht über die Aufsicht“306 zukommt (vgl. Art. 6 Abs. 5 Buchst. a SSM-VO). Das heißt, die BaFin kann bei diesen Banken nicht nur die Einhaltung der Vorgaben nach § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG überwachen, sondern bei einem ausgemachten Missstand auch die für § 54a KWG erforderliche Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG an einzelne Geschäftsleiter erlassen. Für die interessanteren, weil für die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft gewichtigen Fälle der sogenannten bedeutenden Institute ergeben sich durch die neue Aufsichtsstruktur innerhalb des SSM jedoch immense Schwierigkeiten. Durch das Inkrafttreten des SSM könnte § 54a KWG für Geschäftsleiter solcher Institute bereits Makulatur geworden sein, denn es fragt sich, ob die BaFin gegenüber den Geschäftsleitern von Instituten, die nunmehr in erster Linie der Aufsicht der EZB unterliegen, überhaupt noch eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG erlassen darf, wie es vom Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG gefordert wird.307 Zur Beantwortung dieser Frage ist eine nähere Auseinandersetzung mit dem Kompetenzgefüge zwischen der EZB und der BaFin innerhalb des SSM erforderlich. Eine möglichst trennscharfe Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden ist schon unabhängig von dem hier interessierenden § 54a KWG erstrebenswert und von großer Bedeutung für eine gut funktionierende, transparente und glaubwürdige Bankenaufsicht.308 Daneben gilt es aber auch, in Zukunft im Rahmen der geteilten Aufsichtsbefugnisse eine möglichst enge Abstimmung der Aufsichtsbehörden untereinander zu gewährleisten, um 305 Der Erlass der SSM-Verordnung datiert vom 15. 10. 2013 und damit nach der Ausfertigung des Trennbankengesetzes am 7. 8. 2013. 306 Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3, 6 („supervisor of supervisors“). 307 Auf diese Problematik hinweisend auch B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 21. 308 So auch Neumann, EuZW-Beilage 2014, 9, 11 f., welche die Frage einer klaren Kompetenzverteilung als ganz wesentliche für den Erfolgs des SSM ansieht und zugleich betont, dass Kompetenzkonflikte unausweichlich sein werden. s.a. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2013, S. 26.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Rechtssicherheit herzustellen und dem Ziel einer einheitlicheren Aufsichtspraxis näher zu kommen. Von dem im Einzelnen mitunter schwer zu bestimmenden Nebenund Miteinander von EZB und nationalen Aufsichtsbehörden soll vorliegend nur ein kleiner Ausschnitt betrachtet werden. Er betrifft die Frage der Kompetenz für Anordnungen an einzelne Geschäftsleiter betreffend Verfehlungen im Bereich des Risikomanagements. Nur dies ist für § 54a KWG von Bedeutung. cc) Der EZB durch den SSM übertragene Aufgaben Nach Art. 4 Abs. 1 SSM-VO ist die EZB ausschließlich für die Wahrnehmung einzelner, wenngleich zahlreicher mikroprudenzieller Aufsichtsaufgaben zuständig.309 Alle dort nicht gelisteten Aufgaben verbleiben den nationalen Aufsichtsbehörden, Art. 1 Abs. 5 SSM-VO. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe hat die EZB unmittelbare Befugnisse gegenüber den ihrer direkten Aufsicht unterstehenden Banken. Die nationalen Aufsichtsbehörden werden in die tägliche Arbeit im Rahmen gemeinsamer Aufsichtsteams (sog. Joint Supervisory Teams, kurz JST) allerdings eng eingebunden.310 Die Fruchtbarmachung ihrer Erfahrung mit den zu beaufsichtigenden Instituten, dem nationalen Recht und etwaigen nationalen Gepflogenheiten ist auch bei einer direkten Aufsicht durch die EZB unerlässlich. Zu den der EZB in inhaltlicher Hinsicht übertragenen Aufgaben311 gehört nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. e SSM-VO die „Gewährleistung der Einhaltung der in Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO genannten Rechtsakte, die Anforderungen an Kreditinstitute hinsichtlich solider Regelungen für die Unternehmensführung, einschließlich Eignungsanforderungen an die für die Geschäftsführung der Kreditinstitute verantwortlichen Personen, Risikomanagementverfahren, interner Kontrollmechanismen, Vergütungspolitiken und -praktiken sowie wirksamer Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals, einschließlich auf internen Ratings basierender Modelle festlegen“. Überdies ist die EZB zuständig für die Prüfung, „ob die Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen der Kreditinstitute und ihre Eigenmittelausstattung ein solides Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung gewährleisten“, Art. 4 Abs. 1 Buchst. f SSM-VO. Von der Zuständigkeit der EZB umfasst ist also die Aufsicht über die Einhaltung der Regelungen betreffend die Unternehmensführung einschließlich der Risikomanagementverfahren und interner Kontrollmechanismen. Auf erste Sicht ist damit ein Regelungsbereich erfasst, der auch Gegenstand des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG ist.

309

Näher zum räumlichen und persönlichen Anwendungsbereich der SSM-VO Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 121 ff. 310 Zu deren Struktur s. die instruktive Darstellung in Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2014, S. 52 ff. sowie Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 69. 311 Hierzu näher Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 124 ff.

C. Tatbestand

233

Der Aktionsradius der EZB erfährt aber innerhalb der ihr durch die SSM-Verordnung übertragenen Aufgaben eine Einschränkung durch Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO.312 Da die SSM-Verordnung der EZB in erster Linie Aufgabenfelder und Befugnisse überträgt, materielle Regelungen zur Bankenaufsicht aber fehlen, musste noch festgelegt werden, welche Vorschriften die EZB im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit anzuwenden hat. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO führt hierzu aus: „Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden.“ Die EZB kann in ihrer Funktion als europäische Aufsichtsbehörde also nur Unionsrecht und allenfalls noch nationales Recht unionsrechtlichen Ursprungs, das heißt Umsetzungsgesetze, anwenden. Die Anwendung nicht harmonisierten nationalen Rechts durch die EZB widerspräche nicht nur dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, sondern würde auch zu dogmatischen Friktionen, zu Rechtszersplitterung und zu zahlreichen Rechtsschutzproblemen führen.313 In Ermangelung einschlägiger Bestimmungen direkt anwendbaren Unionsrechts hinsichtlich der Ausgestaltung des Risikomanagementsystems und daraus resultierender Pflichten der Geschäftsleiter muss die Frage gestellt werden, ob die EZB die Einhaltung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG kontrollieren und im Falle der Missachtung eine aufsichtsrechtliche Maßnahme gemäß § 25c Abs. 4c KWG erlassen kann, weil es sich bei ihnen um nationale Rechtsvorschriften handelt, die der Umsetzung von Richtlinienvorgaben dienen. Die Frage einer Richtlinienumsetzung ist damit vorliegend entscheidende Weichenstellung für die Abgrenzung der Tätigkeit von EZB und nationaler Aufsichtsbehörde. Über § 54a Abs. 3 KWG und dessen Anknüpfung an eine aufsichtsbehördliche Anordnung erhält diese Weichenstellung Bedeutung auch für das Strafrecht. dd) Richtlinienbezug des § 25c Abs. 4a–4c KWG – ein Grenzfall Ob die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG normierten Geschäftsleiterpflichten und die hieran anknüpfende Anordnungsbefugnis des § 25c Abs. 4c KWG unionsrechtlichen Ursprungs sind, sprich aus Richtlinien herrühren, deren Umsetzung sie dienen, ist zweifelhaft. Es lassen sich sowohl Argumente gegen [(1)], als auch für [(2)] eine Richtlinienumsetzung finden. (1) Argumente gegen eine Richtlinienumsetzung Auf erste Sicht spricht einiges gegen eine Einordnung des Normenkomplexes des § 25c Abs. 4a – c KWG als richtlinienumsetzendes Recht. Eingefügt wurde er nicht durch ein Umsetzungsgesetz, sondern durch das Trennbankengesetz im Zusam312 313

Hierzu Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3, 8. Vgl. Sacarcelik, BKR 2013, 353, 358; kritisch auch Schneider, EuZW 2013, 452, 455 f.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

menhang mit der Normierung der Strafnorm des § 54a KWG. Die durch § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG erfolgte Erhebung wesentlicher, zuvor bereits weitgehend bestehender Geschäftsleiterpflichten in Gesetzesrang geschah dabei in dem Bestreben, das Gesetzlichkeitsprinzip zu wahren.314 Die Anordnungsbefugnis des § 25c Abs. 4c KWG wurde ihrerseits vor dem Hintergrund der Ergänzung der Entwurfsfassung des § 54a KWG um einen Absatz 3 eingeführt. Beides geschah auf Empfehlung des Finanzausschusses. Der Regelungskomplex § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2, Abs. 4c KWG ist also seiner Schaffung und seinem Inhalt nach unmittelbar mit der Strafnorm des § 54a KWG verknüpft. Diese dient aber nicht der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben, sondern stellt einen nationalen Sonderweg dar. Stellt man auf die dienende Funktion des Komplexes § 25c Abs. 4a–c KWG für die Bedürfnisse der Strafnorm des § 54a KWG ab, liegt eine Richtlinienumsetzung also denkbar fern. Gegen eine solche spricht auch, dass die Schaffung des § 25c Abs. 4a–c KWG gerade nicht auf dem CRD-IV-Umsetzungsgesetz315, sondern auf dem Trennbankengesetz beruht, dessen Triebfeder nationalen Ursprungs ist und das europarechtlichen Vorgaben teils vorgegriffen hat. Zwar enthält der umfangreiche § 25c KWG in weiten Teilen Umsetzungen der CRD-IV-Richtlinie316, doch betreffen diese nicht § 25c Abs. 4a–c KWG.317 Die Annahme eines fehlenden Richtlinienbezugs sieht sich bestätigt durch einen Blick in die Gesetzesmaterialien zum Trennbankengesetz. In diesen finden sich einige Hinweise zur Intention des Gesetzgebers, mit den Änderungen in § 25c KWG Richtlinienvorgaben umzusetzen. Während er hinsichtlich § 25c Abs. 1 S. 1 KWG und § 25c Abs. 3 KWG von einer solchen Umsetzung ausgeht, heißt es in Bezug auf die Regelung eines Mindeststandards an Sicherstellungspflichten der Geschäftsleiter im damaligen § 25c Abs. 3 KWG, dass dieser über die Regelungen der Richtlinie 2012/…/EU hinausgehe.318 Abgesehen davon, dass dem Gesetzgeber insoweit ein redaktioneller Fehler unterlaufen sein dürfte (er sah die schließlich in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verankerten Pflichten auch ursprünglich nicht in § 25c Abs. 3

314

s. o. S. 182 f. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3395 (im Folgenden: CRD IV-Umsetzungsgesetz). 316 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. L 176 vom 27. 06. 2013, S. 338, ber. ABl. L 208 vom 02. 08. 2013, S. 73, zul. geändert durch Art. 124 ÄndRL 2014/59/EU vom 15. 5. 2014, ABl. L 173 vom 12. 06. 2014, S. 190 (im Folgenden: CRD-IV-Richtlinie). 317 s. BT-Drs. 17/10974 S. 32 f., 86 f. 318 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 30. Dies greift auch B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 21 als Argument auf. 315

C. Tatbestand

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KWG, sondern in § 25c Abs. 3a, Abs. 3b KWG vor319), zeigt bereits dieser Passus der Gesetzesbegründung, dass der Richtlinienbezug des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG einen Grenzfall darstellt. Nach Auffassung des Gesetzgebers geht der normierte Mindeststandard an Geschäftsleiterpflichten über europarechtliche Vorgaben hinaus. Nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO wendet die EZB aber (nur) die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen EU-Richtlinien umgesetzt wurden. Es lässt sich also durchaus vertreten, den von Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO geforderten Richtlinienbezug für den Komplex des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zu verneinen. Damit hätte auch unter Geltung des SSM nicht die EZB die Einhaltung dieser Vorschriften zu beaufsichtigen, sondern stets die BaFin – ein mit Blick auf den Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG begrüßenswertes Ergebnis, setzt dieser doch eine Anordnung gerade der Bundesanstalt voraus. (2) Argumente für eine Richtlinienumsetzung Die gegen eine Richtlinienumsetzung angeführten Argumente berücksichtigen nicht, dass die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Geschäftsleiterpflichten ihrerseits Ausfluss der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sind, wie sie bereits § 25a Abs. 1 KWG statuiert. Zudem ist der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG geregelte Mindeststandard an Sorgetragungspflichten (ergänzt um die Anordnungsbefugnis der BaFin in § 25c Abs. 4c KWG) systematisch betrachtet zunächst Teil des Aufsichtsrechts und dort der GovernanceRegeln. Erst durch den verwaltungsakzessorischen § 54a KWG wird der Bezug zum Strafrecht hergestellt. Während bisher der national strafrechtliche Aspekt im Vordergrund stand, soll nun der aufsichtsrechtliche und zugleich unionsrechtliche Aspekt der in Rede stehenden Vorschriften näher beleuchtet werden. (a) Richtlinienbezug der Vorgaben in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG Auch wenn der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG normierte Pflichtenkatalog nicht in direkter und expliziter Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben entstanden sein sollte, so lässt sich dennoch ein für Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO noch hinreichend starker Richtlinienbezug herstellen. Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Vorgaben im Ergebnis nur Detailregelungen bezogen auf Geschäftsleiter darstellen, die einen (durch den deutschen Gesetzgeber als strafrechtsrelevant erachteten) Ausschnitt dessen darstellen, was inhaltlich mit Bezug auf das Institut ohnehin bereits aus § 25a Abs. 1 S. 3 KWG (für Gruppen i.V.m. § 25a Abs. 3 KWG) folgt. Die enge Verknüpfung des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG mit § 25a Abs. 1 KWG zeigt sich schon daran, dass zahlreiche Anforderungen des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG

319

Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 22 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

explizit an einzelne Vorgaben aus § 25a Abs. 1 S. 3 KWG anknüpfen.320 Wenn aber § 25a Abs. 1 KWG eine Richtlinienumsetzung darstellen sollte, muss berechtigterweise gefragt werden, ob nicht auch § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG in der Folge als (noch) richtlinienumsetzend verstanden werden darf oder sogar muss. Eine solche Ableitung eines Richtlinienbezugs erfordert zunächst eine nähere Auseinandersetzung mit Ursprung und Inhalt des § 25a Abs. 1 KWG. Er geht zurück auf die sechste KWG-Novelle von 1997.321 Durch sie wurde erstmals gesetzlich eine Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements, angemessener Kontrollverfahren sowie eine Dokumentationspflicht bezüglich der ausgeführten Geschäfte normiert. § 25a KWG sollte dabei zunächst der Umsetzung von Art. 10 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und in der Folge von Artikel 4 Abs. 4 der Kapitaladäquanzrichtlinie dienen.322 Im Laufe der Jahre wurde § 25a KWG einer Vielzahl von Modifikationen unterzogen, die hier im Einzelnen nicht nachgezeichnet werden sollen.323 Nachdem man sich zwischenzeitlich an den Vorgaben der EG-Kreditinstitute-Richtlinie324 zu orientieren hatte, ist mittlerweile die Beachtung des CRD-IVPakets erforderlich. Die hier maßgeblich interessierenden Vorgaben sind in Art. 74 ff. der CRD-IV-Richtlinie enthalten.325 Von besonderer Bedeutung ist Art. 76 der CRD-IV-Richtlinie, der nähere Anforderungen hinsichtlich der Erkennung und Behandlung von Risiken formuliert. Insgesamt kann § 25a Abs. 1 KWG also als richtlinienumsetzend angesehen werden, selbst wenn einzelne Elemente des in § 25a Abs. 1 S. 3 KWG enthaltenen Katalogs unionsrechtlich nicht explizit gefordert sein sollten. An diesen Katalog wiederum knüpft § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG an. Wenn aber § 25a Abs. 1 S. 3 KWG eine Detailregelung hinsichtlich des Richtlinienerfordernisses „Risikomanagementfunktion“ (vgl. Art. 76 Abs. 5 UAbs. 1 CRD-IV-Richtlinie) darstellt, so kann dies auch für das Aufgreifen dieser Vorgaben durch § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG gelten. Dieser Komplex kann also durchaus ebenfalls als Vertiefung einer Richtlinienumsetzung verstanden werden, als Sichtbarmachung einzelner Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte. Als im eigentlichen Sinne überschießend sind diese Detailregelungen dabei nicht zu erachten, es handelt sich vielmehr um inhaltliche Vertiefungen und nähere Ausgestaltungen. Der Frage, ob die EZB auch nationale Rechtsvorschriften anwenden darf, die tatsächlich in über-

320 Vgl. im Einzelnen die Gegenüberstellung von § 25a KWG, § 25c KWG und den MaRisk durch Reuse, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 437. 321 BGBl. I S. 2544. 322 BT-Drs. 13/7142 S. 87. 323 Verwiesen sei auf die Darstellung in B/F/S-Braun, KWG, § 25a Rn. 1 ff. 324 Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. L 177 vom 30. 06. 2006, S. 1. 325 Richtlinie 2013/36/EU (Kap. 2 Fn. 316).

C. Tatbestand

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schießender Weise erlassen werden, braucht daher hier nicht nachgegangen zu werden.326 Beantwortet werden muss aber die verwandte Frage, ob die EZB, wenn sie nationale Rechtsvorschriften anwendet, mit denen Richtlinien umgesetzt wurden, auch für derart vertiefende Regelungen zuständig ist. In der Literatur wird in diesem Kontext das Beispiel eines durch nationales Recht geforderten konkreten Prozesses im Bereich des Risikomanagements angesprochen, der lediglich eine Konkretisierung des durch EU-Recht geforderten Standards bedeutet, und insoweit eine Kompetenz der EZB befürwortet.327 Dieses Beispiel entspricht dem, was in § 25a Abs. 1 KWG geregelt ist und woran § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG anknüpft. Dass hinsichtlich der näheren Ausgestaltung und gegebenenfalls auch Vertiefung den Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum eröffnet ist, liegt daran, dass die Richtlinienvorgaben nicht sehr detailliert ausgefallen sind. Schon um einen dauernden Kompetenzstreit zu vermeiden und Rechtssicherheit herzustellen, sollte die Zuständigkeit der EZB auch derart vertiefende Regelungen umfassen. Festzuhalten ist: Die in § 25a Abs. 1 S. 3 KWG gemachten Vorgaben dienen im Ergebnis der Erreichung des Richtlinienziels eines soliden und wirksamen Risikomanagementsystems und einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation. Sie können als richtlinienumsetzend im Sinne des Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO verstanden werden mit der Folge, dass die EZB deren Einhaltung durch ihrer direkten Aufsicht unterliegende Institute zu überwachen hat. Soweit § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG diese Vorgaben inhaltlich aufgreift, kann auch er noch als richtlinienumsetzend verstanden werden. Der konstruktive Unterschied, dass sich § 25a Abs. 1 KWG auf das Institut (bzw. über Abs. 3 auf die Gruppe) bezieht, § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG hingegen auf die Geschäftsleiter als natürliche Personen, vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Teile des Pflichtenkreises aus § 25a Abs. 1 KWG werden durch § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG lediglich „personalisiert“. Würde man hier die Grenze zur Richtlinienumsetzung ziehen, so hätte dies die wenig sinnvolle Konsequenz, dass für Anordnungen in Bezug auf das Institut bzw. die Gruppe die EZB, in Bezug auf die Geschäftsleiter indes die nationale Aufsichtsbehörde zuständig wäre. (b) Richtlinienbezug des § 25c Abs. 4c KWG und Anordnungsbefugnis der EZB Hinsichtlich der Anordnungsbefugnis der Aufsichtsbehörde ist parallel zu § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zu fragen, ob auch § 25c Abs. 4c KWG noch als richtlinienumsetzend aufgefasst werden kann. Die Beantwortung dieser Frage kann indes dahinstehen, weil bereits aus der SSM-Verordnung selbst eine Anordnungsbefugnis der EZB ableitbar ist. Die EZB ist, wenn sie im Rahmen von Überprüfungen 326 Die Frage aufwerfend Schneider, EuZW 2013, 452, 455; Sacarcelik, BKR 2013, 353, 358; Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3, 8. 327 Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3, 8.

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festgestellt hat, „dass die von dem Kredit angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie seine Eigenmittelausstattung und Liquidität kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisten“ (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c SSM-VO), befugt „eine Verstärkung der Regelungen, Verfahren, Mechanismen und Strategien zu verlangen“ (Art. 16 Abs. 2 Buchst. b SSM-VO). Davon umfasst dürfte auch eine Anordnung direkt an einzelne Geschäftsleiter als natürliche Personen sein. Der Maßstab für ein Einschreiten auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c SSM-VO ist dann – unter der Prämisse eines Richtlinienbezugs – in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zu finden.328 (3) Zwischenergebnis Sowohl für eine Interpretation des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als (noch) richtlinienumsetzend als auch für eine von einer Richtlinienumsetzung losgelöste Interpretation lassen sich Argumente finden.329 Damit ist nur eine der zahlreichen in Zukunft zu erwartenden Abgrenzungsschwierigkeiten der Aufgabenverteilung zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden aufgezeigt. Im Folgenden gilt es, die Konsequenzen der beiden Interpretationsmöglichkeiten zu erörtern. ee) Auswirkungen bei Annahme einer Richtlinienumsetzung Versteht man § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als zwar nationale, aber noch in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben ergangene Vorschrift, so müsste die EZB gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. e i.V.m. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO für die Überwachung der Einhaltung der in ihnen enthaltenen Vorgaben gegenüber Geschäftsleitern solcher Banken zuständig sein, die ihrer direkten Aufsicht unterliegen. Dabei taucht freilich die generelle, weit über § 54a KWG hinausreichende Frage auf, ob nicht der Vollzug nationalen, wenn auch richtlinienumsetzenden Bankenaufsichtsrechts durch die EZB verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben zuwiderläuft. Dieser grundlegenden Frage kann im vorliegenden Rahmen nicht vertieft nachgegangen werden. An der Zulässigkeit eines solchen „Vollzugs in umgekehrter Richtung“330 (ein Unionsorgan soll nationales Recht anwenden und nicht soll, wie sonst üblich, Unionsrecht durch Unionsorgane oder mitgliedstaatliche Behörden vollzogen werden) darf ganz generell gezweifelt werden.331 Im Folgenden sollen 328 Anders Otto, der auf eine Anordnungsbefugnis der EZB nach § 25c Abs. 4c KWG abstellt, s. Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 77 f. Er begründet dies anhand einer Verknüpfung des § 25c Abs. 4c KWG mit § 25c Abs. 4a, Abs. 4b KWG, die ihrerseits auf den EU-rechtlich veranlassten § 25a Abs. 1 KWG zurückgehen sollen. Otto scheint sich aber insoweit zu widersprechen, als er wenige Sätze später hinsichtlich der in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b KWG enthaltenen Vorgaben EU-rechtliche Impulse bestreitet. 329 So im Ergebnis auch B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 21. 330 Peuker, JZ 2014, 764, 766. 331 Eingehend hierzu mit überzeugenden Ausführungen Peuker, JZ 2014, 764, 765 ff., der in der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch ein Unionsorgan ein Novum erblickt, das

C. Tatbestand

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lediglich die bei Annahme einer Zuständigkeit der EZB auftretenden, spezifisch § 54a KWG betreffenden Probleme skizziert werden. (1) Folgen für § 54a KWG im Falle einer Anordnungsbefugnis der EZB Die Annahme einer Anordnungsbefugnis der EZB würde ganz grundsätzliche Probleme aufwerfen. Wenn schon das Anknüpfen an eine Zuwiderhandlung gegen einen von einer nationalen Behörde zur Ausfüllung eines Straftatbestandes erlassenen Verwaltungsakt angesichts des aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehaltes zumindest fraglich ist332, muss dies erst recht gelten, wenn die Präzisierung einer nationalen Strafvorschrift durch eine Aufsichtsmaßnahme der EZB als europäischem Akteur erfolgen soll. Auch würde eine Anordnungszuständigkeit der EZB erhebliche Fragen im Bereich des Verfahrensrechts und des Rechtsschutzes aufwerfen, denn abhängig davon, wer die Aufsicht über das in Rede stehende Institut innehat, würden sich deutlich unterschiedliche rechtliche Regime ergeben. Soweit die BaFin handelt, richtet sich das Verwaltungsverfahren maßgeblich nach den Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes und ist Rechtsschutz vor den nationalen (Verwaltungs-)Gerichten zu ersuchen.333 Im Rahmen der Aufsicht durch die EZB würde indes ein Aufsichtsbeschluss europäischen Ursprungs ergehen, für den die verwaltungsrechtlichen Grundsätze des Europarechts gelten und für den sich in der SSM-Rahmen-VO334 nähere Vorgaben finden.335 Sollte es nicht zu einer Abhilfe im Rahmen eines fakultativen internen Verfahrens kommen (vgl. Art. 24 SSM-VO, „Administrativer Überprüfungsausschuss“), muss sich der Adressat des EZB-Beschlusses gegen diesen vor den Unionsgerichten zur Wehr setzen. Diese sind zwar für die Kontrolle von Handlungen der Unionsorgane zuständig, sie sind indes nicht zur eigenständigen Beurteilung der korrekten Anwendung und Auslegung nationalen Rechts befugt. Mitgliedstaatliche Verwaltungsgerichte ihrerseits aber können nicht die Rechtmäßigkeit von Exekutivakten der EZB überprüfen.336 An dieser Stelle erweist sich das Konzept einer zweispurigen Aufsicht, in dem europäische Behörden unter anderem nationales, wenn auch harmonisiertes Recht anwenden, als noch unausgegoren. Die zu Recht formulierte Empfehlung, bei einer zweifelhaften Urheberschaft einer Aufsichtsmaßnahme Rechtsschutz zugleich sich nicht in die bisherige Systematik des Verwaltungsvollzugs in der Europäischen Union einfüge und verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben zuwiderlaufe. 332 s. o. S. 208 ff. 333 Sog. Trennungsprinzip, s. im Einzelnen zum Rechtsschutz gegen Maßnahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus Berger, WM 2015, 501, 504 ff. sowie Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 246 ff. 334 Verordnung (EU) Nr. 468/2014 (Kap. 2 Fn. 298). 335 Vgl. etwa Art. 31 SSM-Rahmen-VO (Recht auf rechtliches Gehör), Art. 32 SSMRahmen-VO (Recht auf Akteneinsicht), Art. 33 SSM-Rahmen-VO (Begründung für Aufsichtsbeschlüsse). 336 Zu dieser Problematik s. Schneider, EuZW 2013, 452, 456; Sacarcelik, BKR 2013, 353, 358; Peuker, JZ 2014, 764, 768 m.w.N.

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vor den europäischen und den nationalen Gerichten zu suchen337, verdeutlicht die misslichen Konsequenzen einer vielfach noch unklaren Zuständigkeitsverteilung innerhalb des SSM. Ungeachtet dieser problembehafteten Folgen einer Zuständigkeit der EZB könnte eine von ihr erlassene Aufsichtsmaßnahme jedenfalls keine Strafbarkeit einzelner Geschäftsleiter nach § 54a KWG ermöglichen. Dies gilt unabhängig davon, ob die EZB nach Art. 16 SSM-VO oder nach § 25c Abs. 4c KWG vorgehen könnte und würde, denn § 54a Abs. 3 KWG verlangt ausweislich seines Wortlauts, dass die Bundesanstalt eine Anordnung gegenüber dem Täter erlassen hat. Diese Fassung des Tatbestandes erlaubt keine Auslegung dahingehend, dass auch Verstöße gegen Anordnungen der EZB eine Strafbarkeit nach § 54a KWG begründen könnten. Ein derartiges Verständnis würde die Wortlautgrenze zulasten des Täters überschreiten. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass bei Zugrundelegung einer Zuständigkeit der EZB für die Aufsicht über die Einhaltung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zahlreiche Probleme zu Tage treten. Sie reichen von der Frage der Vereinbarkeit eines Vollzugs nationalen Rechts durch die EZB mit verfassungs- und unionsrechtlichen Grundsätzen bis hin zu weitgehend ungeklärten Fragen des Rechtsschutzes gegen ein Aufsichtshandeln der EZB bei einer Anwendung nationalen Rechts. Vor allem aber scheidet bei Zugrundelegung einer Zuständigkeit der EZB für Geschäftsleiter solcher Institute, die der Aufsicht der EZB unterliegen, eine Strafbarkeit nach § 54a KWG derzeit aus. Ihrer Aufsicht unterliegen aber gerade diejenigen Institute, deren Relevanz für die Stabilität des Finanzsystems und deren Bedeutung für die Gesamtwirtschaft besonders hoch ist. Für die Geschäftsleiter solcher Institute hätte § 54a KWG dann lediglich für eine Dauer von zehn Monaten eine (zumindest theoretische) Bedeutung gehabt. Bis zu einer Anpassung des Wortlautes des § 54a Abs. 3 KWG würde § 54a KWG für diese Geschäftsleiter leerlaufen – eine „unbefriedigende, ja absurde Situation“338. Es stellt sich deshalb die Frage, ob – immer noch unter der Prämisse einer aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit der EZB hinsichtlich der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG – nicht doch eine Möglichkeit besteht, dass nicht die EZB selbst, sondern die BaFin eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG an einzelne Geschäftsleiter erlässt – und damit dem Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG entsprochen wird. (2) Fortbestehende Anordnungsbefugnis der BaFin gemäß § 25c Abs. 4c KWG? Die SSM-Verordnung bietet für eine fortbestehende Anordnungsbefugnis der BaFin einige Ansätze. Drei sollen vorliegend näher untersucht werden. Dabei stellen die ersten beiden, nachfolgend [(a)] und [(b)], auf eine Veranlassung des Handelns 337 338

So Berger, WM 2015, 501, 506. B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 21.

C. Tatbestand

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der BaFin durch die EZB ab, die dritte hingegen auf eine bei der BaFin verbliebene originäre Zuständigkeit [(c)]. (a) Aufforderung der BaFin durch die EZB über Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 SSM-VO? Um zu der dem Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG erforderlichen Anordnung der BaFin zu gelangen, könnte man daran denken, dass die BaFin von der EZB aufgefordert wird, eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG zu erlassen – gegebenenfalls nach einer entsprechenden Mitteilung der BaFin an die EZB über den ausgemachten Missstand und die Bedeutung einer Anordnung gerade nach § 25c Abs. 4c KWG für die Zwecke des Strafrechts. Gemäß Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 SSM-VO kann die EZB, „soweit zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben erforderlich […], die nationalen Behörden durch Anweisung auffordern, gemäß und im Einklang mit ihrem jeweiligen nationalen Recht von ihren Befugnissen in den Fällen Gebrauch zu machen, in denen diese Verordnung der EZB die entsprechenden Befugnisse nicht übertragen hat.“ Ein solches Vorgehen wäre indes nicht frei von Bedenken.339 Es ist bereits fraglich, ob eine Aufforderung durch die EZB an die BaFin, eine Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG zu erlassen, zur Wahrnehmung der der EZB durch die SSMVerordnung übertragenen Aufgaben erforderlich wäre. Die SSM-Verordnung überträgt der EZB zwar Aufsichtsaufgaben und entsprechende Befugnisse. Nicht jedoch handelt sie davon, dass der EZB die Möglichkeit zustehen soll, den Weg in eine Strafbarkeit nach nationalem Recht zu ermöglichen. Dies ist auch keine originär aufsichtsrechtliche Aufgabe. Eine Aufforderung durch Anweisung der EZB an die BaFin zum Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG wäre schließlich ebenso janusköpfig wie die Anordnung der BaFin selbst340 : Die Anweisung der EZB würde das Aufsichtsrecht ebenso berühren wie das Strafrecht. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht aber ist eine Aufforderung der BaFin zum Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG schon nicht erforderlich i.S.d. Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 SSMVO, da die EZB eine ähnlich gelagerte eigenständige Befugnis nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO hat. Bei Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 SSM-VO aber geht es um die Aufforderung zur Wahrnehmung von Befugnissen, die der EZB gerade nicht durch die SSM-Verordnung übertragen worden sind. Der einzige Mehrwert eines Umweges über die BaFin gegenüber einem direkten Handeln der EZB läge in der Eröffnung einer Strafbarkeit nach § 54a KWG. Es erscheint zweifelhaft, ob eine Anweisung der EZB an die BaFin mit dem Zweck, den Weg in die Strafbarkeit nach § 54a KWG zu eröffnen, noch der Wahrnehmung der der EZB durch die SSM-Verordnung übertragenen Aufgaben dient. Übertragen wurden ihr gemäß Art. 4 Abs. 1 SSM-VO schließlich „Aufgaben zur Beaufsichtigung“. 339 Jedenfalls die Möglichkeit eines solchen Vorgehens ist angesprochen bei B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 21. 340 Zur Janusköpfigkeit s. o. S. 215.

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Diese sind zwar verbunden mit der Befugnis, Verwaltungssanktionen auszusprechen (vgl. Art. 18 SSM-VO). Eine Anweisung an die BaFin, nach § 25c Abs. 4c KWG vorzugehen mit dem alleinigen Ziel, hierdurch eine Strafbarkeit zu ermöglichen (denn aufsichtsrechtlich bräuchte die EZB diesen Weg nicht zu wählen), ist aber zum einen nicht der Ausspruch einer (Verwaltungs-)Sanktion, zum anderen nicht mehr unmittelbarer Gegenstand einer Beaufsichtigung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 SSM-VO. Im Ergebnis kann Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 SSM-VO die Problematik, die durch eine Einordung des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als richtlinienumsetzendes Recht entsteht, nicht zufriedenstellend lösen, denn es ist kaum möglich, von der Aufgabenübertragung auf die EZB auch die Ermöglichung einer Strafbarkeit nach nationalem Recht wegen eines Verstoßes gegen Organisationsvorgaben als erfasst anzusehen. (b) Anordnungsverlangen der EZB an die BaFin über Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 SSM-VO? Art. 18 SSM-VO regelt den Bereich der Verwaltungssanktionen. Nach Art. 18 Abs. 1 SSM-VO hat die EZB das Recht, Verwaltungsgeldbußen zu verhängen; dies allerdings nur gegenüber Kreditinstituten, Finanzholdinggesellschaften und gemischten Finanzholdinggesellschaften und nur im Falle eines Verstoßes gegen eine Anforderung aus direkt anwendbaren Rechtsakten der Union. Beides steht in Bezug auf § 54a KWG nicht in Rede, da es dort zum einen um Anordnungen gegenüber Geschäftsleitern geht und zum anderen nicht um Verstöße gegen Anforderungen aus direkt anwendbaren Rechtsakten der Union. Von Interesse ist aber die Regelung in Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO. Danach kann die EZB in von Art. 18 Abs. 1 SSM-VO nicht erfassten Fällen, „wenn dies für die Zwecke der Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben erforderlich ist, von den nationalen zuständigen Behörden verlangen, Verfahren einzuleiten, damit Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass im Einklang mit den Rechtsakten nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO und allen einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften, die besondere Befugnisse zuweisen, die bisher durch Unionsrecht nicht gefordert waren, geeignete Sanktionen verhängt werden.“ Diese – an Verschachtelungen kaum noch zu überbietende – Vorschrift könnte es der EZB erlauben, von der BaFin eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG zu verlangen. Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO fordert, dass die EZB durch ihr Verlangen gegenüber der nationalen Aufsichtsbehörde zur Wahrnehmung der ihr durch die SSM-Verordnung übertragenen Aufgaben handelt und dies für die Zwecke der Wahrnehmung dieser Aufgaben auch erforderlich ist. Damit ergibt sich auch an dieser Stelle das bereits bei Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 SSM-VO aufgezeigte Problem, dass die Eröffnung des Weges in die Strafbarkeit nach nationalem Recht entweder schon nicht mehr der Wahrnehmung der Aufsichtsaufgabe der EZB dient oder aber für Aufsichtszwecke nicht erforderlich sein dürfte. Gegen eine Heran-

C. Tatbestand

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ziehung des Art. 18 SSM-VO spricht außerdem, dass es bei § 25c Abs. 4c KWG nicht darum geht, Verwaltungssanktionen zu verhängen, sondern eine Strafbarkeit von natürlichen Personen nach nationalem Recht zu ermöglichen. Verwaltungssanktionen aber können nicht gleichgesetzt werden mit Sanktionen (oder deren Ermöglichung), die durch ein Gericht verhängt werden.341 Letzteres ergibt sich auch aus Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 S. 2 SSM-VO, der von den „Sanktionen der nationalen zuständigen Behörden“ spricht. Weder der aufsichtsrechtliche Teil einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG, noch die Ermöglichung einer Strafbarkeit nach § 54a KWG stellt eine Verwaltungssanktion dar. Eine Sanktion würde bei § 54a KWG im Ergebnis allenfalls durch die Strafjustiz, nicht aber durch die Aufsichtsbehörde verhängt. Die Argumentation, dass die Eröffnung allein eines Strafbarkeitsrisikos weniger einschneidend sei als die Verhängung einer Verwaltungssanktion, verbietet sich schon deshalb, weil aufgrund der Unterschiedlichkeit der Wirkweisen eine graduelle Abstufung nicht durchführbar ist. Während Art. 18 SSMVO auf das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht und dabei insbesondere auf § 56 KWG abzielt, geht es bei § 25c Abs. 4a–c KWG um Fragen des Kriminalstrafrechts bzw. um dessen Eröffnung durch ein Handeln der Aufsichtsbehörde. Allerdings spricht Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO auch davon, dass die EZB von den national zuständigen Behörden die Einleitung von Verfahren verlangen kann, damit Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass geeignete Sanktionen verhängt werden. Dies erlangt vor allem in den Mitgliedstaaten Bedeutung, in denen die nationale Bankenaufsichtsbehörde die Möglichkeit hat, selbst Strafverfahren einzuleiten.342 Zwar kann die BaFin in Deutschland selbst keine Strafverfahren einleiten. Doch geht der Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG mit der Eröffnung der Strafnorm des § 54a KWG zumindest in Richtung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Ob ein derart weites Verständnis des Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO (kombiniert außerdem mit einem weiten Verständnis der Richtlinienumsetzung gemäß Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO) im Ergebnis trägt, ist zweifelhaft und erscheint angesichts des Subsidiaritätsgrundsatzes als zu weitgehend. Hält man, wie hier befürwortet, neben Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 SSM-VO auch Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 SSM-VO für nicht einschlägig, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob der BaFin bei der Befolgung der Aufforderung der EZB noch ein Ermessen zukäme und damit ihre Anordnung als eigener Verwaltungsakt anzusehen oder aber ob die Anordnung der EZB zuzurechnen wäre, was Auswirkungen auf die Rechtsschutzmöglichkeiten hätte. Auch muss nicht entschieden werden, ob die Möglichkeit des Vorgehens der EZB über Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 SSM-VO oder

341

So auch Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2014, S. 57. Zum Begriff der Verwaltungssanktion nach Art. 18 SSM-VO Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 237 ff. 342 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2014, S. 58.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 SSM-VO ein eigeninitiatives Vorgehen der BaFin ausschließen würde.343 Lehnt man eine Aufforderungsbefugnis der EZB gegenüber der BaFin zum Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG wie hier vertreten ab, muss als Konsequenz allerdings die Frage gestellt werden, ob nicht wenigstens der „strafbarkeitseröffnende Teil“ der in § 25c Abs. 4c KWG geregelten Anordnungsbefugnis für sich genommen im Aufgabenkreis der BaFin verblieben ist und neben der aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit der EZB weiter für Anordnungen gegenüber Geschäftsleitern jeglicher Art von Institut von der BaFin wahrgenommen werden darf. (c) „Teilzuständigkeit“ der BaFin für strafrechtlichen Teil der Anordnung? Angesichts der Janusköpfigkeit einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG344 liegt der Gedanke nahe, die Anordnung in einen aufsichtsrechtlichen und einen strafrechtlichen Teil zu spalten. Erachtet man die Ermöglichung einer Strafbarkeit nach § 54a KWG als eigenständigen Teil, der nicht der Kompetenz der EZB unterfällt, könnte die Anordnungsbefugnis hinsichtlich dieses Teils bei der BaFin verblieben sein. Grund hierfür ist, dass die SSM-Verordnung lediglich die Übertragung von Aufsichtsbefugnissen zum Gegenstand hat und sich bei einer Spaltung der Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG hinsichtlich des strafrechtlichen Teils die Frage einer Übertragung von Zuständigkeiten auf die EZB gar nicht stellen würde. Eine Zuständigkeit der BaFin hinsichtlich des aufsichtsrechtlichen Teils bestünde gegenüber den Geschäftsleitern solcher Institute, die der Aufsicht der EZB unterliegen, allerdings nicht. Damit würde man § 25c Abs. 4c KWG auf das reduzieren, wofür er neben § 25a Abs. 2 S. 2 KWG geschaffen wurde und was er im Kern darstellt: Das Tor hin zur Strafbarkeit, den Steigbügel des § 54a KWG.345 Die Annahme einer Teilzuständigkeit der BaFin allein für den strafrechtlichen Teil der Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG kann aber nicht überzeugen, weil der aufsichtsrechtliche Teil der Anordnung nicht von ihrem strafrechtlichen Teil abgekoppelt werden kann. Beide Elemente sind in der Anordnung untrennbar miteinander verbunden. Um im Bild der Janusköpfigkeit zu bleiben, ist es der gemeinsame Torso, der eine Trennung der beiden Funktionen der Anordnung verhindert. Es ist nicht möglich, neben einer aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit der EZB der BaFin eine Zuständigkeit allein im Hinblick auf die Ermöglichung einer Strafbarkeit nach § 54a KWG zu belassen, denn dafür müsste sie eine in aufsichtsrechtlicher Hinsicht inhaltsleere Anordnung treffen, möchte sie nicht in die aufsichtsrechtliche Kompetenz der EZB eingreifen. Eine in aufsichtsrechtlicher Hinsicht inhaltsleere, aber gleich343

Ein solches hält Schneider, EuZW-Beilage 2014, 18, 21, für möglich. s. o. S. 215. 345 Auch Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 75, sieht im „Einstig in ein sehr konkretes Strafbarkeitsrisiko“ das einzige, was die neue Anordnungsbefugnis mit sich bringt. 344

C. Tatbestand

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zeitig vollziehbare Anordnung ist indes denklogisch unmöglich. Auch wäre es der BaFin verwehrt, die aufsichtsrechtliche Maßnahme der EZB aufzugreifen oder diese gestützt auf § 25c Abs. 4c KWG schlicht zu wiederholen, weil ihr auch hierfür die aufsichtsrechtliche Kompetenz fehlt. (3) Zwischenergebnis Bei Annahme einer aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit der EZB für die Wahrung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG hinsichtlich der Geschäftsleiter von Instituten, die der Aufsicht der EZB unterliegen, scheint es nicht möglich, eine für die Strafbarkeit nach § 54a KWG erforderliche Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG zu erhalten. Eine entsprechende Befugnis der Bafin kann weder über eine Teilzuständigkeit für strafrechtliche Aspekte, noch über Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 SSM-VO oder Art. 18 Abs. 5 UAbs. 1 SSM-VO begründet werden. Eine Anordnung der EZB aber vermag die Strafbarkeit nach § 54a KWG angesichts des Wortlauts des § 54a Abs. 3 KWG nicht zu ermöglichen. Für Geschäftsleiter solcher Institute, die der Aufsicht der EZB unterliegen, läuft bei einem Verständnis des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als richtlinienumsetzendes Recht der Tatbestand des § 54a KWG daher leer. Da dies aber gerade die Fälle mit Relevanz für die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft sind, zeitigt die Annahme einer Richtlinienumsetzung überaus missliche Konsequenzen in strafrechtlicher Hinsicht. ff) Auswirkungen bei Verneinung einer Richtlinienumsetzung Die vorstehend aufgezeigten Schwierigkeiten entfallen weitgehend, wenn man die Anforderungen in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG nicht als Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben betrachtet. Ein solcher national-strafrechtsorientierter Ansatz, der den Blick weg von unionsrechtlichen Vorgaben sowie von § 25a Abs. 1 KWG lenkt und maßgeblich auf die Schaffung des § 25c Abs. 4a–c KWG im Zusammenhang mit § 54a KWG durch das Trennbankengesetz abstellt, hat einen entscheidenden Vorteil: Er belässt die Anordnungsbefugnis bei der Behörde, die der deutsche Gesetzgeber bei Schaffung des § 54a KWG mit dieser Aufgabe betraut und im Gesetzestext ausdrücklich benannt hat. Damit könnten auch die Geschäftsleiter sogenannter bedeutender Institute und damit die Fälle mit dem höchsten Regelungsbedarf § 54a KWG unterfallen. Auch ein von einer Richtlinienumsetzung losgelöstes Verständnis des § 25c Abs. 4a–c KWG ist in seinen Konsequenzen allerdings nicht frei von Schwierigkeiten, denn wie dargelegt wohnt der Anordnung der BaFin nicht nur ein strafrechtsermöglichender Teil inne, sondern auch eine materielle, aufsichtsrechtliche Anordnung. Zwar obliegt es bei einem Verständnis des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als von unionsrechtlichen Vorgaben losgelöstem, originär nationalem Recht allein der BaFin, auch über dessen Einhaltung zu wachen. Doch kommt der EZB in Bezug auf die ihrer Aufsicht unterliegenden Institute die allgemeinere Befugnis zu,

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

bei Missständen im Bereich der Unternehmensführung (vgl. Art. 4 Abs. 1 Buchst. e SSM-VO) eine Verstärkung der Regelungen, Verfahren, Mechanismen und Strategien zu verlangen (vgl. Art. 16 Abs. 2 Buchst. b SSM-VO). Als inhaltlicher Bezugspunkt hierfür kann die Regelung des § 25a Abs. 1 KWG dienen, da dieser (wie von Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO gefordert) eine nationale Rechtsvorschrift darstellt, mit der Richtlinienvorgaben umgesetzt wurden.346 Insofern ist es nicht ausgeschlossen, dass sowohl die EZB, als auch die BaFin aufsichtsrechtliche Anordnungen im Bereich der Unternehmensführung erlassen. Dieses missliche Nebeneinander ist dann zwei Umständen geschuldet: Zum einen dem Umstand, dass § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG mit Blick auf die Geschäftsleiter an § 25a Abs. 1 KWG anknüpft, nach durchaus möglichem Verständnis § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG aber anders als § 25a Abs. 1 KWG nicht unionsrechtlichen, sondern nationalen Ursprungs ist, und zum anderen dem Umstand, dass mit der EZB und der BaFin zwei unterschiedliche Aufsichtsbehörden involviert sind. Will man der Gefahr gegenläufiger oder generell unkoordinierter Vorgehensweisen der beteiligten Aufsichtsbehörden begegnen, bedarf es einer größtmöglichen Abstimmung und Kooperation zwischen BaFin und EZB. Eine solche Pflicht zur Kooperation ergibt sich nicht zuletzt aus der SSM-Verordnung selbst, wenn es in Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 SSM-VO heißt, dass sowohl die EZB als auch die nationalen zuständigen Behörden der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch unterliegen. Ein transparentes und widerspruchsfreies Zusammenspiel erscheint aber zumindest derzeit nicht als selbstverständlich. gg) Zwischenergebnis Die Etablierung eines einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (SSM) stellt zweifelsohne eine Zäsur in der Bankenaufsicht dar, die zu einer fundamentalen Änderung in der Aufsichtspraxis führt. Die Kompetenzverteilung zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden wird in Zukunft noch weit über § 54a KWG hinaus erhebliche Probleme bereiten. Der Umbruch in der Aufsichtsstruktur wirkt sich über den verwaltungsaktsakzessorischen § 54a Abs. 3 KWG auch auf die Strafnorm des § 54a KWG aus. Angesichts des Umstands, dass die Ergänzung des § 54a KWG um das Erfordernis einer Zuwiderhandlung gegen eine aufsichtsbehördliche Anordnung während des Gesetzgebungsverfahrens in letzter Minute erfolgte, ist nicht davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber der Folgen des Inkrafttretens des SSM für § 54a KWG bewusst war. Nach Einfügung des Absatzes 3 soll – eine Formulierung Volks aufgreifend347 – „manches besser, nach wie vor aber nichts gut“ sein. Der erste Teil dieser Bewertung scheint noch zu wohlwollend, weil durch § 54a Abs. 3 KWG kaum etwas besser, vieles hingegen deutlich komplizierter geworden ist. Dass die Einfügung des § 54a 346 347

s. o. S. 235 ff. Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672 Fn. 3.

C. Tatbestand

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Abs. 3 KWG sowie des § 25c Abs. 4c KWG die gegenüber der Entwurfsfassung bestehenden Bestimmtheitsbedenken nicht ausgeräumt hat, wurde bereits erörtert.348 Spätestens unter Geltung des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus ist die als gesetzgeberische Kurzschlussreaktion zu wertende Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG endgültig zum regelungstechnischen Bumerang geworden. Sie hat infolge der mittlerweile veränderten Aufsichtsstruktur zu einer näheren Auseinandersetzung mit im Einzelnen bestehenden Aufsichtsbefugnissen und der Unionsbezogenheit nationalen Rechts gezwungen. Dabei hat sich gezeigt, dass sowohl bei einem Verständnis des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als (noch) richtlinienumsetzend im Sinne des Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 SSM-VO, als auch bei einem richtlinienunabhängigen Verständnis unter Geltung der SSM-Verordnung beträchtliche Schwierigkeiten entstehen. Diese sind bei einem Verständnis des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als (noch) richtlinienumsetzend allerdings deutlich ausgeprägter als bei einem richtlinienunabhängigen Verständnis. Aus strafrechtlicher Sicht wäre letzteres Verständnis vorzugswürdig, da dies zu einer fortbestehenden Kompetenz der BaFin für Geschäftsleiter auch sogenannter bedeutender Institute führen würde. Andernfalls wäre § 54a KWG für die Geschäftsleiter gerade der bedeutenden Institute derzeit ohne jede Relevanz. Für ein richtlinienunabhängiges Verständnis lassen sich durchaus Argumente finden, die allerdings nicht zwingend sind. Wie die Zuständigkeit zwischen EZB und BaFin in der Praxis gehandhabt und im Streitfall von den Gerichten beurteilt werden wird, ist ungewiss und darf mit Spannung erwartet werden. Der deutsche Gesetzgeber scheint bezüglich § 25c Abs. 4c KWG und der Einhaltung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG von einer fortbestehenden Zuständigkeit der BaFin auszugehen. Durch das BRRD-Umsetzungsgesetz hat er zwar Vorschriften des KWG an die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst und an zahlreichen Stellen den Begriff der „Bundesanstalt“ durch den der „Aufsichtsbehörde“ ersetzt, der nach § 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG auch die EZB umfasst.349 § 54a Abs. 3 KWG ließ er dabei aber ebenso unberührt wie § 25c Abs. 4c KWG. Darüber, ob dies bewusst oder unbewusst erfolgte, kann nur spekuliert werden. Für die weitere Untersuchung soll von einer fortbestehenden Zuständigkeit der BaFin für Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG auch gegenüber Geschäftsleitern solcher Banken ausgegangen werden, die grundsätzlich der Aufsicht der EZB unterliegen. Dies ist ebenso gut begründbar wie die gegenteilige Auffassung, hinsichtlich der Konsequenzen aus strafrechtlicher Sicht indes vorzugswürdig.

348 349

s. o. S. 206 ff. Vgl. Art. 2 des BRRD-Umsetzungsgesetzes vom 10. 12. 2014, BGBl. I S. 2091, 2165 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

e) Zwischenergebnis zu § 54a Abs. 3 KWG § 54a Abs. 3 KWG ist Element des Tatbestandes. Wie auch § 54a Abs. 1 KWG stellt er auf ein Unterlassen ab. Die in Bezug auf § 54a Abs. 1 KWG vorgetragenen Bestimmtheitsbedenken vermag er nicht zu beseitigen. Die Zwischenschaltung einer Anordnung der BaFin ist aber mit dem Gesetzesvorbehalt und dem Grundsatz der Gewaltenteilung noch vereinbar. Die Frage, ob eine Strafbarkeit nach § 54a KWG auch bei einer rechtswidrigen Anordnung der BaFin möglich ist, wird weitgehend dadurch entschärft, dass § 54a KWG in seiner derzeitigen Fassung nur eingeschränkt verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet ist. Fehlt es an einem tatsächlichen Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG, scheidet eine Strafbarkeit in jedem Fall aus, auch wenn § 54a Abs. 3 KWG dem Wortlaut nach eine vollziehbare Anordnung der BaFin genügen lässt. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Einbeziehung eines Handelns der Aufsichtsbehörde in Kombination mit der zweigliedrigen Tatbestandsstruktur des § 54a KWG eine gesetzgeberische Fehlleistung bedeutet. Ganz neue, in Einzelheiten bislang ungeklärte Schwierigkeiten ergeben sich aus den Umbrüchen in der Aufsichtsarchitektur, welche die Etablierung eines einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (SSM) mit sich bringt. 3. Relevanz interner Zuständigkeitsverteilungen Bedeutsam für die Praxis ist vor allem die Frage, in welchem Umfang der einzelne Geschäftsleiter für die Einhaltung der Risikomanagementvorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG zu sorgen hat, um nicht Gefahr zu laufen, nach § 54a KWG strafrechtlich belangt zu werden. § 54a KWG selbst spricht zwar nicht von einer Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter, sie wird aber durch den Verweis auf § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG in Bezug genommen. Danach haben die Geschäftsleiter in ihrer Gesamtverantwortung für die Einhaltung der dort normierten Risikomanagementpflichten Sorge zu tragen. Diese Pflichten sind Teil der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation. Hinsichtlich dieser trifft und traf auch schon vor der Schaffung des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG die Geschäftsleiter eine Gesamtverantwortung, vgl. § 25a Abs. 1 S. 2 KWG. Die Gesamtverantwortung, auf die sogleich näher eingegangen wird, führt zu einem Delegationsverbot, verbietet jedoch nicht eine interne Zuständigkeitsregelung innerhalb der Geschäftsleitung.350 Dies scheint der Gesetzgeber in Bezug auf die Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG anders zu beurteilen, denn in den Gesetzesmaterialien heißt es, es handele sich bei diesen Pflichten um wesentliche Pflichten, die weder delegiert, noch in Einzelressorts aufgeteilt werden können351. Nach einer Begriffsklärung [a)] soll zunächst die Entwurfsfassung und die Kritik an der ihr zu entnehmenden fehlenden Ressortfähigkeit dargestellt werden [b)]. In 350 351

Vgl. Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 27. Dazu sogleich näher. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44.

C. Tatbestand

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der Folge ist auf die Wortlautänderungen der verabschiedeten Fassung und deren Deutung durch das bisherige Schrifttum einzugehen [c)]. Die verabschiedete Fassung erlaubt nach hier vertretener Ansicht die Berücksichtigung interner Zuständigkeitsverteilungen [d)]. Danach ergeben sich verschiedene Verhaltensanforderungen je nach Zuständigkeit des einzelnen Geschäftsleiters [e)]. a) Begriffsklärung: Gesamtverantwortung und Ressortverteilung Den Grundsatz der Gesamtverantwortung pflegen Rechtsprechung und Rechtslehre dahin zu umschreiben, dass jedes Vorstandsmitglied die Pflicht für die Geschäftsleitung im Ganzen trägt und dass dieser Allzuständigkeit eine umfassende Verantwortung für die Belange der Gesellschaft gegenübersteht.352 Die Gesamtverantwortung steht dabei nicht zur Disposition der Beteiligten, sondern zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie unteilbar, unbeschränkbar, unveräußerlich und nicht delegierbar ist.353 Das heißt, dass weder eine horizontale Verteilung der Geschäfte auf verschiedene Vorstandsmitglieder den nicht zuständigen Organwalter der Verantwortung für die Geschäftsführung im Ganzen enthebt, noch dass sich ein Vorstand von dieser Verantwortung dadurch zu befreien vermag, dass er die Erledigung gewisser Angelegenheiten vertikal an Mitarbeiter oder gar an Externe delegiert.354 Art und Umfang der Einzel- und Gesamtverantwortung der Unternehmensleitung in einer arbeitsteiligen Betriebsorganisation wurden im Arbeits-, Gesellschafts- und Genossenschaftsrecht – besonders im Zusammenhang mit Sorgfaltspflichten und Haftung – entwickelt. Diese Grundsätze sind auf die Geschäftsleiterverantwortung nach dem KWG anwendbar.355 Auch wenn sich die Geschäftsleiter nach dem Vorgenannten ihrer Gesamtverantwortung nicht insgesamt entziehen können, so können interne Ressort- bzw. Zuständigkeitsverteilungen dennoch zu einer Beschränkung der haftungs- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen.356 Insoweit haben sie eine durchaus gewichtige Rolle.357 Der Grundsatz der Gesamtverantwortung besagt nämlich noch nicht, welche Einzelpflichten sich für die vorstandsinterne Zusammenarbeit ergeben und besagt auch nicht, dass jeden Geschäftsleiter inhaltlich dieselben Pflichten treffen müssen. Die Verantwortlichen können den ihnen zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes vielmehr auf unterschiedliche Weise 352 Vgl. BFHE 141, 443, 446 ff.; BGHZ 133, 370, 376 f.; BGHSt 37, 106, 123; ausführlich zum Grundsatz der Gesamtverantwortung im Aktienrecht Fleischer, NZG 2003, 449 ff. m.w.N.; aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht MG-Schmid/Fridrich, § 30 Rn. 25 ff. 353 Schmidt-Husson, in: Hauschka, HdB Corporate Compliance, § 6 Rn. 10. s.a. Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 27 (Delegationsverbot). 354 Vgl. BGHZ 133, 370, 377. 355 B/F/S-Fischer/Müller, KWG, § 36 Rn. 17. 356 Grundlegend BGHZ 133, 370, 377. 357 s. Raum, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 4 A Rn. 27.

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nachkommen.358 Eine nicht delegierbare Verantwortung bedeutet schließlich nicht, dass Aufgaben, die zur Wahrnehmung dieser Verantwortung zu erfüllen sind, nicht delegiert werden können.359 Es muss insoweit unterschieden werden zwischen der organschaftlichen Gesamtverantwortung einerseits und der Frage der Pflichtverletzung bei Wahrnehmung dieses Verantwortungsbereichs andererseits.360 Dabei können nicht alle in einem Unternehmen festgestellten Fehler zum Vorwurf einer pflichtwidrigen Wahrnehmung der Organverantwortung führen. Es ist vielmehr danach zu differenzieren, welche Handlungen oder Unterlassungen dem einzelnen Geschäftsleiter allein aufgrund der Gesamtverantwortung und welche ihm im Rahmen einer arbeitsteiligen, vom Kollegialprinzip bestimmten Betriebsorganisation persönlich zuzurechnen oder nicht zuzurechnen sind.361 Eine strafrechtliche Verantwortung kann dabei selbstredend nur an ein individuelles (Fehl-)Verhalten des einzelnen Geschäftsleiters anknüpfen. Eine Zurechnung allein aufgrund der Gesamtverantwortung kann keine haftungs- oder strafrechtlichen Folgen zeitigen.362 Diesbezüglich hat sich der Bundesgerichtshof in einer grundlegenden Entscheidung die zivilrechtliche Haftung betreffend wie folgt geäußert:363 Interne Zuständigkeitsverteilungen in der Geschäftsleitung könnten zwar bei bestehender Gesamtverantwortung nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Das beruhe auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen könne. So könne er etwa an einer Regelung mitwirken, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Auf diese Weise trage er durch organisatorische Maßnahmen zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten bei. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte werde die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im Allgemeinen könne er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledige. Doch würden dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten verbleiben, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist. So soll nach der Rechtsprechung der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Ge-

358 359 360 361 362 363

Vgl. BGHZ 133, 370, 377. So zutreffend Pietzke, CCZ 2010, 45, 49, Hervorhebung durch den Verf. B/F/S-Fischer/Müller, KWG, § 36 Rn. 26. B/F/S-Fischer/Müller, KWG, § 36 Rn. 26. Hierzu Schmidt-Husson, in: Hauschka, HdB Corporate Compliance, § 6 Rn. 11 m.w.N. BGHZ 133, 370, 377 f.

C. Tatbestand

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schäftsleitung eingreifen, wo – wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlass das Unternehmen als Ganzes betroffen ist.364 Während das ressortmäßig zuständige Geschäftsleitungsmitglied also weiterhin eine umfassende Pflicht zur Einhaltung insbesondere der gesetzlichen Vorgaben trifft, werden die nicht ressortmäßig zuständigen Geschäftsleiter durch eine interne Zuständigkeitsverteilung zu weiten Teilen entlastet. Sie dürfen sich im Allgemeinen darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsleiter die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Die ursprünglich bestehende Handlungspflicht eines jeden Geschäftsleiters wird für ihn nicht betreffende Ressorts damit zu einer Informationsund Überwachungspflicht herabgestuft. In der Verantwortung für die Erfüllung dieser Aufsichtspflicht bleibt dabei die organschaftliche Gesamtverantwortung – als Residual- oder Rückfallverantwortung – stets lebendig.365 Eine Ressortbildung bedeutet also nicht, dass die nicht Ressortverantwortlichen enthaftet würden im Sinn eines Entfallens jeglicher Mitverantwortung für die Geschehnisse innerhalb der einzelnen Ressorts.366 Zur Wahrnehmung der alle ressortfremden Geschäftsleiter stets treffenden Aufsichtspflicht ist eine regelmäßige Berichterstattung von besonderer Bedeutung. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den ressortzuständigen Geschäftsleiter nicht mehr gewährleistet ist oder stellt sich heraus, dass – wie etwa in Krisen- oder Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlass das Unternehmen als Ganzes betroffen ist, verstärkt sich die stets bestehende Informations- und Überwachungspflicht und kann zu einer Handlungspflicht erwachsen. Wann dieser Punkt erreicht ist, wird durch die Umstände des Einzelfalls bestimmt.367 b) Unbeachtlichkeit interner Zuständigkeitsverteilungen laut Regierungsentwurf Sowohl der Wortlaut der Entwurfsfassung als auch die Entwurfsbegründung wollten aber offensichtlich entgegen der zuvor dargestellten Grundsätze eine originäre Zuständigkeit eines jeden Geschäftsleiters und damit eine Unbeachtlichkeit einer Ressortverteilung begründen [aa)]. Dies ist auf massive Kritik gestoßen [bb)].

364

Für Krisen- und Ausnahmesituationen explizit BGHSt 37, 106, 124. Ähnlich BGHZ 133, 370, 379: Die Überwachungspflicht komme vor allem „in finanziellen Krisensituationen“ zum Tragen. s.a. Raum, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 4 A Rn. 38. 365 Schmidt-Husson, in: Hauschka, HdB Corporate Compliance, § 6 Rn. 12. 366 Schmidt-Salzer, NJW 1996, 1, 4. 367 Schmidt-Salzer, NJW 1996, 1, 5. Eine fallgruppenspezifische Auffächerung hinsichtlich der Grenzen berechtigten Vertrauens findet sich bei Fleischer, in: ders., HdB Vorstandsrecht, § 8 Rn. 16 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

aa) Wortlaut und Entwurfsbegründung Im Regierungsentwurf zu § 25c KWG hieß es noch, dass jeder Geschäftsleiter im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation des Instituts nach § 25a Abs. 1 S. 2 KWG sicherzustellen hat, dass das Institut über die im Einzelnen aufgelisteten Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte verfügt.368 Zwar hindert, wie gezeigt, die Betonung der Gesamtverantwortung grundsätzlich nicht eine interne und dabei auch strafrechtlich beachtliche Ressortverteilung. Allerdings durfte die Formulierung, dass jeder Geschäftsleiter zur Sicherstellung der Einhaltung der Risikomanagementvorgaben verpflichtet sei, im Sinne einer Ansprache jedes einzelnen Geschäftsleiters und damit im Sinne einer Originärzuständigkeit verstanden werden. Hierfür sprach auch die Verwendung des Verbes „sicherstellen“, dem ein im Unterschied zur jetzigen Tatbestandsfassung ausgeprägtes Garantieelement innewohnt.369 Die Entwurfsfassung las sich daher so, als habe jeder Geschäftsleiter in eigener Person die Einhaltung der Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG sicherzustellen und als sei eine interne Zuständigkeitsverteilung mit Blick auf eine strafrechtliche Verantwortung nach § 54a KWG unbeachtlich.370 Diese Lesart wurde durch die Entwurfsbegründung ausdrücklich gestützt. In ihr heißt es ausdrücklich, die sich aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG ergebenden Pflichten könnten weder delegiert noch in Einzelressorts aufgeteilt werden.371 Zur Begründung wurde dabei einzig auf die Bedeutung der in diesem Katalog gelisteten Pflichten abgestellt: Es handele sich insoweit um „wesentliche Pflichten“372. Diese nicht näher begründete Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Ressortfähigkeit hat erhebliche Kritik hervorgerufen. bb) Geäußerte verfassungsrechtliche und praktische Bedenken Die Frage der Beachtlichkeit einer Ressortbildung ist für die Praxis überaus bedeutsam, weil regelmäßig nicht alle Geschäftsleiter mit dem Risikomanagement befasst sind, sondern ein entsprechendes Ressort gebildet, sprich arbeitsteilig vorgegangen wird. Eine Unbeachtlichkeit der schon aufgrund des Grundsatzes der Funktionstrennung in Instituten üblichen Ressortbildung373 würde nicht nur hergebrachte Grundsätze der Unternehmensleitung durchbrechen. Sie würde aufgrund der Anknüpfung strafrechtlicher Verantwortlichkeit über § 54a KWG auch besonders schwer wiegen. So verwundert es nicht, dass die Statuierung einer originären Ver368 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 22. Eine parallele Formulierung findet sich ebd., S. 23, in Bezug auf Gruppen. 369 s. o. S. 196 ff. 370 Schröder, WM 2014, 100, 103. 371 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. 372 s. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. 373 Vgl. Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 22.

C. Tatbestand

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pflichtung eines jeden Geschäftsleiters bereits während des Gesetzgebungsverfahrens erheblicher Kritik ausgesetzt war. Die Annahme fehlender Ressortfähigkeit bei gleichzeitiger Gesamtverantwortung führe, so lautete die Kritik, zu einer Konstellation, die in ihrer Tragweite nicht hoch genug eingeschätzt werden könne, weil sie faktisch zur Abschaffung des Prinzips der arbeitsteiligen Ressortverantwortung führe.374 Damit verbunden sei eine strafrechtliche „Gesamthaftung“ aller Geschäftsleiter für die Unterlassungssünden der eigentlich zuständigen Personen, die letztlich auf die Einführung einer stellvertretenden Schuldzuschreibung hinauslaufe, was mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Schuldprinzip nicht vereinbar sei.375 Zwar habe auch der Bundesgerichtshof in der Lederspray-Entscheidung376 trotz einer vorhandenen internen Zuständigkeitsverteilung nach Geschäftsbereichen eine Allzuständigkeit der Geschäftsleitung angenommen; dies sei aber bezogen auf ein unmittelbares Verletzungsdelikt (Körperverletzung) und vor dem Hintergrund von deutlich erkennbaren Anhaltspunkten für konkrete Gesundheitsschädigungen erfolgt.377 Neben verfassungsrechtlichen wurden vielfach auch praktische Bedenken gegen eine originäre Zuständigkeit eines jeden Geschäftsleiters vorgetragen. Das Risikomanagement sei jedenfalls ab einem gewissen Geschäftsvolumen eine tagesfüllende Aufgabe und die Erwartung, dass sich jeder Geschäftsleiter neben seinen übrigen Ressortaufgaben intensiv mit ihm beschäftigen könne, schlicht unrealistisch.378 Durch eine Pflicht in eigener Person könnten die Geschäftsleiter ihren geschäftspolitischen Hauptaufgaben nicht mehr in ausreichendem zeitlichem Maß nachkommen.379 Eine originäre Verantwortlichkeit eines jeden Geschäftsleiters könne im Übrigen dazu führen, dass es an der für eine Unterlassungsstrafbarkeit erforderlichen Handlungsmöglichkeit fehle.380 Auch sei zu besorgen, dass sich in personeller Hinsicht die Leitung des Instituts bei fehlender Ressortfähigkeit vornehmlich aus Geschäftsleitern mit einem Risikomanagement-Hintergrund zusammensetzen müsse, wodurch zwangsläufig der Diversifikationsgrad abnähme.381 Weiterhin bestünde die Gefahr von Interessenkonflikten bei einer undifferenzierten Verant-

374

DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 869; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 269. 375 DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 869. Zustimmend Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 100 f. 376 BGHSt 37, 106 ff. 377 DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581. 378 DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 869. Fehlende Praktikabilität betonen auch Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 269; Beck/Samm/ Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 21. 379 Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 25. 380 So Volk in der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des Trennbankengesetzes, s. Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 40. 381 Vgl. Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 25.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

wortlichkeit aller Geschäftsleiter (auch) für das Risikomanagement.382 Schließlich wurde auch ein Widerspruch zu den Vorgaben der MaRisk (BA) ausgemacht.383 Denn diese setzen bis einschließlich der Ebene der Geschäftsleitung eine Trennung der Risikocontrolling-Funktion vom Vertrieb voraus und verlangen, dass bei großen, international tätigen Instituten mit komplexen Geschäftsaktivitäten die Wahrnehmung der Leitung der Risikocontrolling-Funktion durch einen Geschäftsführer zu erfolgen hat.384 c) Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf Die Änderungen in der schließlich verabschiedeten Fassung [aa)] werden gemeinhin als Abrücken des Gesetzgebers von einer fehlenden Ressortfähigkeit aufgefasst [bb)]. aa) Wortlautänderungen und Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG Der Wortlaut der in Kraft getretenen Fassung des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG unterscheidet sich von demjenigen der Entwurfsfassung. Aus der Sicherstellung durch jeden Geschäftsleiter wurde eine Sorgetragung der Geschäftsleiter.385 Der Bezug zur Gesamtverantwortung in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG wurde hingegen beibehalten. Diese aber steht, wie dargelegt, einer abgestuften Pflichtenstellung der Geschäftsleiter dem Grunde nach nicht entgegen.386 Schließlich noch wurde mit § 54a Abs. 3 KWG ein gegenüber der Entwurfsfassung vollkommen neues Element in den Tatbestand eingefügt. Angesichts der deutlichen Kritik am Regierungsentwurf und der verfassungsrechtlichen sowie praktischen Bedenken, die eine mangelnde Ressortfähigkeit zur Folge hätte, wäre es wünschenswert gewesen, der Gesetzgeber hätte sich zu diesen Änderungen und seiner mit ihnen verfolgten Motivation geäußert. In Ermangelung einer Stellungnahme des Gesetzgebers kann man hierüber nur Mutmaßungen anstellen.387

382

Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 25. DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 869; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 100. Gegen eine Heranziehung der MaRisk als Argumentationsgrundlage indes MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 12: Der Gesetzgeber habe sich selbst an die Stelle der die MaRisk erlassenden Institution gesetzt und dies auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Eine Fortgeltung von MaRisk-Regeln alter Fassung könne mithin nicht ohne Weiteres angenommen werden. 384 Vgl. MaRisk (BA) AT 4.4.1. 385 Vgl. die Gegenüberstellung in BT-Drs. 17/13523 S. 33 ff. Auch § 54a Abs. 1 KWG spricht nunmehr von Sorgetragung statt von Sicherstellung. 386 Zum Begriff der Gesamtverantwortung oben S. 249 ff. 387 So auch Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 150. 383

C. Tatbestand

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bb) Bisherige Folgerungen aus den Änderungen Während vereinzelt weiterhin von einer Unbeachtlichkeit einer internen Ressortverteilung ausgegangen wird388, geht die überwiegende Auffassung in der Literatur dahin, dass nach der verabschiedeten Fassung eine Ressortverteilung auch in strafrechtlicher Hinsicht beachtlich sei.389 Für diese Auffassung können im Wesentlichen drei Aspekte bemüht werden: Erstens die Änderung des Wortlautes von sicherstellen in dafür Sorge tragen, zweitens die Änderung des Wortlautes von jeder Geschäftsleiter in die Geschäftsleiter und drittens die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG. Die Umformulierung des Tatverhaltens von sicherstellen in Sorge tragen wird nicht nur in inhaltlicher Hinsicht390, sondern auch mit Blick auf eine etwaige Beachtlichkeit interner Zuständigkeiten unterschiedlich interpretiert. Teilweise wird eine mit ihr verbundene Änderung verneint391, mehrheitlich aber bejaht in dem Sinne, als darin eine Abkehr von der ursprünglichen gesetzgeberischen Vorstellung einer fehlenden Ressortfähigkeit oder aber zumindest die Eröffnung einer verfassungskonformen Auslegung gesehen wird.392 Mit Blick auf die geänderte Umschreibung des Tatverhaltens falle es schwer, demjenigen, der die Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG an einen sorgfältig ausgewählten und ordnungsgemäß überwachten Geschäftsleiterkollegen überträgt, ein objektiv sorgfaltswidriges, strafrechtlich relevantes Verhalten vorzuwerfen, falls dieser wider Erwarten seine Pflichten missachte.393 Sorge trage schließlich auch, wer sich vergewissere, dass in dem Zuständigkeitsbereich der Geschäftsleitung als Ganzes die Risikomanagementpflichten einem Ressort zugewiesen wurden und kein Anlass für die Annahme 388

So Kasiske, ZIS 2013, 257, 258 unter Rekurs auf MaRisk (BA) AT 3. Strafrechtlich werde die umfassende aufsichtsrechtliche Verantwortungszuweisung aber durch das Erfordernis des Nachweises individuellen Vorsatzes bzw. Fahrlässigkeit wieder zurückgenommen (a.a.O. Fn. 9). Gegen eine Bemühung der MaRisk (BA) aufgrund der sie ersetzenden Entscheidung durch den Gesetzgeber MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 12. Für eine Unbeachtlichkeit einer internen Zuständigkeitsverteilung wohl auch Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 681 f., sowie Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 94, der dies aber kritisiert. 389 Schröder, WM 2014, 100, 103; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101; Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 150; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 124 ff.; Böhme/Jobe/Reuse, BankPraktiker 2013, 455, 458; Höche, in: Bankrechtstag 2013, S. 3, 23; Altenhain, in: Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 237, 250 f.; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 26. Im Ergebnis auch Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 21 ff. (allerdings ohne Bezug zu den durch den Finanzausschuss angestoßenen Änderungen des § 54a KWG), sowie Beck/ Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 114. 390 s. o. S. 196 ff. 391 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 847. 392 Schröder, WM 2014, 100, 103; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101; Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 150; Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 73 f.; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 26; Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 114. 393 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 150.

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besteht, dass dieser Aufgabe nicht genügt wird.394 Zumindest lasse sich die weniger erfolgsorientierte Formulierung verfassungskonform dahingehend auslegen, dass an den Ressortleiter und die nicht ressortzuständigen Geschäftsleiter unterschiedliche Handlungsanforderungen gestellt würden.395 Soweit in der verabschiedeten Fassung des § 54a KWG nicht mehr jeder Geschäftsleiter, sondern die Geschäftsleiter angesprochen werden, wird dies teilweise dahingehend verstanden, dass die Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter insgesamt und nicht mehr die Verantwortung des einzelnen Geschäftsleiters herausgestellt werde.396 Um den ausgemachten „gesetzgeberischen Sinneswandel“397 im Vergleich zur Entwurfsfassung zu erklären, wird überdies auf die Einführung des § 54a Abs. 3 KWG abgestellt. Durch die Anordnung der BaFin an einen nicht ressortmäßig verantwortlichen Geschäftsleiter erhalte dieser von dem Missstand im Risikomanagement Kenntnis. Aus dieser Kenntnis folge dann – wie auch nach allgemeinen Grundsätzen – eine Handlungspflicht auch nicht ressortzuständiger Vorstandsmitglieder zur Beseitigung des Verstoßes.398 d) Beachtlichkeit interner Zuständigkeitsverteilungen in verabschiedeter Fassung Die in der Entwurfsfassung noch angelegte Ablehnung einer Ressortfähigkeit begegnet nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG zwar keinen verfassungsrechtlichen Bedenken mehr. Die Annahme einer Ressortfähigkeit ist dennoch vorzugswürdig [aa)]. Auch wenn der Wortlaut des § 54a KWG nicht zu einer die Ressortfähigkeit berücksichtigenden Lesart zwingt, so ermöglicht er sie doch. Dieser Lesart steht auch die Gesetzesbegründung nicht entgegen [bb)]. aa) Vorzugswürdigkeit einer Beachtlichkeit Die verbreitete Skepsis in Bezug auf eine Unbeachtlichkeit einer Ressortbildung ist begründet. Auch wenn die in Bezug auf die Entwurfsfassung noch ausgemachte Gefahr einer Verletzung des Schuldprinzips durch eine „Kollektivschuld von arbeitsteilig organisierten Geschäftsführungsgremien“399 nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG gebannt und damit die Furcht vor einer strafrechtlichen Gesamthaftung gegenstandslos geworden ist, bestehen die aufgezeigten praktischen Bedenken gegen 394

Schröder, WM 2014, 100, 103; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014 t. Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101. 396 Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101. Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 680, erachtet die Folgen der Änderung als unklar. 397 So Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 150. 398 s. Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 101. 399 DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; ähnlich Hamm/Richter, WM 2013, 865, 869. 395

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eine originäre Zuständigkeit jedes einzelnen Geschäftsleiters unverändert fort. Der Katalog der zu beobachtenden Pflichten in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG ist trotz der Beschränkung auf vermeintlich wesentliche Pflichten sehr umfangreich und dürfte bei Annahme einer originären Zuständigkeit eines jeden Geschäftsleiters wenig Raum lassen für andere Geschäftsleitungsaufgaben. Die üblicherweise gegebene ressortmäßige Übertragung des Bereichs Risikomanagement an einen oder mehrere Geschäftsleiter ist sinnvoll, weil sie Arbeitskraft und Sachkompetenz bündelt; sie ist ein Gebot der praktischen Vernunft. Eine Unbeachtlichkeit interner Zuständigkeiten würde nicht nur dem Bild moderner Arbeitsteilung bei einer mehrköpfigen Geschäftsleitung widersprechen400, sondern es hätte darüber hinaus oftmals gedroht, die für eine Unterlassungsstrafbarkeit erforderliche Handlungsmöglichkeit verneinen zu müssen. Denn wer – neben den anderen Geschäftsleitern @ durch seine Vorstandsaufgaben ausgelastet ist, kann vorbringen, dass er sich nicht zusätzlich noch um das Risikomanagement kümmern konnte.401 Auch müsste bei einer Originärzuständigkeit besonderes Augenmerk auf die Vorsatzprüfung gelegt werden, denn vorsätzliches Handeln ist bei mangelnder Expertise in Bezug auf das Risikomanagement nicht vorschnell anzunehmen.402 Eine Originärzuständigkeit jedes einzelnen Geschäftsleiters würde überdies nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung und Intensivierung des Risikomanagements führen. Eine fortlaufende Beteiligung mehrerer, größtenteils fachlich nicht auf dieses Ressort spezialisierter Geschäftsleiter könnte für die Etablierung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagementsystems unter Umständen sogar hinderlich sein. Eine jederzeit bestehende originäre Zuständigkeit eines jeden Geschäftsleiters würde ferner einen unnötigen Bruch mit einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bedeuten. In der viel beachteten Lederspray-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass der Grundsatz der Gesamtverantwortung und der Allzuständigkeit der Geschäftsleitung eingreift, wo – wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlass das Unternehmen als Ganzes betroffen ist; dann sei die Geschäftsführung insgesamt zum Handeln berufen.403 Da es in den Fällen des § 54a KWG i.V.m. § 25c KWG um potenziell bestandsgefährdendes Verhalten gehen soll und der Gesetzgeber in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG nur die seiner Ansicht nach wesentlichen Risikomanagementpflichten verankert hat, könnte die Annahme naheliegen, dass der Vertrauensgrundsatz keinen 400 Zutreffend Schröder, WM 2014, 100, 103; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 7; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 137. 401 Hierauf wies Volk in der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des Trennbankengesetzes zu Recht hin, s. Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/ 138, S. 40. 402 Kasiske, ZIS 2013, 257, 258 Fn. 9 sieht die seiner Auffassung nach bestehende umfassende aufsichtsrechtliche Verantwortungszuweisung strafrechtlich durch das Erfordernis des Nachweises individuellen Vorsatzes bzw. Fahrlässigkeit wieder zurückgenommen. Kritisch hierzu Schröder, WM 2014, 100, 103. 403 BGHSt 37, 106, 124.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Platz habe und im Rahmen der Gesamtverantwortung jeder Geschäftsleiter originär für die Einhaltung dieser Risikomanagementvorgaben verantwortlich sein müsse. Dabei würde aber übersehen, dass in der vorgenannten Entscheidung eine Allzuständigkeit lediglich für Ausnahme- und Krisensituationen angenommen wurde. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde mit Bezug hierauf ebenso süffisant wie zutreffend bemerkt, mit dem Gesetzentwurf zu § 54a KWG solle hoffentlich nicht behauptet werden, dass eine permanente Krise herrsche, wenn man dabei sei, den Anforderungen an das Risikomanagement nachzukommen.404 In der Tat ist die Beschäftigung mit dem Risikomanagement keine Aufgabe, die nur in einer Krisensituation anfällt, sondern die stets und auch in einem gesunden Unternehmen zu erfüllen ist. Sie dient gerade dem Zweck, Krisensituationen vorzubeugen. bb) Möglichkeit der Annahme einer Beachtlichkeit de lege lata Die aus den vorgenannten Gründen vorzugswürdige Beachtlichkeit einer Ressortverteilung lässt sich de lege lata auch begründen. Mit der Änderung des Tatverhaltens vom Sicherstellen zum Sorge tragen geht, wie bereits dargestellt, eine Entschärfung der inhaltlichen Anforderungen an das Tatverhalten einher.405 Damit ist allerdings noch keine Aussage verbunden hinsichtlich einer etwaigen Auswirkung dieser Änderung in Bezug auf die Beachtlichkeit einer Ressortverteilung. Wie dargelegt werden der Änderung vielfach weitergehende Auswirkungen zugesprochen, die die verfassungsrechtlichen und praktischen Bedenken einer fehlenden Ressortfähigkeit beseitigen sollen.406 Soweit zur Begründung angeführt wird, Sorge trage schließlich auch, wer sich vergewissere, dass in dem Zuständigkeitsbereich der Geschäftsleitung als Ganzes die Risikomanagementpflichten einem Ressort zugewiesen wurden und kein Anlass für die Annahme besteht, dass dieser Aufgabe nicht genügt werde, so ist dies in der Sache richtig. Ein zwingendes Argument für die Beachtlichkeit einer Ressortverteilung ergibt sich hieraus jedoch nicht. Denn erst Recht trägt derjenige Sorge, der originär für die Einhaltung der Risikomanagementvorgaben zuständig ist und dem nachkommt. Die veränderte Umschreibung des Tatverhaltens gegenüber der Entwurfsfassung ermöglicht zwar die Annahme, eine Ressortverteilung sei auch im Rahmen des § 54a KWG beachtlich, sie zwingt aber nicht zu ihr. Umgekehrt zwang allerdings auch die Formulierung einer Sicherstellungspflicht in der Entwurfsfassung nicht zur Annahme fehlender Ressortfähigkeit. Denn einen bestimmten Zustand sicherstellen kann bei einem weit gefassten Verständnis auch, wer im Rahmen einer Arbeitsteilung abgestufte Pflichten wahrnimmt und im Ernstfall selber einschreitet. 404 s. Volk in der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des Trennbankengesetzes, Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 40, wobei der Ausdruck der „permanenten Krise“ ein Oxymoron darstellt, das die Problematik bei einer stets gegebenen Originärzuständigkeit deutlich hervortreten lässt. 405 s. o. S. 196 ff. 406 s. o. S. 255 f.

C. Tatbestand

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Kaum beachtet wurde bisher die Wortlautänderung von jeder in die Geschäftsleiter.407 Sie spricht durchaus für eine die ressortmäßige Aufteilung berücksichtigende Pflichtenstellung, denn angesprochen werden durch sie die Geschäftsleiter in ihrer Gesamtheit und nicht mehr jeder einzelne Geschäftsleiter. Doch ist auch dies zumindest kein zwingendes Argument gegen die Unbeachtlichkeit vorhandener Ressortzuständigkeiten, weil die Formulierung die Geschäftsleiter auch in dem Sinne verstanden werden könnte, dass alle originär angesprochen sind. Die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Wortlautänderungen ermöglichen also die Annahme, eine Ressortverteilung sei auch mit Blick auf § 54a KWG beachtlich, sie zwingen aber keineswegs zu ihr. Letztlich ist es die Einführung des § 54a Abs. 3 KWG, die entscheidend für eine Ressortfähigkeit streitet, denn im Kern geht es bei der Diskussion um die Ressortfähigkeit um die Frage, wann welchen Geschäftsleiter eine Handlungspflicht in eigener Person trifft. Eine Antwort hierauf findet sich nunmehr in § 54a Abs. 3 KWG. Ergeht die Anordnung der BaFin an einen ressortfremden Geschäftsleiter, so zeigt sie diesem an, dass ein Einschreiten auch seiner Person erforderlich ist und konkretisiert für ihn zugleich die Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Ab. 4b S. 2 KWG. Spätestens ab diesem Zeitpunkt greift der Vertrauensgrundsatz nicht mehr, weil ausweislich der Anordnung der ressortmäßig zuständige Geschäftsleiter seine Aufgabe anscheinend unzureichend erfüllt hat. Sollte also aufgrund von Zweifeln bezüglich der Ordnungsgemäßheit des Risikomanagements eine doppelte Absicherung erforderlich sein, so ist die BaFin befugt und berufen, eine solche durch Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG herbeizuführen. Die mit einer ständigen originären Zuständigkeit eines jeden Geschäftsleiters verbundenen vor allem praktischen Bedenken werden damit vermieden. Der Annahme einer Ressortfähigkeit steht auch nicht die Passage der Gesetzesmaterialien zu § 25c KWG entgegen, in der die Ressortfähigkeit der Risikomanagementpflichten ausdrücklich verneint wird, denn diese Passage bezieht sich auf den inzwischen überholten Wortlaut der Entwurfsfassung. Aufgrund der zu dieser ergangenen Kritik und der erheblichen Änderungen des § 54a KWG bis zur Verabschiedung des Trennbankengesetzes sollte der Existenz der Passage als solcher kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden. Die in ihr enthaltene Begründung hingegen sollte der Sache nach nicht vorschnell verworfen werden. Denn das (wenn auch einzige) gegen eine Delegations- und Ressortfähigkeit angeführte Argument, in Rede stünden nur „wesentliche Pflichten“408, könnte immer noch für eine originäre Pflicht eines jeden Geschäftsleiters streiten. Allerdings hat der Gesetzgeber den Kreis als wesentlich erachteter Pflichten sehr weit gezogen und es darf überdies bezweifelt werden, ob sich der Gesetzgeber der verfassungsrechtlichen und insbesondere auch praktischen Konsequenzen einer fehlenden Ressortfähigkeit bei Ab407 Jedenfalls angedeutet durch Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 114; deutlicher Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 295. 408 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44.

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fassung der in Rede stehenden Passage überhaupt bewusst war. Angesichts der erheblichen Auswirkungen einer fehlenden Ressortfähigkeit mutet die einsilbige Begründung mindestens angreifbar an. Ihr sollte keine entscheidende Bedeutung zukommen angesichts der gewichtigen Bedenken gegen eine fehlende Ressortfähigkeit und angesichts des mittlerweile gegebenen Wortlautes, der die Annahme einer Ressortfähigkeit mindestens ermöglicht, wenn nicht sogar nahelegt. e) Die Verhaltensanforderungen im Einzelnen Abschließend soll noch einmal dargelegt werden, welches Verhalten § 54a KWG im Falle eines mehrköpfigen Vorstandes und bei vorhandener Ressortverteilung von den einzelnen Geschäftsleitern im Zeitraum vor und nach Erlass einer Anordnung konkret verlangt bzw. im Falle des Unterlassens mit einer Strafandrohung versieht. Im Zeitraum vor Erlass einer Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG muss unterschieden werden zwischen der Pflichtenstellung eines ressortverantwortlichen Geschäftsleiters und derjenigen eines nicht ressortverantwortlichen Geschäftsleiters. Zwar besteht für alle Geschäftsleiter im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung gleichermaßen eine Sorgetragungspflicht. Diese bringt aber unterschiedlich ausgestaltete Pflichten mit sich.409 Während ressortverantwortliche Geschäftsleiter auch bereits vor Erlass der Anordnung aktiv dafür Sorge zu tragen haben, dass den in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG normierten Vorgaben zum Risikomanagement genügt wird, trifft nicht ressortverantwortliche Geschäftsleiter vor Erlass einer Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG grundsätzlich nur eine Informations- und Überwachungspflicht. Sie dürfen bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte darauf vertrauen, dass der ressortverantwortliche Geschäftsleiter seinen Pflichten nachkommt und das Risikomanagement den gesetzlichen Vorgaben genügt. Inwieweit sie im Rahmen ihrer allgemeinen Überwachungspflicht im Einzelnen tätig werden müssen, wird unterschiedlich beurteilt.410 Jedenfalls wird die für § 54a KWG interessierende Überwachungspflicht nicht so zu deuten sein, dass sich jeder Geschäftsleiter turnusmäßig „die Akten kommen lassen muss“.411 Grundsätzlich darf der ressortfremde Geschäftsleiter auf die ordnungsgemäße Arbeit des zuständigen Geschäftsleiters vertrauen und es reicht aus, wenn die Frage des Risikomanagements regelmäßig Gegenstand der Sitzungen der Geschäftsleiter ist.412 Das Vertrauen in die ordnungsgemäße Arbeit der mit dem Risikomanagement betrauten Geschäftsleiter kann allerdings in verschiedenen Situationen erschüttert 409 Hierauf hinweisend aus Verteidigersicht Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 137. 410 Hierzu im Rahmen des § 25a KWG Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rn. 25 f. m.w.N. Er betont, die Überwachungspflichten dürften nicht überspannt werden. 411 Schröder, WM 2014, 100, 104; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014 t. 412 Vgl. Schröder, WM 2014, 100, 104; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014 t; B/F/SLindemann, KWG, § 54a Rn. 7; Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 114.

C. Tatbestand

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und damit eine Handlungspflicht auch ressortfremder Geschäftsleiter begründet werden. Dies ist etwa der Fall, wenn es Hinweise auf Missstände durch die BaFin, von Wirtschaftsprüfern oder aus den eigenen Reihen (Innenrevision) gibt.413 Spätestens aber mit Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG verändern sich die Vorzeichen auch für die nicht ressortmäßig betrauten Geschäftsleiter deutlich und es entsteht auch in ihrer Person eine Handlungspflicht. Was das konkrete Verhalten betrifft, das durch die aufsichtsbehördliche Anordnung verlangt wird, muss erneut zwischen ressortverantwortlichen und nicht ressortverantwortlichen Geschäftsleitern unterschieden werden, denn die Organmitglieder haben der internen Zuständigkeitsverteilung entsprechend unterschiedliche Befugnisse und damit unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. Erhält der ressortverantwortliche Geschäftsleiter eine Anordnung zur Beseitigung eines ausgemachten Missstandes, so muss er diesen Missstand beseitigen. Hierzu wird er rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, da er nach der internen Zuständigkeitsverteilung der hierzu berufene Geschäftsleiter ist. Einer Befassung des Gesamtorgans wird es regelmäßig nicht bedürfen. Eine solche kann zwar in einer Krisensituation angezeigt sein414, doch ist eine Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG nicht zwingend mit einer Krisensituation verbunden. Erhält hingegen ein nicht ressortverantwortlicher Geschäftsleiter eine solche Anordnung, so sind dessen Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Er ist regelmäßig nicht befugt, den Mangel im Bereich des Risikomanagements aus eigener Machtvollkommenheit selbst zu beheben. Die Handlungsaufforderung durch die Anordnung verpflichtet ihn aber dazu, unter vollem Einsatz seiner Mitwirkungsrechte das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um eine Befassung des Organs und einen Beschluss der Gesamtgeschäftsführung herbeizuführen.415 Das heißt er muss zunächst die stets bestehende Möglichkeit nutzen, als ressortfremder Geschäftsleiter eine Angelegenheit vor den Gesamtvorstand zu bringen.416 Bei der Befassung des Gesamtorgans hat er sodann auf eine Behebung des Missstandes durch ein entsprechendes Abstimmungsverhalten hinzuwirken.417 Es ergibt sich für ihn mithin eine zweistufige Handlungspflicht: Zunächst muss er dafür sorgen, dass das Gesamtorgan befasst wird und sodann muss er innerhalb des Gesamtorgans auf eine Abwendung des strafrechtlichen Erfolges hinwirken.418 Hier können sich in der Folge freilich Fragen der Unterlassungskau-

413 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014 t; Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rn. 114; allgemeiner B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 7, 23. 414 Vgl. Raum, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 4 A Rn. 38. 415 Vgl. BGHSt 37, 106, 126. 416 Hierzu am Beispiel der AG MüKo-AktG-Spindler, § 77 Rn. 58 m.w.N. 417 Vgl. BGHSt 37, 106, 126. 418 Vgl. Raum, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 4 A Rn. 39.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

salität bei Kollegialentscheidungen stellen, die allgemeiner Natur sind und an dieser Stelle nicht vertieft werden sollen.419 Fragen gerade der Unterlassungskausalität420 stellen sich, weil das „Zuwiderhandeln“, welches § 54a Abs. 3 KWG verlangt, ungeachtet der nach positivem Tun klingenden Verhaltensumschreibung ein Unterlassen darstellt. Zwar lässt der Gesetzgeber im Dunkeln, was mit dieser Formulierung konkret gemeint sein soll. Der Begriff der Zuwiderhandlung dürfte seinem Wortsinn nach aber umfänglich zu verstehen sein, so dass er nicht nur das gänzliche Außerachtlassen der Anordnung, sondern auch die nur teilweise Befolgung bzw. deren nicht fristgemäße Befolgung erfasst.421 Um ein Unterlassen handelt es sich also unabhängig davon, ob die behördliche Anordnung schlicht ignoriert wird oder ob zwar Maßnahmen zu ihrer Befolgung ergriffen werden, diese aber unzureichend sind. Insoweit kann auf die bereits zu § 54a Abs. 1 KWG gemachten Ausführungen Bezug genommen werden, wonach auch die mangelnde Sorgetragung ein Unterlassen bedeutet.422 Da sowohl § 54a Abs. 1 KWG als auch § 54a Abs. 3 KWG auf ein Unterlassen abstellen und beide zusammen nach hier vertretener Auffassung den Tatbestand formen423, ist § 54a KWG damit insgesamt ein Unterlassungsdelikt.424 f) Zwischenergebnis Die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Pflichten sind entgegen der Entwurfsbegründung einer ressortmäßigen Verteilung zugänglich, die bei der Prüfung des § 54a KWG Berücksichtigung finden muss. Die ursprüngliche gesetzgeberische Vorstellung einer fehlenden Ressort- und Delegationsfähigkeit warf neben verfassungsrechtlichen vor allem praktische Bedenken auf. Eine originäre Zuständigkeit eines jeden Geschäftsleiters für den Bereich des Risikomanagements ist aber weder nötig noch sinnvoll. Die Änderungen des § 54a KWG gegenüber der Entwurfsfassung zwingen zwar nicht zur Beachtlichkeit einer Ressortverteilung, sie ermöglichen sie aber. Die Berücksichtigung einer Ressortverteilung stutzt die strafrechtliche Verantwortlichkeit der nicht ressortmäßig mit dem Risikomanagement betrauten Geschäftsleiter auf ein handhabbares und zugleich ausreichendes Maß zurück. Während ressortmäßig mit dem Risikomanagement betraute Geschäftsleiter eine umfassende Handlungspflicht trifft, obliegt den nicht ressortmäßig 419 Verwiesen sei auf den Überblick bei Roxin, AT II, § 31 V Rn. 65 ff. sowie die grundlegende Entscheidung BGHSt 37, 131. 420 Zur generellen Schwierigkeit, bei Unterlassungsdelikten von Kausalität zu sprechen, Roxin, AT II, § 31 Rn. 37 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 59 III 2. f. 421 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849; B/F/S-Lindemann, KWG § 54a Rn. 22; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 12. 422 s. o. S. 195. 423 Zur dogmatischen Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG oben S. 200 ff. 424 So i.E. auch Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 127.

C. Tatbestand

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verantwortlichen Geschäftsleitern zunächst nur eine Aufsichtspflicht. Diese kann und wird sich spätestens mit Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG an sie zu einer Handlungspflicht verdichten.

III. Taterfolg § 54a KWG verlangt seinem Tatbestand nach weder den Eintritt einer Insolvenz, noch eines Vermögensnachteils oder gar eine spürbare Destabilisierung des Finanzsystems. Eine Strafbarkeit nach § 54a KWG setzt nur – aber auch immer – eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts voraus. Die Verletzung wesentlicher Risikomanagementpflichten soll, so die gesetzgeberische Intention, nur im Falle des Eintritts einer Unternehmenskrise strafbar sein.425 Fehlt es an einer Bestandsgefahr, so steht im Falle eines Verstoßes gegen eine Anordnung die Einhaltung von Risikomanagementvorgaben betreffend lediglich der Rückgriff auf das Ordnungswidrigkeitenrecht offen (vgl. etwa § 56 Abs. 2 Nr. 3 f KWG). Der Tatbestand des § 54a KWG verlangt eine Bestandsgefährdung und damit bereits dem natürlichen Wortsinn nach lediglich eine Gefahrensituation im Hinblick auf den Bestand des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts. Die mit dem Merkmal der Bestandsgefährdung einhergehende Ausgestaltung des § 54a KWG als Gefährdungsdelikt überrascht nicht angesichts der Schwierigkeiten, die bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise insbesondere mit Blick auf § 266 StGB wiederholt zu Tage getreten sind. Durch den Taterfolg der Bestandsgefährdung unterscheidet sich § 54a KWG aber nicht nur entscheidend vom Taterfolg des § 266 StGB, sondern vor allem auch von den Krisenmerkmalen des § 283 StGB, bei dem die Tat überdies, wie bereits behandelt, gemäß § 283 Abs. 6 StGB nur dann strafbar ist, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat, über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.426 Zunächst ist näher auf den Begriff und die Feststellung der Bestandsgefährdung einzugehen [1.]. Sodann erfolgt die von Beginn an kontrovers diskutierte dogmatische Einordnung des § 54a KWG als konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt [2.]. 1. Begriff und Feststellung der Bestandsgefährdung Hinsichtlich des Begriffs der Bestandsgefährdung und der Frage, wie bzw. durch wen eine solche Gefährdungslage festzustellen ist, müssen zwei Zeiträume unter425

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Zu § 283 Abs. 6 StGB und Auswirkungen staatlicher Bankenrettungen bereits oben S. 144 ff. 426

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schieden werden: Zum einen derjenige bis zum 31. 12. 2014 [a)], zum anderen derjenige ab dem 1. 1. 2015 [b)], wobei sich bei Letzterem nochmals eine kleinere Zäsur zum 1. 1. 2016 ausmachen lässt. a) Rechtslage bei Schaffung des § 54a KWG Zunächst soll der Begriff der Bestandsgefährdung erörtert werden, wie er bei Schaffung des § 54a KWG in §§ 48b, 48o KWG a.F. angelegt war und vom Strafgesetzgeber in Bezug genommen wurde [aa)]. Von Beginn an war er Gegenstand von Kontroversen. Diese hatten nicht nur die Frage der ausreichenden Bestimmtheit zum Gegenstand [bb)], sondern auch die Frage, welche Bedeutung der Feststellung einer Bestandsgefährdung durch die BaFin gemäß § 48b Abs. 3 KWG a.F. für § 54a KWG zuzumessen ist [cc)]. Diskutiert wurde auch, wie die Strafrechtspraxis mit den in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. enthaltenen Vermutungstatbeständen umgehen soll [dd)]. aa) Der Begriff der Bestandsgefährdung gem. §§ 48b, 48o KWG a.F. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 54a KWG soll für den Begriff der Bestandsgefährdung an die (damals noch bestehenden) aufsichtsrechtlichen Regelungen in § 48b Abs. 1 KWG bzw. § 48o KWG a.F. angeknüpft werden.427 In § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. war bis zum 31. 12. 2014 die Bestandsgefährdung als Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen definiert. Die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 54a KWG greift die in § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. angesprochene Unbeachtlichkeit korrigierender Maßnahmen ausdrücklich auf.428 § 48o KWG a.F. enthielt ergänzende Bestimmungen mit Blick auf übergeordnete Unternehmen von Institutsgruppen.429 Die Außerachtlassung korrigierender Maßnahmen und das Anknüpfen an eine Gefährdungssituation erscheint angesichts der staatlichen Rettungsmaßnahmen im Rahmen der vergangenen Finanzkrise, die einen Zusammenbruch als unverzichtbar erachteter Institute verhinderten, auf erste Sicht sinnvoll. Es wäre geradezu sinnwidrig, wenn die Geschäftsleiter solcher Institute, die für die Stabilität des Fi427

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Ahlbrecht, Deutscher AnwaltSpiegel 03/2014, S. 4 wirft die Frage auf, ob nicht vielmehr ein Rekurs auf die §§ 15a, 17 – 19 InsO geboten sei. Dies stünde aber zum einen dem klar formulierten gesetzgeberischen Willen entgegen und würde überdies einen systematischen Bruch bedeuten. 428 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. 429 Der Regierungsentwurf zu § 54a KWG sprach noch von einer Bestandsgefährdung „der Gruppe“ und knüpfte damit an einen dem deutschen Recht unbekannten Begriff an. Nach zutreffender Kritik durch den DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580, sowie durch Hamm/ Richter, WM 2013, 865, 868, wurde schließlich auf die Bestandsgefährdung des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts abgestellt.

C. Tatbestand

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nanzsystems besonders bedeutsam sind, infolge staatlicher Stützungsmaßnahmen in strafrechtlicher Hinsicht privilegiert würden. Der in Bezug auf § 283 StGB vorgetragenen Kritik, staatliche Bankenrettungen führten zu einer nicht zu rechtfertigenden faktischen Privilegierung gewisser Geschäftsleiter430, könnte durch das Anknüpfen an eine Gefährdungssituation Rechnung getragen werden. Genau dies war auch die Motivation des Gesetzgebers bei Schaffung des § 54a KWG: Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass die Strafbarkeit nicht dadurch ausgeschlossen sein soll, dass staatliche Maßnahmen den Eintritt der Unternehmenskrise verhindern.431 Sollten korrigierende Maßnahmen vorgenommen werden, so seien diese für die Beurteilung des Vorliegens einer Bestandsgefahr hypothetisch wegzudenken.432 bb) Bestimmtheitsbedenken In der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, mit dem Tatbestandsmerkmal der Bestandsgefährdung aus § 48b bzw. § 48o KWG a.F. an einen bereits aufsichtsrechtlich im KWG verankerten Begriff anzuknüpfen.433 Dass es sich bei dem Begriff der Bestandsgefährdung um einen aufsichtsrechtlich im KWG verankerten Begriff handelt, wurde ebenso wie dessen Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz bereits während des Gesetzgebungsverfahrens bestritten. Der Begriff der Bestandsgefährdung sei erst mit Wirkung zum 1. 1. 2011 durch die §§ 48b, 48o in das KWG eingeführt worden und stelle keinen aufsichtsrechtlich etablierten Begriff mit eingespielter Verwaltungspraxis oder gar gefestigter Judikatur dar.434 Auch nach Verabschiedung des § 54a KWG riss die Kritik an der Unbestimmtheit nicht ab. Dass mit dem Begriff der Bestandsgefährdung an einen aufsichtsrechtlich etablierten Begriff angeknüpft werde, sei bestenfalls euphemistisch; Staatsanwaltschaften und Gerichte hätten keinerlei Erfahrung mit diesem Merkmal.435 Die dem Merkmal der Bestandsgefährdung inhärente Kombination von Prognoseentscheidung und Gefahreneintritt sei zudem in erheblicher Weise unscharf und könne die dem Merkmal zugedachte, strafbarkeitsbegrenzende Funktion nicht effektiv erfüllen.436 Der vorgenannten Kritik ist insoweit zuzustimmen, als – soweit ersichtlich – keine konkretisierende Rechtsprechung zu diesen Anfang 2011 eingeführten und inzwischen bereits wieder aufgehobenen Normen ergangen ist. Doch wäre eine solche

430 431 432 433 434 435 436

s. o. S. 144 ff. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868. Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 327. Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 119.

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wohl auch nicht erforderlich gewesen, um dem Bestimmtheitsgebot Rechnung zu tragen. Unter Zugrundelegung des von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. ist unter einer Bestandsgefährdung i.S.d. § 54a KWG wie bereits erwähnt die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen zu verstehen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien des Restrukturierungsgesetzes, auf das § 48b KWG zurückgeht, soll eine Bestandsgefährdung nicht erst dann bestehen, wenn Zahlungsausfall oder Überschuldung unmittelbar und konkret bevorstehen, sondern schon dann, wenn ohne korrigierende Maßnahmen der Eintritt von Insolvenzgründen vorhersehbar ist.437 Derartige Insolvenzgründe sind jedenfalls die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO und bei juristischen Personen die Überschuldung nach § 19 InsO.438 Ob bereits die drohende Zahlungsunfähigkeit und die drohende Überschuldung eine Bestandsgefährdung darstellen, mag zweifelhaft sein, wird aber teilweise bejaht.439 Nach Auffassung mancher Autoren ist das Stadium der Bestandsgefährdung sogar noch weiter vorgelagert, nämlich deutlich vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit.440 Selbst Letzteres lässt sich durchaus mit der in § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. gegebenen Definition vereinbaren, da es lediglich um die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs geht und der Begriff der Gefahr äußerst dehnbar ist. Aufgrund des ihm eigenen Prognoseelementes treten zwangsläufig Randunschärfen auf. Sie führen jedoch, auch wenn sie teilweise als Argument für eine mangelnde Bestimmtheit bemüht werden441, nicht per se zur Unvereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann es in Grenzfällen ausnahmsweise ausreichen, dass lediglich das Risiko einer Bestrafung erkennbar ist.442 Die Rechtsprechung sei dabei gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot)443. Ob der Begriff der Bestandsgefährdung in der Praxis eine konkretisierende Auslegung erfahren wird, muss mangels ausreichender Fallzahlen bezweifelt werden. Eine solche ist bis Ende 2014 zu § 48b KWG a.F. nicht erfolgt und wird zu § 54a KWG, dies sei vorweggenommen, ebenfalls nicht erfolgen.444 Nicht zuletzt deshalb scheinen Be437

Vgl. BT-Drs. 17/3024 S. 63. B/F/S-Fridgen, KWG, 4. Aufl. 2012, § 48b Rn. 2. 439 Bejahend B/F/S-Fridgen, KWG, 4. Aufl. 2012, § 48b Rn. 3 f.; in diese Richtung auch Schröder, WM 2014, 100, 105: Die Bestandsgefährdung werde ähnlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu deuten sein. 440 Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 340; Schelo, NJW 2011, 186, 188. 441 Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 119. 442 Vgl. BVerfGE 92, 1, 12; 126, 170, 196. 443 BVerfGE 126, 170, 198 f. 444 Zur fehlenden repressiven Bedeutung des § 54a KWG ausführlich noch unten S. 331 ff. 438

C. Tatbestand

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denken an der Bestimmtheit des Merkmals der Bestandsgefährdung zunächst angebracht. Allerdings enthält § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. mehrere Vermutungsregeln hinsichtlich des Vorliegens einer Bestandsgefährdung, die zu einer näheren Konturierung beitragen und im Ergebnis zu einer Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG verhelfen. Die Vermutungsregeln betreffen Fälle der Unterdeckung (§ 48b Abs. 1 S. 2 Nr. 1–3 KWG a.F.) und der gerechtfertigten Annahme des Eintritts einer solchen Unterdeckung (§ 48b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG a.F.).445 Unabhängig von der noch zu klärenden Frage, ob derartige Vermutungen auch im Strafrecht Geltung beanspruchen können, stellen diese Fälle einige und wohl auch ausreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung der Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs dar. Dem Rechtsanwender werden durch sie mehrere Möglichkeiten zur Annahme einer Bestandsgefährdung aufgezeigt, in deren Lichte § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. zu lesen ist. Nicht zu leugnen ist, dass die in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. gegebenen Anhaltspunkte außerordentlich technisch sind und eine gesteigerte bankrechtliche Expertise ebenso erfordern wie einen Überblick über die finanziellen Verhältnisse des in Rede stehenden Instituts. Hinsichtlich der Ermittlung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Bestandsgefahr dürfte die eigene Beurteilungskompetenz der Strafgerichte regelmäßig überschritten sein und es muss auf Sachverständige rekurriert werden.446 Das bedeutet zugleich, dass auch der Normadressat Schwierigkeiten haben dürfte, genau zu erkennen, wann er Gefahr läuft, eine Bank in das Stadium der Bestandsgefahr zu führen. Dennoch dürfte für ihn unter Heranziehung des § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. und insbesondere der Präzisierungen in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. sowie unter Berücksichtigung seines Sonderwissens447 hinreichend deutlich erkennbar sein, wann der vom Tatbestand geforderte Gefahrenerfolg einzutreten droht. Die Krisenmerkmale des Bankrottstrafrechts muten insoweit kaum bestimmter an. Im Ergebnis bedeutet die Verwendung des Merkmals der Bestandsgefahr unter Berücksichtigung des § 48b KWG a.F. daher keine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes.448

445

Näher hierzu B/F/S-Fridgen, KWG, 4. Aufl. 2012, § 48b Rn. 6 ff. Vgl. Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102. Dies erkannte auch schon Kasiske, ZRP 2011, 137, 139, der in seinem Vorschlag eines Sondertatbestandes im KWG betreffend die Gefährdung systemrelevanter Kreditinstitute zwar ebenfalls an den Begriff der Bestandsgefährdung anknüpfte, als objektive Bedingung der Strafbarkeit aber verlangte, dass die BaFin die Bestandsgefahr festgestellt habe. 447 Zur Berücksichtigung von Sonderwissen für die Frage der Gesetzesbestimmtheit BVerfGE 48, 48, 57; 126, 170, 196. 448 So im Ergebnis auch Kasiske, ZIS 2013, 257, 261; Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 341; wohl auch Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102. A.A. DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 119. 446

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

cc) Bedeutung einer Beurteilung durch die BaFin gemäß § 48b Abs. 3 KWG a.F. § 48b KWG a.F. konkretisiert nicht nur den Begriff der Bestandsgefahr. Über § 48b Abs. 3 KWG a.F. kommt der BaFin nach Anhörung der Deutschen Bundesbank auch eine Beurteilungskompetenz dafür zu, ob eine Bestandsgefährdung im Sinne des § 48b Abs. 1 KWG a.F. vorliegt oder nicht. Angesichts der mit der Feststellung einer Bestandsgefährdung verbundenen Schwierigkeiten drängt sich die Frage auf, ob für die Zwecke des § 54a KWG auf eine solche Beurteilung zurückgegriffen werden darf. Dies ist zu verneinen. Eine solche Beurteilungskompetenz befreit das Strafgericht nicht davon, die Bestandsgefährdung eigenständig festzustellen. Es darf sich nicht damit begnügen, die behördliche Einschätzung schlicht zu übernehmen, sondern muss das Vorliegen einer Bestandsgefährdung – wenn auch unter Berücksichtigung der Beurteilung der BaFin – selbst feststellen. Denn Voraussetzung der Strafbarkeit ist nicht, dass die Aufsichtsbehörde meint, es liege eine Bestandsgefahr vor, sondern Voraussetzung ist, dass eine Bestandsgefahr tatsächlich vorliegt.449 Allein der praktische Aspekt, dass die Strafgerichte mit der Bestimmung des Vorliegens einer Bestandsgefährdung regelmäßig überfordert sein dürften, vermag eine Bindungswirkung der Feststellung nach § 48b Abs. 3 KWG a.F. nicht zu rechtfertigen.450 Die Einschätzung der BaFin nach § 48b Abs. 3 KWG a.F. befreit das Strafgericht also einerseits nicht von seiner Nachweispflicht, sie ist andererseits aber auch nicht bindend.451 Die Einschätzung der BaFin könnte, sollte ein Fall des § 54a KWG unter Geltung des § 48b KWG a.F. vor Gericht gelangen, im Rahmen der Beweiserhebung nicht mehr als ein Indiz sein – wenn auch ein wohl sehr gewichtiges.452 dd) Bedeutung der Vermutungen des § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. Wer das Vorliegen einer Bestandsgefährdung prüft, muss sich auch mit den in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. enthaltenen (unwiderleglichen453) Vermutungen in Bezug auf das Vorliegen einer Bestandsgefahr auseinandersetzen, schließlich wurde in den Gesetzesmaterialien zu § 54a KWG nicht lediglich auf die Definition der selbständig feststellbaren Bestandsgefährdung nach § 48b Abs.1 S. 1 KWG a.F. verwiesen, sondern ohne Differenzierung auf den gesamten § 48b KWG a.F. und 449

Zutreffend Schröder, WM 2014, 100, 105; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014w. So aber wohl Kasiske, ZIS 2013, 257, 261, der indes eine überzeugende Begründung schuldig bleibt. Hiergegen zu Recht Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 154 ff. 451 Eine Bindung ablehnend etwa Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204; Schröder, WM 2014, 100, 105; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014w; Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 155 f.; Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 678; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 30. 452 In diese Richtung Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204; zurückhaltender Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 678. 453 B/F/S-Fridgen, KWG, 4. Aufl. 2012, § 48b Rn. 6. 450

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damit auch auf dessen Vermutungstatbestände.454 Damit stellt sich die Frage, ob das Strafgericht bei der Feststellung der Bestandsgefährdung auf diese Vermutungen zurückgreifen darf. Dass inhaltlich ein Rückgriff auf die in ihnen enthaltenen Kriterien angezeigt ist, wurde im vorherigen Abschnitt bereits erörtert. Nunmehr geht es alleine um die Frage, ob auch die Vermutungswirkungen Bedeutung für die Feststellung einer Bestandsgefährdung haben können. Auf diese Frage wird in den Gesetzesmaterialien nicht eingegangen. Es scheint, als habe der Gesetzgeber diese Problematik schlicht übersehen – ein weiterer Beleg für die nicht ausreichend reflektierte Schaffung des § 54a KWG. Hinsichtlich der Inbezugnahme auch der in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. enthaltenen Vermutungen wurde früh und vielfach Kritik geübt. Die Anknüpfung an die Vermutung einer Bestandsgefährdung sei strafprozessual völlig inakzeptabel, eine unbesehene Heranziehung der Vermutungstatbestände würde eine dem in dubio pro reo Grundsatz widersprechende Beweislastumkehr im Strafverfahren schaffen.455 Die bloße Existenz von Vermutungstatbeständen in einer Vorschrift, auf die eine Strafvorschrift Bezug nimmt, stellt allerdings für sich genommen noch keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG dar.456 Die Frage ist vielmehr, wie das Strafrecht mit dieser Inbezugnahme umzugehen hat. Außerstrafrechtliche Vermutungen sind im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht grundsätzlich nicht anzuwenden.457 Einigkeit besteht daher auch für § 54a KWG im Kern darüber, dass die Anwendung der Vermutungstatbestände ausscheiden muss.458 Im Detail reichen die Lösungen von 454

s. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Vgl. DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 580; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868; Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 850; Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 154; Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 668; Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 91. 456 Zutreffend Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 154. 457 Vgl. BGH StV 1988, 239, 240; SK-StPO-Velten, § 261 Rn. 73; LR-Sander, § 261 Rn. 68. 458 Einen differenzierenden Ansatz vertritt Puschke, in: FS Schünemann 2014, S. 647, 649 ff. Durch außerstrafrechtliche Vermutungsregelungen werde das Beweisthema vom Tatbestandsmerkmal auf die Vermutungsbasis verlagert. Unwiderlegliche Vermutungen wie diejenigen in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. seien insoweit nicht als Beweislastregelungen, sondern als eine Erweiterung des Tatbestandes anzusehen. Einen Verstoß gegen Legitimitätsbedingungen des Strafrechts will er bei Vermutungen in Bezug auf das Vorliegen objektiver Tatbestandsmerkmale nur dann annehmen, wenn das Vorliegen der die Vermutung auslösenden Bedingung nicht einmal zu einer Gefährdung des Rechtsguts führt. Bei § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. gehe man bei Vorliegen der Vermutungsvoraussetzungen von einer Gefährdungslage für das Kreditinstitut aus, die eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems verursachen könne. Eine solche Gefährdung bedrohe die dem Kreditinstitut angetrauten Vermögenswerte und jedenfalls bei systemrelevanten Kreditinstituten die Stabilität des Finanzsystems. Allein die Verwirklichung der Vermutungsbasis stelle somit eine Gefahr für das strafrechtlich geschützte Rechtsgut des § 54a KWG dar. Im Ergebnis hält Puschke die Vermutungen in § 48b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – 3 KWG a.F. für strafrechtlich beachtlich, nicht jedoch diejenige in § 48b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG a.F., nach der bereits eine Prognose bzgl. der Vermutungsbasis der Nr. 1–3 ausreichen soll (a.a.O. S. 660). 455

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einer strafverfahrensrechtlichen Irrelevanz der Vermutungsregeln459 über die Annahme einer materiellen Auslegungshilfe460 bzw. einer indiziellen Bedeutung im Rahmen der freien Beweiswürdigung461 bis hin zur deutlichen Betonung des Amtsermittlungsgrundsatzes462, teilweise unter gleichzeitigem Hinweis darauf, dass vieles dafür spreche, dass eine Bestandsgefahr bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. vorliege.463 Die Vermutungstatbestände des § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. entbinden also das Strafgericht nicht davon, die Bestandsgefährdung im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO positiv festzustellen. Auf die in ihnen niedergelegten Kriterien darf und sollte aber zur Feststellung einer Bestandsgefährdung zurückgegriffen werden. Dabei geht es einzig um die Übernahme der Vermutungsbasis, die Vermutungswirkung als solche darf nicht in das Strafrecht übertragen werden. Diese Form der Berücksichtigung des § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz des in dubio pro reo dar. Sie ist vielmehr sinnvoll vor dem Hintergrund, dass sie dazu beiträgt, den Begriff der Bestandsgefährdung näher zu konturieren, einheitlich handzuhaben und dem Vorwurf mangelnder Bestimmtheit zu entziehen.464 ee) Zwischenergebnis Die Anknüpfung des § 54a KWG an den Begriff der Bestandsgefahr bedeutet die Einführung eines dem Strafrecht bislang nicht bekannten und aufsichtsrechtlich noch nicht fest etablierten Begriffs. Dieser war bis zum 31. 12. 2014 in § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. definiert und in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. mit Vermutungstatbeständen versehen. Die BaFin besaß gemäß § 48b Abs. 3 KWG a.F. eine Beurteilungskompetenz hinsichtlich des Vorliegens einer Bestandsgefahr. Das Strafgericht darf aber zum einen eine Beurteilung der BaFin nicht unbesehen übernehmen, sondern muss die Bestandsgefährdung selbst feststellen. Zum anderen dürfen die in § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. enthaltenen Vermutungstatbestände nicht unbesehen ins Strafrecht übernommen werden. Lediglich die in ihnen enthaltenen Elemente der Vermutungsbasis dürfen im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung bemüht werden. Ihr größter Nutzen besteht darin, dem Begriff der Bestandsgefährdung eine

459 Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 679; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 297; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 270; Beck/Samm/KokemoorWegner, KWG, § 54a Rn. 19; wohl auch Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 132. 460 Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204. 461 Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 154; ähnlich MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 18 („Leitlinie“); Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 29 („Anhaltspunkte“). 462 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 850; Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 341. 463 Schröder, WM 2014, 100, 105; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014w. 464 Zu diesem Vorwurf oben S. 265 ff.

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gewisse Kontur zu verleihen und insoweit den Vorwurf mangelnder Bestimmtheit auch der Umschreibung des Taterfolgs zu vermeiden. b) Auswirkungen neuer Sanierungs- und Abwicklungsregeln seit dem 1. 1. 2015 Sanierungs- und Abwicklungsregeln in Bezug auf Banken sind derzeit grundlegenden Veränderungen unterworfen, wobei die wesentlichen Impulse unionsrechtlicher Herkunft sind [aa)]. Sie haben unter anderem dazu geführt, dass die §§ 48a–48 s KWG mit Wirkung zum 1. 1. 2015 aufgehoben wurden und ein neues Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) in Kraft getreten ist [bb)]. Die nunmehr im SAG verortete Definition der Bestandsgefährdung ist allerdings nicht deckungsgleich mit der vom Strafgesetzgeber bei Schaffung des § 54a KWG in Bezug genommenen Regelung des § 48b KWG a.F. [cc)]. Im Ergebnis bedarf es für § 54a KWG einer vom SAG abweichenden, an § 48b KWG a.F. angelehnten und insoweit strafrechtsautonomen Bestimmung des Begriffs der Bestandsgefährdung [dd)]. Die mittlerweile in Kraft getretene SRM-VO465 enthält hinsichtlich der Abwicklung von Banken weitgehend parallele Regelungen zum SAG, bewirkt aber hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung in § 54a KWG keine Änderungen [ee)]. aa) Sanierungs- und Abwicklungsregeln im Wandel – SRM, BRRD, SAG Dass das Recht der Bankenregulierung und vor allem der Bankenaufsicht derzeit einem tiefgreifenden Strukturwandel ausgesetzt ist, dürften insbesondere die im Zusammenhang mit § 54a Abs. 3 KWG gemachten Ausführungen zum Einheitlichen europäischen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) bereits verdeutlicht haben.466 Mit diesem ist die durch die Finanzkrise ausgelöste Regulierungs- und Reformwelle indes noch nicht beendet. Im Gegenteil: Zahlreiche durch die Finanzkrise angestoßene Projekte werden erst jetzt nach und nach Rechtswirklichkeit. Dies trifft insbesondere auf die stetig fortschreitende Herstellung einer europäischen Bankenunion zu. In Ergänzung zum SSM wurden inzwischen weitere Schritte unternommen, die tiefgreifende Änderungen im Bereich der Sanierung und Abwicklung von Banken bewirken. Sie resultieren maßgeblich aus dem den SSM ergänzenden Einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, Abk. SRM), der die zweite Säule der Bankenunion darstellt. Als Teil eines die zweite Säule betreffenden Maßnahmepakets wurde zum einen die sog. Bankenabwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive, Abk. BRRD)467 und zum anderen die unmittelbar anwendbare Verordnung zur Errichtung 465

Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (Kap. 1 Fn. 475). s. o. S. 228 ff. 467 Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 5. 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und 466

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eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM-VO)468 erlassen. Die darin enthaltenen Regelungen führen erstmalig zu einem harmonisierten Sanierungs- und Abwicklungsrecht für Banken.469 Von Interesse ist mit Blick auf § 54a KWG zunächst die Bankenabwicklungsrichtlinie. Sie wurde, heißt es in den Erwägungsgründen, unter anderem erlassen, weil die Finanzkrise gezeigt habe, dass es auf der Ebene der Union an angemessenen Instrumenten für den wirksamen Umgang mit unsoliden oder ausfallenden Instituten mangele.470 Derartige Instrumentarien würden vor allem zur Verhinderung einer Insolvenz benötigt oder, falls eine solche eintrete, zur Minimierung der negativen Auswirkungen, indem die systemisch wichtigen Funktionen des jeweiligen Instituts aufrechterhalten würden. Während der Krise hätten diese Herausforderungen wesentlich dazu beigetragen, dass die Mitgliedstaaten Institute unter Rückgriff auf das Geld der Steuerzahler retten mussten. Ziel eines glaubwürdigen Sanierungs- und Abwicklungsrahmens sei es, solchen Maßnahmen so weit wie möglich vorzubeugen. Die Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD) wurde kurz vor Jahresschluss 2014 mittels des BRRD-Umsetzungsgesetzes in nationales Recht umgesetzt.471 bb) Wegfall der §§ 48b, 48o KWG a.F. und Schaffung des SAG Im Zuge der fortschreitenden Verwirklichung einer europäischen Bankenunion wurden die §§ 48b, 48o KWG a.F. mit Wirkung zum 1. 1. 2015 aufgehoben.472 Eine Definition der Bestandsgefährdung sucht man im KWG nunmehr vergebens. Allerdings wurde im Zuge des BRRD-Umsetzungsgesetzes das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) geschaffen. Es beinhaltet in § 63 Abs. 1, Abs. 2 SAG eine nähere Bestimmung des zuvor in § 48b Abs. 1 KWG a.F. verankerten Begriffs der Bestandsgefährdung. Vormals in § 48o KWG a.F. befindliche Regelungen sind nun im Wesentlichen in § 64 SAG zu finden. Allerdings weicht die Definition einer Bestandsgefährdung in § 63 Abs. 1, Abs. 2 SAG schon äußerlich deutlich von der vormals in § 48b Abs. 1 KWG a.F. existierenden Definition einer Bestandsgefährdung ab. Angesichts dieser Veränderung stellt sich die Frage, wie der Begriff der Bestandsgefährdung in § 54a KWG nunmehr zu verstehen ist. Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 173 vom 12. 06. 2014, S. 190 (im Folgenden: BRRD). 468 Errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (Kap. 1 Fn. 475). 469 Ausführliche Darstellung der europäischen Regulierung zur Bankenrestrukturierung bei Grieser/Mecklenburg-Guzmán/Schenk, in: Europäisches Bankaufsichtsrecht, S. 965 ff.; s.a. Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, passim; Thole, ZBB 2016, 57, passim. 470 Vgl. Erwägungsgrund 1 der BRRD. Auch die nachfolgenden Ausführungen sind diesem Erwägungsgrund entnommen. 471 BRRD-Umsetzungsgesetz vom 10. Dezember 2014, BGBl. I S. 2091. 472 Aufgehoben durch Art. 2 Nr. 29 des BRRD-Umsetzungsgesetzes (Kap. 2 Fn. 471).

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Da § 54a KWG unverändert an den Begriff der Bestandsgefährdung anknüpft, die ursprünglich in Bezug genommenen Normen §§ 48b, 48o KWG a.F. aber entfallen sind, kommen für die Auslegung des Merkmals der Bestandsgefährdung zwei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen ist es denkbar, den Begriff der Bestandsgefährdung weiterhin in Anlehnung an die §§ 48b, 48o KWG a.F. zu verstehen. Eine solche Begriffsbestimmung entsprach zumindest dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers. Zum anderen ist es denkbar, den Begriff der Bestandsgefährdung nunmehr in Anlehnung an die neu geschaffenen §§ 63, 64 SAG zu verstehen. Bei einer Inhaltsgleichheit der beiden möglichen Bezugspunkte wäre die Kontinuität gegenüber dem ursprünglichen gesetzgeberischen Willen gewahrt. Die Aufhebung etwa des § 48b KWG a.F. und die Definition der Bestandsgefährdung in § 63 SAG würden dann lediglich einen Bruch in systematischer Hinsicht, nicht aber einen inhaltlichen Bruch bedeuten. Doch bestehen auch inhaltlich Divergenzen, die es erforderlich machen, sich für eine der beiden vorgenannten Auslegungsmöglichkeiten zu entscheiden. Bevor auf die inhaltlichen Divergenzen eingegangen wird, ist aber zunächst ein Überblick erforderlich über Herkunft und Entwicklung des die Bestandsgefährdung betreffenden ehemaligen Regelungskomplexes im KWG und des ihn ablösenden Regelungskomplexes im SAG. cc) Herkunft und Entwicklung der §§ 48b, 48o KWG a.F. sowie der Neuregelungen im SAG Die §§ 48b, 48o KWG a.F. wurden durch das Restrukturierungsgesetz mit Wirkung zum 1. 1. 2011 in das Kreditwesengesetz eingefügt.473 Die in § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. enthaltene Definition einer Bestandsgefährdung als Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen wurde bis zur Aufhebung des § 48b KWG a.F. unverändert beibehalten. § 48b KWG a.F. enthielt auch von Beginn an in Absatz 1 Satz 2 die bereits behandelten Vermutungstatbestände für eine Bestandsgefährdung und in seinem Absatz 3 die ebenfalls bereits behandelte Beurteilungskompetenz der BaFin hinsichtlich des Vorliegens einer Bestandsgefährdung. Während die vormals in § 48b Abs. 2 KWG a.F. normierten Kriterien für die Feststellung einer Systemgefährdung zum 1. 1. 2015 zumindest zeitweise weitgehend deckungsgleich in § 67 Abs. 2 SAG a.F. verankert waren474, weist der zugleich geschaffene, die Bestandsgefahr betreffende § 63 SAG ersichtlich andere Züge auf als die Vorgängerregelung des § 48b Abs. 1 KWG a.F. Hintergrund ist, dass § 63 473 Art. 2 Nr. 15 des Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 9. Dezember 2010, BGBl. I S. 1900. 474 Zu dessen Aufhebung im November 2015 oben S. 168 f.

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SAG in Umsetzung von Art. 32 Abs. 4 BRRD, sprich in Umsetzung einer Richtlinie geschaffen wurde.475 Als Abwicklungsvoraussetzung stellt Art. 32 Abs. 1 Buchst. a BRRD auf, dass das Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt („failing oder likely to fail“476). Wann ein Institut als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend gilt, ist sodann näher in Art. 32 Abs. 4 BRRD ausgeführt. Die dort gemachten Vorgaben hat der Gesetzgeber in § 63 SAG nahezu wortgetreu übernommen. Vermutungstatbestände, wie sie § 48b Abs. 1 S. 2 KWG a.F. noch vorsah, existieren nun nicht mehr. Die im Vergleich zu den vormaligen Regelungen im KWG erfolgten Änderungen in der Ausgestaltung des Begriffs der Bestandsgefährdung sind also auf Richtlinienvorgaben zurückzuführen. dd) Erfordernis einer strafrechtsautonomen Begriffsbestimmung in § 54a KWG Für § 54a KWG stellt sich angesichts der vorstehenden Ausführungen die Frage, ob für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Bestandsgefährdung eine Orientierung an den heute in § 63 SAG niedergelegten Kriterien noch dem gesetzgeberischen Willen gerecht wird, den dieser bei Schaffung des § 54a KWG hatte. In ersten Stellungnahmen aus dem Schrifttum heißt es, es sei grundsätzlich sachgerecht, für die Auslegung des Begriffes der Bestandsgefährdung auf das SAG zurückzugreifen. Zur Begründung wird angeführt, das SAG definiere die Bestandsgefährdung als Voraussetzung einer hoheitlichen Abwicklung von Instituten, wobei die Abwicklung das Ziel verfolge, eine Gefährdung des Finanzsystems insgesamt abzuwenden und öffentliche Mittel zu schützen, indem Rettungsaktionen mithilfe öffentlicher Mittel vermieden würden. Die Abwicklung verwandle die Zielsetzung des Instituts, das entweder mithilfe von Einschnitten in die Gläubigerrechte gerettet oder liquidiert werde. Die Bestandsgefährdung löse also ein hoheitliches Handeln aus, indem der Staat anstelle der Geschäftsleitung Maßnahmen treffe, welche in die Vermögenswerte des Instituts eingriffen, um weitergehende Interessen zu schützen. Dies sei genau der Sachverhalt, der durch die ordnungsgemäße Risikosteuerung seitens der Geschäftsleiter vermieden werden solle.477 475 BT-Drs. 18/2575 S. 164 f. § 64 SAG wiederum dient der Umsetzung des Art. 33 BRRD, s. BT-Drs. 18/2575 S. 165. 476 s. zur näheren Bestimmung des Begriffs „failing or likely to fail“ die von der EBA herausgegebenen Leitlinien, die eine einheitliche Umsetzung und Anwendung der BRRD gewährleisten sollen: https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1085517/EBA-GL-201 5 - 07+GL+on+failing+or+likely+to+fail.pdf/02539533 - 27ed-4467-b442 - 7d2fa6fcb3d3 (zul. abg. 30. 11. 2016). 477 B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 9. Er weist zudem darauf hin, dass § 63 SAG nur für CRR-Kreditinstitute und CRR-Wertpapierfirmen gilt und für andere Institute als CRR-Einlagenkreditinstitute und CRR-Wertpapierfirmen keine Definition der Bestandsgefährdung existiert. Das Strafgericht könne aber bei seiner Entscheidung, ob eine solche eingetreten ist, die Wertungen des § 63 SAG heranziehen, da die dortigen Tatbestandsmerkmale allgemein gehalten seien. Ohne nähere Begründung verweist auf die §§ 63, 64 SAG etwa Schwennicke/

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Gegen eine Heranziehung der nunmehr im SAG genannten Kriterien einer Bestandsgefährdung spricht hingegen zunächst die zeitliche Abfolge der Schaffung des § 54a KWG und des § 63 SAG. Als der Gesetzgeber den Begriff der Bestandsgefährdung als Anknüpfungspunkt für den Taterfolg des § 54a KWG wählte, ging er von den Begriffsbestimmungen der §§ 48b, 48o KWG a.F. aus. Dass nunmehr anstelle ihrer die in §§ 63, 64 SAG normierten Kriterien bemüht werden sollen, bedarf zumindest einer Begründung. Sie könnte darin liegen, dass der Strafgesetzgeber § 54a KWG (auch) über den Begriff der Bestandsgefährdung ganz bewusst verwaltungsakzessorisch ausgestaltete und hierdurch einen Gleichlauf von Straf- und Aufsichtsrecht herstellen wollte – einen Gleichlauf, der sich nicht auf den Moment der Schaffung des § 54a KWG beschränken, sondern der gerade auch für die Zukunft gelten sollte angesichts zu erwartender Nachjustierungen des Aufsichtsrechts. Es ist schließlich Wesensmerkmal der Verwaltungsakzessorietät, dass sich das Strafrecht Veränderungen der in Bezug genommenen Materie nicht verschließt, sondern diese gleichsam in den Tatbestand mit aufnimmt. Die Inbezugnahme wäre insoweit dynamisch und nicht statisch. Werden die Kriterien der Bestandsgefahr im Aufsichtsrecht modifiziert, so ist die Übernahme dieser Änderungen daher auch für die Auslegung des § 54a KWG grundsätzlich angezeigt. Ob die Kriterien am ursprünglichen Ort verändert oder aber an anderer Stelle neu geregelt werden, ist zunächst nicht entscheidend. Die Annahme eines bei Schaffung des § 54a KWG vorhandenen gesetzgeberischen Willens, jegliche künftige Änderung des Begriffs der Bestandsgefahr für die Auslegung des § 54a KWG und dessen Taterfolg zu berücksichtigen, stößt aber auf Bedenken, denn die Streichung der §§ 48b, 48o KWG a.F. und die Schaffung des SAG sind, wie dargelegt, nicht Ausdruck einer freien Entscheidung des nationalen Gesetzgebers. Sie sind vielmehr das Ergebnis einer verpflichtenden Richtlinienumsetzung. Durch Art. 32 Abs. 4 BRRD wurden den Mitgliedsstaaten präzise Vorgaben gemacht, die vom deutschen Gesetzgeber weitgehend unverändert durch § 63 SAG umgesetzt wurden. Ob aber der deutsche Gesetzgeber bei Schaffung der Strafnorm des § 54a KWG auch eine veränderte, auf unionsrechtliche Vorgaben zurückgehende Definition der Bestandsgefährdung in Bezug nehmen wollte, darf bezweifelt werden. Zweifel sind unter anderem angebracht, weil das SAG – der Mindestvorgabe der Bankenabwicklungsrichtlinie entsprechend – seinem Anwendungsbereich nach enger gefasst ist als das KWG (vgl. § 1 SAG, § 1 Abs. 1b KWG).478 Dies könnte gegen eine Bemühung des Bestandsgefährdungsbegriffs, wie er im SAG verankert ist, für die Zwecke des § 54a KWG sprechen. Allerdings ergab sich eine vergleichbare Schwierigkeit auch schon unter Geltung der §§ 48a ff. KWG a.F., da Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 14; ähnlich Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 9, der den Rückgriff auf § 63 SAG lediglich damit begründet, dass es im KWG nunmehr an einer Regelung fehle. 478 Vgl. BT-Drs. 18/2575 S. 144.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

§ 48b KWG a.F. im Abschnitt 3, Unterabschnitt 4a („Maßnahmen gegenüber Kreditinstituten bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems“) zu finden war und § 48a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 KWG a.F. als Voraussetzung einer Übertragungsanordnung verlangte, dass das Kreditinstitut in seinem Bestand gefährdet ist und es hierdurch die Stabilität des Finanzsystems gefährdet. Nichtsdestotrotz machen die vorstehenden Überlegungen in einer Gesamtschau zunächst skeptisch gegenüber einem unbesehenen Rückgriff auf § 63 SAG für die Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung in § 54a KWG. Dass diese Skepsis berechtigt ist, zeigen letztlich die nicht unerheblichen inhaltlichen Divergenzen zwischen § 48b KWG a.F. und der Nachfolgeregelung des § 63 SAG. § 63 Abs. 1 SAG definiert drei Fälle der Bestandsgefährdung. Die in § 63 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 SAG beschriebenen Schieflagen knüpfen zwar an Situationen einer – gegebenenfalls nur drohenden – Überschuldung bzw. einer – gegebenenfalls nur drohenden – Zahlungsunfähigkeit und damit an Schieflagen an, die einen engen Bezug zur ehemals bestehenden Definition der Bestandsgefährdung in § 48b KWG a.F. aufweisen.479 § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG hingegen bereitet mit Blick auf § 54a KWG Schwierigkeiten. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG soll eine Bestandsgefährdung vorliegen, wenn das Institut gegen die mit einer Erlaubnis nach § 32 KWG verbundenen Anforderungen in einer Weise verstößt, die die Aufhebung der Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde rechtfertigen würde oder objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies in naher Zukunft bevorsteht. Möchte man über diesen Weg eine Bestandsgefährdung begründen, so gelangt man zu § 35 KWG (Erlöschen und Aufhebung der Erlaubnis). Laut der Gesetzesbegründung zum BRRD-Umsetzungsgesetz soll dabei insbesondere § 35 Abs. 2 Nr. 8 KWG relevant sein480, der seinerseits verlangt, dass die in den Artikeln 92 bis 403 sowie 411 bis 428 CRR-VO481 niedergelegten aufsichtlichen Anforderungen nicht mehr erfüllt sind. Abgesehen davon, dass damit ein kaum noch fassbarer Verweisungsdschungel verbunden ist482, dürfte das im Ergebnis erfolgende Abstellen auf die Missachtung von Eigenkapitalanforderungen (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 1 KWG als Bezug zu mit einer Erlaubnis verbundenen Anforderungen) aber noch mit dem ursprünglich in § 48b KWG a.F. aufgestellten

479 Sie bemüht ohne nähere Auseinandersetzung auch B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 10. Dass bei § 63 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 SAG weniger strenge Anforderungen anzulegen sind als bei einer Liquidation im Insolvenzverfahren, ist den unterschiedlichen Zielen der Abwicklungsregime geschuldet, vgl. BT-Drs. 18/2575 S. 165. Näher hierzu Thole, ZBB 2016, 57, 58 f. 480 BT-Drs. 18/2575 S. 164. 481 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (1), ABl. L 176 vom 27. 06. 2013, S. 1 (im Folgenden: CRR-VO). 482 Zur Frage der Einhaltung des Bestimmtheitsgebots bei sog. Kettenverweisungen Wagner, Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts, S. 218 ff.

C. Tatbestand

277

Begriff der Bestandsgefährdung harmonieren. Gleiches gilt für § 35 Abs. 2 Nr. 4 KWG.483 Brüchig wird die Vergleichbarkeit zwischen § 48b KWG a.F. und § 63 SAG aber spätestens bei anderen Gründen, die nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG eine Bestandsgefährdung darstellen sollen. Nach § 35 Abs. 2 Nr. 3 KWG etwa kann die Aufsichtsbehörde die Erlaubnis auch aufheben, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, welche die Versagung der Erlaubnis nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–8 KWG oder § 33 Abs. 2 Nr. 1–3 KWG rechtfertigen würden. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist dies unter anderem der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein Geschäftsleiter nicht zuverlässig ist. Dies ist zugleich eine im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG mit einer Erlaubnis nach § 32 KWG verbundene Anforderung, vgl. § 32 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 KWG. Mag die Unzuverlässigkeit eines Geschäftsleiters oder gar mehrerer Geschäftsleiter im Einzelfall eine Aufhebung der Erlaubnis rechtfertigen, so hat sie doch nichts mit der Frage zu tun, ob das Institut für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen von der Insolvenz bedroht ist. Dies aber war die Situation, die dem Strafgesetzgeber bei Schaffung des § 54a KWG und der Implementierung des Taterfolgs der Bestandsgefährdung vorschwebte und auf die er in der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich Bezug nahm. Es ging um die strafrechtliche Erfassung des Herbeiführens einer finanziellen Schieflage des Instituts, einer Unternehmenskrise. Zwar schränkt auch Erwägungsgrund 41 der BRRD den in Art. 32 Abs. 4 Buchst. a BRRD genannten Grund einer Bestandsgefahr ein, wenn es dort ergänzend heißt, die Tatsache, dass ein Institut die Zulassungsanforderungen nicht erfüllt, solle nicht als solche die Einleitung einer Abwicklung rechtfertigen, insbesondere wenn das Institut noch existenzfähig sei oder wahrscheinlich sein dürfte. Doch ist dies der Umsetzung in § 63 SAG selbst nicht zu entnehmen. Zumindest zeigt sich am vorstehenden Beispiel aber, dass eine unbesehene Übernahme der nunmehr in § 63 Abs. 1 SAG geregelten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bestandsgefahr für § 54a KWG nicht möglich ist.484 So man den Inhalt des § 63 SAG zur Bestimmung der Bestandsgefahr heranziehen möchte, ist jedenfalls eine einschränkende, dem Aufbau und Zweck des § 54a KWG Rechnung tragende Interpretation notwendig.485 Gänzlich neu ist § 63 Abs. 2 SAG, der es im Grundsatz einer Bestandsgefährdung gleichstellt, wenn eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln bewilligt wird (§ 63 Abs. 2 S. 1 SAG). Hiervon werden sodann in § 63 Abs. 2 S. 2 SAG wieder Ausnahmen gemacht für gewisse außerordentliche finanzielle Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft und zur Wahrung der Finanzstabilität, etwa in der Form einer staatlichen Garantie für neu emittierte Verbindlichkeiten (§ 63 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 483

Im Ergebnis ebenso B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 12. Unterschiedslos wird § 63 SAG indes bemüht von Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 11. s.a. Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 28 ff. 485 Zutreffend B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 12. 484

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

SAG). Die Maßnahme muss allerdings präventiv, zeitlich befristet und verhältnismäßig sein und darf nicht dem Ausgleich von Verlusten dienen, die das Institut bereits erlitten hat oder in naher Zukunft voraussichtlich erleiden wird (§ 63 Abs. 2 S. 3 SAG). Dies mag für die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Abwicklung gegeben sind, sachgerecht sein. Allerdings entfernt man sich damit nicht unerheblich von der vormals in § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. vorhandenen Definition, eine Bestandsgefährdung liege vor bei der Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen. Während § 63 Abs. 2 S. 1 SAG damit noch in Einklang zu bringen ist, ist dies für die nachfolgenden Ausnahmen zumindest zweifelhaft. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass eine für die Zwecke eines Abwicklungsverfahrens erfolgte Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Bestandsgefahr durch die Aufsichtsbehörde oder die Abwicklungsbehörde (vgl. § 62 Abs. 2 S. 1 SAG) das Strafgericht ebenso wenig binden würde wie es dies bis zum 31. 12. 2014 eine Einschätzung der BaFin nach § 48b Abs. 3 KWG a.F. tat.486 Zudem kann die in § 63 Abs. 2 SAG erfolgte Gleichstellung einer Bewilligung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln mit einer Bestandsgefährdung im Strafprozess keine Geltung beanspruchen, sondern eine solche Unterstützung allenfalls als Indiz für das Vorliegen einer Bestandsgefahr angesehen werden.487 Festzuhalten ist: Der aus dem KWG gestrichene § 48b KWG a.F. hat in Gestalt von § 63 SAG keinen für § 54a KWG heranziehbaren deckungsgleichen Ersatz erhalten, der vorbehaltlos als in den Willen des Strafgesetzgebers aufgenommen betrachtet werden könnte. Für § 54a KWG muss daher daran festgehalten werden, dass unter der Bestandsgefahr die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen zu verstehen ist, wie es § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. bis Ende 2014 vorsah. Allein eine solche strafrechtsautonome Bestimmung des Merkmals der Bestandsgefahr trägt dem Willen des Strafgesetzgebers Rechnung. Mit ihr geht freilich eine mit Blick auf die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bedauernswerte Abkopplung von Begriffsbestimmungen des Strafrechts einerseits und des Regulierungsrechts andererseits einher. Diese Abkopplung führt zu einem Auseinanderdriften des Strafrechts als sekundärer Ordnung und des Regulierungsrechts als Primärordnung, auf die das Strafrecht über das Instrument der Verwaltungsakzessorietät eigentlich Bezug nehmen möchte. Die Vorteile einer auch bei § 54a KWG gewählten verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung von Straftatbeständen werden hierdurch geradezu konterkariert. Auf die Notwendigkeit einer solchen Aushöhlung der Verwaltungsakzessorietät wird noch ausführlich zurückzukommen sein. 486

Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 30. Zutreffend B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 10; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 15; s.a. Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 10, wonach die Gleichsetzung in § 63 Abs. 2 SAG nicht zur Erfüllung des Tatbestandes des § 54a KWG reichen soll. 487

C. Tatbestand

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ee) Fortbestehende Schwierigkeiten unter Geltung des Art. 18 SRM-VO Die Schwierigkeiten rund um den Begriff der Bestandsgefährdung und – hier interessierend – dessen Auslegung im Rahmen des § 54a KWG sind durch das vollständige Inkrafttreten der SRM-VO488 zum 1. 1. 2016 (vgl. Art. 99 SRM-VO) nicht weniger geworden. Die SRM-VO hat einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus geschaffen und das institutionelle Gefüge der Bankenabwicklung verändert. Während sich im Jahr 2015 die Abwicklung der nationalen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen allein nach dem SAG richtete, ist seit dem 1. Januar 2016 im Kern wie folgt zu differenzieren: Bedeutende und der unmittelbaren EZB-Aufsicht unterstehende Institute und gruppenangehörige Unternehmen sowie grenzüberschreitende Gruppen unterliegen nach der SRM-Verordnung der unmittelbaren Zuständigkeit des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung (Single Resolution Board, Abk. SRB), vgl. Art. 7 Abs. 2 SRM-VO489. Die Abwicklungsplanung und Abwicklungsdurchführung dieser Institute und gruppenangehörigen Unternehmen erfolgt im Zusammenspiel von Ausschuss und nationalen Behörden, denn der Ausschuss erhält in der SRM-Verordnung grundsätzlich nicht die Befugnis, unmittelbar gegenüber Instituten und gruppenangehörigen Unternehmen zu handeln – vielmehr handelt er in erster Linie in Form von Beschlüssen, die von den nationalen Abwicklungsbehörden umgesetzt werden. Letztere handeln dabei auf Grundlage ihrer Befugnisse nach dem SAG (vgl. Art. 29 SRM-VO) – soweit die SRM-VO keine unmittelbar geltende Regelung des gleichen Regelungsgegenstandes enthält.490 Bezüglich derjenigen Institute und gruppenangehörigen Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der SRM-Verordnung fallen, ohne dass sie der Abwicklungszuständigkeit des Ausschusses unterfielen (sog. weniger signifikante Insitute), bleibt grundsätzlich zwar weiterhin die nationale Abwicklungsbehörde zuständig.491 Diese Zuständigkeit ergibt sich inzwischen allerdings direkt aus der SRM-Verordnung, welche gegenüber dem SAG Anwendungsvorrang genießt. Dies hat zur Folge, dass die Regelungen des SAG insoweit teilweise von – inhaltsgleichen und weitgehend auch textgleichen – Vorschriften der SRM-Verordnung überlagert werden.492 Die nationale Abwicklungsbehörde handelt also auf Grundlage der SRM-Verordnung selbst, soweit sie die in Art. 7 Abs. 3 SRM-VO benannten Aufgaben ausübt. Die Vorschriften des SAG werden insoweit wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts von den einschlägigen Vorschriften der SRM-Verordnung verdrängt. Le488 489 490

VO. 491 492

Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (Kap. 1 Fn. 475). s. aber auch Art. 7 Abs. 4 Buchst. b, Art. 7 Abs. 5 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475). Vgl. BT-Drs. 18/5009 S. 62, wo es jedoch wohl fälschlicherweise SAG heißt statt SRMs. aber Art. 7 Abs. 3 S. 2 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475). Vgl. insgesamt BT-Drs. 18/5009 S. 1 f., 62.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

diglich für die nicht von der SRM-Verordnung abgedeckten Fragen bleibt das SAG anwendbar.493 Seit Anfang 2016 ist damit unter anderem Art. 18 SRM-VO („Abwicklungsverfahren“) von zentraler Bedeutung, in dem sich eine zu den §§ 62, 63 SAG weitgehend parallele Regelung in Bezug auf Abwicklungsvoraussetzungen und Bestandsgefahr findet. Die in der SRM-VO verankerten Abwicklungsvoraussetzungen entsprechen insgesamt im Wesentlichen denjenigen des SAG und insoweit zugleich denjenigen der BRRD. Die SRM-VO verwendet zwar andere Begriffe, diese statuieren im Ergebnis aber keine anderen Voraussetzungen.494 Dies gilt auch bezüglich des Merkmals der Bestandsgefährdung. Der Begriff der Bestandsgefahr wird in der SRM-VO zwar nicht ausdrücklich verwendet, es findet sich in Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 SRM-VO aber eine zu § 63 SAG weitgehend parallele Regelung, die umschreibt, wann ein Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist. Eine § 48b Abs. 3 KWG a.F. und § 62 Abs. 2 S. 1 SAG entsprechende Beurteilungskompetenz mit Blick auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bestandsgefahr findet sich in Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 SRM-VO, der diese der EZB überträgt. Seit Januar 2016 stellt sich also nicht nur die Frage, wie sich das Merkmal der Bestandsgefährdung in § 54a KWG im Zusammenspiel mit dem SAG verstehen lässt, sondern auch, ob und falls ja inwieweit die parallelen Bestimmungen der SRMVO die Auslegung des § 54a KWG beeinflussen. Im Ergebnis greifen hier aufgrund der insoweit bestehenden inhaltlichen Parallelität von SAG und SRM-VO dieselben Argumente, wie sie in Bezug auf das SAG dargelegt wurden495 und es muss in Bezug auf § 54a KWG auch an dieser Stelle eine strafrechtsautonome Begriffsbestimmung der Bestandsgefahr befürwortet werden. c) Zwischenergebnis Der Begriff der Bestandsgefährdung in § 54a KWG hängt derzeit gewissermaßen in der Luft. Der ursprünglich vom Gesetzgeber gewählte Bezugspunkt in §§ 48b, 48o KWG a.F., der seinerseits bereits zahlreiche Probleme aufwarf, wurde nur ein Jahr nach Einführung des § 54a KWG gestrichen. Nunmehr im SAG enthaltene Begriffsbestimmungen sind nicht deckungsgleich mit denen, die vormals im KWG verankert waren, und zudem nicht Ausdruck einer freien Entscheidung des nationalen Gesetzgebers. Gleiches gilt für die seit Januar 2016 in Kraft befindlichen Anhaltspunkte in der SRM-VO. Für § 54a KWG folgt hieraus, dass die Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung unter Berücksichtigung der vormals in §§ 48b, 48o KWG a.F. niedergelegten Kriterien und insoweit strafrechtsautonom zu erfolgen hat. Das damit verbundene Auseinanderdriften von Strafrecht und Regulierungsrecht 493 494 495

BT-Drs. 18/5009 S. 62. So auch Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2264. s. o. S. 274 ff.

C. Tatbestand

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ist mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung und gegebenenfalls auch die Vorhersehbarkeit strafbewehrten Verhaltens misslich. Es ist aber Ausdruck der Relativität der Rechtsbegriffe496 und im Kern Resultat zweier Elemente, deren Zusammenspiel offensichtlich Schwierigkeiten bereitet: Ein nationaler, stark verwaltungsakzessorisch ausgestalteter Straftatbestand trifft auf ein Regulierungsrecht, das derzeit einem tiefgreifenden Reformprozess ausgesetzt ist und immer stärker europäisiert wird. Die Schwierigkeiten dieser Konstellation traten bereits bei § 54a Abs. 3 KWG und der Zuständigkeitsverteilung unter Geltung des SSM deutlich zu Tage.497 Sie wiederholen sich in ganz ähnlicher Weise in Bezug auf das Merkmal der Bestandsgefährdung. Ob die stark verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des § 54a KWG angesichts des derzeit stattfindenden Strukturwandels im Bereich der Bankenregulierung als ein grundlegender Konzeptionsfehler des § 54a KWG gelten muss, soll an späterer Stelle noch erörtert werden. 2. § 54a KWG zwischen abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt? Die dogmatische Einordnung des § 54a KWG als konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt bereitet Schwierigkeiten. Der Tatbestand verlangt mit der Bestandsgefahr das Vorliegen einer konkreten Gefahr [a)]. Obwohl der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien von § 54a KWG als einem abstrakten Gefährdungsdelikt spricht [b)] und teilweise in ihm eine beispiellose Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt gesehen wird [c)], ist § 54a KWG im Ergebnis ein rein konkretes Gefährdungsdelikt [d)]. Mit dem Erfordernis eines (Gefährdungs-)Erfolges gehen Schwierigkeiten einher, welche sich in ähnlicher Weise auch im Rahmen des § 266 StGB und des § 283 Abs. 2 StGB stellen [e)]. a) Bestandsgefahr als konkrete Gefahr Die Bestandsgefahr ist – anders als eine aus der Bestandsgefahr gegebenenfalls resultierende Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems – Tatbestandsmerkmal des § 54a KWG. Unter einer Bestandsgefahr im Sinne des § 54a KWG ist die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen zu verstehen. § 54a KWG verlangt insoweit den Eintritt eines konkreten Gefahrenerfolges.498 Nichtsdestotrotz ist in den Gesetzesmaterialien von § 54a KWG als abstraktes Gefährdungsdelikt die Rede.499 496 Hierzu im Kontext des Postulats von der Einheit der Rechtsordnung Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 296 ff. 497 s. o. S. 228 ff. 498 Dies betonen auch DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868; Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 847, 850; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204; Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 3. 499 Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44.

282

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Diese angesichts des Erfordernisses einer Bestandsgefahr auf erste Sicht erstaunliche dogmatische Einordnung bedarf näherer Betrachtung. b) § 54a KWG als abstraktes Gefährdungsdelikt laut Gesetzgeber In den Gesetzesmaterialien äußert sich der Gesetzgeber recht undurchsichtig zur Deliktsstruktur des § 54a KWG. Er betont zunächst, dass die Wahrung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements nicht nur der Sicherung der angetrauten Vermögenswerte und der ordnungsgemäßen Durchführung der Bank- und Versicherungsgeschäfte und Finanzdienstleistungen, sondern auch der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft durch Missstände im Kredit-, Finanzdienstleistungs- und Versicherungswesen diene, und führt dann – nach einem klarstellenden Hinweis, strafbar sei die Verletzung wesentlicher Risikomanagementpflichten nur im Fall des Eintritts einer Unternehmenskrise – aus, es handele sich bei dem Straftatbestand insoweit um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.500 Wenn der Gesetzgeber damit lediglich auf den eingeschobenen Hinweis und damit die Unternehmenskrise Bezug nehmen wollte, ist seine Auffassung unzutreffend, denn wie dargelegt stellt der Eintritt der Unternehmenskrise, das heißt die Bestandsgefahr, eine konkrete Gefahr dar. Falls, was naheliegt, die Einordnung als insoweit abstraktes Gefährdungsdelikt auf die zuvor genannten überindividuellen Schutzgüter wie die Stabilität des Finanzsystems abzielen sollte, begegnet allerdings auch dies durchgreifenden Bedenken. Dabei erweist es sich erneut als misslich, dass der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien eine deutliche Trennung zwischen der Bestands- und einer gegebenenfalls auf ihr aufbauenden Systemgefahr vermissen lässt.501 Eine diesbezüglich saubere Trennung wäre auch für die Einordnung des § 54a KWG als abstraktes oder konkretes Gefährdungsdelikt hilfreich gewesen. Die mangelnde Präzision bezüglich der Unterscheidung von Bestands- und Systemgefahr vermag allenfalls zu erklären, nicht aber zu rechtfertigen, weshalb der Gesetzgeber von § 54a KWG als einem abstrakten Gefährdungsdelikt spricht. Abstrakte Gefährdungsdelikte sind solche, bei denen ein typischerweise gefährliches Verhalten als solches unter Strafe gestellt wird, ohne dass im konkreten Fall ein Gefährdungserfolg eingetreten zu sein braucht. Die Verhütung konkreter Gefahren und Verletzungen ist also nur gesetzgeberisches Motiv, ohne dass deren Vorliegen Tatbestandsvoraussetzung wäre.502 Da der Tatbestand des § 54a KWG aber stets eine konkrete Bestandsgefahr fordert, sind Zweifel an einer Einordnung als rein abstraktem Gefährdungsdelikt angezeigt. Der Tatbestand abstrakter Gefährdungsdelikte verlangt im Unterschied zu konkreten Gefährdungsdelikten gerade nicht den 500

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Hervorhebung durch den Verf. s. bereits oben S. 177. 502 BGHSt 26, 121, 123; 43, 8, 12; Roxin, AT I, § 11 Rn. 153; Jescheck/Weigend, AT, § 26 II 2. m.w.N. 501

C. Tatbestand

283

Eintritt einer Gefahr, sondern beschreibt ein bloßes Tun, das aber deshalb bestraft wird, weil es leicht eine konkrete Gefahr auslösen kann. Die Gefährlichkeit ist insoweit nicht Merkmal des Tatbestandes, sondern gesetzgeberischer Grund der Strafdrohung. Vom konkreten Gefahrenerfolg in Form der Bestandsgefährdung könnte im Rahmen des § 54a KWG allerdings eine abstrakte Gefahr etwa für die Stabilität des Finanzsystems und/oder die Gesamtwirtschaft ausgehen, was eine Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt naheliegend erscheinen lässt. c) § 54a KWG als Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt? In ersten Stellungnahmen503 hieß es, bei § 54a KWG handele es sich um „eine im bisherigen Rechtssystem beispiellose Kombination aus konkretem (bezogen auf das eigene Institut des Täters) und abstraktem (bezogen auf das – globale? – Finanzsystem) Gefährdungsdelikt“. Erst in einer mit der Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts ausgelösten Beeinträchtigung des gesamten Finanzsystems läge gegebenenfalls eine abstrakte Gefahr. Die vom Gesetzgeber durch den Einschub „insoweit“ vorgenommene Trennung zwischen einer konkreten Gefahr (der Bestandsgefahr) und einer abstrakten Gefahr (wie der Systemgefahr) wird auch im Schrifttum teilweise vorgenommen: Zwar setze die Bestandsgefährdung einen konkreten Gefahrerfolg voraus, vor dem Hintergrund der überindividuellen Schutzgüter sei § 54a KWG aber als abstraktes Gefährdungsdelikt einzuordnen.504 In der Anknüpfung an die Bestandsgefahr als konkreter Gefahr und der gleichzeitigen Auffassung des Gesetzgebers, § 54a KWG sei ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wird dabei kein Widerspruch gesehen, denn bei der Qualifizierung als Erfolgsdelikt oder als Gefährdungsdelikt handele es sich um unterschiedliche Bewertungsebenen: Ersteres beziehe sich auf den Tatbestand, zweiteres auf das geschützte Rechtsgut.505 Auch abstrakte Gefährdungsdelikte könnten als Erfolgsdelikte eingestuft werden, sofern die abstrakte Gefährlichkeit für das geschützte Rechtsgut an den Eintritt eines bestimmten Außenwelterfolges anknüpfe.506 Der Kritik, es handele sich bei § 54a KWG um eine im bisherigen Rechtssystem beispiellose Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt, wird dabei unter Verweis auf eine vergleichbare dogmatische Konstruktion des § 306a Abs. 1 StGB widersprochen.507

503 504 505 506 507

DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868. Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204. Vgl. Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 3. Vgl. S/S-Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 130. Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204 Fn. 34.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

An anderer Stelle hingegen wird die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, es handele sich „insoweit“ um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, angegriffen. Ein Strafgesetz könne nur insgesamt entweder ein abstraktes Gefährdungsdelikt sein oder ein Erfolgsdelikt. Die in der Gesetzesbegründung vorzufindende Formulierung sei „unsinnig“. Angesichts der Aufnahme der Bestandsgefährdung in den Tatbestand handele es sich unbestreitbar um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Dass die Tathandlung isoliert gesehen abstrakte Gefährdungen formuliere, sei richtig, aber belanglos, da etwa auch der Tatbestand des Betrugs – isoliert analysiert – eine abstrakte Gefährdung beschreibe: Es sei abstrakt gefährlich, andere zu täuschen.508 d) § 54a KWG als rein konkretes Gefährdungsdelikt Einigkeit herrscht zunächst also nur darüber, dass der Tatbestand mit dem Merkmal der Bestandsgefährdung einen konkreten Gefahrenerfolg verlangt. Damit liegt prima facie die Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes nahe. Fraglich ist allerdings, ob eine mit der Bestandsgefahr möglicherweise einhergehende abstrakte Gefahr etwa für die Stabilität des Finanzsystems und/oder die Gesamtwirtschaft den Aspekt der konkreten Gefahr hinsichtlich des Bestands des Instituts verdrängt oder ergänzt oder ob eine solche abstrakte Gefahr für die dogmatische Einordnung des § 54a KWG irrelevant ist. Dies und damit die Frage, ob man § 54a KWG als rein konkretes, rein abstraktes Gefährdungsdelikt oder aber als eine Kombination aus beidem erachtet, ist in erster Linie eine Frage des eingenommenen Blickwinkels und des der Norm zugeschriebenen Zwecks. Legt man den Fokus nicht auf die Bestandsgefahr, sondern auf die Stabilität des Finanzsystems, die wenigstens abstrakt gefährdet ist, wenn ein systemrelevantes Institut konkret in seinem Bestand gefährdet ist, erscheint die konkrete Gefahr nur als ein notwendiges Element auf dem Weg zur entscheidenden abstrakten Gefahr. Dann drängt sich eine Einordnung des § 54a KWG als Kombination aus abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt auf.509 Die Spaltung zwischen der konkreten tatbestandlich geforderten (Bestands-)Gefahr und den aus ihr resultierenden abstrakten Gefahren ist dann zwar in der Sache zutreffend, sie führt aber in dogmatischer Hinsicht trotzdem nicht zu einer Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt. Vielmehr handelt es sich bei dieser Sichtweise bei § 54a KWG um ein rein abstraktes Gefährdungsdelikt – freilich mit der Besonderheit, dass es seinem Tatbestand nach einen Erfolg fordert, der in einer konkreten Gefahr liegt.510

508

Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 674. Vgl. Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 44. 510 So wohl auch Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 1, 3 und MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 5, der allein den Zweck der Stabilität des Finanzsystems als Ganzes als durch § 54a KWG bezweckt ansieht. 509

C. Tatbestand

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Dass abstrakte Gefährdungsdelikte an einen tatbestandlichen Erfolg anknüpfen, ist entgegen teilweise geäußerter Kritik auch nicht beispiellos.511 So knüpft etwa das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 306a Abs. 1 StGB512 an einen konkreten Außenwelterfolg an, der sogar in einer Verletzung und nicht nur in einer konkreten Gefahr liegt (Inbrandsetzung oder ganze oder teilweise Zerstörung durch Brandlegung).513 Ähnlich knüpft der ebenfalls gemeinhin als abstraktes Gefährdungsdelikt eingeordnete § 323a StGB in seinem Tatbestand an einen Erfolg in Form des Rausches an.514 Beispiellos wäre daher allenfalls, dass ein abstraktes Gefährdungsdelikt seinem Tatbestand nach lediglich eine konkrete Gefahr voraussetzt. Dies ist aber eine in dogmatischer Hinsicht mögliche und mit der Unterscheidung konkreter und abstrakter Gefährdungsdelikte vereinbare Konstruktion, denn dogmatisch gesehen läge trotzdem einzig ein abstraktes Gefährdungsdelikt vor. Auch § 54a KWG könnte daher ungeachtet dessen, dass sein Tatbestand einen konkreten Gefahrenerfolg in Form der Bestandsgefährdung verlangt, ein abstraktes Gefährdungsdelikt sein. Damit würde auch den teilweise vorgetragenen mahnenden Worten Rechnung getragen, ein Strafgesetz könne nur insgesamt entweder ein abstraktes Gefährdungsdelikt oder ein Erfolgsdelikt sein.515 Legt man den Fokus hingegen auf die vom Tatbestand geforderte Bestandsgefahr und lehnt man, wie hier vertreten, eine Reduktion des Tatbestandes auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute ab516 und erachtet die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft daher nicht als einzige oder jedenfalls primär geschützte Rechtsgüter517, so ist eine an die konkrete Bestandsgefahr anknüpfende abstrakte Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems eine zwar mögliche, aber keineswegs zwingende Folge der Fälle, die dem Tatbestand des § 54a KWG unterfallen. Eine abstrakte Gefahr etwa für das Finanzsystem ist dann in den tatbestandlichen Fällen keinesfalls vorgezeichnet. Eine solche ist nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, da die Mehrzahl der Institute im Falle ihrer Bestandsgefahr die Stabilität des Finanzsystems nicht beeinflussen kann, weil sie fern einer Systemrelevanz liegt. Vergegenwärtigt man sich noch einmal, was den Charakter eines abstrakten Gefährdungsdeliktes ausmacht, dann muss bei dieser Sichtweise sowohl eine Einordnung des § 54a KWG als rein abstraktes Gefährdungsdelikt, als auch eine Einordnung als Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt ausscheiden. Denn der Tatbestand abstrakter Gefährdungsdelikte verlangt nicht den Eintritt einer Gefahr, sondern beschreibt ein bloßes Tun, das aber deshalb bestraft wird, weil 511

So aber DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868. Fischer, § 306a Rn. 1. 513 Zutreffender Verweis auf die dogmatische Verwandtschaft insoweit durch Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204 Fn. 34. 514 Hierzu BeckOK-StGB-Dallmeyer, § 323a Rn. 2. 515 Mahnend etwa Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 674. 516 s. o. S. 174 ff. 517 Zum durch § 54a KWG im Falle einer Tatbestandsverwirklichung bewirkten Rechtsgüterschutz noch unten S. 311 ff. 512

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

es typischerweise oder wenigstens leicht eine konkrete Gefahr auslösen kann. Stellen abstrakte Gefährdungsdelikte aber typischerweise gefährliche Handlungen unter Strafe, dann kann von einem abstrakten Gefährdungsdelikt nicht die Rede sein, wenn in einer Vielzahl der Fälle aufgrund der Beschaffenheit des Instituts abstrakte Gefahren für das Finanzsystem als Ganzes und die Gesamtwirtschaft von vornherein ausscheiden. Dies ist aber der Fall, wenn man – wie hier vertreten – § 54a KWG nicht auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute reduziert. Bei dieser Sichtweise muss § 54a KWG konsequenterweise als rein konkretes Gefährdungsdelikt eingestuft werden.518 Dass im Einzelfall die konkrete Gefahr zu abstrakten Gefahren führen kann, vermag an dieser dogmatischen Einordnung nichts zu ändern. e) § 54a KWG als (Gefährdungs-)Erfolgsdelikt Die Tatsache, dass für § 54a KWG stets ein konkreter Gefahrenerfolg in Form einer Bestandsgefährdung erforderlich ist, wirft neben der vorstehend behandelten dogmatischen Einordnung eine weitere Frage auf. Führt man sich noch einmal die Schwierigkeiten vor Augen, die mit der Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung und der Feststellung einer solchen verbunden sind519, dann fragt es sich, ob durch § 54a KWG und seine Anknüpfung an die Bestandsgefährdung im Vergleich zu § 266 StGB oder auch § 283 Abs. 2 StGB überhaupt etwas gewonnen wurde im Sinne einer vereinfachten Feststellung des Taterfolges. Die Feststellung einer Bestandsgefährdung im Sinne des § 54a KWG mutet im Ergebnis kaum minder kompliziert an als die Feststellung einer Unternehmenskrise im Sinne des § 283 Abs. 2 StGB oder die Feststellung eines Vermögensnachteils im Rahmen des § 266 StGB.520 Die Ursache hierfür liegt darin, dass der Tatbestand des § 54a KWG einen nur schwer fassbaren konkreten Gefahrenerfolg verlangt und sich nicht in der Umschreibung eines pönalisierten Verhaltens ohne konkreten Außenwelterfolg erschöpft. Damit aber hat sich der Gesetzgeber, was die Deliktsstruktur betrifft, nicht wesentlich entfernt von der Untreue als Verletzungsdelikt oder auch von § 283 Abs. 2 StGB. Dies wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sowohl Verletzungsdelikte als auch konkrete Gefährdungsdelikte Erfolgsdelikte darstellen.521

518 So zumindest im Ergebnis auch die Einordnung durch Volk, in: FS Schiller, 2014, S. 672, 674; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 2, sowie Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 127. 519 Hierzu im Einzelnen oben S. 263 ff. 520 Eine Erleichterung gegenüber § 266 StGB vermag auch Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 156, insoweit nicht zu erkennen. Zur Schwierigkeit der Feststellung eines Vermögensschadens i.R.d. § 266 StGB oben S. 101 ff., zum Vorliegen einer Unternehmenskrise i.S.d. § 283 Abs. 2 StGB oben S. 138 ff. 521 Statt vieler Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 32. A.A. etwa Koriath, GA 2001, 51, 58 ff., der seine Auffassung aber selbst als „offenbar hoffnungslose Mindermeinung“ ansieht.

C. Tatbestand

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Der Gesetzgeber hat durch die Aufnahme der Bestandsgefährdung in den Tatbestand die Grenze zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat markieren wollen, schafft dadurch aber eine Deliktsstruktur, welche erhebliche praktische Schwierigkeiten mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur die Feststellung des Eintritts des Taterfolges, sondern – das wird noch aufzuzeigen sein – auch dessen kausale und vorsätzliche Herbeiführung. Ob angesichts dieser Schwierigkeiten unter Verzicht auf einen Taterfolg die Schaffung eines abstrakten Gefährdungsdeliktes vorzugswürdig wäre, wird im abschließenden Kapitel 3 dieser Arbeit noch zu untersuchen sein. f) Zwischenergebnis § 54a KWG ist ein konkretes Gefährdungsdelikt. Konkret gefährdet sein muss der Bestand des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts. Damit einher geht stets eine konkrete Gefahr für das angetraute Vermögen. Dass die Erfüllung eines Straftatbestandes in Form eines Verletzungsdeliktes oder, wie bei § 54a KWG, eines konkreten Gefährdungsdeliktes über diesen Erfolg hinaus auch noch (aber nicht regelmäßig) eine abstrakte Gefährlichkeit für andere Rechtsgüter darstellen kann, ist nicht ungewöhnlich und vermag an der dogmatischen Einordnung als konkretes Gefährdungsdelikt nichts zu ändern. Eine Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt wäre nur dann zutreffend, müsste § 54a KWG auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute reduziert werden. Mit der Bestandsgefahr gegebenenfalls einhergehende (abstrakte) Gefährdungen etwa der Stabilität des Finanzsystems sind alleine im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Angesichts des schwer feststellbaren Erfordernisses der Bestandsgefahr drängt sich allerdings die Frage auf, ob eine Ausgestaltung des § 54a KWG unter Verzicht auf einen Taterfolg vorzugswürdig gewesen wäre.

IV. Kausalzusammenhang zwischen Tatverhalten und Taterfolg Für den Eintritt des Gefährdungserfolges muss das Tatverhalten kausal sein. Wie dargelegt, sind sowohl in § 54a Abs. 1 KWG als auch in § 54a Abs. 3 KWG Tatbestandsmerkmale normiert.522 Erst beide Absätze zusammen umschreiben das Tatverhalten. Durch dieses muss der in beiden Absätzen einheitlich umschriebene Gefährdungserfolg der Bestandsgefährdung bewirkt werden. Dem Wortlaut nach sind dabei zwei Kausalbeziehungen523 erforderlich: Eine zwischen dem Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und der Bestandsgefährdung (§ 54a Abs. 1 KWG) sowie eine weitere zwischen der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der

522

Zu § 54a Abs. 3 KWG als Element des Tatbestandes oben S. 202 f. Zur generellen Schwierigkeit, bei Unterlassungsdelikten von Kausalität zu sprechen, Roxin, AT II, § 31 Rn. 37 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 59 III 2. f. 523

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

BaFin und der Bestandsgefährdung (§ 54a Abs. 3 KWG). Beide Verhaltensweisen müssen nach dem Wortlaut die Bestandsgefährdung „herbeiführen“.524 Zunächst soll auf die Anforderungen [1.], sodann auf die Nachweisbarkeit beider Kausalbeziehungen [2.] eingegangen werden. Angesichts der dabei zu Tage tretenden Schwierigkeiten ist über mögliche Erleichterungen des Kausalitätsnachweises nachzudenken [3.]. Abschließend soll näher auf das Verhältnis der beiden Kausalitätsbeziehungen zueinander eingegangen werden [4.]. 1. Anforderungen an die Kausalität nach § 54a Abs. 1 und Abs. 3 KWG Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Unterlassen dann ursächlich für den tatbestandlichen Erfolg, wenn die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass damit der tatbestandsmäßige Erfolg entfiele.525 Allerdings steht der Bejahung der Ursächlichkeit die bloße gedankliche Möglichkeit eines gleichen Erfolgs auch bei Vornahme der gebotenen Handlung nicht entgegen, vielmehr muss sich die Möglichkeit des Eintritts des gleichen Erfolges selbst bei Vornahme der gebotenen Handlung so verdichten, dass die Überzeugung vom Gegenteil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise ausgeschlossen ist.526 Für § 54a Abs. 1 KWG bedeutet dies, dass das Gericht beurteilen muss, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditinstitutes bei pflichtgemäßem Risikomanagement mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entwickelt hätten.527 Ist nicht auszuschließen, dass die Bestandsgefährdung aus anderen Gründen eingetreten ist, sprich auch ein den gesetzlichen Vorgaben genügendes Risikomanagement sie nicht vermieden hätte, scheidet eine Strafbarkeit aus. Für § 54a Abs. 3 KWG bedeutet das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs, dass gefragt werden muss, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditinstitutes bei Befolgung der Anordnung der BaFin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entwickelt hätten. Ist nicht auszuschließen, dass die Bestandsgefährdung auch eingetreten wäre, wenn man die aufsichtsbehördliche Anordnung befolgt hätte, scheidet eine Strafbarkeit ebenfalls aus, denn dann mangelt es an der von § 54a Abs. 3 KWG geforderten Kausalität zwischen dem Unterlassen der Umsetzung der Anordnung (sprich der Zuwiderhandlung gegen selbige) und dem 524

Zu Recht weist Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 48, darauf hin, dass die Formulierung in Abs. 3 dem Tempus nach misslungen ist, wenn es dort heißt, dass der Täter der Anordnung zuwiderhandelt und dadurch die Bestandsgefährdung „herbeigeführt hat“. Denn die Herbeiführung der Bestandsgefährdung muss der Zuwiderhandlung zeitlich nachfolgen. 525 RGSt 63, 392, 393; 75, 49, 50; BGHSt 6, 1, 2; 37, 106, 126. 526 BGHSt 11, 1, 3 ff. Entsprechende Formulierungen finden sich etwa in BGHSt 43, 381, 397; BGH NJW 2010, 1087, 1091 m.w.N. 527 Kasiske, ZIS 2013, 257, 262; s.a. Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 851; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 103; Schröder, WM 2014, 100, 105; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204.

C. Tatbestand

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Eintritt der Bestandsgefährdung. Zwar reicht es zur Bejahung der Kausalität aus, dass bei mehreren Defiziten im Risikomanagementsystem dasjenige, dessen Beseitigung durch die Anordnung aufgegeben wurde, mitursächlich für die Bestandsgefährdung war.528 Am Kausalzusammenhang nach § 54a Abs. 3 KWG wird es aber regelmäßig fehlen, wenn die Anordnung zu einem Zeitpunkt ergeht, in dem die Bank bereits kurz vor der Bestandsgefährdung steht.529 Dies dürfte nicht selten der Fall sein.530 An dieser Stelle erweist sich die Zwischenschaltung einer behördlichen Anordnung als zweischneidiges Schwert. Ihr Erlass bedeutet zunächst einmal das Aufzeigen einer roten Linie. Sie führt dem Adressaten klar vor Augen, dass nach Auffassung der Aufsichtsbehörde ein Defizit im Risikomanagement und für ihn persönlich ein Strafbarkeitsrisiko mit Blick auf § 54a KWG besteht. Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und zur Vermeidung einer unnötigen Belastung des Dialogs mit den Banken ist davon auszugehen, dass die BaFin nicht vorschnell zu einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG greifen wird.531 Angesichts der nach § 54a Abs. 3 KWG nötigen Kausalbeziehung zwischen der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung einerseits und der Bestandsgefahr andererseits sollte die BaFin aber auch nicht zu lange warten, bis sie eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG erlässt. Wenn eine Bestandsgefährdung nämlich schon unmittelbar bevorsteht, wird die Nichtbefolgung der Anordnung regelmäßig nicht mehr kausal werden für den Eintritt der Bestandsgefährdung. Die Mitarbeiter der BaFin müssen sich daher nicht nur fragen, ob sie überhaupt zum Mittel einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG greifen, sondern sollten sich für den Fall, dass sie es tun, auch gut überlegen, in welchem Zeitpunkt sie es tun. 2. Nachweisschwierigkeiten derart mittelbarer Kausalbeziehungen Mag die Kausalität zwischen Tatverhalten und Bestandsgefährdung in der Theorie denkbar sein – in der Praxis wird man sie kaum je nachweisen können.532 Der Kausalitätsnachweis wird zu Recht als die Achillesferse des § 54a KWG bezeichnet, denn häufig wird sich im Nachhinein nicht klären lassen, ob die Prozesse, Strategien etc. des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG bei ordnungsgemäßer Implementierung 528

Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 851. Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 851. 530 Vgl. Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 124. 531 Zu alternativen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen noch unten S. 332 ff. 532 So die wohl einhellige Meinung im Schrifttum, s. Kasiske, ZIS 2013, 257, 262; Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 120; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 271; Schröder, WM 2014, 100, 105; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 204; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 103; Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 343; Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 679; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 123 f.; Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 89 f.; Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 16; Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 51; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 16; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 32. 529

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

den Eintritt der Bestandsgefährdung verhindert hätten oder ob die Bestandsgefährdung gleichwohl, etwa aufgrund geschickt gewählter Umgehungsstrategien, eingetreten wäre.533 Der naheliegende Schluss vom Eintritt der Bestandsgefahr auf Mängel im Risikomanagementsystem verbietet sich, denn auch im Falle des Vorhandenseins eines ordnungsgemäßen Risikomanagementsystems ist der Eintritt einer bestandsgefährdenden Situation nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Bestandsgefährdung kann vielmehr auch das Ergebnis von Risiken sein, die von den Warnmechanismen eines ordnungsgemäßen Risikomanagementsystems nicht erfasst werden konnten.534 Auch ist denkbar, dass alternativ zu Gebote stehende (ordnungsgemäße) Handlungsoptionen die Bestandsgefährdung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätten – sichere Aussagen sind hier kaum je möglich.535 Dies birgt die Gefahr von Rückschaufehlern, der man auch an dieser Stelle nicht erliegen darf.536 Nur weil ein Institut in eine Bestandsgefahr geraten ist, muss das Risikomanagement nicht unzureichend gewesen sein. Und selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass dieser Mangel kausal war für den Eintritt der Bestandsgefahr. Ein nur zeitliches Zusammentreffen von Verstößen gegen Risikomanagementvorgaben und einer Krisenentstehung reicht für die Annahme einer Kausalitätsbeziehung jedenfalls nicht. Der Kausalitätsnachweis bedarf also in jedem Fall einer genauen Prüfung. Vor allem aufgrund der zeitlichen Verzögerung der Marktmechanismen und der grundlegenden Komplexität der Ursachen und Gründe für eine Bestandsgefährdung ist der Kausalitätsnachweis aber – wenn überhaupt – nur sehr schwer zu führen.537 Das Nachzeichnen von Kausalitätsstrukturen ist im Finanzsektor besonders schwierig, weil Vorgänge im Finanzsektor keinen naturgesetzlichen Abläufen unterliegen. Auch der Rückgriff auf frühere Erfahrungen ist nur sehr begrenzt hilfreich. Das Geschehen auf den Finanzmärkten ist das Ergebnis des Handelns einer Vielzahl von Menschen und deshalb nicht unter experimentellen Bedingungen wiederholbar.538 Alternative Geschehensabläufe sind ebenso wenig erprobbar wie es einen Beleg dafür gibt, dass sich Wirkungen unter gleichen Bedingungen wiederholen, denn die Marktteilnehmer beziehen auch ihre persönlichen Erfahrungen in ihr zukünftiges Handeln ein.539 Kurz: Die Gemengelage von verschiedenem individuellem

533

So ausdrücklich Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 152. Kasiske, ZIS 2013, 257, 262. 535 Vgl. Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 123; zustimmend Beck/Samm/KokemoorWegner, KWG, § 54a Rn. 17. 536 Zu Recht warnend insoweit Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 54; Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 131 m.w.N. 537 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme. 538 Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 72. 539 Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 72. 534

C. Tatbestand

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(Fehl-)Verhalten und sich ändernden makroökonomischen Rahmenbedingungen erschwert den Kausalitätsnachweis erheblich.540 Die Schwierigkeiten des gerichtsfesten Nachweises eines Zusammenhangs zwischen dem Tatverhalten und dem Taterfolg finden bezogen auf § 54a KWG ihren tieferen Grund in der Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben. Schröder bemerkte diesbezüglich zu Recht, die Formulierung „und hierdurch eine Bestandsgefährdung herbeiführt“ in § 54a Abs. 1 KWG sei „unglücklich“ gewählt worden, sie „irritiere“, weil die Bestandsgefährdung nicht durch das Unterlassen eines gebotenen Risikomanagements herbeigeführt werden könne. Ursächlich seien immer nur die Risikogeschäfte, die Gegenstand des Risikomanagements sind.541 Die von Schröder als unglücklich bezeichnete Formulierung führt zum Ursprung der bei § 54a KWG bestehenden Nachweisschwierigkeiten im Bereich der Kausalität. Sie sind Ausfluss eines tiefer liegenden Problems. Dieses liegt in der Anknüpfung des Tatverhaltens an Versäumnisse im Bereich des Risikomanagements. Denn mit Blick auf den Taterfolg einer späteren Bestandsgefährdung ist die konkrete Geschäftstätigkeit ungleich erfolgsnäher als es Versäumnisse im Risikomanagement sind. Letztere befinden sich – vom Erfolg der Bestandsgefährdung aus gesehen – auf einer entfernteren, gleichsam abstrakteren Ebene als die eigentliche Geschäftstätigkeit. Bei § 54a KWG wird also nicht die unmittelbare Verletzungshandlung zum Anlass der Sanktion, sondern das Unterlassen von Vorkehrungen, die eine solche Rechtsgutsverletzung verhindert hätten.542 In den Zurechnungszusammenhang zwischen der Verletzung von Risikomanagementpflichten und der Bestandsgefährdung sind notwendigerweise die Risikogeschäfte, sprich ist die konkrete Geschäftstätigkeit einzufügen. Das aber heißt, dass die Verletzung von Risikomanagementvorgaben nur dann für eine später eintretende Bestandsgefährdung kausal ist, wenn die Risikogeschäfte, aus denen die Bestandsgefährdung unmittelbar hervorgeht, im Falle eines ordnungsgemäßen Risikomanagements so nicht vorgenommen worden wären. Die Anknüpfung an die gegenüber der konkreten Geschäftstätigkeit gleichsam abstraktere Ebene der Geschäftsorganisation ist insoweit Türöffner für zahlreiche Störfaktoren auf dem Weg zum Nachweis einer Kausalbeziehung. Aus dem Umstand, dass unmittelbar ursächlich für den Eintritt einer Bestandsgefährdung regelmäßig nicht ein defizitäres Risikomanagementsystem ist, sondern dass unmittelbar ursächlich einzelne Geschäftsvorgänge wie Spekulationsgeschäfte sind, wurde teilweise abgeleitet, § 54a KWG leide mit der Anknüpfung an Verstöße im Bereich des Risikomanagements an einem „grundlegenden Konzeptionsfeh540

Ähnlich Kasiske, ZIS 2013, 257, 262. Schröder, WM 2014, 100, 105; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014x. Hierauf hinweisend auch schon Kasiske, ZIS 2013, 257, 262. 542 Vgl. Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 115. 541

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

ler“543. Ob dem in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann, soll einem späteren Abschnitt vorbehalten sein. Jedenfalls ist die Verknüpfung von Verstößen im Bereich des Risikomanagements mit einem tatbestandlichen Erfolg in Form einer Bestandsgefahr unter Kausalitätsgesichtspunkten in der Praxis misslich. Die Normierung der Vorsatz-Fahrlässigkeitsvariante in § 54a Abs. 2 KWG lindert diese Schwierigkeiten nicht, weil auch sie den Nachweis einer Kausalbeziehung zwischen Tatverhalten und Bestandsgefährdung verlangt. Im Ergebnis wird nicht nur für den Nachweis einer Bestandsgefahr, sondern vor allem auch für dessen kausale Herbeiführung durch das Tatverhalten eine Hinzuziehung von Sachverständigen unverzichtbar sein.544 Jedenfalls den Kausalzusammenhang dürften auch sie in der Praxis aber kaum je feststellen können. Dieser Befund drängt nachgerade dazu, die Frage nach einer möglichen Erleichterung des Kausalitätsnachweises zu stellen. 3. Erleichterung des Kausalitätsnachweises? Um § 54a KWG doch noch „schneidig anzuwenden“, wird teilweise angedacht, den Beweis der Kausalität zu erleichtern.545 Unter Bemühung der im Bereich der strafrechtlichen Produkthaftung wegweisenden Holzschutzmittel-Entscheidung546 soll man, so der Vorschlag, für § 54a KWG, zu einer Situation gelangen, in der de facto das Unternehmen den „Entschuldigungsbeweis“ zu führen habe.547 Die Heranziehung der Holzschutzmittel-Entscheidung mag für den naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten nicht zugänglichen Finanzmarkt zweifelhaft sein. In der Erleichterung der Anforderungen an den Nachweis der Kausalität liegt ungeachtet dessen aber ein zumindest überdenkenswerter Ansatz. Der praktischen Handhabbarkeit des § 54a KWG wäre es dienlich, wenn man sich vom strengen Erfordernis einer hypothetischen Kausalität nach Maßgabe der Rechtsprechung lösen könnte. Hilfreich könnte insoweit ein Rückgriff auf den Gedanken der Risikoerhöhung sein. Die Grundidee der in der Literatur in verschiedenen Varianten vertretenen Risikoerhöhungslehre ist, dass ein Erfolg bereits dann zurechenbar sein soll, wenn die Verletzung der Sorgfaltspflicht ein Risiko für das Schutzgut erzeugt hat, das gegenüber dem erlaubten Risiko deutlich erhöht ist.548 Überträgt man diesen Gedanken

543 544 545 546 547 548

Kasiske, ZIS 2013, 257, 262. Für Letzteres ebenso Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 271. So Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 679. BGHSt 41, 206 ff. So der Vorschlag von Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 679. Grundlegend Roxin, ZStW 74 (1962), 411, 430 ff.; s.a. ders., AT I, § 11 Rn. 88 ff.

C. Tatbestand

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auf Unterlassungsdelikte549, so soll es ausreichend sein, dass die gebotene Handlung das Risiko des Erfolgseintritts gemindert hätte (Risikoverringerung). Dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre, ist dann nicht erforderlich. Für die Risikoerhöhungsdoktrin wird vorgebracht, dass wenn der Täter das erlaubte Risiko überschreite und dadurch die gerade noch tolerierbare Gefahr weiter erhöhe, er ein im Ganzen schlechthin verbotenes Risiko schaffe und sich dieses insgesamt verbotene Risiko auch verwirkliche, wenn der Erfolg eintrete.550 Die fehlende Teilbarkeit zwischen erlaubtem und unerlaubtem Risiko folge dabei aus dem Schutzzweck der Sorgfaltsnorm.551 Für eine Anwendung des Risikoerhöhungsgedankens selbst im Bereich der Unterlassungsdelikte mag man vorbringen, dass der zur Handlung Verpflichtete gehalten sei, jede reale Chance wahrzunehmen, die den Eintritt des Erfolgs verhindern könnte. Teils heißt es auch, die Zurechnung sei selbst bei einem kumulativen Unterlassen zweier Handlungspflichtiger gegeben – „um der Effektivität der Normen willen“552. Überträgt man den Risikoerhöhungs- bzw. hier Risikoverringerungsgedanken auf die Zurechnung der Bestandsgefährdung im Rahmen des Unterlassungsdelikts des § 54a KWG553, würde es ausreichen, dass die Beachtung der Risikomanagementpflichten bzw. die Befolgung der Anordnung der BaFin das Risiko des Eintritts der Bestandsgefährdung gemindert hätte. Dies nachzuweisen dürfte deutlich leichter fallen als der Nachweis, dass die Bestandsgefährdung bei einem ordnungsgemäßen Risikomanagement mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre. Für § 54a KWG würde das Abstellen auf den Risikoverringerungsgedanken aber bedeuten, seinen Charakter als konkretes Gefährdungsdelikt554 zu verwässern. Das Vorhalten ausreichender Risikomanagementmaßnahmen dient schließlich schon seiner Natur nach der Verringerung des Risikos einer Bestandsgefahr. § 54a KWG erhielte bei Zugrundelegung dieses Ansatzes Züge eines abstrakten Gefährdungsdeliktes, weil es für die Zurechnung des Erfolgs der Bestandsgefährdung ausreichen würde, dass ein mit Blick auf den Bestand des Instituts abstrakt gefährliches Verhalten das Risiko des Eintritts einer Bestandsgefährdung erhöht hätte. Dies zumindest plausibel darzulegen dürfte durchaus gelingen.

549 Für eine Übertragung der Risikoerhöhungsdoktrin auf Unterlassungsdelikte etwa Brammsen, MDR 1989, 123, 126 f.; Otto, JURA 2001, 275, 277; SK-StGB-Rudolphi/Stein, vor § 13 Rn. 32; Stratenwerth, in: FS Gallas 1973, S. 227, 238 f.; Puppe, ZStW 92 (1980), 863, 906 f. Ebenso, aber nur für Fälle, in denen bei einer Beurteilung ex post eine Risikominderung eingetreten wäre, Roxin, AT II, § 31 Rn. 54 ff. 550 Roxin, AT I, § 11 Rn. 90. 551 Roxin, AT I, § 11 Rn. 91. 552 Puppe, ZStW 92 (1980), 863, 907. 553 Zur Einordnung als Unterlassungsdelikt oben S. 195, 262. 554 Zu dieser Einordnung oben S. 281 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Um eine solche rein abstrakte Gefährlichkeit nicht zu pönalisieren und die Kausalitätsbeziehung nicht vollends gegenstandslos zu machen, könnte man, wie teilweise von Befürwortern des Risikoerhöhungsgedankens vorgeschlagen, die Zurechnung des Erfolgs auf die Fälle beschränken, in denen sich bei einer Beurteilung ex post herausstellt, dass das gebotene Verhalten tatsächlich zu einer Risikominderung geführt hätte.555 Eine Strafbarkeit scheidet danach aus, wenn ex post nicht feststeht, dass die gebotene Handlung das Risiko des Erfolgseintritts tatsächlich verringert hätte. Auch wenn diese Position durchaus Gründe für sich haben mag, so würde sie das Problem des Kausalitätsnachweises, wie es bei § 54a KWG existiert, kaum entschärfen. Denn selbst ex post dürfte es in den komplexen Fällen, die für § 54a KWG in Rede stehen, kaum möglich sein, eine tatsächliche Risikominderung bei Vornahme der unterlassenen Risikomanagementmaßnahmen feststellen zu können. Wer vermag schon die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Bestandsgefahr abhängig davon zu beurteilen, ob man diese oder jene Risikomanagementvorgabe eingehalten hätte? Auch hier sind der Etablierung von Zurechnungszusammenhängen aufgrund der abstrakten Anknüpfung an die Ebene des Risikomanagements und der Mittlerfunktion der Geschäftstätigkeit deutliche Grenzen gesetzt. Die Gefahr von Rückschaufehlern liegt auch bei einer solchen Herangehensweise auf der Hand. In der Praxis steht ohnehin nicht zu erwarten, dass Gerichte den Risikoverringerungsgedanken bemühen. Bereits der ihm zugrundeliegende Risikoerhöhungsgedanke für Begehungsdelikte sieht sich seit jeher erheblichen Bedenken ausgesetzt, die an dieser Stelle nicht wiederholt werden müssen.556 Selbst von Vertretern der Risikoerhöhungslehre wird eine Übertragung des Risikoerhöhungsgedankens auf den Bereich der Unterlassungsdelikte, der dann das Etikett der Risikoverringerung trägt, abgelehnt.557 Die Rechtsprechung lehnt ein Abstellen auf den Risikoerhöhungsgedanken insgesamt, das heißt auch im Bereich des Unterlassens, ab.558 Gegen ihn spricht nicht nur schon ganz allgemein die Gefahr, Erfolgs- in Gefährdungsdelikte umzudeuten und den Grundsatz in dubio pro reo auszuhöhlen. Im Besonderen spricht gegen ihn für § 54a KWG, dass der Finanzmarkt ein Risikobereich par excellence ist und der Verzicht auf einen strengen Kausalitätsnachweis das über § 54a KWG eröffnete Feld der Strafbarkeit zu weit ausdehnen würde. Letztlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, in den ihm gesetzten Grenzen über die Reichweite des Strafrechts zu bestimmen. Erachtet er Risikoerhöhungen in einem bestimmten Bereich als per se strafwürdig, so muss er dem durch eine entsprechende Gestaltung der Straftatbestände Rechnung tragen und unter Formulierung abstrakter Gefährdungsdelikte auf einen wie auch immer gearteten Taterfolg verzichten. Ob dies auch 555

So etwa Roxin, AT II, § 31 Rn. 54 ff. Vgl. statt vieler die Darstellung bei MüKo-StGB-Freund, vor § 13 Rn. 310 ff. m.w.N. 557 Ablehnend wenigstens im Hinblick auf Unterlassungsdelikte Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 14a, § 15 Rn. 44; Schünemann, StV 1985, 229, 231 ff.; s.a. Jescheck/Weigend, AT, § 59 III 4. 558 s. BGHSt 11, 1, 7; 37, 106, 127; BGH StV 1985, 229; NJW 2000, 2754, 2757; 2010, 1087, 1091. 556

C. Tatbestand

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für § 54a KWG eine gangbare Alternative darstellen würde, soll am Ende der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Auf Schützenhilfe der Rechtspraxis zur Erleichterung des praktisch nicht zu führenden Kausalitätsnachweises sollte der Gesetzgeber jedenfalls nicht hoffen. 4. Verhältnis der Kausalitätsbeziehungen aus § 54a Abs. 1 und Abs. 3 KWG Neben der Frage der Nachweisbarkeit der geforderten Kausalbeziehungen stellt sich auch die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander. Vor Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG war die Deliktsstruktur des § 54a KWG übersichtlich: Ein (wenn auch zu unbestimmt umschriebenes559) Tatverhalten musste einen Gefährdungserfolg in Form der Bestandsgefahr herbeiführen. Die vom guten Willen der Wahrung des Bestimmtheitsgebotes getragene Einfügung des Absatzes 3 hat das Normgefüge allerdings grundlegend verändert, da kausal für den Gefährdungserfolg nunmehr zwei Verhaltensweisen sein müssen – geregelt in § 54a Abs. 1 und Abs. 3 KWG. Teilweise heißt es, aufgrund des Absatzes 3 werde die Kausalbeziehung aus Absatz 1 nochmals eingegrenzt.560 Andernorts wird weitergehend die Frage aufgeworfen, welche eigenständige Funktion der in § 54a Abs. 1 KWG geregelte Kausalzusammenhang neben demjenigen aus § 54a Abs. 3 KWG überhaupt noch haben solle.561 Dem muss näher nachgegangen werden, denn in der Tat könnte das Kausalitätserfordernis aus § 54a Abs. 1 KWG ein überflüssiges Relikt aus der Entwurfsfassung darstellen, das inzwischen im Kausalitätserfordernis des § 54a Abs. 3 KWG aufgegangen ist.562 Aufschlussreich für die Beantwortung dieser Frage ist eine nähere Betrachtung der in den Absätzen 1 und 3 in Bezug genommenen Handlungspflichten und insbesondere die zeitliche Abfolge ihrer jeweiligen Missachtung. Schon bevor die Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG ergeht, muss der einzelne Geschäftsleiter dafür Sorge tragen, dass die Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG eingehalten werden. Nach hier vertretener Auffassung sind diese Pflichten für die Geschäftsleiter vor Erlass der Anordnung in Abhängigkeit der internen Zuständigkeitsverteilung grundsätzlich unterschiedlich ausgestaltet.563 Die den Geschäftsleiter vor Erhalt einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG treffende Pflicht – sei es eine Handlungspflicht oder aber zunächst lediglich eine Überwachungs- und Kontrollpflicht – wird durch dessen Unterlassen in Form der man-

559

s. ausführlich oben S. 184 ff. Schröder, WM 2014, 100, 105; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014x. 561 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 852 erkennen eine solche ebenso wenig wie Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 3. 562 Hiergegen Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 15, der allerdings letztlich in Rn. 16 auf die „Schnittmenge“ der beiden Kausalbeziehungen abstellt. 563 s. o. S. 260 ff. 560

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

gelnden Sorgetragung verletzt.564 Dieses Unterlassen ist (mit-)ursächlich für einen Mangel im Bereich des Risikomanagements, der sodann über einen gewissen Zeitraum besteht. An diesen Mangel anknüpfend ergeht in der Folge die Anordnung der BaFin.565 In zeitlicher Hinsicht muss also zuerst ein Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und damit ein Mangel im Risikomanagement vorliegen, bevor in der Folge eine auf die Beseitigung dieses Mangels gerichtete aufsichtsbehördliche Anordnung ergeht. Die in der Folge für eine Strafbarkeit nötige Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der BaFin stellt, wie schon der Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG als solcher, ebenfalls ein Unterlassen dar.566 Soweit die Anordnung der BaFin nicht umgesetzt wird, wirkt der ursprünglich bestehende Mangel im Risikomanagement aufgrund des Unterlassens fort. Die Unterschiede zur Situation vor Erlass der Anordnung sind also nicht in einer plötzlich entstehenden Mangelhaftigkeit des Risikomanagements als solcher zu finden, sondern an zwei anderen Stellen. Ein erster Unterschied liegt auf inhaltlicher Ebene und betrifft die konkrete Handlungspflicht: Während vor Erlass der Anordnung eine Handlungspflicht grundsätzlich nur für den ressortverantwortlichen Geschäftsleiter besteht, trifft eine solche spätestens ab Erlass einer Anordnung an einen nicht ressortmäßig zuständigen Geschäftsleiter auch diesen. Für ihn ändert sich mit Erlass der Anordnung also regelmäßig die konkrete Handlungspflicht. Ein zweiter Unterschied betrifft in formaler Hinsicht die Pflichtenquelle: Ob ressortverantwortlich oder nicht, tritt für alle Geschäftsleiter, die Adressat einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG werden, neben die sie stets aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG treffende Pflicht eine gleichsam konkretisierte Pflicht aus der Anordnung als Verwaltungsakt. Aus diesen beiden Unterschieden kann indes kein Argument für eine im Vergleich zu § 54a Abs. 3 KWG eigenständige Bedeutung der in § 54a Abs. 1 KWG normierten Kausalbeziehung hergeleitet werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Mangel im Risikomanagement schon vor der Anordnung bestand und auch nach der Anordnung unverändert fortbesteht. Zwar sind die verletzten Handlungspflichten und ihre Quellen nach Erlass der Anordnung unter Umständen verschieden. Der Mangel, der schließlich zur Bestandsgefährdung beiträgt, ist aber stets derselbe. Vergegenwärtigt man sich weitergehend noch, dass ein unzureichendes Risikomanagementsystem für sich genommen nie unmittelbar zu einer Bestandsgefährdung führen kann, sondern allenfalls die unter seiner Existenz getätigten Geschäfte567, so ergeben sich zwei für Kausalitätsfragen voneinander zu unterscheidende Zeitfenster: Zum einen dasjenige vor Erlass der Anordnung (im Folgenden: Zeitfenster 1) und 564

s. o. S. 195. Vgl. § 54a Abs. 3 KWG, wonach die BaFin die Beseitigung „des Verstoßes“ aufgibt, s.a. § 25c Abs. 4c KWG: „Wenn die Bundesanstalt zu dem Ergebnis kommt, dass das Institut oder die Gruppe nicht über die Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte nach Absatz 4a und 4b verfügt, kann sie […].“ 566 s. o. S. 262. 567 s. o. S. 291 f. 565

C. Tatbestand

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zum anderen dasjenige nach Erlass der Anordnung (im Folgenden: Zeitfenster 2).568 Hieran anknüpfend können vier Konstellationen unterschieden werden, in denen man sich jeweils fragen muss, wodurch die Bestandsgefährdung tatsächlich herbeigeführt wurde – immer unterstellt, die zwischengeschalteten Geschäfte, welche die Bestandsgefahr unmittelbar herbeigeführt haben, wären unter einem ordnungsgemäßen Risikomanagementsystem so nicht vorgenommen worden. Zur Veranschaulichung seien die vier Konstellationen anhand eines stark vereinfachenden Zahlenbeispiels erläutert. Für dieses soll unterstellt werden, dass bei einem Vermögen von 100 E eine Bestandsgefährdung dann eintritt, wenn sich das Vermögen infolge von Verlusten auf nur noch 20 E beläuft. Variante 1: Die Bestandsgefährdung wird aus einem Zusammenwirken von Geschäften aus Zeitfenster 1 und Zeitfenster 2 versursacht. Erst sie zusammen führen die bestandsgefährdende Lage herbei. So liegt etwa der Fall, wenn beim vorgenannten Zahlenbeispiel in Zeitfenster 1 bereits ein Verlust von 50 E eingetreten ist und in Zeitfenster 2 ein weiterer Verlust von 30 E hinzutritt. Aus der Addition ergibt sich dann der für die Bestandsgefährdung erforderliche Verlust von 80 E. Das Zusammenwirken der Verluste aus beiden Zeitfenstern, die gemeinsam den Erfolg der Bestandsgefahr herbeiführen, stellt den Fall einer sogenannten kumulativen Kausalität dar.569 Bei dieser sind beide Ursachen kausal, denn sie können jeweils nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in Form der Bestandsgefährdung entfiele. Bei diesem in der Praxis wohl wahrscheinlichsten Fall wäre sowohl die von § 54a Abs. 1 KWG als auch die von § 54a Abs. 3 KWG geforderte Kausalbeziehung zwischen Tatverhalten und Taterfolg gegeben. Auf Verluste im Zeitfenster 1 kann aber für die Annahme der doppelten Kausalität sogar verzichtet werden, sodass sich die Feststellung eines Kausalzusammenhangs auf denjenigen nach § 54a Abs. 3 KWG beschränken kann. Dies verdeutlicht die etwas kompliziertere Variante 2: In ihr führen allein Geschäfte im Zeitfenster 2 die Bestandsgefährdung herbei. Dies kann etwa der Fall sein, wenn zunächst ein Mangel im Risikomanagement vorliegt, der sich nicht negativ auf die Vermögenslage auswirkt. In der Folge ergeht dann eine Anordnung zur Beseitigung des Mangels, die nicht befolgt wird. Danach erleidet das Vermögen aufgrund der Nichtbefolgung der Anordnung einen Verlust in Höhe von 80 E. Auf erste Sicht scheint man in dieser Variante 2 die von § 54a Abs. 1 KWG geforderte Kausalität verneinen zu müssen, weil der Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG vor Erlass der Anordnung keinerlei Schnittmenge aufweist mit der Vornahme der schließlich zur Bestandsgefährdung führenden Geschäfte. Eine solche rein zeitliche Betrachtungsweise ignoriert aber den Umstand, dass sich der ursprünglich bereits vorhandene Mangel im Risikomanagement nach Erlass der Anordnung bei deren Nichtbefolgung inhaltlich nahtlos fortsetzt. Es ist gerade der Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG, der die BaFin zum Erlass der 568 569

Dies verkennt MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 25. Zu dieser S/S-Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 83.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Anordnung bewegt. Sie gibt die Beseitigung des Verstoßes auf, vgl. § 54a Abs. 3 KWG und § 25c Abs. 4c KWG. Liegt schon vor Erlass der Anordnung ein Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG vor und werden im Zeitfenster 2 sodann Risikogeschäfte vorgenommen, die bei einer Befolgung der Anordnung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterblieben wären, und führen (allein) diese Geschäfte zur Bestandsgefährdung, so ist, obwohl die zur Bestandsgefährdung führenden Geschäfte allein im Zeitfenster 2 vorgenommen werden, auch die nach § 54a Abs. 1 KWG erforderliche Kausalbeziehung gegeben, denn der im Zeitfenster 1 schon gegebene Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG war dann conditio sine qua non für den Erlass der aufsichtsbehördlichen Anordnung. Er ist als Ausgangspunkt unverzichtbares Glied in der Kausalkette Verstoß – Anordnung – Zuwiderhandlung – Bestandsgefährdung. Dass im Zeitfenster 1 noch keine zur Bestandsgefährdung führenden Geschäfte getätigt wurden, steht einer Kausalität des während dieses Zeitraums bestehenden Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG insoweit nicht entgegen. Die Annahme der Kausalität eines Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG bezieht sich dabei auch nicht lediglich darauf, dass die Zuwiderhandlung gegen die (materiell rechtmäßige) Anordnung inhaltlich zugleich einen fortdauernden Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG bedeutet und daher auch während des Zeitfensters 2 besteht. Denn knüpft man an den Verstoß vor Erlass der Anordnung als Ausgangspunkt der Kausalkette Verstoß – Anordnung – Zuwiderhandlung – Bestandsgefährdung an, wird auch der nach dem Wortlaut des § 54a KWG erforderlichen zeitlichen Abfolge Rechnung getragen, wonach auch der vor Erlass der Anordnung bereits gegebene Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG kausal sein muss für die spätere Bestandsgefährdung. Geht die Bestandsgefährdung also unmittelbar nur auf Geschäfte im Zeitfenster 2 zurück, so ist die Kausalität eines vor Erlass der Anordnung gegebenen Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG dennoch gegeben. Variante 3: Unproblematisch ist der Fall, in dem die Bestandsgefährdung einzig auf Geschäfte aus Zeitfenster 1 zurückgeht. Dann kann eine Strafbarkeit nach § 54a KWG nicht bestehen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Bestandsgefährdung auf Geschäfte im Zeitfenster 1 zurückgeht, in der Folge die Anordnung der BaFin aber befolgt wird570, oder aber wenn die aufsichtsbehördliche Anordnung zu einem Zeitpunkt erlassen wird, in dem die Bestandsgefährdung bereits vorliegt oder aber ihr Eintritt nicht mehr aufzuhalten ist. Bezogen auf das bemühte Beispiel ist dies etwa der Fall, wenn bereits im Zeitfenster 1 Verluste von 90 E entstanden sind und erst danach die Anordnung ergeht. Dann fehlt es an einer Kausalität von Geschäften aus Zeitfenster 2, das heißt aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung. Hier ergibt sich das bereits erwähnte Problem, dass die BaFin ihre Anordnung nicht zu spät erlassen sollte.571 Gerade eine (möglicherweise) fehlende Kausalitätsbeziehung zwischen dem Anordnungsverstoß und der Bestandsgefährdung 570 571

B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 14. s. o. S. 289.

C. Tatbestand

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würde einen höchst aussichtsreichen Ansatz für eine erfolgreiche Verteidigung darstellen.572 Variante 4: Denkbar ist schließlich, dass infolge des mangelhaften Risikomanagementsystems Verluste sowohl im Zeitfenster 1, als auch im Zeitfenster 2 entstehen, allerdings im Unterschied zu Variante 1 die Verluste bereits im Zeitfenster 1 eine Größenordnung erreichen, die für die Annahme einer Bestandsgefährdung ausreicht. Bezogen auf das Zahlenbeispiel wäre ein Fall von Variante 4 etwa dann gegeben, wenn bereits durch Geschäfte im Zeitfenster 1, das heißt vor Erlass der Anordnung, ein Verlust von 80 E entstanden ist, sich der Verlust im Zeitfenster 2 um weitere 15 E erhöht und schließlich ein Verlust von 95 E zu Buche steht. Dies dürfte für die Annahme einer doppelten Kausalität und damit für eine Strafbarkeit nach § 54a KWG nicht ausreichend sein. Die Missachtung der Anordnung der BaFin führt dann den Gefahrerfolg nämlich nicht herbei, sondern vertieft ihn lediglich. Die Anordnung kommt – wie in Variante 3 auch – für die Eröffnung einer Strafbarkeit nach § 54a KWG zu spät, denn ein Vertiefen des bereits eingetretenen Gefahrenerfolges kann diesen nicht auch noch erstmalig herbeiführen.573 Gerade ein Herbeiführen verlangt aber der Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG. Festzuhalten ist damit Folgendes: Immer wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem Eintritt der Bestandsgefahr und dem Verstoß gegen die aufsichtsbehördliche Anordnung besteht, ist der von § 54a KWG geforderte doppelte Kausalzusammenhang gegeben. Eine Strafbarkeit nach § 54a KWG scheidet hingegen aus, wenn lediglich der vor der Zuwiderhandlung gegebene Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG kausal war für den Eintritt der Bestandsgefahr. Dies gilt auch dann, wenn die Bestandsgefahr infolge der Zuwiderhandlung gegen die aufsichtsbehördliche Anordnung vertieft wurde. Die dem Wortlaut des § 54a KWG nach geforderte doppelte Kausalbeziehung beschränkt sich daher im Ergebnis darauf, den Kausalzusammenhang nach § 54a Abs. 3 KWG nachzuweisen, weil er denjenigen nach § 54a Abs. 1 KWG umfasst. § 54a Abs. 1 KWG hat infolge der Bedeutungslosigkeit des in ihm angelegten Kausalitätserfordernisses damit lediglich zwei – wenn auch bedeutende – Funktionen: Zum einen trägt er dazu bei, dass § 54a KWG nur limitiert verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet ist.574 Zum anderen führt er dazu, dass in zeitlicher Hinsicht eine Zweiteilung stattfindet, weil der Anordnung vorgelagert ein Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG erforderlich ist, der als Tatbestandselement einen entsprechenden Vorsatz auch schon in diesem Zeitpunkt erfordert. Hierauf wird sogleich im Rahmen der Untersuchung des Vorsatzes zurückzukommen sein.

572

Vgl. Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 124; Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 679 f. Zutreffend Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 851; B/F/S-Lindemann, KWG § 54a Rn. 25; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 17; ebenso Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 41; ähnlich Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 33. 574 s. o. S. 223 ff. 573

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

5. Zwischenergebnis Der Kausalzusammenhang zwischen Tatverhalten und Taterfolg bildet ein weiteres, ganz erhebliches Nadelöhr auf dem Weg zu einer Strafbarkeit nach § 54a KWG. Der Kausalitätsnachweis wird auch unter Heranziehung von Sachverständigen in der Praxis kaum zu führen sein. Da § 54a KWG ein Unterlassungsdelikt ist, müssen hypothetische Kausalverläufe betrachtet werden. Dies fällt insbesondere im Finanzmarktsektor aufgrund der mannigfaltigen Einflussfaktoren und fehlender naturgesetzlicher Abläufe außerordentlich schwer. Die größte Hürde für einen Kausalitätsnachweis liegt für § 54a KWG aber darin, dass nicht an das erfolgsnahe Tatverhalten der Geschäftstätigkeit angeknüpft wird, sondern an das gleichsam abstraktere und erfolgsfernere Verhalten auf Ebene des Risikomanagements. Dies ermöglicht es zwar, als strafrechtlichen Anknüpfungspunkt ein Verhalten zu wählen, das über § 266 StGB – wenn überhaupt – nur schwerlich erfasst werden kann575 und das die oftmals schwierige Bewertung von Risikogeschäften als noch oder nicht mehr erlaubt vermeidet. Auch wenn man hierin zunächst einen Vorteil sehen mag, wird dieser spätestens dadurch nivelliert, dass die höhere Abstraktionsebene im Rahmen der Kausalität zu kaum überwindbaren Nachweisschwierigkeiten führt. Erleichterungen des Kausalitätsnachweises sind in der Praxis nicht zu erwarten. Der nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG zweigliedrige Aufbau des Tatbestandes, der an zwei kausale Unterlassungen anknüpft, verengt die Kausalität weiter. Er führt im Ergebnis dazu, dass die in § 54a Abs. 1 KWG normierte Kausalitätsbeziehung gegenstandslos ist; sie geht in derjenigen nach § 54a Abs. 3 KWG auf. Dies ist freilich nicht auf erste Sicht erkennbar. Die diesbezüglich erforderlich gewesenen Ausführungen dürften einmal mehr verdeutlicht haben, dass mit § 54a KWG eine kaum handhabbare, strukturell misslungene Vorschrift geschaffen wurde und dass die überstürzte Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG das Normgefüge stärker verändert hat, als es sich der Gesetzgeber vorgestellt haben dürfte. Ob eine Streichung des ersten Absatzes des § 54a KWG eine gangbare Alternative wäre, wird noch Gegenstand von Ausführungen des abschließenden Kapitels 3 dieser Arbeit sein.

V. Vorsatz und Fahrlässigkeit Während der Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und die Zuwiderhandlung in Bezug auf die Anordnung der BaFin vorsätzlich erfolgen müssen [1.], kann die Bestandsgefährdung auch fahrlässig herbeigeführt werden [2.].

575

Näher hierzu oben S. 93 ff., 107 f., 118 ff.

C. Tatbestand

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1. Vorsätzlicher Verstoß gegen Risikomanagementpflichten Das zweiteilige Tatverhalten verlangt auch einen doppelten Vorsatz hinsichtlich des Tatverhaltens: Zum einen muss die Sorgetragungspflicht nach § 54a Abs. 1 KWG vorsätzlich verletzt werden, zum anderen muss auch, falls man wie hier vertreten § 54a Abs. 3 KWG als Element des objektiven Tatbestandes ansieht576, die Zuwiderhandlung gegenüber der Anordnung der BaFin vom Vorsatz umfasst sein. Der Vorsatz bezüglich des Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG setzt zunächst voraus, dass man die Umstände, die den Verstoß begründen, kennt. Eine solche Kenntnis wird vor Erhalt einer Anordnung der BaFin zumindest bei den ressortmäßig nicht mit dem Risikomanagement betrauten Geschäftsleitern oft zweifelhaft sein. Ressortmäßig mit dem Risikomanagement befasste Geschäftsleiter werden die Tatumstände hingegen regelmäßig deutlich besser kennen.577 Ersteren wird Vorsatz grundsätzlich nur vorzuwerfen sein, wenn sie ihre Kontroll- und Überwachungspflichten bewusst vernachlässigen und die Entstehung von Lücken im Risikomanagement zumindest billigend in Kauf nehmen. Andernfalls kann ihnen nur Fahrlässigkeit hinsichtlich der Missachtung der Vorgaben aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG angelastet werden, was für eine Strafbarkeit nach § 54a KWG nicht ausreicht. Eine weitere Schwierigkeit auf der Ebene des Vorsatzes folgt aus der bereits behandelten inhaltlichen Ausgestaltung der Vorgaben zum Risikomanagement, wie sie in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG gelistet sind. Selbst wenn man diesen Vorgaben (anders als hier vertreten578) die Bestimmtheit nicht absprechen würde – die in ihnen enthaltenen schwammigen Vorgaben öffnen der Berufung auf vorsatzoder schuldausschließende Irrtümer Tür und Tor. Hieran vermag entgegen anderslautender Stimmen579 auch die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG nichts zu ändern. Zwar kann die BaFin dem betroffenen Geschäftsleiter per Anordnung eine Handlungsanweisung vorgeben und ihn deutlich auf ausgemachte Missstände hinweisen. Spätestens dann muss jeder angesprochene Geschäftsleiter sich mit den Anforderungen an das Risikomanagement genauer auseinandersetzen und sich seiner Pflichten und deren Einhaltung vergewissern. Allerdings ergeht die Anordnung der BaFin erst in einem Zeitpunkt, in dem der vorsätzliche Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG bereits vorliegen muss. Die Annahme, § 54a Abs. 3 KWG würde 576

s. o. S. 202 ff. Allgemein zu (Nachweis-)Schwierigkeiten hinsichtlich des Vorsatzes bei internen Zuständigkeitsverteilungen Raum, in: Wabnitz/Janovsky, HdB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 4 A Rn. 46. Hieran knüpft auch Kasiske, ZIS 2013, 257, 258 Fn. 9 an, der von einer Unbeachtlichkeit interner Zuständigkeitsverteilungen ausgeht, diese weite strafrechtliche Verantwortlichkeit aber durch das Vorsatzerfordernis als weitgehend aufgefangen erachtet. 578 Zur Frage der Bestimmtheit ausführlich oben S. 184 ff. 579 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 852 meinen, ein zur Straflosigkeit führender Irrtum werde lediglich im Ausnahmefall relevant werden. Denn der Geschäftsleiter werde spätestens durch die Anordnung der BaFin gewarnt und müsse sich aus diesem Anlass mit der aufsichtsrechtlichen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe auseinandersetzen. 577

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Irrtümer weitgehend ausschließen, bedeutet, die zeitliche Abfolge der beiden in § 54a Abs. 1 KWG und § 54a Abs. 3 KWG umschriebenen Elemente des Tatverhaltens zu verkennen. Ihr kann daher nicht zugestimmt werden. Vorsatz- und schuldausschließende Irrtümer behalten für den Verstoß nach § 54a Abs. 1 KWG und damit für die Strafbarkeit insgesamt trotz der Zwischenschaltung einer aufsichtsbehördlichen Anordnung Relevanz. Dass die Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der BaFin als zweites Element des Tatverhaltens unvorsätzlich erfolgt, dürfte hingegen selten sein. Infolge des Verwaltungsakts gegenüber dem einzelnen Geschäftsleiter wird diesem der von der BaFin ausgemachte Mangel im Bereich des Risikomanagements vor Augen geführt und ihm seine Handlungspflicht aufgezeigt. Irrtümer in Bezug auf § 54a Abs. 3 KWG dürften grundsätzlich ausscheiden. Schon um potenziellen Schutzbehauptungen den Boden zu entziehen, sollte die BaFin ihre Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG aber mit einer möglichst konkreten Umschreibung des Missstandes und des aufgegebenen Verhaltens versehen.580 Ein vorsätzliches Zuwiderhandeln kann zwar dann ausscheiden, wenn man sich um die Beseitigung des Pflichtenverstoßes bemüht, die Umsetzung der Anordnung im Ergebnis aber trotzdem scheitert.581 Hierauf kommt es jedoch nicht an, wenn man, wie hier vertreten, schon in der Sorgetragung ein inhaltlich abgemildertes Pflichtenprogramm im Gegensatz zu einer auf die Erfolgsherbeiführung gerichteten Sicherstellungspflicht erkennt, denn dann fehlt es im Falle eines ausreichenden Bemühens bereits an einer Verwirklichung des objektiven Tatbestandes.582 2. Vorsätzliches oder fahrlässiges Herbeiführen der Bestandsgefährdung Während § 54a Abs. 1 KWG Vorsatz auch hinsichtlich der Herbeiführung der Bestandsgefahr verlangt [a)], lässt § 54a Abs. 2 KWG ein fahrlässiges Herbeiführen selbiger genügen [b)]. a) Vorsätzliches Herbeiführen der Bestandsgefährdung, § 54a Abs. 1, Abs. 3 KWG Der Eintritt der Bestandsgefährdung als Element des objektiven Tatbestandes muss bei § 54a Abs. 1, Abs. 3 KWG ebenfalls vom Vorsatz umfasst sein. Das absichtliche Herbeiführen einer Bestandsgefährdung wird dabei ebenso selten sein wie das sichere Wissen um die Herbeiführung einer Bestandsgefährdung. Letztere hängt schließlich, wie dargelegt, von einer Vielzahl von Faktoren ab, die ein sicheres 580

Zum Bestimmtheitserfordernis des § 37 Abs. 1 VwVfG s. o. S. 217 f. Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 852; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 16; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 22. 582 Zur mangelnden Sorgetragung als Tatverhalten oben S. 196 ff. 581

C. Tatbestand

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Wissen um den Eintritt des Gefährdungserfolges und seiner Herbeiführung weder vermuten, geschweige denn beweisen lassen dürften. Relevant dürften in erster Linie Fälle des dolus eventualis sein.583 Die Rechtsprechung verlangt hierfür sowohl eine kognitive als auch eine voluntative Komponente: Der Täter muss den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennen und ihn ferner billigen oder sich um des erstrebten Ziels willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfinden.584 Die kognitive und die voluntative Komponente müssen grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.585 Selbstredend ist die Feststellung des Vorsatzes eine Frage des Einzelfalls. Dennoch dürften die Schwierigkeiten, die im Rahmen des § 54a KWG zu erwarten sind, oft ähnlich sein. Die kognitive Komponente des Eventualvorsatzes verlangt nach der Rechtsprechung, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt.586 Dass ein unzureichendes Risikomanagementsystem im Ergebnis – schließlich ist unmittelbar ursächlich alleine die Geschäftstätigkeit als solche – zu einer Bestandsgefährdung des Instituts führen kann, muss dem Geschäftsleiter also bewusst sein. Kaum zweifelhaft ist dies ab dem Zeitpunkt, in dem der Geschäftsleiter die Anordnung der BaFin erhält. Doch muss der Eventualvorsatz im Hinblick auf die kausale Herbeiführung der Bestandsgefährdung auch schon vorher, nämlich im Zeitpunkt des Verstoßes gegen § 54a Abs. 1 KWG vorliegen. Bereits in diesem Zeitpunkt muss der Geschäftsleiter also die Möglichkeit der Herbeiführung und des Eintritts einer konkreten Gefahr (der Bestandsgefährdung) erkennen. Auch dies dürfte selbst bei den ressortmäßig nicht mit dem Risikomanagement betrauten Geschäftsleitern aber kaum zweifelhaft sein, denn ein ordnungsgemäßes Risikomanagement soll gerade finanziellen Schieflagen vorbeugen. Wer erkannt gegen Risikomanagementvorschriften verstößt, wird nahezu zwangsläufig zumindest die Möglichkeit einer späteren Bestandsgefährdung erkannt haben. Deutlich schwieriger als die kognitive Komponente dürfte die voluntative Komponente des Eventualvorsatzes nachzuweisen sein. Sie liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Erfolges billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der Erfolg werde nicht eintreten. Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich 583 Dass dolus eventualis ausreicht, lässt sich dabei allerdings entgegen MüKo-StGBJanssen, § 54a KWG Rn. 25 nicht mit der (hier abgelehnten) Einstufung des § 54a KWG als abstraktes Gefährdungsdelikt begründen, sondern ergibt sich mangels einer entgegenstehenden Formulierung des Tatbestandes aus allgemeinen Grundsätzen. 584 St. Rspr., statt vieler s. aus neuerer Zeit BGH NStZ 2011, 338, 339; NJW 2015, 1834, 1834 m.w.N. 585 BGH NStZ 2011, 699, 702 m.w.N. 586 St. Rspr., s. BGHSt 36, 1, 9 f. m.w.N., zuletzt BGH NJW 2015, 1834, 1834.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

innerlich mit ihm abgefunden hat, mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben. Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden.587 An dieser Stelle erweist sich die Ausgestaltung des § 54a KWG als konkretes Gefährdungsdelikt für die Praxis abermals als hinderlich. Die Schwierigkeiten, die mit der Feststellung der Bestandsgefahr bereits im objektiven Tatbestand verbunden sind, finden insoweit eine Entsprechung im subjektiven Tatbestand. Obgleich kein Verletzungsvorsatz nötig ist wie etwa bei § 266 StGB, liegen die Anforderungen an den Vorsatznachweis im Rahmen des § 54a KWG kaum niedriger als im Rahmen etwa von § 266 StGB.588 Ebenso wenig wie man das Erkennen und Inkaufnehmen eines Vermögensnachteils im Rahmen des § 266 StGB vorschnell annehmen darf, kann im Rahmen des § 54a KWG unterstellt werden, dass der Geschäftsleiter eine Bestandsgefahr wenigestens billigend in Kauf genommen hat. Dies wird deutlich, wenn man sich noch einmal vergegenwärtigt, dass unter einer Bestandsgefahr die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen zu verstehen ist.589 Der Nachweis eines Billigens, eines innerlichen Abfindens mit dem Eintritt einer solchen Situation wird nur sehr schwer zu führen sein. Für den Zeitraum ab der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der BaFin mag der Nachweis zwar erleichtert sein, weil die Anordnung das Risiko einer Bestandsgefahr deutlich aufzeigt und daher im Fall der Zuwiderhandlung die Annahme zumindest bedingt vorsätzlichen Handelns in Bezug auf den Eintritt einer Bestandsgefahr nahelegt.590 Eine Billigung der Bestandsgefahr muss aber angesichts der Zweispurigkeit des Tatverhaltens und der zeitlichen Abfolge der in § 54a Abs. 1 und Abs. 3 KWG umschriebenen Verhaltensweisen auch bereits vor Erlass der Anordnung vorgelegen haben.591 Ein wenigstens bedingter Gefährdungsvorsatz bereits zu diesem Zeitpunkt wird aber kaum nachzuweisen sein. Die Einlassung, als verantwortungsbewusster Bankier habe man eine Bestandsgefahr selbstredend nicht billigend in Kauf genommen, drängt sich unweigerlich auf. Sie zu widerlegen dürfte allenfalls in Evidenzfällen gelingen. Erinnert sei insoweit an die Schwierigkeiten der Vorsatzfeststellung im Rahmen des § 266 StGB im Zusammenhang mit der Finanzkrise.592 Die Verwandtschaft von Verletzungsdelikten wie § 266 StGB und konkreten Gefährdungsdelikten wie § 54a KWG tritt hier abermals deutlich zu Tage. Beide 587

Vgl. statt vieler BGH NStZ 2011, 699, 701 m.w.N. Wastl, WM 2013, 1401, 1403 f. geht ohne nähere Begründung von einer grundsätzlich deckungsgleichen Vorsatzproblematik aus. 589 Zum Begriff der Bestandsgefährdung ausführlich oben S. 263 ff. 590 So auch Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 127; zustimmend Beck/Samm/KokemoorWegner, KWG, § 54a Rn. 28. 591 Dies verkennen wohl bzw. übergehen Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 127; Beck/ Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 28; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 16. 592 Vgl. oben S. 112 ff. 588

C. Tatbestand

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Deliktstypen sind Erfolgsdelikte und liegen damit strukturell nicht so weit auseinander, wie es auf erste Sicht den Anschein haben mag. Die Ähnlichkeit der Deliktsstruktur hat zur Folge, dass sich auch die Nachweisschwierigkeiten ähneln: Wie bei § 266 StGB stellt auch bei § 54a KWG das Vorsatzerfordernis in Bezug auf den Deliktserfolg eine nur schwer überwindbare Hürde dar. Vor diesem Hintergrund erlangt § 54a Abs. 2 KWG besondere Bedeutung. b) Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, § 54a Abs. 2 KWG § 54a Abs. 2 KWG lässt die fahrlässige Herbeiführung der Bestandsgefährdung genügen [aa)], wobei eine Beschränkung auf eine leichtfertige Herbeiführung vorzugswürdig gewesen wäre [bb)]. Weder stellt § 54a Abs. 2 KWG eine drastische Erweiterung der Strafbarkeit dar, noch ist seine Normierung mit Blick auf § 54a Abs. 1 KWG überflüssig [cc)]. Entgegen anderslautender Stimmen stellt die Bestimmung auch kein strafrechtsdogmatisches Novum dar [dd)]. aa) Fahrlässiges Herbeiführen der Bestandsgefährdung Für eine Strafbarkeit nach § 54a Abs. 2 KWG muss zwar die Verletzung der Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG sowie die Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der BaFin vorsätzlich erfolgen. Hinsichtlich des Herbeiführens einer Bestandsgefährdung genügt indes Fahrlässigkeit. § 54a Abs. 2 KWG ist damit eine Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination im Sinne des § 11 Abs. 2 StGB.593 Die Sorgfaltswidrigkeit (bzw. mit Blick auf die zweigliedrige Tatbestandsstruktur des § 54a KWG genauer gesprochen: die Sorgfaltswidrigkeiten), durch welche die konkrete Gefahr in Form der Bestandsgefährdung herbeigeführt werden muss, liegen darin, dass zum einen vorsätzlich gegen die Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG sowie zum anderen vorsätzlich gegen die Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG verstoßen wird. Die Vorhersehbarkeit des (Gefährdungs-)Erfolges der Bestandsgefährdung wird in aller Regel gegeben sein.594 Spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem eine Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG ergeht, muss dem Geschäftsleiter bewusst sein, dass sein Verhalten eine Bestandsgefährdung zur Folge haben kann. Eine Vorhersehbarkeit ab diesem Zeitpunkt wird allerdings nur den Anforderungen des § 54a Abs. 3 KWG gerecht. Sorgfaltswidrig muss auch bereits der ursprüngliche Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG gewesen sein und auch in diesem Zeitpunkt muss die Vorhersehbarkeit des Eintritts einer Bestandsgefahr vorgelegen haben. Auch vor Erhalt der aufsichtsbehördlichen Anordnung dürfte die Vorhersehbarkeit des (Gefährdungs-)Erfolges aber regelmäßig bereits gegeben sein. Denn zum einen dürfen an die Annahme der Vorhersehbarkeit des 593

Zutreffend RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44; B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 15; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 18. 594 So auch Kasiske, ZIS 2013, 257, 263; zurückhaltender B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 17 („Sache der Einzelfallprüfung“).

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Erfolgs und des zu ihm führenden Kausalverlaufs schon allgemein keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Zum anderen, und dies ist von größerer Bedeutung, dient die Vorhaltung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements gerade dem Zweck, eine drohende Schieflage des Instituts frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Daher wird man nur schwerlich sagen können, dass eine durch den Verstoß gegen Risikomanagementvorgaben herbeigeführte Bestandsgefährdung außerhalb jeder Lebenserfahrung lag.595 bb) Vorzugswürdigkeit einer Beschränkung auf Leichtfertigkeit Da die einfache Fahrlässigkeit bei § 54a Abs. 2 KWG nicht wesentlich strafbarkeitseinschränkend wirkt, wird teilweise eine Beschränkung auf Leichtfertigkeit befürwortet.596 Ungeachtet der Kontroversen um den Einsatz der Leichtfertigkeit im Wirtschaftsstrafrecht und ihrer gegenüber einer alleinigen Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tatbegehung beweiserleichternden Funktion muss eingangs festgehalten werden, dass im Vergleich zur derzeitigen Fassung des § 54a Abs. 2 KWG die Normierung einer Leichtfertigkeitsvariante den Kreis strafbaren Verhaltens nicht erweitern, sondern enger fassen würde. Zugleich könnte durch eine Beschränkung auf Leichtfertigkeit ein etwaiger Bruch in systematischer Hinsicht vermieden werden, der darin liegen könnte, dass im Vermögensstrafrecht die Anknüpfung an nur einfache Fahrlässigkeit unüblich ist. Wann im Einzelnen Leichtfertigkeit anzunehmen ist, ist wenig geklärt.597 Für die nachfolgenden Ausführungen soll angenommen werden, dass leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass dadurch eine Rechtsgutsverletzung eintreten wird. Spätestens mit Erlass der Anordnung durch die BaFin muss dem Geschäftsleiter bewusst sein, dass eine Bestandsgefährdung unmittelbar droht, sie drängt sich ihm zumindest ab diesem Moment unweigerlich auf. Für den Zeitraum vor Erlass der Anordnung versteht sich dies nicht von selbst, da in diesem Zeitpunkt der Eintritt einer Bestandsgefährdung unter Umständen fernliegend erscheinen mag. So wurde bereits erörtert, dass sich ein Gefährdungsvorsatz zu diesem frühen Zeitpunkt nur schwer nachweisen lassen dürfte.598 Dennoch spricht einiges dafür, dass sich bei unzureichendem Risikomanagement auch schon vor Erlass der Anordnung der BaFin der Eintritt einer Bestandsgefahr aufdrängen muss. Zwar bewahrt ein funktionierendes Risikomanagement nicht zwangsläufig vor dem Eintritt bestandsgefährdender Situationen und führt ein fehlerhaftes Risikomanagement nicht zwingend zu 595

Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 126. Ebenso zuvor bereits Kasiske, ZIS 2013, 257, 263; zustimmend Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 27. Im Ergebnis auch Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 34. 596 Kasiske, ZIS 2013, 257, 263 f. 597 Zu Begriffsbestimmungen im Einzelnen Roxin, AT I, § 24 Rn. 82 ff. m.w.N. 598 s. o. S. 304.

C. Tatbestand

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einer Bestandsgefahr. Auch wird die Vorhersehbarkeit des Gefahreneintritts im Sinne eines Aufdrängens durch die Anknüpfung an die abstrakte Ebene des Risikomanagements und die notwendige Mittlerfunktion der Risikogeschäfte beeinträchtigt. Trotzdem dürfte die Annahme von Leichtfertigkeit auch zu diesem frühen Zeitpunkt nicht nur in Evidenzfällen möglich sein. So können informelle Maßnahmen der BaFin, die der Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG vorgelagert sind, den Schluss auf ein wenigstens leichtfertiges Handeln nahelegen und insoweit eine wichtige Funktion erfüllen. Doch selbst losgelöst davon erscheint vor dem Hintergrund, dass die Einhaltung von Risikomanagementvorgaben gerade dem Bestandsschutz des Instituts dienen soll und in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG nur die vermeintlich wichtigsten dieser Pflichten aufgenommen wurden, im Einzelfall auch ohne derartige Warnungen ein leichtfertiges Verhaltens denkbar und auch nachweisbar. Die Zahl der Fälle, in denen lediglich einfache Fahrlässigkeit hinsichtlich des (Gefahren-)Erfolgseintritts gegeben ist, dürfte gering sein und einer strafrechtlichen Bewehrung kaum bedürfen. Eine Beschränkung auf Leichtfertigkeit würde jedoch nicht einen systematischen Bruch beseitigen, denn einen solchen stellt die Pönalisierung auch einfacher Fahrlässigkeit, wie sie derzeit in § 54a Abs. 2 KWG normiert ist, in Bezug auf die übliche Ausgestaltung von Straftatbeständen im Bereich des Vermögensstrafrechts nicht dar. § 54a KWG dient zwar auch dem Schutz angetrauter Vermögenswerte, er geht aber weit darüber hinaus, da er vor allem auch dem Gläubigerschutz und dem Schutz überindividueller Interessen zu dienen bestimmt ist.599 Eine klassische vermögensstrafrechtliche Norm ist er damit nicht. In systematischer Hinsicht bedeutet die Pönalisierung auch schon einfacher Fahrlässigkeit im Rahmen des § 54a Abs. 2 KWG allerdings einen Bruch gegenüber dem Bankrottstrafrecht. Zwar greift auch § 283 StGB auf Fahrlässigkeitsvarianten zurück, er lässt im Rahmen des hier maßgeblich interessierenden § 283 Abs. 2 StGB hinsichtlich der Verursachung der Krisensituation allerdings nur Leichtfertigkeit genügen, vgl. § 283 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 StGB.600 Eine tragfähige Begründung für die insoweit bestehende Inkongruenz ist nicht ersichtlich. cc) § 54a Abs. 2 KWG – Drastische Erweiterung der Strafbarkeit oder überflüssige Vorschrift? Hinsichtlich der Bedeutung des § 54a Abs. 2 KWG gehen die Meinungen im Schrifttum bislang auseinander. Teilweise heißt es, mit ihm sei eine drastische Erweiterung der Strafbarkeit verbunden durch einen Mischtatbestand, den es so bisher weder im Kern-, noch im Nebenstrafrecht gebe, denn § 54a Abs. 2 KWG stufe allein durch die fahrlässige Herbeiführung der Bestandsgefährdung eine einfache Ord-

599 600

In diese Richtung auch Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 680. Diese Parallele bemüht ausdrücklich auch Kasiske, ZIS 2013, 257, 264.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

nungswidrigkeit zu einer Straftat hoch.601 An anderer Stelle wird umgekehrt die Frage aufgeworfen, welche Konstellationen durch ihn überhaupt noch erfasst würden, nachdem § 54a Abs. 3 KWG eingefügt wurde.602 Zunächst soll der erste Vorwurf überprüft werden. Auch wenn die Konstruktion des § 54a Abs. 2 KWG, der allein die fahrlässige Herbeiführung der Bestandsgefährdung genügen lässt und damit aus einer einfachen Ordnungswidrigkeit (vgl. § 56 Abs. 2 Nr. 3 f KWG) eine Straftat macht, auf erste Sicht verwundern mag: Entscheidend ist allein die Frage, ob die fahrlässige Herbeiführung einer Bestandsgefährdung infolge eines vorsätzlichen Verstoßes gegen eine Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG die Hochstufung von einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat rechtfertigen kann gegenüber dem Fall, dass trotz eines solchen Verstoßes eine Bestandsgefahr ausbleibt oder gegenüber dem Fall, dass sich eine eingetretene Bestandsgefahr nicht auf diesen Verstoß zurückführen lässt. Ein Verstoß gegen Risikomanagementvorgaben bzw. gegen eine sie betreffende aufsichtsbehördliche Anordnung tangiert als solcher nicht ohne weiteres individuelle Vermögensinteressen oder überindividuelle Rechtsgüter. Unterbleiben trotz eines fehlerhaften Risikomanagementsystems Geschäfte, die zu einer Bestandsgefährdung führen, bleibt die Fehlerhaftigkeit ohne spürbare Konsequenzen. Außenwirkung erhält die Fehlerhaftigkeit erst, wenn sie zu einer Beeinträchtigung oder auch nur Gefährdung von Vermögensinteressen führt. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn infolge eines mangelhaften Risikomanagements die Bank in Bestandsgefahr gerät. Diese Schieflage gefährdet das angetraute Vermögen und tangiert die Vermögensinteressen der Gläubiger. Im Einzelfall ist sie darüber hinaus geeignet, die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens und unter Umständen gar die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft zu gefährden.603 Selbst wenn systemische Auswirkungen ausbleiben erscheint die auch nur fahrlässig herbeigeführte Bestandsgefahr als Umstand, der angesichts seiner Auswirkungen auf einen erheblichen Personenkreis die Hochstufung zur Straftat rechtfertigen kann. Die Grenzen gesetzgeberischen Ermessens wurden insoweit eingehalten.604 Dass die Kritik, § 54a Abs. 2 KWG stelle eine drastische Erweiterung der Strafbarkeit dar, nicht berechtigt ist, zeigt auch ein Vergleich mit § 283 StGB. Er knüpft in § 283 Abs. 2 StGB ebenfalls an das Herbeiführen einer Unternehmenskrise an (die freilich nicht im Stadium der Bestandsgefahr stehenbleiben darf, vgl. § 283 Abs. 6 StGB), wobei Leichtfertigkeit genügt (vgl. § 283 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 601

Volk, in: FS Schiller 2014, S. 672, 675. Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 681. 603 Dass Letzteres nicht zwingend gegeben sein muss, wurde ebenso bereits erörtert wie der Umstand, dass der Gesetzgeber nicht präzise zwischen der Bestandsgefahr und einer etwaigen Systemgefahr unterscheidet und eine Reduktion des Tatbestandes auf systemrelevante Institute abzulehnen ist, vgl. oben S. 177 ff. 604 Bereits vor Schaffung des § 54a KWG betonte Kasiske, ZRP 2011, 137, 138, das eigentlich strafwürdige Unrecht stelle die Bestandsgefährdung dar. Ähnlich Prittwitz, zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 241. 602

C. Tatbestand

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StGB). In der letztgenannten Variante wird dabei auf ein vorsätzliches Element sogar insgesamt verzichtet. Vergegenwärtigt man sich, dass unter einer Bestandsgefahr die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen zu verstehen ist und dass in § 54a Abs. 2 KWG keine reine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, sondern eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Variante normiert wurde, scheidet eine Bewertung des § 54a Abs. 2 KWG als drastische Erweiterung der Strafbarkeit aus. Dass die Anknüpfung der Strafbarkeit an eine Bestandsgefahr eine deutliche Vorverlagerung des tatbestandlichen Erfolges darstellt, ist richtig, aber unvermeidbar. Die insoweit bestehenden Schwächen des geltenden Strafrechts wurden zu Beginn dieser Untersuchung aufgezeigt.605 Die bis heute zumindest für einen Teil des Bankensektors gegebene Notwendigkeit einer Anknüpfung an das frühe Stadium der Bestandsgefahr wird in Kapitel 3 dieser Untersuchung noch genauer dargelegt. Eine Bewertung des § 54a Abs. 2 KWG als drastische Erweiterung der Strafbarkeit scheidet nicht zuletzt auch deshalb aus, weil die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG – ungeachtet der an ihm zu übenden Kritik – das Strafbarkeitsrisiko für Geschäftsleiter deutlich gesenkt hat.606 Weitgehend unbesehen in eine Strafbarkeit nach § 54a KWG zu geraten ist damit ausgeschlossen. § 54a Abs. 2 KWG mag zwar eine Erweiterung der Strafbarkeit bedeuten, diese aber mutet ungeachtet der noch zu behandelnden praktischen Bedeutung der Norm schon in theoretischer Hinsicht zumindest nicht drastisch an. Von manchen Autoren wird in umgekehrter Richtung in Bezug auf § 54a Abs. 2 KWG gefragt, welche Konstellationen von ihm überhaupt noch erfasst werden, nachdem § 54a Abs. 3 KWG eingefügt wurde.607 Richtig ist, dass wenn vorsätzlich gegen die Anordnung der BaFin verstoßen wird, zumindest ab diesem Zeitpunkt die Annahme von Vorsatz auch in Bezug auf eine spätere Bestandsgefährdung naheliegt. Dennoch verbleiben diesbezüglich Nachweisschwierigkeiten, die § 54a Abs. 2 KWG überwinden kann. Darüber hinaus muss auch schon im vorgelagerten Zeitpunkt des Verstoßes nach § 54a Abs. 1 i.V.m. § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG für eine insgesamt vorsätzliche Verwirklichung des § 54a KWG zumindest Eventualvorsatz bezüglich der späteren Bestandsgefährdung vorliegen. Die Hürde des Nachweises einer billigenden Inkaufnahme einer Bestandsgefährdung in diesem Zeitpunkt ist aber, wie bereits dargelegt, hoch und in der Praxis kaum überwindbar.608 Damit ist die Normierung einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination in § 54a Abs. 2 KWG keineswegs überflüssig, sondern im Gegenteil die Begehungsweise, welche

605

s. in Bezug auf § 283 StGB oben S. 138 ff., 144 ff. Nach Hopt, ZIP 2013, 1793, 1805 ist der Tatbestand nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG „fast zu eng“. 607 Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 681. 608 s. o. S. 304. 606

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

§ 54a KWG – wenn überhaupt – eine gewisse Praxisrelevanz ermöglichen könnte. Sie ist insoweit die wesentlichste Neuerung.609 dd) § 54a Abs. 2 KWG als strafrechtsdogmatisches Novum? Die Tatbestandskonstruktion des § 54a Abs. 2 KWG hat erhebliche Kritik erfahren. Schon in Bezug auf die Entwurfsfassung hieß es, § 54a Abs. 2 KWG greife auf die bislang kaum anzutreffende Deliktskategorie des fahrlässigen Gefährdungsdelikts zurück. Dass durch fahrlässiges Unterlassen eine bloße – wenn auch konkrete – Gefahr herbeigeführt und darauf aufbauend eine weitergehende und auch auf andere Objekte bezogene abstrakte Gefährdung verursacht werde, sei als eine Art „gefährdungsqualifiziertes Unterlassungsdelikt“ ein Novum, dessen strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Legitimation nicht einmal in Ansätzen durchdacht sei.610 Diese Kritik ist schon im Ansatz verfehlt, denn bei § 54a Abs. 2 KWG ging es bereits in der Entwurfsfassung und geht es auch in der verabschiedeten Fassung keineswegs um ein fahrlässiges, sondern stets um ein vorsätzliches Unterlassen. § 54a Abs. 2 KWG spricht lediglich davon, dass die Gefahr fahrlässig herbeigeführt wird. Er stellt also, wie bereits dargelegt, eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination im Sinne des § 11 Abs. 2 StGB dar. Zudem handelt es sich nach hier vertretener Ansicht bei § 54a KWG um ein rein konkretes Gefährdungsdelikt, auch wenn aus der konkreten Bestandsgefahr eine abstrakte Gefährdung etwa für die Stabilität des Finanzsystems entstehen kann.611 Damit aber bildet § 54a Abs. 2 KWG im Ergebnis eine klassische Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination mit konkretem Gefahrenerfolg, wie sie etwa in § 315a Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB, § 315c Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB oder auch § 97 Abs. 1 StGB normiert ist. Eine eventuell zusätzlich ausgelöste Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft ist nicht Element des Tatbestandes und in jedem Fall eintretende Folge der Bestandsgefahr, sondern nur ein Aspekt im Rahmen der Strafzumessung, der die dogmatische Einordnung als konkretes Gefährdungsdelikt nicht ändert. § 54a Abs. 2 KWG lässt sich damit durchaus in hergebrachte Deliktsstrukturen einordnen und stellt kein strafrechtsdogmatisches Novum dar.

609

Im Ergebnis ähnlich Wastl, WM 2013, 1401, 1406; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 103. DAV, Stellungnahme, NZG 2013, 577, 581; ebenso Hamm/Richter, WM 2013, 865, 868. Ebenfalls von der Kategorie des „fahrlässigen Gefährdungsdelikts“ sprechen Eggers, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 29 Rn. 53; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 288. 611 Zu dieser Einordnung oben S. 281 ff. 610

D. Eignung des Tatbestandes hinsichtlich des Rechtsgüterschutzes

311

3. Zwischenergebnis Die Ausgestaltung des § 54a KWG als konkretes Gefährdungsdelikt führt auch mit Blick auf die subjektive Tatseite zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten, die der praktischen Bedeutung des § 54a KWG weitere Grenzen setzen. Für eine Strafbarkeit nach § 54a Abs. 1 KWG ist nämlich der Nachweis eines Gefährdungsvorsatzes in Bezug auf den Bestand des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts nötig. Eine Erleichterung gegenüber etwa der Vorsatzfeststellung im Rahmen des § 266 StGB ist hiermit kaum verbunden. § 54a Abs. 2 KWG – der besser auf Leichtfertigkeit hätte beschränkt werden sollen – senkt zwar die Anforderungen an den Tatnachweis. Dieser Effekt wird allerdings dadurch relativiert, dass § 54a KWG nicht nur an eine, sondern an zwei Verhaltensweisen anknüpft und damit zwei unterschiedliche Zeiträume betrachtet werden müssen: Während nach Erlass der Anordnung die Annahme einer wenigstens leichtfertigen Herbeiführung der Bestandsgefährdung relativ leicht fallen dürfte, ist dies für den nach der derzeitigen Tatbestandsstruktur ebenfalls nötigen Fahrlässigkeitsvorwurf vor Erlass der Anordnung schwieriger. Hier dürfte es im Einzelfall auf zuvor ergangene Warnhinweise insbesondere durch die Aufsichtsbehörde ankommen. Die teilweise geäußerte Kritik, § 54a Abs. 2 KWG bedeute eine drastische Erweiterung der Strafbarkeit, ist ebenso unzutreffend wie die Behauptung, die Norm sei als eine Art gefährdungsqualifiziertes Unterlassungsdelikt ein Novum, dessen strafrechtsdogmatische Legitimation nicht einmal in Ansätzen durchdacht sei. § 54a Abs. 2 KWG lässt sich vielmehr in hergebrachte Deliktsstrukturen einordnen und stellt eine klassische Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination im Sinne des § 11 Abs. 2 StGB dar. Diese hat entgegen anderslautender Auffassungen auch nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG eine eigenständige Funktion behalten.

D. Eignung des Tatbestandes hinsichtlich des angestrebten Rechtsgüterschutzes Nach der Analyse des Tatbestandes des § 54a KWG sollen noch einmal die Ziele in Erinnerung gerufen werden, die dem Gesetzgeber bei Schaffung des § 54a KWG vorschwebten, und die Frage gestellt werden, ob und inwieweit diese durch die Gesetz gewordene Fassung erreicht werden können. Dabei soll die Frage der Praxisrelevanz des § 54a KWG vorerst ausgeklammert bleiben. Ihr ist ein eigener Abschnitt vorbehalten. Zunächst soll es alleine darum gehen, ob bei unterstellter Tatbestandsverwirklichung die in der Gesetzesbegründung genannten Rechtsgüter überhaupt berührt wären und die Norm deren Schutz dienen kann [I.]. Angesichts der kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG ist auch der Frage nachzugehen, ob anstelle der in der Geset-

312

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

zesbegründung genannten Schutzgüter nunmehr nicht der Schutz der staatlichen Kreditaufsicht im Vordergrund steht [II.].

I. Rechtsgüterschutz bei unterstellter Tatbestandsverwirklichung Die mit § 54a KWG bezweckte Förderung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements soll nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur der Sicherung der anvertrauten Vermögenswerte und der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen dienen, sondern auch der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft durch Missstände im Kreditund Finanzdienstleistungswesen.612 In den Gesetzesmaterialien heißt es in diesem Zusammenhang auch, § 54a KWG solle dem besonderen Unwertgehalt Rechnung tragen, der in der Verursachung der Unternehmenskrise und der damit einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liege.613 Die Ermittlung des durch § 54a KWG tatsächlich leistbaren Rechtsgüterschutzes ist nicht leicht. Dies liegt unter anderem daran, dass sich der Rechtsgutsbezug des § 54a KWG nicht unmittelbar bei der Lektüre der Strafnorm erschließt. Dies wiederum ist Konsequenz des Umstandes, dass § 54a KWG stark verwaltungsakzessorisch ausgestaltet ist. Unter dieser Ausgestaltung leidet nicht nur die Erkennbarkeit strafbewehrten Verhaltens614, sondern auch die Erkennbarkeit der Eignung des § 54a KWG zum mit ihm angestrebten und erreichbaren Rechtsgüterschutz. Durch die verschachtelte Ausgestaltung des § 54a KWG wird die Wegstrecke zu den möglicherweise geschützten Rechtsgütern lang. Aus der Perspektive des Rechtsguts betrachtet stellt § 54a KWG nur noch eine Tertiärnorm dar – tertiär, weil anders als etwa im Umweltstrafrecht das Strafrecht in Gestalt des § 54a KWG nicht mehr an eine konkrete Primärnorm anknüpft, sondern an Normen, welche die Vorhaltung von Compliance-Standards verlangen, die die Einhaltung der bankrechtlichen Primärnormen in Kreditinstituten gewährleisten sollen.615 In Anbetracht dieser Schwierigkeiten soll im Folgenden lediglich versucht werden, Rechtsgutsbezüge, so sie bei einer an dieser Stelle unterstellten Tatbestandsverwirklichung existieren können, aufzuzeigen. Dabei sei mit dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems begonnen. Der Eintritt einer Systemgefahr wurde in § 54a KWG nicht zum Tatbestandsmerkmal gemacht. Dies schließt es indes nicht aus, dass auch der Schutz der Stabilität des Finanzsystems von § 54a KWG bezweckt und erreicht wird. Der Schutz der Stabilität des Finanzsystems als Ganzes kann aufgrund eines fehlenden Tatbestandsmerkmals „Systemgefahr“ und mangels teleologischer Reduktion des § 54a 612 613 614 615

Hierzu im Einzelnen oben S. 157 ff. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. s. hierzu oben S. 184 ff. Kubiciel, in: Strafverfolgung in Wirtschaftsstrafsachen, S. 158, 164.

D. Eignung des Tatbestandes hinsichtlich des Rechtsgüterschutzes

313

KWG auf Geschäftsleiter sogenannter systemrelevanter Institute616 zwar nicht stets einschlägiges Ziel des § 54a KWG sein und sollte daher auch nicht als primär geschütztes Rechtsgut angesehen werden.617 Dennoch kann die Stabilität des Finanzsystems im Einzelfall tangiert sein, nämlich dann, wenn das in Bestandsgefahr geratene Institut systemrelevant ist. Eine Bedrohung der Stabilität des Finanzsystems stellt dann ein den Unrechtsgehalt der Tat erhöhendes Kriterium dar, was im Rahmen der Strafzumessung entsprechend berücksichtigt werden kann und muss.618 Ist der Tatbestand des § 54a KWG verwirklicht, kann also die Stabilität des Finanzsystems tangiert sein, sie muss es aber nicht zwingend. Ähnliches gilt für die Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft durch Missstände im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen. Spürbare Nachteile oder auch nur eine Gefahr von Nachteilen werden sich im Falle der Bestandsgefährdung eines einzelnen, nicht systemrelevanten Instituts kaum je ergeben. Bei systemrelevanten Instituten und einer durch ihre Bestandsgefahr ausgelösten Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems ist allerdings von Gefahren und gegebenenfalls auch spürbaren Nachteilen für die Gesamtwirtschaft auszugehen. Auch die Vermeidung solcher Gefahren ist durch § 54a KWG bezweckt und ihre Erfassung kann in einem Teil der Fälle, die § 54a KWG unterfallen, auch erreicht werden. Fälle, in denen die Stabilität des Finanzsystems und/oder die Gesamtwirtschaft tangiert ist bzw. sind, stellen dabei zugleich die schwerwiegenderen Fälle einer Tatbestandsverwirklichung dar. Anknüpfend an die Bestandsgefahr und das Drohen korrigierender Maßnahmen wird teilweise zur Diskussion gestellt, § 54a KWG diene dem Schutz des Vermögens des Fiskus.619 Der Schutz des Fiskus kann allerdings ebenfalls nur bei systemrelevanten und damit potenziell einer staatlichen Rettung unterfallenden Banken in Rede stehen, die jedoch nicht den alleinigen Anwendungsbereich des § 54a KWG ausmachen. Außerdem tritt der Schutz des Vermögens des Fiskus vielmehr als Reflex ein, wenn die Stabilität des Finanzsystems insgesamt und auch die Gesamtwirtschaft geschützt sind. Denn sind diese nicht gefährdet, wird man sich nicht veranlasst sehen, in ihrem Bestand gefährdete Banken notfalls durch eine Gewährung außerordentlicher finanzieller Mittel zu retten. In jedem Fall der Tatbestandsverwirklichung dient § 54a KWG dem Schutz der den Geschäftsleitern anvertrauten Vermögenswerte. Dies ist gewissermaßen der Sockel des von § 54a KWG bezweckten und erreichbaren Rechtsgüterschutzes. Denn in der dem Tatbestand nach erforderlichen Bestandsgefahr und der damit verbundenen Gefahr für die angetrauten Vermögenswerte liegt der stets gegebene Angriff auf das Rechtsgut Vermögen. Auch wenn die in den Gesetzesmaterialien 616 Zum Vorschlag einer solchen und zu den gegen sie sprechenden Argumenten oben S. 166 ff. 617 So aber Wastl, WM 2013, 1401, 1402. 618 Hierzu noch unten S. 320 f. 619 Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 338.

314

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

mehrfach verwendete Formulierung, § 54a KWG diene der Sicherung der angetrauten Vermögenswerte620, unweigerlich an § 266 StGB erinnert, sind im Rahmen des § 54a KWG anders als bei § 266 StGB auch die Gläubiger des Instituts in ihrer Gesamtheit und deren Interessen als erfasst und geschützt anzusehen. Denn zum einen dürfte sich der Strafgesetzgeber bei der Formulierung der Gesetzesbegründung weniger an § 266 StGB, sondern vielmehr an § 6 Abs. 2 KWG orientiert haben.621 Zum anderen bedeutet eine Bestandsgefahr als konkrete Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs anders als ein gegebenenfalls verhältnismäßig geringer Vermögensschaden im Sinne des § 266 StGB stets auch eine Gefahr für die Interessen der Gläubiger des Instituts.622 Insoweit drängt sich eine Parallele zu § 283 StGB auf, in dessen Absatz 2 es ebenfalls um das Herbeiführen einer Krisensituation geht und bei dem der Gläubigerschutz im Vordergrund steht.623 Anvertraute Vermögenswerte und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger sind also bei jeder Tatbestandserfüllung des § 54a KWG tangiert. Eine etwaige Systemrelevanz spielt insoweit keine Rolle. Mit der vom Tatbestand geforderten Bestandsgefährdung dürfte regelmäßig auch eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen einhergehen, da die Bestandsgefährdung als Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen eine Krisensituation darstellt, in der es in erster Linie darum gehen wird, die Bank wieder aus dem Stadium der Bestandsgefahr herauszuführen. Eine ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen kann in einer solchen Notsituation durchaus beeinträchtigt sein. Festzuhalten ist, dass nicht alle vom Gesetzgeber mit § 54a KWG verfolgten Ziele im Falle einer Tatbestandserfüllung einschlägig sind. Der Schutz der Stabilität des Finanzsystems sowie der Schutz der Gesamtwirtschaft vor Nachteilen stehen nur in einem Teil der tatbestandsmäßigen Fälle in Rede. Diese stellen allerdings zugleich die ihrem Unrechtsgehalt nach bedeutsamen Fälle dar. Dass nicht bei jeder Tatbestandsverwirklichung der Schutz aller vom Gesetzgeber angegebenen Rechtsgüter erreicht wird, bedeutet allerdings nicht, dass die nur in manchen Fällen betroffenen Schutzgüter nicht als solche des § 54a KWG anzusehen wären. Sie können zu den stets betroffenen Schutzgütern im Einzelfall hinzutreten.

620 621 622 623

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 28, 29, 44. s. o. S. 158. Zu dieser Schutzrichtung bereits oben S. 159 f. s. o. S. 126 ff., 138 ff.

D. Eignung des Tatbestandes hinsichtlich des Rechtsgüterschutzes

315

II. Schutz des Bankenaufsichtswesens nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG? Angesichts der mit § 54a Abs. 3 KWG bewirkten massiven Änderungen in der Deliktsstruktur könnte inzwischen eine andere Stoßrichtung des § 54a KWG gegeben sein mit der Folge, die in der Entwurfsbegründung dargelegten Schutzzwecke als überholt zu erachten. § 54a KWG könnte in seiner verabschiedeten Fassung vornehmlich der Sicherung des Bankenaufsichtswesens dienen. Ein solcher Zweck lässt sich den Gesetzesmaterialien zwar nicht entnehmen, die spätere Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG aber legt den Gedanken nahe, die Strafdrohung des § 54a KWG diene dazu, Druck aufzubauen im Hinblick auf eine weitestmögliche Befolgung der Anordnung, welche die BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG erlässt. Hieran anknüpfend heißt es teilweise, § 54a KWG sanktioniere in der Gesetz gewordenen Fassung nur scheinbar Verstöße gegen die Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und schütze daher auch nur scheinbar das Risikomanagement als solches. Aufgrund des Erfordernisses eines Zuwiderhandelns gegen die Anordnung der BaFin sei nicht die Implementierung eines unzureichenden Risikomanagements strafbar, sondern allein die Nichtumsetzung eines behördlichen Verwaltungsaktes und damit der reine Verwaltungsungehorsam.624 Eine solche Betrachtungsweise ist unter anderem aus dem verwaltungsakzessorisch geprägten Umweltstrafrecht bekannt. Dort wird etwa zu § 327 StGB die Auffassung vertreten, dass dessen Schutzgut weder der Mensch, noch ein bestimmtes Umweltmedium sei, sondern die behördliche Prüfungs- und Entscheidungskompetenz bei der Zulassung und Überwachung potentiell umweltgefährdender Anlagen. Administrative Kontroll- und Überwachungsinteressen im Interesse der Gefahrenvermeidung gewönnen strafrechtlich ein solches Gewicht, dass sie zum eigenständigen Schutzgut aufgewertet würden. Dabei würde der Begriff des „bloßen Verwaltungsunrechts“ das in der Missachtung des verwaltungsbehördlichen Feststellungssystems verkörperte Unrecht verharmlosen. Die verwaltungsrechtliche Gefahrenkontrolle stehe schließlich nicht als sinnfreier Wert für sich im Zentrum des § 327 StGB, hinter ihr stünden vielmehr bedeutsame und elementare Ordnungs-, Sicherheits- und Kontrollinteressen, deren Beachtung ein elementares Interesse der Gesellschaft und des Einzelnen darstelle.625 Auch § 54a KWG ist stark verwaltungsakzessorisch geprägt und knüpft nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG die Strafbarkeit an einen Verstoß gegen eine behördliche Anordnung. Der Gedanke, strafbar sei nicht (mehr) die Implementierung eines unzureichenden Risikomanagements, sondern allein die Nichtumsetzung eines behördlichen Verwaltungsaktes, liegt deshalb nur allzu nahe. 624

s. Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 271; ähnlich Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 124; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 22; Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 7. In diese Richtung auch Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 49. 625 So etwa BeckOK-StGB-Witteck, § 327 Rn. 6 ff. m.w.N.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Dieser Gedanke lässt jedoch unberücksichtigt, dass § 54a KWG keinen klassischen Fall eines verwaltungsaktsakzessorischen Straftatbestandes darstellt. Seine in Absatz 3 enthaltene Verwaltungsaktsakzessorietät ist vielmehr deutlich limitiert. Eine Strafbarkeit nach § 54a KWG scheidet nämlich, wie bereits erörtert626, immer aus, wenn es an einem Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG fehlt und dies unabhängig davon, ob womöglich daneben einer vollziehbaren Anordnung der BaFin zuwidergehandelt wurde. Angesichts dieser limitierten Verwaltungsaktsakzessorietät kann nicht damit argumentiert werden, den Kontroll- und Überwachungsinteressen der Aufsicht sei ein derart großes Gewicht beizumessen, dass sie ein eigenständiges strafrechtliches Schutzgut darstellen würden. Dieses Gewicht haben sie im Rahmen der derzeitigen Fassung des § 54a KWG nicht bzw. es kommt aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Tatbestandes jedenfalls nicht zum Tragen. § 54a KWG dient in der geltenden Fassung daher nicht dem Schutz des Bankenaufsichtswesens, sondern weiterhin den in der Entwurfsbegründung genannten Zielen. Ein hiervon abweichender gesetzgeberischer Wille ist auch nicht erkennbar. Dass durch die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG die Stoßrichtung des Tatbestandes geändert und im Wesentlichen die Entscheidungskompetenz der BaFin geschützt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Die Änderung stellte vielmehr eine Reaktion auf die während des Gesetzgebungsverfahrens formulierte Kritik an der Unbestimmtheit des § 54a KWG dar. Sollte in Zukunft über eine Streichung des Absatzes 1 und damit eine alleinige Anknüpfung des Tatverhaltens an eine Zuwiderhandlung gegen die aufsichtsbehördliche Anordnung nachgedacht werden627, so würde sich die Frage, ob § 54a KWG (allein) dem Schutz des staatlichen Kreditaufsichtswesens dient, freilich stellen.

III. Zwischenergebnis Dem nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG naheliegenden Gedanken, geschützt sei nunmehr allein oder wenigstens primär das staatliche Kreditaufsichtswesen, steht die limitierte Verwaltungsaktsakzessorietät des § 54a KWG entgegen. Die Einfügung des Absatzes 3 hat nichts an den in der Entwurfsfassung angegebenen Zielen des § 54a KWG geändert. Dies sollte sie auch nicht. Allerdings sind nicht bei jeder Erfüllung des Tatbestandes alle in der Gesetzesbegründung angegebenen Rechtsgüter betroffen. Stets gefährdet ist lediglich das angetraute Vermögen. Dessen Schutz erfolgt im Rahmen des § 54a KWG auch im Interesse der Gläubiger. Hier liegt der Sockel des mit § 54a KWG bezweckten und bei einer Tatbestandserfüllung in Rede stehenden Rechtsgüterschutzes. Der Schutz der Stabilität des Finanzsystems sowie der Schutz der Gesamtwirtschaft vor Nachteilen stehen nur bei einem Teil der tat626 627

s. o. S. 223 ff. Hierzu noch unten S. 365 f.

E. Rechtsfolgen

317

bestandlichen Fälle in Rede. Diese sind zugleich die ihrem Unrechtsgehalt nach bedeutsamen Fälle, was in der Strafzumessung Ausdruck finden muss. Der möglicherweise erfolgende Schutz des Fiskus ist demgegenüber ein reiner Reflex des vorgenannten Rechtsgüterschutzes.

E. Rechtsfolgen Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts ist zum einen die Frage, ob der Strafrahmen des § 54a KWG angemessen gewählt wurde [I.] und zum anderen die Frage, welche Leitlinien im Falle einer Tatbestandsverwirklichung für die Strafzumessung gelten sollten [II.].

I. Angemessenheit des Strafrahmens Im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung der Bestandsgefahr wird die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 54a Abs. 1 KWG), im Falle einer nur fahrlässigen Herbeiführung beträgt die Freiheitsstrafe im Höchstmaß zwei Jahre (§ 54a Abs. 2 KWG). Während der Gesetzgeber bezüglich des in § 54a Abs. 2 KWG gewählten Strafrahmens eine Erklärung schuldig bleibt, führt er zum Strafrahmen des § 54a Abs. 1 KWG aus, dass er dadurch dem besonderen Unwertgehalt Rechnung trage, der in der Verursachung der Unternehmenskrise und der damit einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liege.628 Wie bereits erwähnt lässt diese Formulierung vermuten, dass der Gesetzgeber sich mit dem Zusammenspiel von Bestands- und Systemgefahr nicht eingehend auseinandergesetzt hat.629 Die Angemessenheit des gewählten Strafrahmens bedarf nicht zuletzt deshalb näherer Betrachtung. Dabei soll auch vergleichend auf die Strafandrohungen in den §§ 266, 283 StGB eingegangen werden. § 266 Abs. 1 StGB sieht einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vor, in besonders schweren Fällen beträgt er bis zu zehn Jahre, § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB. Ein besonders schwerer Fall liegt nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB in der Regel vor, wenn der Täter einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung des Tatbestandes eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Die Annahme eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes

628 629

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. s. o. S. 177.

318

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

kommt dabei regelmäßig in Betracht, wenn der verursachte Schaden mehr als 50.000 E beträgt.630 Vergegenwärtigt man sich an dieser Stelle noch einmal die immensen Summen, mit denen in der Finanzkrise zahlreiche Banken durch staatliche Intervention gerettet wurden, und ergänzt man dieses Bild um die zahlreichen Gläubiger, deren Vermögen angesichts der Schieflage zahlreicher Banken zumindest gefährdet waren631, so wird deutlich, welchen Unrechtsgehalt § 54a KWG mit dem Erfordernis einer Bestandsgefahr und mit einer eventuell hinzutretenden Destabilisierung des Finanzsystems erfassen soll. Gerade in der kumulativen Betroffenheit liegt ein den Unrechtsgehalt maßgeblich prägendes Element. Betroffen sind schließlich neben all denjenigen, die einen direkten Bezug zu den Vermögensverhältnissen der Bank haben, auch die Steuerzahler, welche die finanzielle Last der gegebenenfalls erfolgenden Bankenrettungen tragen. Im Vergleich zum doppelt so hohen Strafrahmen der besonders schweren Untreue erscheint der Strafrahmen der vorsätzlichen Verwirklichung des § 54a KWG somit als zu niedrig.632 Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass es sich bei § 54a KWG anders als bei § 266 StGB um ein Gefährdungs- und kein Verletzungsdelikt handelt. Dies legt prima facie zwar einen geringeren Strafrahmen nahe. § 54a KWG verlangt aber zum einen mit der Bestandsgefahr zumindest einen konkreten Gefahrenerfolg und weist zum anderen angesichts des Schutzes auch kollektiver Interessen eine grundlegend andere Schutzrichtung auf. Der Strafrahmen der vorsätzlichen Verwirklichung des § 54a KWG sollte aufgrund der höchst unterschiedlichen Auswirkungen, die mit der Bestandsgefahr 630 Ausführlich hierzu BGHSt 48, 360, 362 ff., allerdings in Bezug auf § 263 StGB und offen lassend, ob dies auch für § 266 StGB ohne Weiteres gelten soll. BGH NZG 2013, 268, 270 scheint von dieser Wertgrenze auch für § 266 StGB auszugehen. Eine Übertragung dieser Grenze auf den Untreuetatbestand ablehnend indes SSW-Saliger, § 266 Rn. 135 unter Verweis auf die deutlich höhere durchschnittliche Schadenssumme in Untreuefällen gegenüber Fällen des Betruges. 631 Zu Recht spricht MG-Richter, § 76 Rn. 11 von der Finanzkrise als einer „Krise des Gläubigerschutzes“. Fragen des Einlagensicherung sollen hier unberücksichtigt bleiben. 632 So auch Kasiske, ZIS 2013, 257, 264; zustimmend Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 43. Wastl, WM 2013, 1401, 1404 macht insoweit „offenkundig nicht ausreichend berücksichtigte Wertungswidersprüche“ aus. Dem Einwand, es handele sich bei § 54a KWG nur um ein abstraktes Gefährdungsdelikt und es gehe nicht um einen Schadenserfolg (so MüKoStGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 33), muss entgegengetreten werden, da § 54a KWG einen solchen in Form der Bestandsgefahr sehr wohl verlangt (s. im Einzelnen oben S. 281 ff.). Auch der von Janssen gegenüber Kasiske formulierten Kritik, es sei nicht überzeugend, dem Gesetzgeber vorzuschlagen, es anstelle von § 54a KWG bei einer Ordnungswidrigkeit zu belassen und gleichzeitig einen erhöhten Strafrahmen parallel zu § 283a StGB von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe zu fordern, kann nicht gefolgt werden. Denn Kasiske bezieht die Vorzugswürdigkeit einer Ordnungswidrigkeit allein auf den Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung der BaFin losgelöst von einer etwaig hinzutretenden Bestandsgefährdung. Die Forderung nach einem Strafrahmen von 10 Jahren bezieht er auf den Fall, dass eine Bestandsgefährdung des Instituts herbeigeführt wird, s. Kasiske, ZIS 2013, 257, 261, 264.

E. Rechtsfolgen

319

verbunden sein können, breit gefächert sein. Die vom Tatbestand erfasste Spanne an Sachverhalten reicht schließlich nach hier vertretener Auffassung633 von der Bestandsgefährdung einer kleinen, nicht systemrelevanten Bank bis hin zur Bestandsgefährdung einer hochgradig systemrelevanten Großbank, die gegebenenfalls staatliche Hilfen in Milliardenhöhe erhält, um Schäden vom Finanzsystem und der Gesamtwirtschaft abzuwenden. In Anlehnung an den besonders schweren Fall der Untreue erscheint dabei eine obere Strafrahmengrenze von zehn Jahren Freiheitsstrafe angemessen, die Untergrenze für die vorsätzliche Verwirklichung des § 54a KWG sollte bei sechs Monaten liegen.634 Durch einen derart weit gespreizten Strafrahmen ließe sich der Verschiedenheit der einzelnen Fallgestaltungen angemessen Rechnung tragen. Die Erhöhung der Untergrenze des Strafrahmens auf sechs Monate lässt sich insbesondere damit begründen, dass mit § 54a Abs. 3 KWG im Vergleich zur Entwurfsfassung ein deutlich strafbarkeitseinschränkendes Element eingeführt worden ist. Diese Ergänzung des Tatbestandes veranlasste den Gesetzgeber allem Anschein nach leider nicht dazu, den zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens gewählten Strafrahmen zu überdenken. Die Angemessenheit eines Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren für § 54a Abs. 1 KWG sieht sich durch einen Vergleich mit dem Bankrottstrafrecht bestätigt.635 § 283 StGB sieht im Regelfall zwar lediglich einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor, dieser erhöht sich aber in besonders schweren Fällen auf sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, § 283a S. 1 StGB. Ein besonders schwerer Fall liegt dabei in der Regel vor, wenn der Täter wissentlich viele Personen in die Gefahr des Verlustes ihrer ihm anvertrauten Vermögenswerte bringt, § 283a S. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB. Dieses Regelbeispiel betrifft in erster Linie Banken, (Bau-)Sparkassen und Genossenschaftskassen.636 Hinsichtlich der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Variante in § 54a Abs. 2 KWG sollte an dem nach unten offenen Strafrahmen festgehalten werden. Angesichts der hier präferierten Erhöhung des Strafrahmens der vorsätzlichen Begehungsweise sollte die Obergrenze des Strafrahmens in § 54a Abs. 2 KWG aus denselben Gründen entsprechend angepasst werden. Dabei erscheint eine Anhebung des Höchstmaßes auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe angemessen. Zwar liegt das Handlungsunrecht in den Fällen des § 54a Abs. 2 KWG deutlich unter dem der vorsätzlichen Begehungsweise, weil die Herbeiführung der Bestandsgefahr nicht vom Vorsatz erfasst ist. Das Erfolgsunrecht kann aber die gleichen erheblichen Ausmaße annehmen wie bei § 54a Abs. 1 KWG. Zudem wirkt auch hier die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG straf633 Zur Ablehnung einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute oben S. 174 ff. 634 Dass der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum auch eine schärfere Vorschrift getragen hätte, meint auch Schröder, WM 2014, 100, 106. 635 Ebenso Kasiske, ZIS 2013, 257, 264. 636 Vgl. RegE BT-Drucks. 7/3441 S. 37; Fischer, § 283a Rn. 3; NK-Kindhäuser, § 283a Rn. 5; S/S-Heine/Schuster, § 283a Rn. 5; LK-Tiedemann, § 283a Rn. 6.

320

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

barkeitseinschränkend und rechtfertigt damit einen im Vergleich zur derzeitigen Fassung erhöhten Strafrahmen. Die Angemessenheit des insoweit vorgeschlagenen Strafrahmens sieht sich ebenfalls durch einen Vergleich mit dem Bankrottstrafrecht bestätigt. § 283 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 StGB bewehrt die leichtfertige Verursachung einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Die Annahme eines besonders schweren Falls nach § 283a StGB scheidet dabei aus, weil dieser sich nur auf § 283 Abs. 1–3 StGB bezieht. Eine im Vergleich dazu leicht erhöhte Höchststrafe von drei Jahren in § 54a Abs. 2 KWG ließe sich durchaus mit der strafbarkeitseinschränkenden Wirkung der spät im Gesetzgebungsverfahren noch eingefügten Anordnung der BaFin und dem maßgeblich auch auf kollektive Interessen abzielenden Schutzzweck des § 54a KWG rechtfertigen.

II. Strafzumessungsaspekte Im Rahmen der Strafzumessung sollte zwei Faktoren besonderes Gewicht beigemessen werden: Zum einen den über das einzelne Institut hinausgehenden Auswirkungen der Bestandsgefahr [1.] und zum anderen der Aufgabe des Geschäftsleiters, die ihm nach der internen Zuständigkeitsverteilung zukommt [2.]. 1. Auswirkungen der Bestandsgefahr Im Rahmen der Strafzumessung muss insbesondere danach gefragt werden, ob das in seinem Bestand gefährdete Institut eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems und/oder die Gesamtwirtschaft darstellte und falls ja wie massiv die Auswirkungen seines Zusammenbruchs gewesen wären. Der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und gegebenenfalls auch der Gesamtwirtschaft sollte ein erheblich strafschärfendes Gewicht beigemessen werden.637 Bei der Feststellung der Systemrelevanz des im Bestand gefährdeten Instituts und damit der Beurteilung, ob von ihm derartige Gefahren ausgingen, kann auf die vormals in § 48b Abs. 2 KWG a.F., § 67 Abs. 2 SAG a.F.638 sowie auf die in den §§ 10 f, 10 g KWG niedergelegten Kriterien zurückgegriffen werden. Behördliche Einschätzungen einer vorhandenen oder nicht vorhandenen Systemrelevanz dürfen allerdings nur als – wenn auch faktisch wohl entscheidende – Hilfestellung bemüht werden, denn die strafzumessungserheblichen Tatsachen unterliegen in der Hauptverhandlung in gleicher Weise dem Strengbeweis wie die Tatsachen, die für die 637 Die Berücksichtigung des Eintritts einer Systemgefährdung im Strafmaß entspricht auch dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen, vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 44. Eine solche fordern auch Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 34; Reischauer/KleinhansBrogl, KWG, § 54a Rn. 13. 638 Zu deren Aufhebung oben S. 168 f.

F. Teilnahme

321

Schuldfrage von Bedeutung sind639. Das heißt, dass das Strafgericht eigenständig nach den Grundsätzen der §§ 244–260 StPO feststellen muss, ob und inwieweit das in Rede stehende Institut systemrelevant war. Hinsichtlich der Schwierigkeiten, die Systemrelevanz zu bestimmen, sei auf die Ausführungen im Rahmen der Bestimmung des Adressatenkreises verwiesen.640 Dass die Systemrelevanz keine binäre Eigenschaft ist und Abstufungen zugänglich ist, lässt sich (anders als bei der Bestimmung des Adressatenkreises) im Rahmen der Strafzumessung angemessen berücksichtigen, da an dieser Stelle das nötige Maß an Flexibilität besteht. 2. Pflichtenkreis des Täters vor Erlass der Anordnung Neben der Berücksichtigung der Systemrelevanz des in seinem Bestand gefährdeten Instituts sollte bei der Strafzumessung von Bedeutung sein, ob der betroffene Geschäftsleiter bereits ursprünglich ressortmäßig für die Einhaltung der Risikomanagementvorgaben verantwortlich war oder ob ihn als nicht ressortverantwortlichen Geschäftsleiter zunächst nur eine Kontroll- und Überwachungspflicht traf. Letzteres sollte strafmildernd berücksichtigt werden. Zwar trifft infolge des Grundsatzes der Gesamtverantwortung auch nicht ressortmäßig mit dem Risikomanagement betraute Geschäftsleiter eine Verantwortung für das Entstehen einer Situation, in der sich die Aufsichtsbehörde zum Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG entscheidet.641 Aufgrund der einen nicht ressortverantwortlichen Geschäftsleiter zunächst treffenden abgemilderten (Überwachungs-)Pflicht dürfte dessen Verantwortlichkeit allerdings regelmäßig geringer einzustufen sein als diejenige eines ressortverantwortlichen Geschäftsleiters.

F. Teilnahme § 54a KWG ist ein echtes Sonderdelikt, Täter können nur die nach § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verpflichteten Geschäftsleiter sein. Eine Teilnahme ist aber nach allgemeinen Regeln möglich. Als Anstifter oder Gehilfen kommen neben anderen Geschäfsleitern Gesellschafter oder Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsrats, aber auch sonstige Dritte, vor allem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsleiterebene, in Betracht.642 Ihnen kommt dann allerdings eine obligatorische Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 639

Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1274. s. o. S. 167 ff. 641 Zur Gesamtverantwortung oben S. 249 ff., zu den jeweiligen Pflichten oben S. 260 ff. 642 Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 2; Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 330; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 31. Wohl zu weitgehend der potenzielle Teilnehmerkreis nach MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 11. 640

322

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zugute.643 Die Geschäftsleitereigenschaft, die § 54a KWG voraussetzt, ist ein besonderes persönliches Merkmal strafbegründender Natur, weil sie an die besondere Pflichtenstellung des Geschäftsleiters anknüpft.644 Sollte der Teilnehmer Gehilfe sein, müsste zudem nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB eine weitere Strafmilderung erfolgen. Die Hürden für eine Teilnahmestrafbarkeit sind allerdings hoch. Schon der Nachweis einer Haupttat bereitet, wie dargelegt wurde, kaum überwindbare Schwierigkeiten. Erst recht gilt dies für den Nachweis einer Teilnahme. In subjektiver Hinsicht muss der Teilnehmer Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat haben. Hier tauchen ähnliche Schwierigkeiten auf, wie sie für den Geschäftsleiter als Haupttäter bereits beschrieben wurden.645 Nicht nur wird es kaum nachweisbar sein, dass der Teilnehmer Vorsatz hatte hinsichtlich der Herbeiführung einer Bestandsgefahr. Auch wird kaum nachweisbar sein, dass er Vorsatz hatte bezüglich des Zuwiderhandelns des Geschäftsleiters gegen die an diesen gerichtete Anordnung der BaFin. Dies aber ist nötig, wenn man § 54a Abs. 3 KWG, wie hier vertreten646, als Element des Tatbestandes ansieht. Ist die Haupttat eine solche nach § 54a Abs. 2 KWG, so schließt dies eine Teilnahme nicht aus, vgl. § 11 Abs. 2 KWG. Dann aber muss auch den Teilnehmer in eigener Person im Hinblick auf den Eintritt des Gefahrenerfolges wenigstens ein Fahrlässigkeitsvorwurf treffen.647 Weiß er von der Anordnung der BaFin (und das muss er, weil er infolge der hier vorgenommenen Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG als Teil des Tatbestandes auch Vorsatz bezüglich des Verstoßes gegen selbige haben muss), so dürfte die Hürde der Vorhersehbarkeit der Bestandsgefährdung auch im Bereich der Teilnahme jedenfalls nicht unüberwindbar sein. Allerdings gilt auch für den Teilnehmer, dass die Erkennbarkeit der Herbeiführung des Gefahrenerfolges bereits vor Erlass der Anordnung der BaFin gegeben sein muss. Theoretisch können auch Mitarbeiter der BaFin über die Teilnahme an § 54a KWG in den strafrechtlichen Fokus rücken. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens wurde insoweit die Befürchtung geäußert, dass sich die Aufsicht künftig schon aus Eigeninteresse mit Beratung oder einer informellen Abstimmung von Risikomanagementprozessen eher zurückhalten werde, weil auch Mitarbeiter der

643 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849; Erbs/Kohlhaas-Häberle, § 54a KWG Rn. 2; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 54a Rn. 31; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 10. 644 Zur umstrittenen Bestimmung der besonderen persönlichen, täterbezogenen Merkmale statt vieler MüKo-StGB-Joecks, § 28 Rn. 17 ff. 645 s. o. S. 301 ff. 646 Zur dogmatischen Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG oben S. 200 ff. 647 Allg. Meinung, statt vieler SK-StGB-Rudolphi/Stein, § 11 Rn. 52.

G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB

323

Bankenaufsicht Gefahr laufen würden, bei vorsätzlicher Beihilfe zu inadäquaten Organisationsmaßnahmen strafrechtlich belangt zu werden.648 Diese Befürchtung ist unberechtigt. Das Handeln der Mitarbeiter der BaFin zielt grundsätzlich auf die Erfüllung der in § 6 Abs. 2 KWG genannten Aufgaben. Spätestens auf der Ebene des Vorsatzes dürfte daher eine Beihilfestrafbarkeit ausscheiden. Denn auch Mitarbeiter der BaFin müssten mit Gefährdungsvorsatz hinsichtlich einer Bestandsgefahr handeln. Ein solcher Vorsatz ist bereits bei den Geschäftsleitern regelmäßig fraglich und kaum nachzuweisen. Bei Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde dürfte er gänzlich fehlen. Auch Vorsatz hinsichtlich der Zuwiderhandlung des Geschäftsleiters gegen die Anordnung der BaFin wird regelmäßig nicht vorliegen, denn greift die BaFin zum Mittel der Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG, so wird sie bzw. werden ihre Mitarbeiter die Befolgung der Anordnung wünschen. Dass im Einzelfall ein Mitarbeiter der BaFin das Gegenteil zumindest billigend in Kauf nimmt und dass sich dies auch noch beweisen lässt, scheint ausgeschlossen. Ein tatsächliches Strafbarkeitsrisiko für Mitarbeiter der BaFin besteht daher nicht. Dies gilt auch, wenn die Haupttat eine solche nach § 54a Abs. 2 KWG ist. § 54a KWG wird also entgegen teilweise geäußerter Bedenken nicht zu einem defensiveren Agieren der Aufsicht führen aufgrund der Befürchtung ihrer Mitarbeiter, selbst strafrechtlich belangt zu werden. Das Strafbarkeitsrisiko der Mitarbeiter der BaFin tendiert gegen Null, das Strafbarkeitsrisiko anderer potentieller Teilnehmer liegt kaum höher.

G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB § 54a KWG wirft in erster Linie Fragen im Verhältnis zur Untreue auf [I.]. Allenfalls selten dürfte es zu konkurrenzrechtlichen Fragen mit § 283 StGB kommen [II.]. Durch dasselbe Verhalten begangene Ordnungswidrigkeiten treten zurück, § 21 Abs. 1 OWiG.

I. Verhältnis zur Untreue Neben der Frage nach einem möglichen Konkurrenzverhältnis zwischen § 54a KWG und § 266 StGB bei einer Verwirklichung beider Tatbestände [1.] bedarf näherer Betrachtung, ob § 54a KWG nicht schon ganz grundsätzlich Verdrängungswirkungen entfaltet gegenüber dem Tatbestand der Untreue, weil er für eine strafrechtliche Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben ein Mehr an Voraussetzungen gegenüber § 266 StGB normiert [2.]. Möglicherweise 648 Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme, S. 24. Gefahren einer Beihilfestrafbarkeit mit negativen Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Finanzinstituten und Aufsichtsbehörden sieht auch Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 127.

324

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

könnte die Existenz des § 54a KWG auch willkommene Rückwirkungen in Bezug auf den Tatnachweis im Rahmen anderer Straftatbestände wie § 266 StGB haben [3.]. 1. Konkurrenzverhältnis Während teilweise bereits die Möglichkeit einer parallelen Strafbarkeit nach § 54a KWG und § 266 StGB bei der Anknüpfung an die Verletzung für Risikomanagementvorgaben als ausgeschlossen erachtet wird649, gehen andere Autoren davon aus, dass Fälle des § 54a Abs. 1, Abs. 3 KWG grundsätzlich auch § 266 StGB erfüllen würden.650 Die vorliegende Untersuchung hat eingangs gezeigt, dass eine Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorschriften für § 266 StGB bereits im Ansatz zweifelhaft ist und jedenfalls in der Praxis kaum überwindbare Anwendungsprobleme aufwirft. In Erinnerung gerufen seien die bei einer solchen Anknüpfung gegebenen Nachweisschwierigkeiten in Bezug auf die Erfolgszurechnung, der begrenzte und insoweit hinderliche Schutzzweck des § 266 StGB sowie die Probleme, die auftauchen, wenn man im Rahmen der Untreue ein unmittelbares Beruhen des Vermögensnachteils auf der Pflichtwidrigkeit verlangt.651 Soweit die Möglichkeit bejaht wird, sich zugleich nach § 54a KWG und nach § 266 StGB strafbar zu machen, heißt es in Bezug auf das Konkurrenzverhältnis oftmals, es sei dann Tateinheit gegeben.652 Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 54a KWG und § 266 StGB müssen indes zwei Konstellationen unterschieden werden: Unterschieden werden muss, ob § 266 StGB durch eine Anknüpfung an Fehlverhalten im Bereich des Risikomanagements verwirklicht wurde (dass dies überhaupt möglich ist, sei an dieser Stelle unterstellt) oder aber ob im Rahmen der Untreue an ein anderes Verhalten, insbesondere an die Geschäftstätigkeit als solche, angeknüpft wurde. Diese Unterscheidung ist in der bisherigen Diskussion nicht immer mit der nötigen Deutlichkeit erfolgt.653 Lediglich im erstgenannten Fall läge zweifelsfrei Tateinheit vor. Allerdings dürften derartige Fälle in der Praxis kaum vorkommen, denn im Rahmen des § 266 StGB wird regelmäßig an die Geschäftstätigkeit als solche angeknüpft. Da bei § 54a KWG das Tatverhalten aber in der Missachtung von Organisationspflichten und einer 649

So etwa Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 342. § 54a KWG setze dort an, wo die Grenzen des § 266 Abs. 1 StGB enden würden. 650 s. etwa Wastl, WM 2013, 1401, 1404; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 44. Etwas vorsichtiger in der Formulierung Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 103; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205. 651 Dazu im Einzelnen oben S. 93 ff., 107 f., 118 ff. 652 Erbs/Kohlhaas-Eisele, § 54a KWG Rn. 7; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 37; B/ F/S-Lindemann, KWG § 54a Rn. 22; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 54a Rn. 25; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205. 653 Nicht deutlich, im Ergebnis aber wohl zutreffend die Ausführungen von Wastl, WM 2013, 1401, 1404; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205. Klar hingegen Erbs/Kohlhaas-Eisele, § 54a KWG Rn. 7; MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 37.

G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB

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Zuwiderhandlung gegen eine aufsichtsbehördliche Anordnung liegt, erscheint für diese ungleich wahrscheinlichere Konstellation der Verwirklichung beider Tatbestände die Annahme von Tateinheit äußerst fragwürdig, denn zusammentreffen würden ein zeitlich sich erstreckendes Unterlassungsdelikt654 (§ 54a KWG durch die Nichteinhaltung von Organisationsvorgaben) und ein Begehungsdelikt (§ 266 StGB durch die Geschäftstätigkeit). Das Konkurrenzverhältnis in derartigen Fällen ist noch nicht abschließend geklärt.655 Nach der früheren Rechtsprechung scheiterte die Annahme von Tateinheit zwischen einem (echten) Unterlassungs- und einem Begehungsdelikt an der mangelnden Identität der Ausführungshandlung bzw. genauer gesagt des Ausführungsverhaltens.656 Auch im Schrifttum wird betont, ein Unterlassen und ein positives Tun würden sich nicht auch nur teilweise decken, sondern lediglich zeitlich zusammentreffen, sodass Realkonkurrenz anzunehmen sei.657 Hingegen wurde in späteren Entscheidungen die Möglichkeit von Tateinheit bejaht, etwa wenn gerade das Tun der Erfüllung des dem Unterlassungsdelikt zugrunde liegenden Handlungsgebotes entgegensteht.658 Dies trifft aber auf die hier interessierenden Fälle nicht zu, da die konkrete Geschäftstätigkeit der Erfüllung von Risikomanagementvorgaben nicht entgegensteht. Tateinheit dürfte zwar dann in Betracht kommen, wenn das Unterlassungsdelikt ein Dauerdelikt darstellt und das Begehungsdelikt der Aufrechterhaltung dieses Zustandes dienen soll, es also nur zu einer einfachen, lediglich quantitativ gesteigerten Tatbestandsverwirklichung kommt.659 Zum einen käme es bei gleichzeitiger Verwirklichung von § 266 StGB und § 54a KWG aber zu einer qualitativ gesteigerten Tatbestandsverwirklichung, da schon die Taterfolge und Schutzrichtungen der beiden Tatbestände unterschiedlich sind, zum anderen stellt § 54a KWG auch kein Dauerdelikt dar660, denn Dauerdelikte sind Straftaten, bei denen der Täter den von ihm in deliktischer Weise geschaffenen rechtswidrigen Zustand willentlich aufrechterhält oder die deliktische Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, so dass sich der strafrechtliche Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands bezieht661. Bei § 54a KWG hingegen wird durch ein fortdauerndes Unterlassen eine schließlich eintre654

Zu § 54a KWG als Unterlassungsdelikt oben S. 195, 262. Lackner/Kühl, § 52 Rn. 7. Zum Meinungsstand LK-Rissing-van-Saan, § 52 Rn. 14 f. m.w.N. 656 BGHSt 6, 229, 230. 657 Roxin, AT II, § 33 Rn. 88; Jescheck/Weigend, AT, § 67 III 4. 658 So für das Verhältnis von Verkehrsunfallflucht und unterlassener Hilfeleistung BGH bei Martin, DAR 1960, 57, 67; ähnlich BGH NJW 1987, 199. 659 So etwa im Fall, dass der Täter einen anderen Menschen einsperrt und nicht wieder freilässt, Beispiel nach MüKo-StGB-von Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 72. 660 A.A. Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 127. 661 BGHSt 42, 215, 216 m.w.N.; BeckOK-StGB-von Heintschel-Heinegg, Deliktstypen, Rn. 9; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, vor §§ 52 ff. Rn. 81. 655

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

tende Bestandsgefahr erst kontinuierlich herbeigeführt, nicht aber wird der (Gefährdungs-)Erfolg herbeigeführt und dann über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten, wie es etwa beim Tatbestand der Freiheitsberaubung als Beispiel eines Dauerdelikts der Fall ist. In Anbetracht dieser Umstände wird zwischen § 54a KWG und § 266 StGB – falls überhaupt möglich – so gut wie nie Tateinheit vorliegen. Bei einer gleichzeitigen Verwirklichung von § 266 StGB und § 54a KWG durch die Vornahme untreuerelevanter Geschäfte einerseits und ein mangelhaftes Risikomanagement andererseits wird vielmehr Realkonkurrenz gegeben sein, § 53 StGB. Nur in den eher theoretisch denkbaren Fällen tateinheitlicher Verwirklichung beider Tatbestände kann über eine mögliche Gesetzeskonkurrenz nachgedacht werden. Soweit hierzu Stellung bezogen wurde, wird teilweise ein Nebeneinander der beiden Tatbestände angenommen.662 Als Argument wird der gegenüber § 266 StGB unterschiedliche, (auch) auf den Schutz kollektiver Rechtsgüter ausgerichtete Schutz des § 54a KWG angeführt.663 An die Rechtsgüterfrage anknüpfend wird teilweise differenzierend die Auffassung vertreten, ein Nebeneinander gelte nur für die Fälle systemrelevanter Kreditinstitute. Bei fehlender Systemrelevanz bestehe ein Vorrang des § 266 StGB, § 54a KWG trete dann zurück.664 Bei nicht systemrelevanten Kreditinstituten kann die Annahme von Idealkonkurrenz auf erste Sicht tatsächlich kaum mit den unterschiedlichen Schutzzwecken von § 54a KWG und § 266 StGB begründet werden, denn die Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und/oder der Gesamtwirtschaft steht bei einer Bestandsgefährdung eines nicht systemrelevanten Instituts nicht in Rede. Dennoch bleiben die Schutzzwecke unterschiedlich: Während § 266 StGB nicht dem Gläubigerschutz zu dienen bestimmt ist, wird ein solcher Schutz über § 54a KWG intendiert665 und in jedem Fall der Tatbestandsverwirklichung auch erreicht666. Auch im Falle fehlender Systemrelevanz sollte daher von Idealkonkurrenz zwischen § 54a KWG und § 266 StGB ausgegangen werden.667 In den Fällen der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des § 54a Abs. 2 KWG wird in der Regel ebenfalls aufgrund der unterschiedlichen Tatverhalten Tatmehrheit zwischen § 54a KWG und § 266 StGB und letztlich Realkonkurrenz vorliegen. In den seltenen Fällen tateinheitlichen Verhaltens könnte zwar die Ausgestaltung des § 54a Abs. 2 KWG als Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination und als konkretes 662

Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205; wohl auch Erbs/Kohlhaas-Eisele, § 54a KWG Rn. 7. Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205, die in der Tendenz allerdings auch eine Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter systemrelevanter Banken befürwortet. 664 So Wastl, WM 2013, 1401, 1405. 665 s. o. S. 159 f. 666 s. o. S. 313 f. 667 So auch Erbs/Kohlhaas-Eisele, § 54a KWG Rn. 7; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205 Fn. 48; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 46; wohl auch MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 37. 663

G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB

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Gefährdungs-, statt als Verletzungsdelikt eine materielle Subsidiarität gegenüber § 266 StGB nahelegen, doch spricht auch hier der über den reinen Schutz angetrauter Vermögenswerte hinausgehende Schutzzweck des § 54a KWG für die Annahme von Idealkonkurrenz sowohl bei systemrelevanten als auch bei nicht systemrelevanten Instituten. 2. Verdrängungswirkungen des § 54a KWG gegenüber § 266 StGB? Im Schrifttum sind aus der Schaffung des § 54a KWG zwei weitere, grundlegendere Schlüsse für die Anwendbarkeit und Handhabe des § 266 StGB gezogen worden.668 Zum einen heißt es, der Gesetzgeber habe mit dem Strafrahmen des § 54a KWG und dessen Anknüpfung an die Bestandsgefährdung zum Ausdruck gebracht, dass die von der Rechtsprechung gewählte Grenze für die Annahme eines besonders schweren Falles im Sinne des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB in Höhe von 50.000 E nicht mit seinen Vorstellungen in Einklang zu bringen sei. Zum anderen wurde die Frage aufgeworfen, ob mit § 54a Abs. 3 KWG und der danach erforderlichen aufsichtsbehördlichen Anordnung nicht ein § 266 StGB verdrängendes Kriterium geschaffen wurde. Bei Annahme einer Verdrängungswirkung des § 54a Abs. 3 KWG würde eine Strafbarkeit nach § 266 StGB unter Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben ungeachtet aller bereits im ersten Teil geschilderten und vor Schaffung des § 54a KWG bereits bestehenden Schwierigkeiten669 nunmehr auch aus diesem Grund ausscheiden. Gegen eine solche Verdrängungswirkung des § 54a Abs. 3 KWG wird vorgebracht, dass dadurch die mit § 54a KWG verbundene gesetzgeberische Intention, die Möglichkeiten der strafrechtlichen Aufarbeitung von Sachverhalten, wie sie etwa der Finanzkrise zugrunde lagen, zu erweitern statt einzuschränken, in ihr Gegenteil verkehrt würde.670 Mit Blick auf den weiteren aus der Schaffung des § 54a KWG gezogenen Schluss heißt es, die wenig bedachte Schaffung des Spezialdelikts des § 54a KWG mit seinem unpassenden Strafrahmen gebe keinen Anlass, die in Jahrzehnten durch Rechtsprechung und Literatur gewachsene und vom Bundesverfassungsgericht gebilligte Auslegung des besonders schweren Falls in Frage zu stellen.671 Dem ist zuzustimmen. Dass der Strafrahmen des § 54a KWG unangemessen niedrig ist, wurde bereits erörtert.672 Aus dieser gesetzgeberischen Fehlentscheidung sollten keine über § 54a KWG hinausgehenden Schlüsse für die Behandlung des 668

s. Wastl, WM 2013, 1401, 1405. Zu diesen oben S. 93 ff., 107 f., 118 ff. 670 Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 47. Ablehnend auch Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014y. 671 Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 47. 672 s. o. S. 317 ff. 669

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

besonders schweren Falls gezogen werden. Auch wenn die Annahme, ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB liege auch im Rahmen der Untreue regelmäßig ab einer Schadenshöhe von 50.000 E vor, durchaus kritisch hinterfragt werden darf673, sollte im Rahmen der insoweit zu führenden Diskussion die kaum durchdachte und letztlich misslungene Strafnorm des § 54a KWG nicht als Argumentationsgrundlage bemüht werden. Auch die Vergleichbarkeit der Konstellationen wäre fraglich, geht es doch bei § 54a KWG um eine konkrete Gefährdung hinsichtlich der Existenz eines Unternehmens und auch um kollektive Interessen, bei § 266 StGB hingegen um einzelne Vermögensnachteile zulasten des Treugebers und einzig individuellen Vermögensschutz. Auch eine Verdrängungswirkung des § 54a Abs. 3 KWG gegenüber § 266 StGB ist abzulehnen. Abgesehen davon, dass schon dem Grunde nach fraglich ist, ob über § 266 StGB Risikomanagementverstöße strafrechtlich erfasst werden können, muss, wenn man dies annimmt, eine Verdrängungswirkung des § 54a KWG jedenfalls abgelehnt werden, weil die Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG eine Kurzschlussreaktion des Gesetzgebers darstellt, die alleine erfolgte, um den gegenüber § 54a Abs. 1 KWG erhobenen Bestimmtheitsbedenken den Boden zu entziehen. Eine darüber hinausgehende Verdrängungswirkung in Bezug auf § 266 StGB war damit nicht intendiert. Letztlich spricht gegen eine solche auch, dass andernfalls die Erfassung solcher Fälle über § 266 StGB ausscheiden müsste, in denen es infolge der Missachtung von Risikomanagementvorgaben nicht zu einer Bestandsgefährdung, sondern lediglich zu einem kleineren, wenngleich konkret feststellbaren Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB kommt. 3. Hilfreiche Rückwirkungen des § 54a KWG auf den Untreuenachweis? Ohne eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG ist eine Strafbarkeit nach § 54a KWG nicht möglich. Wie dargelegt kann eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG aber nur ergehen, wenn die Aufsichtsbehörde aufgrund ihres Informationsstandes von einem Missstand im Bereich des Risikomanagements ausgeht. Angesichts dessen wird im Schrifttum auf die Gefahr hingewiesen, dass die Geschäftsleitung unter Umständen nicht abgeneigt sein könnte, Umgehungsstrategien zu entwickeln, um einer Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG zu entgehen. Solche Verschleierungsversuche seien dann aber, so heißt es weiter, bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit und der Prüfung des Vorsatzes hinsichtlich des Vermögensnachteils im Rahmen des § 266 StGB besonders kritisch zu würdigen.674 Ähnliches könnte auch mit Blick auf § 283 StGB gelten.

673 Kritisch etwa SSW-Saliger, § 266 Rn. 135 unter Hinweis auf die deutlich höhere durchschnittliche Schadenssumme in Untreuefällen gegenüber Fällen des Betruges. 674 Schröder, WM 2014, 100, 106; ders., Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014y.

G. Verhältnis zu §§ 266, 283 StGB

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Abgesehen davon, dass § 54a KWG dann die fragwürdige Funktion eines Steigbügels für den Nachweis anderer Straftatbestände zuteilwürde, konnte die Missachtung von Vorgaben zum Risikomanagement bzw. die Verschleierung ebensolcher Missachtungen gegenüber der Aufsicht aber auch schon vor Schaffung des § 54a KWG für die Frage einer Strafbarkeit etwa nach § 266 StGB und deren Nachweis berücksichtigt werden, denn inhaltlich sind die von § 54a KWG in Bezug genommenen Risikomanagementpflichten im Wesentlichen nicht neu.675 Neu ist lediglich deren Strafbewehrung über § 54a KWG. Um aus der Verschleierung von Risiken gegenüber der Bankenaufsicht Rückwirkungen auf den Nachweis anderer Tatbestände zu ziehen, hätte es der Schaffung des § 54a KWG daher nicht bedurft.676 Dass die MaRisk (BA) keinen Gesetzesrang haben, steht einer Berücksichtigung ihrer Beachtung etwa bei der Feststellung vorsätzlichen Handelns nicht entgegen, da sie lediglich als ein Element der Vorsatzfeststellung indiziell herangezogen würden.

II. Verhältnis zum Bankrott Für den Fall, dass die Bestandsgefahr nicht überwunden wird und es zu einem insolvenzbedingten Zusammenbruch des Instituts kommt, stellen sich auch Konkurrenzfragen zu den Bankrotttatbeständen. Dass diesem Gesichtspunkt bisher kaum Beachtung geschenkt wurde, mag zum einen daran liegen, dass § 283 StGB in der Diskussion um die strafrechtliche Behandlung von Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Finanzkrise schon generell keine Rolle spielte. Zum anderen mag dies aber auch daran liegen, dass vielfach einer Reduktion des § 54a KWG auf systemrelevante Institute das Wort geredet wird und es dann aufgrund des § 283 Abs. 6 StGB zu einer konkurrenzrechtlichen Situation erst gar nicht kommen kann, sollte die Bank (wie im Rahmen der Finanzkrise vielfach geschehen) durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen gerettet oder durch andere Maßnahmen vor einem Gang in die reguläre Insolvenz bewahrt werden. Sofern zur Frage des Verhältnisses von § 54a KWG zu § 283 StGB überhaupt Stellung genommen wurde, heißt es, es sei denkbar, dass § 283 StGB und § 54a KWG nebeneinander erfüllt seien677. Dass beide Tatbestände „erfüllt sind“, enthält für sich genommen noch keine Aussage hinsichtlich der Frage, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt. Sollte durch den Zusatz, sie seien „nebeneinander“ erfüllt und den vorangestellten Verweis auf Unterschiede hinsichtlich der Art und der Reichweite der tatbestandlich geschützten Güter auf den

675

s. o. S. 182 f. Schröder, WM 2014, 100, 106 macht zwar eine „nicht zu unterschätzenden Rückwirkung“ eventueller Umgehungsstrategien auf die Prüfung des § 266 StGB aus, äußert sich aber nicht dazu, ob diese nicht inhaltlich weitgehend identisch auch vor Schaffung des § 54a KWG und des § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG bereits bestand. 677 Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205. 676

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Fall einer Idealkonkurrenz hingewiesen werden678, so ist dieser konkurrenzrechtlichen Beurteilung zu widersprechen. Wie regelmäßig bei § 266 StGB der Fall geht es auch im Rahmen des § 283 StGB nicht um das Unterlassen der Einrichtung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, sondern um hiervon deutlich verschiedene Verhaltensweisen (vgl. insbesondere § 283 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, Abs. 2 StGB: Herbeiführung der Krisensituation durch die Vornahme von Spekulationsgeschäften). Dabei wird Tatmehrheit gemäß § 53 StGB gegeben sein, weil – wie bei § 54a KWG und § 266 StGB regelmäßig auch – ein Unterlassungs- und ein Begehungsdelikt lediglich zeitlich zusammentreffen, sich aber nicht inhaltlich decken.679 Ein tatmehrheitliches Nebeneinander von § 283 StGB und § 54a KWG im Falle der Insolvenz einer Bank ist in den Folgen allerdings problematisch, weil es die bereits vor Schaffung des § 54a KWG bestehende faktische Privilegierung von Verantwortlichen systemrelevanter Banken in gewissem Umfang fortführen würde. Dies ergibt sich aus Folgendem: Sollte eine Bank durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen oder anderweitige Sondermaßnahmen vor einem Gang in die Insolvenz bewahrt werden, so scheidet eine Strafbarkeit ihrer Verantwortlichen nach § 283 StGB de lege lata aus.680 Bedeutung behält § 283 StGB indes für Geschäftsleiter solcher Banken, die in die reguläre Insolvenz gehen. Diese Geschäftsleiter werden aber zugleich von § 54a KWG erfasst. Ihnen droht im Falle der Verwirklichung beider Tatbestände dann eine höhere Strafe im Vergleich zu Geschäftsleitern von Banken, die nicht in die reguläre Insolvenz gehen. Zum einen, weil sie § 283 StGB und damit auch § 283a S. 2 Nr. 2 StGB unterfallen können, der einen im Vergleich zu § 54a KWG ungleich höheren Strafrahmen vorsieht.681 Zum anderen, weil die in Tatmehrheit hinzutretende Verantwortlichkeit nach § 54a KWG zu einer Gesamtstrafenbildung führen würde. Um dieses missliche Nebeneinander von § 283 StGB und § 54a KWG und eine insoweit fortbestehende Privilegierung von Geschäftsleitern etwa durch Staatshilfen geretteter Banken möglichst zu vermeiden, bieten sich zwei Wege an: Zum einen die vorliegend bereits abgelehnte Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute682 und zum anderen ein Überdenken des § 54a KWG und zugleich des § 283 StGB. Auf Letzteres soll am Ende der Arbeit zurückgekommen werden.

678 So dürfte Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205 zu verstehen sein. Ausdrücklich hingegen MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 38. 679 Zur umstrittenen Frage des Konkurrenzverhältnisses zwischen Unterlassungs- und Begehungsdelikten und dem Konkurrenzverhältnis von § 54a KWG und § 266 StGB oben S. 324 ff. 680 s. insbesondere S. 144 ff. 681 Zur Unangemessenheit des Strafrahmens des § 54a KWG oben S. 317 ff. 682 s. o. S. 174 ff.

H. Praxisrelevanz – Repression, Prävention oder reine Symbolik?

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H. Zu erwartende Praxisrelevanz – Repression, Prävention oder reine Symbolik? Die zahlreichen in Kapitel 2 dieser Untersuchung zu Tage getretenen Anwendungsschwierigkeiten drängen, die Frage der zu erwartenden Praxisrelevanz des § 54a KWG zu stellen und einer Antwort zuzuführen. Unterschieden werden soll dabei im Anschluss an die Gesetzesbegründung683 zwischen seiner repressiven Bedeutung zur Krisenbewältigung [I.] und seiner präventiven Bedeutung zur Krisenvermeidung [II.]. Dies leitet über zur Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Frage, ob § 54a KWG ein Fall symbolischen Strafrechts ist [III.].

I. Eignung des § 54a KWG zu repressiven Zwecken? In den bisherigen Veröffentlichungen ist man sich weitgehend einig, dass § 54a KWG in seiner geltenden Fassung nicht mehr als ein stumpfes Schwert darstellt.684 Dass er sich zahlreichen, in der Mehrheit kaum überwindbaren Anwendungs- und Nachweisschwierigkeiten ausgesetzt sieht, hat die vorliegende Untersuchung verdeutlicht. Dennoch hat Reuse den Versuch unternommen „möglicherweise haftungsrelevante Praxisbeispiele“ zu bilden, die § 54a KWG unterfallen sollen.685 Solche sind nach den bisherigen Erkenntnissen dieser Untersuchung nur schwer vorstellbar. Bezeichnenderweise weist bereits Reuse selbst auf den Umstand hin, dass er das Tatverhalten betreffend an einigen Stellen seiner Beispiele Zuspitzungen vorgenommen habe. Hinsichtlich der Kausalität führt er aus, dass die Frage, ob die Kausalketten und die daraus resultierenden Folgen in der Realität wie von ihm beschrieben eintreffen werden, von der Entwicklung der nahen Zukunft abhängig sei. Die von Reuse vorgenommenen Überspitzungen gepaart mit der weitgehenden Ausblendung des Bestehens, vor allem aber auch der Nachweisbarkeit der von § 54a KWG geforderten Kausalbeziehungen erlauben es ihm zwar, auf dem Papier Beispiele zu konstruieren, in denen § 54a KWG erfüllt wäre. Praxisbeispiele im eigentlichen Sinne stellen die von ihm gebildeten Fälle aber nicht dar. Dass auch Vorsatzfragen bei den von Reuse gewählten Beispielen außer Acht bleiben, verstärkt

683

RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. So mit unterschiedlichen Formulierungen im Einzelnen etwa Hamm/Richter, WM 2013, 865, 869; Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 120; Kasiske, ZIS 2013, 257, 264; Schork/Reichling, CCZ 2013, 269, 269; Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 102; Schröder, WM 2014, 100, 106; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 205; Binder, ZGR 2016, 229, 235; Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, in: FS Heintschel-Heinegg 2015, S. 275, 281; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 289; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 184; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 49. 685 s. Reuse, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 444 ff. 684

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

nur den Eindruck, dass die von ihm angeführten „Praxisbeispiele“ in der Realität kaum vorkommen werden.686 Die bisherigen Ausführungen in Bezug auf § 54a KWG waren dessen Tatbestand und den Folgen seiner Verwirklichung gewidmet. In Ergänzung hierzu soll im Folgenden das Augenmerk auf weitere Hürden auf dem Weg zu einer Verurteilung nach § 54a KWG gelegt werden, die nicht an einzelne Tatbestandsmerkmale und deren Nachweisbarkeit, sondern an das aufsichtsbehördliche Verfahren und das sich gegebenenfalls anschließende Strafverfahren anknüpfen. Da es eine Strafbarkeit nach § 54a KWG ohne den Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG nicht geben kann, soll zunächst ein kurzer Blick auf alternative, einer solchen Anordnung unter Umständen vorgelagerte Maßnahmen der BaFin zur Wahrung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation geworfen werden [1.]. Ferner ist zu fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass einer Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG zuwidergehandelt wird [2.]. Zuletzt soll thematisiert werden, inwiefern Einstellungen und Verfahrensabsprachen weitere Hürden auf dem Weg zu einer Verurteilung nach § 54a KWG darstellen können [3.]. 1. Aufsichtsrechtliche Alternativen zu einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG In welchem Umfang die BaFin von der ihr über § 25c Abs. 4c KWG zugewiesenen, für eine Strafbarkeit nach § 54a KWG zwingend auszuübenden Anordnungsbefugnis Gebrauch machen wird, muss die Praxis zeigen. Doch dürfte ein eher zurückhaltender Gebrauch zu erwarten sein. Die BaFin – und unter Geltung des SSM teils auch die EZB687 – hat neben § 25c Abs. 4c KWG eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, Missständen im Bereich der Geschäftsorganisation entgegenzuwirken.688 Anderweitige Maßnahmen etwa nach dem KWG werden durch § 25c Abs. 4c KWG nicht ausgeschlossen, da diese Bestimmung eine Anordnung „unabhängig von anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz“ ermöglicht. Hiervon seien exemplarische einige wenige angeführt, die zugleich Zweifel an der Einhaltung des ultima ratio Grundsatzes aufwerfen.689

686 Auch Reuse selbst sieht sich (zu Recht) gezwungen, die Bedeutung seiner Fallbeispiele zu relativieren: Sie seien „extrem formuliert“ und die Kumulation der für § 54a KWG erforderlichen Aspekte sei „eher unwahrscheinlich“, vgl. Reuse, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 461 f. 687 s. etwa Art. 16 Abs. 2 SSM-VO (Kap. 2 Fn. 290). 688 Hierzu im Einzelnen Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 198 ff., sowie Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 14 Rn. 89 ff. 689 Zu Recht mindestens zweifelnd insoweit Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 125, der anmerkt, die Leistungsfähigkeit einer außerstrafrechtlichen Regulierung sei nicht einmal erwogen worden.

H. Praxisrelevanz – Repression, Prävention oder reine Symbolik?

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Zunächst kann die Aufsicht im Rahmen informellen Verwaltungshandelns vorgehen.690 Von Telefonaten und formlosen Schreiben mit der Bitte um Stellungnahme über Aufsichtsgespräche bis hin zu einfachen Mängelschreiben oder gravierenden Schreiben stehen der Aufsicht zahlreiche Möglichkeiten offen, auf ausgemachte Missstände im Risikomanagement zu reagieren und auf deren Beseitigung hinzuwirken. Unabhängig von § 25c Abs. 4c KWG besteht zudem die Möglichkeit, über die BaFin691 eine Anordnung nach § 25a Abs. 2 S. 2 KWG zu erlassen.692 An das Institut als solches gerichtet kann diese danach im Einzelfall Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sicherzustellen. Wird gegen eine derartige vollziehbare Anordnung vorsätzlich oder fahrlässig verstoßen, stellt dies gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 3 f KWG eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Höhe der Geldbuße beträgt nach einer Verschärfung durch das CRD-IV-Umsetzungsgesetz693 gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 1 KWG bis zu 5 Mio. E, wobei eine Überschreitung nach § 56 Abs. 7 KWG möglich ist. Neben dieser direkt auf die Geschäftsorganisation abzielenden Befugnis steht auch das Mittel zur Verfügung, unzuverlässige Geschäftsleiter nach vorheriger Verwarnung abzuberufen, vgl. etwa § 36 KWG.694 Eine Abberufung kann dabei unter anderem auf Organisationsmängel gestützt werden (§ 36 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 35 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 7 KWG), denn fehlt die notwendige Betriebsorganisation, liegt dies meist an einer unzureichenden Geschäftsführung695. Ebenfalls nicht auf das Risikomanagement als solches abzielend, aber Gefahren einer Fehlerhaftigkeit desselben eindämmend wirkt die Möglichkeit, zusätzliche Eigenmittelanforderungen aufzustellen. Diese ist seit der CRD-IV-Umsetzung für Risiken aus Organisationsmängeln ausdrücklich in § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 10 KWG vorgesehen. Weitere ergänzende Handlungsmöglichkeiten bei organisatorischen Mängeln ergeben sich aus § 45b KWG, wonach Risikoreduzierungen und Geschäftsbeschränkungen angeordnet werden können.696 Auch losgelöst von § 25c Abs. 4c KWG bestanden und bestehen für die Aufseher also zahlreiche und sehr unterschiedliche Möglichkeiten, auf die Einhaltung von 690 Zu informellem Verwaltungshandeln der BaFin Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 A Rn. 100 ff. 691 Hinsichtlich möglicher direkter Befugnisse bei Zuständigkeit der EZB s. Art. 16 Abs. 2 SSM-VO (insb. Buchst. b) sowie den Sanktionen ermöglichenden Art. 18 SSM-VO. 692 Für die Verletzung der strafbewehrten Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG dürfte allerdings eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG als lex specialis vorrangig sein. So auch Erting, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 66, 86. 693 s. Kap. 2 Fn. 315. Diese Verschärfung dient der Umsetzung des Art. 66 Abs. 2 Buchst. d der CRD-IV-Richtlinie (Kap. 2 Fn. 316). 694 Hierzu und zu weiteren geschäftsleiterbezogenen Maßnahmen Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 14 Rn. 97 ff. 695 B/F/S-Fischer/Müller, KWG, § 36 Rn. 43. 696 Hierzu Glawischnig-Quinke, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 14 Rn. 94.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Geschäftsorganisationspflichten hinzuwirken.697 Bevor auf eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG zurückgegriffen wird, sollte nicht zuletzt aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das vorhandene aufsichtsrechtliche Instrumentarium sinnvoll ausgeschöpft werden. Bezüglich einer Abberufung des Geschäftsleiters ist dabei fraglich, ob eine solche das mildere Mittel gegenüber einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG darstellen würde. Für eine vorherige Verwarnung mag dies noch gelten, für die Abberufung als solche jedoch nicht, denn während die Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG nur ein mögliches Strafbarkeitsrisiko aufzeigt, das durch Befolgen der Anordnung noch beseitigt werden kann, bedeutet die Abberufung schon einen endgültigen und ganz erheblichen Eingriff für den betroffenen Geschäftsleiter.698 2. Befolgung der Anordnung Eine Strafbarkeit nach § 54a KWG setzt zwingend voraus, dass der Anordnung der BaFin vorsätzlich zuwidergehandelt wird. Der betroffene Geschäftsleiter kann einer drohenden Strafbarkeit also stets dadurch entgehen, dass er die Anordnung befolgt. Eine Befolgung der Anordnung ist – insoweit besteht Einigkeit – regelmäßig zu erwarten.699 Die Gründe für diese Annahme sollen einem späteren Abschnitt vorbehalten sein, da diese in engem Zusammenhang stehen mit der Frage nach einer präventiven Wirkweise des § 54a KWG. An dieser Stelle sei lediglich festgehalten, dass § 54a KWG in allen Fällen, in denen die aufsichtsbehördliche Anordnung befolgt wird, keine repressive Wirkung entfalten kann. 3. Einstellungen und Verständigungen Sollte es trotz aller in Kapitel 2 beschriebenen Hürden tatsächlich einmal zu einem über einen Anfangsverdacht hinausgehenden Tatverdacht in Bezug auf § 54a KWG kommen, so ist – wie auch bei anderen Straftatbeständen des KWG700 – mit einer Verurteilung in der Folge dennoch kaum zu rechnen. Selbst bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts, der am ehesten noch in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 54a Abs. 2 KWG denkbar erscheint, dürften Einstellungen und Verständigungen das Risiko einer (nennenswerten) Verurteilung in der Praxis auf Null senken.701 697

So der Sache nach auch Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61,

698

In der Tendenz anders Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61,

75. 77.

699 s. nur Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 105; Binder, ZGR 2016, 229, 235; Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 331; Mansdörfer, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 201, 209; Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 92. 700 Vgl. Wegner, in: Schork/Groß, Bankstrafrecht, Rn. 634. 701 So im Ergebnis auch Beck/Samm/Kokemoor-Wegner, KWG, § 54a Rn. 5.

H. Praxisrelevanz – Repression, Prävention oder reine Symbolik?

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Ganz allgemein stellen in Wirtschaftsstrafprozessen insbesondere Verfahrenseinstellungen nach Opportunitätsgesichtspunkten und verfahrensbeendende Absprachen Instrumente dar, mit denen das Strafrecht prozessual auf das Komplexitätsgefälle zwischen dem Strafrechtssystem und seiner wirtschaftlichen Umwelt reagiert.702 Eine inhaltliche Bewertung dieser weit verbreiteten Praxis kann und soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Die im Nachgang der Finanzkrise mit Blick auf § 266 StGB geführten Verfahren scheinen die Affinität des Wirtschaftsstrafrechts für derartige Verfahrensbeendigungen jedenfalls zu bestätigen.703 Nichts anderes dürfte für § 54a KWG gelten. Die äußerst komplexen Sachverhalte, die man über ihn zu erfassen sucht, fordern angesichts mannigfaltiger Nachweisschwierigkeiten Opportunitätseinstellungen und verfahrensbeendende Absprachen geradezu heraus. Bereits im Ermittlungsverfahren stellen Einstellungen nach § 153a Abs. 1 StPO ein probates Mittel dar, das Verfahren frühzeitig und möglichst geräuschlos zu beenden. Nach Erhebung der Anklage dürfte das Interesse der Angeklagten regelmäßig auf eine Verkürzung der Hauptverhandlung gerichtet sein. Neben § 153a Abs. 2 StPO liegt dann insbesondere das Instrument der Verständigung, § 257c StPO, nahe. Die Bereitschaft auch der Strafjustiz hierzu dürfte in Verfahren wegen § 54a KWG angesichts der Komplexität der Materie und der insbesondere im Bereich der Kausalität und des Vorsatzes bestehenden Nachweisschwierigkeiten beträchtlich sein. 4. Zwischenergebnis Eine repressive Bedeutung muss § 54a KWG abgesprochen werden. Zu den zahlreichen in Kapitel 2 dieser Untersuchung aufgezeigten Nachweis- und Anwendungsschwierigkeiten gesellt sich das Erfordernis einer Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG mitsamt der kaum zu erwartenden Zuwiderhandlung gegen diese Anordnung. Darüber hinaus dürften – sollte dennoch einmal ein hinreichender Tatverdacht im Raume stehen – Einstellungen und verfahrensbeendende Absprachen angesichts der Ohnmacht der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte zum Tragen kommen und die repressive Bedeutung des § 54a KWG auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden dürfte sich auch in Zukunft in erster Linie auf § 266 StGB konzentrieren. Zwar ist auch der Untreuetatbestand bei der Erfassung komplexer Finanzgeschäfte alles andere als leicht zu handhaben, doch stellt er zumindest ein vertrautes Terrain dar, dessen Pfade im Groben bereits ausgetreten sind. Gerade die unscharfen Konturen des Untreuetatbestandes erlauben oftmals zumindest einen Anfangs- und nicht selten auch einen hinreichenden Tatverdacht. Vor einer experimentellen Strafverfolgung mittels des 702 Vgl. Jahn, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt, S. 157, 173. Zu Möglichkeiten einer Domestizierung der Absprachepraxis in Wirtschaftsstrafverfahren Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 461 ff., der die Realisierungschancen selbiger derzeit allerdings als gering einschätzt (a.a.O. S. 548). 703 Zu einigen Verfahren im Überblick oben S. 73 ff.

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§ 54a KWG muss angesichts der aufgezeigten Anwendungsschwierigkeiten der Norm, der mangelnden Vertrautheit mit dem Straftatbestand, der knapp bemessenen Ressourcen der Staatsanwaltschaften, vor allem aber auch angesichts der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Norm704 gewarnt werden.705 Eine solche ist in der Praxis aber ohnehin nicht zu erwarten.706 Die Bemühungen der Staatsanwaltschaft, § 54a KWG zur Anwendung zu bringen, werden sich aus den vorstehenden Gründen in Grenzen halten, auch wenn aus ihren Reihen – ganz dem Legalitätsprinzip verpflichtet – selbstredend die kämpferische Ansage kommt, bezüglich § 54a KWG habe allein die Staatsanwaltschaft Grund zur Beschwerde, da auf sie schwere Arbeit zukomme707.

II. Eignung des § 54a KWG zu präventiven Zwecken Angesichts der mangelnden repressiven Bedeutung des § 54a KWG fragt es sich, ob die Norm wenigstens präventiv Wirkung zeigen kann. Um dies beurteilen zu können, bedarf es zunächst einer Rückbesinnung auf deren Zielsetzung. § 54a KWG soll dazu beitragen, Unternehmenskrisen, die durch Missstände im Risikomanagement begünstigt werden, und hieraus sich gegebenenfalls ergebende Banken- und Finanzkrisen zu vermeiden.708 Ein Risiko von Banken- und Finanzkrisen hat es stets gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Die 2007 einsetzende Finanzkrise war in ihrem konkreten Verlauf sicher einmalig und in ihren Auswirkungen von besonderem Gewicht709, der Finanzmarkt wird aber regelmäßig durch größere Krisen erschüttert und die Grundzüge ihrer Entstehung ähneln sich zumeist. Mit bedeutenden Krisen war in den letzten 100 Jahren alle 13 Jahre zu rechnen, wobei eine engere Taktung seit 1973 ausgemacht werden kann.710 Den Krisen gehen dabei regelmäßig Spekulationsblasen voraus, die sich auf Risikogeschäfte gründen. Letztere sind aber unverzichtbar, denn „Wirtschaften heißt Risikogeschäfte eingehen“711 – das Risiko ist 704

s. hierzu insbesondere oben S. 184 ff., 204 ff. Warnend etwa Hugger, BB Heft 14/2013, S. I. 706 Anders in der Tendenz wohl Hugger, BB Heft 14/2013, S. I. 707 So OStA Richter (Stuttgart), zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 239. 708 Vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. 709 Statt vieler Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 69, der meint, die amerikanische Immobilienkrise habe ein Zerstörungswerk ausgelöst, das in dieser Form keine geschichtliche Parallelen aufweise; ähnlich Martini, NJW 2010, 2019, 2019 („schwerste Finanzkrise der Menschheitsgeschichte“). 710 s. Rudolf, in: FS Samson 2010, S. 819 ff. Er beginnt nach einem kurzen Rückblick auf die Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts seine Ausführungen im 20. Jahrhundert und macht folgende gewichtige Krisen aus: Banker’s Panic (1907), Große Depression (1929), Ölkrise (1973), Schwarzer Montag (1987), Asienkrise (1997), Russlandkrise (1998), Internet und Terror (2001), Subprime-Krise (2007). 711 MG-Hadamitzky, § 32 Rn. 156. 705

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dem Wirtschaften immanent. Krisenprävention kann aber dadurch geleistet werden, dass Risiken identifiziert, beurteilt, gesteuert und überwacht werden. Dem dient ein angemessenes und wirksames Risikomanagement. § 54a KWG soll durch eine strafrechtliche Flankierung gewisser Risikomanagementpflichten deren Einhaltung gewährleisten und könnte insofern wenn schon nicht repressiv, so doch zumindest präventiv Wirkung entfalten. Ob § 54a KWG eine präventive Wirkung aber tatsächlich zukommt, ist angesichts seiner fehlenden repressiven Bedeutung fraglich. Positive Generalprävention wird von ihm nicht zu erwarten sein. Er könnte aber der negativen Generalprävention dienlich sein [1.]. Ob es angesichts der fehlenden repressiven Bedeutung dann aber tatsächlich die in § 54a KWG enthaltene Strafdrohung wäre, welche die Einhaltung der Risikomanagementvorgaben und die Befolgung von Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG fördern würde, bedarf näherer Betrachtung [2.]. 1. Negative Generalprävention durch § 54a KWG Bereits unabhängig von Besonderheiten des Wirtschaftsstrafrechts ist es nicht leicht zu bestimmen, in welchem Maße Strafnormen präventive Wirkung durch Abschreckung entfalten. Sichere empirische Feststellungen hierzu sind kaum möglich.712 Möglicherweise sind im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts die Akteure der Abschreckungsprävention besonders zugänglich, weil sie in besonderem Maße rational handeln und auf den mit einer staatlichen Strafe verbundenen sozialen Ächtungsausspruch besonders empfindlich reagieren.713 Ungeachtet aller insoweit bestehenden Unsicherheiten soll an dieser Stelle zumindest eine Prognose gewagt werden, ob § 54a KWG (general-)präventive Wirkung entfalten kann. Die Untersuchung des § 54a KWG hat gezeigt, dass diese Strafnorm in repressiver Hinsicht keine Wirkung entfaltet. Dennoch hieß es schon früh, § 54a KWG laufe auf „eine völlig neue Qualität präventionszentrierten Strafrechts“ hinaus.714 Die Annahme einer bedeutsamen (general)präventiven Wirkung des § 54a KWG mutet vor dem Hintergrund fehlender repressiver Bedeutung zunächst befremdlich an.715 Ist Prävention nicht Reflex der repressiven Schuldvergeltung in Kombination von Tadel und Sanktion aus Enttäuschung über missbrauchte Freiheit?716 Und wieso sollte man ein strafbewehrtes Verhaltensgebot befolgen, obwohl eine Strafe nicht droht? Trotz fehlender repressiver Bedeutung des § 54a KWG heißt es aus den Reihen der Anwaltschaft, die neuen Strafvorschriften hätten die Bankvorstände in der Praxis 712

Überblick bei NK-Villmow, vor §§ 38 ff. Rn. 77 ff. m.w.N. Hierzu Kaspar, in: Wirtschaftskriminalität, S. 135, 138 ff. 714 Hamm/Richter, WM 2013, 865, 870. 715 Skeptisch hinsichtlich einer präventiven Wirkung des § 54a KWG auch Wastl, WM 2013, 1401, 1406. 716 Bock, Criminal Compliance, S. 141. 713

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

„immens sensibilisiert“717. Dass sich Rechtsberater von Geschäftsleitern dahingehend äußern, überrascht aber insoweit nicht, als sie den Gesetzgeber wohl kaum motivieren möchten, weitere Verschärfungen des Strafrechts vorzunehmen, die dann – anders als § 54a KWG – tatsächlich ein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko mit sich bringen könnten. Gewichtiger als entsprechende einzelne Verlautbarungen aus der Anwaltschaft dürfte daher der Umstand sein, dass ganz verbreitet davon ausgegangen wird, aufsichtsbehördliche Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG würden in der Praxis befolgt werden.718 Sollte dies zutreffen und auf die Existenz des § 54a KWG zurückzuführen sein, könnte man durchaus zu dem Schluss kommen, dass § 54a KWG doch „funktioniert“719. Dies aber nicht, weil er eine gut handhabbare Strafnorm darstellen würde, die in strafwürdigen Fällen Verurteilungen erlaubt, sondern weil er dazu beiträgt, dass den aufsichtsbehördlichen Anordnungen entsprechend gehandelt wird. Sieht man das Ziel des Gesetzgebers nicht in der Ermöglichung von Strafverfahren und Verurteilungen, sondern in dem Bestreben, möglichst effektiv für ein angemessenes Risikomanagement in den Banken zu sorgen, so dürfte dieses Ziel dann durch § 54a KWG zumindest gefördert werden.720 Warum aber trotz fehlenden Verurteilungsrisikos Berater den Geschäftsleitern „natürlich empfehlen würden“ die Anordnung zu befolgen721 und warum gemeinhin davon ausgegangen wird, die Geschäftsleiter würden diesem Rat Folge leisten, bedarf näherer Betrachtung. 2. Anordnungsbefolgung zur Vermeidung von Ermittlungs- und Strafverfahren Ob die Existenz des § 54a KWG tatsächlich zu einer weit(er)gehenden Befolgung aufsichtsbehördlicher Anordnungen das Risikomanagement betreffend führt, lässt sich weder messen, noch anderweitig sicher feststellen. Über die Motivlage des angesprochenen Personenkreises zur Befolgung von Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG können an dieser Stelle nur Mutmaßungen angestellt werden. Es lassen sich allerdings zahlreiche Gesichtspunkte ausmachen, die dafür sprechen, dass 717

S. 28. 718

So etwa Steck, Partner der Kanzlei Linklaters, zitiert im Handelsblatt v. 28. 1. 2014,

s. nur Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 105; Szesny, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 6 Rn. 305; Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 92; Mansdörfer, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 201, 209. 719 So Taschke, zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 240. 720 Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 331 f. Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 91, äußert insoweit den Verdacht, der Gesetzgeber habe „gar nicht die Absicht verfolgt, Vorstandsmitglieder von Banken ins Gefängnis zu werfen oder auch nur auf die Anklagebänke zu setzen“. 721 Taschke, zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 240.

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§ 54a KWG trotz fehlenden Verurteilungsrisikos zu einer stärkeren Beachtung aufsichtsbehördlicher Anordnungen das Risikomanagement betreffend führt und insoweit präventiv wirkt. Der Grund für ein von § 54a KWG ausgehendes besonderes Befolgungsinteresse dürfte darin liegen, dass es bei einer Nichtbefolgung der Anordnung und einem Verdacht auf eine Bestandsgefahr zu einem Ermittlungsverfahren und gegebenenfalls auch zu einem Strafprozess kommen kann. Durch die Beteiligung der BaFin über § 54a Abs. 3 KWG ist von einer nahezu hundertprozentigen Entdeckungswahrscheinlichkeit auszugehen, auch wenn keine Anzeigepflicht der BaFin gegenüber den Strafverfolgungsbehörden besteht. Sollte also ein Institut in die Nähe einer Bestandsgefahr geraten und vorher möglicherweise eine Anordnung der Aufsichtsbehörde nach § 25c Abs. 4c KWG missachtet worden sein, ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kaum zu vermeiden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus dem Anfangsverdacht in der Folge ein hinreichender Tatverdacht ergibt, mag zwar gering sein, sie ist aber zumindest nicht ausgeschlossen und muss von den Geschäftsleitern in Betracht gezogen werden. Die Staatsanwaltschaften haben zudem in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie keine Scheu haben, auch gegen Top-Manager zu ermitteln und diese erforderlichenfalls anzuklagen. Neben Josef Ackermann, Thomas Middelhoff und jüngst Jürgen Fitschen sei nur erinnert an die zahlreichen Landesbank-Vorstände, die sich im Nachgang der Finanzkrise vor Gericht verantworten mussten. Insofern dürften bei den Geschäftsleitern, die eine Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG erhalten, die Alarmglocken schrillen. Die Anordnung der Aufsichtsbehörde bedeutet für sie einen „Warnschuss“722. Mag im Ergebnis auch keine Verurteilung drohen, so besteht doch zumindest die Gefahr der Einleitung von Ermittlungen. Schon allein diese Gefahr dürfte für den bei § 54a KWG in Rede stehenden Personenkreis in erheblichem Maße abschreckend wirken. Hierfür sprechen mehrere Gründe. Zunächst rufen Ermittlungsverfahren und sich hieran gegebenenfalls anschließende Strafprozesse gegen Geschäftsleiter von Kreditinstituten ein starkes mediales Interesse hervor. Der Fall von der Spitze der deutschen Wirtschaft auf den Boden der haftungs- und (hier besonders interessierend) strafrechtlichen Tatsachen kann dabei schnell und tief sein, wie einige Verfahren der jüngsten Vergangenheit gezeigt haben.723 Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die öffentliche Wahrnehmung des Geschäftsleiters, sondern insbesondere auch auf die Wahrnehmung der von ihm geführten Bank aus. Nachrichten und Bilder groß angelegter Razzien etwa in den Türmen der Deutschen Bank in Frankfurt sind schädlich für das Ansehen der Bank und gehen deutlich über eine nur persönliche Betroffenheit des einzelnen Ge722

Erting, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 38; ähnlich Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848 sowie B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 18 („Warnfunktion“). 723 Hierauf verweist zu Recht Perron, ZGR 2016, 187, 188, unter Hinweis auf die jüngsten Verfahren gegen Thomas Middelhoff, Martin Winterkorn und Rolf E. Breuer.

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schäftsleiters hinaus. Kursrutsche börsennotierter Unternehmen sind nicht selten die Folge. Zur Vermeidung von mit dem medialen Interesse nicht selten verbundenen Vorverurteilungen sind – dies soll nicht unterschlagen werden – dabei neben den Gerichten vor allem auch die Strafverfolgungsbehörden aufgerufen.724 Hinzu tritt, dass Ermittlungsverfahren und insbesondere Hauptverhandlungen die Arbeit der stark eingebundenen Geschäftsleiter in der Regel massiv belasten. Jüngeres Beispiel hierfür ist ein gegen den ehemaligen Co-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Fitschen und weitere frühere Bankvorstände vor dem Landgericht München I geführtes Strafverfahren. Sie wurden des versuchten Prozessbetruges wegen Aussagen im Zivilprozess in Sachen Kirch bezichtigt und schließlich freigesprochen.725 Die damit verbundenen Fehlzeiten kamen angesichts des derzeit im Gang befindlichen Umbaus der Deutschen Bank äußerst ungelegen.726 In dieses Bild fügt es sich ein, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende Jaschinski in Bezug auf das LBBW-Verfahren sagte, man hätte durchaus für gewisse Teile in dem gegen ihn geführten Strafverfahren einen Freispruch erreichen können, die erfolgte Einstellung gegen Geldbuße sei aber letztlich auch eine Frage der Ökonomie gewesen.727 Nicht selten führen Ermittlungsverfahren auch dazu, dass Vorstände abberufen, freigestellt oder zumindest vorerst „aus der Schusslinie“ genommen werden; eine Beförderung von Beschuldigten in diesem Zeitraum ist höchst unwahrscheinlich.728 Alternative Angebote erhalten Vorstände oder Manager in dieser Phase kaum mehr und Aufsichtsratsposten müssten sie mit Blick auf das laufende Ermittlungsverfahren wohl ohnehin – zumindest faktisch – ablehnen.729 Daneben drohen weitere Nachteile, sollte die Anordnung der BaFin nicht umgesetzt und dadurch die Aufmerksamkeit auf die Weigerung einer Implementierung ordnungsgemäßer Risikomanagementstrukturen gelenkt werden. Zu denken ist etwa an Zweifel an der Geschäftsleitereignung, an eine mögliche Abberufung durch die Aufsicht, an eine zivilrechtliche Haftung des Geschäftsleiters und unter Umständen auch an Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen anderer Strafnormen wie etwa

724

Vgl. Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 360. s. http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-muenchen-deutsche-bank-manager-frei spruch-kein-versuchter-prozessbetrug/ (zul. abg. 30. 11. 2016). 726 Hierzu http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bank-prozess-juergenfitschen-ist-ein-mitlaeufer-13563663.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 727 Zitiert nach beck-aktuell, LG Stuttgart stellt Strafverfahren gegen frühere LBBWVorstände ein, becklink 1032212. Zum Verfahren im Überblick oben S. 75 f. 728 Altenburg, BB 2015, 323, 326 zu Ermittlungsverfahren wegen Untreue. 729 Altenburg, BB 2015, 323, 326 zu Ermittlungsverfahren wegen Untreue. In Bezug auf die Auswirkungen des zu Beginn der Untersuchung angesprochene Strafverfahrens gegen Georg Funke (Hypo Real Estate) s. etwa http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hypo-real-estate-dievergessene-anklage-1.3138867 (zul. abg. 30. 11. 2016). 725

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§ 266 StGB.730 Dies sind zwar keine zwingenden und direkten Folgen des Anordnungsverstoßes, sie stehen mit ihm aber in engem Zusammenhang. Insbesondere in öffentlichkeitswirksamen Wirtschaftsstrafverfahren also können bereits Ermittlungen, jedenfalls aber kann das Hauptverfahren eine Art vorweggenommene Sanktionswirkung entfalten, die sowohl eine erhebliche Belastung für den Beschuldigten, als auch für das in Rede stehende Institut bedeutet.731 Das Strafverfahren als solches ist insoweit – untechnisch gesprochen – bereits eine Strafe und es kommt zu einer „faktischen Stillstellung“732 der Beschuldigten. In Anbetracht derartiger Nachteile wird es den Geschäftsleitern ein dringendes Anliegen sein, durch die Befolgung der aufsichtsbehördlichen Anordnung eine Strafbarkeit nach § 54a KWG oder auch nur einen entsprechenden Verdacht bereits im Ansatz zu vermeiden. Obwohl § 54a KWG vielfältige Ansätze für eine gelungene Verteidigung bieten würde und eine Verurteilung nach dieser Vorschrift nahezu ausgeschlossen ist, dürften die zahlreichen Verteidigungsmöglichkeiten in der Praxis daher keine Rolle spielen. Nicht die Vermeidung einer Verurteilung wird vorrangiges Ziel der Geschäftsleiter sein, sondern die Vermeidung einer Hauptverhandlung und im besten Falle auch schon die Vermeidung von Ermittlungsmaßnahmen. 3. Zwischenergebnis Trotz des weitgehenden Fehlens einer repressiven Bedeutung des § 54a KWG ist von diesem eine Steigerung der Bereitschaft der Geschäftsleiter zu erwarten, Vorgaben der BaFin das Risikomanagement betreffend zu befolgen. Insofern kommt § 54a KWG präventive Wirkung in Form der negativen Generalprävention zu. Diese beruht allerdings nicht auf einer drohenden Verurteilung nach § 54a KWG, sondern resultiert aus dem Interesse der Geschäftsleiter, bereits ein Ermittlungsverfahren, jedenfalls aber einen Strafprozess zu vermeiden.

III. § 54a KWG als symbolisches Strafrecht? In der bisherigen Diskussion um § 54a KWG war ein Vorwurf besonders verbreitet: Er geht dahin, § 54a KWG sei ein Fall symbolischen Strafrechts.733 Der 730

Auf derartige Nachteile für den Fall der Nichtbefolgung der aufsichtsbehördlichen Anordnung zu Recht hinweisend Taschke, zitiert nach Ziemann, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 235, 240. Zu möglichen Rückwirkungen des § 54a KWG auf § 266 StGB oben S. 328 f. 731 Allgemein zu vorweggenommenen Sanktionswirkungen in (Wirtschafts-)Strafverfahren und Möglichkeiten ihrer Vermeidung Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 359 ff. 732 So Altenburg, BB 2015, 323, 326 mit Bezug auf Ermittlungsverfahren wegen Untreue. 733 So explizit schon früh Hamm/Richter, WM 2013, 865; Hanten, Börsen-Zeitung v. 2. 3. 2013, S. 13 („Schulfall symbolischer Gesetzgebung“). Ebenfalls machen Symbolik aus:

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Vorwurf symbolischen Strafrechts wird nicht selten gegenüber Aktivitäten des Strafgesetzgebers erhoben und eignet sich hervorragend, das Gesetzgebungswerk plakativ zu diskreditieren. Er sollte indes nicht vorschnell formuliert werden. Soweit es § 54a KWG betrifft, hat die Untersuchung zwar eine Fülle von Anwendungshindernissen aufgezeigt, die den Vorwurf der reinen Symbolik naheliegend erscheinen lassen. Bevor aber der nahezu einhelligen Meinung im Schrifttum zugestimmt werden kann, muss kurz beleuchtet werden, was sich hinter dem Begriff des symbolischen Strafrechts verbirgt. Hassemer hat in anschaulicher Weise vier Elemente für eine Begriffsbildung ausgemacht:734 Erstens mache der Begriff des symbolischen Strafrechts nur Sinn bei einer folgenorientierten Betrachtung des Strafrechts. Zweitens solle das Urteil nicht gemessen an einer gesetzgeberischen Intention erfolgen, sondern die Prüfung der Gesetzeswirkung solle auf das Vorhandensein objektiver Voraussetzungen und auf die Wahrscheinlichkeit einer Wirkung abstellen. Drittens könne der Begriff des symbolischen Strafrechts nur ein komparativer Begriff sein. Viertens eigne er sich für sich genommen nicht zur Denunziation von Gesetzen; es müsse vielmehr der Punkt bestimmt werden, ab dem die Mischung symbolischer mit instrumentellen Bestandteilen des Strafrechts kritisch werde. Zum Vorwurf dürfe eine gesteigerte Symbolkraft nur dann gereichen, wenn der Gegensatz von „wirklich“ und „scheinhaft“ durch eine kritische Qualität zusätzlich bestimmt werde. Diese kritische Qualität ziele auf das Element der Täuschung, auf gleißnerische Vorspiegelung gesetzlicher Effektivität und Instrumentalität. Erst dann werde „symbolisches Strafrecht“ zu einem schändlichen oder doch gefährlichen Phänomen. Anknüpfend an diese Begriffsbestimmung und in Anbetracht der bisherigen Untersuchungsergebnisse muss die Antwort auf die Frage, ob § 54a KWG einen anzuprangernden Fall „symbolischen Strafrechts“ darstellt, differenziert ausfallen. Sie lautet: Ja und nein. Die Untersuchung hat gezeigt, dass § 54a KWG (ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken) in repressiver Hinsicht aufgrund seiner misslungenen Tatbestandsstruktur wirkungslos bleiben wird. Nur wer die folgenorientierte Betrachtung des Strafrechts auf dessen repressive Funktion beschränkt, kann zum Vorwurf reiner Symbolik gelangen. Eine solche eindimensionale Sichtweise geht indes fehl. Sie würde die Prävention als legitimen und gewichtigen Zweck des Strafrechts ausblenden. Die Untersuchung aber hat gezeigt, dass § 54a KWG durchaus eine – wenn auch nicht konkret messbare – präventive Wirkung entfaltet. Was § 54a KWG angesichts seiner rein präventiven Wirkweise nicht leisten kann, ist Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 120; Kasiske, ZIS 2013, 257, 264; Krause, in: FG Feigen 2014, S. 113, 128; Goeckenjan, wistra 2014, 201, 206; Binder, ZGR 2016, 229, 235; Kudlich/ Og˘ lakcıog˘ lu, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 201c; Scholl, Vorstandshaftung, § 14 Rn. 49; in diese Richtung auch Kudlich/Og˘ lakcıog˘ lu, in: FS Heintschel-Heinegg 2015, S. 275, 282. s.a. Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1014q: § 54a KWG sei ein Strafgesetz, das eines Tages Rechtshistorikern unter der Überschrift „symbolische Gesetzgebung“ als Dokument der Zeitgeschichte dienen könnte. 734 Hassemer, NStZ 1989, 553, 555 f. m.w.N.

I. Schlussbetrachtungen

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die strafrechtliche Erfassung des Unwertgehaltes, der in der infolge eines unzureichenden Risikomanagements herbeigeführten Bestandsgefahr und einer damit gegebenenfalls einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und der Gesamtwirtschaft liegt. Ob damit der Punkt erreicht ist, in dem die Mischung symbolischer Bestandteile des Strafrechts (in Bezug auf die repressive Seite des § 54a KWG) mit instrumentellen Bestandteilen des Strafrechts (in Bezug auf seine präventive Seite) kritisch wird, soll einem Abschnitt in den nunmehr folgenden Schlussbetrachtungen vorbehalten sein. Die verbreitete Annahme, § 54a KWG sei rein symbolisches Strafrecht und vom ihm sei „nichts zu erwarten“735, geht in dieser Pauschalität jedenfalls fehl.

I. Schlussbetrachtungen Zum Ende des Kapitels 2 und damit zum Ende der Untersuchung des § 54a KWG sollen drei Themenkomplexe noch einmal aufgegriffen werden. Sie wurden in den bisherigen Ausführungen bereits angeschnitten, bedürfen aber der Vertiefung. Eine solche ist für eine umfassende Untersuchung des § 54a KWG ebenso unabdingbar wie für die in Kapitel 3 zu behandelnde Frage möglicher Perspektiven de lege ferenda. Erstens ist noch einmal auf die an mehreren Stellen der Untersuchung behandelte Verwaltungsakzessorietät des § 54a KWG zurückzukommen. Bei einer Gesamtschau muss § 54a KWG als ein Beispiel für die Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände angesehen werden [I.]. Zweitens müssen die Auswirkungen des § 54a Abs. 3 KWG noch einmal aufgegriffen werden. Er führt im Ergebnis zu einer rechtsstaatlich bedenklichen Aufrüstung der Aufsichtsbehörde und dazu, § 54a KWG als Zweckverfehlung des Strafrechts ansehen zu müssen [II.]. Drittens und abschließend gilt es festzuhalten, dass § 54a KWG zwar eine Fehlkonstruktion darstellt, diese Fehlkonstruktion aber trotzdem in gewisser Weise funktioniert und dies dem Gesetzgeber nicht ungelegen kommen dürfte [III.].

I. § 54a KWG als Beispiel für Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände Die Untersuchung des § 54a KWG hat es an zwei Stellen erforderlich gemacht, aktuelle Entwicklungen im Bereich der Bankenregulierung zu betrachten, die unionsrechtlichen Ursprungs sind. Das erste Einfallstor für unionsrechtliche Einflüsse stellte § 54a Abs. 3 KWG dar und führte zur Frage, ob unter Geltung des SSM die BaFin überhaupt noch für den Erlass von Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG 735

Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 120.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

zuständig ist.736 Das zweite Einfallstor war der Begriff der Bestandsgefährdung, der bei Schaffung des § 54a KWG im KWG definiert war, im Zuge der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben zur Bankenabwicklung mit Wirkung zum 1. 1. 2015 allerdings aufgehoben wurde.737 Beide Einfallstore bestehen folglich in einem verwaltungsakzessorischen Element des § 54a KWG. Das Instrument der Verwaltungsakzessorietät erlaubt die Verknüpfung von Straftatbeständen mit verwaltungsrechtlichen Begrifflichkeiten, Normenkomplexen und Maßnahmen. Im Fall des § 54a KWG bewirkt sie eine Einbeziehung von Begriffen, Vorschriften und behördlichen Maßnahmen aus dem Bereich der Bankenregulierung. Diese wurde in den vergangenen Jahren einer immer stärkeren Europäisierung unterzogen. Dieser Prozess wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Angesichts der damit verbundenen, im Rahmen dieser Untersuchung konkret an § 54a KWG zu Tage getretenen Schwierigkeiten stellt sich eine ganz grundlegende Frage: Sollte eine Strafnorm nationalen Ursprungs sinnvollerweise an eine ständigen Änderungen unterliegende, immer stärker europäischen Einflüssen ausgesetzte Bankenregulierung anknüpfen? Da die Scharnierfunktion zwischen Strafund Regulierungsrecht die Verwaltungsakzessorietät übernimmt, geht es bei dieser Frage im Kern auch um die Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischen Strafrechts. Dies ist freilich keine neue (Streit-)Frage. Sie wurde insbesondere im Rahmen der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts lebhaft diskutiert. Die anfängliche Fundamentalkritik ist dort inzwischen der resignativen Einsicht in die gesetzestechnische Unvermeidbarkeit der Verwaltungsakzessorietät gewichen.738 Ob sie auch im vorliegenden Regelungskontext unvermeidbar und/oder sinnvoll ist, muss genauer betrachtet werden. Für die nachstehenden Ausführungen ist vor allem von Relevanz, dass die Verwaltungsakzessorietät zum einen der Einheit der Rechtsordnung zuträglich sein kann und sie zum anderen durch die Inbezugnahme außerstrafrechtlicher Begrifflichkeiten und Normenkomplexe eine oftmals begrüßenswerte Flexibilität des Strafrechts in Bezug auf außerstrafrechtliche Entwicklungen ermöglicht. Die Verwaltungsakzessorietät entbindet den Strafgesetzgeber von der Aufgabe, ständig Anpassungen vornehmen zu müssen, um einen Gleichlauf zu anderen Rechtsmaterien zu gewährleisten. Angesichts der zahlreichen Reformen im Recht der Bankenregulierung, die in den vergangenen Jahren vorgenommen wurden, erscheint die verwaltungsakzessorische und damit flexible Ausgestaltung des § 54a KWG auf erste Sicht sinnvoll. Dieser Eindruck trügt jedoch. Die bereits im Zusammenhang mit der weitgehend verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts vorgetragene Kritik an 736 737 738

s. o. S. 228 ff. s. o. S. 263 ff. Kubiciel, Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 271.

I. Schlussbetrachtungen

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der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung von Straftatbeständen muss vielmehr – wenn auch in einem anderen Kontext und mit anderen Akzenten – erneut aufgegriffen werden. Die Untersuchung des § 54a KWG hat schließlich zwei Spannungsfelder aufgedeckt: Das erste Spannungsfeld besteht darin, dass durch die Verwaltungsakzessorietät des § 54a KWG eine Verknüpfung hergestellt wird zwischen einem auf ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit angelegten Strafrecht einerseits und einem ständigen Änderungen unterworfenen Bankenregulierungsrecht andererseits [1.]. Das zweite Spannungsfeld besteht darin, dass durch die Verwaltungsakzessorietät des § 54a KWG eine Verknüpfung hergestellt wird zwischen einem national geprägten Strafrecht einerseits und einer immer stärker unionsrechtlich geprägten Bankenregulierung andererseits [2.]. Diese beiden Spannungsfelder sind an § 54a KWG offen zu Tage getreten. Sie gehen aber in ihrer Bedeutung über diesen Tatbestand hinaus und bedürfen nicht zuletzt aus diesem Grund näherer Erörterung.

1. Berechenbarkeit des Strafrechts und Hochfrequenz-Reform der Bankenregulierung – ein erstes Spannungsfeld Im Bereich der Bankenregulierung ist in den letzten Jahren kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Die Finanzkrise treibt die Politik bis heute um, die Reformbemühungen scheinen nicht enden zu wollen. Eine nahezu unüberschaubare Anzahl an teils bereits schon wieder überholten Maßnahmen wurde bislang ergriffen – auf nationaler ebenso wie auf europäischer und internationaler Ebene.739 Ein Blick auf die Geltungszeiträume zweier beispielhaft ausgewählter Paragraphen des KWG vermittelt einen Eindruck der hohen Taktzahl, mit der seit der Finanzkrise das Recht der Bankenregulierung reformiert wird: § 25a KWG wurde seit Ende 2007 nahezu 15 Mal geändert, § 1 KWG kommt sogar auf 25 Änderungen.740 Auch wenn die hohe Zahl an Änderungen in Teilen dem erheblichen Umfang beider Paragraphen geschuldet ist, so ist es nicht übertrieben zu sagen, die Bankenregulierung sei derzeit einer Reform in Permanenz ausgesetzt. Die nur kurze Geltungsdauer zahlreicher bankrechtlicher Vorschriften hat auch die vorliegende Untersuchung erschwert. § 48b Abs. 1 KWG a.F., der den Begriff der Bestandsgefährdung bei Schaffung des § 54a KWG näher definierte, wurde erst Anfang 2011 eingeführt, mit Wirkung zum 1. 1. 2015 aber bereits wieder gestrichen.741 Eine Begriffsbestimmung findet sich nunmehr in veränderter Form in § 63 SAG. Daneben sind inzwischen die weitgehend parallelen Regelungen des Art. 18 739

s. den Überblick und Versuch einer Systematisierung bei Höche, in: Bankrechtstag 2013, S. 3 ff. Er macht zehn „Regulierungsströme“ aus, die seit Herbst 2008 in Angriff genommen wurden. 740 Stand: 30. 11. 2016. 741 Hierzu und zu den Schwierigkeiten seiner Bestimmung im Einzelnen oben S. 263 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

SRM-VO742 getreten. § 48b Abs. 2 KWG a.F. wurde zum Jahresbeginn 2015 durch § 67 Abs. 2 SAG weitgehend identisch ersetzt, selbiger Absatz aber bereits im November 2015 wieder gestrichen.743 Dass sich auch die Aufsichtsstruktur grundlegend verändert hat, tut ein Übriges.744 Aufgrund der mit der Verwaltungsakzessorietät einhergehenden Flexibilität sollte man meinen, der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des § 54a KWG das passende Instrument gewählt. Die verwaltungsakzessorische Ausgestaltung erlaubt es ja gerade, die in außerstrafrechtlichen Bereichen vorgenommenen Änderungen im Strafrecht nachzuzeichnen und so einen Gleichlauf verschiedener Rechtsgebiete herzustellen. Allerdings wird durch § 54a KWG ein außerstrafrechtliches Rechtsgebiet in Bezug genommen, das nicht nur gelegentlich angepasst und modifiziert, sondern das in Hochfrequenz ganz grundlegend umgestaltet wird. Angeknüpft wird nicht an ein weitgehend etabliertes Regelungswerk, sondern auf ein in ständiger Veränderung begriffenes, immer detaillierter werdendes Regelungsdickicht, das man mit einiger Berechtigung als gesetzgeberische Dauerbaustelle bezeichnen kann.745 Selbst regelmäßig mit der Materie befasste Juristen drohen derzeit ob der Regelungsdichte und der kurzen Geltungsintervalle den Überblick zu verlieren. Bei § 54a KWG verwirklicht sich dadurch eine Gefahr, die der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung von Straftatbeständen stets anhaftet: Sie liegt in der Zunahme an Komplexität und dem Einzug eines erhöhten Maßes an Unverständlichkeit.746 Im Rahmen des § 54a KWG betrifft dies nicht nur die Ausgestaltung des Tatverhaltens durch die Inbezugnahme der ihrer Natur nach aufsichtsrechtlichen Pflichten aus § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG, sondern auch die Ausgestaltung des Taterfolges durch die Anknüpfung an den Begriff der Bestandsgefahr. Beide Elemente geraten infolge ihrer Inkorporation in einen Straftatbestand mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG in Konflikt.747 Die mit der Verwaltungsakzessorietät in den Straftatbestand eingezogene Komplexität wird deutlich bei einer Betrachtung der Verweisungen, denen sich der Normanwender bei § 54a KWG ausgesetzt sehen kann. Wird in Bezug auf das Tatverhalten wenigstens noch explizit auf § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG verwiesen, so gerät die nähere Bestimmung des Begriffs der Bestandsgefahr zu einer kaum mehr zu meisternden Herausforderung. Wer im ersten Geltungsjahr des § 54a KWG noch eine nähere Begriffsbestimmung in Reichweite des § 54a KWG fand (§ 48b Abs. 1 KWG a.F.), greift seit dem 1. 1. 2015 an dieser Stelle bereits ins Leere. Wer sodann in § 63 Abs. 1 SAG fündig wird, gerät in einen Verweisungsdschungel, der seinesgleichen sucht (vgl. etwa § 63 Abs. 1 Nr. 1 742

Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (Kap. 1 Fn. 475). Dazu oben S. 168 f. 744 Hierzu bereits oben S. 228 ff. 745 Schneider/Schneider, NZG 2016, 41, 42 konstatieren zutreffend eine in jüngster Zeit etwa erfolgte „fast explosionsartige Zunahme von Governance-Regeln im Aufsichtsrecht“. 746 Vgl. BeckOK-StGB-Witteck, Verwaltungsakzessorietät, Rn. 16. 747 s. o. S. 184 ff., 265 ff. 743

I. Schlussbetrachtungen

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SAG i.V.m. § 32 KWG, § 35 Abs. 2 Nr. 8 KWG, Art. 92–403, 411–428 CRR-VO748). Die inhaltliche Komplexität der in Bezug genommenen Vorschriften und die unüberschaubaren Verästelungen stellen nicht nur den Normanwender, sondern trotz eines zu unterstellenden Sonderwissens auch den einzelnen Normadressaten in Gestalt des Geschäftsleiters vor erhebliche Probleme. Die Probleme verschärfen sich noch dadurch, dass die in Bezug genommenen Vorschriften und Begrifflichkeiten ständig geändert werden. Selbst wenn in jedem Zeitpunkt für sich betrachtet das Bestimmtheitserfordernis gewahrt sein sollte, sind stetige Änderungen der vom Strafrecht in Bezug genommenen Begrifflichkeiten und Regelungskomplexe der Erkennbarkeit strafbewehrten Verhaltens abträglich und einer vorhersehbaren und gleichförmigen Rechtspraxis hinderlich. Erschwerend tritt bei § 54a KWG hinzu, dass er ein Unterlassungsdelikt darstellt749, das sich unter Umständen über einen erheblichen Zeitraum erstrecken kann, in dem die in Bezug genommenen Vorschriften und Begrifflichkeiten Veränderungen unterworfen sind. Festzuhalten ist, dass Straftatbestände über eine verwaltungsakzessorische Ausgestaltung zwar eine Öffnung erfahren gegenüber sich ändernden außerstrafrechtlichen Rahmenbedingungen und damit eine oftmals wünschenswerte Flexibilität aufweisen.750 Diese Form der Tatbestandskonstruktion stößt aber an ihre Grenzen, wenn wie im Fall des § 54a KWG die in Bezug genommenen außerstrafrechtlichen Regelungen ein (zu) hohes Maß an Komplexität in das Strafrecht tragen und zudem nicht nur gelegentlich, sondern geradezu hochfrequent Änderungen erfahren.

2. Nationales Strafrecht und Europäisierung der Bankenregulierung – ein zweites Spannungsfeld Verwaltungsakzessorische Straftatbestände sind – wie bereits erwähnt – im Grundsatz der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung dienlich. Im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG wurde allerdings eine Durchbrechung dieses Gleichlaufs in Bezug auf die Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung befürwortet. Diese hat sich nach hier vertretener Ansicht an den inzwischen aufgehobenen §§ 48b Abs. 1, 48o KWG a.F. zu orientieren und nicht an den neu geschaffenen Regelungen etwa des § 63 SAG oder des Art. 18 SRM-VO.751 Die damit verbundene unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung im Strafrecht einerseits und im Bankrecht andererseits hebt die grundsätzlich möglichen Vorteile einer verwaltungsakzessorischen Tatbestandsgestaltung auf. Sie ist der 748

Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Kap. 2 Fn. 481). Hierzu im Einzelnen bereits oben S. 276 f. 749 s. o. S. 195, 262. 750 Zu Vor- und Nachteilen von Verweisungen im Strafrecht etwa Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 26 ff., 29 f. 751 s. o. S. 274 ff., 279 f.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung abträglich und führt zu einem Verlust an Rechtssicherheit. Dass die zunehmende Europäisierung des Bankenaufsichtsrechts auch in anderen Zusammenhängen zu Verwerfungen im Hinblick auf das nationale Strafrecht führen kann, haben die Ausführungen zu § 54a Abs. 3 KWG und der Frage der Anordnungskompetenz der BaFin unter Geltung des SSM deutlich gezeigt.752 Über das Scharnier der Verwaltungsakzessorietät werden in § 54a KWG folglich nicht nur zwei Rechtsgebiete deutlich unterschiedlicher Dynamik, sondern auch zwei Rechtsgebiete unterschiedlicher Herkunft miteinander verknüpft: Ein national geprägtes Strafrecht trifft auf ein immer stärker internationalisiertes und europäisiertes Bankenregulierungsrecht. Ob Letzteres für sich genommen begrüßenswert ist, soll hier nicht Thema sein.753 Nicht nur im Bereich der Bankenregulierung sollte allerdings das Mantra, die Lösung vieler Probleme bestehe in „(noch) mehr Europa“, kritisch hinterfragt werden. Im Rahmen des hier interessierenden § 54a KWG jedenfalls führt die fortschreitende Europäisierung der Bankenregulierung zu schwerwiegenden Rechtsanwendungsproblemen. Sie hat zum einen den Einzug von Begrifflichkeiten zur Folge, die dem nationalen Recht fremd sind oder bisher anders verstanden wurden. Zum anderen bringt sie über die Instrumente der Verordnung und der Richtlinie inhaltliche Änderungen mit sich, die der nationale (Straf-)Gesetzgeber möglicherweise nicht anstrebte und die sich nicht passgenau in seine nationalen Strukturen einfügen. Durch diese verschiedenen Ebenen der Normsetzung, die über die Verwaltungsakzessorietät gleichsam miteinander verknüpft werden, ist kein einheitlicher gesetzgeberischer Wille mehr gewährleistet. Unstimmigkeiten, wie sie exemplarisch am Merkmal der Bestandsgefährdung zu Tage getreten sind, sind die zwangsläufige Folge. Verschärft wird dieses missliche Nebeneinander nationaler und europäischer Einflüsse bei § 54a KWG durch das in seinem Absatz 3 enthaltene Erfordernis einer aufsichtsbehördlichen Anordnung. An dieser Stelle herrscht, wie dargelegt, eine unter der Geltung des SSM im Einzelnen unklare Gemengelage zwischen Kompetenzen und Möglichkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden einerseits und solchen der EZB andererseits. § 54a KWG befindet sich durch seine Verwaltungsakzessorietät also in einer Abhängigkeit von unionsrechtlichen Regelungen im Bereich der Bankenregulierung und, je nach Standpunkt, auch in einer Abhängigkeit eines Handelns von Unionsorganen im Bereich der Bankenaufsicht.754 Damit taucht ein wesentlicher Kritikpunkt, der vor allem angesichts der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des Umweltstrafrechts erhoben wurde, lediglich mit umgekehrten Vorzeichen erneut auf: Das verwaltungsakzessorische Umweltstrafrecht wurde vor allem dahingehend 752

s. o. S. 228 ff. Kritisch hinsichtlich der stetig fortschreitenden Angleichung des Bank- und Kapitalmarktrechts durch die EU sowie hinsichtlich deren Regelungstechnik Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 63 ff., der von einer „systemgefährdenden Angleichung des Bankensystems“ spricht. 754 Zu Letzterem ausführlich oben S. 233 ff. 753

I. Schlussbetrachtungen

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kritisiert, dass es in eine Abhängigkeit von der jeweiligen Umweltpolitik der landesund bundesrechtlichen Gesetz- und Verordnungsgeber sowie einer teilweise unterschiedlichen Vollzugspraxis der Umweltbehörden gerate und die Verfügung über den Anwendungsbereich von Strafrecht aus den Händen des Bundesgesetzgebers gleite.755 Diese Kritik ist auf § 54a KWG insoweit übertragbar, als durch ihn spiegelbildlich eine Abhängigkeit des Strafrechts von der Politik der Europäischen Union im Bereich der Bankenregulierung sowie eine Abhängigkeit von einer gegebenenfalls von nationalen Vorstellungen abweichenden Aufsichtstätigkeit innnerhalb des SSM begründet wird. Wurde im Umweltstrafrecht ein Kompetenzverlust „nach unten“ und Rechtsunsicherheit angesichts unterschiedlicher Vollzugspraktiken der Umweltbehörden befürchtet, geht es bei § 54a KWG spiegelbildlich um einen Kompetenzverlust „nach oben“ und die Befürchtung, einer von nationalen Vorstellungen abweichenden Vollzugspraxis von Unionsorganen ausgesetzt zu sein. Ein stark verwaltungsakzessorisches Strafrecht, wie es hier in Gestalt des § 54a KWG in Rede steht, läuft vor diesem Hintergrund Gefahr, seinerseits europäisiert zu werden und dem Willen des nationalen Gesetzgebers Stück für Stück zu entgleiten. Die hiermit verbundenen Schwierigkeiten zeigen sich inzwischen auch im Bereich des Umweltstrafrechts und der Frage nach dessen „Europarechtsakzessorietät“756. Bei § 54a KWG werden sie besonders virulent.

3. Zwischenergebnis Die stark verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des § 54a KWG begründet zwei Spannungsfelder: Zum einen wird durch sie ein auf Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit ausgelegtes Strafrecht mit einer Bankenregulierung verbunden, die derzeit einem tiefgreifenden Umsturz unterzogen wird, der als Hochfrequenz-Reform in Permanenz bezeichnet werden darf. Zum anderen erhalten durch sie angesichts einer immer weiter fortschreitenden Europäisierung der Bankenregulierung unionsrechtliche Einflüsse über die Verwaltungsakzessorietät ein erhebliches Gewicht im Rahmen einer Strafnorm nationalen Ursprungs. Problemfelder eines „europarechtsakzessorischen Strafrechts“ treten bei § 54a KWG symptomatisch zu Tage. Angesichts eines oft unstimmigen oder ungeklärten Verhältnisses zwischen nationalen und unionsrechtlichen Begrifflichkeiten ist die Verwaltungsakzessorietät Einfallstor für Rechtsunsicherheit. Die bei § 54a KWG über dessen Absatz 3 zusätzlich gegebene Abhängigkeit der Strafbarkeit vom Einschreiten der Aufsichtsbehörde führt angesichts einer zumindest derzeit im Einzelnen noch unklaren Kompetenzverteilung zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und der EZB innerhalb des SSM zu einer gänzlich unübersichtlichen Gemengelage nationaler und europäischer Elemente. Angesichts dessen ist die stark verwaltungsakzessorische 755 756

s. Lackner/Kühl, vor § 324 Rn. 3 m.w.N. Hierzu Heger, in: FS Kühl 2014, S. 669 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Ausgestaltung des § 54a KWG zumindest derzeit als verfehlt anzusehen. Die beschriebenen äußeren Umstände der Bankenregulierung, auf die § 54a KWG trifft und die er in Bezug nimmt, führen dazu, dass die grundsätzlich existierenden Vorteile einer verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung von Straftatbeständen nicht zur Geltung kommen. Es besteht im Gegenteil sogar die Gefahr, dass diese konterkariert werden. Die hier an der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des § 54a KWG geübte Kritik bedeutet nicht, dass eine verwaltungsakzessorische Ausgestaltung von Straftatbeständen im Allgemeinen kritikwürdig sei. Über den Einzelfall des § 54a KWG hinaus kann die hier formulierte Kritik aber insoweit Geltung beanspruchen, als der nationale Strafgesetzgeber bei der Frage, ob er einen verwaltungsakzessorischen Straftatbestand schafft, künftig verstärkt berücksichtigen sollte, ob auf einen weitgehend etablierten oder aber auf einen im stetigen Umbruch befindlichen Regelungskomplex Bezug genommen wird und ob künftige Änderungen desselben in die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers oder aber in die Zuständigkeit anderer Normgeber wie der Europäischen Union fallen.

II. § 54a Abs. 3 KWG und die Rolle der BaFin Ebenso wie eine Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG janusköpfig ist, weil sie einerseits aufsichtsrechtlicher Natur ist, andererseits aber auch den Weg in eine Strafbarkeit nach § 54a KWG eröffnet757, ist die der BaFin durch §§ 25c Abs. 4c, 54a Abs. 3 KWG angetragene Rolle janusköpfig. Während das Erfordernis einer aufsichtsbehördlichen Anordnung aus strafrechtlicher Sicht den betroffenen Geschäftsleitern für den Fall der Befolgung einen safe harbour bietet [1.], ist mit ihm aus aufsichtsrechtlicher Perspektive eine bedenkliche Aufrüstung der Aufsichtsbehörde verbunden [2.]. 1. Befolgung der Anordnung als safe harbour aus strafrechtlicher Sicht Blickt man aus strafrechtlicher Sicht auf den Tatbestand des § 54a KWG und dessen über Absatz 3 geschaffene Verknüpfung mit einer aufsichtsrechtlichen Anordnung und weiß man zugleich um die Entwurfsfassung des § 54a KWG, kann man nicht umhin, der Zwischenschaltung der BaFin entlastenden Charakter zu attestieren. Der Kreis strafbaren Verhaltens wird durch das Erfordernis der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der BaFin im Vergleich zur Entwurfsfassung deutlich eingeschränkt.758 Der Geschäftsleiter, der keine Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG 757

s. o. S. 215. s.a. Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 125 m.w.N., nach dem § 54a Abs. 3 KWG dazu führe, dass es sich um weitgehend totes 758

I. Schlussbetrachtungen

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erhält, kann sicher sein, dass ihm eine Strafbarkeit nach § 54a KWG nicht droht. Ergeht eine solche Anordnung, stellt diese für den einzelnen Geschäftsleiter zwar einen belastenden Verwaltungsakt dar, sie bedeutet aber zugleich, dass bis dahin kein für § 54a KWG ausreichendes Verhalten vorgelegen haben kann und ein solches auch künftig ausscheidet, sollte der Geschäftsleiter die Anordnung befolgen. Damit hat die Anordnung für die Geschäftsleiter mit Blick auf § 54a KWG eine schützende Warnfunktion759, die Befolgung der Anordnung bildet für die Geschäftsleiter in Bezug auf § 54a KWG einen „safe harbour“760. So gesehen sollte den Geschäftsleitern die Mittlerfunktion der BaFin durchaus gelegen kommen. 2. Bedenkliche Aufrüstung der Aufsichtsbehörde – § 54a KWG als Zweckverfehlung des Strafrechts Diese rein strafrechtliche Perspektive, aus der die Zwischenschaltung der BaFin als Entlastung und Warnung anzusehen ist, wird aber der Janusköpfigkeit einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG nicht gerecht, denn durch § 54a KWG wird nicht nur der Einzug einer aufsichtsrechtlichen Komponente ins Strafrecht, sondern zugleich der Einzug einer strafrechtlichen Komponente ins Aufsichtsrecht bewirkt. Das Aufsichtsrecht ist in besonderem Maße durch Dialog und Kooperation geprägt. Das weitgehend kooperative Verhältnis wird auch in den MaRisk (BA) betont.761 Es kommt im Bereich des Risikomanagements in besonderem Maße zum Tragen, da dessen Vorgaben, wie dargelegt, weitgehend als reflexives und prozedurales Recht gestaltet sind, das weniger auf direkte staatliche Verhaltensanordnungen, als vielmehr auf die staatlich angeleitete Selbststeuerung der Finanzwirtschaft setzt.762 § 54a KWG könnte in diesem auf Dialog und Kooperation angelegten Zusammenspiel einen Fremdkörper darstellen, wird der BaFin über ihn doch eine zentrale Rolle im Hinblick auf eine etwaige strafrechtliche Verantwortlichkeit von Geschäftsleitern zuteil. Die Drohung mit dem Strafrecht, so könnte man befürchten, bedrohe den vertrauensvollen Umgang von Aufsicht und Institut. Derartige Warnungen kommen insbesondere aus der Bankenbranche: Es stehe zu befürchten, dass infolge einer Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG aus einem auf ständige Verbesserung ausgerichteten, im Wesentlichen kooperativen System schlagartig ein auf Sanktion und Repression gerichtetes System werde.763 Aus der Mitte des BunRecht handele. Nach Hopt, ZIP 2013, 1793, 1805 ist der Tatbestand nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG „fast zu eng“. Hierzu und zur damit verbundenen Frage der uneingeschränkten Geltung des strengen Gesetzesvorbehaltes auch für § 54a Abs. 3 KWG bereits oben S. 209 f. 759 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848; ähnlich Erting, in: Jobe, Riskante Bankgeschäfte, Rn. 38 („Warnschuss“). 760 Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 849. 761 Vgl. etwa MaRisk (BA) i. d. F. vom 14. 12. 2012, AT 1 1.4. 762 s. o. S. 188 ff. 763 So Otto, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 61, 75. Otto ist stellvertretender Chefsyndikus für Deutschland, Zentral- und Osteuropa der Deutschen Bank und

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

destages heißt es demgegenüber, der BaFin komme über § 54a KWG mehr Verantwortung zu, zugleich werde aber auch die Qualität des Aufsichtsdialogs verbessert.764 Auch wenn die Bankenaufsicht sinnvollerweise in erheblichem Umfang auf eigenverantwortliche Maßnahmen der Institute und auf einen konstruktiven Dialog setzen mag – im Kern ist sie durch staatlichen Eingriff und Zwang, durch Unter- und Überordnung geprägt.765 Daran vermögen auch ein häufiges Vorgehen im informellen Verfahren und eine ausgeprägte Dialogkultur nichts zu ändern. Das Subordinationsverhältnis kommt nicht nur in den zahlreichen Anordnungs- und Eingriffsbefugnissen der BaFin, sondern auch darin zum Ausdruck, dass aufsichtsbehördliches Handeln vielfach ordnungswidrigkeitenrechtlich flankiert ist.766 Die Gefahr einer Verschlechterung des Aufsichtsdialogs rührt daher nicht aus der in § 25c Abs. 4c KWG enthaltenen Anordnungsbefugnis als solcher, sondern allenfalls daraus, dass einer solchen Anordnung der BaFin aufgrund der über § 54a Abs. 3 KWG hergestellten Verknüpfung mit dem Strafrecht besonderes Gewicht zukommt. Insoweit steht zu befürchten, dass § 54a KWG in seiner geltenden Fassung vorrangig oder vielleicht sogar allein dem Zweck dienen könnte, als Druckmittel die Befolgung behördlicher Anordnungen das Risikomanagement betreffend sicherzustellen.767 In einer Anordnungsbefugnis, die mit einer durchaus empfindlichen Strafandrohung verknüpft ist, könnte eine rechtsstaatlich bedenkliche Aufrüstung der Aufsichtsbehörde liegen. Die strafrechtliche Flankierung aufsichtsbehördlicher Anordnungen die Geschäftsorganisation betreffend würde dann zum Garant deren Einhaltung. In der Tat kommt einer Anordnung gemäß § 25c Abs. 4c KWG durch den hinter ihr stehenden § 54a KWG ein zwar nicht konkret messbares, aber dennoch beträchtliches Gewicht zu.768 Die Konsequenzen einer Missachtung der Anordnung gehen im Fall einer Erfüllung der weiteren Tatbestandsmerkmale weit über das Ordnungswidrigkeitenrecht hinaus. Ein durch § 54a KWG gestiegener Druck auf Leiter der globalen Praxisgruppe Regulatory & Governance. Ähnlich aber auch MüKo-StGBJanssen, § 54a KWG Rn. 23. 764 So der Bundestagsabgeordnete Sänger (FDP), BT-Plenarprotokoll 17/241, S. 30546 D. Ebenfalls wenig überraschend zeigte sich (allerdings noch zum ursprünglichen Regierungsentwurf) der Exekutivdirektor Bankenaufsicht der BaFin Röseler optimistisch, dass der Dialog zwischen der BaFin und den Instituten bzw. Vorständen nicht unter der neuen Strafvorschrift leide, s. Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 43. 765 s. Köhler, in: Schwintowski, Bankrecht, § 4 A Rn. 56 unter Verweis auf BGHZ 74, 144, 152. 766 Vgl. etwa § 56 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 KWG. 767 Deutlich in diese Richtung Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 91 f. Ein neues erhebliches Druckmittel erkennt auch Ahlbrecht, Deutscher AnwaltSpiegel 03/2014, S. 3, 4. 768 s. o. S. 338 ff.

I. Schlussbetrachtungen

353

Geschäftsleiter wurde von Seiten der BaFin bereits in Bezug auf die Entwurfsfassung begrüßt.769 Durch die Zwischenschaltung der Anordnungsbefugnis wurde dieser Druck noch einmal verstärkt und betrifft nun nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern auch die Einhaltung behördlicher Anordnungen. Unabhängig von der Frage, ob es womöglich gar unausgesprochene Intention des Gesetzgebers war, mit § 54a KWG einzig ein Druckmittel zu schaffen, um eine größtmögliche Befolgung aufsichtsrechtlicher und aufsichtsbehördlicher Vorgaben zu bewirken, und die Etablierung strafrechtlicher Verantwortlichkeit gar nicht gewollt war, stellt sich schon allein aufgrund dieser tatsächlichen Wirkungsweise des § 54a KWG die Frage, ob dies legitimer Zweck einer Strafnorm sein darf. Gegen eine solche Funktion der Strafnorm des § 54a KWG hat vor allem Hamm erhebliche Bedenken vorgebracht.770 Anknüpfend an seine Vermutung, der Sinn des § 54a KWG erschöpfe sich darin, ein Druckmittel darzustellen und dass man eigentlich gar keine Prozesse wolle, gelangt er zu dem Schluss, § 54a KWG bedeute eine Zweckverfehlung des Strafrechts. Der staatlichen Macht würde eine Waffe in die Hand gegeben, die nicht zum gewöhnlichen Prozessarsenal verwaltungsgerichtlicher Auseinandersetzungen gehöre und die das Chancengleichgewicht aus dem Lot bringe. Potenzielle Täter würden in vorauseilendem Gehorsam nachgeben und weder die Vollziehbarkeit, noch die Verwaltungsakte selbst anfechten. Die von der Exekutivbehörde ausgelöste Strafdrohung schaffe eine Nötigungslage mit dem Ziel, Bankvorstände unabhängig davon zum Nachgeben zu bewegen, ob die angeordneten Maßnahmen rechtmäßig, effektiv, wirkungslos oder sogar kontraproduktiv seien. Dabei steigert sich Hamm bis hin zu der Generalkritik, das neue Strafrecht atme den Geist eines vordemokratischen und vorrechtsstaatlichen Obrigkeitsdenkens. Wer als Bankvorstand nicht nach der Devise „das Amt hat immer Recht“ handele, riskiere ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren, das dann aber in der Praxis vermutlich nur deshalb ausbleibe, weil die mit solchen Drohwerkzeugen ausgestattete Obrigkeit regelmäßig ihren Willen durchsetze, noch bevor die Rechtmäßigkeit gerichtlich geprüft werden konnte. Das von Hamm gezeichnete Bild einer Nötigungslage ist im Kern zutreffend, auch wenn de facto kein Risiko einer Verurteilung nach § 54a KWG besteht und ein Straftatbestand für eine gelungene Verteidigung kaum mehr Angriffsfläche bieten könnte. Von diversen Nachweisschwierigkeiten bis hin zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit sind der Verteidigung Tür und Tor geöffnet. Oder besser: Sie wären geöffnet. Denn auch wenn die Chancen auf einen Freispruch bei entsprechender 769 s. die Äußerung von Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht der BaFin, in: Finanzausschuss, Wortprotokoll, 138. Sitzung v. 22. 4. 2013, Protokoll Nr. 17/138, S. 43. 770 Hamm, in: Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 81, 91 ff. Dem sind die folgenden Ausführungen entnommen. In dieselbe Richtung geht die Formulierung bei Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 54a Rn. 3. („Es ist nicht Aufgabe des Strafrechts, Defizite einer bereits mit umfassenden Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen ausgestalteten Institutsaufsicht durch die Einschaltung der Strafverfolungsbehörden auszugleichen statt die Effizienz der Aufsicht zu verbessern.“)

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Verteidigung enorm sein dürften: Es ist – um in Hamms Bild von der unangemessenen Waffe in den Händen der Aufsicht zu bleiben – nicht der Schuss aus der strafrechtlichen Waffe, sondern bereits die Drohung mit einem solchen, welche zur Befolgung der Anordnung führen wird. Gedroht wird mit einem Übel in Form eines Ermittlungs- und gegebenenfalls sich anschließenden Strafverfahrens. Zum Schuss aus der Waffe Strafrecht in Form eines Versuchs der Strafjustiz, ein tatbestandsmäßiges Verhalten ernsthaft nachzuweisen, wird es wohl nie kommen. Käme es zu ihm, so würde sich zeigen, dass die Waffe, mit der die Aufsicht droht, in Wahrheit nur eine Schreckschusspistole darstellt. Sie kann den Geschäftsleiter nicht verletzen im Sinne der Formulierung eines auf § 54a KWG gestützten Schuldspruchs. Bereits der durch einen Schussversuch der Strafjustiz ausgelöste Knall aber würde im Hinblick auf den Geschäftsleiter und die Zustände in seinem Institut eine solche Aufmerksamkeit auslösen, dass der einzelne Geschäftsleiter die geforderte Handlung in Form der Befolgung der Anordnung lieber vornehmen wird. Es wäre interessant zu sehen, was passiert, sollte sich ein Geschäftsleiter einmal nicht der Anordnung der BaFin beugen und nötigenfalls einen Strafprozess in Kauf nehmen. Doch ist dies nicht zu erwarten, da es prima ratio eines jeden Geschäftsleiters sein wird, ein Strafverfahren und möglichst schon die Einleitung von Ermittlungen zu vermeiden. In ihnen und nicht in einer allenfalls theoretisch denkbaren Verurteilung liegt das durch § 54a KWG verkörperte Druckmittel der Aufsicht. Selbstredend lässt sich nur in wenigen Fällen im Zeitpunkt der Anklageerhebung und noch viel seltener bereits im Zeitpunkt der Aufnahme von Ermittlungen der Ausgang eines Verfahrens annähernd sicher bestimmen. Scheidet eine Verurteilung aber von vornherein aus, sind Ermittlungen fehl am Platze. Wenn es bei Ausbleiben einer Verurteilung im Nachgang eines Prozesses heißt „Zu einer Verurteilung hat es nicht gereicht, aber wir haben die Vorstandsetagen ausgewechselt“771, so ist dies zwar eine überaus bedenkliche Bewertung des Verfahrensausgangs. Sollte die Aussicht auf eine Verurteilung aber im Vorhinein nicht ausgeschlossen gewesen sein, war die Einleitung von Ermittlungen in diesem Fall nicht nur berechtigt, sondern auch angezeigt (vgl. § 152 Abs. 2 StPO). Schafft der Gesetzgeber allerdings eine Strafnorm, die allein die Funktion haben kann, über drohende Ermittlungs- und gegebenenfalls Strafverfahren Druck aufzubauen im Hinblick auf ein gewünschtes Verhalten, bei der eine Verurteilung aber von vornherein – ganz losgelöst von Bedenken in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit – aufgrund einer völlig misslungenen Tatbestandsstruktur ausgeschlossen ist, dann stellt dies eine Zweckverfehlung des Strafrechts dar. Denn in diesem Fall wird das Strafrecht seiner grundlegenden Funktion – des Strafens – entkleidet und für andere Zwecke instrumentalisiert.772 In Bezug auf § 54a KWG 771

Derartige Äußerungen will Lüderssen vernommen haben über die Arbeit von Staatsanwälten, die in speziellen Dezernaten für Umweltstrafrecht tätig waren, s. Lüderssen, in: FS Amelung 2009, S. 67, 80. 772 Der Frage, ob auf europäischer Ebene entsprechende Regelungsmechanismen ebenfalls vermehrt um sich greifen, kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Verwiesen sei insoweit auf Braum, in: FS Kargl 2015, S. 60 ff., der seine Beobachtung beschreibt, dass die

I. Schlussbetrachtungen

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liegt die Instrumentalisierung in einer Aufrüstung der Aufsichtsbehörde mittels des Aufbaus einer Drohkulisse. Dies ist aus rechtsstaatlicher Sicht nicht hinnehmbar. Der hier gegenüber § 54a KWG erhobene Vorwurf der Instrumentalisierung und Zweckverfehlung des Strafrechts wiegt im Ergebnis schwerer noch als der allgemein formulierte (und hier als unzutreffend erachtete773) Vorwurf des rein symbolischen Strafrechts. Für den Fall einer – unausgesprochenen – Intention des Gesetzgebers in Richtung einer solchen Wirkweise des § 54a KWG dürfte man sogar noch schärfer formulieren und von einem Missbrauch des Strafrechts sprechen. Eine solche Intention darf dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden. Er hat sich vielmehr nur unzureichende Gedanken über die Wirkweise der von ihm geschaffenen Regelung gemacht.

III. § 54a KWG als dem Gesetzgeber gelegene funktionierende Fehlkonstruktion Im Ergebnis dürfte § 54a KWG in seiner konkreten Wirkungsweise dem Gesetzgeber nicht ganz ungelegen kommen. Für ihn, so scheint es, fügt sich am Ende doch noch vieles zusammen. Dass § 54a KWG kaum jemals die Strafjustiz beschäftigen wird, dürfte ihn zumindest kurzfristig wenig stören. Es sollte ihm im Gegenteil sogar Recht sein, denn obschon die Norm angesichts zahlreicher Schwächen als Fehlkonstruktion bezeichnet werden muss, funktioniert sie teilweise. Für den Gesetzgeber, aber auch für Gerichte und Staatsanwaltschaften hat die fehlende repressive Funktion des § 54a KWG mehr Vor- als Nachteile, denn fehlt es an einer Anwendung der Norm in der Praxis, entfallen zugleich die mit der Normanwendung verbundenen Schwierigkeiten. Gerichte und Staatsanwaltschaften werden sich angesichts der zu erwartenden Befolgung der aufsichtsbehördlichen Anordnung weder mit der Feststellung einer Bestandsgefährdung, noch mit der Ermittlung eines Verstoßes gegen Risikomanagementpflichten auseinandersetzen müssen. Auch werden sie sich nicht mit dem kaum nachweisbaren Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden Elementen befassen müssen. Ihnen bleiben damit langwierige, komplexe und ressourcenraubende Ermittlungen und Verfahren erspart. Auch die Frage, ob § 54a KWG überhaupt verfassungsrechtlichen Anforderungen europäische Kriminalpolitik Strafrecht mittlerweile schon dann als legitimes Mittel verstehe, wenn es bei der Durchsetzung von EU-Politiken Mehrwert verspreche und dass die Strafe Teil eines Europäischen Kontroll- und Zwangsrechts geworden sei. Dabei ziele das sich aus Brüssel entfaltende Strafrecht nicht so sehr auf Repression ab. Weite und Konturenlosigkeit der Straftatbestände, seien sie justiziell auch nur schwierig praktikabel, würden ihr Ziel erfüllen, da sie Ordnungsbehörden, Finanzmarktaufsicht, ggf. Steuerfahndung, Polizei und Staatsanwaltschaft Kontroll- und Ermittlungsbefugnisse eröffnen würden. Das Strafrecht werde letzlich unter Gegenstände eines allgemeinen Kontroll- und Zwangsrechts gemischt; was übrig bleibe, seien Risiken, Sanktionen unterworfen zu sein, was wiederum Compliance auf den Plan rufe. 773 Hierzu oben S. 341 ff.

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

genügt, wird in Ermangelung seiner Anwendung in der Praxis nicht akut werden. Die fehlende repressive Bedeutung des § 54a KWG wird also dessen erhebliche Mängel kaschieren und Staatsanwaltschaften sowie Gerichte vor der Auseinandersetzung mit einer nicht handhabbaren Strafnorm bewahren. Der Gesetzgeber seinerseits hat durch die Schaffung des § 54a KWG im Wahljahr 2013 ein Zeichen gesetzt774 und sich vermeintlich handlungsfähig gezeigt. In präventiver Hinsicht wird sein Unterfangen zumindest zu einer Steigerung des Befolgungsinteresses aufsichtsbehördlicher Anordnungen im Bereich des Risikomanagements führen – insoweit „funktioniert“ § 54a KWG tatsächlich. Dies stellt aber nicht nur eine Zweckverfehlung des Strafrechts dar. Dem Gesetzgeber ist es vielmehr auch nicht gelungen, die von ihm ausgemachte Lücke im Strafrecht zu schließen. Dies wird sich im Rahmen der nächsten Bankenkrise zeigen. Der Ruf nach einem effektiven, handhabbaren Strafrecht wird dann unweigerlich neu erklingen, weil in dieser Situation deutlich zu Tage treten wird, was § 54a KWG nicht leisten kann: Die strafrechtliche Erfassung des vom Gesetzgeber ausgemachten besonderen Unwertgehaltes, der in der Verursachung einer Unternehmenskrise und einer damit möglicherweise einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liegt. Diesem in der Gesetzesbegründung formulierten Anspruch775 ist der Gesetzgeber mit § 54a KWG nicht ansatzweise gerecht geworden. Bei einer neuerlichen Untersuchung wie der vorliegenden würde sich § 54a KWG in den Reigen der in Kapitel 1 untersuchten Straftatbestände einreihen. Seine strukturellen Unzulänglichkeiten übertreffen dabei sogar noch diejenigen der bereits vor seiner Schaffung existierenden Tatbestände. Der Gesetzgeber sollte hieraus schon jetzt die Konsequenz ziehen und § 54a KWG in seiner geltenden Fassung aufheben. Ob einzelne Elemente des Tatbestandes in einer ihn ersetzenden Strafnorm sinnvoll beibehalten werden können, wird nach einer Zusammenfassung der zu § 54a KWG gewonnenen Erkenntnisse im letzten Kapitel 3 dieser Arbeit erörtert.

J. Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen Die Untersuchung des § 54a KWG führte im Wesentlichen zu folgenden Erkenntnissen: 1.

§ 54a KWG ist ein Sonderdelikt für Geschäftsleiter. Auf eine etwaige Systemrelevanz des von ihnen geführten Instituts kommt es nach dem Wortlaut 774

Die Frage aufwerfend, ob dies nicht auch ein Zweck des Strafrechts sein könne, Kudlich/ Og˘ lakcıog˘ lu, in: FS Heintschel-Heinegg 2015, S. 275 Fn. 4 m.w.N. Sie verweisen in diesem Kontext nicht zu Unrecht auf die Nähe zur positiven Generalprävention. 775 RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29.

J. Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen

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nicht an. Eine täterbegünstigende teleologische Reduktion des Adressatenkreises auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute ist abzulehnen. Nicht nur wäre eine solche in praktischer Hinsicht schwer durchführbar. Sie ist vor allem nicht angezeigt, weil die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion nicht vorliegen. Ein gesetzgeberischer Wille dahingehend, mit § 54a KWG nur einen bestimmten Kreis an Geschäftsleitern zu erfassen, ist nicht zweifelsfrei feststellbar. 2.

§ 54a Abs. 1 KWG knüpft hinsichtlich des Tatverhaltens infolge seiner verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung an einen umfangreichen Katalog aufsichtsrechtlicher Normen an. Hierdurch wird ein Normenbestand in den Tatbestand inkorporiert, der sich durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und eine weitgehend prinzipienorientierte Ausgestaltung auszeichnet. Diese im Aufsichtsrecht sinnvolle Regelungstechnik führt dazu, dass dem strafrechtlichen Bestimmtheitserfordernis nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Die in der Entwurfsbegründung geforderte institutsbezogene Auslegung ist nicht leistbar.

3.

An dem Befund mangelnder Bestimmtheit vermag auch die in der verabschiedeten Fassung verwandte Formulierung einer Sorgetragungspflicht nichts zu ändern. Sie führt zwar zu einer inhaltlichen Abmilderung der strafbewehrten Geschäftsleiterpflichten gegenüber der noch im Regierungsentwurf vorgesehenen Sicherstellungspflicht. Den Vorwurf der Unbestimmtheit des Tatbestandes räumt sie indes nicht aus, sondern verstärkt ihn noch.

4.

§ 54a Abs. 3 KWG ist entgegen der gesetzgeberischen Vorstellung kein Strafausschließungsgrund. Trotz seiner systematischen Verortung in einem eigenen Absatz ist er Teil des Tatbestandes und stellt weitere vorsatzbedürftige Tatbestandsmerkmale auf. Die Tatbestandsstruktur des § 54a KWG darf insofern als zweigliedrig bezeichnet werden. § 54a Abs. 3 KWG ergänzt sowohl § 54a Abs. 1 KWG als auch § 54a Abs. 2 KWG um das Erfordernis einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung der BaFin und ist insoweit verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet.

5.

Die sich aus der Fassung des § 54a Abs. 1 KWG ergebenden Bestimmtheitsbedenken werden auch durch § 54a Abs. 3 KWG nicht beseitigt. Zwar ist nach seiner Einfügung klar erkennbar, wann sich ein Geschäftsleiter jedenfalls nicht strafbar macht. Dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügt dies aber nicht. Dafür müsste vielmehr erkennbar sein, wann eine Strafbarkeit droht. Dies ist auch in der verabschiedeten Fassung nicht gewährleistet, sodass § 54a KWG mangels Wahrung des Bestimmtheitsgebotes verfassungswidrig ist.

6.

Eine Verletzung des ebenfalls aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gewaltenteilung liegt hingegen nicht vor. Die Einbindung der BaFin in die Bestimmung des strafrechtlich relevanten

358

Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Verhaltens genügt noch den insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. 7.

Obwohl der Wortlaut des § 54a Abs. 3 KWG nur eine vollziehbare und nicht eine rechtmäßige Anordnung der BaFin verlangt, scheidet im Falle einer mangels Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG materiell rechtswidrigen Anordnung eine Strafbarkeit aus. Dies ergibt sich aus der Aufrechterhaltung des § 54a Abs. 1 KWG als Element des Tatbestandes. § 54a KWG ist dadurch trotz seines Absatzes 3 nur limitiert verwaltungsaktsakzessorisch ausgestaltet.

8.

Durch die Einbeziehung einer aufsichtsbehördlichen Anordnung in den Tatbestand des § 54a KWG erlangt die jüngst erfolgte Neugestaltung der Aufsichtsstruktur auch Bedeutung für § 54a KWG. Unter Geltung des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (SSM) ist allerdings unklar, ob die BaFin Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG noch gegenüber Geschäftsleitern solcher Institute erlassen darf, die innerhalb des SSM der unmittelbaren Aufsicht der EZB unterstehen. An dieser Stelle zeigt sich, dass die kurzfristige und weitgehend unreflektierte Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG nicht nur die Bestimmtheitsbedenken nicht auszuräumen vermag, sondern spätestens unter Geltung des SSM zu einer Quelle erheblicher Rechtsunsicherheit geworden ist.

9.

Die in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG enthaltenen Risikomanagementpflichten sind entgegen der Entwurfsbegründung einer ressortmäßigen Verteilung zugänglich, die bei der Prüfung des § 54a KWG Berücksichtigung finden muss. Die ursprüngliche gesetzgeberische Vorstellung einer fehlenden Ressortund Delegationsfähigkeit warf neben verfassungsrechtlichen vor allem praktische Bedenken auf. Die gegenüber der Entwurfsfassung vorgenommenen Änderungen zwingen zwar nicht zur Annahme einer Ressortfähigkeit, ermöglichen sie aber. Während ressortmäßig mit dem Risikomanagement betraute Geschäftsleiter eine umfassende Handlungspflicht trifft, obliegt den nicht ressortmäßig verantwortlichen Geschäftsleitern zunächst nur eine Überwachungspflicht. Diese verdichtet sich spätestens mit Erlass einer Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG an sie zu einer Handlungspflicht.

10. § 54a KWG verlangt als Taterfolg den Eintritt einer Bestandsgefahr und knüpft damit an einen dem Strafrecht bislang nicht bekannten und aufsichtsrechtlich noch nicht etablierten Begriff an. Die bei Schaffung des § 54a KWG und im ersten Jahr seiner Geltung bestehende Norm des § 48b KWG a.F. beinhaltete sowohl eine Definition des Begriffs der Bestandsgefahr, als auch mehrere diesbezügliche Vermutungstatbestände und eine Beurteilungskompetenz der BaFin hinsichtlich des Vorliegens einer Bestandsgefährdung. Eine solche Beurteilungskompetenz entbindet die Strafgerichte allerdings nicht davon, das Vorliegen einer Bestandsgefährdung eigenständig festzustellen. Die in § 48b KWG a.F. enthaltenen Vermutungstatbestände müssen als strafverfahrensrechtlich irrelevant betrachtet werden. Sie tragen aber dazu bei, dem Begriff der

J. Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen

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Bestandsgefährdung eine gewisse Kontur zu verleihen und ihn als noch mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar erscheinen zu lassen. 11. Infolge der Aufhebung des §§ 48a–48 s KWG a.F. mit Wirkung zum 1. 1. 2015 hängt der Begriff der Bestandsgefährdung in § 54a KWG derzeit gewissermaßen in der Luft. Die nunmehr im Bankenrestrukturierungsrecht enthaltenen Ausführungen zum Begriff der Bestandsgefahr sind nicht deckungsgleich mit den vormals im KWG enthaltenen Ausführungen und überdies nicht Ausdruck einer freien Entscheidung des nationalen Gesetzgebers. Mit Blick auf § 54a KWG folgt hieraus, dass sich die Auslegung des Begriffs der Bestandsgefährdung weiterhin an §§ 48b, 48o KWG a.F. zu orientieren hat und insoweit strafrechtsautonom erfolgen muss. Das damit verbundene Auseinanderdriften aufsichts- und strafrechtlicher Begriffsbestimmungen ist misslich, derzeit aber unvermeidbar. 12. § 54a KWG stellt entgegen der Auffassung des Gesetzgebers kein abstraktes Gefährdungsdelikt dar und auch keine im bisherigen Rechtssystem beispiellose Kombination aus konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt. Er ist ein konkretes Gefährdungsdelikt. 13. Der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen Tatverhalten und Taterfolg bedeutet ein erhebliches Nadelöhr bei der Etablierung einer Strafbarkeit nach § 54a KWG. Der Kausalitätsnachweis wird auch unter Heranziehung von Sachverständigen in der Praxis kaum je gelingen. Durch die Ausgestaltung des § 54a KWG als konkretes Gefährdungsdelikt einerseits und die Anknüpfung an Versäumnisse im Bereich des Risikomanagements als gegenüber der Geschäftstätigkeit gleichsam abstraktere Ebene andererseits entsteht eine Mittelbarkeit, die zu kaum überwindbaren Nachweisschwierigkeiten führt. Beweiserleichterungen sind in der Praxis nicht zu erwarten. 14. Der in § 54a Abs. 1 KWG normierte Kausalzusammenhang hat in der verabschiedeten Fassung des § 54a KWG keine eigenständige Bedeutung mehr, er geht faktisch in demjenigen des § 54a Abs. 3 KWG auf. Dies ist aufgrund der misslichen Zweispurigkeit des Tatbestandes jedoch nur mit nicht unerheblichem Aufwand erkennbar. Die Vertiefung einer bereits vor Erlass der Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG angelegten Bestandsgefährdung reicht zur Bejahung der Kausalität nach § 54a Abs. 3 KWG nicht aus. 15. Mit der Einordnung des § 54a Abs. 3 KWG als Ergänzung des Tatbestandes geht einher, dass sich der Vorsatz auch auf die Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der BaFin erstrecken muss. Der Nachweis eines solchen Vorsatzes erscheint möglich. Der ebenfalls nötige Vorsatz hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG auch schon vor Erlass der behördlichen Anordnung wird indes nur schwer nachweisbar sein. 16. Noch größere Schwierigkeiten bereitet der Nachweis einer vorsätzlichen Herbeiführung der Bestandsgefahr. In der Praxis dürfte allenfalls das fahrlässige

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Herbeiführen einer Bestandsgefahr nach Maßgabe des § 54a Abs. 2 KWG nachzuweisen sein. Diese Norm stellt kein strafrechtsdogmatisches Novum dar, sondern eine klassische Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination im Sinne des § 11 Abs. 2 StGB. Weder bedeutet sie eine drastische Erweiterung der Strafbarkeit, noch ist sie nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG überflüssig geworden. Allerdings hätte § 54a Abs. 2 KWG auf Leichtfertigkeit beschränkt werden sollen. 17. Nach derzeitiger Fassung des Tatbestandes und unter Ablehnung einer teleologischen Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute wird der Schutz der vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung angeführten Rechtsgüter nicht bei jeder Tatbestandserfüllung erreicht, weil nicht bei jeder Tatbestandserfüllung alle dort genannten Schutzgüter in Gefahr sind. Die Wahrung der Stabilität des Finanzsystems und der Schutz der Gesamtwirtschaft vor Nachteilen stehen nur dann in Rede, wenn eine systemrelevante Bank in ihrem Bestand gefährdet ist. Der Sockel des Rechtsgüterschutzes, den § 54a KWG in jedem Fall der Tatbestandsverwirklichung gewährleistet, liegt im Schutz des angetrauten Vermögens, wobei der Vermögensschutz vor allem auch im Interesse der Gläubiger des Instituts erfolgt und damit über den Schutzzweck des § 266 StGB hinausgeht. 18. Der Tatbestand des § 54a KWG schützt nicht, auch wenn dies nach Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG auf erste Sicht naheliegt, die staatliche Aufsicht über das Kreditwesen als solche. Grund hierfür ist die limitierte Verwaltungsaktsakzessorietät, die Konsequenz der zweigliedrigen Tatbestandsstruktur des § 54a KWG ist. 19. Der Strafrahmen des § 54a Abs. 1 KWG ist im Vergleich zum besonders schweren Fall der Untreue und zum besonders schweren Fall des Bankrotts zu niedrig. Angemessen wäre ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Für § 54a Abs. 2 KWG wäre eine Erhöhung der Obergrenze des Strafrahmens auf drei Jahre Freiheitsstrafe sinnvoll. 20. Im Rahmen der Strafzumessung ist eine etwaige Systemrelevanz des in Bestandsgefahr geratenen Instituts strafschärfend zu berücksichtigen. Ebenfalls von Bedeutung für die Strafzumessung sollte die Stellung des Geschäftsleiters sein, die ihm nach der internen Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich des Risikomanagements zukommt. 21. Eine Teilnahme an § 54a KWG ist nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Der Nachweis eines Teilnehmervorsatzes wird aber regelmäßig nicht möglich sein. Ein Strafbarkeitsrisiko für Mitarbeiter der BaFin besteht nicht. 22. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass im Rahmen des § 266 StGB auch an die Verletzung von Risikomanagementpflichten angeknüpft wird, können § 54a KWG und § 266 StGB tateinheitlich verwirklicht werden. Die Tatbestände stehen dann in Idealkonkurrenz zueinander. Dies gilt unabhängig von einer

J. Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen

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etwaigen Systemrelevanz des Instituts. Ein § 266 StGB verdrängendes Kriterium stellt § 54a Abs. 3 KWG in diesen Fällen nicht dar. Knüpft man, wie es regelmäßig der Fall sein dürfte, für die Pflichtverletzung in § 266 StGB an die Geschäftstätigkeit als solche an, liegt gegenüber § 54a KWG Tatmehrheit vor und die Delikte stehen in Realkonkurrenz, § 53 StGB. Realkonkurrenz kann auch im Verhältnis des § 54a KWG zu § 283 StGB vorliegen, sollte die im Bestand gefährdete Bank in die reguläre Insolvenz gehen. 23. In repressiver Hinsicht wird § 54a KWG keine Wirkung entfalten. Anklagen, die auf eine Verletzung des § 54a KWG abstellen, sind kaum zu erwarten. Eine Verurteilung erscheint angesichts der erheblichen Nachweisschwierigkeiten nahezu ausgeschlossen. Im Zweifel würden Opportunitätseinstellungen oder aber Verfahrensabsprachen die repressive Bedeutung des § 54a KWG auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Die Vorstellung, über § 54a KWG könne ein besonderer Unwertgehalt erfasst werden, der in der durch ein mangelhaftes Risikomanagement (mit)verursachten Unternehmenskrise und einer damit möglicherweise einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liege, geht damit fehl. 24. In präventiver Hinsicht ist § 54a KWG trotzdem in der Lage, eine nicht zu unterschätzende Wirkung zu entfalten. Dies aber nicht, weil tatsächlich Verurteilungen nach § 54a KWG denkbar wären, sondern weil die Geschäftsleiter die Anordnung der BaFin regelmäßig in dem Bestreben befolgen werden, Ermittlungsverfahren oder gar Strafprozesse schon im Ansatz zu vermeiden. Dies und nicht die Vermeidung einer Verurteilung wird prima ratio der Geschäftsleiter sein und maßgeblich dazu beitragen, dass aufsichtsbehördliche Anordnungen nach § 25c Abs. 4c KWG befolgt werden. 25. § 54a KWG insgesamt als Fall symbolischen Strafrechts zu bezeichnen, geht fehl. Eine reine Symbolik besteht allenfalls in Bezug auf die repressive Funktion der Strafnorm. Zumindest in präventiver Hinsicht hat § 54a KWG Gewicht, da er dazu führt, die Umsetzung aufsichtsbehördlicher Anordnungen das Risikomanagement betreffend zu fördern. 26. Dass § 54a KWG keinen Fall symbolischen Strafrechts darstellt, liegt einzig daran, dass durch eine Instrumentalisierung des Strafrechts eine rechtsstaatlich nicht hinnehmbare Aufrüstung der Aufsichtsbehörde bewirkt wird. § 54a KWG in seiner geltenden Fassung und seiner konkreten Wirkungsweise bedeutet dabei eine Zweckverfehlung und Instrumentalisierung des Strafrechts. 27. § 54a KWG zeigt exemplarisch Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände auf. Eine erste Grenze liegt dort, wo ein Straftatbestand über das Scharnier der Verwaltungsakzessorietät an ein äußerst komplexes Rechtsgebiet anknüpft, das einem tiefgreifenden Umsturz unterzogen und in hochfrequenter Weise geändert wird. Dies ist bei § 54a KWG aufgrund dessen Anknüpfung an das Recht der Bankenregulierung zumindest derzeit der Fall. Eine zweite Grenze liegt dort, wo ein Straftatbestand an ein

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Kap. 2: Untersuchung des § 54a KWG

Rechtsgebiet anknüpft, das der Bestimmungsmacht des nationalen Gesetzgebers weitgehend entzogen ist. Auch dies ist bei § 54a KWG der Fall, da das Recht der Bankenregulierung in inhaltlicher und institutioneller Hinsicht einer immer fortschreitenden Europäisierung unterliegt. Insoweit zeigt § 54a KWG auch exemplarisch Problemfelder eines europarechtsakzessorischen Strafrechts auf. 28. Der fehlenden repressiven Funktion des § 54a KWG ist es geschuldet, dass dessen zahlreiche Schwächen in der Rechtspraxis in absehbarer Zeit nicht zu Tage treten werden. Gepaart mit dem Umstand, dass § 54a KWG eine präventive Wirkung dennoch nicht abgesprochen werden kann, dürfte dies dem Gesetzgeber zumindest kurzfristig betrachtet gelegen kommen, wird so das Misslingen der durch ihn geschaffenen Norm doch wenigstens vorübergehend kaschiert. 29. § 54a KWG sollte umgehend aufgehoben werden.

Kapitel 3

Perspektiven de lege ferenda Die in Kapitel 2 erfolgte Untersuchung des § 54a KWG hat dessen zahlreiche Schwachstellen aufgedeckt. Im Folgenden soll untersucht werden, ob ungeachtet aller Schwierigkeiten im Detail die Anknüpfung strafrechtlicher Verantwortung an Versäumnisse im Bereich des Risikomanagements grundsätzlich beibehalten werden sollte [A.]. Alternativ muss über Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit als solche nachgedacht werden [B.]. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob eine Nachjustierung des bestehenden strafrechtlichen Normenkataloges überhaupt noch angezeigt ist angesichts der zahlreichen Reformen im Bereich der Bankenregulierung und der Bestrebungen, der too big to fail-Problematik Herr zu werden [C.].

A. Begrenzte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten § 54a KWG war wegen seiner Anknüpfung an ein unzureichendes Risikomanagement von Beginn an Kritik ausgesetzt [I.]. Es stellt sich die Frage, ob unter einer Veränderung der Deliktsstruktur des § 54a KWG diese Anknüpfung dem Grunde nach aufrechterhalten werden kann und sinnvollerweise auch sollte [II.].

I. Risikomanagementpflichten als Bezugspunkt des § 54a KWG Mit der über § 54a KWG erfolgten Anknüpfung strafrechtlicher Verantwortung an eine mangelhafte Geschäftsorganisation steht der deutsche Gesetzgeber weitgehend alleine da.1 Die Sinnhaftigkeit dieser Anknüpfung wurde bereits während des Gesetzgebungsverfahrens angezweifelt. Ein Vorwurf lautete, § 54a KWG könne übermäßig riskantes Verhalten nicht verhindern; die Vergangenheit habe gezeigt, dass Geschäfte an einem Risikocontrolling vorbei getätigt würden und die Aufsicht

1 Hierzu Richter, in: Regulating Corporate Criminal Liability, S. 321, 330 f.; Hanten, Börsen-Zeitung v. 2. 3. 2013, S. 13.

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

dies nicht immer bemerke.2 Entsprechende Kritik setzte sich nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens fort. Die vergangene Finanzkrise habe schwerpunktmäßig ihren Ursprung in einer Umgehung existierender Risikomanagementvorgaben gehabt, nicht aber in deren Fehlen3 und selbst ein angemessenes Risikomanagementsystem könne keine Wirkung entfalten, wenn sich Mitarbeiter bewusst über die Vorgaben des Risikomanagements hinwegsetzen würden4. Aus dem Umstand, dass unmittelbar ursächlich für den Eintritt einer Bestandsgefährdung regelmäßig nicht ein defizitäres Risikomanagementsystem ist, sondern dies die einzelnen Geschäftsvorgänge wie Spekulationsgeschäfte sind, wird teilweise sogar gefolgert, § 54a KWG leide mit seiner Anknüpfung an Defizite im Bereich des Risikomanagements an einem „grundlegenden Konzeptionsfehler“5. Richtig ist, dass es allein die Risiken der Geschäftstätigkeit der Bank sind, die unmittelbar zu einer Bestandsgefahr für das Institut führen können, nicht jedoch ein mangelhaftes Risikomanagementsystem als solches. Dies zeigt sich schon daran, dass selbst bei einem gänzlich fehlenden Risikomanagementsystem eine Bestandsgefährdung keineswegs vorprogrammiert ist. Daher kann und sollte eine strafrechtliche Anknüpfung immer (auch) im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit erfolgen. Hierfür stehen – trotz aller Schwierigkeiten im Einzelnen – in erster Linie § 266 StGB und dem Grunde nach auch § 283 StGB zur Verfügung. Die Fälle, in denen bestehende Risikomanagementstrukturen umgangen werden, kann § 54a KWG in der Tat nicht erfassen.6 Einen Tatbestand, der derartige Umgehungen unter Strafe stellt, wollte der Gesetzgeber mit § 54a KWG aber auch nicht schaffen – er wollte vielmehr die pflichtwidrige Nichteinrichtung von Compliance-Systemen mit dem Schwerpunkt Risikomanagement bestrafen, so sie eine Bestandsgefahr herbeiführen.7 Er hat mit § 54a KWG lediglich einen von vielen denkbaren Ansätzen aufgegriffen, um zu risikoreiches Verhalten im Finanzsektor einzudämmen und Fehlverhalten strafrechtlich zu erfassen. Ein grundlegender Konzeptionsfehler kann in der Anknüpfung an eine mangelhafte Geschäftsorganisation für sich betrachtet daher nicht gesehen werden. Die mit dieser Anknüpfung dennoch verbundenen Schwierigkeiten resultieren in erster Linie aus zwei mit ihr im Zusammenhang stehenden Faktoren: Dies ist zum einen die Schwammigkeit und Prinzipienorientierung der das Risikomanagement betreffenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben und zum anderen die Verknüpfung der Missachtung von Risikomanagementvorgaben mit einem Gefährdungserfolg. Ob eine von § 54a KWG abweichende Deliktsstruktur 2

So die Kritik der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 17/13539 S. 7. Brand, ZVglRWiss 113 (2014), 142, 153. s.a. Theile, in: Berndt/Theile, Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, Rn. 124: Der legitimatorische Bezug zur Finanzkrise sei ungereimt, denn diese sei weniger durch unzureichende Compliance als durch die Tätigung extremer Risikogeschäfte selbst verursacht worden. 4 Vgl. Kasiske, ZIS 2013, 257, 262; Schröder, WM 2014, 100, 105. 5 Kasiske, ZIS 2013, 257, 262. 6 Zutreffend B/F/S-Lindemann, KWG, § 54a Rn. 14. 7 Vgl. insoweit zutreffend MüKo-StGB-Janssen, § 54a KWG Rn. 7. 3

A. Verletzung von Risikomanagementpflichten

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unter Beibehaltung der Anknüpfung an ein fehlerhaftes Risikomanagement eine probate Lösung darstellen könnte, gilt es nunmehr zu erörtern.

II. Beibehaltung der Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten? Das Tatverhalten explizit und einzig auf die Verletzung von Risikomanagementvorgaben auszurichten, ist ein Ansatz, der in seiner konkreten Ausführung in § 54a KWG misslungen ist. Trotzdem sollte er nicht vorschnell verworfen werden. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die in Kapitel 2 aufgezeigten Problemstellen des § 54a KWG Schritt für Schritt aus dem Tatbestand zu eliminieren und zu beurteilen, ob die verbleibenden Elemente sinnvollerweise einen Straftatbestand bilden könnten und sollten. 1. Vorteile durch Streichung des § 54a Abs. 1 KWG? Wie dargelegt steht eine unbesehene Verweisung auf aufsichtsrechtliche Vorgaben zum Risikomanagement mit dem Bestimmtheitsgebot in Konflikt.8 In Anbetracht der Tatsache, dass der Gesetzgeber selbst durch die Schaffung des § 54a Abs. 3 KWG eine Konkretisierung der Pflichten durch die BaFin ins Spiel gebracht hat, damit aber eine in ihren Konsequenzen äußerst unglückliche Zweispurigkeit des Tatverhaltens geschaffen wurde, liegt es nahe zu fragen, ob nicht die Streichung des § 54a Abs. 1 KWG und damit eine alleinige Anknüpfung an § 54a Abs. 3 KWG zu einer deutlichen Verbesserung des Tatbestandsstruktur führen würde.9 Ein solcher Tatbestand könnte wie folgt lauten: (1) Wer als Geschäftsleiter einer an ihn gerichteten vollziehbaren Anordnung der Bundesanstalt nach § 25c Absatz 4c zuwiderhandelt und hierdurch eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Durch eine solche Fassung des Tatbestandes würden zahlreiche Problemfelder des § 54a KWG beseitigt. Zunächst bedürfte es – stellt man auf die Vollziehbarkeit der Anordnung ab – nicht mehr der Feststellung eines bereits vor Erlass der Anordnung gegebenen Verstoßes gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und auch nicht eines diesbezüglichen Vorsatzes. Vorsätzliches Handeln bezüglich des dann allein in der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung liegenden Tatverhaltens wäre, wie auch die 8 9

s. o. S. 184 ff. In diese Richtung geht der Vorschlag von Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 852.

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

Annahme wenigstens bedingten Vorsatzes hinsichtlich des Gefährdungserfolges, deutlich einfacher festzustellen. Zugleich würde auch der in der geltenden Fassung in § 54a Abs. 1 KWG enthaltene, derzeit bedeutungslose Kausalzusammenhang entfallen. Weiterhin würden die Schwierigkeiten der Beurteilung einer internen Zuständigkeitsverteilung vor Erlass der Anordnung entfallen, denn mit dem Erlass der Anordnung ist deren Adressat konkret angesprochen und zum Handeln aufgerufen. Die Anknüpfung der Strafbarkeit an einen Verstoß gegen eine behördliche Maßnahme würde dabei wohl auch noch mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalt vereinbar sein.10 Eine ganz erhebliche Schwierigkeit könnte aber auch die vorangestellte Fassung eines modifizierten § 54a KWG nicht beseitigen: Den gerichtsfesten Nachweis einer Kausalbeziehung zwischen dem Tatverhalten – nunmehr einzig der Verstoß gegen die Anordnung der BaFin – und dem Taterfolg der Bestandsgefährdung zu führen. Die diesbezüglich beschriebenen Schwierigkeiten bestünden bei der vorgenannten Fassung des Tatbestandes nahezu unverändert fort. Gerade sie aber würden die Praxisrelevanz der Norm deutlich einschränken.11 Ungeachtet dessen würden Fragen der Verwaltungsakzessorietät bei einer solchen Tatbestandsfassung fortbestehen und zum Teil gegenüber der derzeitigen Fassung des § 54a KWG noch verstärkt.12 Unklare Aufsichtskompetenzen und der wenig konturierte Begriff der Bestandsgefährdung würden ebenfalls unverändert fortbestehen.13 2. Vorteile durch Verzicht auf einen Taterfolg? Möchte man die Verletzung von Risikomanagementvorgaben als Anknüpfungspunkt einer Strafnorm nicht aufgeben und die in der Praxis kaum nachweisbare Kausalitätsbeziehung zwischen der Verletzung solcher Vorgaben und dem Eintritt einer Unternehmenskrise vermeiden, muss man auf einen wie auch immer gearteten tatbestandlichen Erfolg verzichten. Eliminiert man auch ihn aus dem Tatbestand des § 54a KWG, so würde sich die tatbestandliche Umschreibung des strafbaren Verhaltens auf folgende Formulierung verkürzen: Wer als Geschäftsleiter einer an ihn gerichteten vollziehbaren Anordnung der Bundesanstalt nach § 25c Absatz 4c KWG zuwiderhandelt, wird mit … bestraft.

Damit wären nicht nur die kaum zu lösenden Schwierigkeiten der Etablierung eines Kausalzusammenhangs beseitigt, sondern zugleich auch die Schwierigkeiten,

10 11 12 13

Dazu bezüglich des geltenden § 54a KWG oben S. 208 ff. Dazu bezüglich des geltenden § 54a KWG oben S. 289 ff. Zu dessen nur limitierter Verwaltungsaktsakzessorietät oben S. 223 ff. Ausführlich zu Ersteren oben S. 228 ff., zu Letzterem oben S. 263 ff.

A. Verletzung von Risikomanagementpflichten

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die mit der Bestimmung des Begriffs der Bestandsgefährdung und deren Feststellung verbunden sind.14 Gegen eine solch drastische Verkürzung des Tatbestandes spricht indes, dass sie im Ergebnis die Schaffung eines abstrakten Gefährdungsdelikts bedeuten würde. Die vielfach geäußerte Fundamentalkritik an einer ausufernden Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte kann an dieser Stelle nicht aufgegriffen werden.15 Festgehalten werden soll nur Folgendes: Durch die Schaffung eines abstrakten Gefährdungsdeliktes würde man sich endgültig von der Vorstellung des Gesetzgebers verabschieden, einen besonderen Unwertgehalt zu erfassen, der in der Verursachung der Unternehmenskrise und einer damit gegebenenfalls einhergehenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems liegen soll.16 Nicht nur dürfte dann der Strafrahmen zu reduzieren sein17, sondern es müsste sogar noch weitergehend die Frage gestellt werden, ob in einer schlichten Missachtung einer Anordnung der BaFin überhaupt ein strafwürdiges Unrecht erblickt werden kann18. Diese Frage hat der Gesetzgeber bereits selbst und im Ergebnis wohl zutreffend verneint, denn was nach einer Eliminierung des § 54a Abs. 1 KWG und des Taterfolgs der Bestandsgefährdung von § 54a KWG übrig bliebe, wäre im Wesentlichen das, was der Gesetzgeber in § 56 Abs. 2 Nr. 3 f KWG als Ordnungswidrigkeit formuliert hat.

14 Bezüglich des geltenden § 54a KWG zu Ersteren oben S. 289 ff., zu Letzteren oben S. 263 ff. 15 Bezüglich der Diskussion um die (zunehmende) Ausweitung des Strafrechts in den Gefährdungsbereich hinein s. den Überblick bei Roxin, AT I, § 2 Rn. 68 ff. m.w.N. Weniger auf den Rechtsgüter-, sondern vielmehr auf den Normschutz, der durch abstrakte Gefährdungsdelikte geleistet werden kann, stellt Kubiciel, in: Strafverfolgung in Wirtschaftsstrafsachen, S. 158, 165 ff., ab. Legitim seien Straftatbestände danach insbesondere, wenn sie die Geltung von Normen garantieren, die für die Stabilität einer freiheitsermöglichenden Institution notwenig sind. Diesem Ansatz zur Legitimation eines verstärkten Rückgriffs auf abstrakte Gefährdungsdelikte unter einer Entfernung von der herrschenden Konzeption der Rechtsgüterschutzlehre kann hier nicht weiter nachgegangen werden. 16 s. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29. 17 Es sei denn, man löst sich vom Angriffsparadigma und betont den eigenständigen Unrechtsgehalt eines (auch nur abstrakten) Gefährdungsdelikts, vgl. Kindhäuser, in: FS Krey 2010, S. 249, 262. 18 Am bedeutenden Unrechtsgehalt des schlichten Verstoßes gegen Regulierungsvorgaben zweifelte bereits vor Schaffung des § 54a KWG Kasiske, ZRP 2011, 137, 138. Nach seiner Auffassung stellt die Bestandsgefährdung das eigentlich strafwürdige Unrecht dar, der Verstoß gegen einzelne Regulierungsvorschriften hingegen begründe für sich genommen nur Verwaltungsunrecht, dessen geringere Sozialschädlichkeit wenn überhaupt eher als Ordnungswidrigkeit denn als Straftat verfolgt werden solle. Abstrakte Gefährdungsdelikte für einen Kernbereich von Regulierungsverstößen befürwortet allgemein allerdings Schröder, Europa in der Finanzfalle, S. 117.

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

3. Zwischenergebnis Dass die neben § 54a KWG bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts in ihrem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen als den einer Missachtung von Risikomanagementvorgaben, hat gute Gründe. Die mit § 54a KWG gewählte Anknüpfung strafrechtlicher Verantwortung an ein unzureichendes Risikomanagement stellt strukturell bedingt eine Sackgasse dar. Eliminiert man die bei einer solchen Anknüpfung entstehenden und bei der Untersuchung des § 54a KWG zu Tage getretenen Problemstellen aus dem Tatbestand, so gelangt man zur Umschreibung eines Verhaltens, das seinem Unrechtsgehalt nach im Ordnungswidrigkeitenrecht oder wenigstens nicht deutlich darüber anzusiedeln ist. Möchte man das Herbeiführen einer Unternehmenskrise und eine möglicherweise von dieser Unternehmenskrise ausgehende Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems strafrechtlich erfassen, so sollte auch in Zukunft an das erfolgsnähere Verhalten in Form der Geschäftstätigkeit angeknüpft werden.

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit Möchte man an die Geschäftstätigkeit und die Herbeiführung einer Unternehmenskrise anknüpfen, liegt der Rückgriff auf das Bankrottstrafrecht nahe [I.]. Als passgenau für die Erfassung des Herbeiführens einer Schieflage einer Bank kann § 283 StGB aber auch heute (noch) nicht gelten. Die in Kapitel 1 beschriebene strafrechtliche Privilegierung der Geschäftsleiter systemrelevanter Banken besteht auch neun Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise fort. Einzig der Ursprung der Privilegierung dürfte inzwischen mehrheitlich ein anderer sein als noch während der Finanzkrise [II.]. Dieses sachlich nicht zu rechtfertigende Privileg lässt sich nur dann beseitigen, wenn man einen Tatbestand formt, der nicht an den Eintritt einer Unternehmenskrise nach Maßgabe des § 283 Abs. 2 StGB und nicht an die in § 283 Abs. 6 StGB enthaltenen Voraussetzungen anknüpft, sondern dessen Taterfolg dem Eintritt solcher Situationen vorgelagert ist [III.]. Aufbauend auf dieser Grundüberlegung werden in der Folge weitere Leitlinien für einen dem § 283 StGB verwandten und § 54a KWG ersetzenden Tatbestand skizziert [IV.].

I. Der naheliegende Rückgriff auf das Bankrottstrafrecht Die Forderung nach einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit statt an das Risikomanagement und die Erfassung eines Taterfolges in Form einer Schieflage des Unternehmens führen zurück zum Bankrottstrafrecht. Bereits in Kapitel 1 hat sich gezeigt, dass das Bankrottstrafrecht bei der strafjustiziellen Aufarbeitung der vergangenen Finanzkrise zwar keine Rolle gespielt hat, es aber seinem Schutzzweck

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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nach der mit § 54a KWG verbundenen Intention deutlich näher kommt als etwa § 266 StGB.19 Jedoch ist § 283 StGB kein spezifisch auf den Finanzsektor zugeschnittener Tatbestand und es wäre auch im Falle einer Insolvenz schwierig gewesen, Verhaltensweisen wie im Vorfeld der Finanzkrise unter die Tatbestandsmerkmale des § 283 StGB zu subsumieren.20 Als eine der größten Hürden wurde in Kapitel 1 die objektive Bedingung der Strafbarkeit des § 283 Abs. 6 StGB ausgemacht. Sie erwies sich als ein de lege lata nicht überwindbares Hindernis für die Fälle, in denen Banken mithilfe öffentlicher Mittel vor dem insolvenzbedingten Zusammenbruch gerettet werden.21 Insofern erstaunt es nicht, wenn im Nachgang der Finanzkrise verschiedentlich vorgeschlagen wurde, das Bankrottstrafrecht an genau dieser Stelle zu modifizieren. Früh schon schlug Schünemann vor, § 283 Abs. 6 StGB um die Variante zu ergänzen „dass es allein deshalb nicht zum Insolvenzverfahren kommt, weil dieses durch eine staatliche Intervention verhindert wird“22. Dieser Vorschlag wurde unter dem Eindruck der milliardenschweren Rettungspakete gemacht, zu denen man sich nicht nur in Deutschland gezwungen sah, um in Not geratene Banken zu stützen und das Finanzsystem vor einem Kollaps zu bewahren. Neun Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise muss angesichts einer regelrechten Regulierungswelle zur Eindämmung derartiger Gefahrensituationen die Frage gestellt werden, ob eine solche Anpassung des § 283 Abs. 6 StGB noch erforderlich ist und falls ja, ob sie auch ausreichend wäre. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf zunächst der Klärung, ob das in Bezug auf eine strafrechtliche Verantwortung bei der vergangenen Finanzkrise zu Tage getretene faktische Privileg für Verantwortliche systemrelevanter Banken immer noch besteht.

II. Fortbestehende Privilegierung der Verantwortlichen systemrelevanter Banken Seit Ausbruch der Finanzkrise wurde versucht, implizite Staatsgarantien für Unternehmen des Finanzsektors nach Möglichkeit zurückzudrängen [1.]. Auch wenn insoweit möglicherweise schon Fortschritte erzielt wurden, besteht aus strafrechtlicher Sicht weiterhin ein Privileg für Verantwortliche als systemrelevant erachteter Institute, das mittlerweile in vielen Fällen lediglich anderen Ursprungs sein dürfte [2.].

19

s. o. S. 126 ff. Hierzu in Ansätzen oben S. 130 ff. 21 s. o. S. 144 ff. 22 Schünemann, in: Die sog. Finanzkrise, S. 71, 101; ähnlich Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 184. 20

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

1. Versuche einer Zurückdrängung impliziter Staatsgarantien Eine kaum noch überschaubare Anzahl verschiedenster Maßnahmen wurde auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene ergriffen, um nach den Erfahrungen der Finanzkrise die Finanzmärkte und deren Akteure widerstandsfähiger zu machen.23 Die Reformbemühungen zielten nicht zuletzt darauf ab, einen Einsatz staatlicher Hilfen und damit den Einsatz von Steuergeldern in Zukunft nach Möglichkeit24 zu vermeiden, denn die hierdurch erfolgte Sozialisierung von Verlusten sorgte nicht nur für breite Empörung in der Öffentlichkeit, sondern widersprach auch den Prinzipien der freien Marktwirtschaft, nach denen Individuen mit einer Unternehmung Risiken eingehen und daraus resultierenden Gewinn für sich behalten dürfen, als Kehrseite dieser Profitmöglichkeit jedoch für auftretende Verluste bis hin zur Insolvenz der Unternehmung haften müssen25. Eine implizite Staatsgarantie bewirkt überdies Anreizverzerrungen und kann für die Profiteure einer solchen Garantie mit Finanzierungskostenvorteilen verbunden sein, wodurch eine Diskrepanz entsteht zwischen den tatsächlichen Finanzierungskosten und denen, die den vorhandenen Risikopositionen ohne eine solche Garantie entsprechen würden.26 Zur Vermeidung impliziter Staatsgarantien und Rettungsmaßnahmen mithilfe von Steuergeldern ist es zunächst hilfreich, Banken derart zu stärken, dass sie nicht vorschnell in eine bestandsgefährdende Situation geraten. Dem sollen – neben zahlreichen anderen Maßnahmen – vor allem verschärfte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen dienen. Dennoch wird es immer wieder Banken geben, die in eine finanzielle Schieflage geraten. Die Entwicklung eines Regulierungs- und Aufsichtsrahmens, der Institute davor schützt, jemals in Schwierigkeiten zu geraten, ist nicht möglich.27 Gerät ein Institut in eine existenzbedrohende Schieflage, sollte es daher auch Instrumente geben, die eine aus Ansteckungseffekten möglicherweise resultierende Destabilisierung des Finanzsystems zu verhindern wissen, ohne dass der Einsatz staatlicher Finanzhilfen erforderlich wird. Diesem Ziel sind inzwischen insbesondere Vorschriften des KredReorgG28, des in Umsetzung der BRRD erlassenen SAG29 sowie Vorschriften der SRM-VO30 verschrieben. 23 s. den Überblick und Versuch einer Systematisierung bei Höche, in: Bankrechtstag 2013, S. 3 ff. Er macht zehn „Regulierungsströme“ aus, die seit Herbst 2008 in Angriff genommen wurden. 24 s. die wortgleichen Formulierungen in § 67 Abs. 1 Nr. 3 SAG, Art. 31 Abs. 2 Buchst. c BRRD (Kap. 2 Fn. 467) und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475): Ein Abwicklungsziel sei der „Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“. Interessanterweise hieß in der früheren Fassung des § 67 Abs. 2 SAG noch „Vermeidung der Inanspruchnahme“ (Hervorhebungen durch Verf.). 25 Statt vieler Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter, HdB CG von Banken, S. 88. 26 Hierzu Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 171 ff. 27 So auch ausdrücklich Erwägungsgrund 6 der BRRD (Kap. 2 Fn. 467). 28 s. § 1 Abs. 1 KredReorgG sowie BT-Drs. 17/3024 S. 1.

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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Bereits anlässlich der Schaffung des KredReorgG hieß es von Seiten des Gesetzgebers, eine der wesentlichen Lehren der Finanzmarktkrise liege darin, dass das herkömmliche Insolvenzrecht nicht immer geeignet sei, in Schwierigkeiten geratene Banken in einem geordneten Verfahren zu sanieren oder abzuwickeln, ohne die Stabilität des Finanzmarktes zu gefährden. Ziel müsse es sein, die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems zu bewältigen und dafür Sorge zu tragen, dass Eigen- und Fremdkapitalgeber die Kosten der Insolvenzbewältigung so weit wie möglich selbst tragen. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass Restrukturierung und geordnete Abwicklung einer systemrelevanten Bank regelmäßig finanzielle Mittel erfordern würden. Diese Mittel sollten aber nicht wie in der Vergangenheit durch die öffentliche Hand, sondern vorrangig durch den Finanzsektor bereitgestellt werden.31 Ähnlich heißt es in den Erwägungsgründen der BRRD, die Finanzkrise habe gezeigt, dass sich die allgemeinen Insolvenzverfahren für Unternehmen nicht immer für Institute eignen würden, da sie unter Umständen nicht immer eine ausreichend rasche Intervention, den Fortbestand der kritischen Funktionen von Instituten und die Wahrung der Finanzstabilität sicherstellen würden.32 Es bedürfe insoweit eines Regelwerks, mit dem den Behörden ein zuverlässiges Instrumentarium an die Hand gegeben werde, das ihnen eine rechtzeitige und rasche Intervention bei einem unsoliden oder ausfallenden Institut ermögliche, sodass der Fortbestand der kritischen Finanz- und Wirtschaftsfunktionen des Instituts sichergestellt sei und gleichzeitig die Auswirkungen des Ausfalls eines Instituts auf die Wirtschaft und das Finanzsystem so gering wie möglich gehalten würden.33 Ein ausfallendes Institut solle zwar in der Regel nach den regulären Insolvenzverfahren abgewickelt werden, allerdings sei es möglich, dass eine Liquidation nach den regulären Insolvenzverfahren die Finanzstabilität gefährde, die Bereitstellung kritischer Funktionen unterbreche und den Einlegerschutz beeinträchtige. In einem solchen Fall sei es sehr wahrscheinlich, dass ein öffentliches Interesse daran bestehe, das Institut abzuwickeln und Abwicklungsinstrumente anstelle regulärer Insolvenzverfahren anzuwenden.34 Betont wird dabei, dass die Abwicklungsinstrumente nur dann angewandt werden sollen, wenn das Institut nicht gemäß einem regulären Insolvenzverfahren liquidiert werden könne, ohne das Finanzsystem zu destabilisieren, und die Maßnahmen erforderlich seien, um für den raschen Transfer und die Fortführung systemisch wichtiger Funktionen zu sorgen und keine vernünftige Aussicht auf eine etwaige alternative Privatlösung bestehe, einschließlich einer Kapitalerhöhung seitens der vorhandenen Anteilseigner oder eines Dritten, die ausreichen würde, um die vollständige Exis29 s. die in § 67 Abs. 1 SAG, Art. 31 Abs. 2 BRRD (Kap. 2 Fn. 467) genannten Abwicklungsziele. 30 s. die in Art. 14 Abs. 2 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475) genannten Abwicklungsziele. 31 BT-Drs. 17/3204 S. 1. 32 Erwägungsgrund 4 der BRRD (Kap. 2 Fn. 467). 33 Erwägungsgrund 5 der BRRD (Kap. 2 Fn. 467). 34 Erwägungsgrund 45 der BRRD (Kap. 2 Fn. 467).

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

tenzfähigkeit des Instituts wiederherzustellen.35 Die Zielsetzungen der Abwicklungsregeln der SRM-VO decken sich hiermit im Wesentlichen.36 Es geht also im Kern darum, vor allem durch Abwicklungsregime im Fall einer Krise eines Instituts einen Zusammenbruch der Finanzierung des Finanzinstituts sowie die Ausbreitung der Krise auf andere Institute, das Finanzsystem insgesamt und auf die Realwirtschaft zu verhindern. Dies unterscheidet sie als eine Art Sonderinsolvenzrecht von regulären Insolvenzverfahren, die nicht darauf ausgerichtet sind, mit den für das Finanzsystem typischen Ansteckungsgefahren umzugehen.37 Voraussetzung für die Nutzung der in den jeweiligen Regelungskomplexen vorgesehenen Instrumente ist dabei (unter Außerachtlassung von Details) regelmäßig, dass eine Bestandsgefährdung vorliegt und mit dieser weitergehende Gefährdungen verbunden sind.38 Überdies muss die Anwendung des geschaffenen Instrumentariums eher im öffentlichen Interesse liegen als der Gang in eine reguläre Insolvenz.39 An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass die geschaffenen Instrumente im Ergebnis denselben Effekt haben sollen, den staatliche Hilfen im Zuge der vergangenen Finanzkrise bewirkt haben: Die Verhinderung des Gangs in die reguläre Insolvenz. Damit aber werfen sie ebenso wie es die staatlichen Rettungsmaßnahmen in der vergangenen Finanzkrise getan haben, Schwierigkeiten in Bezug auf das Bankrottstrafrecht auf, da dieses auf eine reguläre Insolvenz ausgerichtet ist. Auf diese Schwierigkeiten wird zurückzukommen sein. Zunächst gilt es, sich in groben Zügen ein Bild davon zu machen, wie auf eine Bestands- und eine mit ihr gegebenenfalls einhergehende Systemgefahr mittlerweile reagiert werden kann. Dies sei am Beispiel einer Abwicklung auf Grundlage des SAG dargestellt.40 Als Abwicklungsinstrumente kommen – einzeln oder im Zusammenspiel – in Betracht: Eine umfassende oder teilweise Unternehmensveräußerung an einen Dritten, eine solche Übertragung an ein Brückeninstitut, eine umfassende oder teilweise Übertragung von Vermögen und Verbindlichkeiten auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft sowie die Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente oder die Beteiligung der Gläubiger (sog. bail-in).41 Bestanden erstere Instrumente im Wesentlichen auch schon vor der Umsetzung der BRRD, so stellt die 35

Erwägungsgrund 49 der BRRD (Kap. 2 Fn. 467). s. etwa die Erwägungsgründe 58 f. der SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475). 37 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 182. 38 Vgl. §§ 62–64, 67 SAG, Art. 18 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 5 i.V.m. Art. 14 ff. SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475), s.a. § 7 Abs. 2 KredReorgG i.V.m. § 77 SAG i.V.m. §§ 62–64, 67 SAG. 39 Vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 2 SAG; Art. 18 Abs. 5 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475). Hierzu Hübner/ Leunert, ZIP 2015, 2259, 2261; Thole, ZBB 2016, 57, 60. 40 Zu den weitgehend parallelen Regelungen der SRM-VO vgl. insb. Art. 24 ff. SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475). 41 Hierzu im Einzelnen Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 665 ff.; Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2261 ff.; Thole, ZBB 2016, 57, 61 ff. Lesenswert zur dem SAG zugrundeliegenden BRRD Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 37 ff. mit grafischer Darstellung der Haftungsreihenfolge im bail-in auf S. 40. 36

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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Möglichkeit des bail-in aus juristischer Sicht ein echtes Novum dar, das in der politischen Debatte auch am kontroversesten diskutiert wurde.42 Über den bail-in soll eine unmittelbare Verlusttragung durch Investoren ermöglicht werden, womit er im Zentrum des Anliegens der BRRD steht, eine Alternative zum bisherigen bail-out bereitzustellen.43 Ohne ein langwieriges Insolvenzverfahren soll eine rasche Verlustbeteiligung der Gläubiger ermöglicht werden und im Vergleich zu einem bail-out die Marktdisziplin wiederhergestellt werden.44 Allerdings sind zahlreiche Ausnahmeregeln vorgesehen und Ermessensspielräume eröffnet, die – so die Kritik – die Glaubwürdigkeit dieses Abwicklungsinstruments nachhaltig beeinträchtigen sollen.45 Werden trotz der vorgenannten Instrumente externe Finanzierungshilfen für die Abwicklung benötigt, so soll zunächst auf einen von der Bankenindustrie finanzierten gemeinsamen Abwicklungsfonds (SRF – Single Resolution Fund) zurückgegriffen werden.46 Erst hinter ihm und damit am Ende der Finanzierungskaskade stehen die öffentlichen Haushalte.47 Inzwischen existiert folglich ein in weiten Teilen hochkomplexes48 und unionsrechtlich geprägtes Sonderregime, dessen Instrumente im Falle einer Bestandsgefahr zum Einsatz gelangen können. Inwieweit die bereits geschaffenen und noch hinzutretenden Instrumente tatsächlich Destabilisierungen des Finanzsystems werden verhindern und die Inanspruchnahme außerordentlicher öffentlicher Mittel werden vermeiden können, kann derzeit kaum verlässlich beurteilt werden. Der hierfür geschaffene Rechtsrahmen wird seine Belastbarkeit erst im Ernstfall unter Beweis stellen können und müssen. Allerdings werden schon jetzt erhebliche Zweifel daran geäußert, dass der Abbau impliziter staatlicher Rettungsgarantien bereits weit vorangeschritten sei – insbesondere für global systemrelevante Banken bestünden im42 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 39. Interessant ist insoweit die Beobachtung von Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 591, dass sich für den Gesetzgeber nach der Finanzkrise die Aufgabe stellte, die Marktkreise möglichst breit an den Kosten zu beteiligen, um Anreize für eine möglichst breite private „Aufsicht“ über das jeweilige Bankgeschäft auszulösen und dass letztlich die Finanzstabilität als Leitgesichtspunkt in das Rechte- und Pflichtengefüge des Privatrechts eingewoben werden und die Einhaltung solch einer Zielrichtung nicht auf das öffentlich-rechtliche Aufsichtsverhältnis beschränkt bleiben sollte. 43 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 39; Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2261. 44 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 186 f. 45 s. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 188 f. Zu einer restriktiven Handhabe der möglichen Ausnahmen mahnt auch die Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2014, S. 31, 45. 46 Dieser europäische Bankenabwicklungsfonds löst die auf nationaler Ebene geschaffenen Fonds wie den deutschen Restrukturierungsfonds nach und nach ab. Er wird über eine Bankenabgabe allmählich aufgebaut. Hinsichtlich der Einzelheiten s. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 189 ff. 47 Grafische Darstellung der Finanzierungskaskade bei einer Bankenabwicklung in Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 185. 48 Thole, ZBB 2016, 57, 67 erachtet die Abwicklung nach SAG und SRM-VO als „von überbordender Komplexität“.

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plizite Staatsgarantien weitgehend fort.49 Vor allem in finanzstarken Ländern wie Deutschland und Frankreich werde nach wie vor nicht damit gerechnet, dass auf Bankenrettungen verzichtet werden könne, hier sei kein Rückgang impliziter Staatsgarantien zu verzeichnen.50 Die vorstehenden, selbstredend stark vereinfachenden Ausführungen betreffen einen Teil der im Nachgang der Finanzkrise in Angriff genommenen Reformen im Bereich der Bankenrestrukturierung. Allerdings war nicht nur das Restrukturierungsrecht im Vorfeld der Finanzkrise ersichtlich schlecht auf die finanzielle Schieflage systemrelevanter Banken vorbereitet, sondern auch das Strafrecht. So ließ etwa der Einsatz staatlicher Finanzhilfen zur Rettung notleidender Banken eine Strafbarkeit der Bankverantwortlichen nach § 283 StGB von vornherein ausscheiden.51 Eine faktische Privilegierung von Bankverantwortlichen dadurch, dass ihr im Bestand gefährdetes Institut mithilfe außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln vor dem Zusammenbruch gerettet wird, könnte angesichts der zuvor beschriebenen Instrumente inzwischen zwar unwahrscheinlicher geworden sein. Ausgeschlossen dürfte der Einsatz öffentlicher Mittel für außerordentliche Rettungsmaßnahmen derzeit aber (noch) nicht sein.52 Ungeachtet der Wahrscheinlichkeit solcher Rettungsmaßnahmen besteht in strafrechtlicher Hinsicht ein faktisches Privileg für die Verantwortlichen systemrelevanter Banken aber ohnehin bis heute fort – es dürfte in vielen Fällen mittlerweile lediglich anderen Ursprungs sein. 2. Fortbestehende Privilegierung anderen Ursprungs Mehrfach war in der vorliegenden Untersuchung die Rede davon, im Rahmen der Finanzkrise hätten finanzielle Hilfen von Seiten des Staates mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 283 StGB eine faktische Privilegierung gewisser Bankverantwortlicher zur Folge gehabt. Dies ist richtig, bedarf aber der Präzisierung. 49 Hierzu ausführlich Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 171 ff., nach dessen Analyse die impliziten Staatsgarantien noch immer hoch seien. Kritisch auch Hellwig, Stellungnahme BRRD-Umsetzungsgesetz, S. 1 f. Er hält die dem Gesetzgebungspaket zugrundeliegende Vorstellung, man könne ohne einen Rückhalt durch den Steuerzahler auskommen, für eine „gefährliche Illusion“ und geht davon aus, „dass selbst mittelgroße Institute auch nach diesem Regelwerk nicht systemschonend abgewickelt werden können, ganz zu schweigen von Mega-Banken wie BNP Paribas oder der Deutschen Bank, die in verschiedenen Jurisdiktionen systemrelevante Aktivitäten durchführen“. 50 s. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 173, sowie IMF, Global Financial Stability Report, April 2014, S. 101 ff. 51 s. o. S. 144 ff. 52 Vgl. die wortgleichen Formulierungen in § 67 Abs. 1 Nr. 3 SAG, Art. 31 Abs. 2 Buchst. c BRRD (Kap. 2 Fn. 467) und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475): Ein Abwicklungsziel sei der „Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“. Interessanterweise hieß in der früheren Fassung des § 67 Abs. 2 SAG noch „Vermeidung der Inanspruchnahme“ (Hervorhebungen durch Verf.).

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Die gewährten Hilfen waren in der Tat kausal für die strafrechtliche Privilegierung gewisser Bankverantwortlicher. Der rechtstechnische Grund für die Privilegierung bestand aber darin, dass durch die Hilfsmaßnahmen eine reguläre Insolvenz abgewendet wurde. Gerade die Verhinderung einer regulären Insolvenz wird aber auch in Zukunft für eine Vielzahl von Instituten möglich sein. Selbst wenn die Gewährung finanzieller Hilfen aus der Staatskasse inzwischen in den Hintergrund gerückt sein sollte: Die gegenüber einem bail-out vorrangigen, in groben Zügen zuvor erläuterten Instrumente zur Behandlung von in Bestandsgefahr geratenen Instituten stellen ebenfalls eine Sonderbehandlung gewisser Institute dar. Zwar mögen Instrumente wie ein bailin eine wesentliche Belastung für das betroffene Institut sowie dessen Anteilseigner und Gläubiger darstellen. In strafrechtlicher Hinsicht bewirken diese Maßnahmen aber – ebenso wie ein staatlicher bail-out – für die Bankverantwortlichen ein Privileg mit Blick auf § 283 StGB. Der Unterschied liegt allein darin, dass die Privilegierung nun unter größtmöglicher Schonung der Staatskasse und der Steuerzahler erreicht werden soll. Im Ergebnis geht es aber unverändert um die Vermeidung einer regulären Insolvenz. Damit steht zugleich fest, dass das in Kapitel 1 beschriebene strafrechtliche Privileg im Hinblick auf eine Strafbarkeit gemäß § 283 StGB der Sache nach fortbesteht. Die Sonderbehandlung gewisser Banken im Stadium der Bestandsgefährdung ist dabei nicht nur mit Blick auf § 283 Abs. 6 StGB, sondern auch mit Blick auf die Krisenmerkmale der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung im Sinne von § 283 Abs. 2 StGB hinderlich. Diese Merkmale sind ersichtlich nicht auf den Bankensektor zugeschnitten53 und können, wie in Kapitel 1 bereits behandelt, nicht erfüllt werden, wenn – auf welche Art auch immer – im Zeitpunkt der Bestandsgefahr zur Vermeidung einer regulären Insolvenz interveniert wird54. Insofern wäre es (auch heute noch) unzureichend, alleine § 283 Abs. 6 StGB anzupassen. Auch der Taterfolg bedarf einer von § 283 Abs. 2 StGB abweichenden Ausgestaltung.

III. Notwendigkeit einer Vorverlagerung des Taterfolges gegenüber § 283 Abs. 2 StGB Die vorstehenden Überlegungen haben verdeutlicht, dass hinsichtlich eines Taterfolges an ein früheres Stadium angeknüpft werden muss, als es in § 283 Abs. 2 StGB festgelegt ist. Für einen derart vorverlagerten Taterfolg kommen grundsätzlich zwei Zeitpunkte in Betracht: Zum einen der Zeitpunkt, ab dem eine Behandlung abseits der regulären Insolvenz in einem Sonderregime stattfindet [1.]. Zum anderen könnte, wie in § 54a KWG auch, an die Situation einer Bestandsgefahr angeknüpft 53 Vgl. BT-Drs. 18/2575 S. 165 zu den nunmehr in § 63 SAG verwendeten Begrifflichkeiten. 54 Hierzu mit Blick auf die Gewährung staatlicher Hilfsgelder oben S. 138 ff.

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werden [2.]. Ein weit vorverlagerter Taterfolg lässt sich allerdings nur rechtfertigen, falls ein systemrelevantes Institut in Rede steht [3.]. Mit der Aufnahme des Merkmals der Bestandsgefahr in den Tatbestand und der Beschränkung des Tatbestandes auf systemrelevante Institute tauchen freilich Schwierigkeiten wieder auf, die sich bereits im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG gezeigt haben. Sie bedürfen einer im Vergleich zu § 54a KWG abweichenden Behandlung durch den Gesetzgeber [4.].

1. Anknüpfung an die Abwendung des Gangs in die reguläre Insolvenz? Als Anknüpfungspunkt für einen § 54a KWG ersetzenden und § 283 StGB ergänzenden Straftatbestand könnte die Entscheidung dienen, das in Rede stehende Institut nicht den regulären Gang in die Insolvenz antreten zu lassen, sondern es durch die Anwendung eines Sonderregimes vor diesem zu bewahren. Für eine Anknüpfung an das Auslösen eines Sonderregimes spricht zunächst, dass damit für den Taterfolg ein klar identifizierbares Ereignis herangezogen werden könnte. Im Rahmen einer Abwicklung nach Maßgabe des SAG entscheidet etwa bei Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen die Abwicklungsbehörde gemäß § 77 SAG über die zur Erreichung der Abwicklungsziele erforderlichen Maßnahmen.55 An dieser Stelle wird die Weiche dafür gestellt, ob ein reguläres Insolvenzverfahren und in der Konsequenz auch eine Strafbarkeit nach § 283 StGB ausscheidet. Fällt die Entscheidung zugunsten einer regulären Insolvenz aus, steht der Weg in eine Strafbarkeit nach § 283 StGB offen. Eine Gewährung außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln ist in diesen Fällen nahezu ausgeschlossen, da – eine zutreffende Entscheidung der Abwicklungsbehörde unterstellt – die Durchführung eines regulären Insolvenzverfahrens im öffentlichen Interesse liegt. Bedeutet die Entscheidung über den Gang in die reguläre Insolvenz oder aber dessen Vermeidung durch die Anwendung eines Sonderregimes gleichsam die Eröffnung oder Nichteröffnung einer Strafbarkeit nach § 283 StGB, so spricht dies zunächst dafür, diese Weichenstellung auch für einen § 283 StGB ergänzenden Straftatbestand heranzuziehen. Gegen einen solchen Taterfolg und damit gegen seine solche Trennlinie hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Norm spricht allerdings, dass die Entscheidung darüber, ob eine reguläre Insolvenz vermieden werden soll oder nicht, im Ermessen der jeweils zuständigen behördlichen Entscheidungsträger steht. Dabei sind nicht nur je nach Sachverhalt und anzuwendendem Regelungsrahmen unterschiedliche Stellen involviert, die womöglich nicht immer identischen Leitlinien folgen, sondern es ist auch denkbar, dass die Entscheidung, die kurzfristig gefällt werden muss (typischerweise während eines Wochenendes), falsch ist – etwa weil tatsächlich keine Bestands- oder Systemgefahr vorlag. Knüpft man trotzdem an diese Entscheidung an, ist eine Strafbarkeit denkbar, allein weil das Sonderregime zur 55

s.a. Art. 18 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475).

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Anwendung gelangt ist. Dies gälte womöglich auch dann, wenn die Entscheidung über dessen Anwendung fehlerhaft war und sich diese Fehlerhaftigkeit in einem später geführten Strafverfahren herauskristallisieren würde. Strafwürdig ist aber nicht die Inanspruchnahme eines neben das reguläre Insolvenzverfahren tretenden Sonderregimes als solche, sondern die materielle Gefährdung des Bestands des Instituts sowie eine damit gegebenenfalls verbundene Gefährlichkeit für die Stabilität des Finanzsystems. Bekannte Schwierigkeiten aus dem Bereich der Verwaltungsakzessorietät lassen sich bei einer Anknüpfung an die Anwendung eines insolvenzrechtlichen Sonderregimes nicht vermeiden. Problematisch wäre aber nicht nur der Fall, dass das Vorliegen einer Bestands- und Systemgefahr von den zuständigen Behörden fälschlicherweise angenommen wird, sondern auch der umgekehrte Fall, in dem trotz Vorliegens einer Bestands- und Systemgefahr eine Fehlentscheidung dahingehend getroffen wird, den regulären Gang in die Insolvenz zu ermöglichen. Für den Fall einer solchen Fehlentscheidung ist es zumindest theoretisch denkbar, dass im Notfall doch noch kurzfristig eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Dann aber wäre eine Strafbarkeit sowohl nach § 283 StGB, als auch nach einem an die Auslösung des Sonderregimes anknüpfenden Sondertatbestand im Grundsatz nicht möglich. Hinzu tritt, dass die Instrumente und Verfahren der Bankenabwicklung außerordentlich komplex und zumindest derzeit noch unvertraut sind. Hier bestehen in der Rechtsanwendung noch zahlreiche Unsicherheiten, die gepaart mit den vorstehenden Ausführungen dazu führen, dass sich die behördliche Entscheidung über die Vermeidung einer regulären Insolvenz kaum als Anknüpfungspunkt für einen Taterfolg und als Abgrenzungskriterium eines Straftatbestandes eignet. 2. Anknüpfung an die Bestandsgefährdung Die bisherigen Ausführungen führen unweigerlich zurück zum Begriff der Bestandsgefährdung. Die Bestandsgefährdung als tatbestandlichen Gefahrenerfolg zu verwenden, brächte indes ebenfalls Schwierigkeiten mit sich. Diese sind teilweise bereits aus der Untersuchung des § 54a KWG bekannt, teilweise aber auch Folge des inzwischen geschaffenen Sonderregimes für gewisse in Schieflage geratene Institute und insoweit neu. Auf Erstere soll in einem späteren Abschnitt eingegangen werden, zu den neu hinzutretenden Schwierigkeiten ist Folgendes auszuführen: Gegen eine Anknüpfung an das Vorliegen einer Bestandsgefahr könnte sprechen, dass es auch im Falle ihres Vorliegens nicht ausgeschlossen ist, dass ein reguläres Insolvenzverfahren durchgeführt wird.56 Dann aber würde in strafrechtlicher Hinsicht gegebenenfalls eine Überschneidung des neu zu schaffenden Tatbestandes mit 56 Vgl. etwa § 62 Abs. 1 Nr. 2 SAG, Art. 18 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c, Abs. 5 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475).

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§ 283 Abs. 2 StGB möglich werden – obwohl Ersterer gerade geschaffen würde, um das Bankrottstrafrecht dort, wo es nicht greifen kann, zu ergänzen und nicht um neben dieses zu treten. Ein solches missliches Nebeneinander ließe sich allerdings über das Konkurrenzverhältnis lösen, da § 283 StGB auf den Eintritt einer in seinem Tatbestand näher beschriebenen Unternehmenskrise, der zu schaffende Tatbestand hingegen auf das Vorliegen einer Bestandsgefährdung als zeitlich vorgelagertes Durchgangsstadium abstellen würde. Die beiden Delikte wären angesichts einer ähnlichen Umschreibung des Tatverhaltens (hierzu sogleich) tateinheitlich verwirklicht und der zu schaffende Tatbestand könnte daher als materiell subsidiär hinter § 283 StGB zurücktreten. Der Vorteil einer Anknüpfung an die Bestandsgefahr läge vor allem darin, dass eine Strafbarkeit unabhängig davon möglich wäre, worin der Ursprung des eine Strafbarkeit nach § 283 StGB hindernden Privilegs liegen würde: Sei dies das Eingreifen eines die reguläre Insolvenz verhindernden Sonderregimes oder sei dies die Zurverfügungstellung außerordentlicher finanzieller Hilfen aus öffentlichen Mitteln. Mit dem Anknüpfen an den Taterfolg einer Bestandsgefährdung geht freilich eine nicht zuletzt gegenüber § 283 Abs. 2 StGB deutliche Vorverlagerung der Strafbarkeit einher, die auch schon in Bezug auf § 54a KWG als massiver Eingriff in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit kritisiert wurde.57 Diesem Einwand sieht sich jede Anknüpfung an die Bestandsgefahr ausgesetzt, unabhängig vom Tatverhalten, das für eine Strafbewehrung herangezogen wird. Die in der Tat weite Vorverlagerung der Strafbarkeit bedarf einer tragfähigen Rechtfertigung. 3. Systemrelevanz als Rechtfertigung einer vorverlagerten Strafbarkeit Einer Rechtfertigung für die weite Vorverlagerung der Strafbarkeit bedarf es zum einen mit Blick auf die Verantwortlichen solcher Institute, bei denen trotz Bestandsgefahr eine reguläre Insolvenz eröffnet ist, und zum anderen mit Blick auf die Verantwortlichen von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Dabei kann die Rechtfertigung für sich genommen nicht darin liegen, dass infolge der Gewährung staatlicher Finanzhilfen oder der Anwendung eines Sonderinsolvenzrechts der Gang in die reguläre Insolvenz vermieden wird. Dies ist lediglich der Grund für die bis heute bestehende faktische Privilegierung der Geschäftsleiter solcher Institute, denen eine der vorgenannten Maßnahmen zuteilwird. Der Grund für solche Maßnahmen zeigt aber zugleich die einzig mögliche Rechtfertigung einer Vorverlagerung der Strafbarkeit auf: Sie liegt in der Systemrelevanz der Bank begründet. Sie ist Ursprung des – wie auch immer konkret bewirkten – faktischen strafrechtlichen Privilegs gewisser Bankverantwortlicher. 57

s. Schwerdtfeger, ZWH 2014, 336, 340.

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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Der Bankensektor ist ein besonders vertrauenssensitiver Sektor, in dem aufgrund der vielfältigen Vernetzung Ansteckungseffekte und letztlich auch Nachteile für die Gesamtwirtschaft drohen, wenn ein systemrelevantes Institut an den Rand der Insolvenz gerät. In der Relevanz für die Stabilität des Finanzsystems und die Gesamtwirtschaft liegt der Unterschied zu nicht systemrelevanten Instituten oder (nicht systemrelevanten) branchenfremden Unternehmen. Dabei sind es nicht erst der Zusammenbruch des Instituts oder gar die messbare Destabilisierung des Finanzmarktes, welche einen massiven Vertrauensverlust auslösen und systemische Wirkungen zeitigen können. Auch schon die Schieflage im Sinne einer Bestandsgefährdung eines systemrelevanten Instituts kann eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität bedeuten. Dass im Falle einer systemrelevanten Bank mit der Bestandsgefahr eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und gegebenenfalls auch der Gesamtwirtschaft verbunden ist, begründet ein besonderes Gewicht des Taterfolges, denn mit der Stabilität des Finanzsystems ist dann ein Gut gefährdet, dessen Bedeutung zwar oft betont, das in seiner ganzen Bedeutung aber erst im Rahmen der vergangenen Finanzkrise schmerzhaft deutlich wurde58. Der damit verbundene besondere Unwertgehalt kann, wie in Kapitel 1 aufgezeigt, durch die vorhandenen Straftatbestände nicht angemessen erfasst werden. Allenfalls § 283 StGB könnte – eine Erfüllung seiner Voraussetzungen hier einmal unterstellt – in engen Grenzen die Berücksichtigung einer Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems im Rahmen der Strafzumessung erlauben.59 Beschränkt man einen neu zu schaffenden Tatbestand dem Anwendungsbereich nach auf systemrelevante Institute bzw. deren Verantwortliche, würden derartige Schwierigkeiten vermieden. Zugleich käme deutlich zum Ausdruck, welchen Schutzzweck die Strafnorm verfolgt und worin der Unterschied gegenüber § 283 Abs. 2 StGB liegt. Geht von einem systemrelevanten Institut also im Fall der Bestandsgefahr eine besondere Gefahr aus, so korrespondiert damit eine gesteigerte Verantwortlichkeit der für das Institut handelnden Personen. Diese gesteigerte Verantwortlichkeit wiederum rechtfertigt für die Verantwortlichen eine in strafrechtlicher Hinsicht unterschiedliche Behandlung gegenüber den Verantwortlichen solcher Banken, die nicht systemrelevant sind, oder aber auch gegenüber den Verantwortlichen von (nicht systemrelevanten) Unternehmen außerhalb des Bankensektors. Wie die Systemrelevanz mit Blick auf die insolvenzrechtliche Behandlung die Etablierung und Anwendung eines Sonderregimes abseits des regulären Insolvenzverfahrens bedingt und rechtfertigt, so verlangt und rechtfertigt sie parallel hierzu auch einen Sondertatbestand im Strafecht. Damit ist zugleich die Grenze des

58

Pointiert Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 1143: „Bis zum Jahr 2007 noch abstrakt und rein synthetisch anmutende Rechtsgüter wie ,Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts‘ oder ,Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens‘ haben infolge der Krise nicht nur ein Gesicht bekommen, sondern haben sich darüber hinaus, um im Bild zu bleiben, in eine angsteinflößende Fratze verwandelt, die uns über Monate hinweg anglotzte.“ 59 s. o. S. 126 ff.

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zu schaffenden Tatbestandes aufgezeigt: Verantwortliche nicht systemrelevanter Banken unterfallen ihm nicht. In Bezug auf Schutzzweck und Anwendungsbereich (zum Tatverhalten sogleich) würde ein solcher Tatbestand weitgehend dem entsprechen, was in Bezug auf § 54a KWG vielfach gefordert wurde: Er würde primär dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems sowie der Gesamtwirtschaft dienen und lediglich die Verantwortlichen systemrelevanter Institute erfassen.60 Dass zu Beginn von Kapitel 2 eine Reduktion des § 54a KWG auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute abgelehnt wurde, steht den hier angestellten Überlegungen in Bezug auf den Anwendungsbereich eines zu schaffenden Straftatbestandes nicht entgegen, denn eine Reduktion des § 54a KWG wurde nicht abgelehnt, weil sie in der Sache nicht für sinnvoll erachtet wurde. Ihre Ablehnung beruhte vielmehr darauf, dass bezüglich § 54a KWG ein klarer gesetzgeberischer Wille, der lediglich auf die Erfassung systemrelevanter Institute zielt, nicht festgestellt werden konnte. Daneben erschien es zweifelhaft, ob das Merkmal der Systemrelevanz begrifflich überhaupt zugänglich ist und eine hinreichend sichere und zugleich sinnvolle Abgrenzung des Adressatenkreises erlaubt. Sollte sich der Gesetzgeber zur Schaffung eines Tatbestandes ähnlich dem hier skizzierten entschließen, würden sich Fragen einer teleologischen Reduktion nicht mehr, die mit dem Begriff der Systemrelevanz verbundenen Schwierigkeiten indes unverändert stellen. Hinzu träte die aus der Diskussion um § 54a KWG bekannte Problematik der näheren Bestimmung und verfassungskonformen Ausgestaltung des Merkmals der Bestandsgefahr. Damit kehrt man freilich zurück zu zwei Elementen, die sich schon im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG als problematisch erwiesen. 4. Bestandsgefährdung und Systemrelevanz: Bekannte Schwierigkeiten, alternativer Lösungsansatz Die Schwierigkeiten, die das Tatbestandsmerkmal der Bestandsgefährdung im Rahmen der Untersuchung des § 54a KWG aufgeworfen hat, sollen an dieser Stelle ebenso wenig wiederholt werden wie die Ausführungen zum schillernden Begriff der Systemrelevanz.61 Auch wenn teils erhebliche Kritik an der Verwendung dieser Merkmale im Strafrecht geübt wurde, muss ihre Verwendung im Rahmen der Schaffung einer neuen Strafnorm an dieser Stelle befürwortet werden. Der Rückgriff auf sie ist, wie dargelegt, unverzichtbar, um nicht zu rechtfertigende Strafbarkeitslücken zu vermeiden. Allerdings gilt es, im Vergleich zu § 54a KWG einige Weichen anders zu stellen. Will man die Elemente der Bestandsgefährdung und der Systemrelevanz für das Strafrecht bemühen, muss gewährleistet sein, dass sie derart konturenscharf sind, 60 Zum Vorschlag einer entsprechenden teleologischen Reduktion des § 54a KWG oben S. 166 ff. 61 Dazu im Einzelnen oben S. 263 ff., 167 ff.

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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dass ihre Aufnahme in einen Straftatbestand verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt. Da sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die stark verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des § 54a KWG als wesentlicher Kritikpunkt erwies, sollte eine solche bei einem neuen Straftatbestand vermieden werden. Sie sollte nicht vermieden werden, weil sie dem Grunde nach abzulehnen wäre, sondern allein, weil sie im Bereich der Bankenregulierung zumindest derzeit mehr Schwierigkeiten schafft als beseitigt.62 Befürwortet wird für einen § 54a KWG ersetzenden Tatbestand daher eine strafrechtsautonome Begriffsbestimmung hinsichtlich der Merkmale der Bestandsgefahr und der Systemrelevanz. Es erscheint nicht als unlösbare Aufgabe, für das Merkmal der Bestandsgefahr eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende strafrechtsautonome Begriffsbestimmung vorzunehmen. Im Kern dürfte Einigkeit darüber bestehen, wann eine Bestandsgefährdung vorliegt: Es geht um die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen, wie es bereits in § 48b Abs. 1 S. 1 KWG a.F. bestimmt war. Erfasst werden soll durch den Rückgriff auf das Gefährdungsstadium auch bereits der Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Nicht erforderlich ist, dass ein Zahlungsausfall oder eine Überschuldung unmittelbar und konkret bevorstehen. Ausreichend ist vielmehr, dass ohne korrigierende Maßnahmen der Eintritt von Insolvenzgründen vorhersehbar ist. Dabei können mit korrigierenden Maßnahmen nicht nur außerordentliche finanzielle Hilfen von Seiten des Staates gemeint sein63, sondern vielmehr auch andere Formen hoheitlicher Eingriffe, die im Falle einer Bestandsgefahr der Abwendung einer regulären Insolvenz dienen. Korrigierende Maßnahmen wären etwa auch Abwicklungsmaßnahmen nach dem SAG bzw. der SRM-VO. Soweit es das Merkmal der Bestandsgefahr betrifft, dürfte bereits die Formulierung in § 54a KWG verfassungsgemäß sein.64 Auch wenn der Strafgesetzgeber den Begriff der Bestandsgefahr eigenständig und insoweit strafrechtsautonom bestimmen würde, dürfte und sollte dieses strafrechtliche Begriffsverständnis auch weitgehend identisch sein mit dem des Bankenregulierungsrechts. Als Orientierungshilfen können dem Strafgesetzgeber die ehemals im KWG sowie die inzwischen im SAG und der SRM-VO enthaltenen Kriterien dienen. Soweit das hier geforderte strafrechtsautonome Begriffsverständnis von dem des Bankenregulierungsrechts abweichen sollte, würde – dies soll keineswegs verschwiegen werden – ein im Grundsatz wünschenswerter Gleichlauf von Strafrecht und Bankenregulierungsrecht zwar verhindert. Dies wäre weder der Einheit der Rechtsordnung, noch der Vorhersehbarkeit strafbewehrten Verhaltens förderlich. Doch dürfte die Untersuchung des § 54a KWG Grenzen der Sinnhaftigkeit einer verwaltungsakzessorischen Tatbestandsgestaltung aufgezeigt und verdeutlicht 62

Ausführlich oben S. 343 ff. So dürfte wohl die Begründung zu § 54a KWG zu verstehen sein, die auf § 48b KWG Bezug nimmt, vgl. RegE BT-Drs. 17/12601 S. 29 („staatliche Stützungsmaßnahmen“). 64 s. o. S. 265 ff. 63

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haben, dass diese bei einer zu engen Anknüpfung eines Straftatbestandes an das Bankenregulierungsrecht zumindest derzeit überschritten sind. Die bei § 54a KWG bestehende Auslieferung des nationalen Strafrechts an sich stetig wandelnde, unionsrechtlich geprägte Begriffsverständnisse des Bankenregulierungsrechts würde bei einer strafrechtsautonomen Ausgestaltung der Tatbestandsmerkmale vermieden. Die fehlende Akzessorietät sollte dabei nach Möglichkeit schon im Wortlaut Ausdruck finden, etwa dadurch, dass der Begriff der Bestandsgefahr vermieden und anstelle seiner ein Begriff wie etwa der der Existenzgefahr verwendet würde. Ebenfalls denkbar wäre es, bereits die Definition der Bestandsgefährdung (das heißt die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs des Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen) in den Wortlaut aufzunehmen. Dies wäre der Erkennbarkeit einer gegenüber dem Regulierungsrecht eigenständigen Begriffswelt dienlich. Zumindest aber sollten eine Klarstellung fehlender Verwaltungsakzessorietät und eine nähere Bestimmung des Merkmals der Bestandsgefährdung in den Gesetzesmaterialien erfolgen. Die für das Merkmal der Bestandsgefahr aufgezeigten Leitlinien einer Begriffsbestimmung gelten in ähnlicher Weise für das Merkmal der Systemrelevanz. Auch insoweit sollte – freilich erneut um den Preis möglicher Divergenzen – eine strafrechtsautonome Begriffsbestimmung erfolgen, die, soweit es der Bestimmtheitsgrundsatz erfordern sollte, im Tatbestand selbst erfolgen muss. Parallel zur Bestandsgefahr wird man sich auch hier an den Anhaltspunkten orientieren können, die das Recht der Bankenregulierung vorhält65. Der Gesetzgeber sollte allerdings auch an dieser Stelle die fehlende Verwaltungsakzessorietät hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen. Überdies sollte er klarstellen, welcher Bezugspunkt hinsichtlich der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems gelten soll. Sinnvollerweise sollte er eine Systemrelevanz bereits für das nationale Finanzsystem genügen lassen. Kriterien für die Eigenschaft der Systemrelevanz in einer Art. 103 Abs. 2 GG genügenden und zugleich praktikablen Weise festzulegen dürfte für den Gesetzgeber die größte Herausforderung bedeuten und die mit dem Merkmal der Bestandsgefährdung verbundenen Schwierigkeiten übertreffen. Dies haben vor allem die Ausführungen zu Beginn von Kapitel 2 gezeigt.66 Hinsichtlich der verfassungskonformen Verankerung der Bestands-, vor allem aber der Systemgefahr besteht noch erheblicher Klärungsbedarf. Die Ausformung eines „rechtlichen Systemrelevanzbegriffs“ ist noch in der Diskussion, erste Schritte sind bereits gemacht.67 Dabei müssen die Konturen umso schärfer gezogen werden, je intensiver der an dieses Unterscheidungsmerkmal geknüpfte Eingriff ist. Besonders für eine strafrechtliche 65

s. etwa § 48b Abs. 2 KWG a.F., § 67 Abs. 2 SAG a.F., §§ 10 f, 10 g KWG sowie zahlreiche weitere nationale, europäische und internationale Standards zur Bestimmung einer Systemrelevanz. 66 s. o. S. 167 ff. 67 Ausführlich hierzu Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 137 ff.

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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Anknüpfung ist fraglich, ob dies in einer mit Art. 103 Abs. 2 GG genügenden Weise überhaupt gelingen kann. Dieser Aufgabe, der in dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden kann, sollte sich die Wissenschaft und letztlich auch der Gesetzgeber stellen, denn in der Systemrelevanz einzelner Institute liegt der Kern des Bedarfs für einen Sonderstraftatbestand und zugleich dessen Rechtfertigung. Auf eine begriffliche Konturierung dieses neuartigen tatsächlichen Phänomens kann daher nicht verzichtet werden. Solange eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Ausgestaltung eines an die Systemrelevanz anknüpfenden Straftatbestandes nicht gewährleistet werden kann, muss sich der Gesetzgeber der Einführung einer entsprechenden Strafnorm enthalten und mögliche Strafbarkeitslücken hinnehmen. Sollte es gelingen, die Merkmale der Bestandsgefahr und die Kriterien der Systemrelevanz in verfassungskonformer Weise in einem Straftatbestand zu verankern, sind damit die praktischen Schwierigkeiten ihrer Feststellung freilich nicht behoben. Nicht nur bedarf es für die Feststellung einer Bestands- und Systemgefahr einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung und -bewertung, was angesichts der teils hochkomplexen Strukturen und Geschäftstätigkeiten in der Bankenbranche für die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte eine erhebliche Herausforderung bedeuten würde, die nur mit Hilfe von Sachverständigen und unter erheblichen Mühen gemeistert werden kann. Es taucht auch wie schon bei § 54a KWG die Frage auf, welche Bedeutung Beurteilungen der Bestands- und Systemgefahr durch andere Instanzen haben können. Bei der Untersuchung des § 54a KWG zeigte sich, dass selbst im Falle eines verwaltungsakzessorischen Straftatbestandes eine unbesehene Übernahme behördlicher Einschätzungen durch das Strafgericht nicht möglich ist.68 Dies gälte erst Recht für einen Tatbestand der hier vorgeschlagenen Art. Nicht nur sind inzwischen verschiedene Stellen mit gegebenenfalls unterschiedlichen Herangehensweisen in die Feststellung bestandsgefährdender Situationen eingebunden69, eine zu starke Orientierung oder gar unbesehene Übernahme behördlicher Einschätzungen müsste bei dem hier vorgeschlagenen Straftatbestand schon deshalb unterbleiben, weil infolge einer strafrechtsautonomen Begriffsbestimmung das Prüfungsprogramm des Strafgerichts gegenüber dem der jeweiligen Behörden durchaus divergieren kann. Soweit sich das Prüfungsprogramm überschneidet, werden behördliche Einschätzungen aber wie bei § 54a KWG zumindest als Indiz gelten können. 68

s. o. S. 268. Für die Zwecke des SAG erfolgt die Feststellung einer Bestandsgefahr als Abwicklungsvoraussetzung etwa gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 SAG durch die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Abwicklungsbehörde oder andersherum. Nach § 3 Abs. 1 SAG ist Abwicklungsbehörde die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Gemäß § 3 Abs. 3 SAG i.V.m. § 1 Abs. 5 KWG ist Aufsichtsbehörde entweder die EZB oder aber die BaFin. Ob ein Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt stellt unter Geltung der SRM-VO für die Abwicklung die EZB nach Anhörung des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung fest, Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 SRM-VO (Kap. 1 Fn. 475). 69

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

IV. Weitere Leitlinien für einen zu schaffenden Straftatbestand Angesichts der weiten Vorverlagerung des Taterfolges muss sichergestellt werden, dass mit einem neuen Straftatbestand keine übermäßige Beschränkung unternehmerischen Handelns einhergeht. Da gerade der Finanzbranche das Eingehen von Risiken in besonderem Maße immanent ist, muss die weitere Ausgestaltung des Tatbestandes eine übermäßige Beschränkung unternehmerischen Handelns vermeiden. Mögliche Konturen sollen im Folgenden skizziert werden. Sie betreffen das Tatverhalten [1.], den Adressatenkreis [2.], die Normierung einer Fahrlässigkeitsvariante [3.], die Wahl des Strafrahmens [4.] sowie die systematische Verortung des Tatbestandes [5.]. 1. Geschäftstätigkeit als Anknüpfung für das Tatverhalten Hinsichtlich des Tatverhaltens sollte, das hat die vorliegende Untersuchung deutlich gezeigt, an die Geschäftstätigkeit und nicht an Verfehlungen im Bereich des Risikomanagements angeknüpft werden.70 Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Tatverhaltens empfiehlt sich eine Orientierung an § 283 Abs. 1 StGB und innerhalb der dort umschriebenen Bankrotthandlungen eine Orientierung an § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 1 StGB. Er erfasst die Verringerung des Vermögensstandes „in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise“. Unabhängig von der Einordnung als Grund-71 oder Auffangtatbestand72 soll § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB nach der Gesetzesbegründung generalklauselartig Verhaltensweisen erfassen, die denjenigen der Nummern 1 bis 7 gleichstehen, und der Tatsache Rechnung tragen, dass vielfältige Möglichkeiten sozialschädlichen (und strafwürdigen) Verhaltens in der Insolvenz denkbar sind, deren Erfassung nicht allein durch die kasuistisch formulierten Nummern 1 bis 7 gesichert werden kann.73 Die Verwendung einer generalklauselartigen Verhaltensumschreibung für einen neuen Tatbestand entspricht auch einem Vorschlag von Kasiske, den dieser im Nachgang der Finanzkrise formulierte. Er stellt darauf ab, dass eine Bestandsgefährdung „durch Handlungen, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Wirtschaft widersprechen“ herbeigeführt wird.74

70

s. o. S. 363 ff. So LK-Tiedemann, § 283 Rn. 9 ff. 72 So BGH NStZ 2009, 635, 636; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1712, 1713; Fischer, § 283 Rn. 30; SK-StGB-Hoyer, § 283 Rn. 91; NK-Kindhäuser, § 283 Rn. 6; M/R-Altenhain, § 283 Rn. 33; BeckOK-StGB-Beukelmann, § 283 Rn. 73. 73 Vgl. BT-Drs. 7/3441 S. 36. 74 Kasiske, ZRP 2011, 137, 139. Kritisch zu dessen Vorschlag Chowdhury, Geschäftsleiteruntreue, S. 267 f. 71

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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Eine solche Formulierung wäre zwar offen für höchst unterschiedliche Fallgestaltungen75 und würde es ermöglichen, dem systemischen Umfeld und den sich wandelnden Gepflogenheiten der Finanzbranche angemessen Rechnung zu tragen, hinsichtlich derer eine zu kasuistische Formulierung womöglich Strafbarkeitslücken entstehen ließe. Nicht geleugnet werden kann aber, dass sich eine solche Verhaltensumschreibung durch eine erhebliche Unschärfe auszeichnet, die in Konflikt mit dem Bestimmtheitserfordernis geraten kann.76 Sie dürfte im Ergebnis allerdings noch dem Bestimmtheitsgebot genügen, da man sich bei der Auslegung nicht zuletzt am Kanon der Bankrotthandlungen des § 283 Abs. 1 StGB und an der diesbezüglich ergangenen Rechtsprechung orientieren könnte. Selbst bei Annahme der Verfassungskonformität würde die Unschärfe einer solchen Formulierung die Praxis freilich vor Probleme stellen, weil es ihr an präzisen Leitlinien und näheren Anhaltspunkten für eine Beurteilung der Geschäftstätigkeit als noch oder nicht mehr vereinbar mit den Grundsätzen ordnungsgemäßen Wirtschaftens fehlt. Vor allem aufgrund der teilweise sehr komplexen Geschäftsvorgänge im Finanzsektor und dessen Erfindungsreichtum würde diese Beurteilung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Wer aber die Geschäftstätigkeit und eben nicht das Risikomanagement als Anknüpfungspunkt strafrechtlicher Verantwortung wählt, kann sich der Bewertung der Geschäftstätigkeit als noch vertretbar oder nicht mehr vertretbar und einer Strafbewehrung zugänglich nicht entziehen. Die hiermit verbundenen, in ähnlicher Weise aus § 266 StGB und § 283 StGB bekannten Schwierigkeiten reichen indes nicht an diejenigen heran, die mit der Feststellung der Verletzung von in § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG normierten, weitgehend prinzipienorientierten Vorgaben zum Risikomanagement verbunden sind. Ungeachtet weiterer Einzelheiten kann es bei der Schaffung eines neuen Tatbestandes jedenfalls nur darum gehen, Verhaltensweisen zu erfassen, die die Grenze noch vertretbaren ökonomischen Handelns fraglos überschreiten. Der zu schaffende Tatbestand müsste daher in Parallele zu § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 1 StGB eng ausgelegt und auf Fälle betriebswirtschaftlich eindeutiger Unvertretbarkeit beschränkt werden, die sich einem objektiven Betrachter geradezu aufdrängen muss.77 Dass hierunter nur wenige Verhaltensweisen fallen können und auch Verhaltensweisen, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise zu beobachten waren, keineswegs sicher hierunter gefallen wären78, ist offensichtlich, aber auch sachgerecht. Denn zum einen wird aufgrund der Vorverlagerung des Taterfolges lediglich an eine Gefährdungssituation angeknüpft und bereits dadurch ein erweitertes Strafbarkeitsrisiko begründet und zum anderen 75 Für eine stärkere Nutzung des mit Blick auf den Tatbestand flexiblen § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB LK-Tiedemann, vor § 283 Rn. 232. 76 Bestimmtheitsbedenken in Bezug auf den Vorschlag von Kasiske äußert etwa Jahn, wistra 2013, 41, 43. 77 Vgl. insoweit zu § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 1 StGB LK-Tiedemann, § 283 Rn. 167; SKStGB-Hoyer, § 283 Rn. 93; Weyand, in: Wimmer et al., HdB Fachanwalt Insolvenzrecht, Kap. 11 C I. Rn. 44. 78 Dazu mit Blick auf § 283 StGB oben S. 131 ff.

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

geht es um die Bewertung unternehmerischen Handelns in einer besonders risikoaffinen Branche. Eine hohe Hürde für ein tatbestandsmäßiges Verhalten erscheint deshalb zwingend. Sollten die nach Maßgabe der vorstehenden Leitlinien zu ziehenden Grenzen strafrechtlich erlaubten Verhaltens überschritten sein, muss freilich noch der Zurechnungszusammenhang zum tatbestandlichen Erfolg in Form der Bestandsgefahr hergestellt werden. Es bedarf also des Nachweises, dass das Verhalten die Bestandsgefährdung wenigstens mitverursacht hat oder für einen zumindest nicht unerheblich früheren Eintritt der Bestandsgefährdung gesorgt hat. Dieser Nachweis ist, ähnlich wie bei § 283 Abs. 2 StGB79, nicht leicht zu führen. Gemessen an den Nachweisschwierigkeiten, die mit § 54a KWG und dessen Anknüpfung an die erfolgsferne, gleichsam abstrakte Ebene der Geschäftsorganisation verbunden sind, dürfte der Nachweis jedoch erleichtert sein und im Ernstfall auch gelingen. 2. Adressatenkreis Die in Bezug auf § 54a KWG intensiv geführte Diskussion der Begrenzung des Adressatenkreises auf Geschäftsleiter systemrelevanter Institute würde sich im Rahmen der hier angeregten Ausgestaltung eines Straftatbestandes nicht einstellen. Der Gesetzgeber würde vielmehr unmissverständlich klarstellen, dass lediglich systemrelevante Institute bzw. deren Verantwortliche dem Tatbestand unterfallen. Die zu Beginn von Kapitel 2 geäußerten Bedenken in Bezug auf eine Anknüpfung an das Merkmal der Systemrelevanz aufgrund des Umstands, dass sie eine Ermessensund Prognoseentscheidung darstellt, stellen sich zwar auch hier. Allerdings würden sie bei der hier vorgeschlagenen Tatbestandsfassung weniger ins Gewicht fallen. Sie würden vor allem dadurch relativiert, dass sich der zu schaffende Tatbestand und § 283 StGB – anders als § 54a KWG und § 283 StGB80 – infolge paralleler Tatverhalten und nur unterschiedlich ausgestalteter Taterfolge gegenseitig ergänzen würden, sodass eine mögliche Fehleinschätzung hinsichtlich der Systemrelevanz keine allzu großen Auswirkungen hätte. Problematisch wäre allenfalls die Situation, in der eine Bank aufgrund einer Bewertung als systemrelevant dem sonderinsolvenzrechtlichen Regime unterfällt oder sogar mit staatlichen Finanzmitteln gerettet wird, das Strafgericht die Systemrelevanz aber verneint. Dann würde eine Strafbarkeitslücke entstehen, weil es für § 283 StGB an der regulären Insolvenz und für den neu zu schaffenden Tatbestand an der Systemrelevanz fehlen würde. Die Gefahr einer derart divergierenden Entscheidung hinsichtlich der Systemrelevanz dürfte aber trotz des Umstands, dass das Strafgericht die Systemrelevanz eigenständig feststellen muss, eher theoretischer Natur sein. 79

Bei § 283 Abs. 2 StGB bezeichnete bereits die amtliche Begründung die Feststellung eines Kausalzusammenhangs zwischen Handlung als Krise als nur im Einzelfall möglich, s. BTDrs. 7/3441 S. 36 f. 80 Zum möglichen Konkurrenzverhältnis dieser beiden Normen oben S. 329 f.

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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In persönlicher Hinsicht sollte der zu schaffende Tatbestand anders als § 54a KWG nicht auf die Geschäftsleitungsebene beschränkt sein, sondern auch die Mitarbeiter nachgeordneter Ebenen erfassen. Auch sie sind in Teilen mit der Geschäftstätigkeit befasst, aus der sich im Falle der Vornahme zu risikoreicher Geschäfte ab einem bestimmten Volumen bestandsgefährdende Risiken ergeben können.81 Bei einem Abstellen auf die Geschäftstätigkeit ist folglich ein größerer Personenkreis angesprochen als bei § 54a KWG, der einzig an das Risikomanagement und damit an eine Leitungsaufgabe anknüpft. Das Hauptaugenmerk wäre allerdings auch in Zukunft auf das Verhalten der Organmitglieder zu legen.

3. Vorsatz- und Fahrlässigkeitsvariante Da die Systemrelevanz des Instituts Tatbestandsmerkmal wäre, müsste auch sie vom Vorsatz des Täters umfasst sein. In Grenzfällen könnte hier vor dem Hintergrund des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB argumentiert werden, man sei nicht von der Systemrelevanz des Instituts ausgegangen. Ähnliches gilt für die Frage des Vorsatzes bezüglich des vom Tatbestand geforderten Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsgemäßen Wirtschaftens. Auch insoweit würde die bei derartigen Konstellationen allgegenwärtige Streitfrage auftauchen, ob für den diesbezüglichen Vorsatz die schlichte Tatsachenkenntnis ausreicht oder aber ob der Täter eine entsprechende Bewertung seines Verhaltens vornehmen muss.82 Verlangt man eine solche Bewertung, dürfte die Zahl nachweisbarer Verstöße gegen den Tatbestand abnehmen. Erhebliche Schwierigkeiten dürfte es darüber hinaus bereiten, jemals den Nachweis eines auch nur bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Herbeiführung einer Bestandsgefahr zu führen. Insoweit gelten die zu § 54a KWG gemachten Ausführungen entsprechend.83 Von großer praktischer Bedeutung wäre es daher, in Parallele zu § 283 Abs. 4 Nr. 2 StGB und zum derzeit bestehenden § 54a Abs. 2 KWG eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Variante im Sinne des § 11 Abs. 2 StGB einzuführen. Das Tatverhalten in Form des Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsgemäßen Wirtschaftens müsste dann vorsätzlich erfolgen, hinsichtlich der Herbeiführung der Bestandsgefahr wäre Fahrlässigkeit ausreichend. Wie schon im Rahmen des § 54a Abs. 2 KWG befürwortet84, sollte in Parallele zu § 283 Abs. 4 Nr. 2 StGB allerdings nur ein leichtfertiges Herbeiführen der Bestandsgefahr strafbar sein. Auch bei einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Variante muss das Tatverhalten als solches jedoch vorsätzlich erfolgen. Die hiermit verbundenen Schwierigkeiten wurden soeben erwähnt. Diese könnten dadurch vermieden werden, dass man in Parallele zu 81

Ein entsprechender Adressatenkreis lag auch dem Vorschlag von Kasiske, ZRP 2011, 137, 139 zugrunde. 82 Dazu in Bezug auf § 283 StGB oben S. 142 f.; vgl. auch in Bezug auf § 266 StGB S. 110 f. 83 s. o. S. 302 ff. 84 s. o. S. 306 f.

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

§ 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB zusätzlich eine reine Fahrlässigkeitsvariante normiert. Gegen eine solche Parallele könnte zwar sprechen, dass dort der Verstoß gegen den generalklauselartigen § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gerade nicht für eine Strafbarkeit ausreichen soll. Ob die in § 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB getroffene Differenzierung allerdings sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Die Zweifel sind dann besonders groß, wenn man, wie teilweise vertreten, § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB als Grundtatbestand des § 283 Abs. 1 StGB auffasst85, denn dann erschließt sich nicht, weshalb § 283 Abs. 5 Nr. 2 StGB zwar die Tathandlung etwa des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB, nicht aber die des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB erfasst. Gewichtiger als dieses systematische Argument dürfte für die Ablehnung einer reinen Fahrlässigkeitsvariante aber sein, dass die Formulierung einer solchen in Verbindung mit der gegenüber § 283 Abs. 2 StGB deutlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit endgültig eine zu weitgehende Einschränkung unternehmerischen Handelns durch das Strafrecht bedeuten würde. Allerdings mag an dieser Stelle auch zu berücksichtigen sein, dass der zu schaffende Tatbestand angesichts des Erfordernisses der Systemrelevanz ganz maßgeblich auf den Schutz der Stabilität des Finanzsystems abzielen würde. Selbst die Statuierung einer reinen Fahrlässigkeitsvariante erscheint vor diesem Hintergrund zumindest vertretbar. Freilich müsste mit ihr eine deutlich herabgesetzte Strafandrohung einhergehen. 4. Strafrahmen Bereits in Kapitel 2 wurde für die vorsätzliche Herbeiführung einer Bestandsgefährdung verbunden mit einer Systemgefährdung ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren als angemessen erachtet.86 Dies sollte auch dann gelten, wenn man statt an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben an die Geschäftstätigkeit anknüpft. Das Höchstmaß entspricht dabei demjenigen des § 283a StGB, der vor allem den Zusammenbruch von Unternehmen der privaten Wirtschaft erfassen soll, die in großem Umfang fremdes Geld verwalten und mit ihm arbeiten (z. B. Banken, Sparkassen, Genossenschaftskassen, Bausparkassen).87 Dass im Rahmen des hier vorgeschlagenen Tatbestandes lediglich an eine Gefährdungssituation angeknüpft wird, rechtfertigt eine Absenkung des Strafrahmens nicht. Zum einen wird nur deshalb an eine Gefährdungssituation angeknüpft, weil im öffentlichen Interesse eine reguläre Insolvenz durch die Anwendung eines Sonderregimes oder durch finanzielle Stützungsmaßnahmen des Staates verhindert wird. Zum anderen ginge der Schutzzweck der Norm über den des § 283 StGB hinaus, da die Norm ganz wesentlich dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems zu dienen bestimmt wäre. 85

So etwa LK-Tiedemann, § 283 Rn. 9 ff. s. o. S. 317 ff. 87 Vgl. RegE BT-Drucks. 7/3441, S. 37; Fischer, § 283a Rn. 3; NK-Kindhäuser, § 283a Rn. 5; S/S-Heine/Schuster, § 283a Rn. 5; LK-Tiedemann, § 283a Rn. 6. 86

B. Erweiterte Möglichkeiten einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit

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Die Strafandrohung im Rahmen einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Variante sollte höchstens drei Jahre Freiheitsstrafe, im Rahmen einer reinen Fahrlässigkeitsvariante höchstens zwei Jahre betragen. Da in Kreditinstituten oft hochgradig arbeitsteilige Strukturen gegeben sind und anders als bei § 54a KWG potenziell ein relativ großer Personenkreis als Täter in Betracht käme, bei dem zum Teil möglicherweise auch nur relativ untergeordnete aber nichtsdestotrotz für die Risikobegründung wesentliche Tatbeiträge festzustellen wären, erscheint überdies die Normierung eines unbenannten minder schweren Falles zweckmäßig.88 5. Verortung im KWG Da die Strafbarkeit nicht an die Anwendung oder Nichtanwendung eines Sonderregimes, sondern an das Vorliegen einer Bestandsgefahr geknüpft würde, sollte eine Verortung des Straftatbestandes nicht in dem seinem Anwendungsbereich nach ohnehin begrenzten SAG erfolgen, sondern entweder im StGB oder im KWG. Für Ersteres spricht, dass der Tatbestand in weiten Teilen an § 283 StGB angelehnt ist und diesen ergänzen soll. Allerdings würde sich der zu schaffende Tatbestand nicht in einer Vorverlagerung des Taterfolgs gegenüber § 283 StGB erschöpfen. Er würde vielmehr auch und insbesondere dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems dienen. Dies und der begrenzte Täterkreis sprechen für eine Verortung des zu schaffenden Straftatbestandes im KWG.

V. Zwischenergebnis Für Verantwortliche systemrelevanter Institute schied eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 2 StGB für Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Finanzkrise aus, weil staatliche Bankenrettungen den Eintritt der Strafbarkeitsvoraussetzungen verhinderten. Das hierdurch zu Tage getretene, in strafrechtlicher Hinsicht existierende faktische Privileg gewisser Bankverantwortlicher besteht auch heute noch. Lediglich die Ursachen der faktischen Privilegierung haben sich verschoben. Folgte im Rahmen der Finanzkrise die Privilegierung noch aus der Gewährung von Finanzhilfen durch den Staat, so folgt sie heute primär aus der Existenz eines insolvenzrechtlichen Sonderregimes für gewisse Banken. Dieses zahlreiche alternative Instrumente zu einem staatlichen bail-out bereithaltende Sonderinsolvenzrecht führt mit Blick auf § 283 StGB die schon zuvor bestehende Privilegierung im Ergebnis schlicht fort. Zur Beseitigung dieser sachlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung in strafrechtlicher Hinsicht ist die Schaffung eines neuen Straftatbestandes erforderlich. Dieser muss in der Lage sein, unter Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit eine Herbeiführung der Bestandsgefahr eines systemrelevanten Instituts zu erfassen. Mit der zwingend erforderlichen Anknüpfung an eine bestandsgefährdende Situation ist 88

So auch bereits der Vorschlag von Kasiske, ZRP 2011, 137, 140.

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

eine weite Vorverlagerung der Strafbarkeit verbunden. Diese ist nur dann gerechtfertigt, wenn das im Bestand gefährdete Institut systemrelevant ist. Die Systemrelevanz des Instituts ist Ursache für das Bedürfnis eines Sondertatbestandes und zugleich dessen Rechtfertigung. Ohne Rückgriff auf den Gefahrenerfolg der Bestandsgefährdung und das Merkmal der Systemrelevanz erscheint eine Schließung der vom Gesetzgeber zutreffend erkannten, durch § 54a KWG aber nicht geschlossenen Lücke im Strafrecht nicht möglich. Die mit der Aufnahme dieser beiden Elemente in den Tatbestand verbundenen Schwierigkeiten stellen für den Gesetzgeber eine Herausforderung dar, der er sich – unterstützt durch die Wissenschaft – stellen muss. Solange eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Merkmale der Bestandsgefahr und der Systemrelevanz nicht gewährleistet werden kann, muss der Gesetzgeber freilich von der Verwendung dieser beiden Merkmale und damit einer an sie anknüpfenden Strafnorm Abstand nehmen. Angesichts der Nachteile, die zumindest derzeit mit einer verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung einer bankstrafrechtlichen Norm verbunden sind, sollten dabei sowohl das Merkmal der Bestandsgefahr, als auch der Adressatenkreis in Gestalt der Verantwortlichen sogenannter systemrelevanter Banken einer strafrechtsautonomen Begriffsbestimmung zugeführt werden. Die dadurch möglicherweise entstehende, nicht unbedenkliche Divergenz zwischen strafrechtlichen Begriffsbestimmungen einerseits und regulierungsrechtlichen Begriffsbestimmungen andererseits ist derzeit unvermeidbar. Gegenüber § 283 Abs. 2 StGB würde der zu schaffende Tatbestand aber nicht nur eine Vorverlagerung der Strafbarkeit bedeuten, sondern außerdem eine Erweiterung hinsichtlich des Schutzzwecks mit Blick auf den Schutz der Stabilität des Finanzsystems. Die Hürden hin zu einer Strafbarkeit wären allerdings auch bei dem hier vorgeschlagenen Tatbestand hoch und hätten Verhaltensweisen, wie sie im Vorfeld der Finanzkrise anzutreffen waren, keinesfalls sicher erfasst. Eine Straflosigkeit der Bankverantwortlichen unter Geltung eines Tatbestandes mit den hier vorgeschlagenen Strukturen wäre allerdings weder Resultat eines den veränderten äußeren Bedingungen im Bankensektor nicht Rechnung tragenden Strafrechts, noch Resultat einer handwerklich schon im Ansatz misslungenen Strafnorm wie der des § 54a KWG. Eine Straflosigkeit wäre vielmehr Ausdruck des ultima-ratio-Grundsatzes und der angemessenen Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit im Bankensektor.

C. Abhängigkeit des Anpassungsbedarfs im Strafrecht von vorgefundenen äußeren Bedingungen Ob der Strafgesetzgeber sich veranlasst sehen wird, einen Straftatbestand wie den hier skizzierten zu schaffen, bleibt abzuwarten. Ein solcher würde – wie es auch mit § 54a KWG beabsichtigt war – letztlich veränderten Bedingungen im Bankensektor Rechnung tragen. Diese liegen in der Entstehung des Phänomens der Systemrelevanz

C. Abhängigkeit des Anpassungsbedarfs im Strafrecht

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mit der Folge, dass zur Vermeidung einer Destabilisierung des Finanzsystems und zur Vermeidung von Nachteilen für die Gesamtwirtschaft gewisse Banken nach Möglichkeit nicht in eine reguläre Insolvenz gehen sollen. Die Schaffung und Existenz eines solchen Tatbestandes ist daher auch nur so lange angezeigt, wie die äußeren Bedingungen verändert bleiben. Konkret gesprochen: Die Strafbewehrung des Herbeiführens einer Bestandsgefahr eines systemrelevanten Instituts und der Schutz der Stabilität des Finanzsystems sind nur dann erforderlich, wenn es systemrelevante Institute gibt und im Falle einer Schieflage solcher Institute eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems möglich ist. Die überaus zahlreichen Anstrengungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene im Nachgang zur Finanzkrise sollten unter anderem dazu beitragen, dem Phänomen der Systemrelevanz und der mit ihm verbundenen sogenannten too big to fail-Problematik Herr zu werden. Im Kern stehen hierfür zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Eine Destabilisierung des Finanzsystems durch die Schieflage einzelner Banken scheidet zum einen dann aus, wenn Banken nicht derart groß, vernetzt, gewichtig oder sonst bedeutend sein können, dass der Zusammenbruch einer Bank oder einzelner Banken das Finanzsystem insgesamt destabilisieren kann. Dies würde einen Finanzsektor ohne systemrelevante Banken bedeuten. Eine Destabilisierung des Finanzsystems scheidet zum anderen aber auch dann aus, wenn es zwar dem Grunde nach derart große und bedeutende, sprich systemrelevante Banken gibt, gleichzeitig aber effiziente Instrumente zur Vermeidung einer Destabilisierung des Finanzsystems zur Verfügung stehen, die im Falle einer Bestandsgefährdung einen weitgehend unkontrollierten Zusammenbruch solcher Banken verhindern und die Situation dergestalt abfedern, dass das Finanzsystem stabil bleibt. Ob bei Vorliegen eines perfekten Instrumentariums zur Abfederung von Großinsolvenzen überhaupt noch von systemrelevanten Banken gesprochen werden könnte, wäre letztlich eine terminologische Frage. Derzeit steht nicht zu erwarten, dass es in absehbarer Zeit schon dem Grunde nach keine systemrelevanten Banken mehr geben wird. Allerdings wurde in den letzten Jahren versucht, die Widerstandsfähigkeit der Banken zu erhöhen. Die EZB hat vor Übernahme ihrer Aufsichtsfunktionen am 4. 11. 2014 die direkt von ihr beaufsichtigten Institute einer umfangreichen Prüfung unterzogen. Teil der Prüfung war unter anderem ein gemeinsam mit der EBA durchgeführter Stresstest. Die veröffentlichen Ergebnisse mögen Anlass zu der Annahme geben, dass man dem Ziel eines robusteren Finanzmarktes bereits ein Stück näher gekommen ist.89 Die Entwicklung eines Regulierungs- und Aufsichtsrahmens, der Institute davor schützt, jemals in Schwierigkeiten zu geraten, ist dennoch nicht möglich.90 Neben einer Steigerung der 89

Ergebnisbericht aus Oktober 2014 abrufbar unter https://www.bankingsupervision.eu ropa.eu/ecb/pub/pdf/aggregatereportonthecomprehensiveassessmentexsum201410.de.pdf (zul. abg. 30. 11. 2016). Die Aussagekraft dieses groß angelegten Stresstests darf jedoch durchaus angezweifelt werden, vgl. die Kritik durch den Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/15, S. 176 ff. 90 So auch ausdrücklich Erwägungsgrund 6 der BRRD (Kap. 2 Fn. 467).

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Kap. 3: Perspektiven de lege ferenda

Widerstandsfähigkeit der Banken etwa durch veränderte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen wurden und werden daher zu Recht Versuche unternommen, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der im Falle der Schieflage einer systemrelevanten Bank eine Destabilisierung des Finanzsystems verhindert. Derzeit aber kann noch nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, ob und in welchem Umfang die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes beitragen und ob sich der Staat als lender of last resort ebenso wie die Steuerzahler in Zukunft in Sicherheit wiegen darf.91 Insbesondere die durch die Abwicklungsinstrumente geschaffenen Sicherheitsnetze müssen ihre Funktionsfähigkeit erst noch im Ernstfall beweisen. Jedenfalls derzeit darf das too big to fail-Problem im Finanzsektor noch nicht als gelöst gelten.92 Für den (eher unwahrscheinlichen) Fall, dass die getroffenen oder auch noch zu treffenden Maßnahmen ein perfektes Sicherheitsnetz spannen sollten, würde der an die Systemrelevanz anknüpfende Aspekt der Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems und damit der entscheidende Gesichtspunkt der Rechtfertigung eines Straftatbestandes nach Art des hier skizzierten entfallen.93 Es würde dann aber nicht nur die Rechtfertigung eines Sondertatbestandes entfallen, sondern zugleich auch das Bedürfnis für einen solchen. Auf lange Sicht gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten der Entwicklung des Phänomens der Systemrelevanz und damit der äußeren Umweltbedingungen, die das Strafrecht vorfindet und auf die es zugeschnitten sein muss: Erstens, das Phänomen der Systemrelevanz und mit ihm verbundene Systemgefährdungen bleiben im Bankensektor bestehen. Solange dies der Fall ist, sollte ein Sondertatbestand ähnlich dem hier skizzierten geschaffen werden und Bestand haben. Zweitens, das Phänomen der Systemrelevanz im Bankensektor wird hinfällig oder zumindest in rechtlicher Hinsicht so umzäunt, dass Systemgefährdungen durch die Schieflage einzelner Banken ausgeschlossen sind. Dann wäre der hier vorgeschlagene Tatbestand womöglich hinfällig, jedenfalls aber zu modifizieren, da der Schutzzweck der Stabilität des Finanzsystems ihn so nicht mehr tragen könnte. Drittens, das Phänomen der Systemrelevanz greift auf andere Sektoren als den Finanz- und Versicherungssektor über. Dass dies zumindest nicht ausgeschlossen ist, dürfte die Diskussion um Bürgschaften, Kredite oder gar eine direkte staatliche Beteiligung im Zuge der OpelRettung im Jahr 2009 gezeigt haben. Auch wenn Bundeskanzlerin Merkel im Kontext der Opel-Rettung mit den Worten zitiert wurde, es gebe systemrelevante

91 So tauchte etwa im Herbst 2016 die Frage nach Staatshilfen für die Deutsche Bank auf angesichts einer ihr in den USA drohenden Strafzahlung in Milliardenhöhe, s. hierzu http:// www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spekulationen-ueber-staatshilfe-ihre-groesse-wird-die-deutschebank-nicht-schuetzen-14457841.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 92 s. statt vieler hierzu und zu damit fortbestehenden impliziten Staatsgarantien IMF, Global Financial Stability Report, April 2014, S. 101 ff. 93 Hierzu mit Blick auf die Rechtfertigung eines weit vorverlagerten Taterfolges oben S. 378 ff.

C. Abhängigkeit des Anpassungsbedarfs im Strafrecht

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Finanzinstitute, nicht aber systemisch wichtige gewerbliche Unternehmungen94, muss zumindest die Frage erlaubt sein, ob es – vielleicht schon heute, vielleicht in Zukunft – auch außerhalb des Bank- und Versicherungssektors Unternehmen gibt, die wegen ihrer Größe, ihrer Schlüsselfunktion für die Wirtschaft, wegen ihres angesammelten Know-Hows oder wegen ihrer Bedeutung für die Daseinsvorsorge systemrelevant sind.95 Sollte dies zu bejahen sein, muss das Strafrecht bei Bedarf auch hierauf reagieren. Die weitere Entwicklung der Finanzbranche und ihrer Regulierung darf mit Spannung erwartet werden. In besonderem Maße gilt dies für den Umgang mit dem Phänomen der Systemrelevanz. Dieses stellt nicht nur das Recht der Bankenregulierung, sondern auch das Strafrecht vor Herausforderungen. Der mit § 54a KWG unternommene Versuch, auf veränderte äußere Bedingungen im Bankensektor zu reagieren, darf als gescheitert gelten. Einige Leitlinien für einen § 54a KWG ersetzenden Straftatbestand wurden im vorstehenden Abschnitt aufgezeigt. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber den misslungenen § 54a KWG alsbald streicht und die Schaffung eines ihn ersetzenden Straftatbestandes in Angriff nimmt, bevor ihm und der Bevölkerung anlässlich der nächsten Bankenkrise die Unzulänglichkeit des vorhandenen Normenbestandes erneut vor Augen geführt wird.

94 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/streit-ueber-staatseinstieg-merkelopel-nicht-systemrelevant-1922557.html (zul. abg. 30. 11. 2016). 95 Diese Frage wirft etwa Schneider, ZRP 2009, 119, 121 auf. Sie bejahend Durth, WiJ 2012, 7, 15, der neben der Versicherungsbranche auch auf die Automobil- und Energiebranche verweist.

Schluss Den Anstoß zur vorliegenden Arbeit gab der am 2. 1. 2014 in Kraft getretene Straftatbestand des § 54a KWG. Er stellt eine der zahlreichen Reaktionen auf die vergangene Finanzkrise dar, die 2007 mit dem Platzen der Preisblase am US-Immobilienmarkt ihren Anfang nahm und binnen kurzer Zeit zu einer Bedrohung für das Weltfinanzsystem wurde. Um dessen Kollaps abzuwenden, wurden zahlreiche Banken durch staatliche Stützungsmaßnahmen vor dem Zusammenbruch gerettet. Nicht zuletzt aufgrund der Beteiligung der Steuerzahler an milliardenschweren Bankenrettungen und der für viele befremdlich hohen Managergehälter wurde in der Öffentlichkeit auch der Ruf nach dem Strafrecht laut. Das Strafrecht hat allerdings nur dort einen Platz, wo individuelles, schuldhaftes Verhalten in Rede steht. Auch wenn zahlreiche Systemfehler das Entstehen der vergangenen Finanzkrise ermöglicht und begünstigt haben, so ist die Feststellung individueller und auch strafrechtlicher Verantwortlichkeit weder hinsichtlich der vergangenen Finanzkrise, noch im Rahmen künftiger Banken- und Finanzkrisen ausgeschlossen. Bei der Ermittlung strafrechtlicher Verantwortlichkeit muss aber stets gefragt werden, ob und falls ja in welchem Umfang systemische Einflüsse eine solche ausschließen oder mindern. Seit Ausbruch der Finanzkrise sind inzwischen beinahe zehn Jahre vergangen. In Deutschland wurden in ihrem Nachgang einige Strafverfahren gegen hochrangige Banker angestrengt. Wer auf empfindliche Strafen gehofft hatte, wurde enttäuscht. Der gerichtsfeste Nachweis der Erfüllung eines oder gar mehrerer der existierenden Straftatbestände erwies sich als nahezu unmöglich. Nennenswerte strafrechtliche Konsequenzen blieben aus, die angestrengten Verfahren endeten meist durch Einstellungen oder Freisprüche. Anscheinend war den überaus komplexen Sachverhalten mit dem hergebrachten strafrechtlichen Normengefüge nur schwer beizukommen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Gesetzgeber im Jahr 2013 die Schaffung des § 54a KWG unter anderem damit begründete, dass das geltende Recht nicht ausreiche, Geschäftsleiter von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn das Institut durch Missmanagement in eine Schieflage geraten sei. Die vor Schaffung des § 54a KWG existierenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts würden, so hieß es, in ihrem Schutzzweck und dem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen. Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzes auf dem Spiel stehe, würden strafrechtlich nicht bewehrt. Diese Begründung und die aus Sicht einer breiten Öffentlichkeit ernüchternde Bilanz hinsichtlich der im Nachgang der Fi-

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nanzkrise angestrengten Strafverfahren gaben Anlass, im Rahmen der vorliegenden Arbeit den vor Schaffung des § 54a KWG bereits vorhandenen strafrechtlichen Normenkatalog auf Lücken und mögliche strukturelle Unzulänglichkeiten hin zu untersuchen. Die Untersuchung einiger ausgewählter Tatbestände zeigte deren Schwachstellen in Bezug auf die Behandlung komplexer wirtschaftsrechtlicher Sachverhalte auf, wie sie der vergangenen Finanzkrise zugrunde liegen. Vielfach sind die Tatbestände bereits ihrem Schutzzweck und dem erfassten Unrechtsgehalt nach nicht in der Lage, das Herbeiführen einer Unternehmenskrise oder gar eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems oder der Gesamtwirtschaft zu erfassen. Ungeachtet dessen ist aber die Tatbestandsverwirklichung regelmäßig schon nicht nachzuweisen. Da bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise § 266 StGB eine zentrale Rolle einnahm, war diese Norm ausführlicher zu untersuchen. Zahlreiche Strukturmerkmale des Untreuetatbestandes erwiesen sich bei der Aufarbeitung der Finanzkrise als hinderlich. Für ähnliche Krisen in der Zukunft dürfte nichts grundlegend anderes gelten. Als in besonderem Maße hinderlich erwies sich die Ausgestaltung des Untreuetatbestandes als Erfolgsdelikt. Die Feststellung eines bezifferbaren Vermögensnachteils unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zeigte sich bei derart komplexen Sachverhalten als nur schwer möglich. Problematisch ist aber auch die Ausgestaltung des Untreuetatbestandes als Vorsatzdelikt. Insbesondere der Nachweis von Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Vermögensnachteils ist kaum zu führen. Eine Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementvorgaben – so man sie im Rahmen des § 266 StGB überhaupt vornehmen kann – erwies sich als nicht zielführend. Schließlich zeigte sich § 266 StGB auch seinem Unrechtsgehalt nach als nicht passgenau: Er zielt auf den Schutz anvertrauten Vermögens ab, erfasst aber nicht das Herbeiführen einer Unternehmenskrise als solcher und eine von dieser gegebenenfalls ausgehende Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems oder der Gesamtwirtschaft. Er schützt das individuelle Vermögen des Treugebers, nicht aber Gläubiger- und Kollektivinteressen. Als ein dem Unrechtsgehalt naheliegenderer Tatbestand als § 266 StGB erwies sich der in der bisherigen Diskussion zu Unrecht oft vernachlässigte § 283 StGB. Ungeachtet von Einzelheiten in Bezug auf die Tatbestandserfüllung scheidet eine Strafbarkeit von Bankverantwortlichen nach § 283 StGB im Falle einer staatlichen Rettung der in Rede stehenden Bank jedenfalls aufgrund von § 283 Abs. 6 StGB aus. Dadurch besteht für die Verantwortlichen als systemrelevant erachteter und aus diesem Grund durch staatliche Finanzhilfen geretteter Institute in strafrechtlicher Hinsicht ein faktisches Privileg, das keinerlei Rechtfertigung findet. Dieses Privileg muss de lege lata hingenommen werden. Die der Schaffung des § 54a KWG zugrundeliegende Annahme des Gesetzgebers, es bestünden unzureichende Möglichkeiten, Geschäftsleiter von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn

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das Institut durch Missmanagement in eine Schieflage geraten sei, erwies sich als grundsätzlich zutreffend. Auch dass die bestehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts in ihrem Schutzzweck und dem strafbewehrten Verhalten andere Schwerpunkte setzen würden und dass Pflichtverletzungen im Risikomanagement, mit denen nicht nur die Stabilität des einzelnen Instituts, sondern des Finanzsystems als Ganzes auf dem Spiel stehe, nicht strafbewehrt seien, darf – mit leichten Abstrichen – als zutreffende Bestandsaufnahme gelten. Die in Kapitel 2 erfolgte Untersuchung des in Reaktion auf diesen ausgemachten Missstand geschaffenen § 54a KWG hat allerdings gezeigt, dass jedenfalls diese Strafnorm die Gesetzeslücke nicht schließen kann.1 § 54a KWG ist eine in struktureller Hinsicht misslungene, dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzte Strafnorm. Ihr Tatbestand ist weit davon entfernt, durchdacht zu sein. Die zahlreichen Schwächen der Norm gehen im Kern auf die folgenden Mängel zurück: Ein erster Mangel liegt darin, dass durch die verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des § 54a Abs. 1 KWG aufsichtsrechtliche Vorgaben zum Risikomanagement als Anknüpfungspunkt einer Strafnorm gewählt wurden. Dies ist aufgrund der weitgehend prinzipienorientierten Ausgestaltung der Vorgaben zum Risikomanagement und der in ihnen enthaltenen exzessiven Verwendung konturenloser Begriffe schon im Ansatz verfehlt und gerät in Konflikt mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot. In Bezug genommen werden von § 54a KWG nicht konkrete Handlungspflichten, sondern ein zwar umfangreicher, aber äußerst unbestimmter Katalog schwammiger Anforderungen bezüglich der Einhaltung gewisser Compliance-Standards. An dem hieran anknüpfenden Vorwurf mangelnder Bestimmtheit hat weder die im Vergleich zur Entwurfsfassung weniger erfolgsorientierte Formulierung einer Sorgetragungspflicht in § 54a Abs. 1 KWG, noch die nachträgliche Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG und die damit einhergehende Abhängigkeit der Strafbarkeit von einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung der BaFin etwas geändert. § 54a Abs. 3 KWG führt lediglich dazu, dass der Normadressat zweifelsfrei erkennen kann, wann er sich nicht strafbar macht. Dies allein genügt aber den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes nicht. Nicht nur vermag der gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens kurzfristig noch eingefügte § 54a Abs. 3 KWG die berechtigen Bestimmtheitsbedenken nicht zu beseitigen; er wirft im Gegenteil seinerseits zahlreiche neue Probleme auf. Seine Einfügung unter gleichzeitiger Beibehaltung des § 54a Abs. 1 KWG stellt einen weiteren Mangel des § 54a KWG dar, der als gesetzgeberische Kurzschlussreaktion gewertet werden muss. Auch wenn die Anknüpfung einer Strafbarkeit an eine Zuwiderhandlung gegen eine aufsichtsbehördliche Anordnung dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Gesetzesvorbehalt noch genügen mag, muss die in Gestalt von § 54a Abs. 3 KWG erfolgte Reaktion auf den misslungenen § 54a Abs. 1 KWG ihrerseits als misslungen bezeichnet werden. Schon strukturell verfehlt ist es, durch § 54a 1 Eine Zusammenfassung der Untersuchung des § 54a KWG in Thesen findet sich auf den S. 356 ff.

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Abs. 3 KWG – mag der Gesetzgeber auch von der Normierung eines Strafausschließungsgrundes ausgegangen sein – ein weiteres Element des Tatbestandes zu schaffen. Die Zweispurigkeit hinsichtlich des sich erst aus einer Zusammenschau der Absätze 1 und 3 ergebenden Tatverhaltens ist nicht nur in systematischer Hinsicht verfehlt, sondern bewirkt auch keine Entlastung der Strafgerichte hinsichtlich der Feststellung tatbestandsmäßigen Verhaltens, denn die durch § 54a Abs. 3 KWG begründete Verwaltungsaktsakzessorietät wirkt aufgrund der Zweispurigkeit des Tatverhaltens nur limitiert. Sie kann selbst bei Vorliegen einer vollziehbaren Anordnung der BaFin nach § 25c Abs. 4c KWG nicht über einen fehlenden Verstoß gegen § 25c Abs. 4a, Abs. 4b S. 2 KWG und damit auch nicht über dessen Feststellung durch das Strafgericht hinweghelfen. Neue, bislang weitgehend unbeachtete Komplikationen ergeben sich seit November 2014 unter der Geltung des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (SSM). Spätestens mit dessen Inkrafttreten ist die vom guten Willen der Beseitigung der Bestimmtheitsbedenken getragene Einfügung des § 54a Abs. 3 KWG zum gesetzgeberischen Querschläger geworden, denn es ist äußerst zweifelhaft, ob die gemäß § 54a Abs. 3 KWG für eine Strafbarkeit erforderliche aufsichtsbehördliche Anordnung gegenüber Geschäftsleitern sogenannter bedeutender Institute unter Geltung des SSM überhaupt noch, wie vom Wortlaut gefordert, durch die BaFin ergehen kann. Die derzeit in weiten Teilen noch unklare Kompetenzverteilung im Zusammenspiel nationaler und europäischer Aufsichtsbehörden erhält über § 54a Abs. 3 KWG Einzug ins Strafrecht. Sie ist ein Quell erheblicher Rechtsunsicherheit und führt je nach Standpunkt dazu, dass für die Geschäftsleiter der bedeutendsten Institute § 54a KWG schon heute nicht mehr greift. Weitere Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung entstehen dadurch, dass § 54a KWG aufsichtsrechtliche Begrifflichkeiten in Bezug nimmt, die weder etabliert oder gefestigt sind, noch der Bestimmungsmacht des nationalen Gesetzgebers unterliegen. Dies betrifft vor allem den Taterfolg der Bestandsgefährdung. An ihm hat sich, ebenso wie an den Ausführungen zur unklaren Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden, beispielhaft gezeigt, wo Grenzen der Sinnhaftigkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände liegen: Eine erste Grenze liegt dort, wo das Strafrecht an ein Rechtsgebiet anknüpft, das sich neben seiner Komplexität vor allem dadurch auszeichnet, dass es in hochfrequenter Weise fortlaufend Veränderungen unterworfen ist. Eine zweite Grenze liegt dort, wo an ein Rechtsgebiet angeknüpft wird, das der Bestimmungsmacht des nationalen Gesetzgebers in weiten Teilen entzogen ist und wo dieser nur noch eine strafrechtliche Hülle schafft, deren Ausfüllung einem anderen Normgeber und verschiedenen Stellen der Exekutive obliegt, was massive Anwendungsschwierigkeiten zur Folge hat. Ungeachtet dieser der Verwaltungsakzessorietät entspringenden Probleme stellt es einen weiteren Mangel des § 54a KWG dar, den tatbestandlichen Gefahrenerfolg in Gestalt der Bestandsgefahr mit der Verletzung von Risikomanagementpflichten verknüpfen zu wollen. Zwar werden durch die Anknüpfung an die Verletzung von

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Risikomanagementvorgaben Schwierigkeiten vermieden, die mit einer Anknüpfung an die Geschäftstätigkeit unweigerlich verbunden sind. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung noch erlaubter von nicht mehr erlaubten, strafrechtlich relevanten Geschäften. Der Nachweis einer Kausalbeziehung zwischen der Verletzung von Risikomanagementvorgaben und dem Eintritt einer Bestandsgefahr dürfte in der Praxis allerdings ein hoffnungsloses Unterfangen darstellen, denn unmittelbar zu einer Bestandsgefahr führen immer nur die getätigten Geschäfte, nicht aber ein fehlerhaftes Risikomanagementsystem als solches. Diese Mittelbarkeit des Risikomanagements für die wirtschaftliche Situation eines Instituts gepaart mit dem Umstand, dass die Finanzbranche keinen naturgesetzlichen Abläufen unterliegt, führt dazu, die von § 54a KWG geforderte Kausalbeziehung als allenfalls in der Theorie nachweisbar erscheinen zu lassen. Im Ergebnis wurde mit § 54a KWG ein Tatbestand geschaffen, der ungeachtet des hier formulierten Vorwurfs der Verfassungswidrigkeit repressiv keinerlei Wirkung entfalten wird. Selten dürften bereits die Fälle sein, in denen die Anordnung der Aufsichtsbehörde vorsätzlich missachtet wird und es in der Folge zu einem Ermittlungsverfahren oder gar einer Anklage kommt. Selbst wenn es zu einer Anklageerhebung kommen sollte, dürften angesichts der mannigfaltigen Nachweisschwierigkeiten Einstellungen und Absprachen die repressive Bedeutung des § 54a KWG auf ein vernachlässigbares Minimum reduzieren. Mit einer Verurteilung aufgrund eines Verstoßes gegen § 54a KWG ist nicht zu rechnen. Trotzdem ist § 54a KWG, anders als vielfach behauptet, kein Fall rein symbolischen Strafrechts. Denn in präventiver Hinsicht ist die Norm durchaus in der Lage Wirkung zu entfalten. Das Interesse der Geschäftsleiter, behördliche Anordnungen bezüglich der Gestaltung des Risikomanagements zu befolgen, wird durch § 54a KWG angesichts im Falle einer Missachtung drohender Ermittlungs- und vielleicht sogar Strafverfahren jedenfalls zunehmen. Hierin liegt die Wirkung des § 54a KWG, die ihn dem Vorwurf des rein Symbolischen entzieht. Hierin liegt aber zugleich der Grund dafür, dass § 54a KWG sich einem anderen, noch gewichtigeren Vorwurf ausgesetzt sieht: Dem der Instrumentalisierung und der Zweckverfehlung des Strafrechts. Denn § 54a KWG erschöpft sich seiner Funktion nach letztlich darin, eine Drohkulisse aufzubauen, welche die Befolgung aufsichtsbehördlicher Anordnungen gewährleisten soll, ohne dass er jemals zu einer Verurteilung führen wird, sollte die Anordnung doch einmal nicht befolgt werden. Die rein präventive Bedeutung des § 54a KWG dürfte dem Gesetzgeber zumindest kurzfristig durchaus gelegen kommen. Denn erschöpft sich die Funktion des § 54a KWG im Aufbau einer Drohkulisse mit dem Ziel, die Befolgung aufsichtsbehördlicher Anordnungen zu fördern, werden die Konstruktionsmängel der Norm ebenso wie die berechtigten Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit nicht offen zu Tage treten. Staatsanwaltschaften und vor allem auch Strafgerichte werden die misslungene Strafvorschrift nicht anwenden müssen, die Mängel der Norm in der Praxis folglich im Verborgenen bleiben.

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Nicht nur sollte § 54a KWG in seiner konkreten Gestalt nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr sollte der Versuch, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit an die Missachtung von Risikomanagementvorgaben zu knüpfen, insgesamt – das heißt unabhängig davon, ob die Risikomanagementpflichten gesetzlich normiert oder per aufsichtsbehördlicher Anordnung im Einzelfall konkretisiert sind – aufgegeben werden. Diese Anknüpfung stellt einen Irrweg dar. Ihre Beibehaltung wäre allenfalls unter Schaffung eines abstrakten Gefährdungsdelikts denkbar. Damit aber würde die § 54a KWG zugrunde liegende gesetzgeberische Intention, den Unrechtsgehalt des Herbeiführens einer Unternehmenskrise im Finanzsektor und einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems zu erfassen, endgültig aufgegeben. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob ein schlichter Verstoß gegen Risikomanagementvorgaben überhaupt eine strafrechtliche Sanktionierung rechtfertigen würde. Statt den Irrweg einer Anknüpfung an die Verletzung von Risikomanagementpflichten fortzusetzen, empfiehlt es sich, das vorhandene strafrechtliche Normgefüge heranzuziehen und auf erforderliche Anpassungen hin zu sichten. Naheliegend ist dabei ein Rückgriff auf § 283 StGB. Insbesondere dessen Absatz 2 erlaubt es, das Herbeiführen einer Krise durch grob fahrlässige Misswirtschaft unter Außerachtlassung elementarer Grundsätze ordnungsgemäßen Wirtschaftens zu erfassen. Das Bankrottstrafrecht kann dem Gesetzgeber aber nur teilweise als Blaupause dienen, da es mit kleineren Anpassungen des Bankrottstrafrechts nicht sein Bewenden haben kann. Der Anpassungsbedarf betrifft nämlich nicht nur § 283 Abs. 6 StGB, sondern ganz allgemein den tatbestandlichen Erfolg einer Unternehmenskrise. Grund für den Anpassungsbedarf ist, dass die in strafrechtlicher Hinsicht bestehende faktische Privilegierung von Geschäftsleitern systemrelevanter Institute auch neun Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise fortbesteht. Sollte diese Privilegierung ihren Ursprung nicht mehr in Form staatlicher Finanzhilfen haben, so besteht sie doch in Form der Etablierung und Anwendung eines inzwischen für bestimmte Banken bestehenden Sonderinsolvenzrechts fort. Die mit Blick auf das Insolvenzrecht erfolgende Sonderbehandlung gewisser Banken muss eine ebensolche ihrer Geschäftsleiter im Strafrecht nach sich ziehen. Diese Sonderbehandlung muss ein neuer Straftatbestand leisten. Er sollte an die Geschäftstätigkeit anknüpfen und einen gegenüber § 283 Abs. 2 StGB vorverlagerten Taterfolg vorsehen. Er muss auf systemrelevante Institute beschränkt sein, da nur die Systemrelevanz die Schaffung eines Sondertatbestandes erfordert und rechtfertigt. Eine verwaltungsakzessorische Ausgestaltung des Tatbestandes unter Bezugnahme auf das Recht der Bankenregulierung sollte dabei trotz der grundsätzlich bestehenden Vorzüge verwaltungsakzessorischer Straftatbestände angesichts der Schnelllebigkeit und Europäisierung des Rechts der Bankenregulierung zumindest derzeit unterbleiben. Die Ersetzung des § 54a KWG durch einen diesen Überlegungen entsprechenden Straftatbestand ist erforderlich, solange das Strafrecht veränderte äußere Bedin-

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gungen in Form systemrelevanter Banken vorfindet. Auch wenn zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung des Phänomens der Systemrelevanz und der mit ihm verbundenen too big to fail-Problematik bereits ergriffen wurden, ist die Problematik bis heute ungelöst. Für den bestehenden Regelungsbedarf sollte die Existenz des § 54a KWG nicht blind machen. Im Gegenteil: Sein Misslingen und die an ihm geübte Kritik mögen dem Strafgesetzgeber für die Zukunft Warnung und Motivation zugleich sein. Damit hätte § 54a KWG doch noch einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Strafrechts geleistet.

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Sachverzeichnis Abberufung 333, 340 Absprache, verfahrensbeendende 335 Abwicklungsinstrumente 371 ff. Abwicklungsvoraussetzungen 274, 280 Adressatenkreis – § 54a KWG 165 ff. – Alternativnorm 386 f. – teleologische Reduktion 174 ff., 286, 380, 386 Allzuständigkeit 249 ff., 257 f. Anordnung, aufsichtsbehördliche – Adressat 218 – als alleinige Anknüpfung 365 f. – Anordnungsbefugnis der BaFin 240 ff. – Anordnungsbefugnis der EZB 238 ff. – Anordnungsbefugnis unter Geltung des SSM 231 ff. – Befolgung 334, 338 ff. – Bestimmtheit der Anordnung 217 f., 302 – Druckmittel 352 ff., s.a. Druckmittel – Element des Tatbestands 202 ff. – Förderung der Bestimmtheit 204 ff. – Gesetzesvorbehalt 208 ff., 213 f. – Kausalität der Zuwiderhandlung 201, 287 ff. – Nichtigkeit 219 – objektive Bedingung der Strafbarkeit 201 f. – Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 217 ff. – Rechtsschutz 239 f. – Rechtswidrigkeit 219 ff. – Rechtzeitigkeit 216 f., 289 – safe harbour 351 – Strafausschließungsgrund 200 f., 209 f. – Teilzuständigkeit der BaFin 244 f. – Vollziehbarkeit 219, 225 – Warnschuss 339, 351 – zweischneidiges Schwert 289 Ansteckungseffekte 138 f., 370 ff. Anzeigepflichtverletzung 149 f.

Arbeitsteilung 257 aufschiebende Wirkung 205, 219, 224 ff. bail-in 372 ff. bail-out 373, 375, s.a. staatliche Bankenrettung Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) 271 f., 274 f., 371 Bankenaufsicht – Dialog 189 ff., 289, 351 f. – Eingriffsverwaltung 352 – Europäisierung 228 ff., 347 ff. – Kompetenzverteilung 231 – Schutz durch § 54a KWG 315 f. – Ziele 119, 158, 160 Bankenkrisen, Regelmäßigkeit 336 Bankenregulierung – Änderungsfrequenz 345 ff. – Europäisierung 347 ff. Bankenrestrukturierung 139, 147 f., 271 ff., 370 ff. Bankenrettung, staatliche s. staatliche Bankenrettung Bankenunion 228, 230, 271 Bankrottstrafrecht – als Blaupause 384 f. – Bankrotthandlungen 131 ff. – Fahrlässigkeitsvarianten 142 f. – Finanzkrise 126 ff., 131 ff., 144 ff., 368 ff. – Generalklausel 137, 384 f. – Kollektivrechtsgüterschutz 127 f. – Krisenmerkmale 138 ff., 375 – Modifizierung 368 ff. – objektive Bedingung der Strafbarkeit 144 – ordnungsgemäßes Wirtschaften 135 ff. – Spekulationsgeschäft 132 ff. – Stabilität des Finanzsystems 128 ff. – Überschuldung 139 ff. – Verlustgeschäft 132 – Zahlungsunfähigkeit 138 f. BayernLB 78

Sachverzeichnis besonders schwerer Fall 317 f., 327 f. Bestandsgefährdung – als notwendiger Taterfolg 375 ff. – außerordentliche finanzielle Unterstützung 277 f. – Begriff 263 ff., 380 ff. – Bestimmtheit 265 ff. – Beurteilungskompetenz 268, 278, 280, 383 – Entwicklung des Begriffs 273 f. – fahrlässige Herbeiführung 305 ff. – im Sinne des SAG 272 f. – inhaltliche Divergenzen KWG / SAG 276 ff. – konkrete Gefahr 281 f. – Regelungen der SRM-VO 279 f. – Rückgriff auf das SAG 274 ff. – strafrechtsautonome Begriffsbestimmung 275 ff., 280, 380 ff. – Vermutungsregeln 267 ff., 274 – Vertiefung 299 – Vorhersehbarkeit 305 f. – Vorsatz 302 ff. Bestimmtheitsgrundsatz – Anforderungen 186 ff., 206 f. – Dilemma des Gesetzgebers 193 f., 213 – Förderung durch § 54a Abs. 3 KWG 204 ff. – frühe Kritik an § 54a KWG 186 – institutsbezogene Auslegung 190 ff. – MaRisk 183 – Prinzipienorientierung 188 ff. – Sorgetragung 198 f. – Teilbestimmtheit 206 ff. – Unterbestimmtheit durch Überbestimmtheit 194 Betrugstatbestand 81 f. Bilanzstrafrecht 150 f. Blankettgesetzgebung 184, 187, 209 Capital Requirements Directive (CRD) 234, 236 Compliance 70 f., 312 Dauerdelikt 325 f. Delegationsverbot 248 ff. Deregulierung 65 Dilemma 193 f., 213

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Drohkulisse 352 ff., 355 f. Druckmittel 315, 352 ff. Einheit der Rechtsordnung 91, 220, 281, 344, 347 f., 381 f. Einstellung s. Verfahrenseinstellung Entdeckungswahrscheinlichkeit 339 Entmachtung 211, 214, 348 f. Erfolgsdelikt 283 ff., 286 f., 305 Ermittlungsverfahren, Wirkungen 67, 339 f. Europarechtsakzessorietät 349 faktische Privilegierung 144 ff., 265, 330, 374 f., 378 Fehlerlehre, verwaltungsrechtliche 220 Fehlkonstruktion, funktionierende 355 f. Finanzausschuss 157, 179, 199, 234 Finanzkrise – Anreize zur Kreditaufnahme 35 ff. – Auslagerung von Kreditrisiken 47 f. – Bankenaufsicht, Mängel 49 ff. – Bankensterben 54 f. – Bankrottstrafrecht 126 ff., 131 ff., 144 ff., 368 ff. – Community Reinvestment Act 36 – Ermittlungseifer 79 f. – Fristentransformation 45 ff., 53 f., 116, 132, 134 – Immobilienpreise 35, 53 – Intransparenz 42 ff., 102, 134 – Kaskaden-Prinzip 40 – Kosten 55 ff. – Kredit-/Liquiditätslinien 46 f., 53 f., 88, 91, 104, 132 f. – Kreditvergabepraxis 34 ff. – Landesbanken 45 ff., 86 – Lehman Brothers 55, 144, 161 – massenhafte Kreditvergabe 34 ff. – non-recourse loans 35 – polymorphes Gebilde 52 – Pooling 40, 89 – Ratings 40 ff., 43 ff., 53, 114 f. – Regelmäßigkeit 336 – Risikomanagement 50 f. – Rückschaufehler 92, 113 f. – Spekulationsgeschäft 133 ff., 136 – Strafverfahren 73 ff. – Strukturierung 40 f.

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Sachverzeichnis

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Systemfehler, anonymer 58 f., 60 ff. Tranching 40 f., 89 Untreue, Bedeutung 82 ff. untreuerelevanter Gefährdungsschaden 103 ff. – untreuerelevanter Vermögensnachteil 101 ff. – Untreuevorsatz 112 ff., 117 f. – Verantwortlichkeit, individuelle 57 f., 60 ff. – Verbriefung 38 ff., 47 f., 88 – Vertrauensverlust 53 ff. – Zinsniveau 34 f., 52 – Zweckgesellschaft 38 f., 45 ff., 53 f., 88, 132 ff. Fiskus 313 Fortführungsprognose 139 ff. Gefährdungsdelikt – abstraktes 282 f., 293 f., 367 – fahrlässiges 310 – konkret-abstraktes 283 f. – konkretes 284 ff., 293, 304 f. Gefährdungsschaden 102 ff. Generalklausel 137, 188, 384 f. Gesamthaftung 253, 256 Gesamtverantwortung 248 ff., 321 Gesamtwirtschaft 56 f., 124, 127 f., 163 f., 313, 320, 379 Geschäftsleiter 165 f. Geschäftstätigkeit 324, 364, 368 Gesetzesvorbehalt 186 ff., 208 ff., 213 f., 366 Gewaltenteilung 209 ff., 213 f. Gläubigerschutz 127, 159 f., 314 Handlungsmöglichkeit 257 HSH Nordbank 73 f., 99 Hypo Real Estate 55, 76 f. IKB 54, 77 f., 88 implizite Staatsgarantie 140, 148, 369 ff. Informationsgewinnung, behördliche 216 f. informelles Verwaltungshandeln 307, 333 Insolvenz, Verhinderung regulärer 141 f., 371 ff., 375 ff. Insolvenzrecht, Begrifflichkeiten 138 ff. Instrumentalisierung 354 f. Irrtümer 110, 301 f.

janusköpfig 215, 241, 244, 350 f. Joint Supervisory Teams 232 Kausalität – doppelte 287 ff., 295 ff. – Geschäftstätigkeit 291 f. – im Finanzsektor 290 f. – Mitursächlichkeit 289 – Nachweisschwierigkeiten 107 f., 289 ff., 386 – Risikomanagement 291 f., 294, 364 – Risikoverringerung/Risikoerhöhung 292 ff. – Rückschaufehler 290 – Unterlassen 288 – Verhältnis der Kausalbeziehungen 295 ff. – zeitliche Abfolge 295 ff. Kollektivschuld 256 Kompetenzverlust 349 Komplexität 41 ff., 101 ff., 109 f., 152 ff., 335, 346 f. Konkurrenzverhältnis – Bankrottstrafrecht 329 f. – Untreue 323 ff. – Verdrängungswirkung gegenüber § 266 StGB 327 f. LBBW 54, 75 f., 99, 105, 117, 340 Lederspray-Entscheidung 253, 257 Lehman Brothers 55, 65, 144, 161 Leichtfertigkeit 142 f., 306 f., 387 MaRisk 94, 181, 182 f., 193, 254, 329 Marktmanipulation 77, 82 Marktwirtschaft – Grundprinzipien 168, 370 – staatliche Einflussnahme 64 ff. mediales Interesse 67, 339 f. moral hazard 168 Nachweisschwierigkeiten 106 ff., 289 ff., 335, 386, s.a. Kausalität, Vorsatz Neoliberalismus 65 Nötigungslage 353 ff. objektive Bedingung der Strafbarkeit, § 54a Abs. 3 KWG 201 f. Omega 55 73 f., 99

Sachverzeichnis ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte 160, 314 ordnungsgemäßes Wirtschaften 135 ff., 143, 384 f. Ordnungswidrigkeit 263, 287, 308, 323, 333, 352, 367 Originärzuständigkeit 248 ff., 250, 257 Pflichtenquelle 296 Prävention 67 ff., 336 ff. Praxisbeispiele 331 Praxisrelevanz 331 ff., 355 f. Präzisierungsgebot 188, 192, 266 Prinzipienorientierung 94, 188 ff., 214, 351, 364, 385 Reaktionsgesetzgebung 69 Realkonkurrenz 325 f. Rechtsgüterschutz 118 f., 126 ff., 149 f., 157 ff., 311 ff. Rechtsunsicherheit 222, 349 Relativität der Rechtsbegriffe 281 Repression 66 ff., 331 ff., 342, 355 f. Ressortverteilung 249 ff., 296, 301, 321 Restrukturierungsgesetz 266, 273 Richtlinienumsetzung 233 ff., 245, 274, 275 Risikoerhöhungslehre 292 f. Risikomanagement – als Entwicklungsprozess 189, 191 – Anknüpfung als grundlegender Konzeptionsfehler 291 f., 364 f. – Anknüpfung als Sackgasse 368 – Kausalität / mittelbare Bedeutung 95, 107 f., 287 ff., 364 ff. – Mindeststandard 182, 184 f., 234 f. – Pflichten 182 f. – Sinnhaftigkeit der Anknüpfung 363 ff. – Umgehung 363 f. – Unterlassen 195 f. – Untreue 93 ff., 107 f., 119 ff., 324 – Ursprung der Pflichten 236 – Vermögensbezug 121 f. Risikoverringerung 293 ff. Rückschaufehler 92 f., 106, 113 f., 135, 290, 294 SachsenLB 54 Sachverständige 103, 267, 292, 383

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Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) 141, 169 f., 271 ff., 372 Schutz anvertrauten Vermögens 158 ff., 176, 313 f. Sicherstellung 196 f., 252, 254 ff. Single Resolution Mechanism (SRM) 271, s.a. SRM-Verordnung Single Supervisory Mechanism (SSM) – bedeutende Institute 229 f. – Bedeutung für § 54a KWG 231 f. – Kompetenzgefüge 232 f. – Struktur 229 – Verbundverwaltung 229 – Ziele 229 Sonderdelikt 165, 191 Sonderinsolvenzrecht 141, 372 ff., 386 Sonderwissen 188, 191, 267, 347 Sorgetragung – als Verhaltensumschreibung 195 – bemühen 197 – Bestimmtheitsgrundsatz 198 f. – Irrtümer 302 – keine Erfolgsabwendungspflicht 196 ff. – Ressortverteilung 255 f. – Sicherstellung 197 – Umformulierung 196 f. – Unterlassen 195 f. Spekulationsgeschäft 132 ff., 136, 143 SRM-Verordnung 141, 279 f., 370, 372 staatliche Bankenrettung 54 ff., 79, 138, 144 ff., 168, 264, 272, 318, 330, 369 ff. Stabilität des Finanzsystems s.a. Systemrelevanz, Systemgefährdung – Bankrottstrafrecht 128 ff. – Bedeutung 161, 379 – Begriff 161 f. – Rechtsgüterschutz 161 ff., 175, 312 f., 390 – reguläre Insolvenz 371 f. – Strafzumessung 320 f. – Untreue 124 Steuerungsinstrument, Strafrecht als 68 Strafausschließungsgrund, § 54a Abs. 3 KWG 200 f. Strafrahmen 317 ff., 388 f. strafrechtsautonome Begriffsbestimmung 274 ff., 381 ff. strafrechtsdogmatisches Novum 310 Strafverfahren als Strafe 341

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Strafzumessung – außertatbestandliche Folge 128 f. – Auswirkungen der Bestandsgefahr 320 – Schutzzweck der Norm 129 f. – Systemgefährdung 128, 178, 320 Stresstest 183, 196, 391 symbolisches Strafrecht 30, 341 ff. Systemgefährdung s.a. Systemrelevanz, Stabilität des Finanzsystems – kein Tatbestandsmerkmal 312 – Kriterien 273 f. Systemrelevanz s.a. Systemgefährdung, Stabilität des Finanzsystems – Abstufungen 170 ff. – als Rechtfertigung 378 ff., 390 ff. – als Tatbestandsgrenze 173 – bedeutende Institute 171 – Begriff 167 ff., 380, 382 f. – Beseitigung 391 ff. – Bestimmtheitsgrundsatz 382 f. – Beurteilungskompetenz 172 f. – Bezugspunkt 171 f., 382 – in der Gesetzesbegründung 176 ff. – künftige Entwicklung 392 f. – Prognoseentscheidung 172 – qualitative Kriterien 172 – strafrechtsautonome Begriffsbestimmung 380 ff. – Strafzumessung 128 f., 320 f. – teleologische Reduktion 166 ff., 380 Tatbestandselement, § 54a Abs. 3 KWG als 202 ff. Tateinheit 324 ff., 329 Tatmehrheit 326, 330 Teilnahme 200 f., 321 ff. teleologische Reduktion s. Adressatenkreis, Systemrelevanz Tertiärnorm 312 too big to fail 168, 391 Trennbankengesetz 51, 156 f., 176 f., 233 f. Überschuldung 139 ff., 149, 266, 276 Überwachungspflicht 250 f., 260 f., 321 Umweltstrafrecht 210 ff., 315, 344 f., 348 f. Unrichtige Darstellung 74, 76, 150 f. Unterlassungsdelikt 196, 262, 325

Untreue – Akzessorietät 84 ff. – Allzweckwaffe 83 – bankaufsichtsrechtliche Vorgaben 88 ff. – bestandsgefährdende Risiken 89 ff., 100, 116 – einschränkende Auslegung 96 ff. – evidente Pflichtverletzung 96 ff. – Gefährdungsschaden 102 ff., 111 f. – gravierende Pflichtverletzung 74, 96 ff. – Klumpenrisiken 88 f. – Risikomanagement 93 ff., 107 f.,119 ff., 324 ff. – Rückschaufehler 92 f., 113 f. – Schutzzweckzusammenhang 120 ff. – Strafrahmen 317 – übermäßige Risiken 87 ff. – Unmittelbarkeitserfordernis 107 f. – Unrechtsgehalt 123 f. – Unternehmensgegenstand 86 – Vermögensnachteil 101 ff., 286 – Vermögensschutz 118 ff., 159 f. – Verschleifungsverbot 106 f. – Vorsatz 109 ff., 304 f. Unwertgehalt, besonderer 57, 123 f., 178, 312, 317 f., 343, 356, 367, 379 Unzuverlässigkeit 277 Verbandsstrafe 63 Verfahrenseinstellung 75, 78, 334 f., 340 Verhaltensanforderungen, einzelne 260 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 289, 334 Verletzungsdelikte 304 Verlustgeschäft 132 Vermutungsbasis 270 Verschleierungsversuche 216 f., 328 f. Verschleifungsverbot 106 f. Vertrauensgrundsatz 257 ff. Verwaltungsaktsakzessorietät – des § 54a Abs. 3 KWG 208 ff. – Gesetzlichkeitsprinzip 210 ff. – limitierte 223 ff., 316 – rechtswidrige Verwaltungsakte 219 ff. – Verfassungsrecht 210 ff. Verwaltungsakzessorietät – Flexibilität 275, 344 f. – Grenzen der Sinnhaftigkeit 343 ff. – Konterkarierung 278

Sachverzeichnis Verwaltungsrechtsakzessorietät 184, 208 Verwaltungssanktion 242 f. Verwaltungsungehorsam, bloßer 315 Verweisungsdschungel 276, 346 Verwirkung des Strafanspruchs 59 Vorsatz – Bestandsgefährdung 302 ff. – dolus eventualis 303 f. – doppelter 301 – Nachweisschwierigkeiten 304, 309 – Ressortverteilung 301 – Untreue 109 ff. – Verletzung Risikomanagementpflichten 301 f. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Variante 142, 148, 305 ff., 309, 319, 326, 387, 389

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Vorverlagerung Taterfolg 375 ff. Vorverurteilung 67, 340 Warnschuss 339, 351 Wirtschaftsstraftat, politische 146 Zahlungsunfähigkeit 138 f., 149, 266, 276 Zeitfenster 296 ff. Zuständigkeitsverteilung, interne 248 ff., 295 f. Zuwiderhandlung 200 ff., 262, 296, 302, 322 Zweckverfehlung 353 ff. Zweispurigkeit des Tatverhaltens 207 f., 210, 223, 227 f., 304, 365