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German Pages 154 [156] Year 1968
Allgemeine Musiklehre von
Prof. Dr. Hans Joachim Moser
Dritte Auflage
Sammlung Göschen Band 220/220 a
© Copyright 1968 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. (iöschen'sche Verlagehandlung — J. Guttentag Verlagsbuchhandlung — (ieorg Keimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Hechte, einschl. der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Archiv.-Nr.: 7250688. — Druck: Lindemann &Lüdecke, Berlin. — Printed in Germany.
Inhalt Einleitung. Drei Grundbegriffe 1. Was ist Musik ? 2. Was ist Musiklehre ? 3. Was ist Allgemeine Musiklehre ?
Seite 6 6 7
Erstes Kapitel: Die heutige Notenschrift 1. Tonhöhen-Darstellung 3. Tonlängen-Darstellung 3. Tonstärken- und Vortrags-Darstellung
8 20 31
Zweites Kapitel: Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen 1. Reine Stimmung 2. Pythagoreische Stimmung 3. Gleichschwebende Temperatur 4. Verhältnis der drei Stimmungssysteme zueinander
37 42 44 47
Drittes Kapitel: Intervalle und Akkorde
49
Viertes Kapitel: Tongeschlechter, Tonarten, Tonleitern 1. Dur und Moll 2. Die Kirchentonarten 3. Pentatonik
64 76 81
Fünftes Kapitel: Akkordfunktionen
85
Sechstes 1. 3. 3.
Kapitel: Tonalität und Modulation Funktionsumdeutung Sequenzbildung Chromatische Rückung
Siebentes Kapitel: Metrik und Rhythmik
93 95 99 100 102
Seite
Achtes Kapitel: Stärkegrade und Zeitmaße
113
Neuntes Kapitel: Melodiebildung und Verzierung 1. Melodik 2. Ornamentik
119 119 126
Zehntes Kapitel: Homophonie und Polyphonie
,..
132
Elftes Kapitel: Musikalische Formen .
142
Zwölftes Kapitel: Besetzung und Instrumentierung . . .
146
Ausleitung: Musikästhetische Grundfragen
149
Sachverzeichnis
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Einleitung. Drei Grundbegriffe 1. Was ist Musik? „Musik", vom altgriechischen μσυσιχ'η [τέχνη] ,sprich musikê [téchnê] = Kunst der Musen, zu deutsch „Tonkunst", ist diejenige der ,redenden', oder zeitlichen' Künste (im Gegensatz zu ,bildenden' oder Räumlichen' Künsten), die ihren Baustoff aus dem Reich des Hörbaren, nicht des Sichtbaren nimmt — sichtbar wird dies Hörbare höchstens mittelbar in Gestalt der Notenschrift, graphischer Darstellungen des Klangverlaufs, oder in den Rillen der Schallplatte mittels mechanischer Wiedergabe. Das Material der Musik besteht nur ausnahmsweise aus natürlichen Geräuschen, ganz überwiegend jedoch aus einem kunsthaft gereinigten Vorrat von „Tönen", d. h. Klängen von bestimmter Tonhöhe, Tondauer, Tonstärke und Tonfarbe. Dieses „Tonreich" untersteht in unserer Vorstellung t ,Gesetzen", die aus den unterbewußten Gestaltungsnotwendigkeiten des Volks und seiner führenden Künstler abzulesen sind und als — geschichtlich großenteils wandelbare — „Regeln" von der Handwerksüberlieferung an die Lernenden weitergegeben werden. Die Musik tritt entweder selbständig als Instrumentalmusik auf (wenn, selten einmal, textlose Gesangsmusik begegnet, so verwendet sie den Kehlkopf eben auch nur als Blasinstrument), oder als Vokalmusik in Bindung an das Wort. Eine noch allgemeinere Verknüpfung zwischen Müsik und Dichtung geschieht u. U. dadurch, daß ein Tonkunstwerk „tonmalerisch" oder „programmusikalisch" Dichterisches darzustellen unternimmt. Mit den bildenden Künsten, zumal der Architektur, berührt sie sich in Formumrissen und zeitstilistisch gemeinsamem Zierwerk. Zur Tanz- und Gebärdenkunst ergeben sich Beziehungen durch rhythmische Übereinstimmungen und kraft der Gabe der Musik, durch Bewegungsabbilder Körpermotorik und Seelenausdruck darzustellen. Daß trotzdem die meisten Bezugnahmen zwischen der Musik u n d
Einleitung. Drei Grundbegriffe
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den andern Künsten schon durch die überwiegende üngleichartigkeit der Dimensionen bloß anspielungsmäßige bleiben, wird noch zu erläutern sein. Die Stellung der Musik zwischen den Künsten läßt sich folgendermaßen verdeutlichen (Moser, Musiklexikon, unter „Musik"):
,
Künste
b i l d e n d e (räumlich, statisch) Malerei Baukunst u. Graphik (Architektur)
Bildhauerei (Plastik)
*
>
r e d e n d e (zeitlich, dynamisch)
Tanzkunst (Mimik)
Tonkunst Dichtung (Musik) und Sprechkunst
Die nach ZeitepQchen und Persönlichkeiten stark verschiedenen Bezugsmöglichkeiten zwischen der Musik als eigengesetzlicher Klangwelt und „menschlichen Inhalten" mehr gedanklicher oder mehr gefühlshafter Art, ihre vorgestellten Verknüpfungen mit Kosmisch-Physikalischem oder IchtümlichSeelischem bilden das Hauptanliegen der. Musikästhetik. Was von solchen Anschauungen und Erlebnisweisen im Ablauf der Zeiten sich zu tönenden Kunstwerken verwirklicht hat, bildet das Kernmaterial der Musikgeschichte. 2. Was ist Musiklehre? Unter „Musiklehre" verstehen wir sowohl die wissenschaftliche Erkenntnis (Erforschung und Formulierung) aller Tatbestände, die sich zu „Gesetzen" der Tonkunst zusammenschauen lassen, als auch die praktische Anweisung in Gestalt von handwerklichen „Regeln" zwecks Erlernung des musikalischen Satzes und des Nachschaffens, während selbstverständlich der eigentliche Schaffensvorgang uniehrbar bleibt. Die meisten dieser Gesetze und Regeln gelten nicht absolut, sondern sind an die Menschen in ihrer rassisch-kulturellen Gebundenheit geknüpft. Der „Hörstil" bei den Musikkulturen des Abendlandes und der Exoten (gelbe, schwarze, rote Rasse und deren Untergliederungen nach Einzelvölkern) wechselt oft in sehr einschneidender Weise, die Redensart von der Musik als der „internationalsten aller Künste" erweist sich immer mehr als
Was ist Allgemeine Musiklehre ?
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oberflächlich und irreführend. Die Musiklehre ist (trotz gegenteiliger Behauptungen ζ. B. bei den alten Griechen) fast nie der Praxis vorausgegangen, sondern ihr fast stets zeitlich nachgefolgt: man hat meist für das durch künstlerisches Ahnungsvermögen Gefundene hinterher eine theoretische Erklärung gesucht und gefunden und hat sie nachträglich gern einem halb mythischen Tonheros zugewiesen, um sie durch Berufung auf seine Autorität zu stützen oder den Nachgeborenen einen anonymen geschichtlichen Entwicklungsvorgang durch die Gestalt eines Erfinders greifbarer zu verdeutlichen. Es werde im folgenden versucht, ebenso die theoretischwissenschaftliche wie die praktisch-methodische Seite der Musiklehre zu ihrem Recht kommen zu lassen. 3. Was ist Allgemeine Musiklehre? Der Inhalt dieses Bändchens beschränkt sich auf die allgemeinsten Grundlagen der abendländischen Musik, soweit ihre Denkmäler heut noch praktische Bedeutung haben (also unter Ausschaltung nur noch geschichtlich kennenswerter Gruppen wie der griechisch-römischen Antike oder der frühmittelalterlichen Musik und unter Vernachlässigung der überseeischen Tonkulturen). Wir behandeln demgemäß einführend die heutige Notenschrift, das Tonreich der weißen Rasse und seine noch gültigen Tonsysteme und Stimmungen, die Intervalle und Akkorde, Tongeschlechter, Tonarten, Tonleitern, Akkordfunktionen, die Begriffspaare Tonalität und Modulation, Metrik und Rhythmik, Dynamik und Tempo, weiter die Grundzüge der Melodiebildungslehre, Homophonie und Polyphonie, der Form- und Besetzungsgattungen. Dagegen muß es anderen Bändchen dieser Reihe vorbehalten bleiben, die eigentlichen Kerngebiete von musikalischer Akustik, Harmonielehre, Kontrapunkt, Formen- und Instrumentationslehre, Musikästhetik und Musikgeschichte auszuschöpfen (vgl. Verzeichnis der Sammlung Göschen). Wohl aber soll uns der Blick auf die geschichtliche Entstehung der wichtigsten Grunderscheinungen heutigen Musizierens in vielen Fällen helfen, gegenwärtiges Sein als ein sinnvoll Gewordenes verständlicher und plastischer auftreten zu lassen.
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Die heutige Notenschrift
Erstes Kapitel: Die heutige Notenschrift 1. Tonhöhen-Darstellung Die Melodie als das Urelement der Musik verläuft vor allem in zwei Dimensionen: im Lauf der Zeit Und zwischen Höhen und Tiefen, also in einem wenigstens vorgestellten Raumfelde — eine dritte Dimension wäre durch die Unterschiede von laut und leise, also die musikalische Dynamik, gegeben, während die vierte Eigenschaft, die Klangfarbe, sich später als Mischungsverhältnis des Klanges mit seinen Obertönen und so als Teilerscheinung der mehrstimmigen Kombinationen herausstellen wird. Auch in der Tonschwingungsweise spiegelt sich das: man bemerkt die Dimension der Zeit in der Dauer des Schwingens oder im Zeitmaß der gegenseitigen Ablösung verschiedener Schwingungen; hoch und tief unterscheiden sich in der Geschwindigkeit und Länge der Schwingungen, laut und leise im verschieden weiten Ausschlag der Schwingungen; und wenn die Klangfarbe sich in der Gestalt der einzelnen Schwingung ausprägt, so eben als Ergebnis der Verbindung mehrerer verschieden starker Teilschwingungen. Die schriftliche Festhaltung einer Melodie oder auch eines Zusammenklangs mehrerer Töne oder Stimmen läßt sich auf verschiedenen Wegen bewerkstelligen, die auch alle einmal beschritten worden sind: man kann die Töne wie Buchstaben benennen und diese Namen aufschreiben — das hat zu Buchstabennotationen geführt, so in der altgriechischen und mittelalterlichen Vokalnotenschrift. Man kann zweitens die Tonhöhen als Griffe auf einem Instrument bezeichnen und dann diese Griffe mit Buchstaben oder Zahlen bezeichnen — daraus sind die sogenannten Tabulaturschriften des 14. bis 18. Jahrhunderts entstanden. Man kann schließlich in der Ebene des Papiers eine zweidimensionale graphische Darstellung der wechselnden Tonhöhen im Zeitablauf bieten, ähnlich der Fieberkurve oder den Wärme- und Luftdruckkurven des Wetterdienstes, und hat so in der Tat unsere Notenschrift entwickelt. Auf der Abszissenachse eines Koordinatensystems von links nach rechts hat man das „früher" und „später" ausgedrückt, und die Abstände einer Linie von ihr nach oben oder
Tonhöhen-Darstellung
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unten (Ordinatenachse) bedeuten das „höher" und „tiefer" des Klanges. So könnte man den Klang der Heulsirene einer Fabrik, der eine Oktave innerhalb zehn Sekunden auf- und abwärts durchmessen möge, folgendermaßen darstellen: Zeiträume in Sekunden
"S
f
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Ν Vs
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Im wesentlichen liegt dieses Prinzip auch unserer Tonschrift zugrunde. Jedoch hat man sich (etwa seit dem neunten Jahrhundert nach Zeitwende) gewöhnt, die parallelen Waagerechten für Terzenabstände zu nehmen, so daß eine solche Linie für den ersten Ton, der Zwischenraum für den nächsthöheren Ton, die zweite Linie für den dritten Ton, der nächste Zwischenraum für den vierten Ton gilt usf. Dies Verfahren ist jedoch insofern ungenau, als zwar die Linienabstände unter sich genau gleich sind, die Tonabstände jedoch ungleich: wie wir sehen werden, gibt es nicht nur „ganze" und „halbe" Töne (richtiger „Tonschritte"), sondern es gibt sogar innerhalb ' der großen oder der kleinen Sekunden streng genommen, d. h. jenseits der Klaviertasten, noch mancherlei Größenunterschiede. Unter den beliebig möglichen Anzahlen von Tonhöhenlinien hat sich die Gruppierung von je fünf als „Liniensystem" (Akkolade) allmählich die Alleinherrschaft gesichert. Man zählt die Linien von 1 bis 5 und die Zwischenräume 1 bis 4 von unten nach oben. Will man innerhalb eines solchen Systems also ohne weitere Bedeutungsfestlegung eine Tonfolge etwa durch Punkte andeuten, so herrscht noch doppelte Unklarheit: man weiß erstens noch nicht, wo die Halb- und wo die Ganztöne liegen, und man weiß zweitens nicht, wie hoch der Ausgangston nun eigentlich genommen werden soll; im ersteren Fall ist also die
Die heutige Notenschrift
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„relative Tonhöhe" noch nicht genau bestimmt, im letzteren ist über die „absolute Tonhöhe" noch nichts ausgesagt. Man kann nun festlegen: ein erster Ton heiße ut (bzw. do), ein großer Nachbartonschritt (Ganzton) aufwärts heiße re, noch einer mi, dann folge ein kleiner Tonschritt (Halbton) namens fa. Diese vier Stufenabstände zusammen bilden ein Tetrachord (altgriech.), zu deutsch einen „Durvierling", dem ich im Abstand eines Ganztons noch einen zweiten ebensolchen namens so(l), la, si (ti), do folgen lasse; also den Ganztonschritten sind zwei Halbtonschritte si-fa und si(ti)-ut(do) einverschränkt*). Wenn nun in unserem Fünfliniensystem am Anfang festgelegt wird: diese Linie oder dieser Zwischenraum (lat. spatium) sei Heimat eines ut (do), so folgt daraus dann eindeutig, welche Linien um je zwei Ganztöne ( = „große Terz") oder je einen ganzen und einen halben Ton ( = „kleine Terz") auseinanderliegen sollen. Z. B. : .. gr. Terz
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*) Diese Sechstonkette (Hexachord) u t re m i fa sol la, deren Aufbauprinzip m a n „Solmisation" nennt, s e h t In ihrem weiteren Lehrgebäude auf Guido von Arezzo (um 1020) zurück. Die Silbennamen entstammen einem H y m n u s , bei dem jede Zeile einen Ton höher begann. D a s tiefste Hexachord des mittelalterlichen Tonvorrats war G A H c d e (aus dem die weiteren durch „Mutation" von· c, f, g, c* f* g' aus entwickelt wurden); ich übersetze deshalb m i t entsprechenden Aiifangsbuchetaben: Ut queant laxis re sonare f ibris Gib, daß mit lockerm Ansatz können singen m i r a gestorum famuli tuorum, hehr, was d u tatest, Chöre deiner Schüler, solve polluti labli reatum, daß dich o h n ' Fehle ehren unsre Lippen, Sánete J o h nnes! heil'ger J o h a n n e s ! Die Silbe sl f ü r die siebente Silbe, die anstelle der Hexachordmutation die einfache O k t a w e r s e t z u n g ermöglichte, begegnet seit dem 16. J a h r h u n d e r t , die Silbe do s t a t t u t erfand der holsteinische K a n t o r Otto Glbellus 1059. I n der englischen Tonika*do·Solmisation heißen die Silben jeder Durtonleiter do re mi fa so la ti do.
Tonhöhen-Darstellung
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Jetzt sind die gegenseitigen Tonhöhenabstände (die „relativen Tonhöhen") hinreichend genau bezeichnet. Das ut (do) kann auf jeder beliebigen absoluten Tonhöhe angenommen werden, es bedeutet zunächst nichts als den „Grundton einer Durtonleiter". In der musikalischen Praxis hat sich nun seit Jahrhunderten herausgebildet, als „den" Einstimmton (Kammerton) den Ton a von 435 Doppel- oder 870 einfachen Schwingungen in der Sekunde*) anzunehmen und als normalstes ihn der Stufe la der ut re mi fa-Leiter zuzuordnen, woraus sich in der (noch zu erläuternden) Tonabfolge a b (h) c d e f g das ut (do) = c ergibt. Also, mit andern Worten: auf den Kammerton a bezogen, ist C-dur die normalste Tonart; nach ihr ist auch die Tastatur von Klavier und Orgel eingerichtet: C-dur spielt man mit lauter weißen Tasten. Dann wird u t = c , r e = d , m i = e , f a = f , so(l)=g, l a = a , si(ti)=h. Theoretisch ist die Streifenbreite der Tonhöhen beiderseits unbeschränkt; man kann sich die Schwingungen des Schalles immer häufiger oder seltener erfolgend vorstellen, sie würden im ersten Fall höhere, im zweiten tiefere Töne ergeben. In Wirklichkeit würden allerdings Schwingungen von mehr als 4000 Ausschlägen pro Sekunde als bloßes „Pfeifen und Quietschen" oberhalb der Unterscheidbarkeitsgrenze des menschlichen Ohres zu liegen kommen, und bei noch weiterer Beschleunigung würden diese Frequenzen allmählich in das Gebiet der Wärme-, der elektrischen Schwingungen und schließlich des Lichts übergehen. Auch die Verlangsamung der Schwingungen unter etwa , 30 Ausschläge pro Sekunde würde an die Grenze der Unterscheidbarkeit führen, denn nun wird die Schwingung nicht mehr als tiefste Tonhöhe, sondern nur noch als einzelnes Klopfen wahrgenommen. Zwischen beiden Grenzfällen liegt aber immerhin ein Feld von etwa zehn Oktaven, von denen sieben und eine halbe als praktisch gebräuchlich den Umfang der modernen Klavier-Tastatur ausmachen. Um für sie ein Feld graphischer Darstellung zu schaffen, müßte man rund *) So in Paris 1858 und Wien 1885 festgesetzt. Nachdem die Stimmung inzwischen fast einen halben Ton hinaufgetrieben worden war. ist der Kammerton nach einer internationalen Vereinbarung von 1939 künftig auf 440 bzw. 880 Schwingungen festgelegt worden, die der Bundfunk täglich und der Fernsprecher auf bestimmter Nr. angeben.
Die heutige Notenschrift
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25 Terzabstandslinien übereinander bauen. Man beschränkt sich statt dessen auf ein Mittelfeld, dessen Zentrallinie Trägerin des ut = c unterhalb des Kammertons ist. Seit Guido von Arezzo (1020) wird hier ein absoluter c-Schliissel gesetzt, eine Doppelterz (Quinte) tiefer ein f-Schliissel (Baß-Schlüssel), eine Quinte über c ein g-Schlüssel (Violinschlüssel), die allmählich über manche Zwischenform folgende Gestalt angenommen haben:
Ein derart linienreiches Feld ist unübersichtlich. Seit den Zeiten Guidos von Arezzo half man sich zunächst damit, daß man die c-, f- und g-Linie durch besondere Farbe (rot, gelb, grün) hervorhob — wie heute die Harfensaiten; dann aber kam man darauf, ein bis zwei fünflinige Systeme herauszuheben, und zwar wesentlich in zwei Formen: man beschränkte sich darauf, nur die nächste Linienumgebung eines einzelnen Schlüssels beizubehalten, wobei es keineswegs nötig war, daß der betr. Schlüssel immer etwa auf der mittelsten der fünf Linien zu stehen kam, sondern bald höher, bald tiefer im Ausschnitt auftreten konnte, also etwa: (franz. Violinschi.) (veraltet)
Λ
(Violinschi.)
im
(selten : Diskantschi.) (veraltet)
Sopranschi.
Mezzosopr.
Altschlüssel
m
®Ξ
i r
Tenorschlüssel
Tonhöhen-Darstellung Baritonschl. = Baritonschi.
IS
Baßschlüsael Kontrabaßschl.
Die eingetragene Note hat immer dieselbe Tonhöhe (sog. eingestrichenes c). Es ist also pädagogisch sehr ungeschickt (wenn auch leider weitverbreitet), hier von eil verschiedenen Schlüsseln zu reden, die alle verschieden gelesen werden müßten—alle elf sind nur verschiedene Linienausschnitte des g' 1 einen einzigen c' > -Feldes, und es bleiben höchstens drei übrig, nämlich der
der
der
-Schlüssel. Die
Tonhöhenbedeutung beziehe man nicht auf die Stellung der Note im immer wechselnden Linienausschnitt, sondern auf ihren Abstand von der immer gleichbleibenden Schlüssellinie. Unpraktisch ist es, zu sagen: beim Mezzosopranschlüssel steht das e' auf der 3., beim Ältschlüssel auf der 4., beim Tenorschlüssel auf der 5. Linie usf.; praktisch ist es, zu sagen: bei allen c-Schlüsseln steht das e' eine Terz (also eine Linie) über der geschlüsselten Linie; entsprechend bei allen g-Schlüsseln eine Linie unter der geschlüsselten Linie usw. Der andere Weg, den man besonders beim Klavier- und Orgelsatz seit dem 17. Jahrhundert beschritten hat, besteht darin, den C-Schlüssel auszulassen und nur den G-(Violin-) und
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Die heutige Notenschrift
F-(Baßschlüssel) auf je einem Fünfliniensystem beizubehalten, wobei die C-Linie als Hilfslinie beide Systeme trennt. Solche Hilfslinien über und unter den Systemen ermöglichen, soweit man sich nicht mit „Oktavmarken" (s. u.) hilft, die Darstellung sehr tiefer und sehr hoher Töne. Man nennt die Töne nach ihrer Zugehörigkeit zu den einzelnen Oktaven folgendermaßen von C bis h (auch Ces bis his): Kontra-Oktave
große Oktave
kleine Oktave 2 C—
1
o o z r z z ^ s o · ® c d e f g a h — CD E F G A H C D E F G A H dreigestrichene Oktave eingestrichene
zweigestrichene
-e· ^ S -
=
-ηβ-4; O*
*
1
v ^ · c ' d ' e ' Γ g' a ' h ' c " d " e " f " g"a"h"c"'d"'e"'f"'g'"a'"h"' usf. Die Namen der Oktaven stammen aus der Griffzeichenschrift der Orgeltabulatur des 16. Jahrhunderts, wo die Ton-Buchstaben nach ihrer Höhenlage so gekennzeichnet waren. Die Töne unter der Kontraoktave heißen Subkontra-H, -B, -A usw. = = = Eine größere Zahl von Hilfslinien erschwert die Lesbarkeit der Noten wesentlich. In dem Oktavzeichen (8™) ist ein Mittel an die Hand gegeben, Töne, je nachdem ob das Zeichen über oder unter den Noten steht, eine Oktave tiefer oder höher zu notieren, als sie erklingen sollen. Das c"" wie das C können daher auf nachstehende Art geschrieben werden : ~
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Tonhöhen-Darstellung β»
m 8va bassa In letzterem Fall ist es ratsam, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, nicht nur ottava, sondern ottava bassa ( = tiefere Oktave) zuzufügen. Bei Versetzung um zwei Oktaven schreibt man 15. Sind mehrere Töne mit dem Oktavzeichen zu versehen, so wird das Zeichen in Form einer Schlangenlinie (8™·"") oder bis zu dem Augenblicke, in dem die gewöhnliche Tonhöhe wiederhergestellt werden soll, fortgesetzt. Es kann dann auch widerrufen werden durch come stá (ital. = wie es dasteht). Der Altschlüssel (c auf der mittelsten Linie) wird auch gern „Bratschenschlüssel" genannt. Der Tenor wurde früher meist mit seinem C-Schlüssel notiert; aber wie der C-Sopranschlüssel heute fast völlig dem Violinschlüssel hat weichen müssen, in dem auch der Gesangsalt meist notiert wird, ist der Vokaltenor heute, wenn der vierstimmige gemischte Chor auf nur zwei Systemen notiert wird, gleich dem Vo kalb aß im Baßschlüssel zu finden. In allen andern Fällen, also besonders im Männerchor, wird der Violinschlüssel benutzt, der dann eine Oktave tiefer zu lesen ist und oft auch als solcher (durch untergesetzte 8, ebenso für Laute und Gitarre) gekennzeichnet wird; man spricht von oktaviertem g = Schlüssel; sogar eine Zwitterform von Tenorschlüssel und Violinschlüssel wird benutzt:
^jfi
w
w
¿E
Solche „Oktavmarke" wird auch manchmal bei „oktavierenden" Instrumenten angewandt, d. h. bei solchen, die um eine Oktave höher als notiert (Piccoloflöte) oder um eine
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Die heutige Notenschrift
solche tiefer (Waldhorn, Baßklarinette, Gitarre, Laute) erklingen. Während bei der graphischen Darstellung oben S. 9 die Tonhöhen in lückenloser Kurve wiedergegeben waren, hat sich unsere Tonschrift auf die punkthafte Festlegung einzelner Töne eingestellt. Das ist zwar sehr anschaulich, kommt aber doch der Wirklichkeit der Melodiebildung nur recht unvollkommen nahe. Denn zumal beim Gesang und gesangsnahen Instrumenten wie Geige, Cello, Saxophon, von hier aus übertragen aber auch bei Klangwerkzeugen von fester Tonhöhe wie Klavier oder Klarinette, ist die Melodie doch vielmehr ein zusammenhängender Organismus, bei dem die Tonbewegungen im Schreiten und Gleiten oft ebenso wichtig sind wie die einzelnen, für sich stehenden Festpunkte, die man „springend" ändert und die durch die Notenköpfe verdeutlicht werden. Man hilft sich durch zusätzliche Phrasierungs-Bögen, beigesetzte Legatobezeichnung usw. Die mittelalterlichen Ligaturnoten, die uns heute noch beim Altargesang der katholischen Kirche begegnen, wie:
E kamen dem wesentlich näher als unsere heutige Schreibweise. In der Tat aber ist seither ein erheblicher Rückgang von Gleittönen und eine Rationalisierung alles Melodischen festzustellen. Übrigens dürfte eine Beobachtung (Rob. Lach in Festschrift für P. Wagner) sich fast stets im Laufe der Musikgeschichte bestätigen: die Wandlungen der Notenschrift sind nur selten als Fortschritt oder Verfall aufzufassen, sondern fast stets ist die jeweilige Notenschrift Ausdruck der besonderen Eigenschaften der ihr zugeordneten Musik·; oder: jeder Musikstil besitzt die Notation, die seiner Eigenart am besten gerecht wird. Unsere Notenschrift gibt zunächst den Tonvorrat des CSystems wieder, d. h. diejenigen Tonhöhen, bei denen von C aus eine Dur-Tonleiter entsteht — es wird später (unter „Moll-" und „Kirchentonarten") zu zeigen sein, daß man aus diesem
Tonhöhen-Darstellung
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Tonvorrat der „weißen Klaviertasten" auch noch andere „Oktavgattungen" herausschneiden, andere Tongeschlechter kombinieren kann. Man nennt diese Töne (nicht dem Rang nach, der zwischen allen, auch den abgeleiteten!, gleich ist, sondern nach der notationsmäßigen Ursprünglichkeit) S t a m m s t u f e n . Da der achte Ton, den Anfangston mitgerechnet, immer diesem besonders ähnlich klingt (Grundton und Oktave stehen im einfachsten Zahlenverhältnis nach Schwingungsanzahl oder Länge der Saiten bzw. der Luftsäulen, nämlich 1: 2), so trägt er wieder den gleichen Namen (nur mit anderer Oktavenkennzeichnung, s. o.). Unter den Stammstufen der C-dur-Tonleiter c d e f g a h c verdient nur noch der Name h eine Erklärung. Ursprünglich hieß diese Stufe, der alphabetischen Reihenfolge entsprechend, b. Da aber im damaligen musikalischen Hören und Denken nicht nur der Ganzton, sondern auch der Halbton über der Stufe a eine Rolle spielte, trat eine Spaltung der Bezeichnungen ein: der „weiche" Halbton behielt den Namen b und wurde als „rundes" b, b rotundum, b geschrieben (woher auch unser Erniedrigungszeichen Form und Namen behalten hat); der „harte" Ganzton (durum) dagegen wurde eckig geschrieben, als b quadratum ij, später |j oder f und erhielt so den nächsten Buchstaben des Alphabets, „h" zugeordnet, ij und jf wurden aber auch als Gegenteil zu b Erhöhungssignale, und zwar das Kreuz s t e t s als Erhöhungszeichen, ^ später auch oft als Widerrufszeichen, das also u. U. auch im Sinn der Löschung von # als Erniedrigungszeichen wirkt. Nochmalige Erniedrigung um einen Halbton führt zum Doppel-B = nochmalige Erhöhung zum Doppelkreuz χ oder χ. Also : Einfache Erniedrigung Einfache Erhöhung ^ Doppelte Erniedrigung bb Doppelte Erhöhung x Einfacher Widerruf in beiden Richtungen: t j , doppelter: 1)1} Notiert wird auch, wenn ζ. B. aus vorgezeichnetem Β ein His werden soll, und umgekehrt Ijb.
Die heutige Notenschrift
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Wenn diese „Versetzungszeichen" als zum Tonvorrat einer Tonart gehörig regelmäßig vorkommen, so werden sie als „Vorzeichnung" an den Anfang aller Zeilen gesetzt, solange diese Tonart güt, und bei Veränderung der Tonart widerrufen bzw. die noch verbleibenden neu gesetzt. Ζ. Β. Ubergang D-dur—Η-dur:
fr
oder umgekehrt:
Jedes vorgezeichnete Versetzungszeichen gilt für alle Oktaven innerhalb des betr. Liniensystems. Die Kreuze und Been werden in überlieferter Reihenfolge nach dem „Quintenzirkei" (s. u.) innerhalb der Linien gesetzt, ζ. B. in Cis-Dur mit Übergang nach as-moll (über die Tonarten siehe weiter unten): ö . fis
S
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5
ges
-auges \> °
ges
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52=ges
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^
A fis ττ-fis-
£
ν I?
ges
«~- g„.c es
Beim Übergang in Tonarten, die mehr als sieben Versetzungszeichen erfordern, z. B. Gis-dur, Fes-dur, his-moll, ces-moll,
Tonhöhen-Darstellung
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werden diese nicht vorgezeichnet, sondern es tritt die sogenannte „enharmonische Verwechslung" (s. u.) ein. Beim Übergang von einer Dur- zur Molltonart gleicher Vorzeichnung und umgekehrt wird die Vorzeichnung nicht neu gesetzt. Durch Anwendung von Versetzungszeichen lassen sich nun von den Stammstufen, deren Abfolge in Ganzton- mit Halbtonstufen gemischt man „diatonisch" nennt, „abgeleitete Stufen" abzweigen, die einen Halbtonhöher oder tiefer als der Ausgangston stehen und entweder auf neuer Stufe wieder diatonische oder auch chromatische Tonfolgen, d. h. solche mit mehreren benachbarten Halbtönen, ergeben. Für die einfache Erhöhung hängt man dem Namen der Stammstufe ein „is", bei doppelter Erhöhung ein „isis" an, für die einfache Erniedrigung ein „es", bei doppelter Erniedrigung ein „eses"; eine Ausnahme bildet die Stufe h, die zwar erhöht his und doppelt erhöht hisisheißt, einfach erniedrigt jedoch statt hes b heißt (über den geschichtlichen Grund s. o. S. 17f.); für die doppelte Erniedrigung begegnet man sowohl dem Namen „heses" wie „Doppel-b". Als Tabelle: erhöht einfach
doppelt
erniedrigt einfach
doppelt
c
cis
cisis
ces
ceses
d
dis
disis
des
deses
e
eis
eisis
es
eses
f
fis
fisis
fes
feses
g a
gis
gisis
gea
geses
ais
aisis
as
asas
h
his
hisis
b
heses oder Doppel-b
Sucht man diese Stufen auf den Klaviertasten auf, so ergibt sich, daß innerhalb der Oktave nur zwölferlei Stufen (sieben weiße und fünf schwarze Tasten) zur Verfügung stehen, um
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Die heutige Notenschrift
35 wirkliche oder gedachte Stamm- bzw. abgeleitete Töne wiederzugeben (nach Herrn Pfrogner „Tonarte") : htsis feses 1 des 1 es 1 eis' dis 1
eisis 1 ges 1 fis 1
as' gis 1
ceses' 4 b1 ais 1
c1 d» e1 f1 g1 a1 h1 his cisis 1 disisi eis 1 fisis1 gisis 1 aisis 1 deses 1 eses* fes 1 geses 1 asas 1 heses 1 ees 2 Jeder Taste des Klaviers fällt der Hauptsache nach die Aufgabe zu, drei Töne zu vertreten. Nur die zwischen g und a stehende Obertaste entspricht allein zwei Tönen. Dieser Widerspruch deutet schon darauf hin, daß bei der Anlage der heutigen Klaviatur eine große Entfeinerung gegenüber den genauen Tatbeständen stattgefunden hat: die gleichschwebende Temperatur anstelle der reinen Stimmung, worüber Genaueres weiter unten zu finden ist. Auch die Intervallenlehre, die über die Beziehungen all dieser Tonabstände zueinander unterrichtet, und die daraus entspringenden1 Fragen der „musikalischen ^Rechtschreibung" werden gesondert behandelt werden. Uns geht hier zunächst nur die Notenschrift an, und es gilt nun, nachdem das Gebiet der Tonhöhenschreibung in den Grundzügen dargelegt worden ist, die Mittel zur Darstellung der Tonlängen zu erläutern. 2. Tonlängen-Darstellung Nachdem die mittelalterlichen Gesangstonschriften in der Hauptsache den Unterschied kurzer und langer, unbetonter und betonter Töne der Deutung vom Wortlaut aus überlassen hatten (im 12. Jahrhundert in Frankreich die „Moduslehre", die den rhythmisch-metrischen Yortrag etwa der Troubadourweisen vom jambischen, trochäischen, spondäischen, dakty-
Tonlängen-Darstellung
21
lischen usw. Versbau (s. u.) her regelte, in Deutschland im 13. Jahrhundert zur Hauptsache der Vortrag der Minneweisen etwa nach der Vierhebigkeit der meisten Dichtungszeilen), ergab sich gleichzeitig besonders aus der Mehrtextigkeit polyphoner „Motets" und der dadurch bewirkten Eigengesetzlichkeit der einzelnen Stimmen der Bedarf nach einer echten „Mensuralnotation", d. h. nach der Fähigkeit der Notenschrift, auch ohne Textanhalte den einzelnen Noten feste gegenseitige Wertverhältnisse zu verleihen. Das geschah dadurch, daß man die lange Note (Longa) in drei oder in zwei kurze (Brevis), und diese wieder in drei oder zwei Halbkurze (Semibrevis), diese wieder etwas später in drei oder zwei ganz kleine (Minima) unterteilte. Die dreiteilige Note galt (unter dem Symbol der Dreifaltigkeit) für die „vollständige" (perfekte) und kirchlich gemäße, die zweiteilige für „unvollständig" (imperfekt) und weltlich. Doch setzte sich seit dem 14. Jahrhundert immer mehr die Zweiteiligkeit, die Note aus vier oder acht gleichen Unterteilen und damit der „gerade Takt" als das Normale, die Dreiteiligkeit und der ungerade Takt als das etwas Seltnere und gewissermaßen „übervollständige" durch. Eeste der alten „Perfektion" haben sich noch bis ins 18. Jahrhundert in der Vorliebe für 1 2 / s -, »/1β-, a / 2 - und e / 4 -Takt erhalten. Die Wertklassen haben sich ungefähr in jedem Jahrhundert um eine Stufe herabgesetzt: während wir seit dem 18. Jahrhundert die Viertelnote als Norm für die Zählzeit beobachten, wobei der ruhige Klopftakt der Sekunde (Pulsschlag) als Norm gelten kann, zählte man im 17. Jahrhundert nach halben Noten, im 15./16. nach ganzen ( = Semibreven), im 13./14. nach Breven. Infolgedessen sind die sogenannten „Pfundnoten" der alten Notation keineswegs langsam und schwer zu nehmen. Ein Überbleibsel dieser frühen Wertklassen ist noch darin zu erblicken, daß man im 17. Jahrhundert (ζ. B. bei H. Schütz) den „modernen" Vierhalbe-Takt für langsame und den „altertümlichen" Sechsganzetakt für rasche Zeitmaße verwendete; von daher über Zwischenglieder bevorzugt noch Beethoven Achtel-, ja gelegentlich Sechzehntel-Zählzeit für Adagiosätze, dagegen das Zählen nach ganzen Takten für sehr rasche Sätze.
22
Die heutige Notenschrift
Ohne hier schon auf die alten Taktarten einzugehen, seien nur erst die wichtigsten heutigen Zeichen für lange und kurze Noten untereinandergesetzt: Ësj = 16 Viertel (yierfache Ganze) = 1 Longa = 8 Viertel (doppelte Ganze) = 1 Brevis °
= 4 Viertel (Ganze) = 1 Semibrevis
®
= 2 Viertel (Halbe) = 1 Minima
J
= 1 Viertel (ungefähr = Pulsschlag)
S
1
= 1 Achtel
J"~]
alte Bezeichnung
Wert = 1 Viertel
= 1 Sechzehntel
Wert = 1 Viertel
= 1 Zweiunddreißigstel
Wert = Vi.
J
= 1 Vierundsechzigstel
p m Wert = V é è é é
•
Ein Punkt verlängert die Note um die Hälfte ihres Wertes, zwei Punkte um drei Viertel, heute aber oft durch Bindung vermieden. J.
=
3
U,
J..=
»fe
3
J.. = «/„ J Î . = w/„
3
J5. -
J. J:
= /e. = 3/.6,
J5
=
/32,
« L - e L J .
63/64
Usf.
I
Bei Bruckner kommen gelegentlich sogar drei Augmentationspunkte vor.
Tonlängen-Daistellung
23
Dem entsprechen auch Pausenzeichen : = 16 Viertel (4 C-Takte) =
8 Viertel (2 C-Takte)
=
4 Viertel (1 C-Takt)
= 6 Viertel ( 6 / 4 oder s / 2 Takt)
=
2 Viertel
= 3 Viertel («/, oder 3 U Takt)
=
1 Viertel
= 3 Achtel
=
1 Achtel
=
1 Seclizehntcl
—
1 Zweiundreißigstel
=
1 Vierundsechzigstel
Oft gilt
- Ψ — = 3 Sechzehntel = 3 Zweiunddreißigstel
tS E
=
3
/i28USf.
für den Takt schlechthin, auch bei
ungeraden Takten also ohne Punkt. Über Taktzeichen siehe Kapitel 7. Andere rhythmische Unterteilungen, soweit sie nicht primär in der Taktart liegen (ζ. B. Dreiteilung in zweiteiligem Takt),
24
Die heutige Notenschrift
werden durch zugesetzte Kursivzahlen ausgedrückt, so Duolen, Triolen, Quartalen, Quintolen, Sextolen, Septolen, z.B.:
wirken beschleunigend, Duolen und Quartolen wirken verlangsamend, bei Quintolen und Septolen notiert man am besten so, daß die gewählte rhythmische Größenklasse mögr liehst nahe an das Bild der normalen 4 bzw. 8 Noten herankommt — also Quintolen beschleunigend, Septolen verlangsamend. Weitere unregelmäßige Werte wie 11,13,15 Noten in kleinen Kadenzläufen werden ohnehin meist nur annähernd und ohne strengen Zwang der Zählzeit gemeint sein; falls überzählige Einschübe, so in kleineren Notentypen notiert. Zu den rhythmisch-metrischen Ausdrucksmitteln der Notenschrift gehören ferner die Bindebögen zur Vereinigung von Noten gleicher Tonhöhe, so besonders an Stelle des Verlängerungspunktes, wenn die Bindung über den Taktstrich hinwegreicht ; als modern korrekt gilt heute : NB ! Γjh-g—
Ñ—i
•
4
Ü — ΐ ^ - f - — —
J
é-
·
Doch begegnet jetzt auch wieder die altertümliche Schreibweise bei Neudrucken alter Werke und in jüngsten AcappellaWerken altertümelnden Stils, um die Gleichheit imitierter Motive dem Auge auffällig zu machen, so etwa in dieser Form :
Tonlängen-Darstellung
£
2δ
5 5
Vor allem zählen zu den angebundenen Noten die (später zu .erklärenden) Synkopen. Man kann zwar innerhalb der Takthalben auch mit ganzen Werten (ohne Spaltung in zwei durch Bindebogen wieder vereinte Notenköpfe) auskommen, doch empfiehlt es sich, über die Takthalben zu besserer Übersicht mit Bindebogen zu notieren, damit zu Beginn der zweiten Takthälfte Notenköpfe stehen; möglichst sollte man auch bei kleineren Werten so für die einzelnen Zählzeiten verfahren. Gut ist :
es geht aber auch :
4 rjjJ ^ H r es geht aber auch :
Gut ist :
4^rg^ ii
is
Falsch ist:
und wenig gut:
statt
Schlecht ist:
Die Stielung, die früher fast nur aufwärts üblich war (da abwärts gehende Stiele u. U. einen besonderen metrischen Wert ausdrücken konnten), wird heute bei „Einstimmigkeit
26
Die heutige Notenschrift
je System" meist so gehandhabt, daß die Noten unterhalb der mittelsten Linie aufwärts, diejenigen darüber abwärts gestielt werden, also
Anders, wenn zwei polyphone Stimmen unterschieden werden sollen — dann wird man die obere stets aufwärts, die untere stets abwärts stielen, auch wenn dadurch vèrwickelte Kreuzungen zutage kommen :
Jederzeit sind nach oben gehende Stiele dem Notenkopf auf der rechten Seite anzufügen, während die Stielung abwärts an der linken Seite erfolgt. Werden drei Stimmen auf ein System geschrieben, so sind auch dann die Stiele einzeln zu ziehen (nach Stephan Krehl):
fy^r r
ι
r
*
Oder zur Klarstellung eines Stimmenverlaufs bei drei- bis vierstimmigem Satz auf einem einzigen System :
27
Tonlftngen-Darstellung
l i S f t If] ¿3 aJ
y
I
r
ν
W
m
f
W
υ
I
r
Im freien Satz, in dem bald mehr, bald weniger Stimmen, je nachdem der Ausdruck es erfordert, auftreten, werden regulär mehrere Noten, solange sie gleiche Geltung haben, an einen Stiel angeschlossen. R. S c h u m a n n ,
J^n
- ~ > > P f , f f .
^
Für unrichtig gilt es, Noten verschiedenartigen Wertes zusammen zu stielen. Sogar Spaltung des Stiels und beiderseitiger Stiel, wenn zwei Stimmen die gleiche Tonhöhe besetzen, begegnen, ζ. B. :
I
ï
p
l
Durch Querbalken verbundene kleine Werte ersparen manchmal Bindebögen ; andererseits ist es verkehrt, getrennte Silben unter Balkenverbindung zu stellen. Richtig notiert ist: Schubert.
Λ m m
i
Ich hört' ein Falsch dagegen wäre:
-m1-
Bächlein
rau - sehen
£
28
Die heutige Notenschrift
Auch üblich gewordene A b k ü r z u n g e n bezüglich der Notenköpfe und rhythmisch-metrischer Schreibungen verdienen hier verzeichnet zu werden: Tonwiederholungen, Folgen gleichmäßiger Akkordbrechungen usw. werden — namentlich in Orchesterstimmen — gern durch Abkürzungen (Abbreviaturen) in der Schreibweise vereinfacht. Im folgenden seien einige Schreibweisen und deren Ausführungen vorgestellt. Schreibweise: y
jg
k
ί
k
Ausführung: * * * ·
Schreibweise:
Ausführung: ι ι ι ι
ι
Bei schnellerem Zeitmaß deutet die Bezeichnung trem., Abkürzung von tremolo (Zittern, Beben), an, daß die Töne so rasch wie möglich miteinander abwechseln sollen, ohne daß auf klare Einteilung Rücksicht zu nehmen ist. Eine kürzere Figur, welche mehrmals nacheinander unverändert vorgetragen werden soll, muß nicht gleichmäßig bei allen Wiederholungen ausgeschrieben werden. Es genügt, nach dem ersten Auftreten der Tonfolge Striche: / oder '/ zu setzen. Der Spieler wird dadurch veranlaßt, die Figur gemäß der Anzahl der Striche zu repetieren.
Tonlängen-Darstellung
29
Schreibweise:
Ausführung:
Statt der rechnerisch gènauen Wiedergabe einer größeren Anzahl von Pausentakten pflegen die Notenschreiber sie dadurch auszudrücken, daß in dem Takt selbst zwei schräge Striche, über denen sich durch Zahlen die Menge der zu pausierenden Takte vermerkt findet, gezogen werden: 30
12
62
Über die besonderen Probleme der T a k t s t r i c h - S e t z u n g kann erst später im Zusammenhang mit den rhythmischmetrischen Fragen gesprochen werden. Hier genüge vorerst die Behandlung der notationsmäßigen Seite. Ein einfacher senkrechter Strich durch das System bezeichnet die Taktgrenze, um dem Auge die gruppenmäßige Zusammenschau regelmäßig wiederkehrender Zählzeiten zu erleichtern; doch muß auch die Taktart vorgezeichnet werden, und zwar jedesmal bei Wechsel. Es hat nicht viel Sinn, mehrere Taktarten gleich vornweg als im Verlauf vorkommend zusammenzustellen; beim Wechsel pflegen dünne Doppelstriche gesetzt zu werden: Schlecht:
füll
5
Gut:
~tm—
•J
-U
—1" bei Wiederholung zweier Teile auch || : : || : : ||. Werden die Wortlaute des Unterteils gegen Ende verschieden, so setzt man Klammern I und II, früher gern italienisch bezeichnet als Prima und Seconda volta (1. u. 2. mal); der Beginn der Klammer wird vorteilhaft auch durch dünnen Doppelstrich bezeichnet, z. B. :
m
Gavotte
ΓΤ
Auch Auftakte beziehe man in die Wiederholungsklammern ein, um so oft I ma ~~1 und I I da — | zu sparen; unpraktisch z. B. wäre
Tonstärken- und Vortrags-Darstellung
m « tes
statt
1
*
31
m
nr
Hi
Soll bei einer Wiederholung nicht auf den ersten Anfang zurückgegriffen, sondern bei einer etwas späteren Stelle (etwa nach dem Vorspiel einer Arie) wieder eingesetzt werde , so schreibt man am Schluß vor „Dal Segno" (ital. „Vom Zeichen an"), und kennzeichnet die gewünschte Einsatzstelle durch ein Zeichen wie Soll umgekehrt die Wiederholung zwar am Anfang beginnen, aber schon früher schließen, so schreibt man D. C. al Fine (d [a] c [apo] = von Anfang) und kennzeichnet die Aufhörstelle durch „Fine" ( = Schluß). Bei Dacapo-Arien des Barock wurde statt dessen ein Fermatenzeichen gesetzt, das also beim erstenmal unbeachtet zu bleiben hatte. Will man Kürzungsvorschläge machen, so ist es beliebt, die Kennzeichnung des Sprunges am Anfang durch φ vi— und am Ende durch —de φ (vide, lat. = siehe!) vorzunehmen. Den lückenlosen Fortgang von einem Satz zum andern bezeichnet man durch Attacca (subito), ital. = „(sofort) anschließen!" 3. Tonstärken- und Vertrags -Darstellung Alles auf den Vortrag nach Stärkegraden Bezügliche wird je nach verfügbarem Platz über oder unter dem System hinzugefügt. Dazu gehören zunächst die einfachen Stärkegrade wie f (forte, ital. = stark) und ρ (piano, ital. = leise), gesteigert zu ff (fortissimo) und pp (pianissimo) ; es kommen auch noch weitere Extremvorzeichnungen bis zu fffff und ppppp
32
Die heutige Notenschrift
vor — doch sollte man sie nicht mißbrauchen. In der Mitte liegen mf (mezzoforte, ital. = halbstark) und seltener mp (mezzopiano, ital. = halbleise), wohl zu unterscheiden von fp (fortepiano = erst stark, dann leise) und umgekehrt pf, das selten vorkommt. Hier stehen wir schon bei den dynamischen Veränderungen: dem Anschwellen (ital. crescendo) und Abschwellen (ital. decrescendo, diminuendo, mancando, auch nur „meno" = weniger). Beide werden entweder durch Abkürzung cresc., deer., dim. oder, auf weitere Strecken verteilt, durch eres — cen do bzw. di mi — nu — en — do usw. angegeben oder auch in graphischer Darstellung durch und bezeichnet. "Wichtig sind ferner einzelne Akzentzeichen wie > > > für schwächere und Λ Λ Λ für schärfere Hervorhebungen, die auch durch sfz = sforzato und s f f z = sforzatissimo ausgedrückt werden können. An diese Vortragszeichen reihen sich die allgemeinen Ausdrucksvorschriften wie „Mit Humor", „Versonnen", „Schwermütig" oder ζ. B. (ital.) „Con fuoco" ( = mit Feuer), „Lusingando" ( = schmeichelnd, spielerisch), „Affettuoso" ( = Pathetisch), „Appassionato" ( = Leidenschaftlich"). Ferner Spielvorschriften wie „sempre ben ligato" ( = immer gut gebunden) oder „Staccato" ( = abgestoßen), „Leggiero" (leicht) usw. Diese können ζ. T. auch graphisch dargestellt werden, das Legato durch Bindebögen, die aber sowohl von den oben beschriebenen Anbindezeichen metrischer Art wie auch von den formal gliedernden Phrasierungsbögen (s. u.) zu unterscheiden sind und leider oft von Taktstrich zu Taktstrich gezogen werden, was die Gefahr schlechter Phrasierung in sich trägt. Stattdessen bezeichnen Punkte und Pflöcke den absetzenden Vortrag, das saltando (tanzend), spiccato (getrennt), staccato (abgehackt), wofür manche Tonsetzer nicht viel genaue Unterscheidung in der Zeichenverwendung erkennen lassen — in den Beethovenschen Sonatenerstausgaben ζ. B. sind leider die Stecher oft ganz nach Belieben damit verfahren. Hierher gehört auch das arpeggio (ital. = geharft), d. h. das „gebrochene" Anschlagen von Akkorden; kannte man in der
Tonstärken- und Vortrags-Darstellun;Lg
33
altfranzösisehen Cembalokunst auch die Brechung von oben nach unten, so heute nur noch von unten nach oben, wobei zu beachten ist, ob die Schlangenlinie durch beide Systeme durchgeht oder nicht:
Zu den Spielbögen (Legatozeichen) lassen sich auch die vielerlei A r t i k u l a t i o n s b e z e i c h n u n g e n (Stricharten) stellen, ζ. B .
oder oder oder
I » I »
Über Verzierungszeichen und kleine Noten wird unter „Ornamentik" noch zu sprechen sein. Abschließend sei betont: solange nicht auch die abendländische Musik, wie sie von Schütz und Monteverdi bis zur Gegenwart als große Einheit vorliegt, ihre Natur „grundstürzend" ändert, entspricht unsere seit rund 1650 fast unverändert feststehende Notierungsweise vollendet ihrem Wesen, und alle zahllosen Versuche, sie noch zu „verbessern", haben sich als unnütz erwiesen. Keine der vorgeschlagenen neuen Notenschriften kommt der geltenden an Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit — zumal im vollstimmigen Klaviersatz — auch nur entfernt gleich, so daß sie als eine der höchsten Leistungen geschichtlich gewordener und in sich organischer Schriften gelten muß. 2 Moeer, Allg. Musiklehre
34
Die heutige Notenschrift
Zur Orientierung folgt hier eine alphabetische Zusammenstellung von Wörtern, welche dem Vortrag gelten, affettuoso. mit Inbrunst, leidenschaftlich con affetto erregt agitato all'antico im alten Stil amabile innig, lieblich amoroso zärtlich animato mit Leben, mit Feuer con anima appassionato mit Leidenschaft con passione armonioso übereinstimmend, wohlklingend arpeggiato gebrochen, geharft glänzend brillante con brio mit Lebhaftigkeit burlesco scherzhaft, humoristisch beruhigt calmato con calore mit Wärme, mit Feuer gesangvoll, mit viel Ausdruck cantabile singend cantando launenhaft, neckisch capriccioso bequem commodo deciso bestimmt, entschieden zart delicato entschlossen determinato deutlich, klar distinto divoto andächtig divotamente dolce lieblich, sanft con dolcezza doloroso schmerzlich con dolore con duolo mit schmerzlichem Ausdruck elegante zierlich, mit Anstand con eleganza energico entschlossen eroico heldenhaft
Tonstärken- nd Vortrags-Darstellung espirando espressivo 1 con espressione / estinto feroce fiero flebile con forza con tutta la forza funebre con fuoco furioso giocoso giusto glissando con grandezza grandioso grave grazioso guerriero harpeggio, liarpeggiando con impeto innocente inquieto lamentabile languendo largamente leggiadro leggiero leno lusingando maestoso con malinconia marcato marciale martellato mesto mobile
ersterbend mit Ausdruck erloschen wild stolz traurig, klagend mit Kraft mit aller Kraft traurig feurig wütend, wild scherzend, lustig richtig gleitend mit Größe großartig schwer, ernst anmutig kriegerisch siehe a r p . . . mit Ungestüm unschuldig unruhig klagend schmachtend breit anmutig, zierlich leicht, locker kraftlos, matt schmeichelnd majestätisch, erhaben tiefsinnig, schwermütig hervorgehoben marschmäßig gehämmert betrübt beweglich
36 nobile ondeggiando passionato patetico perdendosi pesante a piacere piacevole piangendo pietoso pomposo precipitando religioso rigoroso risoluto saltato, saltando sciolto semplice sensibile con sentimento sereno serioso soave sospirando tenuto tosto tumultuoso veloce vibrato vivo
Die heutige Notenschrift edel wogend leidenschaftlich sich verlierend schwerfällig, wuchtig nach Belieben zufällig klagend mitleidsvoll, fromm prächtig, pomphaft eilend, stürzend andächtig streng entschlossen gehüpft, tanzend frei, ungebunden im Yortrag einfach, schlicht reizsam, empfindlich mit Empfindung heiter ernsthaft süß, lieblich seufzend gehalten schnell lärmend lebhaft, behende bebend lebendig, lebhaft
Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen
37
Zweites Kapitel: Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen 1. Reine Stimmung Wie schon erwähnt wurde, wirken gleichmäßig wiederkehrende und unter sich gleichartige Erschütterungen (Schwingungen) der Luft, wie sie durch Anblasen derselben in geschlossener „Säule" oder durch Übertragung von schwingenden elastischen Körpern her (gespannten Saiten, Metallstäben u. dgl.) zustande kommen, von etwa 30 bis zu 4000 Stößen in der Sekunde als „musikalische Klänge", und dieser Tonraum kann an sich durch allmähliche Beschleunigung und Verkleinerung der Schallwellen als lückenloses Kontinuum durchmessen werden. Das ergibt freilich nur ein Heulen wie das der Sirene, während wir für die Melodie Stufen, für die Harmonie von Zusammenklängen gewisse Abstände der Tonhöhen als erforderlich erleben. Es zeigt sich dabei, daß Töne, die in einfachsten Zahlenverhältnissen zueinander stehen, sich in besonderer Weise als zusammengehörig zueinander fügen: wenn zu einem Ton von der Schwingungszahl χ oder der Saitenlänge y ein solcher von der Schwingungszahl 2 χ oder der Saitenlänge γ tritt, so sagen wir, er bildet zu jenem die obere Oktave. Beide Töne ähneln sich auffällig, bei gleichzeitigem und gleichstarkem Erklingen verschmelzen sie sich in solchem Grade, daß das ungeübte Ohr sie oft für einen einzigen Ton statt ihrer zwei halten wird.*) Wie hier das Tonverhältnis 1 : 2 stattfindet, so sind die nächstverwandten Töne nach diesen solche im Verhältnis 2 : 3, die Quinte; und 3 : 4, die Quarte. Anders ausgedrückt: wenn ein Ton C χ Schwingungen vollführt, macht der Ton c 2 χ x, der Ton g' 3 χ x, der Ton c' 4 χ χ-Schwingungen, ihre Saitenlängen stehen im gleichen (gegenteiligen) Verhältnis. *) Deshalb sagte der Geigenmeister Leonard scherzhaft zu seinem Schüler Marteau, man solle Oktavengänge nie ganz genau intonieren, sonet merke das Publikum nicht, daß es welche seien.
38
Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen C §
g
•
1
Diese Unterteilung läßt sich immer weiter fortsetzen und ergibt folgende Tonfolge als Reihe einfachster SchwingungsZahlenbeziehungen : 5 : 6 : 7 : 8 1 : 2 : 3 : 4 o
9 : 10 : 11 d" e" Γ k
i
i
Β*
12 : 13 : 14 : 15 : 16 „ ι.„-, Γ ί"Ί h" c'"
i"
Lb^J ^
g
Diese Kette läßt sich beliebig weiter nach oben erweitern; sie ist zugleich die Reihe der „Teiltöne" (Partialtöne), d. h. jener leise beigemengten „Obertöne" zum Grundton, aus deren Mischungsverhältnis dessen Klangfarbe (s. u.) hervorgeht, und die Folge der „Naturtöne", die sich beim Überblasen, ζ. B. eines Trompetenrohres von der Länge der Grundtons C bei entsprechend geschickter Lippenspannung des Bläsers ergibt (Klarinoblasen auf der Naturtrompete, Bachtrompete). Es zeigen sich hierbei weiter folgende Intervalle und Zahlenverhältnisse: 4: 5 5: 6 8: 9 9:10 15:16
große Terz \ n „ -, . , kleine Terz ¡ 2 : 3 Quinte (großer) Ganzton I 4: 5 gr. Terz (kleiner) Ganzton Halbton
Rebe Stimmung
39
Die Beziehungen mit dem 7., 11., 13. und 14. ( = 7.) Teilton bleiben im allgemeinen außerhalb unseres Tonsystems, doch wurde z. B. der 7. (Kirnberger: i, auch „Naturseptime" genannt), von C aus ein zu tiefes b, ehedem beim Unfallssignal der Thum- und Taxis'schen Postillone geblasen, und der 11., das sogen. „Alphorn-fa", kommt bei Alphornmelodien und diesen nachgebildeten Jodlern als ein unreines fis vor. Immerhin weist schon die Tatsache, daß solche durch die Natur dargebotenen Teiltöne außerhalb unserer Melodik (daher sagt man „ekmelisch") bleiben, auf ein sehr wichtiges Grundsätzliches hin, das sich auch auf andern Wegen beweisen läßt, aber oft nicht erkannt wird: die Z a h l e n v e r h ä l t n i s s e u n d ihre A u s w i r k u n g in der O b e r t o n r e i h e sind zwar eine h ö c h s t wichtige B e g l e i t e r s c h e i n u n g und B e s t ä t i g u n g unseres Tonvorrats und unserer S t i m m u n g e n , a b e r sie sind n i c h t deren p r i m ä r e U r s a c h e u n d k ö n n e n n i c h t als eigentliche D a s e i n s e r k l ä r u n g u n s e r e s T o n s y s t e m s angesehen werden. Wer so verfährt, verfällt in den Fehler des „Physikalismus" als in eine Überschätzung dieser (an sich sehr angenehm ausnutzbaren) Phänomene; der Kern und die eigentliche Grundlage unseres Tonsystems liegt vielmehr ganz überwiegend in einem seelischen Distanzwertungsvermögen, in einem p s y c h i schen Ton- und Raumdenken unserer Rasse; wie ja auch Leibniz von einem u n b e w u ß t e n „Zählen" der Seele als dem Wesen der Musik gesprochen hat. Der obige Grundsatz, daß es sich nur um einen physio-psychischen P a r a l l e l i s m u s , nicht um eine I d e n t i t ä t beider Welten handelt, wird auch dadurch bewiesen, daß sich ein ganz ähnliches, in vielem gleichwertiges Tonsystem, das pythagoreische (s. u.), großenteils aus noch anderen physikalischen Verhältnissen aufbauen läßt und ein drittes, das Prinzip der gleichschwebenden Temperatur, das äußerst komplizierte Zahlenverhältnisse ergibt, sich auf einem wieder ganz andern Boden entwickelt hat, ohne daß eines dieser Systeme vor dem andern den absoluten Vorrang beanspruchen könnte. Ihrer sämtlich zugleich bedient sich unser Musikdenken, obendrein nie in bewußter Trennung, sondern in dauernden
40
Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen
Mischungen, die nicht als seelische Veranklarungen oder Unzulänglichkeiten aus Mangel an Genauigkeit gering zu werten sind, sondern umgekehrt: jenen feinsten psychologischen Nuancierungen, welche die eigentliche seelische Wirklichkeit darstellen, ist mit den „physikalisch beweisbaren" drei Hauptsystemen nur annähernd nachzukommen. Ordnet man nun die „emmelischen" (d. h. zu unserem Tonsystem rechnenden) von den ersten 15 Partialtönen so zusammen, daß man sie durch Oktawersetzungen innerhalb einer einzigen Oktave unterbringt, so erhält man die „reingestimmte" Durtonleiter in folgenden Intervallverhältnissen:
Diese Durtonleiter besteht aus zwei ungefähr symmetrischen Hälften im Abstand eines großen Ganztones 8 : 9 , je einem Durvierling (Tetrachord: Ganzton, Ganzton, Halbton). Beide sind aber insofern nicht g e n a u gleich, als im unteren (c—f) erst der größere Ganzton 8:9, dann der kleinere 9 : 1 0 kommt, im oberen (g—c) jedoch umgekehrt erst 9:10, dann 8 : 9 . Warum hat man sie so gestimmt? Damit man auch auf den Stufen f und g je eine reine große Terz 4 : 5 = 8 : 9 und 9:10 erhält. Daraus folgt: in dem Augenblick, wo g—c Untervierling einer neuen Tonleiter (jener von G dur) wird, ist das a soweit höher zu intonieren, daß g—a 8 : 9 und a—h 9:10 wird; umgekehrt: wird der Untervierling c—f Obervierling der F dur-Tonleiter, so muß der Ton d etwas tiefer genommen werden, damit c—d 9 : 1 0 und d—e 8 : 9 wird. Schon hier erkennt man, daß es eine große Anzahl von d, a und weiteren Stufen gibt.
Reine Stimmung
41
An größeren Intervallen ergeben sich: die großen Terzen 4 : 5 c—e, f—a, g—h; die kleinen Terzen 5 : 6 e—g, a—c, h—d; dagegen ist die kleine Terz d—f um eine Kleinigkeit zu klein; diese Kleinigkeit ist der Unterschied zwischen großem und kleinem Ganzton: ~ und nämlich g ^ = genannt das „syntonische Komma"; die Terz d—f ist nur ^ ' ^ = ~ . Ferner ergeben sich die reinen Quarten 3 : 4 c—f, d—g, e—a. g—h, aber die um ein syntonisches Komma zu große Quarte a — d = g f f i s = p ; und die übermäßige Quarte f—h = = An reinen Quinten 2: 3 finden sich c—g, e—h, f—c, g—d, a,—e, aber die um zu kleine Quinte d—a = 33 ) * = jg, und die verminderte Quinte h—f = ^ ' ' — ^j. An großen Sexten | ^ = γ c—a, d—h, g—e, während f—d um zu groß ist, nämlich \ [ = Die kleine Sexte begegnet als e—c, a—f und h—g. Die kleinen Septimen treten in zweierlei Größen auf: als Umkehrung des großen Ganztons 8 : 9 im Verhältnis ¿ auf den Stufen d—c, g—f und h—a; als Umkehrung des kleinen Ganztons 9:10 im Verhältnis -jjbei e—d und a—g, während die große Septime als ~ bei f—e und c—h zu beobachten ist. Dies System aus den einfachsten Schwingungs- bzw. Saitenlängen Verhältnissen, das sich bei streng diatonischer A-cappellaMusik von selbst weitgehend einstellt, ist in sich meist sehr wohlklingend und ergibt vor allem auf den drei Dur-Akkorden der 1., 4. und 5. Stufe, die man „Hauptdreiklänge" nennt, konsonante Ruheklänge. Aber trotzdem zieht sich durch diese Welt des Wohlklangs ein böser Riß : der Dreiklang der 2. Stufe d—f—a ist physikalisch-objektiv dissonant, und alles, was mit ihm in Intervall-Beziehung steht, ist gleichfalls unrein oder zumindest spannungerfüllt, so daß sich eine Musik, in der dieser Dreiklang eine erhebliche Rolle spielt, z. B. im Dorischen mit jonischem oder im Jonischen mit dorischem Einschlag*), *} Siebe unter Kirchentonarten.
42
Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen
kaum befriedigend ausführen läßt. Korrigiert man den Fehler aus dem d-moll-Dreiklang heraus, so erhält man andere Unreinheiten, etwa im F-dur-Dreiklang, der damit pythagoreisch wird (s. u.) — kurz, es „bleibt ein Rest, zu tragen peinlich", der dazu zwingt, Ausgleiche auf andern Wegen zu suchen. 2. Pythagoreische Stimmung Wenn man eine Geige genau reinstimmt, also in drei Quinten g—d'—a'—e" und von diesem e" aus genau rein die Unteroktave aufsucht, so ergibt sich zwar eine reine Quarte e'—a', aber eine Sexte g—e', die uns keineswegs befriedigt; greift man sie ein wenig tiefer, so wird zwar die Sexte rein, jetzt aber ist die Quarte e'—a' unrein geworden — diese kleine Differenz ist wieder das syntonische Komma 80:81, und wir beobachten: der aus reinen Quintverhältnissen gewonnene Terzton liegt um 8 0 : 8 1 höher als der „reine" Terzton 4 : 5 ; dieser zu hohe Terzton läßt sich auch darstellen als Summe zweier großer Ganztöne nämlich = ^ ; man nennt dies „scharfe" Intervall eine pythagoreische Terz. Nun läßt sich auch die ganze Durtonleiter aus lauter solchen Quintverhältnissen darstellen, indem man (wie der Philosoph und Mathematiker Pythagoras v. Samos, geb. 582 v. Chr., entdeckt hat) eine Quintenkette f—c—g—d—a—e—h durch Oktavversetzungen ineinanderschiebt. Wir geben diesen Stufen jeweils den Index dann erscheint nur eine einzige Größe des Ganztons, 8 : 9 , und als Restintervall zwischen der reinen Quarte 3 : 4 und der pythagoreischen Terz 64: 81 der um ein syntonisches Komma 8 0 : 8 1 zu enge, pyth. Halbton | | | , (grob) gekii"-t. — ·
Pythagoreische Stimmung
43
Hier sind sämtliche Quinten, Quarten und Ganztöne rein aber sämtliche Terzen dissonant! Denn zu der überspannten großen Terz tritt als Restintervall der Quinte 2 : 3 eine zu enge kleine Terz von \ \ ^ = | | usf. — Wenn man diejenigen, Töne, welche um ein syntonisches Komma 80: 81 t i e f e r als die mit 0 bezeichneten sind, mit bezeichnet, so sieht die C dur-Tonleiter in r e i n e r Stimmung folgendermaßen aus: c° d° e- 1 f° g° a- 1 h" 1 c° Oder wenn man mehrere in sich pythagoreische Leitern auf c°, c + 1 und c — 1 aufbaut*), so ergeben sich für die Dreiklänge folgende Dreiecksgestalten :
Durdreiklänge V Molldreiklänge Λ In der pythagoreischen Leiter ist also zwar (entgegen der reingestimmten) die Quinte d—a rein; aber sämtliche Durund Molldreiklänge sind nur melodisch, nicht im gleichzeitigen Erklingen (als Akkorde) konsonant brauchbar — daß ihr Spannungscharakter sie dann trotzdem u. U. — nämlich als dissonant — anwendbar machen kann, wird später zu zeigen sein. Festzuhalten bleibt also: die pythagoreische S t i m m u n g ist g ü n s t i g bei k i r c h e n t o n a r t l i c h e r u n d bei rein melodischer Verwendung, n i c h t a b e r zur E r z i e l u n g k o n s o n a n t e r Mehrklänge. ·) Das Feld läQt sich beliebig nach beiden Selten erweitern.
44
Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen 3. Gleichschwebende Temperatur
Zur Ableitung eines dritten Tonsystems muß nun auf eine Eigentümlichkeit eingegangen werden, die sowohl der reinen als auch der pythagoreischen Stimmung innewohnt: das Problem des Q u i n t e n z i r k e l s . Errichtet man eine Folge von zwölf Quintschritten, ζ. B. des—as—es—b—f—c—g—d—a—e—h—fis—cis, die den Raum von sieben Oktaven einnimmt, so begegnen sich die Stufen des—cis, die der gleichen Klaviertaste angehören; setzt man sie einander gleich (man nennt das „enharmonische Verwechslung"), so wird die Quintenkette zum Quintenkreis, der nun eine ganze Reihe solcher Identifizierungen ermöglicht:
Solche Gleichsetzung geschieht in Wahrheit nicht ohne etwas Gewalt, denn zwölf reine Quinten überragen sieben Oktaven um eine Kleinigkeit, das sogenannte „pythagoreische Komma" von (gekürzt) setzt man die 12. Quinte gleich dem 7. Oktavton, so muß man jeder der zwölf Quinten ein Zwölftel dieses Fehlers abziehen, damit der Überschuß un-
Gleichschwebende Temperatur
45
merklich auf sie alle verteilt wird; diese etwas verengte Quinte \
weniger j / 12 j ist die sogenannte „temperierte" Quinte
unserer heutigen Klaviere. Man kommt zu demselben Wert auch noch auf einem andern Weg: nicht dem der „harmonischen" Teilung, wie in der „reinen" Stimmung, wo die Oktave nach der „harmonischen Teilung" (Proportion mit gleichen Innengliedern) in Quinte und Quarte, die Quinte in große und kleine Terz, die große Terz in großen und kleinen Ganzton unterteilt wird (1: 2: 3 : 4: 5 : 6 : [7] : 8: 9:10), sondern dem der „geometrischen Teilung". D . h . : man halbiert die Oktave C—c, dann treffen sich die gleichen Hälften in einer Tonhöhe, die genau zwischen ges und fis liegt, also beide praktisch gleichsetzt. Teilt man die Oktave in drei genau gleiche Teile, so erhält man den „übermäßigen Dreiklang" mit den Teilpunkten e ( = fes) und gis ( = as); bei vier Teilen ergibt sich der „verminderte" Septimenakkord mit den Grenztönen C—dis ( = es)—fis ( = ges)—a (— bb)—c; bei sechs Teilen bekommt man die Ganztonleiter (als Ausmelodierung des übermäßigen Dreiklangs), nämlich C d e fis gis ais his deses eses fes ges as b c und bei Zwölfteilung ergibt sich die lückenlose Folge unserer chromatischen Klaviatur:
So wird die Zwölfteloktave oder J/
, der „temperierte
Halbton", zum allbestimmenden Baustein eines dritten Ton-
46
Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen
systems oder Stimmungsprinzips, der „gleichschwebenden Temperatur" (um 1690 von Andreas Werkmeister errechnet). Man sieht, daß in diesem Bereich die genannten, raffinierten Ordnungen des Tritonus (übermäßige Quarte aus drei Ganztönen), des übermäßigen Dreiklangs, des verminderten Septimenakkords, der Ganztonleiter und der enharmonischen Chromatik weit primärer sind als ζ. B. die Durtonleiter, die hier aus dem 1., 3., 5., 6., 9., 10., 12. und 13. Oktaven-Zwölftel gebildet ist. Oder anders ausgedrückt: die große Sekunde beträgt hier Oktave, die große Terz Oktave, die Quarte 5 / 12 , die Quinte 7 / 12 , die große Sexte 3 / 4 , die große Septime u / 1 2 Oktaven. Man sieht schon hieraus, daß dies genial einfache Stimmungsprinzip zwar viele „spätzivilisatorischen" Vorteile bietet, aber gegenüber der „gewachsenen Kultur" von reiner und pythagoreischer Stimmung doch nur als junger zivilisatorischer Emporkömmling wirkt. Trotzdem bedeutete seine Erfindung die endgültige Befreiung aus peinigender Enge bezüglich der Tonartenverwendung auf allen Instrumenten mit festen Tonhöhen wie Orgel, Klavier, Oboe Klarinette usw. Denn wenn man diese ζ. B. von C aus „rein" stimmt, so ergeben sich (wie oben S. 40) gezeigt, bereits in F dur und G dur Unstimmigkeiten, die sich bei weiterer Entfernung vom Normalnull des Quintenzirkels immer unangenehmer durch „Wölfe", d. h. ausgesprochen unreine Intervalle und deren „Schwebungen", kund machen. Ζ. B. wäre chromatisch eine günstige C dur-Intonation diese, bei der sich zugleich reine Dur-Leitern von des-P und h—1 ergeben würden : „ eis -1 ,„ dis -2 , .„ fis - 1 „ gis -2 . ais - 2 , , „ c ° desti d ° es+1 ges+1 & as +1 b° h c Nur zeigt sich, daß man hier schon für jede Kreuz- oder B-Stufe eine gesonderte schwarze Taste benötigen würde, denn in Milli-Oktaven ausgedrückt würden sein (darunter rein: temp. : Cent*):
c cis = 77 d dis = 229 0 des = 93 170 es = 263 0 83 167 250 0 100 200 300
f fis = 492 e 322 415 íes = 508 500 333 417. 600 400 500
*) Einteilung der Oktave in 1200 gleiche Teile (erfunden yon A. J. Ellis).
Verhältnis der drei Stimmungssysteme zueinander h g gis = 644 a ais = 814 585 as = 678 737 b = 830 907 833 583 667 750 917 1000 700 800 900 1100
47 c 1000 1000 1200
Es zeigt sich hier sehr klar, wie die temperierten Stufen fast stets Mittelwerte zwischen den chromatischen Spalttönen bilden und den reinen Stammstufen sehr nahe kommen. Man kann sich aber leicht vergegenwärtigen, wie abscheulich unrein es klingen muß, wenn man nur einerlei schwarze Tasten verfügbar hat und nun mit den Tonhöhen, die zu den Kreuztonarten passen, auch B-Akkorde (oder umgekehrt) ausführen wollte. Man kam deshalb auf den Ausweg entweder der „ungleich schwebenden" Intonierung, d. h. einer Stimmung, die für einen gewissen engen Tonartenkreis möglichste Reinheit erstrebte ohne Rücksicht auf die dann desto unreiner klingenden übrigen Tonarten, oder den der „mitteltönigen Temperatur", d . h . eines schon unserer „gleichschwebenden" nahekommenden Ausgleichs zwischen fis und ges, gis und as usw. Schließlich brachte die Zwölfteilung insofern die beste Lösung, als jetzt zwar k e i n e Tonart mehr g a n z rein ist, diese kleine Verstimmung aber für die meisten Ohren unterhalb der Bewußtseinsschwelle bleibt und es so möglich wird, „durch den ganzen Quintenzirkel in Dur und Moll zu modulieren". So erklärt sich der berühmte Werktitel von J. S. Bachs „Wohltemperiertem Klavier" — hier war Werkmeisters Erfindung erstmals voll ausgenutzt für Präludien und Fugen in sämtlichen 24 Dur- und Molltonarten (I. Teil 1720, II. Teil um 1735). 4. Verhältnis der drei Stimmungssysteme zueinander Seit rund zweihundert Jahren herrscht die „gleichschwebende Temperatur" auf allen Tasteninstrumenten und sämtlichen Blaswerkzeugen mit festen Klappensystemen, und selbst der Sänger, der mit Klavierbegleitung singt, muß sich weitgehend diesen temperierten Intervallen anbequemen. Trotzdem hat dies Prinzip keineswegs durchgehend gesiegt; einmal für den Hörenden selbst bei den genannten Instru-
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Tonreich, Tonsysteme und Stimmungen
menten nicht ganz, da man unwillkürlich in die Tonhöhen, vom objektiven Klangbefund absehend, Intonationstendenzen nach dem logischen Zusammenhang hineinlegt; die musikalische Rechtschreibung trägt dem einigermaßen Rechnung. Denn wenn ich auch immer die gleichen Klaviertasten benutze, so höre ich doch tatsächlich in den zweiten Akkord von
einmal ein abwärts drückendes b, das andere Mal ein aufwärts strebendes ais hinein, II * oder bei
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im ersteren Fall völlig andere Richtungstendenzen und infolgedessen Intonationsvorstellungen als im zweiten Falle. Diese in der aufbauenden Fantasie getroffene Entscheidung zwischen empor- oder abwärts strebendem „Leitton", zwischen Kreuz- oder b-Ton usw. wirkt nun aber beim Gesang, den Streichinstrumenten, Posaunen usw. auch auf die tatsächliche Intonation erheblich ein und zwar in dem Sinn, daß spannungslose Konsonanzen annähernd „rein", alle dissonant spannenden Strebetöne jedoch ungefähr pythagoreisch genommen werden. Andererseits sind nur die Singstimmen in der Lage, dein von der Komposition bedingten Intonationsgang, der u. U. weit von der Ausgangsbasis (hinauf oder abwärts) wegführen kann, bedingungslos zu folgen. Wenn also früher bei Preiswettsingen der Männerchöre gern die Forderung aufgestellt wurde, die Reinheit der Intonation sei dadurch zu beweisen, daß der Schlußakkord genau auf der Höhe des Anfangtons zu stehen habe, so war das falsch; im Gegenteil würde bei den meisten neueren Kompositionen, gerade wenn sie untadlich rein gesungen werden, der Schlußakkord mehrere Kommata höher
Verhältnis der drei Stimmungssysteme zueinander
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oder tiefer stehen müssen. Andererseits hat die Forderung des ungefähren Innehaltens der Kammertonlage wieder ihre allgemeine ästhetische wie praktische Berechtigung, läßt sich aber nur durch grundsätzliche Mitberücksichtigung des temperierten Systems erreichen. Ähnlich ζ. B. auf der Geige : die leeren Saiten und die Leittonterzen zwingen zur pythagoreischen Stimmung, die Klangschönheit der Akkorde zum „reinen" System, das Zusammenstimmen mit dem Klavier zur Temperierung. Man darf also sagen, daß in unserer Musik alle drei Stimmungsprinzipien sich gegenseitig begegnen, durchdringen und bedingen, und dies nicht bloß als verwaschener, charakterloser Kompromiß, sondern aus den vielerlei Wesensrichtungen und den mehreren Dimensionen unserer sowohl linear-melodisch als auch flächig-akkordisch bedingten Musik heraus mit innerer Notwendigkeit. Schließlich verdient aber noch angemerkt zu werden, daß die gleichschwebende Temperatur selbst auf unseren Konzertflügeln in Wirklichkeit gar nicht akustisch genau befolgt wird, sondern daß (nach den Forschungen von Lottermoser, Z. f. Akustik IV, 1937) die Stimmer vielfach erhebliche Abweichungen aufwärts eintreten lassen, um den Klang „glänzender" zu gestalten. Ferner sei darauf hingewiesen, daß diese drei Systeme selbst in Europa keineswegs die einzigen, aber immerhin die für die abendländische Kunstmusik weitaus wichtigsten sind. Von einer altertümlichen Vorstufe, der Pentatonik, wird noch ebenso wie von den Kirchentonarten zu reden sein. Dreivierteltöne im alten Norden, Vierteltöne bei den südslavischen Guslaren, noch kleinere Stufen bei den Arabern und Indern, die verschiedenen großstufigen Gamelangstimmungen auf Java seien nur kurz erwähnt.
Drittes Kapitel: Intervalle und Akkorde Während das Mittelalter den Begriff „Intervall" meist nur für nachzeitige Melodieschritte verwandt und für das gleichzeitige Ertönen im Zweiklang den Ausdruck „Konkordanz" (oder auch — im Fall dissonanten Zusammenstoßes — „Dis-
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Intervalle und Akkorde
kordanz") gebraucht hat, verwenden wir das Wort „Intervall" für beides — für den linearen Abstand im Nacheinander wie für den gleichzeitigen Zusammenklang zweier Töne; „Akkord" dagegen muß ein Mehrklang von mindestens drei Tönen sein. Wir ordnen die Vielzahl möglicher Zweiklänge unter verschiedenen Gesichtspunkten (die sich allerdings z. T. decken) : 1. unter dem Begriffspaar „Konsonanz" und „Dissonanz", das aber auch in den Akkorden, und da erst recht, sich auswirkt; 2. unter dem Begriffspaar „diatonische" und „chromatisierte Intervalle", die man auch als „primäre" und „abgeleitete" bezeichnen könnte*). 3. Unter den diatonischen oder primären Intervallen sind eingeschlechtige und zweigeschlechtige zu unterscheiden ; 4. bei den chromatisierten oder abgeleiteten einfach- und doppeltalterierte (drei- und vierfach alterierte kommen meist nur theoretisch vor, daher „Musica ficta"). Konsonante Intervalle begegnen einzig unter den diatonischen (ein- wie zweigeschlechtig), es gibt unter den primären aber auch schon dissonante. Dagegen können unter den chromatisierten solche auftreten, die man als „scheinkonsonant" bezeichnet. F a l s c h ist die öfter anzutreffende Definition, die Konsonanz sein ein Wohl- oder Schönklang, die Dissonanz ein Mißklang; zuviel Konsonanzen hintereinander können (wie eine völlig ungewürzte Speise) auf die Dauer schwer erträglich wirken, dagegen sind manche Dissonanzen je nach der Art ihrer Verwendung von hohem Reiz und sogar sinnlicher Schönheit. R i c h t i g erscheint vielmehr die Erklärung: eine Konsonanz ist ein in sich beruhender Klang, der keine Auflösung erfordert ; eine Dissonanz ist ein Strebe- oder Spannungsklang, der keine völlige Schlußwirkung besitzt, sondern sich in einen anderen Klang von höherem Ruhegrad „auflösen" (d. h. bereinigen) muß. Man sieht hier wieder, wie schon gelegentlich der Tonsysteme betont wurde, daß wichtiger als die objektiven physikalischen Tatsachen die seelischen und logischen Deutungen vom Menschen aus einzuschätzen sind. *) ..Stammton-" und „Versetzung0stufen"-lntervalle würde nur In C-dur dafür gesagt werden können, da in allen andern Tonarten auch abgeleitete Stufen letter· eigen und Stammstufen leiterfremd sein können.
Intervalle und Akkorde
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Unter diesem Gesichtspunkt ist auch scharf zu scheiden zwischen dem gewissermaßen „körperlich erfahrenen" Konsonanz-Dissonanz-Erlebnis am real ertönenden Zweiklang und dem willensmäßig-logischen Konsonanz-Dissonanz-Denken in der bloßen Tonvorstellung des schaffenden oder nachschaffenden Musikers. Ersteres ist ein wesentlich bloß physiologisches Reagieren; hatte C. Stumpf vor 1926 für diese Konsonanzwirkung vor allem die höhere Verschmelzbarkeit derartiger Zweiklänge verantwortlich gemacht, so hat sich seitdem Felix Kruegers Auffassung durchgesetzt, wonach doch die entstehenden Differenztöne, Schwebungen usw. an der Dissonanzwirkung entscheidend schuld sind. 1938 bestätigte das H. Sandig*) durch den experimentellen Nachweis, daß Dissonanzen bei Wegfall dieser Unruhemomente (durch getrenntohrige Zuführung) viel von ihrem Spannungsgepräge verlieren und Konsonanzen sich dissonanter (oder wenigstens „neutraler") Wirkung nähern. Doch, wie gesagt: der musikalisch zentrale Tatbestand des Konsonanz- und Dissonanzdenkens bleibt von diesen sinnlichen Beigaben — auch erinnerungsmäßig-assoziativ — einigermaßen unberührt. Als vollkommenste Konsonanz gelten E i n k l a n g (Prime) und Oktave, als zweitvollkommenste die Quinte, was sich sowohl in der Einfachheit ihrer Zahlenverhältnisse als auch durch den Grad ihrer Verschmelzbarkeit bestätigt. Bei der Q u a r t e ist die Auffassung schon gespalten: ist die Quarte Umkehrung der Quinte, so empfinden wir sie als ebenso konsonant wie diese; ist sie dagegen „Vorhalt" vor der Quinte oder der Terz, d. h. kommt sie durch melodische Spannung eines ihrer Töne zustande, so wirkt sie dissonant. Z. B. :
*) Beobachtungen an Zwelkl&ngen In getrenntohriger und beidohriger Darbietung (C. H. Beck, München 1938, In Neue psychol. Studien Bd. XIV, 1).
Intervalle und Akkorde Aus letzterem Beispiel ergibt sich aber auch die Frage, ob nicht in entsprechenden Fällen auch die Quinte verhältnismäßig dissonanter als die Sexte und die Quarte sein kann:
I
NB+
NB
I
ja sogar die Oktave und die Quinte dissonanter als die Terz:
Es kommt da sowohl auf die Betonung als auch auf das Verhältnis zur vorgestellten Grundharmonie an, die mit all ihren Bestandteilen in gewissem Sinn als „letzte Konsonanz" verstanden zu werden pflegt. Man könnte unterscheiden zwischen objektiven und subjektiven Konsonanzen bzw. Tatbestands· und Auffassungskonsonanzen bzw. -dissonanzen. Prime, Oktave, Quinte und Quarte sind eingeschlechtig, d. h. nur in einer Form diatonisch vorhanden, die „rein" genannt wird, während die weiter zu besprechenden Intervalle in sich gleichrangig als „groß" und „klein" (im Unterschied eines Halbtons) vorkommen. Noch schwankender erschien jahrhundertelang die Bewertung der großen und kleinen Terzen (sowie ihrer „Umkehrungen"*), der kleinen und großen Sexten), als Disso* ) Die TJmkehrung ist dasjenige Intervall, das ein gegebenes zur Oktave ergänzt : Halbton — große Sept., Ganzton — kleine Sept., kleine Terz — große Sext, große Terz - kleine Seit, reine Quarte — reine Quinte, übermäßige Quarte — verminderte Quinte usf. Im allgemeinen besitzt jede Umkehrung den gleichen Konsonanz- oder Dissonanzgrad wie das Ausgangsintervall.
Intervalle und Akkorde
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nanzen oder Konsonanzen. Die Terzen galten nämlich zunächst als dissonant, und erst etwa seit dem 13. Jahrhundert melden sich die Stimmen (zumal aus Nordwesteuropa, die Engländer Walter Odington und Wilhelmus Monachus), die sie für konsonant erklären, bis nicht lange danach ihre Dissonanzauffassung völlig schwindet und die Konsonanzwertung auf der ganzen Linie siegt — ein Rest jenes älteren Zustandes wirkte höchstens darin nach, daß man die Terzen als „unvollkommene Konsonanzen" oder als solche geringeren Grades bezeichnete — daß das tatsächlich nicht zu sein braucht, haben wir oben nachgewiesen. Man hat nun lange in der Wertung der Terz als Dissonanz einen „Irrtum" mönchischer Theorie sehen wollen, gegen den sich dann die „Wahrheit" dank der unvoreingenommenen Praxis durchgesetzt hätte. So ist es aber nicht gewesen. Sondern solange die Terz als Dissonanz galt, benutzte man tatsächlich die dissonanten Terzen 64 / 8 1 und 27 / 32 des pythagoreischen Systems, während im Augenblick der Konsonanzerklärung die Terzen 4 / 5 und 5 / e der reinen Stimmung benutzt wurden. Es handelt sich also nicht um einen Erkenntnisfortschritt, sondern um einen Wechsel des Tonsystems, den wir noch heute als Geiger unbewußt vornehmen, wenn wir z. B. in der Folge (etwa eines Streichquartetts)
ffJ das h als Leitton recht hochsal, nach c führend intonieren — wir nehmen es nicht als h~ l sondern als h° vor c°. Würden wir im Schlußklang das e als e° (statt richtig konsonant als e- 1 ) greifen, so würde diese „spannende" Dissonanz eine Weiterführung nach F dur nahelegen. Mit den S e k u n d e n und ihrer Umkehrung, den Septimen, gelangen wir in den Bereich der unbezweifelbaren
54
Intervalle und Akkorde
Dissonanzen; doch kann man sagen, daß im allgemeinen die g r o ß e n Sekunden und kleinen Septimen mildere, die k l e i n e n Sekunden und großen Septimen schärfere Dissonanzen darstellen. Als Hauptbeispiel stellt die Dominantseptime (in C dur g—f) nebst ihrer Umkehrung im Sekundakkord f g h d eine milde Dissonanz dar — v i e l l e i c h t in Anlehnung an die Tatsache, daß die systemfremde Naturseptime über C, der 7. Oberton i (s. o. S. 38 f.) durch den fast völligen Fortfall von reibenden Schwebungen (akkordfremden Differenz- und Summationstönen) fast konsonant wirkt. Für den Dissonanzgrad der Sekunden und Septimen ist die Frage, ob großer oder kleiner Ganzton, einigermaßen unerheblich, da das syntonische Komma mehr über die Zugehörigkeit zum Tetrachord als über den Spannungsgrad etwas aussagt (man blicke aber von hier auf das Problem der dissonant intonierten Quinte d° a - 1 im Reinen System, o. S. 40 f. zurück). Einen Sonderfall stellen schließlich noch verminderte Quinte und übermäßige Quarte (in C dur h—f und f—h) dar: Intervalle mit der Bezeichnung „vermindert" und „übermäßig", die trotzdem nicht durch chromatische Alteration, sondern rein diatonisch aus Stammstufen zustande gekommen sind, Dissonanzen milden Grades und dennoch von starker Zwingkraft der Auflösung, da sie, wie später zu zeigen sein wird,nichtnur einen, sondernsogar zwei Leittöne besitzen1):
Alle weiteren Dissonanzen sind A l t e r a t i o n e n , d. h. ursprünglich diatonische Tonabstände, bei denen der eine oder andere Bestandteil oder sogar beide durch chromatische Halbtonveränderungen abgewandelt worden sind. Wir geben das von C dur aus in Tabellenform: Vgl. meinen Vortrag D i a b o l u s in m u s i c a in der Wiener Zs. ,,Musikerziehung" 1953.
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Viertes Kapitel: Tongeschlechter, Tonarten, Tonleitern 1. Dur und Moll Wie die Terz als große und kleine eine zweigeschlechtige Konsonanz darstellt, so werden durch sie auch die Dreiklänge zweigeschlechtig. E s war gezeigt worden, daß sie die Quinte „harmonisch" in eine große und eine kleine Terz unterteilt — dabei kann die große Terz unten und die kleine oben liegen (Dur) oder umgekehrt die kleine unten und die große oben (Moll). Beides „beweist sich" in der Obertonkette als „naturgemäß", ζ. B . im Oberklangprisma von C als 4., 5., 6. Teilton c' e' g' (Dur), aber ebenda auch als 10., 12., 15. Teilton e " g " h " (Moll).. Daß der Durdreiklang just hier einen gewissen Vorzug genießt, belegt die Tatsache, daß er „im Grundakkord" liegt und bereits mit weit elementareren Obertönen dargestellt wird, während der Mollakkord nur als „Mediante"*) und erst mit Zahlen von höherer Ordnung auftritt. *) So nennt man den tcrzverwandtcn Moll-Dreiklang zwischen Dur-Tonllca und Dur-Dominante.
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Dur und Moll
Im Fall von Dur hat die Terz etwas Emporstrebendes, im Fall von Moll etwas Lastendes. Stellt man dazu noch die zwei Alterationsformen des Dreiklangs, nämlich den übermäßigen aus zwei großen Terzen, die eine übermäßige Quinte ergeben, und den verminderten aus zwei kleinen Terzen, die eine verminderte Quinte nach sich ziehen, so ist es nicht schwer, schon Schulkindern den Gefühlswert dieser vier Gebilde zu verdeutlichen, wenn man sie als Häuser darstellt, deren Erbauer oder Bewohner damit je ein Temperament verkörpern : Moll mm 7 ? i ' ^ v e r m i n d e r t lllll i i ü l ' e TTTTTiTfl I l_|_l ι *es l l | l l | I t n n h es
Dur lllll
Uli
Optimist i.örenzen
Pessimist i.örenzen
optimist, pessimist, Verschwender Knauserec
„Dur" nennen wir dasjenige Tongeschlecht, dessen Grundstufe der Dreiklang mit großer Terz regiert, also C dur mit dem Grundakkord c e g; bei „Moll" ist der Dreiklang der Grundstufe einer mit kleiner Terz, also von C aus c es g, daher c moli genannt. Ist dies die Ableitung des „gleichnamigen" Moll aus dem „Variantenverhältnis", das der Verwandtheit zwischen Bruder und Schwester ähnelt, so empfiehlt sich in anderer Weise die Ableitung aus den Beziehungen C dur— a moll, das Verhältnis der „Parallelität", das demjenigen von Mann und Frau ähnelt; statt des gleichnamigen Moll ist es
(Parallele)
(Mediante)
gleiche Vorzeichnung
gleiche Obertonreihe
(Gattin)
(Stiefmutter)
fmoll (Mollunterdom.) Untertonreihe (Tochter)
(Variante) gleicher Tonikarahmen (Schwester)
3 Moser, Alls. Musiklehre
dmoll (dorisch) (Subdom.-Parallele) (Schwiegertochter)
66
Tongeschlechter, Tonarten, Tonleitern
das der gleichen Vorzeichnung, es entwickelt seinen Grunddreiklang als terzverwandt auf der 6. Stufe der nächst zugehörigen Durtonleiter. Zur Erläuterung dieser Verwandschaftsvergleiche, die ebenso die Funktion einzelner Akkorde wie die Beziehungen der Nachbartonarten betreffen und so zugleich der Modulationslehre vorarbeiten: die Kette der fallenden Quintbeziehungen läßt sich der Abfolge von Generationen parallelsetzen, wobei aus jedem Durdreiklang (Vater), der sich in einen Dominantseptimenakkord verwandelt, sowohl ein Durdreiklang (Sohn) als auch ein gleichnamiger Molldreiklang (Tochter) entstehen kann — im Durmollreich kriegen sozusagen die Väter selbst ihre Kinder! T = Tonika, D = Dominante, S = Subdominante (Unterdominante). Die Dominante steht auf der 5. Stufe oberhalb des Grundtons (V), die Subdominante auf der 5. unterhalb, die durch Oktavversetzung zur 4. oberhalb des Grundtons (I) wird (IV).
F dur (und f moli) haben also zum Vater C dur (Dominante), zum Großvater G dur (Doppel-Öberdominante oder Wechseldominante, DD) ; F dur hat zu Kindern Β dur und b moli (Unterdominanten), zu Enkeln Es dur und es moll (Subsubdominanten, SS) usw. Zur Festlegung von C dur in seiner Mittelpunktsfunktion als „Tonika" (sozusagen als Träger einer Familie), genügt eine Zusammenstellung von drei
67
Dur und Moll
quintverwandten Dreiklängen, aus der unzweifelhaft hervorgeht, daß Cdur (T) im Gleichgewicht steht zwischen seinem „Vater" G dur (D) und seinem „Sohn" F dur (S) bzw. ssiner „Tochter" f moll — also:
i
(D) V
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I
IV (S)
(Τ)
oder in seine harmonische Kreisform gebracht:
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IV I
kürzer
t tè Γ
Melodisch aufgereiht, ergibt das eine Tonleiter mit übermäßiger Sekunde f—gis, die „harmonische" Molltonleiter NB
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NB
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fr.f ¿-—IIö VIVII
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VIIVI
Man kann den „schwierig zu treffenden" alterierten Schritt zwar durch Anordnung
È
Tongeschlechter, Tonarten, Tonleitern
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vermeiden. Verlangt man aber, daß die Tonleiter vom Grundton zur Oktave reichen solle, so hilft die (1754 von Linigke konstruierte) „melodische" Molltonleiter, die aufwärts zugunsten der hohen Septime auch die Sexte erhöht (dorisch, s. u.) und abwärts zu Ehren der tiefen Sexte (äolisch) die Septime erniedrigt, nämlich: NB NB
Ü
NB NB
I
^
Daß der z. B. J . S. neben der Moll-Skala
Gebrauch zuvor kräftig geschwankt hatte, zeigt Bachs d moll-Violinkonzert (um 1720) : es bringt äolischen Form auch die abwärtssteigende (!) mit erhöhter (!) Sept und Sext: NB NB
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Ü
-0-
G
NB NB
-FTFRFSJTFL^I^E^ (ebenso auf g- und a-moll)
Eine besondere Auswuchsform ist die — tatsächlich in Indien und Griechenland begegnende — Molltonart mit zwei übermäßigen Sekunden, das „Zigeunermoll":
FTJ JJTIJ V R I F W ^ J
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Kurze Erörterung darf hier die „duale Molltheorie" verlangen, da sie eine ganze Reihe von Musiktheoretikern (von Gios. Zarlino, Ende des 16. Jahrhunderts, bis zu Hugo Riemann) beschäftigt hat. Es ist zu verstehen, daß gegenüber einer allzu einseitig „monistischen" Auffassung, wonach Moll
Dur und Moll
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in allem nur ein durch erniedrigte Terz nuanciertes Dur sei, das Bestreben sich regte, Moll als neben Dur völlig gleichwertig stehendes Geschlecht nachzuweisen, und eine wirklich musikpsychologisch ausgerichtete Theorie wird dies auch ohne weiteres aus der musikalischen Erfahrung entwickeln können. Glaubt man dagegen, zur „Rechtfertigung" des Dursystems physikalistisch die Obertonreihe heranziehen zu müssen, so bedarf es zu einer gleichwertigen „Begründung" von Moll (als aus einem Reihenkeimton entspringend) der Untertonreihe (s. o. S. 68). Aber abgesehen davon, daß deren reale Existenz bestritten ist, wird dadurch die Quinte im Molldreiklang zum Hauptton (Riemann bezeichnet demgemäß etwa den a mollDreiklang als „Unterklang von e"); und wenn auch zugestanden werden mag, daß in einer echt äolischen Kadenz beide abwärtsgehenden Leittöne in die Quinte münden: dualistische Mollkadenz
monistische Mollkadenz
— so wirft doch eben die Tatsache, daß wir auch in Moll den Gründton als Hauptbestandteil des Dreiklangs hören und in erster Linie verdoppeln, die ganz schöne Spekulation vom „Trauerweidencharakter" (Moritz Hauptmann) des dualen Moll über den Haufen. Doch wie gesagt: auch ein „generalbaßmäßig" gehörtes Moll kann als echtes und gleichberechtigtes Tongeschlecht wie Dur völlig aus der Erfahrung bestehen. Während bisher möglichst alle Intervall- und Kadenzerörterungen im vorzeichenlosen Gebiet von C dur und a moll erläutert wurden, können diese Erscheinungen genau so auf elf andern Tonhöhen vorkommen; dank doppelter Benennung (Spaltung der enharmonischen Gleichsetzung) sind insgesamt rund je 24 Dur- und Molltonarten denkbar, die man aber auf bloß je 15 einzuschränken pflegt (keine Vorzeichnung, 1 bis 7 Kreuze, 1—7 Been), nämlich:
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liedes „Uns ist aus alten Mären — Wunders viel geseit —"), so begegnen auch viele Dichtungeu und Melodien mit z w e i e r l e i Akzentstärken: H a u p t - und Nebenbetonungen (— und —); z . B . das alte Volkslied : „Es ist nicht lang, daß es geschah, daß man den Lindenschmidt reiten sah" usf. Derartige Verse ergeben zusammengesetzte Taktarten: den 4 /i-Takt /
(Zeichen
der
ursprüngliche Halbkreis C) 4
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4
bei Formatvergrößerung / 2 , bei -Verkleinerung / 8 -Takt, und der e / 4 -Takt ( e /i oder e / 2 selten, nur in alter Musik, z. B. von Heinr. Schütz, 6 /e sehr häufig): β/4
J
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3
e
/ 4 - und
e
/¡¡-Takt wird oft übersehen: beim / 4 -Takt sind das erste und das vierte Viertel betont, beim 3 / 2 -Takt sind das 1., 3. und r j. Viertel schwerer als das 2., 4. und 6. Viertel:
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3/2
J J J J j J
Es begegnen auch hier „Auftaktmotive" ; der C-Takt hat außer dem Volltaktmotiv 1 2 3 4 1 2 3 4 Ju - das" „Ach, du armer dreierlei Auftaktmotive: einzeitiger Auftakt : 1 2 3 4 1 2 3 4 noch so sehr" „Und dräut der Winter
106
Metrik und Rhythmik
zweizeitiger Auftakt: 3 4 1 2 3 4 1 2 „Gott des Himmels und der Erden" dreizeitiger Auftakt: „Vom Himmel hoch, da komm ich her« 2 3 4 1 2 3 4 1 Beim «/»-Takt begegnen außer dem Volltakt 1—5-zeitige Auftakte; ζ. B . der dreizeitige: 4 5 6 | 1 2 3· 4 5 6 |1 2 3 Dies ist ein Unterschied, den man be-achten muß
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Tan-zen und Sprin-gen, Sin-gen und
oder der fünfzeitige : 2 3 4 5 6
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Wilhelmus von Nas-sáu-en bin ich, von deutschem Blut Es begegnen noch größere Taktarten: als 3 x 3 der "/*-. */»und ' / „ - T a k t , als 2 x 4 der 8 / 4 -Takt (meist als 4 / 2 gescluieben), ζ. B . mit fünf zeitigem Auftakt: Chr. Konst. Dedekind (1657).
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Wir sind ein Traum der Zei-ten,
ein Bild der Èi-tel-fcei-ten usw. Ferner der u / 8 - T a k t (seltener, bei Bach, auch u / i e ) , als Sizilianentakt vom Volkstanz her ausgewiesen, berühmt ζ. B . der Einleitungschor zu Bachs „Matthäuspassion" ¿Kommt ihr Töchter, helft mir klagen".
Metrik und Rhythmik
107
Sind die hier aufgeführten „Taktmotive" im wesentlichen silbengleich („isometrisch") und dadurch rhythmisch nicht sehr scharf ausgeprägt, so beruht die Eindringlichkeit rhythmisch betonter Symphoniethemen u. dgl. meist auf kräftigen Längenunterschieden („polymetrischen" Motiven) und energischen Akzenten, die sich bereits als Klopfmotive noch ohne Melodie- und Harmoniezugabe ziemlich eindeutig herausheben, so etwa
* mi 1_U' m iJiL_u für den Beginn von Beethovens 5. Sinfonie*),
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J ι J. J ι Jj j J ι j
für den Anfang seiner 3. Leonorenouvertüre oder
J ¿•'«M J j h für die „Egmont"-Ouvertüre,
j j. /ι πι /i nun|j j ¿ für Schuberts „Unvollendete" oder
Vsi Vs> V4 u s w · s i n d dem Akzenttakt zugewiesen.
Achtes Kapitel: Stärkegrade und Zeitmaße. Die in der Musik üblichen dynamischen Bezeichnungen, deren international gültige Prägung in italienischer Form an den musikalischen Primat dieses Volkes während des 16. bis 18. Jahrhunderts erinnert, wurden schon gelegentlich der Notenschrift aufgereiht. Hier gilt es, kurz ihr Wesen darzulegen. Zu unterscheiden ist zunächst zwischen Klein- und Großdynamik: erstere auf die „Silbe" und das „Wort", rein musikalisch gesprochen auf die Einzelnote und das Kurzmotiv bezogen, letztere auf den musikalischen „Satz" und noch weiträumigere Bildungen angewandt. Hinsichtlich der musikalischen S i l b e n d y n a m i k lassen sich vielerleiFällefcststellen: dynamisch unbewegte, anschwellende, abschwellende, an- und abschwellende Töne, graphisch dargestellt:
Ausdrucksmäßig ist Fall 1 als „neutral" und an sich ausdruckslos zu bezeichnen — so auf der Orgel; dem am nächsten kommt Fall 3 als von normaler Häufigkeit, weil schon vom verhallenden Klavierton her dem Ohre nah vertraut. Fall 2 und 4 dagegen bedeuten eine zur Aufmerksamkeit zwingende Hervorhebung: 2 wirkt „Blut ziehend", „Spannung weckend", 4 „empfindsam", „aufgeregt". Als fünfter Fall wäre noch das dynamische Vibrato oder Tremolo zu verbuchen, also ein rasch wiederholtes Wechseln der Tonstärke: δ. Π Π ^ — das „echte" Vibrato freilich ist mehr ein solches kleinster Tonhöheschwankungen*). *) Vgl. H. J. Moser. Technik der deutseben Gesanggkunst (Sammlung Ooschen), Kap. II Β 1 „Anwendung der St&rkegrade".
114
Stärkegrade und Zeitmaße
Die S a t z d y n a m i k gabelt sich in zwei Haupterscheinungsformen: Gegensatzdynamik und Übergangsdynamik. Erstere ist vor allem eine Eigentümlichkeit der Barockmusik, und zwar wieder in zweierlei Typen: Echowirkung und Terrassendynamik, Die Echowirkung, der Natur abgelauscht und dann stilisiert, beruht auf plötzlicher Pianowiederholung einer soeben im Forte vorgetragenen Phrase — wenn gelegentlich sogar ein n o c h schwächeres zweites und drittes Echo erklingt (wie bei J·. S. Bach, W. A. Mozarts Serenade für vier Orchester), so steht man bereits vor dem einen Fall der Terrassendynamik: dem Decrescendo in mehreren Absätzen — der andere Fall ist das Crescendo in gleicher Form, nachgebildet vor allem der alten Orgel, die noch nicht das unmerkliche Anwachsen und Abnehmen des Klanges mittels Rollschweller und „Walze", sondern nur die schroffen Rucke durch Übergang vom einen zum andern und dem dritten Manual kannte ; das kontinuierliche Crescendo und Decrescendo über eine ganze Reihe von Takten hin ist der große neue Effekt der Mannheimer Orchester Schulung (um 1750) gewesen.
PP
Crescendo
u.decrescendo
pp
Nicht selten paart sich mit diesen Veränderungen der Stärkegrade, die von manchen Tonsetzern sogar bis zu vierfachem ρ und f verschärft werden, noch eine Beschleunigung oder Verlangsamung des Zeitmaßes. Doch sei betont: Keineswegs ist
Stärkegrade und Zeitmaße
115
die so beliebte Koppelung von crescendo mit accelerando (stringendo), von decrescendo mit ritardando (calando) das alleinseligmachende Vortragsrezept. Die gewünschte große Ausdruckssteigerung, die dynamisch durch kontinuierliches Anwachsen der Tonstärke bewirkt werden soll, wird oft gerade durch eine V e r b r e i t e r u n g des Pulsschlages (allargando) weit sicherer als durch seine Beschleunigung erreicht. Die Z e i t m a ß e (Tempi) stellen aber auch unabhängig von der Dynamik ein hochwichtiges Gebiet der allgemeinen Musiklehre dar, wie es bei einer Kunst, deren Hauptdimension der Zeitablauf ist, nicht wundernimmt. Wie entscheidend für die Wirkung eines Tonwerkes die Ausführung im „richtigen" Zeitmaß ist (tempo giusto schrieb man im 18. Jahrhundert nicht selten vor), lehrt die Beobachtung, daß nichts den Zuhörer im Konzert so unlustig und ermüdend stimmt, als wenn ein für sein Gefühl zu rasches oder zu langsames Zeitmaß es ihm versagt, „innerlich mitzumachen". Wie R. Schumann sagt: „Schleppen und Eilen sind gleichgroße Fehler". Auch sitzt dem ausübenden Musiker für ein bestimmtes, von ihm beherrschtes Stück das Zeitmaß meist so sicher, daß er es fast jedesmal in genau der gleichen Zeit wiedergibt. Zu unterscheiden sind am besten wohl relative und absolute Zeitmaße, d. h. erstlich die kleinen Veränderungen des Bremsens und Beschleunigens, an zweiter Stelle die gegensätzlichen Tempi als solche. An relativen Tempo-Veränderungen seien genannt: 1. die Elastizität des Vortrage, die man als Agogik bezeichnet: jenes An- und Abebben in kleinsten, kaum faßbaren Gefühlswellen, das gegenüber dem starr metronomischen Vortrag erst den Ein druck menschlicher Beseelung erweckt und den KünstlerInterpreten vor dem seelenlosen Stümper auszeichnet. Freilich darf solche Freiheit nicht ausarten, gemäß dém Satz in R. Schumanns musikalischen Haus- und Lebensregeln: „Das Spiel mancher Virtuosen ist wie der Gang eines Betrunkenen. Solche nimm dir nicht zum Muster!' Eine besondere Form der Agogik ist das Tempo rubato — eine freie und zugleich ausdrucksvolle Art des Melodievortrags, der gegenüber die Begleitung doch möglichst im normalen Gleichschritt verbleiben soll, wie denn überhaupt als unge-
116
Stärkegrade und Zeitmaße
schriebenes Gesetz gilt : daß jedem kleinen affektvollen Voranstürmen eine Verbreiterung auf dem erreichten Höhepunkt möglichst das Gleichgewicht halten soll: Ritardandi dienen vor allem zum Einfädeln neuer Absätze, des Übergangs von einer Ton- oder Taktart zur andern und zum Einlenken in den Schluß. Doch werde auch hier vor jedem Zuviel, das leicht phrasenhaft, überpathetisch wirkt, eindringlich gewarnt. Nun zu den unterschiedlichen Zeitmaßen selbst. Hier kann man nicht von absolut feststehenden Werten sprechen, vieles bleibt Gefühl! Auch schon in der Wahl des Verhältnisses von Mensur und Tempo seitens des Komponisten; denn an sich macht es für das Klangergebnis kaum einen Unterschied, ob man schreibt: Moderato
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Presto
oder
Adagio molto oder Doch dem graphischen Bilde wohnt jeweils ein anderer, subjektiver Gefühlswert inne, der schon mit dem gedachten Verhältnis zu den Zählzeiten zusammenhängt. Von den drei vorstehenden Notierungen macht die erste den Eindruck gelassenen Schreitens, die zweite den des Überfliegens, die dritte den des Grübelns und eines bloßen Themenbruchteils. Der Mechaniker Joh. Nep. Mälzl aus Regensburg (1772 bis 1838), in Wien mit Beethoven befreundet, erfand 1816 sein „Metronom", ein durch eine Feder angetriebenes Pendel mit
Stärkegrade und Zeitmaße
117
auf einer Skala verstellbarem Gewicht, das so in gewünschter Geschwindigkeit die Zählzeiten hörbar macht. Wenn Komponisten neben der Tempoangabe („Andante" u. dgl.) noch MM ¿J = 60 schreiben, so heißt das : auf dem Metronom Mälzl stelle man für die Halbe die obere Kante des Gewichts auf die Ziffer 60 ein. Diese Ziffer bedeutet die Anzahl der Schläge in der Minute; also heißt ζ. B. = 120, daß jedes Achtel eine halbe Sekunde lang sein soll*). Die wichtigsten Tempobezeichnungen sind: Larghissimo Adagissimo Sehr langsam, so breit wie möglich: Langsam, breit Adagio Largo Etwas langsam, etwas breit Larghetto Poco adagio Sehr gemäßigt Molto moderato Gemäßigt Moderato Ruhig gehend Andante Gehend Andantino Poco allegro, Allegro moderato Etwas schnell, mäßig rasch Rasch Allegro**) Sehr rasch Allegro molto Äußerst schnell Presto So schnell wie möglich Prestissimo Ob man Largo oder Adagio wählt, ist halb Gefühlssache, halb Überlieferung; im allgemeinen nimmt man Largo bei 3 /¡¡- und e /i-Takt und bei geringer Unterteilung der Zählzeiten, Adagio dagegen bei Ç - Takt und verwickelten Zierwerten (etwa 32stein); es wurde schon oben S. 22 angedeutet, daß geschichtliche Traditionen bei der Wahl des Mensurformats eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Man kann nicht einmal eine eindeutige Reihenfolge der Tempo-Namen nach Schnelligkeiten geben, da es immer noch erst darauf ankommt, auf welchen Mensurwert als Zählzeit sich das Zeitmaß beziehen ·) Man kommt daher auch zur Not mit dem Sekundenzeiger einer Taschenuhr aas. Indem man die Schläge während einer halben oder ganzen Minute zählt. • *) Die ursprüngliche Auadrucksvorschrift „munter, beherzt", ist sehr bald völlig zur Tempoangabe geworden, weshalb aus Presto, das ursprünglich bloß „rasch" heißt, ein entsprechend gesteigertes „sehr schnell" werden muBte.
Stärkegrade und Zeitmaße
118
soll. Selbstverständlich bestellt ein großer Unterschied, ob bei einem Andante ^/g-Takt das „ruhig gehend" auf das oder das J . bezogen ist, ob bei einem Allegro φ, wie es die Wiener Klassiker in ihren Streichquartetten gern notieren, das „rasch" für die Halben oder für die Viertel gemeint ist. Wenn im Presto meist Taktganze als Zählzeit gelten, so kann für diese "wieder eine höhere Takteinheit darüber gebaut werden; etwa im Scherzo von Beethovens 9. Symphonie bedeutet „ritmo di tre [bzw. di quattro] battute", daß man immer drei [bzw. vier] Prestotakte zu einem drei- oder vierschlägigen Großtakt zuammengefaßt zu denken habe: Presto | J ? L ·1
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Ein Fall, wo die Zählzeit sogar bis auf das Sechzehntel verlangsamt erscheint, ist Beethovens Lied „Wonne der Wehmut" (Goethe): „Trocknet nicht, Tränen der ewigen Liebe". Das allmähliche Verlangsamen in der Abfolge der Zählzeiten wird durch jitardandç (ital. = zurückhaltend)) oder allargando (verbreiternd), bei Übergängen auch durch calando ausgedrückt, die Beschleunigung durch accelerando ( = schneller werdend) oder stringendo ( = straffend), wozu noch ein poco ( = „etwas") oder molto ( = „sehr"), ein poco a poco („allmählich") oder subito ( = „plötzlich") treten kann. Die Bremsbewegung kann bis zu völligem Stillstand gelangen, zur Fermate („Haltepunkt"), deren Zeichen die Corona ist ; bei langem Halt wird auch noch lunga hinzugesetzt. Die gelegentlich anzutreffende „Kegel", die Fermate verlängere den Wert, bei dem sie steht, um die Hälfte, ist doch allzusehr mit
Melodik
119
dem Zimmermannszoll gemessen, als daß man sie verallgemeinern dürfte. In manchen Fällen verbreitert die Fermate nur um eine Winzigkeit (man könnte statt ihrer dann einfach poco tenuto = „etwas langgehalten" setzen), in andern Fällen wird der Wert durch sie um so mehr als das Doppelte verlängert. Die Hauptsache aber ist: die echte Fermate ist ein irrationaler Wert, sie läßt sich (man denke an den Beginn von Beethovens fünfter Symphonie) nicht genau austaktieren, und psychologisch beruht ihre Wirkung eben darauf, daß während ihrer Geltung der innerliche Pulsschlag nicht weiterklopft, sondern aufgestaut wird („jetzt steht die Welt still!"). Es gibt allerdings, z. B. bei Brahms, auch falsche Fermaten als bloße Abkürzung längerer realer Notenwerte (z. B., um die Notierung eines Taktwechsels zu ersparen). Auch ist die Zeilenendfermate in m a n c h e n Kirchenliedern (nicht in allen, und auch dann jeweils nach dem Textsinn, der Interpunktion usw. wechselnd) mehr Atemeinschnitt als Verlängerungszeichen. Wenn irgendwo, dann zeigt sich beim Ausführen von Fermaten, ob ein musikalischer Interpret Einsicht, Geschmack, Fingerspitzengefühl besitzt oder nicht.
Neuntes Kapitel: Melodiebildung und Verzierung 1. Melodik Die Melodiebildungslehre ist die bisher wohl am schwächsten ausgebildëte Teildisziplin der Musiktheorie, obwohl sie eines der allerwichtigsten Gebiete betrifft; diese Vernachlässigung erklärt sich aus der pädagogischen Schwierigkeit, hier lehrbare Kegeln aufzustellen, und aus dem starken zeitstilistischen Wandel gerade der Meloaietypen. Gleichwohl lassen sich einige Grunderscheinungen als Anhalte herausheben, deren Beachtung möglich und ratsam ist. Zwei Haupttypen sind zu unterscheiden: echte Linearität und DreiHangsmelodik. Erstere, deren wichtigstes Element die auf- und absteigende Sekunde ist, so daß sie sich dem Modell der Tonleiter nähert, beherrscht vor allem die mittel-
120
Melodiebüdung ynd Verzierung
alterliche Melodik und kennzeichnet den „gregorianischen Gesang" der katholischen Priester mit ihren Kirchentonarten; in der anderen Art überwiegen Terzen-, Quarten- und Quintsprünge, während die Sekunden mehr bloß als Ausfüllung dieser größeren Intervalle wirken, und sie beherrschen zumal die neuere Literatur. Doch kommen erstere Typen auch in der neueren Musik vor und letztere in der älteren, wie folgende Beispiele zeigen mögen: S c h r e i t e n d e und g l e i t e n d e Melodik. Hymnus (gregorianisch), deutsch v. Luther.
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Hugenottenpsalm 42 (1551).
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121
Melodik Beethoven, Violinkonzert, •y
S p r i n g e n d e ( D r e i k l a n g s - ) Melodik. Engl. Tanz 13. Jahrhundert.
^jjVrTJp;iJj77Tj7n 14. Jahrhundert.
Jo - seph, lie - ber hilf mir wiegn mein
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15. Jahrhundert. j v t
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Jo - seph mein, \ Kin - de - lein. ^
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f E - ber - H, du bist so gar ein gu - ter Mann, 1 Ί wenn du trinkest, so legst du E-ber-lisBunt-schuhan, / 16. Jahrhundert.
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122
Melodiebildung und Verzierung
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Zu letzterem Typ gehört außerdem die gesamte Schnadahüpfl· und Jodlermusik der Älpler, die in Nachahmung des Alphorns entstanden sein mag. Zu den Qualitäten einer guten Musik gehört, daß sie nicht planlos zwischen Höhen und Tiefen hin- und herfährt, sondern daß große, ruhige Kurven und langsam zielende Steigerungen herauskommen. Dafür sind besonders die S p i t z e n t ö n e zu beachten, z. B. bei diesem (etwas vereinfachten) Lied-TenorCantus firmus von Paul Hofhaimer (1459—1537):
3 Ach ed - 1er Hort, ver-nimm mein Klag, die' ich sehn+
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Im
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Melodik
123
Außer der feinen Steigerung der Spitzentöne zeigt diese g dorische Weise auch noch eine andere Vortrefflichkeit der Melodiebildung: reichliche Abwechslung der Kadenzwege: g dorischen, b lydischen, d äolischen, f ionischen Zeilenschluß usf. (vgl. dazu oben S. 79). Eine dritte Qualitätserfordernis ist — und nicht nur für Kernliedweisen, sondern auch für jeden hochwertigen Gegenkontrapunkt — das rechte Auspendeln der Bewegungen*), so daß jeder ansteigenden eine entsprechende abfallende Energie die Waage hält. Zwei kurze Beispiele müssen hier genügen, ein zwei- und ein dreiteiliges: J..S. Bach, Invention 8:
Mozarts Figaro, Arie Nr. 9: 1
»-fy ι f Tj-f
rj
ι r^r
Zu dieser Forderung des melodischen Gleichgewichts gehört auch seit alter Zeit, daß eine Melodie nicht von einem auf*) Vgl. meinen Aiifaatz „Das Gesetz des melodischen Gegenstoßes" Im Jahrbuch der Akademie für Kirchen- und Schulmusik, Jahrgang IV (1931. B&renreiterverlag) S. 13ff.
124
Melodiebildung und Verzierung
lösungsbedürftigen Spitzenton absacken darf, daher die Regel, man solle den Tritonus im Nacheinander vermeiden, indem man das h als Spitzenton im dorischen Hexachord zu b erniedrigen solle (siehe auch o. S. 77).
Gleichwohl können neuere, bewußte Verstöße dagegen reizvoll sein, etwa bei J. S. Bach die plötzliche Oktavversetzung abwärts für den Auflösungston (Heterolepsis) und bei Gluck umgekehrt aufwärts, was als kapriziöses Rokoko wirkt. Über eine vierte Anforderung, das „Gesetz der unabgebrauchten Tonstufe" (H. J. Moser) wird anderwärts zu handeln sein (Musikästhetik, S. Göschen Nr. 344). Zur Frage des melodischen Stils gehören auch —· oder gehörten ehedem, denn heut heißt es meist „Erlaubt ist, was gefällt" — Verbote gewisser Tonschritte wie der alterierten Intervalle, in „strengem" Stil sogar der großen Sexte und Septime aufwärts oder zweier Quarten in gleicher Richtung als vermeintlich „ungesangliche" Zumutungen. Nun hat man allerdings schon seit Jahrhunderten beobachtet, daß Vokalund Instrumentâlstil sehr unterschiedliche'„Schwierigkeiten" bieten, und die Sänger haben von den Spielern Schritt für Schritt lernen müssen, angeblich Untreffbares zu treffen; manche vermeintliche Úngesanglichkeit beruht aber auch auf Aberglauben — wenn man die gehörigen harmonischen Vorgänge in der Fantasie ergänzt und unterstellt, gelegentlich auch eine enharmonische Verwechslung vornimmt, so kann man Kühnstes bewältigen. Wie umgekehrt auch mancher angeblich ganz einfache Schritt durch die Begleitstimmen oder den Akkordwechsel sehr schwierig werden kann. Die Melodiebildung stellt aber noch weitere Erfordernisse; so die rechte Einsetzung der Motive, damit diese glücklich kontrastieren ; die Vermeidung ermüdender Motivwiederholungen — andererseits kann an großmetrisch geeigneter
Melodik
125
Stelle solche Repetition gerade äußerst wirksam steigern, ζ. B . Brahms, 1. Sinfonie, Finale: Stollen 1
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Diese wundervolle Melodie von 17 Takten (16 mit Schlußüberziehen auf den nächsten Schwerpunkt) hat einen „Aufgesang" von 8 Takten aus Halbschlußstollen und Ganzschlußstollen; der „Abgesang" gewinnt seinen Fortspinnungszug ge-
126
Melodiebildung und Verzierung
rade durch das „Ankochen" des dreimaligen NB-Motivs, nach dem die Akzentnote prächtig zu rhythmischer Gegenenergie umschaltet, wie man hier überhaupt die Gruppierung der rhythmischen Kleinmotive studiere, die mit a bis c bezeichnet sind. Übrigens ist dieses Geigen-Unisono ein Beispiel für den entgegengesetzten Fall, daß der Vokalstil auf den instrumentalen bestimmend eingewirkt hat als eines der berühmtesten cantabile — eine wahrhaftige „Kantilene". 2. Ornamentik
Die Melodie ist nicht nur Aus Wirkungsstelle des ruhig fließenden, schlicht-edelen Gesanges in breiten Noten, sondern zugleich der Ort, wo ornamentaler Spieltrieb und das Bedürfnis, die Linie zu leidenschaftlicher Unruhe auswellen zu lassen, zu reichem Zierstil geführt haben: so dem organistischen und lautenistischen „Reißwerk" des deutschen 15. und 16. Jahrhunderts, wie es dem spätgotischen Gestaltungswillen, aber auch beim rasch verhallenden Ton der Zupfinstrumente einschl. Cembalo der Notwendigkeit öfter wiederholter Klangerneuerung Genügetat. Größtenteils wurden diese „Manieren" von Barock und Rokoko, da sie typisch wiederkehrten, nicht ausgeschrieben, sondern mit konventionellen Zeichen angedeutet, deren Ausführung heute wieder aus den grundlegenden Quellenwerken*) gelernt werden muß, um die Werke von Meistern wie Bach, Couperin, Rameau nicht stilwidrig darzustellen. Immerhin bleibt zu erwägen, daß bei der Wiedergabe auf dem modernen Konzertflügel manches Ornament überflüssig erscheint, das auf dem klangarmen Clavichord (Tangentenklavierchen) des 17. und 18. Jahrhunderts dringend erforderlich war. Im folgenden sollen nur wenige Andeutungen Platz finden über: ·) Am wichtigsten : J. J. Quantz, Versuch einer Anweisung, die Flöte traversière zu spielen (1752 U.S., Neudruck von A. Schering 1906) : Ph. Em. Bach, Versuch über die wahre Art. das Klavier zu spielen (1753 u. ö., Neudruck von W. Niemann (1906) : Leopold Mozart, Violinschule (1756 u. ö., Neudruck von H . J . M i s e ' 1955). Vgl. auch Ad. Beysehlag, Musikalische Ornamentik (1907) ; E. Dannreuther Im Bachjahrbuch, 1909, H. J. Moser im Baohjahrbuch 1916.
Ornamentik
127
1. den Triller, Pralltriller und Mordent, 2. den Vorschlag, Doppelvorschlag und Doppelschlag, 3. den Nachschlag. Der Triller ist der mehrmalige rasche Wechsel eines Haupttons mit seinem oberen Nebenton (Ganz- oder Halbton). Über den Grad der Schnelligkeit des Wechsels entscheiden Charakter und Tempo des Tonstückes. Gefordert m i d der Triller durch die Zeichen: tr, tr — . welche über die Hauptnote zu setzen sind. In früherer Zeit begann man das Trillern stets mit dem oberen Nebenton, während es seit etwa 1800 Sitte geworden ist, mit dem Hauptton anzufangen. Soll der Nebenton chromatisch verändert werden, so kommt das für denselben bestimmte Versetzungszeichen über das Trillerzeichen zu stehen. Der Anfang mit dem Nebenton muß, falls er vorkommen soll, durch eine Vorschlagsnote sich ankündigen. Auch die dem Triller angefügten Nachschläge werden regulär durch kleine Noten gefordert; doch sind manchen, namentlich längeren Trillern Nachschläge, auch ohne daß sie speziell vorgeschrieben sind, anzufügen, so im allgemeinen seit Haydn und Mozart. Schreibweise: Allegro.
MoOerato. tr-
κtr-
ir
r ¡j I Ausführung: Ë
Presto.
tr
tr
Ρ3
p-ß-
Pralltriller ist Bezeichnung für den. einmaligen raschen Wechsel der Hauptnote mit der oberen Nebennote. Den einmaligen raschen Wechsel der Hauptnote mit der unteren Nebennote nennt man Mordent. In beiden Fällen besteht die Verzierung also aus drei Tönen, von denen die beiden ersten rasch gespielt werden, während der letzte zu halten ist. Für den Pralltriller notiert man den Teil eines Trillers : ~ und fügt
Melodiebildung und Verzierung
128
beim Mordent noch einen senkrechten Strich bei: -v . Beide Zeichen kommen über der Hauptnote zu stehen. Versetzungszeichen über oder unter dem Zeichen bezieht sicli je nachdem auf den oberen oder unteren Nebenton. Mit der Ausführung der Verzierung wird auf demjenigen Taktteil, welchem die Hauptnote zufällt, begonnen.
Einige speziell der früheren Zeit eigentümliche Trillerzeichen und ihre Ausführung sind diese: Schreibweise : y •
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a r t n t t it Γ Τ Ί
Die Vorschläge wurden im Barock in Form von kleinen Noten, ohne welche der Takt in seinen Werten schon vollständig ist, vor die Hauptnote, die sie verzieren, geschrieben. Meist wird die Vorschlagsnote durch den unteren oder oberen Wechselton der Hauptnote gebildet. Mag der Vorschlag kurz oder lang sein, stets gelangt er in der Zeit, welche die Hauptnote zur Ausführung zu beanspruchen hat, zum Vortrag. Die Hauptnote muß deshalb um ebensoviel verkürzt werden. Der kurze Vorschlag wird mittels eines Querstrichs durch das Fähnchen der kleinen Vorschlagsnote kenntlich gemacht. Er beansprucht in der alten Musik nur einen geringen Teil des Wertes der Hauptnote.
129
Ornamentik
ν
Ausf.
Aitsf.
gj
LLsa
Heute (seit der Romantik) wird er auftaktig ausgeführt. Der lange Vorschlag entbehrt des Querstrichs. Häufig ist er in dem richtigen Notenwert, den er zu erhalten hat (als Viertel, als Achtel usw.), aufgeschrieben. Bisweilen ist er aber auch nur als Achtel oder Sechzehntel notiert, und .die sachgemäße Ausführung bleibt dem Geschmack und Geschick des Spielers überlassen. Regulär fiel ehedem bei einer zweiteiligen Hauptnote dem Vorschlag die Hälfte des Wertes derselben, bei einer dreiteiligen Hauptnote zwei Drittel zu. In dem Fall, daß der Hauptnote die Note derselben Tonstufe angeschlossen ist, erhält der Vorschlag den ganzen Wert der Hauptnote. Man sehe dazu diese Schreibweisen und Ausführungen: Schreibweise :
Mehrfache Vorschläge unterlagen derselben Behandlung wie einfache Vorschläge. Stets wurde durch sie die nächstfolgende Hauptnote verkürzt. Durch das Vorausgehen der unteren und oberen Nebennote vor der Hauptnote wird der Doppelvorschlag oder Anschlag gebildet: vgl. b). Folgen die Töne im Vorschlag stufenweise aufeinander, wie es c) zeigt, so spricht man von einem Schleifer. 5 M o s e r , AJIg. Musiklehre
130
Melodiebildung und Verzierung Schreibweise: a) b)
lj.nr I Ausführung:
c)
^—^
d)
\λ
Zur Bezeichnung des Schleifers wurde (etwa bei J . S. Bach) auch oder verwendet. Der Doppelschlag besteht aus vier Noten. Das Doppelschlagszeichen «\s wird entweder über oder zwischen die Noten geschrieben. Im ersteren Fall wird die Note, welcher das Zeichen überschrieben ist, verkürzt, im zweiten Fall die vorhergehende Hauptnote. Der Doppelschlag wird dann zum Nachschlag. Die Ausführung hat derart zu erfolgen, daß bei überschriebenem Zeichen obere Nebennote, Hauptnote, untere Nebennote und Hauptnote miteinander abwechseln. Die letzte Hauptnote ist länger als die drei ihr vorangehenden Verzierungsteile zu halten. Nur im lebhaften Tempo, wenn es unmöglich ist, auf den Tönen zu verweilen, sind alle vier gleich schnell zu spielen. Kommt es vor, daß der Hauptnote eine Note gleicher Tonhöhe vorangeht, so sind die ersten drei Noten wie im Nachschlag vor der Hauptnote zu spielen. F ü r Wiedergabe bei punktierten Noten wird verlangt, daß die Verzierung auf dem P u n k t beendet ist. Der Doppelschlag zwischen zwei Noten verkürzt wie ein Nachschlag die erste der beiden. Schreibweise: Moderato. Λ
•
CN3
Presto.
Ν
Ausführung :
tv
tv
Ornamentik Andante.
A
f l ^ f p i
131 Vivace,
c\9
fΊ*Γfr|*
'
1
b
Ν
ή ' g
Versetzungszeichen über oder unter dem Doppelschlagszeichen beziehen sich auf die obere oder untere Nebennote. Der Nachschlag ist das Gegenstück zum Vorschlag; er verkürzt mithin nicht die nächstfolgende, sondern die vorangehende Hauptnote. Die Beziehung zu dieser wird durch einen Bogen kenntlich gemacht. Ausführung. Ausführung.
ί
> m
.r Unvorbereitete, freie Vorhalte (freier Stil)
f ρ
É
>
-
i
^ u j g Ü
J
ι Β
Ist das Verhältnis zweier Stimmen so eingerichtet, daß sie ihre Höhenlagen auch gegenseitig ohne Schaden für die Satzreinheit tauschen können, so spricht man von „Doppeltem Kontrapunkt", ζ. B. (nach St. Krehl) :
-
ι r
-Jh
m
^
J
r J
H
Λ 1
ι
—
F
—
J
—
«Ρ· jL
η
i
M " * * C. f.|
•
ι
r -- t ^ - , ' - ¿ = = ^ 39 i f ι
. i
1 1 • y ι * f τ. Γ Y
1 -fU
138
Homophonie und Polyphonie
ψ—W r! ^ Tt r ψ—* Lei
-*r—J,
t =
=
td
1
u
Bei drei und vier derart gegeneinander vertauschbaren Stimmen ist von „dreifachem" oder „vierfachem Kontrapunkt' 'die Rede. Ist obiges Beispiel „in der Oktave" gearbeitet so gibt es auch Versetzungsmögfichkeiten in die None, Dezime, Undezime, Duodezime usf. Eines der wichtigsten kontrapunktischen Prinzipe ist das der N a c h a h m u n g (Imitation), d. h. das Wiederauftreten eines Gedankens in der Gegenstimme; wandert solch Motiv durch alle Stimmen, so spricht man von „durchimitierendem Stil" (so besonders seit dem großen niederländischen Komponisten Johs. Okeghem, f 1495 in Tours). Die Nachahmung kann völlig wörtlich und streng sein (d. h. unter Beibehaltung aller diatonischen Intervalle) oder in verschiedenen Graden frei : in anderer Tonhöhe und unter entsprechender Veränderung der Ganzund Halbtöne; noch freier, ζ. B. unter Erweiterung oder Verengerung einzelner Intervalle (wie bei der tonalen Fugenbeantwortung, s. u.), ja bis zu nur noch u n g e f ä h r ähnlicher Beibehaltung des Linienzuges. Ferner unter Beschleunigung oder Verlangsamung der Mensur (also in der Verkürzung oder Vergrößerung), in der Gegenbewegung, krebsgängig, als Spiegelbild usf. Beschränkt sich die genaue Nachahmung nicht bloß auf einen Motivkopf, sondern wird sie auf längere Strecken beibehalten, so spricht man von Kanon und kanonischer Schreibart (Kanon, griech. = Leitstab, Richtleite). Man unterscheidet Kanons im Einklang, in der Oktave, in der Ober- oder UnterSekunde, in der Ober- oder Unter-Terz usf., in der Vergrößerung, Verkleinerung, und in verschiedenen Abständen der Stimmen-Einsätze: diese können sich sehr eng (nach einer Zählzeit), aber auch sehr weit, ζ. B. erst nach 8 Takten folgen, so der Kanon im „Fidelio", den man schon eher als Cantus firmus-Variationskette bezeichnen kann. Man sehe etwa diesen
Homophonie und Polyphonie
139
Beginn eines 2 stimmigen Kanons in der Oberseptime nach zwei Takten mit einer dritten, freien Stimme (Krehl):
- *
»
=fct -), b o ( %J
V
k i , J
9\>
o
-β
-V-fe· —5—S:
«
Γ » J . r r Γ » -—I—I—L '
«
i-«
ο
t*—¡m—Γ
, * r Γ i l l 1 1 '
Eine freie imitatorische Form, in der ein oder zwei polyphon geeignete Motive etwa im Liedformrahmen mit fester Stimmenanzahl durchgeführt werden, ist die I n v e n t i o n (lat. = Erfindung), für die J . S. Bacìi die unvergleichlichen 2- (und 3-) stimmigen Muster geboten hat. Die wichtigste Gattung der polyphonen („vielsträhnigen") Musik ist die Fuge. Während der Quintkanon, strengstens durchgeführt, in zwei Tonarten verlaufen würde — J . S. Bach hat in der Tat solche Muster gegeben, so in der Kantate „Es ist dir gesagt" als Symbol des „Gehorchens" über das Kirchenlied „Dies sind die heil'gen zehn Gebot" —, beruht die Fuge auf dem Prinzip des harmonischen Pendeins zwischen Tonika und Dominante, besonders mittels des Kunstgriffs der „tonalen Beantwortung".
140
Homophonie und Polyphonie Der Quintkanon führt aus der Tonart weg:
i ψ* m
m
Die Fuge führt in die Ausgangsfunktion zurück:
ψττ
D
Während der wörtliche Quintkanon auf das Schema Quinte + Quinte = None zu bringen ist, gehorcht die tonale Beantwortung der Fuge dem Schema Quinte + Quarte = Oktave — es tauschen bei der Beantwortung (Comes, lat. = Gefährte) des Themas (Dux, lat. = Führer) die Funktionen Tonika und Dominante sich gegenseitig aus; oft sind mehrere Antwortformen möglich, nur dürfen bei der Zusammendrängung des Quintrahmens auf den Quartumfang nicht wesentliche Schritte verwischt werden; zu obigem Thema wäre also auch der Comes
denkbar. Bei vielen Fugenthemen, nämlich allen, die nicht ausgesprochen dominantisch auslaufen, ist jedoch die wörtlich genaue („reale") Beantwortung, also im genauen Quintkanon, geboten, etwa bei dem berühmten Thema Β—A—C—Η die Antwort F—E—G—Fis (oder auch, wenn die erste Form als Comes gedacht war, Es—D—F—E als Dux). Hat in der ersten „Durchführung" jede Stimme das Thema in der einen oder andern Form gebracht, während die andern
141
Homophonie und Polyphonie
Parte dazu kontrapunktierten, so kommen sie nach einem Zwischensatz in der zweiten Durchführung, die auch moduliert sein kann, jeweils mit der andern Themenform (möglichst auch in veränderter Reihenfolge der Stimmeneinsätze) zu Wort; in einer dritten oder auch vierten Durchführung steigert man gern das polyphone Gewebe durch „Engführung", d. h. durch Einsetzen der Antwort in engerem Abstand. Oft sind da mehrere Grade des Engerführens möglich, ζ. B. bei dem soeben genannten Thema (wobei andere Stimmen noch sinnvoll ergänzen können):
ι φ ^er^1 ^XjYf Η ΐ Π i· ¿1r |Jr· rJ,JX1 '
1
Cr
1
i±±S Zf
' f
•'m'^'WW und noch mehrere andere. Wird ein Gegenkontrapunkt durch regelmäßige Wiederkehr (wobei er allerdings im doppelten Kontrapunkt gehalten sein muß) zum zweiten Thema (Kontrasubjekt), so spricht man
142
Musikalische Formen
von einer „Doppelfuge"; gern werden hier auch die beiden Themen zunächst gesondert und erst von der dritten Durchführung an gemeinsam durchgeführt; auch Tripel- und Quadrupelfugen (also solche mit drei und vier Themen) begegnen, dann solche mit Gegenbewegung des Themas, Spiegelfugen (bei denen alle Stimmen „auf den Kopf gestellt" werden, so daß der Sopran zum Baß in Gegenbewegung wird usw.). Die großartigste Überschau bietet J. S. Bachs letztes Werk, die „Kunst der Fuge". Kennzeichnend für das Fugenthema ist der prägnante „Kopf ', der bei Wiederkehr im Verlauf nur nach Pause oder im Sprung einsetzen soll, jedoch der Mangel eines fest „periodisierten" Themenschlusses — die Stimme läuft unvermerkt in Kontrapunkt aus, und das „Ende" des Themas bestimmt sich nur dadurch, von welcher Note an die Fassungen verschieden auseinandergehen. Die Homophonie und Polyphonie sind, geschichtlich gesehen, nicht immer einfach nebeneinander hergelaufen, sondern haben in pendelhaftem Wechsel wichtige Perioden der Musikentwicklung nacheinander bestimmt*).
Elftes Kapitel: Musikalische Formen Die im Ablauf der Zeit aufgetretenen Formen der Tonkunst vergegenwärtigt man sich auf das Anschaulichste am Notenbild entlang als räumliches Nebeneinander. Wir haben schon o. S. 106 begonnen, aus den kleinsten Elementen vom Taktmotiv bis zum 4- oder 8-Takter hinauf die untersten Glieder einer musikalischen Formenlehre zu entwickeln. Ganz allgemein können folgende Grundtypen der Form in der Musik beobachtet werden: ·) Vergi. H. J.Moser, Kleine deutsche Musikgeschichte (Cotta 1638. '49, '04). die völlig nach diesem Wechsel von homophonen und polyphonen Jahrhunderten angeordnet ist.
Musikalische Formen statische Gleichgewichtsformen (symmetrisch) meist Schwerpunkte am Anfang und Schluß, seltener (Schütz'sche Monodien) in der Mitte.
143
dynamische Ungleichgewichtige Formen (asymmetrisch) meist steigernder, selten abnehmender Verlauf.
zweiteilig: zweiteilig: Liedform A + A (Vordera + Β (Präludium und Fuge, und Nachsatz) oder Introitus und Hymnus usf.) A + A' (variierter NachA + b (Choral mit Postsatz) oder ludium). dreiteilig dreiteilig: Dacapo-Arie A B A oder A B C (Strettatyp langsam, a Β a' (Anhub, Kernstück; etwas schnell, sehr schnell) Nachklang) Barform: A A B , Gegenbar Α Β Β vierteilig: vierteilig: Α Β χ C (dreiteilig mit (A + B) + (A + B) fremdem Einschub), Α Β Α Β' (Cavatine) ABAC oder ( A + B ) + ( B + A) Reprisenbar: A A B A ' fünfteilig: fünfteilig: Marsch oder Menuett mit Reihungstyp der Motette zwei Trios A B À Β' A,
A B C D E usf.
Rücklaufsform A B O B A siebenteilig: - ^ ^ ^ Bogenform A B CD C Β A oder Rondo AbAcAbA (Totalitätstyp, vorbestimmter Gesamtrahmen mit Unterteilung).
Rondeau A b A c A d A usf. (Partialitäts- oder Additivtyp, Kettung aus Unterteilen).
144
Musikalische Formen
Überwiegt bei den statisch-symmetrischen Formen das Liedhafte, so bei den dynamisch-asymmetrischen das Fortspinnungsmäßige; sehr wichtig ist die Mischung beider Elemente, so bei den Großformen der Fuge, der Sonate, der Suite, der Variationenkette, der großen Rondoform. In der F u g e wirkt als gleichgewichtig das Pendeln zwischen Thema und Antwort (Dux und Comes) und die meist durchschimmernde Dreizahl der Durchführungen unter Riickbiegung des Modulationsbogens in die ursprüngliche Rollenverteilung der Stimmen bezüglich Grundform oder Antwortform des Themas; unsymmetrisch wirken die irrationalen Zwischensätze und die Endsteigerung durch Engführungen. Der S o n a t e n s a t z , der mindestens die Kopfsätze der Symphonien und großen Kammermusiken (Klaviertrio, Streichquartett, Bläserquintett usw.) beherrscht, ist in der Hauptsache eine Reprisen-Barform von Stollenpaar (Aufgesang) und Abgesang (aus Durchführung und Themenwiederkehr). Der Stollen, die Themenexposition, ist in sich unsymmetrisch, da auf der Kontrastspannung zwischen 1. Thema (Haupttonart, männlich) und 2. Thema (Seitentonart, weiblich) sowie Schlußgruppe (bzw. 3. Thema, Seitentonart, sächlich) aufgebaut. Symmetrisch wird der Aufgesang aber durch die Wiederholung des Stollens, obwohl ja in der Musik schon durch die relativ veränderte Stellung, den Unterschied zwischen Überraschung und Bekanntheit' keine Wiederholung ganz genau gleich wirkt (Heraklit: „Du steigst nicht zweimal in denselben Fluß!"). Unsymmetrisch und das Hauptfeld der Motiventwicklung durch fortspinnende Themenaufschließung ist die von der Dominante oder sonst einer Seitentonart her modulierende „Durchführung" als Hauptteil des Abgesangs. Die Reprise der Themenaufstellung weicht von der ursprünglichen Stollengestalt dadurch ab, daß jetzt auch das 2. Thema (sowie die Schlußgruppe oder das 3. Thema) in der Haupttonart auftreten — dadurch schließt sich zwar stofflich der Bogen (symmetrisch), aber auf anderer „Schraubenwindung" (asymmetrisch), womöglich durch eine Coda noch gesteigert oder durch Verkürzungen gestrafft.
Musikalische Formen
145
Die Suite ist ursprünglich symmetrisch durch die Kernfolge zweier Tanzpaare Allemande—Courante, Sarabande—Gigue, die jeweils als feierlicher geradtaktiger Reigen (Pavane) und flotter tripeltaktiger Abtanz (Gagliarde) zusammenhingen, auch durch Tonartengleichheit und zeitweiliges Variationenverhältnis fest untereinander verschränkt waren. Später lockerten sich all diese Beziehungen, und das asymmetrische Element kam besonders durch Überraschungseinschübe an vorletzter Stelle*) (Gavotten, Loures, Rigaudons u. dgl. zwischen Sarabande und Gigue) zur Auswirkung. Die V a r i a t i o n e n f o r m wirkt umgekehrt in erster Linie als asymmetrischer Reihungstyp, der von geistvoller Gegensätzlichkeit lebt und auf Steigerung (etwa durch eine große Schlußfuge) bedacht zu sein pflegt. Trotzdem wirkt sich auch hier die Kristallisationskraft gleichgewichtiger Entsprechungen stark aus und schafft klammernden Zusammenhalt — wenigstens in den höheren Gattungsbeispielen: einmal ja schon durch den stets zu ahnenden Grundriß des Themas oder mindestens jeweils eine Rückbeziehung (harmonischer, melodischer, rhythmenmotivischer Art) auf diesen Ausgangspunkt. Sodann aber wird sich meist eine Gruppenbildung und somit eine Gliederung nach Haupteinschnitten herausstellen, nicht zuletzt dadurch, daß hie und da eine Variation durch eine Bezugnahme auf das Thema das Modell wieder vor dem Ohr des Hörers deutlich erstehen läßt. Dazu gehört denn auch, daß gern nach besonders freien Veränderungen am Schluß das Thema selbst abermals zum Erklingen gebracht wird, womit wieder ein Symmetriebogen um das asymmetrische Ganze entsteht. Endlich besitzt bei vielsätzigen Großformen wie Symphonien, Kantaten, Opernaufzügen usw. die Tonartendisposition eine einigende, Gleichgewichtsempfindungen hervorrufende Kraft, etwa indem der erste und der letzte Satz in der Haupttonart, die mittelsten auf Ober- oder Unterdominante stehen und die dazwischenliegenden auf terzverwandter Basis gebracht *) Vgl. meine Abhandlung „Das Schicksal der Penultima" im Jahrbuch der Musikbibliothek Peters für 1β31. 6 M o s e r , Allg. Musiklehre
146
Besetzung und Instrumentierung
werden. So kommen, besonders bei Bach und Händel, oft die schönsten und sinnreichsten Großarchitekturen zustande, die den nahen inneren Bezug zwischen barocker Musik und der damaligen Baukunst in Erscheinung treten lassen, während in der romantischen Musik dann weit mehr „malerische" unmerkliche Übergänge und bewüßte Verunklarungen das Formgerüst überkleidet und aus dem mehr Mathematischen ins überwiegend Vitale abgewandelt haben.
Zwölftes Kapitel Besetzung und Instrumentierung Wie schon mehrfach berührt, stehen sich zur Ausführung tönender Kunstwerke zwei Reiche der Musik gegenüber: die Vokal- und die Instrumentalmusik sowie die Verbindung und Mischung beider. Folgende sechs Stimmgattungen*) geben dem menschlichen Gesang (solistisch wie chorisch) nach Tonumfang wie Klangfarbe (Timbre) eine Fülle von Abschattungen: etwa Frauen- (und Kinder-) í Sopran c'—c'" Stimmen: i Mezzosopran as—as" I Alt f—f" ι Tenor B—b' Männerstimmen: ] Bariton G—g' I Baß E—e' Da von allen Stimmenzahlen die Vierstimmigkeit die idealste darstellt, so sind folgende drei Formen am häufigsten anzutreffen: das gemischte Quartett (lat. voces inaequales): Sopran, Alt, Tenor, Baß; der Männerchor: Tenori und II, Baß I und II; der Frauenchor: Sopran I und II, Alt I und II (diese beiden Gruppierungen nannte man auch voces aequales = „gleiche" Stimmen, d. h. nur Männer oder nur Frauen bzw. Kinder). Häufig trifft man aber auch den Fauenchor nur dreistimmig an: zwei Soprane und Alt, den Männerchor 1—9stg. *) Genaueres bet H. J. Moeer. Technik der deutschen Qeeangekunst (Sammlung (Mechen Nr. 676)/576a
Besetzung und Instrumentierung
147
Folgende Bezeichnungen für die Besetzung sind üblich: Einstimmig: Solo zweistimmig: Duo (instr.), Duett (vokal) dreistimmig: Trio (instr.), Terzett (vokal) vierstimmig: Quatuor*) (instr.), Quartett (vokal) fünfstimmig: Quintett (z.B. v. Schumann) sechsstimmig: Sextett (ζ. B. v. Brahms) siebenstimmig: Septett (z.B. v.Beethoven) ächtstimmig: Oktett (ζ. B. v. Schubert), auch Doppelquartett (zweichörig), ζ. B. v. Spohr neunstimmig: Nonett (z.B. v. Spohr). Bei den Instrumentalensembles wird die Streicherbesetzung für die Kegel angesehen, ζ. B. Streichtrio für Violine, Bratsche, Violoncell, Streichquartett für 2 Violinen, Bratsche, Violoncell, Quintett dgl. mit 2. Bratsche, Sextett dgl. mit 2. Violoncell usw. Tritt ein Klavier, ein Horn, eine Klarinette hinzu, so spricht man von einem Klavierquartett, Horntrio, Klarinettenquintett. Sehr viel bunter sind die Holzbläserbesetzungen, etwa eine 8stge „Cassation" von Haydn für 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte oder mit Einbeziehung von Waldhörnern. Von den heute üblichen Streichinstrumenten seien hier die leeren Saiten angegeben; der darüber hinaus nach der Höhe zu mögliche Umfang richtet sich nach dem Können der Spieler (Lagenspiel): Violine
Bratsche
Violoncell
KontrabaB (wird eine Oktave höher notiert) S
Bei den Holz- und Blechblasinstrumenten (mit Ausnahme der stets in C notierten Posaunen, Flöten, Oboen und Fagotte) spielt die Transpositions-Notierung eine Rolle. Heißt es ζ. B. ') Selten, meist Instr. ebenfalls Quartett. 6*
148
Besetzung und Instrumentierung
„Horner in F " , so erklingen diese eine Quinte tiefer als sie notiert stehen, „Trompeten in F " eine Quarte höher als geschrieben usw. Es seien kürzehalber von diesen Instrumenten hier die wichtigsten mit ihren natürlichen Umfanggrenzen hergesetzt: Holzbläser
m
Φ-
gr. Flöte Oboe ~ fr Fagott (die Piccoloflöte (das EnglischKlarinette (Kontrafagott eine Oktave horn eine in B, in A Oktave tiefer) höher) Quinte tiefer (Baß-Klar. eine in F) Oktave tiefer) Ventil-Blechbl. Zug-Blechbl. (Klang) mit allen Zwischentönen —
L ^ L
__
xy Trompete in Es (Sopran-Cornettino 8 v a höher, Baßtrp. 8 v a tiefer )
- O iff) O" J/ Waldhorn in F
β: J -
/Vit- bis Baßposaune (noch tiefer die Baßtuben)
Eine normale Wiener-Klassiker-Besetzung (seit Glucks späten Quvertüren bis zu Brahms einschließlich) zeigt folgende Partitursysteme, von oben nach unten in heutiger Reihenfolge :
Musikästhetische Grundfragen
149
2 Fl., 2 Ob., 2 Klar, (in A oder B), 2 Fag. ; 2—4 Waldhörner (heut meist in F) 2 Trompeten, 1—3 Posaunen, 2 Pauken Streichquintett (chorisch besetzt). Dazu kommen heut meist die dritten Holzbläser (Piccoloflöte, Englisch Horn ( = Altoboe), Baßklar., Kontrafag., mehr Hörner und Trompeten, Baßtuba, Harfe, u. U. Glockenklavier, Orgel, Klavier; reicheres Schlagzeug (kleine und große Trommel, Triangel, Becken, Gong). Das Streichorchester wird nach Bedarf mehrfach unterteilt*).
Ausleitung: Musikästhetische Grundfragen Die Ästhetik ist jenes Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Erforschung der seelischen Wirkungen von Kunstwerken beschäftigt. Die Musikästhetik fragt, wie es sein kann, daß Tonwerken seelische Wirkungen innewohnen, und welcher Art diese sind, also : was der Tonsetzer mit seinen Werken gewollt und gemeint, was der Hörer von ihnen zu erwarten habe. So speziell gefaßt, hat die Musikästhetik jedenfalls mehr Aussicht, zu Ergebnissen zu gelangen, als wenn (wie um des Grundsätzlichen willen meist) ganz allgemein gefragt wird, welche Eigenschaften und Inhalte denn „die" Musik im ganzen besitzt. In der Antwort auf solche Generalfrage spiegelt sich meist nur die persönliche Meinung des Befragten oder eine bestimmte Art von Musik, die er gerade nach seiner Anlage oder Einstellung im Auge hat. Streng genommen, gibt es sovielMusikästhetiken, als es Musikrichtungen, als es Meister, ja als es große Kunstwerke gibt, denn jeder und jedes von ihnen folgt seinen eigenen Regeln. So kann es hier nur die Aufgabe sein, knapp zu umreißen, welche Hauptfälle nach- und nebeneinander vorkommen. Vornweg sind alle A n w e n d u n g e n von Musik (und was zu solchen Zwecken erfunden worden ist) mit Vorbehalt zu betrachten, da hier Außermusikhaftes überwiegen kann: so die *) Bich. Hofmann, Instrumentationslehre; Darstellungen von Berlioz, Bich. Strauß, Weinsartner u. &. m.
150
Musikästhetische Grundfragen
Benutzung der Musik in Frühkulturen als fetischistisches Zauber- und Heilmittel (wovon freilich Reste noch bis in scheinbar sehr eigengesetzliche Schichten der „freien" Musik hinauf nachwirken können) ; solche Nachklänge sind im Brauchtümlichen, im Symbolischen, in der gottesdienstlichen Musik zu finden. Andererseits hat man gegen allzu artistisch-blutlose Selbstzwecklichkeit der hohen Tonkunst mit Recht den Segen des sich Stellens unter einen grenzensetzenden Zweck, also „Musik als Kunstgewerbe" u. dgl. empfohlen nach dem gesunden Vorbild von Zeiten, da der Amtskomponist in zunfthafter Handwerksbindung die Musik im Dienst einer soziale® Gemeinschaft ausübte. Schon für diese „angewandte Musik" ergibt sich mithin eine Sonderästhetik als zuständig und •wesensgemäß. Innerhalb der überwiegend s e l b s t ä n d i g e n Musik nun können sehr verschiedenartige Gesichtspunkte maßgebend sein. Schon die alten Griechen waren dieserhalb in zwei Lager gespalten: die Idealisten von Plato bis zu den römischen Stoikern sahen in der „guten" (dorischen) Musik ein den Menschen zu allem Guten und Mannhaften erziehendes, zu den Bürgertugenden stählendes Element; die Realisten dagegen, Sophisten, Hedoniker, Epikureer, Zyniker, sahen in ihr hauptsächlich ein Genußmittel, einen angenehmen Zeitvertreib bei Gastmählern, für Bacchanten, Schlemmer und Mänaden. Wir erfuhren oben S. 73f., welche Auswirkungen dieser Widerstreit auf die antike Tonartenethik gehabt hat. Das christliche Mittelalter suchte in der Musik vor allem ein Abbild der Natur Gottes, weshalb man in den dreiteiligen Taktarten ein Symbol der Dreifaltigkeit, in der zu erstrebenden Zwölfzahl der Tonarten ein Gleichnis der Apostel u. dgl. erblickte. Die antike Vorstellung von der Sphärenharmonie, d. h. dem Kreisen der Himmelsschalen, auf welchen die Planeten ruhen, in den Schwingüngsverhältnissen der einfachsten Intervalle, wirkte auch im Mittelalter lange als „Himmels-" und „Engelsmusik" fort, während die Laienmusik mit ihren Instrumenten als bloß unvollkommenes Menschenwerk vergleichsweise tief eingeordnet wurde.
Musikästhetische Grundfragen
151
Mit dem Erstarken der Renaissance trat eine neue Bewertung des Menschenhaften (Humanismus, Humanität) in Kraft. Bei Josquin des Pres (Musica riservata = neue Ausdrucksmusik) um 1500 meldet sich anscheinend die Erinnerung an das Platonische Musikethos. Jetzt wird die letztgotische, stark konstruktive Kontrapunktik als kalte Rechenkunst, als kosmisch, anorganisch, seelenlos abgelehnt und eine neue menschliche Erfülltheit vom Dichterwort her — im Madrigal und in der Motette — gefordert. Von hier aus entwickelt sich die das 17. und 18. Jahrhundert beherrschende „Affektentheorie", die von der Musik in erster Linie fordert, daß sie die einzelnen Leidenschaftszustände des Menschen darzustellen habe — dies um so eindeutiger, je weiter der Rationalismus vordringt. Freilich: so breit sich diese Affektenlehre bei den Kleinen wie Heinichen und Mattheson in den Vordergrund drängte, so wenig hat sie doch tatsächlich die große Musik eines Schütz, Bach und Händel umfaßt, die im stärksten Umfang auch im Ubermenschlichen, Ewigen, Religiösen beheimatet gewesen ist und damit zum Teil zur mittelalterlichen, mystisch-symbolischen Musikästhetik unbewußt zurückkehrte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging der Hauptstreit darum, daß die Einen forderten, die Musik müsse „Genie" und „Originalität" oder „große Natur" spiegeln, während die Andern von ihr vor allem das „Populäre", den „Schein des Bekannten", die allgemeingültige Verständlichkeit für jedermann forderten. Kein Wunder, wenn sich die großen Meister von Gluck bis Schubert durchaus auf die Seite der ersteren Partei gestellt haben. Das neunzehnte Jahrhundert erging sich vor allem in einem Meinungskampf, bei dem Ed. Hanslick sich für die Brahmssche Kunst, Friedr. v. Hausegger für die Wagnersche ins Zeug zu legen meinten: Hanslick verfocht die Partei der „absoluten Musik" als eines „Spiels tönend bewegter Formen" (obwohl er als Kritiker nicht so extrem verblieb), Hausegger dagegen vertrat die „Inhaltsästhetik", wonach die Musik eine Sprache der menschlichen Gefühle und Erlebnisse sei; die Formalästhetik ist eine klassizistische Spekulation, die Inhaltsästhetik eine Folge der romantischen Verseelung der Musik,
152
Musikästhetische Grundfragen
für die Beethoven in manchem großen Werk die Voraussetzungen geschaffen hatte. Daneben entstanden noch mancherlei besondere Musikästhetiken: so erblickte Schopenhauer in dem Tonreich die großartigste Abbildung der Welt selbst; ein Darwin wieder sah die Musik bloß utilitaristisch als nicht viel anderes denn eine schöne Beigabe zur Zuchtwahl. Von Berlioz her, der den Rationalismus und die malerische Gabe der Franzosen vertrat, entwickelte sich die instrumentale Programmusik auch nach Deutschland hinein (Liszt, ζ. T. Schumann, besonders R. Strauß) mit dem Glauben, die Musik könne und solle reale dichterische Vorgänge oder philosophische Vorstellungen verdeutlichen und ausmalen. Gegen diese — zweifellos auf die Dauer die Musik aus ihrem besten Eigenvermögen entwurzelnde — Auffassung hat das 20. Jahrhundert mit gesunder Opposition geantwortet: vielfach unter Zurückgehen auf das barocke „Konzertieren" hat man die „Musik an sich" von zuviel Gedanklichkeit entlastet und in ihre Rechte als Kunst für sich wieder eingesetzt. Auch für diese Wendung hat es nicht an ästhetischen Bannerträgern gefehlt.
Sachverzeichnis Abkürzungen 28 Ästhetik Ii» ff. Affektenlehre 151 Agoglk 116 Akkorde 57 ff. Akkordlagen 60 Akzent s. Betonungen Alteration 54,121 Anhänge 112 Artikulation 33 Auftakt 105 ff. Balken 26 f. Besetzungen 146 ff. Betonungen 86.110 Bindebögen 25. 32 Buchstabennotation 8 Centrechnung 46 Chromatik 45, 75,100 ff. Dacapoal Fine 31 Dekreszendo l l ä Dimensionen 8 f. Dissonanz 50 ff. Dominante s. Funktionslehre Doppelschlag 130 f. Doppelter Kontrapunkt 137 f. Dreiklänge 57 ff. Duolen 24 Durakkord 59 ff., 64. Durleiter 39 Durchgang 136 ff. Dynamik 113 ff. Elnschübe 112 Engführung 141 Enharmonik 19, 45, 73 Ethoslehre 74 Fähnchen 27 Falscher Akzent 108 Fermate 119 Formalästhetik 152 Formenlehre 142 ff. Fuge 139 ff. Funktionslehre 66, 85 ff. Funktionsdeutung 95ff. Gegenstoß, melodischer 123 f. GeneralbaBschrift 63 f. 7 M o s e r , Alle. Musiklebre
Geometrische Teilung 45 Glareanisches System 74 Gleichschvebung 44 ff. Griechische Musik 7, 74 Großtakte 118
Musica riservata 151 Musik 5 Musikästhetik 149 ff. Musikanwendung 160 Muslklehre 6
Harmonische Teilung 37, 44 Harmonisierung 79 f. Hexachordik 83, 124 Hilfslinien 14 Homophonie 132 f.
Naohschlag 131 Naturseptime 38, 54 Neapolitanischer Sextakkord 92, 98 Notenschrift 8 ff.
Inhaltsästhetik 152 Instrumentenstimmung 47 f.. 147 Intervallbedeutung 49 Intervallgrößen 37 ff.. 40 ff. Invention 139 f. Kadenz 67. 69, 78, 87 Kanon 139 Kantilene 126 Keltische Musik 84 Kirchentonarten 76 ff. Klauseln 78 Klaviatur 20 Klavierstimmung 49 Konsonanz 50 ff. Kontrapunkt 133 ff. Kreszendo 115 Künste 6 Kursivzahlen 24 Längenzeichen 22 f. Leittöne 53 ff. 61 f. 78 ff. Lelttonwechselklang 91 Ligaturen 16 Liniensystem 10 ff. Medianten 66 Mehretlmmenschrelbung 27 Melodik 119 ff. Mensurajnotation 20 Metrik 102 ff. Metronom 117 Millloktaven 46 Modulation 95 ff. Mollsystem 59 ff.. 64 ff. Molltonleiter 69 f. Motiv 125
Obertonreihe 37, 68 Oktavnamen 15 Oktavversetzung 129 Ornamentik 126 ff. Paralleltonart 66 Pausenzelchen 23 Pentatonik 81 ff. Phrasierung 33,116 Phrygischer Schluß 79 Physikallsmus 81 ff. Polyphonie 133 ff. Pralltriller 128 Pythagoreische Stimmung 42 ff., 53 Quartenakkord 58 Queretand 134 Qulntenparallelen 134 ff. Quintenzirkel 44 Quintolen 24 Quintverwandtschaft 85 ff. Bassenstile 6 Rechtschreibung 25. 48, 56, 75 f., 116 Beformnotenschriften 33 Regeln In der Musik 5 Reine Stimmung 37 ff.. 44 Rhythmik 105 ff. Rubato 116 Saitenteilung 37 Schlüssel 12 ff. Schwingungsverhältnisse 38 Seitenklang 91 Sekundütkkord 62 Septimenakkorde 60 ff. Seauenzbildung 99 ff.
154 Solmisation 11 Sooatensatz 144 Spitzentöne 122 Stärkegrade 31 ff.. 113ff. Stammstufen 17 Stellvertretung 89 Stielung 26 Stimmgattungen 146 ff. Stimmungen 37 ff. Symbolik 150 Synkopen 25, 107 Tabulaturen 9 Taktmotive 106 f. Taktstrich 29 Taktzeichen 29 f. Temperatur 43 ff., 46 Tempo 115, 117 f. Terrassendynamik 114 Terzenverwandtechaft 85, 92. 97 Terzenzirkel 93 ff. Tonalität 93
Sachverzeichnis Tonarten 72 Tonartencharakteristik 73 Tondenken 39, 51 ff., 73 Tonhöhendarstellung 8 ff. Tonika s. Funktionslehre Tonikado 11 Tonlängen 21 ff. Tonleiter 39 Tonnamen 15, 20 Tonumfang 12,147 Tonvorrat 17 Tremolo 28 Triller 127 Triolen 24 Tritonik 81 Trugschluß 89 f.
Variante ββ Variation 145 Verlängerungspunkt 23 Versetzungszeichen 18, 48 Versfüße 107 Verzierungen 126 ff. Vierklänge 60 Volltakt 105 ff. Vorhalt 137 ff. Vorschläge 129 f. Vortragsbezeichnungen 33 ff. Vorzeichnung 16 f., 72
Unterdominante s. Funktionslehre Untertonreihe 68
Zeitmaße 115 Zigeunermoll 70 Zweiklänge 50 ff.
Wechseldominante s. Funktionslehre Wechselnoten 136 ff. Wiederholungszeichen 30 Wohltemperiert 47
HEINRICH HUSMANN
Grundlagen der antiken und orientalischen Musikkultur Groß-Oktav. 213 Seiten. Mit 85 Abbildungen, und Notenbeispielen, 3 Kunstdtucktafeln. 1961. Ganzleinen D M 3 8 , —
HEINRICH
Tabellen
BELLERMANN
Die Mensuralnoten und Taktzeichen des 15. und 16. Jahrhunderts Vierte, erweiterte Auflage, herausgegeben von Prof. Dr. Heinrich Husmann. Quart. X I I , 143 Seiten. 1963. Ganzleinen D M 2 8 , —
KURT
WESTPHAL
Vom Einfall zur Symphonie Einblick in Beethovens Schaffensweise Mit zahlreichen Notenbeispielen und einer FaksimileBeilage. Oktav. 86 Seiten. 1965. Ganzleinen D M 12,—
H E R B E R T VON STEIN
Dichtung und Musik im Werk Richard Wagners Groß-Oktav. Mit 169 Notenbeispielen. 323 Seiten. 1952. Ganzleinen D M 3 0 , —
Walter de Gruyter & Co · Berlin 30
FRANZ L O R E N Z
Die Musikerfamilie Benda
Franz Benda und seine Nachkommen (Staatliches Institut für Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz) Groß-Oktav. X I I , 189 Seiten. Mit 28 Abbildungen, Notenbeispielen und 1 Stammtafel. 1967. Ganzleinen DM 24,—
Nach der Veröffentlichung vieler Abhandlungen und Einzelschriften wird jetzt zum ersten Male eine wissenschaftliche Zusammenfassung des künstlerischen Schaffens und Lebens der Benda-Familie geschaffen. Der vorliegende erste Band schildert Franz Benda, den bedeutenden Konzertmeister und Komponisten am Hofe Friedrich II., seinen Lebensweg, sein Wirken und das seiner Nachkommen bis in die Gegenwart. Ein weiterer Band „Georg Benda" und ein „Thematisches Verzeichnis" sind in Vorbereitung.
Walter de Gruyter & Co · Berlin 30