Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2016 9783504385316

Mit der fortlaufenden Reihe „Aktuelles Arbeitsrecht“ soll vor allem Personalleitern, Rechtsanwälten und Verbandsvertrete

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German Pages 377 [444] Year 2017

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Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2016
 9783504385316

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Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2/2016

Zugangsdaten Benutzername: gaa2016 · Passwort: werkvertrag www.aktuelles-arbeitsrecht.de

Band 2/2016

Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von

Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.

Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2016, S. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42695-8 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: VUA Schaus, Büttelborn Printed in Germany

Vorwort Entgegen vielfacher Erwartungen hat im Herbst nicht nur die Reform der Arbeitnehmerüberlassung das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Sie tritt am 1.4.2017 in Kraft und verlangt, schon im Vorfeld den gesamten Fremdpersonaleinsatz zu überprüfen und eine ordnungsgemäße Kennzeichnung vorzunehmen. Andernfalls drohen erhebliche Sanktionen. Ebenfalls verabschiedet wurden das Flexirentengesetz, eine Anhebung des Mindestlohns, Veränderungen bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, die neue Arbeitsstättenverordnung und das Bundesteilhabegesetz mit wesentlichen Veränderungen im Bereich des Schwerbehindertenrechts. Auf der Zielgerade befinden sich derzeit noch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, durch das eine reine Beitragszusage eingeführt und eine Opt-Out-Regelung für die tarifliche Entgeltumwandlung erlaubt werden soll. Darüber hinaus sind Erleichterungen bei der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Handhabe der betrieblichen Altersversorgung geplant. Unabhängig davon plant der Gesetzgeber eine grundlegende Änderung des Mutterschutzgesetzes, die Umsetzung der CSR-Richtlinie und die Einführung eines Entgelttransparenzgesetzes, mit dem die Durchsetzung des Verbots einer Differenzierung beim Entgelt wegen des Geschlechts erleichtert werden soll. Die letztgenannte Regelung dürfte erheblichen Umsetzungsaufwand in der betrieblichen Praxis erzeugen, ohne dass damit ernstzunehmende Veränderungen in Bezug auf bestehende Entgeltsysteme zu erwarten sind. Auf europäischer Ebene löst der geplante Brexit weiterhin Rechtsunsicherheit aus. Hier sind völlig unterschiedliche Rechtsfolgen denkbar, die auf Unternehmensseite bei langfristigen Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird auf nationaler Ebene zwar erst am 25.5.2018 verbindlich. Wichtig ist aber, unter Berücksichtigung der geplanten Neufassung des BDSG im Zusammenhang mit der Umsetzung der DSGVO, schon heute mit der Vorbereitung der daraus resultierenden Handlungsvorgaben zu beginnen. Sie erfassen individual- und kollektivrechtliche Regelungen gleichermaßen. Auf individualrechtlicher Ebene waren Klarstellungen der Rechtsprechung zur Befristung von Arbeitsverträgen und einzelnen Arbeitsbedingungen, neue Leitlinien zur AGB-Kontrolle von Ausschlussfristen, ergänzende Handlungspflichten im Umgang mit Bewerbern sowie wichtige Grundsätze zur Kennzeichnung des Mindestlohns und der insoweit maßgeblichen Arbeitszeit zu beachten. Darüber hinaus muss die Praxis sicherstellen, dass veränderte Überlegungen zur Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs (Initiativlast des Arbeitgebers) und neue Leitlinien zur Berechnung der Dauer des Urlaubs V

Vorwort

und der Höhe des Urlaubsentgelts bei einem Wechsel der Dauer der Arbeitszeit (Teilzeit-/Vollzeitbeschäftigung) unionsrechtskonform umgesetzt werden. Auf sozialversicherungsrechtlicher Ebene werden diese Entscheidungen durch Klarstellungen zur Handhabe von Unfällen im Home-Office ergänzt. Im Kündigungsrecht sind erneut ergänzende Feststellungen zur Umsetzung von Massenentlassungen, zur Zuordnung von betriebsübergreifend tätigen Arbeitnehmern, zur Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung oder zur außerordentlichen Kündigung nach Drogenkonsum zu beachten. Soweit bei behinderten Menschen in der Probezeit kein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX erforderlich ist, bleiben aber die Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB unberührt. Der Bereich der betrieblichen Altersversorgung müssen die Änderungen zur Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie umgesetzt und zugleich gewährleistet werden, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot einer Diskriminierung beachtet werden. Das betrifft jetzt auch Teilzeitbeschäftigte, die im Bereich einer gespaltenen Rentenformel tätig sind. Betriebsverfassungsrechtlich wirft die Entscheidung des BAG zum Wirtschaftsausschuss im gemeinsamen Betrieb neue Fragen auf, die vor allem die Konsequenzen für die Unternehmensmitbestimmung betreffen. Unabhängig davon ist es wichtig, die Klarstellungen zur Mitbestimmung beim Eingliederungsmanagement, zu den Entscheidungsmöglichkeiten im Einigungsstellenverfahren, zu Vorteilen eines betrieblichen Schlichtungsverfahrens und zur Ab- und Anmeldepflicht freigestellter Betriebsratsmitglieder zu beachten. In Bezug auf Restrukturierungen waren aktuelle Entscheidungen zur Interessenkollision der anwaltlichen Berater des Betriebsrats, zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs bei betriebsmittelintensiver Tätigkeit und der Verwirkung des Widerspruchsrechts aufzuzeigen. Ich danke Dietrich Boewer (Boe) für seine genaue Analyse der aktuellen Rechtsprechung und seinen Hinweisen für die betriebspraktische Umsetzung. Der gleiche Dank gilt Frau Kollegin Saskia Jessen (Je), Herrn Kollegen Dr. Andreas Hofelich (Ho), Herrn Kollegen Gero Müller (Mü), Herrn Ramon Furch, sowie Frau Linda Kriebel Volk (Kr), Frau Anna Maria Miklaszewska (Mi), Frau Christin Rögels und Frau Doris Hensch, ohne die das Werk angesichts der enormen Veränderungen durch die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung nicht fertig geworden wäre. Köln, im Dezember 2016

VI

Björn Gaul (Ga)

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort .......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ............................................................................XVII

A.

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 321

1.

AÜG-Reform tritt in Kraft ............................................................... 321 a) b) c) d) e) f)

Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung ......................... 321 Höchstüberlassungsdauer in der Privatwirtschaft ..................... 324 Zwingende Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes...................... 326 Erweiterung der Sanktionen ...................................................... 328 Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher ............ 328 Ausgrenzung des öffentlichen Dienstes aus dem Anwendungsbereich des AÜG .................................................. 328 g) Schwellenwerte der Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung .................................................. 329 h) Erweiterung und Konkretisierung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ......................................................................... 330 i) Gesetzliche Kriterien zur Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses .................................................................. 331 j) Fazit ........................................................................................... 332

2.

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben (Flexirentengesetz) ........................................................................... 332 a) Neuregelung der gesetzlichen Teilrente .................................... 333 b) Veränderungen der Beitragspflicht............................................ 334 c) Zusatzbeiträge und Rentenauskunft .......................................... 335

3.

Entwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ........................................................................ 335

VII

Inhaltsverzeichnis

a) Anwendungsbereich .................................................................. 336 b) Gebot des gleichen Entgelts / Kennzeichnung des benachteiligungsfreien Entgeltsystems ..................................... 336 c) Allgemeine Handlungspflichten zum Schutz vor EntgeltBenachteiligungen aufgrund des Geschlechts........................... 337 d) Maßregelungsverbot .................................................................. 337 e) Individueller Auskunftsanspruch .............................................. 338 f) Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung der Entgeltgleichheit ................................................................. 341 g) Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit ................. 342 h) Fazit ........................................................................................... 343 4.

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung ...................................... 343

5.

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts ............................. 344 a) Anwendungsbereich .................................................................. 344 b) Verbote der Mehr-/Nachtarbeit sowie Sonn/Feiertagsarbeit .......................................................................... 345 c) Freistellungen für Untersuchungen und zum Stillen ................ 345 d) Betrieblicher Gesundheitsschutz ............................................... 345 e) Ärztliches Beschäftigungsverbot .............................................. 347 f) Kündigungsschutz ..................................................................... 348 g) Aushang des Gesetzes ............................................................... 348 h) Bußgeldvorschriften .................................................................. 348

6.

Neuordnung des SGB IX durch Gesetzentwurf zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung ..................................................................................... 349

7.

Erweiterte Fördermöglichkeiten in Transfergesellschaften ............. 351

8.

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung ........................................................ 352 a) b) c) d)

VIII

Einführung einer reinen Beitragszusage ................................... 352 Anpassung der Übertragung nach § 4 BetrAVG ....................... 353 Zusatzbeiträge des Arbeitgebers ............................................... 353 Opt-in- oder Opt-out-Modelle bei der Entgeltumwandlung .................................................................. 354

Inhaltsverzeichnis

e) Steuerliche Veränderungen........................................................ 355 f) Steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung ...... 356 g) Fazit ........................................................................................... 357 9.

Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ....................................... 357

10.

Beseitigung der Kettenbefristungen ................................................. 358

11.

Gesetz zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit ............... 358

12.

Aktueller Stand der gesetzlichen Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern ..................................................... 359 a) b) c) d) e) f) g)

13.

Freier Zugang für Asylberechtigte ............................................ 359 Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis ............................................ 359 Besonderheiten in Bezug auf Leiharbeit ................................... 364 Besonderheiten bei bestimmten Staatsangehörigen .................. 365 Niederlassungserlaubnis............................................................ 365 Sanktionen bei Nichtbeachtung ................................................ 366 Fazit ........................................................................................... 367

Änderung der Arbeitsstättenverordnung .......................................... 368 a) b) c) d) e)

Einbindung von Telearbeitsplätzen ........................................... 368 Arbeitsschutz – Unterweisung .................................................. 369 Umgang mit psychischer Belastung .......................................... 369 Sichtverbindung aus Arbeitsräumen nach Außen ..................... 370 Inkrafttreten ............................................................................... 370

14.

Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung........... 370

15.

Rückwirkende Zulassung von Syndikusrechtsanwälten .................. 372

B.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 373

1.

Die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“ .................................... 373 a) Die „Brexit“- Szenarien ............................................................ 374 b) Arbeitsrechtliche Folgen des „Brexit“ ...................................... 376 c) Fazit ........................................................................................... 382

2.

EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet ............................ 382 a) Regelungen der Datenschutzgrundverordnung ......................... 383

IX

Inhaltsverzeichnis

b) Referentenentwurf zur Anpassung des Datenschutzrechts an die DSGVO und zur Umsetzung von Richtlinie 201/680/EU ............................................................................... 384 c) Fazit ........................................................................................... 389 3.

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-USDatenschutzschildes ......................................................................... 389 a) Einführung................................................................................. 389 b) Inhalt und Anwendungsvoraussetzungen .................................. 390 c) Überwachung und Durchsetzung des EU-USDatenschutzschilds .................................................................... 391 d) Nichtigkeitsklage gegen das EU-US-Datenschutzschild .......... 392 e) Fazit ........................................................................................... 393

4.

Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen .............................................. 394

5.

Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats ................... 394

6.

Durchsetzung der Entsenderichtlinie ............................................... 395

C.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 397

1.

Arbeitsrechtliche Aspekte der Industrie 4.0 ..................................... 397

2.

Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern ............................... 399 a) Kein Schutz von AGG-Hoppern ............................................... 400 b) Benachteiligung von Bewerbern auch bei irrtümlicher Annahme diskriminierender Merkmale .................................... 406 c) Unzulässigkeit vom Gesetz abweichender Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretern ............................ 409

3.

Neues zu befristeten Verträgen......................................................... 413 a) b) c) d)

4.

X

Befristungskontrolle bei befristetem Anschlussvertrag ............ 413 Befristung aufgrund gerichtlichen Vergleichs ........................... 417 Sonstiger Sachgrund einer Befristung....................................... 419 Befristung aufgrund vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs .............................................................. 423

Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen ......................................................................... 427

Inhaltsverzeichnis

a) Befristete Anhebung der Arbeitszeit ......................................... 430 b) Befristete Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit .......... 433 c) Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit durch Tarifvertrag ...................................................... 436 5.

Aktuelles zur notwendigen Anpassung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen.............................................................................. 438 a) Kennzeichnung des Geltungsbereichs einer Ausschlussfrist .......................................................................... 439 b) Berücksichtigung gesetzlicher Verbote zur Verkürzung der Verjährungsfristen ............................................................... 440 c) Textformgebot aus § 309 Nr. 13 BGB ...................................... 443

6.

Angemessenheit einer arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenregelung.................................................................... 444

7.

Die Einheit des Verhinderungsfalls als Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall............................................... 445

8.

Keine Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers bei Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit ................................ 448

D.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 451

1.

AGB-Kontrolle eines Null-Stunden-Vertrags .................................. 451

2.

Schriftformgebot bei der Inanspruchnahme von Elternzeit ............. 452

3.

Verbot einer Benachteiligung wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit beim Bewährungsaufstieg ........................................ 453

4.

Altersdiskriminierung durch Verdienstsicherung bei altersbedingter Herabsetzung der Arbeitszeit .................................. 455

5.

Anpassung des Arbeitsentgelts bei tariflicher Entgelterhöhung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ...................................... 460

6.

Vergütungspflicht bei der Einsichtnahme in Dienstpläne am privaten PC ....................................................................................... 461

7.

Gerichtliche Bestimmung der Höhe eines Ermessensbonus ............ 464

8.

Pauschalierte Schadensersatzpflicht bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers ..................................................................................... 467

9.

Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers .................................................................................. 469 XI

Inhaltsverzeichnis

10.

Höchstrichterliche Klarstellungen zum Mindestlohn ...................... 472

11.

Initiativlast des Arbeitnehmers bei der (rechtzeitigen) Geltendmachung von Urlaub? ......................................................... 475

12.

Generelles Verbot einer Anrechnung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Erholungsurlaub? ............................................................................. 478

13.

Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis .............................................................................. 482

14.

Berechnung des Urlaubsentgelts bei einem Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung..................................................... 484

15.

Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung..................................................... 485

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................... 491

1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Massenentlassung ............................. 491 a) Einbeziehung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern in Elternzeit und schwerbehinderten Menschen .................................................................................. 491 b) Zusammenfassung mehrerer Wellen einer Massenentlassung ...................................................................... 494 c) Heilung etwaiger Fehler des Konsultationsverfahrens ............. 495 d) Abschluss des Konsultationsverfahrens .................................... 498 e) Keine Konsultation im Einigungsstellenverfahren ................... 499 f) Massenentlassungsanzeige nebst Erklärung des Arbeitgebers zum Beratungsstand ............................................ 500

2.

Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb .............................................. 501

3.

Zustellung der Kündigung durch den Gerichtsvollzieher ................ 503

4.

Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums................................................................................ 507

5.

Vorrang einer Kündigung von Arbeitnehmern ohne tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz ..................................... 508

XII

Inhaltsverzeichnis

6.

Betriebsbedingte Kündigung aufgrund Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG bei schrittweisem Personalabbau ............................. 509

7.

Bedeutung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX bei der Kündigung von Schwerbehinderten................................ 512

8.

Kündigung wegen beharrlicher Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben .............................................................. 515 a) Verweigerung der Arbeitsaufnahme nach rechtskräftigem Kündigungsschutzprozess ......................................................... 517 b) Verbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers ........... 520

9.

Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Rahmen von § 102 BetrVG ............................................................................ 522

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ....................................................................... 525

1.

Praktische Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015 ............. 525 a) b) c) d)

Einleitung .................................................................................. 525 Richtlinie 2014/50/EU vom 16.4.2014 ..................................... 526 Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie ........ 531 Auswirkungen ........................................................................... 537

2.

Altersdiskriminierung durch Stichtagsregelung in Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung .................................................. 538

3.

Versorgungsordnung: Wirksamkeitserfordernisse bei Ausgrenzung von Arbeitnehmern mit individueller Versorgungszusage ........................................................................... 541

4.

Einstandspflicht des Arbeitgebers bei beitragsbezogener Versorgungszusage ........................................................................... 543

5.

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“ .............................................................. 547

6.

Kennzeichnung einer beitragsbezogenen Leistungszusage ............. 552

7.

Keine Benachteiligung wegen Behinderung bei versicherungsmathematischem Abschlag der Betriebsrente ............ 555

XIII

Inhaltsverzeichnis

G.

Tarifrecht........................................................................................ 557

1.

Schadensersatzanspruch bei unmittelbarer Betroffenheit von rechtswidrigem Arbeitskampf .......................................................... 557

2.

Unzulässigkeit einer Betriebsblockade im Zuge eines Arbeitskampfes ................................................................................ 559

3.

Wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit .............................................................. 561

H.

Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 565

1.

Arbeitsgerichtliche Erleichterung für Arbeitgeber bei der Abwehr von Unterlassungsverfügungen des Betriebsrats durch das elektronische zentrale Schutzschriftenregister (ZSSR).............................................................................................. 565

2.

Bildung eines Wirtschaftsausschusses im Gemeinschaftsbetrieb ....................................................................... 568

3.

Kein Konzernbetriebsrat bei Sitz der Konzernobergesellschaft im Ausland ....................................................................................... 571

4.

Einbeziehung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften in die deutsche Unternehmensmitbestimmung ......................................................... 575

5.

Betriebsratsmitglied: Nachtarbeitszuschläge nach Verschiebung der Arbeitszeit ........................................................... 576

6.

Ab- und Rückmeldepflichten freigestellter Betriebsratsmitglieder bei Tätigkeit außerhalb des Betriebs ........... 578

7.

Telefon und Internet für den Betriebsrat .......................................... 580

8.

Aktuelle Entscheidungen zum betrieblichen Einigungsstellenverfahren ................................................................ 582 a) Ausgangssituation ..................................................................... 582 b) Bildung der Einigungsstelle ...................................................... 583 c) Keine Anfechtung des Einigungsstellenspruchs bei fehlender Zuständigkeit............................................................. 584 d) Anfechtung des Einigungsstellenspruchs gemäß § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG ........................................................... 585

XIV

Inhaltsverzeichnis

e) Vollständige oder teilweise Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs ............................................................ 586 9.

Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren .............. 588

10.

Präjudiziale Wirkung eines Beschlussverfahrens zu Mitbestimmungsrechten bei Anrechnung übertariflicher Zulagen ............................................................................................. 591

11.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements...................................... 593 a) Umfang des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ...................................................................................... 594 b) Entscheidungsbefugnisse einer Einigungsstelle........................ 595 c) Fazit ........................................................................................... 598

12.

Ausschreibung von Arbeitsplätzen bei beabsichtigter Besetzung mit Leiharbeitnehmern ................................................... 599

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 603

1.

Sozialplanabfindung: Benachteiligung wegen Behinderung ........... 603

2.

Altersdiskriminierung durch Abfindungsausschluss bei Anspruch auf Betriebsrente .............................................................. 605

3.

Erzwingbarkeit eines Sozialplans bei Streit über das Vorliegen einer Betriebsänderung .................................................... 606

4.

Einbeziehung einer Transfergesellschaft durch Einigungsstellenspruch zum Sozialplan........................................... 609

5.

Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats und der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer.................................................................................... 613

6.

a) Tatbestandliche Voraussetzungen einer Interessenkollision..................................................................... 614 b) Rechtsfolgen eines Verstoßes .................................................... 616 c) Interessenkollision auf dem Gebiet des Arbeitsrechts .............. 617 d) Einverständnis des Mandanten.................................................. 619 Betriebsübergang durch Insourcing einer betriebsmittelintensiven Tätigkeit .................................................... 620

XV

Inhaltsverzeichnis

7.

Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang .............................................................................. 623

J.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 629

1.

Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei Unfall im Zusammenhang mit Home-Office-Tätigkeit .................................... 629

2.

Rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bei Syndikusrechtsanwälten ............................ 633

3.

Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer als umsatzsteuerpflichtige Leistung ...................................................... 635

4.

Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2017 .................................................................................................. 637

Stichwortverzeichnis .................................................................................. 639

XVI

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG

AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz AltZertG AsylG AsylVfG AufenthG

AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm.

anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Asylgesetz Asylverfahrensgesetz Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung

XVII

Abkürzungsverzeichnis

AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG

ArbRB ArbSchG

ARSt ArbStättV ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG

ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG

AufenthG Aufl. AÜG

AuR XVIII

Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz 1979 Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht

Abkürzungsverzeichnis

AVmG

AWbG (AWStG)

BA BAG BAVAZ BAT BAT-O BB BBG BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancengesetz BeschFG

BeschSchG BeschV

BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB

Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Beschäftigungsverordnung – Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch XIX

Abkürzungsverzeichnis

BGBl. BGH BGHZ

BVerwG bzw.

Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesrechtsanwaltsordnung Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise

ca. CGM

circa Christliche Gewerkschaft Metall

BildschArbV BilMoG BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks. BRTV-Bau BSDG BSeuchG

BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BRAO BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE

XX

Abkürzungsverzeichnis

CGZP ChemG ChGlFöG

DA DAG DB DBGrG DCGK ders. DGB d. h. DKK DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG

EG EGBGB ELENA-VerfahrensG

Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für „Ortskrankenkassen“ Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises XXI

Abkürzungsverzeichnis

EstB EGV EGMR EMRK EntGG-E EntgTransG ErfK ESC EStG etc. EU EU-DSGVO EuGH EUZBLG

EuZW EUV e. V. evtl. EVÜ EWG EWiR EzA FPfZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FördElRV FR FS

XXII

Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Entgeltgleichheitsgesetz zwischen Frauen und Männern Entgelttransparenzgesetz Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union EU-Datenschutz-Grundverordnung Europäischer Gerichtshof Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift

Abkürzungsverzeichnis

GA-AÜG GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR GmbHR GmS-OBG GNBZ GRC GRUR GS GSG GWB

Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HAG HaKo-KSchR Halbs. h. M. HGB HinGebSchG HSWG HZvNG

Heimarbeitergesetz Handkommentar- Kündigungsschutzrecht Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock Hüttenknappschaftliche ZusatzversicherungsNeuregelungs-Gesetz

i. d. F. i. E. i. H. a. INF InKDG

in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994

InsO

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

Institutsvergütungsverordnung IntG IntGVO InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG KDZ

Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten Integrationsgesetz Integrationsgesetzverordnung Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz

K&R krit. KSchG KuG

Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld

LadschlG LAG LAGE LasthandhabV

Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung

Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

LFZG

Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG

m. w. N. MiLoV MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG Montan-MitbestErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG MuSchArbV NachwG

n. F. NJW Nr.

Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen Mindestlohnanpassungsverordnung Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968 Mutterschutzarbeitsverordnung Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer XXV

Abkürzungsverzeichnis

Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG

Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PatG PersR PersVG NW

Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit

PflegeArbbV PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV

PSDG PSH-BV PSV PublG PW RabattG RAG RAGE

Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Preis/Willemsen

Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken RIW Recht der internationalen Wirtschaft RL Richtlinie(n) Rz. Randzahl/Randziffer XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Rs. RsprEinhG

RV-Leistungsverbesserungsgesetz RVO RzK s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG

SE SEAG SEBG SeemG SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI

SGb

Rechtssache Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung Reichsversicherungsordnung 1911 Rechtsprechung zum Kündigungsrecht siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch – Allgemeiner Teil 1975 Sozialgesetzbuch, III. Buch – Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch – Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch – Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994 Die Sozialgerichtsbarkeit XXVII

Abkürzungsverzeichnis

SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr. Tarifautonomie stärkungsgesetz TKG TransPuG TVG TVöD TzBfG

u. a. u. ä. ÜbernG

Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (= Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie Telekommunikationsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001

UrhG usw. UVV

unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Umsatzsteuergesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften

v. VAG VermbG

vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz

UmlFinG UStG UmwG

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

VermG VersAusglG vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG WM WpHG WPrax WpÜG WWKK

z. B. ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR

Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wlotzke, Wissmann, Koberski, Kleinsorge: Mitbestimmungsrecht zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht XXIX

Abkürzungsverzeichnis

Ziff. ZIP ZPO ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG

XXX

Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz

A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.

AÜG-Reform tritt in Kraft

Auf der Grundlage der letzten Änderungen durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1 haben Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze 2 verabschiedet 3. Das Gesetz wird am 1.4.2017 in Kraft treten und wesentliche Veränderungen in Bezug auf die individual- und kollektivrechtlichen Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung zur Folge haben.

a)

Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung

Zur Abgrenzung von sonstigen Formen des Arbeitseinsatzes und der Vermittlung von Fremdpersonal wird die Arbeitnehmerüberlassung im Gesetz gekennzeichnet. Dabei wird durch § 1 Abs. 1 S. 2, 3 AÜG bestimmt, dass Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen werden, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Grundsätzlich soll dies nur zulässig sein, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht 4. Die Vermittlung von Arbeitnehmerüberlassung ohne unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher („Kettenüberlassung“) wird damit unzulässig. Das folgt nicht nur aus einer Ergänzung in § 12 Abs. 2 AÜG. Danach finden die in §§ 9 Nr. 1 bis 1 b, 10 AÜG getroffenen Regelungen entsprechende Anwendung, wenn Arbeitnehmer entgegen § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG von einer anderen Person überlassen werden und dabei gegen § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 5, 6 oder § 1 Abs. 1 b AÜG verstoßen wird.

1 2 3

4

BT-Drucks. 18/10064. BT-Drucks. 18/9232. Eingehend zu den verschiedenen Gesetzentwürfen und den damit zusammenhängenden Fragen vgl. BT-Drucks. 18/9259; 18/9557; 18/9559; 18/9972; BR-Drucks. 294/16; Bissels/Falter, DB 2016, 2789 ff.; Dilenge, BB 2016, 2678 ff.; B. Gaul, AktuellAR 2015, 24, 337 ff.; 2016, 1 ff.; B. Gaul/Hahne, BB 2016, 58 ff.; Hamann, AuR, 2016, 136; Hennecke, NZA 2016, 1309 ff.; Henssler, RdA 2016, 18 ff.; Neighbour/Schröder, BB 2016, 2869 ff.; Oberthür, ArbRB 2016, 109 ff.; Schönhöft/Oelze, BB 2016, 565 ff.; Schüren, DB 2016, 234 ff.; Schubert/Liese, NZA 2016, 1297 ff.; Sprenger, ZTR 2016, 558 ff.; Thuengerthal, BB 2016, 2875 ff.; Thuengerthal/Andorfer, BB 2016, 1909 ff.; Thüsing, NZA 2015, 1478 ff.; ders., DB 2016, 2663 ff.; Ubber/Löw, BB 2015, 3125 ff.; Ulrici, BB 2015, 1209 ff.; ders., NZA 2016, 1317 ff. Zum Arbeitnehmerstatus: Reinecke, NZA 2016, 393 ff.

321

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Wichtiger für den gesamten Fremdpersonaleinsatz und die damit verbundene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmerüberlassung sowie Werk- und Dienstvertrag ist allerdings, dass mit § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten geschaffen werden. Danach ist die Überlassung von Leiharbeitnehmern in dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu kennzeichnen, bevor die Überlassung bzw. das Tätigwerden erfolgt. Vor der Überlassung ist die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren. Darüber hinaus muss der Verleiher den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird (§ 11 Abs. 2 AÜG) 5. Die Missachtung der vorstehenden Kennzeichnungspflichten wird gemäß § 9 Nr. 1 a AÜG sanktioniert. Danach kommt ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande, wenn entgegen § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG die Arbeitnehmerüberlassung nicht als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Entleiher festhält (Festhalteerklärung). Damit ist die sogenannte „Fallschirmlösung“ ausgeschlossen, bei der das Risiko einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung mit der Folge des § 9 Nr. 1 AÜG im Zusammenhang mit Scheinwerk- oder -dienstverträgen in der Vergangenheit dadurch beseitigt wurde, dass der Unternehmer vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einholte 6. Problematisch ist, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG keine Übergangsregelung enthält. Überlassungstatbestände, die ohne Rücksicht auf die Kennzeichnungspflichten bereits vor dem 1.1.2017 eingeleitet wurden (und eingeleitet werden durften), sind am 1.4.2017 deshalb unmittelbar von einem Arbeitgeberwechsel betroffen. Solche Sachverhalte müssen durch eine richterrechtliche Korrektur dieses handwerklichen Fehlers im Gesetz entsprechend behandelt werden, also eine Festhalteerklärung noch nach dem 31.3.2017 zulassen. Fristbeginn sollte unter Ausgrenzung früherer Überlassungen für diese Fälle der 1.4.2017 sein. Dies gilt umso mehr, als bereits die tatsächlichen Anforderungen an eine wirksame Festhalterklärung vor dem 31.3.2017 gar nicht erfüllt werden können. Denn die Festhalteerklärung ist als Folge von

5 6

Vgl. Hennecke/Tuengerthal, BB 2015, 1269 ff.; Franzen, RdA 2015, 141 ff. BAG v. 20.1.2016 – 7 AZR 535/13, BB, 2016, 1850 ff.; LAG Rheinland-Pfalz v. 28.5.2015 – 2 Sa 689/14, NZA-RR 2015, 625.

322

AÜG-Reform tritt in Kraft

Veränderungen im Rahmen der Beratung im Ausschuss für Arbeit und Soziales an außerordentlich strenge Voraussetzungen geknüpft worden, die die Fälle wirksamer Erklärungen wohl ganz erheblich reduzieren werden. (2) Die Erklärung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1 a, 1 b AÜG (Festhaltenserklärung) ist nur wirksam, wenn 1. der Leiharbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt, 2. die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und 3. die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht. (3) Eine vor Beginn einer Frist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1 b AÜG abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam. Wird die Überlassung nach der Festhaltenserklärung fortgeführt, gilt § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1 b. Eine erneute Festhaltenserklärung ist unwirksam. § 28 e Abs. 2 S. 4 SGB IV gilt unbeschadet der Festhaltenserklärung.

Unabhängig von diesem Anpassungsbedarf ist es für die Praxis überaus wichtig, bis zum 31.3.2017 alle Formen des Fremdpersonaleinsatzes zu prüfen. Dafür gibt es bereits Softwaretools, die helfen, insbesondere die notwendige Schnittstelle zwischen HR-Bereichen und operativen Einheiten herzustellen (vgl. CMS FPE). Soweit tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung in Rede steht, müssen die neuen gesetzlichen Kennzeichnungspflichten erfüllt werden. Erfolgt der Einsatz auf der Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrags oder anderer Formen der selbständigen Beschäftigung, sollte kritisch geprüft werden, ob die Anforderungen einer solchen Tätigkeit auch tatsächlich erfüllt werden. Wenn Zweifel bestehen, ob diese Anforderungen überhaupt erfüllt werden können, liegt es näher, den Einsatz unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Vorgaben in eine Arbeitnehmerüberlassung umzuwandeln. Ist es möglich, durch Veränderungen in der praktischen Umsetzung eine selbständige Beschäftigung darzustellen, bleibt dies eine Alternative, wenn der Unternehmer vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eingeholt hatte. Denn Werk- und Dienstvertrag werden durch die gesetzliche Neuregelung nicht eingeschränkt. Allerdings muss man in allen Varianten im Auge behalten, dass verdeckte Arbeitnehmerüberlassung, wenn sie in der Vergangenheit bei der Abwicklung eines Dienst- oder Werkvertrags ohne Erlaubnis geschah, schon nach heutiger Rechtslage zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer geführt hat (§ 9

323

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Abs. 1 Nr. 1 AÜG) 7. Daran ändert auch eine nachträglich Änderung der Einsatzform nichts, wenn sie jetzt erst veranlasst wird.

b)

Höchstüberlassungsdauer in der Privatwirtschaft

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 4 AÜG ist eine Überlassung zukünftig nur noch vorübergehend bis zu der in § 1 Abs. 1 b AÜG genannten Höchstüberlassungsdauer erlaubt. Danach darf derselbe Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen (§ 1 Abs. 1 b S. 1, 2 AÜG). Unerheblich, ob in dieser Zeit ein ununterbrochener Einsatz erfolgt oder über die Überlassung jeweils nur für einzelne Tage erfolgt. Der Gesetzgeber verfolgt damit richtigerweise keine arbeitsplatz-, sondern eine arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise 8. Der gleiche Arbeitsplatz kann also dauerhaft mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt werden. Dies eröffnet jedenfalls in solchen Bereichen sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht durch besonderes Know-how der Leiharbeitnehmer gekennzeichnet sind. Hier ist eine Rückkehr des ursprünglich überlassenen Arbeitnehmers möglich, wenn er dazwischen bei einem anderen Arbeitgeber tätig war. Auf der Grundlage der Ankündigung im Koalitionsvertrag enthält § 1 Abs. 1 b S. 3 AÜG eine Tariföffnungsklausel. Danach kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder einer aufgrund und im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags getroffenen Betriebsoder Dienstvereinbarung eine hiervon abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten werden den Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften in ihren Regelungen eingeräumt, hier allerdings ohne weitergehende Schranken. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist zu begrüßen. Allerdings erlaubt dies keine dauerhafte Überlassung. Denn auch in der Kollektivvereinbarung muss eine Höchstdauer – wenn auch eine vom Gesetz abweichende Höchstdauer – benannt werden. Andernfalls wäre auch die weiterhin geltende Verpflichtung, Arbeitnehmer nur vorübergehend zu überlassen, nicht erfüllt. Eine absolute Höchstgrenze nennt das Gesetz nicht. Der Gesetzgeber hat aber den Gestaltungsspielraum auf der betrieblichen Ebene in solchen Un7 8

BAG v. 12.7.2016 – 9 AZR 352/15, BB 2016, 2686 ff. BT-Drucks. 18/9723 S. 6.

324

AÜG-Reform tritt in Kraft

ternehmen eingeschränkt, die keine gesetzliche Tarifbindung haben. Hier sollen die Betriebsparteien durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eine Verlängerung der 18-Monats-Frist auf über 24 Monate nur vereinbaren können, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthält und die Betriebsparteien darin ausdrücklich berechtigt werden, die Höchstüberlassungsdauer auf über 24 Monate hinaus auszudehnen. Fällt der Betrieb des nichttarifgebunden Entleihers bei Abschluss einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge, ist auf den für die Branche des Entleihers repräsentativen Tarifvertrags abzustellen. Bei dem Begriff der Repräsentativität wird man wohl an § 7 Abs. 2 AEntG anknüpfen müssen. Problematisch aus Sicht der Entleiher ist der Umstand, dass in § 1 b AÜG auf die beim Entleiher bestehenden Kollektivregelungen abgestellt wird. Bei einer Betriebs- und Dienstvereinbarung erscheint dies noch vertretbar, weil insoweit auch eine Gestaltungsbefugnis der Betriebsparteien gegeben ist (vgl. § 88 BetrVG), die auch Leiharbeitnehmer erfassen kann. Hinsichtlich der Verlängerung der Überlassungsdauer durch Tarifvertrag löst sich der Entwurf aber von allen bislang denkbaren Formen einer Tarifbindung, indem er durch einen Tarifvertrag Einsatzformen erlaubt, an die weder Verleiher noch Leiharbeitnehmer gebunden sind. Hintergrund dieser Vorgehensweise dürfte die Idee sein, die Arbeitnehmervertreter einzubinden, bei denen Leiharbeitnehmer in Konkurrenz zu dauerhaft Beschäftigten treten. Zwei Aspekte sind bei der praktischen Umsetzung wichtig: Zum einen stellt § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG klar, dass eine Missachtung der Höchstüberlassungsdauer zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer führt, dessen Inhalt sich nach § 10 AÜG bestimmt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten will. Unklar dabei bleibt aber, was passiert, wenn das Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer jedenfalls dem Leiharbeitnehmer nicht bewusst war. Eine Pflicht, den Arbeitnehmer über die Möglichkeit einer Festhalteerklärung aufzuklären, wird man im Umkehrschluss zu § 613 a Abs. 5, 6 BGB ablehnen müssen. Allerdings würde man Schadensersatzansprüche diskutieren müssen, wenn dem Arbeitnehmer die Gefahr eines Arbeitgeberwechsels und das damit verbundene Widerspruchsrecht nicht bewusst waren, weil der Arbeitgeber seine in § 11 Abs. 2 AÜG vorgesehene Pflicht zu seiner Unterrichtung über den Umstand einer Überlassung als Leiharbeitnehmer im konkreten Einzelfall nicht erfüllt hat. 325

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Zum anderen soll § 19 Abs. 2 AÜG den betroffenen Unternehmen eine lange Übergangszeit einräumen. Denn Überlassungszeiten vor dem 1.4.2017 werden bei der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG nicht berücksichtigt. Die 18-Monats-Frist greift also erst ab dem 1.10.2018.

c)

Zwingende Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes

§ 8 AÜG beschreibt den Grundsatz der Gleichbehandlung (EqualTreatment) mit Arbeitnehmern des Entleihers. Danach ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). Soweit beim Entleiher ein Sachbezug gewährt wird, kann insoweit ein Wertausgleich in Euro erfolgen (§ 8 Abs. 1 AÜG). Das bestätigt die unionsrechtliche Vorgabe, dass alle Entgeltbestandteile einzubeziehen sind. Betroffen hiervon sind beispielsweise Job-Tickets, Dienstwagen, Deputate oder Zuschüsse zum Mittagessen. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber trotz der arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen, steuerlichen und strafrechtlichen Folgen einer Nichterfüllung dieser Entgeltzahlungspflicht darauf verzichtet, selbst eine gesetzliche Kennzeichnung des Entgeltbegriffs vorzusehen. Das wäre nach den Regelungen der EU-Richtlinie zulässig und würde den Anwendungsbereich klarstellen. § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG enthält nur eine Erleichterung. Danach wird (widerlegbar) vermutet, dass der Leiharbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG gleichgestellt ist, wenn er das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt erhält. Entsprechend der heutigen Rechtslage kann hiervon durch Tarifvertrag oder Bezugnahme auf Tarifvertrag abgewichen werden (§ 8 Abs. 2 AÜG), sofern der Arbeitnehmer nicht in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung beim Entleiher oder einem mit dem Entleiher verbundenen Unternehmen ausgeschieden ist (§ 8 Abs. 3 AÜG). Abweichend von der derzeit noch geltenden Rechtslage wird die Möglichkeit einer Vermeidung des Grundsatzes von Equal-Pay eingeschränkt. Nach § 8 Abs. 4 AÜG gilt eine abweichende (tarifliche) Regelung hinsichtlich des Arbeitsentgelts nur für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher. Danach muss das gleiche Arbeitsentgelt wie für die im Betrieb vergleichbaren Arbeitnehmer gewährt werden. Diese Zeit kann bis zur Ge-

326

AÜG-Reform tritt in Kraft

samtdauer der Arbeitnehmerüberlassung verlängert werden, wenn (1) ein Tarifvertrag nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, wenn (2) nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen hinsichtlich des Arbeitsentgelts eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt nach Ablauf des 15Monats-Zeitraums erfolgt, wenn (3) das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt und (4) der Tarifvertrag kraft Gesetzes oder Vereinbarung im Arbeitsverhältnis Geltung beansprucht (§ 8 Abs. 4 S. 1 bis 3 AÜG). Auch wenn die Dauer einer früheren Überlassung an denselben Entleiher grundsätzlich anzurechnen ist, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen, werden Überlassungszeiten vor dem 1.4.2017 nicht berücksichtigt. Damit verzichtet der Gesetzgeber zwar auf eine eigene Kennzeichnung des Begriffs des Arbeitsentgelts. Allerdings wird den für das Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer zuständigen Tarifvertragsparteien durch § 8 Abs. 4 AÜG die Möglichkeit eingeräumt, durch Tarifvertrag das Arbeitsentgelt zu definieren, mit dessen Zahlung der Equal-Pay-Grundsatz erfüllt wird. Das erleichtert die Rechtsanwendung und bewirkt, dass Leistungen, die beim Entleiher auf der Grundlage betrieblicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen gewährt werden, keine Berücksichtigung finden (z. B. Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung, Boni, betriebliche Altersversorgung, Jobticket, Essenszuschüsse). Dabei kann an die Begriffsbestimmungen angeknüpft werden, die in den Branchenzuschlägen für die Kennzeichnung des Bezugspunkts für das zuschlagspflichtige Entgelt bestimmt werden. Das ist mehr als die Vermutung, wie sie in § 8 Abs. 1 AÜG enthalten ist. Denn mit der Erfüllung des tariflich definierten Entgeltanspruchs gilt der Equal-Pay-Grundsatz als erfüllt. Ungelöst bleibt nach wie vor der Fall, dass Arbeitnehmer nur für einen Teil der Arbeitszeit an einen anderen Arbeitgeber überlassen werden. Erwerben sie – wenn sonstige Ausnahmetatbestände fehlen – nach neun Monaten einen Anspruch auf gleiche Vergütung, der entsprechend einer Teilzeitbeschäftigung zu bestimmen ist? Im Zweifel ist hiervon auszugehen, weil Unterbrechungszeiten von weniger als drei Monaten nicht berücksichtigt werden. Dass diese Unterbrechungen durch eine unregelmäßige Tätigkeit an einzelnen Tagen eines Monats bewirkt wird, spielt keine Rolle. Offen ist derzeit auch, wie mit Sachbezügen zu verfahren ist, die der Arbeitnehmer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten gewährt, ohne dass Teilbarkeit gegeben ist (z. B. Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung). 327

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

d)

Erweiterung der Sanktionen

Wie bereits im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung ausgeführt, werden die Sanktionen in §§ 9, 10 AÜG ausgeweitet auf die Fälle einer Nichtbeachtung der Kennzeichnungspflicht (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG) und der Höchstüberlassungsdauer (§ 1 Abs. 1 b AÜG). Dabei kann der Leiharbeitnehmer zwar erklären, dass er an seinem Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher festhalten will. Dann besteht es mit dem Verleiher fort 9. Die Erfüllung der in § 9 Abs. 2 AÜG genannten Voraussetzungen dürfte aber nur selten zur Abgabe einer (wirksamen) Festhalteerklärung führen. Umso wichtiger ist es, diese Schranken der Arbeitnehmerüberlassung einzuhalten und deren Einhaltung durch eine entsprechende Organisation, eine vorbereitende Vertragsgestaltung und eine regelmäßige Überwachung sicherzustellen.

e)

Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher

Nach § 11 Abs. 5 AÜG dürfen Leiharbeitnehmer nicht mehr beim Entleiher zum Einsatz kommen, wenn der Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Das Verbot greift allerdings nicht, wenn der Leiharbeitnehmer im bestreikten Betrieb nicht auf Arbeitsplätzen zum Einsatz kommt, deren Arbeitnehmer sich im Streik befinden, oder deren Arbeitnehmer die Arbeit von im Arbeitskampf befindlichen Arbeitnehmern übernommen haben 10. Der Leiharbeitnehmer hat ein Leistungsverweigerungsrecht und ist darauf hinzuweisen. Unabhängig davon bleibt der übergreifende Einsatz von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen zulässig, wenn insoweit auf das in § 1 Abs. 3 AÜG enthaltene Konzernprivileg zurückgegriffen wird.

f)

Ausgrenzung des öffentlichen Dienstes aus dem Anwendungsbereich des AÜG

Mit § 1 Abs. 3 Nrn. 2 a) und b) AÜG wird ein umfassendes Privileg für den öffentlichen Dienst und die damit verbundenen Bereiche geschaffen. Denn durch diese Regelungen sollen juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche Einheiten, die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes zur Anwendung bringen, aus dem AÜG in seiner Gesamtheit ausgegrenzt werden. Dies erlaubt nicht nur jede Form der Personalgestellung, sondern befreit

9 Reuter, RdA 2015, 171 ff. 10 Thüsing, NZA 2015, 1478 f.; Ubber/Löw, BB 2015, 3125 ff.

328

AÜG-Reform tritt in Kraft

auch von der Notwendigkeit, die Grundsätze des Equal-Pay oder des EqualTreatment zu beachten. Im Einzelnen sieht § 1 Abs. 3 Nr. 2 b) AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Arbeitgebern nicht in den Anwendungsbereich des AÜG fällt, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu einem anderen Arbeitgeber verlagert werden und aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 c) AÜG kann die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern ohne Rücksicht auf das AÜG erfolgen, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und die für sie geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften dies vorsehen. Beispielhaft werden hierdurch öffentlich-rechtliche Körperschaften/Anstalten, Kommunen, Sparkassen ebenso wie Unternehmen im kommunalen Bereich privilegiert, wenn sie den TVöD oder vergleichbare Regelungen zur Anwendung bringen 11. Problematisch an dieser Neuregelung ist, dass das EU-Recht die Privilegierung eines Sektors nicht kennt. Das legt nahe, dass diese Sonderregelungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar sind. Wenn man allerdings die Feststellungen des EuGH im Urteil vom 17.3.2015 12 ernst nimmt, ist es den Arbeitsgerichten verwehrt, einen etwaigen Verstoß gegen die durch Art. 4 Richtlinie 2008/104/EG begründeten Schranken zu prüfen und ggf. eine Rechtsvorschrift unanwendbar zu stellen. Das rechtfertigt jedenfalls aus Unternehmenssicht, trotz unionsrechtlicher Bedenken solche Rechtsvorschriften zunächst einmal anzuwenden.

g)

Schwellenwerte der Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung

Mit Ausnahme von § 112 a BetrVG werden Leiharbeitnehmer zukünftig bei der Berechnung aller Schwellenwerte der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung berücksichtigt. Hierzu wird § 14 Abs. 2 AÜG ergänzt. Entsprechendes soll bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, dem Europäischen Betriebsrat und etwaigen Umwandlungen in eine SE oder SCE beachtet werden.

11 LAG Baden-Württemberg v. 11.2.2016 – 3 TaBV 2/14 n.v. 12 C-533/13, NZA 2015, 423 – AKT.

329

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Für die Betriebsverfassung zeichnet das Gesetz damit im Grunde nur die Rechtsprechung nach 13. Entgegen anderer Auffassungen 14 ist die entsprechende Festlegung aber auch für die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung erfolgt. Das entspricht der Bewertung des BAG in seinem Urteil vom 4.11.2015 15 zu § 9 MitbestG 16. Wichtig ist, dass die Vorschriften über das aktive und passive Wahlrecht (insbesondere aus § 7 S. 2 BetrVG) dadurch nicht verändert werden. Sinnvoll ist, dass gleichzeitig klargestellt wird, dass die Einbindung von Leiharbeitnehmern in die Schwellenberechnung der Unternehmensmitbestimmung nur erfolgt, wenn der Einsatz die Dauer von sechs Monaten übersteigt. Nur dann kann davon die Rede sein, dass diese Personen „in der Regel“ beschäftigt werden. Problematisch ist aber, dass das BAG diese Voraussetzung aus den gleichen Gründen an sich auch für die Schwellenwertberechnungen in der Betriebsverfassung für erforderlich gehalten hatte 17. Warum der Gesetzgeber darauf jetzt im BetrVG verzichtet hat, ist weder nachvollziehbar noch begründbar. Ob und inwieweit die Leiharbeitnehmer auch bei Schwellenwerten in §§ 17, 23 KSchG beachtet werden, bleibt im Gesetz nicht geregelt. Jedenfalls in Bezug auf § 23 KSchG bleiben daher wohl weiterhin die Überlegungen maßgeblich, die das BAG im Urteil vom 24.1.2013 18 angestellt hatte. Wir hatten darüber berichtet 19.

h)

Erweiterung und Konkretisierung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Die Betriebsverfassung soll nur in §§ 80 Abs. 2, 92 Abs. 1 BetrVG geändert werden. Dadurch soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, die Betriebsräte insbesondere über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Fremdpersonal zu unterrichten, damit die Betriebsräte etwaige Beteiligungsrechte prüfen können. Hierzu gehört allerdings 13 Vgl. zuletzt BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 20; LAG BadenWürttemberg v. 27.2.2015 – 9 TaBV 8/14, NZA-RR 2015, 353 Rz. 21; Gaul/Hahne, BB 2016, 58 ff.; Künzel/Schmidt, NZA 2016, 531 ff.; Stepan, AiB 2016, 28 f.; Zimmermann, BB 2016, 53, 56. 14 Vgl. OLG Hamburg v. 31.1.2014 – 11 W 89/13, NZA 2014, 858; B. Gaul, AktuellAR 2013, 202 ff.; 2014, 202 ff., 206 f.; 2015, 585 f. 15 7 ABR 42/13, NZA 2016, 559. 16 B. Gaul, AktuellAR 2015, 585 f. 17 Vgl. BAG v. 12.9.2012 – 7 ABR 37/11, NZA-RR 2013, 197 Rz. 16, 29. 18 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726. 19 B. Gaul, AktuellAR 2013, 118 ff.

330

AÜG-Reform tritt in Kraft

auch die Pflicht, die Verträge vorzulegen, die der Beschäftigung von Personen zugrunde liegen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen (§ 80 Abs. 2 S. 1, 3 BetrVG). Da der Gesetzgeber hier vom „Vertrag“ und nicht von den für die Art und Dauer der Beschäftigung relevanten Vereinbarungen spricht, steht zu erwarten, dass die Betriebsräte die Vorlage des gesamten Vertrags geltend machen werden. Das betrifft auch Vereinbarungen mit Interim-Managern, mit Unternehmensberatern oder sonstigen Dienstleistern. Sensibel wird dies im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung insbesondere dann, wenn dort bestimmte (unternehmerische) Ziele der Tätigkeit definiert werden und/oder eine – ggf. erfolgsbezogene – Vergütung vereinbart wird. Möglicherweise wird man deshalb über eine Trennung zwischen der mandatsbezogenen Vereinbarung zu Art und Dauer des Einsatzes und der vergütungsbezogenen Vereinbarung nachdenken müssen. Ergänzend hierzu soll der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat im Rahmen von § 92 BetrVG auch über die geplante Beschäftigung von Personen, die in keinem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen, beraten. Auf eine weitergehende Ausweitung der Beteiligungsrechte bei einer Einstellung (§ 99 BetrVG) oder im Bereich des Arbeitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) ist verzichtet worden.

i)

Gesetzliche Kriterien zur Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses

Nach der übergreifend geäußerten Kritik an dem ersten Entwurf von § 611 a BGB, der einen Kriterienkatalog und eine gesetzliche Vermutung enthalten hatte 20, sieht es nur noch eine abstrakt-generelle Feststellung zu den Merkmalen eines Arbeitsverhältnisses vor. Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales 21 soll dies die Kennzeichnung des Arbeitsvertrags und damit auch die Abgrenzung zu sonstigen Formen des Einsatzes von Fremdpersonal erleichtern. Die künftige Fassung von § 611 a BGB lautet wie folgt: (1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tä20 Vgl. nur B. Gaul/Hahne, BB 2016, 58 ff.; Henssler, RdA 2016, 18 ff.; Schüren/ Fasholz, NZA 2016, 1473 ff.; Uffmann, NZA 2016, Editorial Heft 5; Wiesenecker, ArbRB 2016, 115 ff. 21 BT-Drucks. 18/10064.

331

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

tigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. (2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Die vorstehende Regelung hat weitgehend belletristischen Charakter und ist überflüssig, schadet aber auch nicht. Schlussendlich werden richterrechtlich entwickelte Grundsätze mit gesetzlichen Feststellungen in §§ 106 GewO, 611 BGB, 84 HGB verbunden. Wenn dies in der Praxis nicht ohnehin schon geschehen ist, können die Kriterien indes auch bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von dem Einsatz des Personals eines Werk- oder Dienstvertragnehmers genutzt werden.

j)

Fazit

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sind eine Reihe berechtigter Kritikpunkte der ersten Entwürfe beseitigt worden. Viele aktuelle Streitpunkte sind nicht arbeitsrechtlicher, sondern politischer Natur. Geblieben sind die unionsrechtlich bedenklichen Sonderregelungen für öffentliche oder kommunale Rechtsträger in § 1 Abs. 3 AÜG. Unverändert fortgeschrieben wurde auch der Fehler, mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG eine Sanktionsregelung für die Missachtung der Kennzeichnungspflicht einzuführen, ohne klarzustellen, dass vorangehende Überlassungszeiträume dabei keine Berücksichtigung finden. Hier wird man abwarten, welche Lösungen die Rechtsprechung entwickelt. (Ga)

2.

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben (Flexirentengesetz)

Auf der Grundlage des im Ausschuss und Soziales unveränderten Entwurfs eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben, den die Bundesregierung eingebracht hatte 22, ist das Flexirentenge-

22 BT-Drucks 18/9787; Stellungnahme des BDA, Erleichterungen für mehr Beschäftigung Älterer gehen nicht weit genug, Oktober 2016; BT Drucks 18/10065.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

tigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. (2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Die vorstehende Regelung hat weitgehend belletristischen Charakter und ist überflüssig, schadet aber auch nicht. Schlussendlich werden richterrechtlich entwickelte Grundsätze mit gesetzlichen Feststellungen in §§ 106 GewO, 611 BGB, 84 HGB verbunden. Wenn dies in der Praxis nicht ohnehin schon geschehen ist, können die Kriterien indes auch bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von dem Einsatz des Personals eines Werk- oder Dienstvertragnehmers genutzt werden.

j)

Fazit

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sind eine Reihe berechtigter Kritikpunkte der ersten Entwürfe beseitigt worden. Viele aktuelle Streitpunkte sind nicht arbeitsrechtlicher, sondern politischer Natur. Geblieben sind die unionsrechtlich bedenklichen Sonderregelungen für öffentliche oder kommunale Rechtsträger in § 1 Abs. 3 AÜG. Unverändert fortgeschrieben wurde auch der Fehler, mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG eine Sanktionsregelung für die Missachtung der Kennzeichnungspflicht einzuführen, ohne klarzustellen, dass vorangehende Überlassungszeiträume dabei keine Berücksichtigung finden. Hier wird man abwarten, welche Lösungen die Rechtsprechung entwickelt. (Ga)

2.

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben (Flexirentengesetz)

Auf der Grundlage des im Ausschuss und Soziales unveränderten Entwurfs eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben, den die Bundesregierung eingebracht hatte 22, ist das Flexirentenge-

22 BT-Drucks 18/9787; Stellungnahme des BDA, Erleichterungen für mehr Beschäftigung Älterer gehen nicht weit genug, Oktober 2016; BT Drucks 18/10065.

332

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben

setz verabschiedet worden. Es erleichtert die Erwerbstätigkeit vor und nach Erreichen der Regelaltersgrenze und verbessert die sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer solchen Erwerbstätigkeit für die betroffenen Arbeitnehmer. Darüber hinaus werden erhebliche Verbesserungen im Bereich der Prävention und Rehabilitation vorgenommen, soweit dabei Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen werden sollen. Insgesamt soll dies die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer auch für Arbeitgeber attraktiver machen 23.

a)

Neuregelung der gesetzlichen Teilrente

Weiterhin besteht ein Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente als Vollrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Durch eine vollständige Neufassung wesentlicher Regelungen in § 34 SGB VI werden allerdings die Vorgaben zur Hinzuverdienstgrenze und den Auswirkungen ihres Überschreitens grundlegend verändert. Zunächst einmal erfolgt eine Berechnung des Hinzuverdienstes kalenderbezogen. Die Hinzuverdienstgrenze liegt dabei bei 6.300,00 € im Kalenderjahr. Auf die bisherige Unterscheidung zwischen alten und neuen Bundesländern wird dabei verzichtet. Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, besteht ein Anspruch auf Teilrente. Diese Teilrente wird berechnet, indem ein Zwölftel des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Betrags von 40 % von der Vollrente abgezogen wird. Überschreitet der sich dabei ergebende Rentenbetrag zusammen mit einem Zwölftel des kalenderjährlichen Hinzuverdienstes den sogenannten Hinzuverdienstdeckel, wird der überschreitende Betrag davon abgezogen. Der Hinzuverdienst wird damit – anders als die aktuelle Rechtslage dies ermöglichte – im Rahmen einer Jahresbetrachtung stufenlos bei der Berechnung des Anspruchs auf gesetzliche Altersrente berücksichtigt. Der Rentenanspruch entfällt erst dann, wenn der von der Rente abzuziehende Hinzuverdienst den Betrag der Vollrente erreicht. Die Berechnung des Hinzuverdienstdeckels sowie des von der Vollrente abzuziehenden Hinzuverdienstes erfolgt jeweils am 1.7. des Kalenderjahres. Ausgangspunkte für die Festlegung des für den Arbeitnehmer geltenden Hinzuverdienstdeckels sind dabei seine Einkünfte in den letzten 15 Kalenderjahren. Denn der Hinzuverdienstdeckel wird berechnet, indem die monatliche Bezugsgröße mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) 23 Eingehend zur Entwicklung des Rentenpakets: BT-Drucks. 18/9513.

333

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

des Kalenderjahres mit den höchsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Kalenderjahren vor Beginn der ersten Rente wegen Alters vervielfältigt wird. Er beträgt mindestens die Summe aus einem Zwölftel von 6.300,- € und dem Monatsbetrag der Vollrente (§ 34 Abs. 3 a SBG VI). Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer berechtigt, eine Teilrente auch unabhängig vom Hinzuverdienst in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall werden 10 % der Vollrente, höchstens aber der Betrag gewährt, der sich aus den vorstehenden Grundsätzen ergeben würde (§ 42 Abs. 2 SGB VI).

b)

Veränderungen der Beitragspflicht

Zunächst einmal erweitert der Gesetzgeber die Versicherungspflicht. Nach der Neuregelung müssen auch solche Beschäftigte, die bereits eine vorgezogene Vollrente wegen Alters beziehen, bei ihrer weiteren Arbeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung entrichten. Eine entsprechende Beitragspflicht trifft den Arbeitgeber. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt an sich eine Versicherungspflicht. Allerdings können Beschäftigte durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf diese Versicherungsfreiheit verzichten. Ein solcher Verzicht wirkt für die Zukunft und ist für die Dauer der Beschäftigung bindend. Konsequenz dieses Verzichts ist, dass auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze weitere Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden können, die dann den bereits bestehenden Anspruch auf die Vollrente erhöhen. In § 230 Abs. 9 SGB VI hatte der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für solche Beschäftigte eingefügt, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung in einer Beschäftigung vor Erreichen der Regelaltersgrenze stehen. Hier bleibt es bei der bisherigen Versicherungsfreiheit, sofern nicht durch den Beschäftigten durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf diese Versicherungsfreiheit mit Wirkung für die Zukunft verzichtet wird. Auch in diesen Fällen bewirkt der Verzicht, dass mit den zusätzlichen Beiträgen auch eine Anhebung der gesetzlichen Altersrente bewirkt wird. Dies verbessert aus Arbeitnehmersicht den bisherigen Zustand, nach dem zwar arbeitgeberseitig Beiträge zu entrichten waren, diese aber keine Auswirkungen auf den gesetzlichen Rentenanspruch besaßen. Auch die Arbeitslosenversicherung erfährt Veränderungen. Denn in § 346 Abs. 3 SGB III wird bestimmt, dass nach Bezug einer Vollrente wegen Alters eine etwaige Beschäftigung im Anschluss an die Regelaltersgrenze versicherungsfrei ist. Diese Privilegierung ist in ihrer Wirkung auf fünf Jahre begrenzt. 334

Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

c)

Zusatzbeiträge und Rentenauskunft

Durch Veränderungen in §§ 187 f. SGB VI werden Versicherte in die Lage versetzt, früher und flexibler als bisher zusätzliche Beiträge in die Rentenversicherung einzuzahlen, um etwaige Rentenabschläge auszugleichen, die mit einer geplanten vorzeitigen Inanspruchnahme eine Altersrente einhergehen würden. Grundlage für eine solche Ausgleichszahlung ist die Auskunft über die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters, die nach § 109 SBG VI bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres erteilt werden kann. Mit dem Versand der zuletzt vor Vollendung des 50. Lebensjahres zu erteilenden Renteninformation ist nach der Neuregelung darauf hinzuweisen, dass eine Rentenauskunft auch vor Vollendung des 55. Lebensjahres erteilt werden kann und dass eine Rentenauskunft auf Antrag auch die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters enthält. Diese Auskunft soll nur dann unterbleiben, wenn die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Rente wegen Alters offensichtlich ausgeschlossen ist (§ 109 Abs. 2, 5 SGB VI). (Ga)

3.

Entwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

Auf der Grundlage des am 27.10.2016 in überarbeiteter Form vorgelegten Referentenentwurfs eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit 24 zwischen Frauen und Männern verfolgt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sein Ziel weiter, eine geschlechtsbezogenen Benachteiligung beim Entgelt entgegenzuwirken. Wir hatten bereits im Frühjahr über den vorangehenden Entwurf berichtet 25. Dass ein entsprechendes Verbot bereits heute durch Art. 23 GRC, Art. 157 AEUV, Art. 4 Richtlinie 2006/54/EG, Art. 3 Abs. 2 GG, §§ 1, 3, 7 AGG, 75 BetrVG und weitere Vorschriften besteht, hält das Ministerium für unzureichend 26. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz trotz seiner grundsätzlichen Freigabe im Koalitionsausschuss tatsächlich in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird und welche Änderungen – die notwendig sind – dann noch vollzogen werden. Im Wesentlichen geht es dabei um das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – 24 Eingehend hierzu: Thüsing, DB 2016, 2234 ff. 25 B. Gaul, AktuellAR 2016, 17 ff.; BT-Drucks. 17/9781. 26 BT-Drucks. 18/5100.

335

Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

c)

Zusatzbeiträge und Rentenauskunft

Durch Veränderungen in §§ 187 f. SGB VI werden Versicherte in die Lage versetzt, früher und flexibler als bisher zusätzliche Beiträge in die Rentenversicherung einzuzahlen, um etwaige Rentenabschläge auszugleichen, die mit einer geplanten vorzeitigen Inanspruchnahme eine Altersrente einhergehen würden. Grundlage für eine solche Ausgleichszahlung ist die Auskunft über die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters, die nach § 109 SBG VI bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres erteilt werden kann. Mit dem Versand der zuletzt vor Vollendung des 50. Lebensjahres zu erteilenden Renteninformation ist nach der Neuregelung darauf hinzuweisen, dass eine Rentenauskunft auch vor Vollendung des 55. Lebensjahres erteilt werden kann und dass eine Rentenauskunft auf Antrag auch die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters enthält. Diese Auskunft soll nur dann unterbleiben, wenn die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Rente wegen Alters offensichtlich ausgeschlossen ist (§ 109 Abs. 2, 5 SGB VI). (Ga)

3.

Entwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

Auf der Grundlage des am 27.10.2016 in überarbeiteter Form vorgelegten Referentenentwurfs eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit 24 zwischen Frauen und Männern verfolgt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sein Ziel weiter, eine geschlechtsbezogenen Benachteiligung beim Entgelt entgegenzuwirken. Wir hatten bereits im Frühjahr über den vorangehenden Entwurf berichtet 25. Dass ein entsprechendes Verbot bereits heute durch Art. 23 GRC, Art. 157 AEUV, Art. 4 Richtlinie 2006/54/EG, Art. 3 Abs. 2 GG, §§ 1, 3, 7 AGG, 75 BetrVG und weitere Vorschriften besteht, hält das Ministerium für unzureichend 26. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz trotz seiner grundsätzlichen Freigabe im Koalitionsausschuss tatsächlich in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird und welche Änderungen – die notwendig sind – dann noch vollzogen werden. Im Wesentlichen geht es dabei um das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – 24 Eingehend hierzu: Thüsing, DB 2016, 2234 ff. 25 B. Gaul, AktuellAR 2016, 17 ff.; BT-Drucks. 17/9781. 26 BT-Drucks. 18/5100.

335

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

EntgTransG), das mit Wirkung für alle Unternehmen in Deutschland in Kraft gesetzt werden soll.

a)

Anwendungsbereich

Nach §§ 2, 5 EntgTransG gilt das Gesetz grundsätzlich für Arbeitnehmer und Auszubildende sowie weitere Beschäftigte, die durch natürliche oder juristische Personen in Deutschland beschäftigt werden. Allerdings differenziert das Gesetz in seiner weiteren Ausgestaltung zwischen Arbeitgebern mit einer gesetzlichen Tarifbindung (§ 5 Abs. 5 EntgTransG: tarifgebundene Arbeitgeber), Arbeitgebern mit einer schriftlichen Vereinbarung über die inhaltsgleiche Anwendung eines Tarifvertrags (§ 5 Abs. 5 EntgTransG: tarifanwendende Arbeitgeber) und sonstigen Arbeitgebern. Die Geltung des AGG und anderer Benachteiligungsverbote bleibt hiervon unberührt, soweit nicht durch das EntgTransG etwas anderes bestimmt wird.

b)

Gebot des gleichen Entgelts / Kennzeichnung des benachteiligungsfreien Entgeltsystems

Unter Einbeziehung der in §§ 3, 8 AGG getroffenen Regelungen konkretisiert § 3 EntgTransG das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Danach darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Gegenteilige Vereinbarungen sind unwirksam (§ 8 EntgTransG), was allerdings bereits durch § 7 Abs. 1 AGG bestimmt wird. Diese generelle Vorgabe schließt unterschiedliche Behandlungen aus anderen Gründen nicht aus. So können insbesondere arbeitsmarkt-, leistungsund arbeitsergebnisbezogene Kriterien ein unterschiedliches Entgelt rechtfertigen, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Im Mittelpunkt dürfte auf dieser Grundlage die Frage stehen, wann eine gleiche oder gleichwertige (nicht: gleichartige) Tätigkeit vorliegt. Das ist nach § 4 Abs. 1 EntgTransG der Fall, wenn die Beschäftigten unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Wenn ein Entgeltsystem zur Anwendung kommt, muss dieses zur Gewährleistung der Entgeltgleichheit insbesondere die Art der zu verrichtenden Tätigkeit objektiv berücksichtigen, auf für weibliche und männliche Beschäftigte gemeinsamen Kriterien beruhen, die einzelnen Differenzierungskriterien diskriminierungsfrei gewichten so336

Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

wie insgesamt nachvollziehbar und durchschaubar sein (§ 4 Abs. 2 EntgTransG). Bei tariflichen Systemen wird die Angemessenheit vermutet. Außerdem wird unterstellt, dass Tätigkeiten unterschiedlicher Entgeltgruppen grundsätzlich nicht gleichwertig sind.

c)

Allgemeine Handlungspflichten zum Schutz vor EntgeltBenachteiligungen aufgrund des Geschlechts

§ 6 EntgTransG begründet eine Pflicht der Tarifvertragsparteien, des Arbeitgebers und der betrieblichen Interessenvertreter zum Schutz vor Entgeltbenachteiligungen wegen des Geschlechts. Dies entspricht §§ 7, 12 AGG, 75, 80 Abs. 1 BetrVG, ohne den Beschäftigten zusätzlichen Schutz zu verschaffen. Entscheidend sind wie weitergehenden Regelungen zur Auskunft (§§ 10 ff. EntgTransG), zur Erfüllung bzw. Beseitigung (§§ 7, 19 EntgTransG), zur Durchführung regelmäßiger Prüfverfahren (§§ 17 EntgTransG) sowie zur Einbeziehung dieser Maßnahmen in den Lagebericht (§ 21 EntgTransG). Darauf sei nachfolgend hingewiesen. Entsprechendes gilt für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, die in § 13 EntgTransG noch einmal gesondert geregelt ist. Dort wiederholt und konkretisiert der Gesetzgeber im Wesentlichen nur Beteiligungsrechte, wie sie heute schon in § 80 Abs. 1 Nr. 1, 3 BetrVG enthalten sind. Bemerkenswert ist, dass der Betriebsrat schriftlich oder in Textform erklären soll, ob eine § 5 Abs. 6 EntgTransG entsprechende Anwendung der tariflichen Regelungen zum Entgelt durch den Arbeitgeber erfolgt. Diese Erklärung nennt § 5 Abs. 6 EntgTransG indes nicht als Voraussetzung, um die Privilegien eines tarifanwendenden Unternehmens zur Anwendung zu bringen. Gerade weil die Entgeltgleichheit typischerweise auf der betrieblichen Ebene erreicht werden muss, dürfte die originäre Zuständigkeit in der Regel nur den Betriebsrat, nicht aber den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat betreffen 27.

d)

Maßregelungsverbot

Das in § 9 EntgTransG enthaltene Maßregelungsverbot entspricht § 612 a BGB und könnte gestrichen werden. Allerdings bezieht der Entwurf weiterhin Personen ein, die Beschäftigte bei der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Gesetz unterstützen. Da der Wortlaut alle Formen der Unterstützung ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit, die Verhältnismäßigkeit

27 Abw. vgl. LAG Saarland v. 27.7.2016 – 2 TaBV 2/16 n. v., das sogar die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Herstellung der Entgeltgleichheit für denkbar hält.

337

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

und die Zuständigkeit der handelnden Personen, ist eine Klarstellung geboten. Rechtswidrige Maßnahmen können einer Maßregelung nicht entzogen sein. Darüber hinaus muss deutlich gemacht werden, dass der Betriebsrat über die im BetrVG sowie in § 13 EntgTransG vorgesehenen Regelungen weiterhin keine Befugnis hat.

e)

Individueller Auskunftsanspruch

aa)

Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers

Der individuelle Auskunftsanspruch in §§ 10 ff. EntgTransG geht über die aktuelle Rechtslage hinaus. Nach der Neuregelung sollen Beschäftigte Anspruch haben auf • die Informationen über die Kriterien und Verfahren für die Festlegung des eigenen Entgelts und des Entgelts der Arbeitnehmer mit gleicher oder – soweit vom Beschäftigten benannt – gleichwertiger Tätigkeit nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 EntgTransG sowie • die Angabe des Entgelts für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) nach Maßgabe des § 11 Abs. 3, 4 EntgTransG.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass er in Textform durch einen Beschäftigten in einem Betrieb mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten des gleichen Arbeitgebers geltend gemacht wird. Wenn eine solche Auskunft verlangt und beantwortet wurde, kann die erneute Auskunft erst nach Ablauf von zwei Jahren verlangt werden. Wichtig ist, dass der Auskunftsanspruch nur Entgeltregelungen erfasst, die in demselben Betrieb und bei demselben Arbeitgeber Anwendung finden. Das trägt dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung. Regional unterschiedliche Regelungen des gleichen Arbeitgebers werden dabei ausgegrenzt, auch wenn das Gesetz selbst nicht definiert, was insoweit als Region zu kennzeichnen ist (§ 12 Abs. 1 EntgTransG). Im Auskunftsverlangen müssen Beschäftigte eine ihres Erachtens nach gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen. Neben dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt können sie bei jedem Mal Auskunft über bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen. Dabei werden Geld- und Sachleistungen gleichermaßen erfasst (§§ 5 Abs. 1, 11 Abs. 1 EntgTransG).

338

Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

bb)

Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber, die Tarifvertragsparteien oder den Betriebsrat

Der Referentenentwurf sieht unterschiedliche Vorgaben in Bezug auf die Beantwortung eines individuellen Auskunftsverlangens vor. Sie betreffen den notwendigen Inhalt einer Antwort ebenso wie die Frage, wer die Antwort erteilt. Inhaltlich sollen folgende Grundsätze gelten: • Soweit sich die Auskunft auf die Kriterien und das Verfahren für die Festlegung des Entgelts bezieht, genügt es, auf gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen zu verweisen und einen Ort zu benennen, wo Einsichtnahme erfolgen kann, falls diese die Grundlage sind. Im Übrigen muss eine individuelle Rechtfertigung erfolgen (§ 11 Abs. 2 EntgTransG). Im Übrigen muss auf die individuellen Kriterien verwiesen werden, die – um § 3 EntgTransG nicht zu verletzen – keinen Bezug zum Geschlecht haben können. Damit kommen auch hier insbesondere leistungs-, arbeitsmarkt- oder arbeitsergebnisbezogene Kriterien ebenso wie längere Betriebszugehörigkeit oder Konsequenzen einer Übernahme nach § 613 a BGB in Betracht. • Soweit es um die Angabe des Entgelts für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit geht, die bei tarifgebundenen oder tarifanwendenden Arbeitgebern auf der Grundlage eines Tarifvertrags gezahlt wird, ist grundsätzlich der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete statistische Median des Entgelts der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts in der gleichen Entgeltgruppe wie der oder die auskunftsverlangende Beschäftigte anzugeben § 11 Abs. 3 EntgTransG). Bei den übrigen Arbeitgebern muss der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts eines Kalenderjahres der durch den Arbeitnehmer benannten Entgeltbestandteile aller Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die die jeweilige Vergleichstätigkeit ausüben, angegeben werden.

Die Auskunft muss auch datenschutzrechtliche Aspekte der anderen Beschäftigten achten. Vor diesem Hintergrund sieht § 12 Abs. 2 EntgTransG vor, dass keine Angaben zum Vergleichsentgelt zu erfolgen haben, wenn die Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass nur die mit einer Beantwortung betrauten Personen Kenntnis von den hierfür notwendigen Daten erhalten. Losgelöst von den allgemeinen Aufgaben des Tarifvertragsparteien und des Betriebsrats nach §§ 6, 13 EntgTransG sieht der Entwurf eine unmittelbare Einbindung der Arbeitnehmervertreter in die Auskunftserteilung vor. 339

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

• Bei tarifgebundenen oder tarifanwendenden Arbeitgebern soll die Auskunft grundsätzlich an den Betriebsrat gerichtet werden, sofern der Arbeitgeber nicht zuvor festgelegt hat und dies den Beschäftigten mitgeteilt wurde, dass Auskunftsverlangen an ihn zu richten sind. Wenn kein Betriebsrat besteht, bleibt es bei der Verpflichtung des Arbeitgebers. In diesen Fällen kann der Betriebsrat aber auf einen Vertreter der Tarifvertragsparteien verweisen, den diese zu bestimmen haben (§ 14 EntgTransG). • Bei allen anderen Arbeitgebern wendet sich der Arbeitnehmer zwar an sich an den Arbeitgeber. Auch hier soll aber grundsätzlich der Betriebsrat zuständig sein, wenn nicht Arbeitgeber und Betriebsrat entscheiden, dass sich die Beschäftigten für ihr Auskunftsverlangen an den Arbeitgeber wenden. Unklar ist, ob dies nur einvernehmlich erfolgen kann oder ob der Arbeitgeber diese Entscheidung auch gegen den Willen des Betriebsrats treffen kann (§ 15 Abs. 2 EntgTransG). In allen Fällen sind die Beschäftigten über diese Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Sie bindet Arbeitgeber und Betriebsrat nur bis zum Beginn der nächsten Amtsperiode des Betriebsrats. Ob daraus umgekehrt folgt, dass sie einseitig davor nicht geändert werden kann, ist unklar.

Auskünfte müssen innerhalb von drei Monaten erteilt werden (§ 15 Abs. 3 EntgTransG). Das wird man, auch wenn ein Verweis fehlt, auch für Auskünfte des Betriebsrats annehmen müssen. Denn mit seiner Antwort gilt der Auskunftsanspruch als erfüllt, auch wenn dem Arbeitgeber eine fehlerhafte Informationsübermittlung oder Auskunft durch den Betriebsrat nicht zugerechnet werden kann (§ 13 Abs. 4 EntgTransG). Schon die Frage der Gleichwertigkeit einer Tätigkeit hat ganz erhebliche Bedeutung für den Inhalt der Antwort. Zu empfehlen ist bereits deshalb, als Arbeitgeber entsprechende Auskünfte selbst oder – soweit die Anwendung des Tarifvertrags in Rede steht – durch die Vertreter der Tarifvertragsparteien zu erteilen. Bemerkenswert ist, dass der Gesetzentwurf gleichwohl nur davon spricht, dass der Arbeitgeber eine angefragte Vergleichstätigkeit nach den im Unternehmen angewendeten Maßstäben für nicht gleich oder nicht gleichwertig hält. In diesem Fall hat er es nachvollziehbar zu begründen und die Auskunft auf eine nach seiner Bewertung gleiche oder gleichwertige Tätigkeit zu beziehen. Diese Handlungsoption, im Grunde sogar eine Handlungspflicht, dürfte allerdings auch bei einer Auskunft durch den Betriebsrat gelten, weil dieser in gleicher Weise zur richtigen Anwendung des Gesetzes verpflichtet ist.

340

Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

Unterlässt der Arbeitgeber seine Auskunftspflicht, trägt er im Streitfall die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt. Für ein Schweigen des Betriebsrats gilt dies nicht. Nur das Schweigen des Arbeitgebers wird damit aber als Indiz gewertet, das zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führt. Hiervon war die Rechtsprechung bereits zu § 22 AGG ausgegangen 28. Ob dies auch dann gilt, wenn die Auskunft (offensichtlich) unvollständig und/oder (offensichtlich) fehlerhaft vorgenommen wird, lässt das Gesetz nicht erkennen. Darüber hinaus wird nicht erkennbar, dass auch eine solche Umkehr der Darlegungs- und Beweislast den Arbeitnehmer nicht davon befreit, zu Arbeitnehmern anderen Geschlechts mit einer gleichwertigen Tätigkeit und ihrem Entgelt vorzutragen.

f)

Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung der Entgeltgleichheit

Mit einer Umsetzung der betrieblichen Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit nach §§ 17 ff. EntgTransG sind weitere Handlungsvorgaben und daraus folgende Kosten verbunden. Sie treffen Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten mindestens alle fünf Jahre, ohne Tarifbindung im Entgeltbereich alle drei Jahre. Allerdings verzichtet der Gesetzgeber auf eine Pflicht. Vielmehr werden die Unternehmen nur „aufgefordert“, die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots auf die entsprechende Weise zu überprüfen. Dabei kann auch eine konzernbezogene Prüfung erfolgen, wenn das herrschende Unternehmen bestimmenden Einfluss auch auf die Entgeltbedingungen der Konzernunternehmen nimmt. Das betriebliche Prüfverfahren erfolgt in eigener Verantwortung der Arbeitgeber mithilfe verbindlicher Verfahren nach § 18 EntgTransG und unter Beteiligung der betrieblichen Interessenvertreter. Unklar ist, ob dies nur zu einer Unterrichtung und Beratung führt; dafür spricht die entsprechende Klarstellung in Bezug auf die Planung solcher Prüfverfahren durch § 20 Abs. 2 EntgTransG. Denkbar ist aber auch, dass Betriebsräte – ggf. über § 94 Abs. 2 BetrVG – auch ein echtes Mitbestimmungsrecht geltend machen. § 87 Abs. 1 BetrVG erscheint jedenfalls nicht einschlägig. Auch besteht keine Befugnis des Betriebsrats, die Durchführung eines solchen Prüfverfahrens gegen den Willen des Arbeitgebers durchzusetzen. Zur inhaltlichen Ausgestaltung bestimmt das Gesetz nur, dass die Prüfverfahren aus Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht bestehen. Unter Berücksichtigung betrieblicher Mitwirkungsrechte sei der Arbeitgeber frei in

28 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012, 1345 Rz. 44 ff.

341

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

der Wahl von Analysemethoden und Arbeitsbewertungsverfahren. Unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten seien valide statische Methoden zu verwenden und die Daten nach Geschlecht aufzuschlüsseln. Die Betriebspraxis wird ihre Systeme darauf einstellen müssen. Bestandsaufnahme und Analyse erfassen die aktuellen Entgeltregelungen, Entgeltbestandteile und Arbeitsbewertungsverfahren und werten diese in Bezug auf den Betrieb und unter Ausgrenzung regionaler Unterscheidungen für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots aus. Tarifvertragliche Entgelte sind von einer Überprüfung der Gleichwertigkeit der Tätigkeit ausgenommen (§ 18 Abs. 2, 3 EntgTransG). Wird als Ergebnis dieses Prüfverfahrens ein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot erkennbar, ist der Arbeitgeber zur unverzüglichen Beseitigung verpflichtet (§ 19 Abs. 1 EntgTransG). Erfolgt dies innerhalb von sechs Monaten nach betriebsinterner Veröffentlichung des Ergebnisses des Prüfverfahrens, erlischt der Erfüllungsanspruch des Beschäftigten drei Monate nach der betriebsinternen Veröffentlichung (§§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 2 EntgTransG).

g)

Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit

§ 21 EntgTransG verpflichtet Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, einen Bericht über Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen sowie Maßnahmen zur Herstellung der Entgeltgleichheit sowie ihre grundlegenden Entgeltregelungen und Arbeitsbewertungsverfahren darzustellen. Arbeitgeber, die keine solche Maßnahmen durchführen, müssen dies in ihrem Bericht begründen. Diese Berichtspflicht dürfte noch vertretbar sein, weil sie abstraktgenerellen Inhalt besitzt. Problematisch erscheint aber, dass zu den erforderlichen Angaben auch nach dem Geschlecht aufgeschlüsselte Angaben zu der durchschnittlichen Gesamtzahl der Beschäftigten sowie zur Zahl der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten und zur Anzahl der Beschäftigten nach den jeweiligen Entgeltgruppen enthalten sollen. Zwar werden damit keine konkreten Gehaltsangaben veröffentlicht. Darauf verzichtet der Gesetzgeber im aktuellen Referentenentwurf. Gleichwohl erlauben die Hinweise auf die Zuordnung der Beschäftigten zu den Entgeltgruppen dem Geschäftsverkehr eine sehr genaue Bewertung und Zuordnung der Personalkosten, ohne dass dies der Entgeltgleichheit im Unternehmen dient. Darüber hinaus ist offen, wie zu verfahren ist, wenn ein solches Entgeltgruppensystem nicht besteht.

342

Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung

h)

Fazit

Obwohl grundlegende Fehler des ersten Referentenentwurfs beseitigt sind, wäre auch die Umsetzung des aktuellen Referentenentwurfs zum EntgTransG mit Unklarheiten und einem erheblichem Aufwand für die betroffenen Unternehmen verbunden. Soweit der Referentenentwurf den jährlichen Erfüllungsaufwand der Wirtschaft mit 2.193.750 Euro bestimmt, ist dies deutlich zu gering. Dieser Aufwand dürfte allein für die Berater anfallen, die Einführung und Anwendung begleiten. Problematisch ist darüber hinaus, dass mit dem Gesetz keine wirkliche Verbesserung der Entgeltgleichheit gegeben ist. Der „Gender Pay Gap“ folgt vor allem aus branchenbezogenen Unterschieden und aus dem nach wie vor unterschiedlichen Lebensmodell der beiden Geschlechter. Diese Unterschiede kann und wird auch dieses Gesetz nicht verändern, gleichzeitig aber einen enormen Verwaltungsaufwand bewirken. Hinzu kommt, dass mit Ausnahme von Erfüllungsansprüchen, die die Feststellung einer Missachtung des Entgeltgleichheitsgebots verlangen, keine weitergehenden Sanktionen vorgesehen sind. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, auf seine Umsetzung zu verzichten und auf der Grundlage der bereits bestehenden Regelungen eine weitere Verwirklichung des Entgeltgleichheitsgebots anzustreben. (Ga)

4.

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung

Bereits im Frühjahr hatten wir über den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz berichtet. Dabei geht es auch um den Schutz von Arbeitnehmern vor einer Anfechtung des ihnen gewährten Arbeitsentgelts. Problematisch ist, dass BGH und BAG insoweit abweichende Auffassungen zum Vorliegen eines privilegierten Bargeschäfts vertreten 29. In § 152 Abs. 2 S. 2 InsO soll jetzt festgelegt werden, dass der für eine Privilegierung erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Austausch von Leistung und Gegenleistung gegeben ist, wenn der Schuldner (Arbeitgeber) seinem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt innerhalb von drei Monaten nach der Arbeitsleistung gewährt. Umgekehrt folgt daraus aber auch, dass nicht nur spätere Arbeitsentgeltzahlungen nicht (mehr) als privilegiertes Bargeschäft qualifiziert werden können. Darüber hinaus wird man

29 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZA 2014, 1227 Rz. 37; BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, NZA 2012, 330 Rz. 17 f.

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Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung

h)

Fazit

Obwohl grundlegende Fehler des ersten Referentenentwurfs beseitigt sind, wäre auch die Umsetzung des aktuellen Referentenentwurfs zum EntgTransG mit Unklarheiten und einem erheblichem Aufwand für die betroffenen Unternehmen verbunden. Soweit der Referentenentwurf den jährlichen Erfüllungsaufwand der Wirtschaft mit 2.193.750 Euro bestimmt, ist dies deutlich zu gering. Dieser Aufwand dürfte allein für die Berater anfallen, die Einführung und Anwendung begleiten. Problematisch ist darüber hinaus, dass mit dem Gesetz keine wirkliche Verbesserung der Entgeltgleichheit gegeben ist. Der „Gender Pay Gap“ folgt vor allem aus branchenbezogenen Unterschieden und aus dem nach wie vor unterschiedlichen Lebensmodell der beiden Geschlechter. Diese Unterschiede kann und wird auch dieses Gesetz nicht verändern, gleichzeitig aber einen enormen Verwaltungsaufwand bewirken. Hinzu kommt, dass mit Ausnahme von Erfüllungsansprüchen, die die Feststellung einer Missachtung des Entgeltgleichheitsgebots verlangen, keine weitergehenden Sanktionen vorgesehen sind. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, auf seine Umsetzung zu verzichten und auf der Grundlage der bereits bestehenden Regelungen eine weitere Verwirklichung des Entgeltgleichheitsgebots anzustreben. (Ga)

4.

Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung

Bereits im Frühjahr hatten wir über den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz berichtet. Dabei geht es auch um den Schutz von Arbeitnehmern vor einer Anfechtung des ihnen gewährten Arbeitsentgelts. Problematisch ist, dass BGH und BAG insoweit abweichende Auffassungen zum Vorliegen eines privilegierten Bargeschäfts vertreten 29. In § 152 Abs. 2 S. 2 InsO soll jetzt festgelegt werden, dass der für eine Privilegierung erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Austausch von Leistung und Gegenleistung gegeben ist, wenn der Schuldner (Arbeitgeber) seinem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt innerhalb von drei Monaten nach der Arbeitsleistung gewährt. Umgekehrt folgt daraus aber auch, dass nicht nur spätere Arbeitsentgeltzahlungen nicht (mehr) als privilegiertes Bargeschäft qualifiziert werden können. Darüber hinaus wird man

29 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, NZA 2014, 1227 Rz. 37; BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, NZA 2012, 330 Rz. 17 f.

343

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

davon ausgehen können, dass Arbeitsentgeltzahlungen, die im Zusammenhang mit einer Freistellung gewährt werden, anfechtbar sind. Eine Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz liegt bislang nicht vor, obwohl diesem der Gesetzentwurf im Anschluss an die erste Beratung am 15.1.2016 überwiesen wurde. Wir werden über den weiteren Fortgang berichten. (Ga)

5.

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts

Im Juni hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mutterschutzrechts in den Bundestag eingebracht 30. Er ist an die Ausschüsse, federführend an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, überwiesen worden und soll nach aktueller Planung bereits am 1.1.2017 in Kraft treten. Mit dem Gesetz soll der Gesundheitsschutz für eine stillende oder schwangere Frau und ihr (ungeborenes) Kind verbessert werden. Hierzu sollen die Gefährdungen einer modernen Arbeitswelt für schwangere und stillende Mütter auf der Einen und die mutterschutzrechtlichen Arbeitgeberpflichten auf der anderen Seite besser konturiert werden. Unter Einbeziehung der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) soll das MuSchG besser strukturiert und übersichtlicher gestalteten werden. Darüber hinaus sollen unionsrechtliche Vorgaben in Bezug auf den Aufwendungsbereich, den Gesundheits- und Kündigungsschutz eingearbeitet werden.

a)

Anwendungsbereich

Unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH im Urteil vom 11.11.2010 31 über die wir berichtet haben 32, wird der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes zunächst einmal auf alle beschäftigten ausgedehnt, die eine nichtselbstständige Arbeit im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausüben. Damit werden beispielsweise auch Fremdgeschäftsführerinnen oder Minderheiten-Gesellschafter-Geschäftsführerinnen einer GmbH einbezogen. Losgelöst davon findet das MuSchG ohne Rücksicht auf den Beschäftigtenstatus auf die jetzt in § 1 Abs. 2 MuSchG genannten Beschäftigungsformen Anwendung. Dazu gehören beispielsweise auch Frauen in betrieblicher Berufsbildung, Praktikantinnen, arbeitnehmerähnliche Personen

30 BT-Druck. 18/8963; BR-Drucks. 230/16. 31 C-232/09, NZA 2010, 143 f. – Danosa. 32 B. Gaul, AktuellAR 2011, 144 ff.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

davon ausgehen können, dass Arbeitsentgeltzahlungen, die im Zusammenhang mit einer Freistellung gewährt werden, anfechtbar sind. Eine Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz liegt bislang nicht vor, obwohl diesem der Gesetzentwurf im Anschluss an die erste Beratung am 15.1.2016 überwiesen wurde. Wir werden über den weiteren Fortgang berichten. (Ga)

5.

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts

Im Juni hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mutterschutzrechts in den Bundestag eingebracht 30. Er ist an die Ausschüsse, federführend an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, überwiesen worden und soll nach aktueller Planung bereits am 1.1.2017 in Kraft treten. Mit dem Gesetz soll der Gesundheitsschutz für eine stillende oder schwangere Frau und ihr (ungeborenes) Kind verbessert werden. Hierzu sollen die Gefährdungen einer modernen Arbeitswelt für schwangere und stillende Mütter auf der Einen und die mutterschutzrechtlichen Arbeitgeberpflichten auf der anderen Seite besser konturiert werden. Unter Einbeziehung der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) soll das MuSchG besser strukturiert und übersichtlicher gestalteten werden. Darüber hinaus sollen unionsrechtliche Vorgaben in Bezug auf den Aufwendungsbereich, den Gesundheits- und Kündigungsschutz eingearbeitet werden.

a)

Anwendungsbereich

Unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH im Urteil vom 11.11.2010 31 über die wir berichtet haben 32, wird der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes zunächst einmal auf alle beschäftigten ausgedehnt, die eine nichtselbstständige Arbeit im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausüben. Damit werden beispielsweise auch Fremdgeschäftsführerinnen oder Minderheiten-Gesellschafter-Geschäftsführerinnen einer GmbH einbezogen. Losgelöst davon findet das MuSchG ohne Rücksicht auf den Beschäftigtenstatus auf die jetzt in § 1 Abs. 2 MuSchG genannten Beschäftigungsformen Anwendung. Dazu gehören beispielsweise auch Frauen in betrieblicher Berufsbildung, Praktikantinnen, arbeitnehmerähnliche Personen

30 BT-Druck. 18/8963; BR-Drucks. 230/16. 31 C-232/09, NZA 2010, 143 f. – Danosa. 32 B. Gaul, AktuellAR 2011, 144 ff.

344

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts

sowie Schülerinnen und Studentinnen, soweit die weitergehenden Voraussetzungen erfüllt sind. Ergänzend hierzu definiert § 2 Abs. 1 MuSchG als Frau jede Person, die schwanger ist oder ein Kind geboren hat oder stillt, unabhängig von dem in ihrem Geburtseintrag angegeben Geschlecht.

b)

Verbote der Mehr-/Nachtarbeit sowie Sonn-/Feiertagsarbeit

In §§ 4, 5 MuSchG sind branchenunabhängige Regelungen zum Verbot der Mehr-/ und der Nachtarbeit sowie der Sonn-/ und Feiertagsarbeit vorgesehen. Soweit Jugendliche betroffen sind, gelten allerdings weiterhin vorrangig die strengeren Regelungen des JArbSchG. Bemerkenswert ist, dass §§ 4, 5 MuSchG unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschäftigung der schwangeren oder stillenden Frau mit Mehr-/ Nachtarbeit bzw. Sonn-/ Feiertagsarbeit vorsehen, wenn sich die Frau hierzu ausdrücklich bereit erklärt. Allerdings stellt das Gesetz zugleich klar, dass sie ihre Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Wenn in Unternehmen von dieser Gestaltungsoption auf Wunsch der Frau Gebrauch gemacht werden soll, ist dies unverzüglich der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Das folgt aus § 25 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG.

c)

Freistellungen für Untersuchungen und zum Stillen

§ 6 MuSchG regelt die Möglichkeiten, für Untersuchungen und zum Stillen eine Freistellungszeit in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 22 Abs. 1 MuSchG darf dabei keine Entgeltminderung eintreten. Darüber hinaus sind Freistellungszeiten weder vor- noch nachzuarbeiten. Sie werden außerdem nicht auf Ruhepausen angerechnet, die im ArbZG oder in anderen Vorschriften festgelegt sind. Abweichend von der heutigen Regelung sieht das Gesetz allerdings vor, dass eine Freistellung der stillenden Frau nur in den ersten zwölf Monaten nach der Entbindung zu erfolgen hat. Wird auch im Anschluss daran eine Freistellung zum Stillen in Anspruch genommen, bestimmt sich diese nach §§ 241 Abs. 2, 611, 616 BGB.

d)

Betrieblicher Gesundheitsschutz

aa)

Allgemeine Handlungspflichten

Mit §§ 8 ff. MuSchG übernimmt der Gesetzgeber umfangreiche Handlungspflichten des Arbeitgebers zum Schutz der schwangeren und stillenden Frau

345

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

sowie ihres (ungeborenen) Kindes in das MuSchG. Danach hat der Arbeitgeber nicht nur alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 9 MuSchG erforderlichen Maßnahmen für den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der Frau sowie der ihres Kindes zu treffen. Er hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung (§§ 10, 11 MuSchG) ausgeschlossen wird. Mit in dieser Neuregelung wird der Begriff der „Gefährdung“ als zentraler Begriff im betrieblichen Gesundheitsschutz des Mutterschutzrechts eingeführt. Er bezeichnet – im Unterschied zum Rechtsbegriff der „Gefahr“ – die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderung an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit 33. Unverantwortbar ist eine Gefährdung nach der Neuregelung dann, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Umgekehrt gilt eine unverantwortbare Gefährdung als ausgeschlossen, wenn der Arbeitsgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird (§ 8 Abs. 2 MuSchG). bb)

Erweiterung der Gefährdungsanalyse

Nach § 9 Abs. 1 MuSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG für jede Tätigkeit die Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind ausgesetzt ist oder sein kann. Unerheblich ist, ob auf dem jeweiligen Arbeitsplatz überhaupt eine Frau beschäftigt ist oder werden soll. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses dieser Beurteilung ist sodann festzustellen, ob für eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind voraussichtlich keine Schutzmaßnahmen erforderlich sein werden, eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG erforderlich sein wird oder eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz nicht möglich sein wird. Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen auf der Grundlage einer solchen abstrakt-generellen Gefährdungsanalyse ist gemäß § 13 Abs. 1 MuSchG zu dokumentieren. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber alle Personen, die bei ihm beschäftigt sind, über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und

33 BT-Drucks. 18/8963 S. 64; BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, NZA 2009, 102.

346

Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts

über den Bedarf an Schutzmaßnahmen in geeigneter Form zu informieren (§ 13 Abs. 2 MuSchG). Sobald eine Frau dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder stillt, hat der Arbeitgeber diese abstrakte–generelle Gefährdungsbeurteilung unverzüglich zu konkretisieren und etwaig erforderliche Schutzmaßnahmen festzulegen (§ 9 Abs. 2 MuSchG). Über diese konkretisierende Gefährdungsbeurteilung und über die für eine schwangere oder stillende Frau erforderlichen Schutzmaßnahmen hat der Arbeitgeber diese zu informieren (§ 13 Abs. 3 MuSchG). Unabhängig davon darf der Arbeitgeber eine schwangere oder stillende Frau nur diejenigen Tätigkeiten ausüben lassen, für die er auf der Grundlage einer abstrakt-generellen Gefährdungsbeurteilung eine konkretisierende Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 9 Abs. 2 MuSchG vorgenommen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen hat (§ 9 Abs. 3 MuSchG). Voraussetzung ist natürlich, dass ihm diese Schwangerschaft auch bekannt ist. Losgelöst von dieser innerbetrieblichen Handlungspflicht hat der Arbeitgeber die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu benachrichtigen, wenn eine Frau ihm mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder dass sie stillt, es sei denn, er hat die Aufsichtsbehörde bereits über die Schwangerschaft dieser Frau benachrichtigt (§ 25 Abs. 1 MuSchG). Auch diese Maßnahmen zur Gefährdungsanalyse zeigen deutlich, dass Tätigkeiten, die eine Gefahr oder Gefährdung der schwangeren oder stillenden Frau bzw. ihres Kindes auslösen können, nicht nur vermieden werden sollen, sondern schlussendlich auch einer Beschäftigung entgegenstehen können. § 12 MuSchG macht indes deutlich, dass der Arbeitgeber zunächst einmal versuchen muss, diese Gefährdungen bzw. Gefahren durch Schutzmaßnahmen zu beseitigen, damit trotz Schwangerschaft oder des Stillens eine weitere Beschäftigung der Frau erfolgen kann.

e)

Ärztliches Beschäftigungsverbot

Die Regelungen zum ärztlichen Beschäftigungsverbot aus §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 MuSchG a. V. werden durch § 15 MuSchG fortgeschrieben. Die mit diesem Beschäftigungsverbot korrespondierenden Entgelt- bzw. Entgeltfortzahlungsansprüche aus §§ 11, 13 MuSchG a. V. werden zukünftig in §§ 18 ff. MuSchG geregelt.

347

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

f)

Kündigungsschutz

Auch das Kündigungsverbot aus § 9 MuSchG wird durch § 16 MuSchG übernommen. Allerdings stellt der Gesetzgeber mit Blick auf die Feststellungen des EuGH im Urteil vom 11.10.2007 34 klar, dass die Regelungen zur Unzulässigkeit einer Kündigung entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitsgebers gelten, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft. Schließlich hatte der EuGH einen Verstoß gegen das Kündigungsverbot in Art. 10 MuSchRiV (92/85/EWG) bereits dann angenommen, wenn „vor Ablauf dieser Zeit Maßnahmen in Vorbehaltung einer solchen Entscheidung, wie etwa die Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes für die betroffene Angestellte getroffen werden“. Damit ist eine Kündigung auch nach Ablauf der Schutzfristen unwirksam, wenn entsprechende Vorbereitungen bereits während dieser Zeiträume begonnen wurden.

g)

Aushang des Gesetzes

Wie bisher ist der Arbeitsgeber in Betrieben und Verwaltungen, in denen regelmäßig mehr als drei Frauen beschäftigt werden, verpflichtet, eine Kopie dieses Gesetzes an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen oder auszuhändigen. Zeitgemäß verzichtet § 24 Abs. 1 MuSchG allerdings darauf, wenn der Arbeitgeber das Gesetz für die Personen, die bei ihm beschäftigt sind, in einem elektronischen Verzeichnis jeder Zeit zugänglich gemacht hat. Damit hat das Intranet Eingang in die Ausgestaltung arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften gefunden.

h)

Bußgeldvorschriften

Die gesetzlichen Neuregelungen auch insbesondere aus dem Bereich des Arbeitsschutzes müssen in der betrieblichen Praxis sorgfältig umgesetzt werden. Dies gilt nicht nur mit Blick auf den gebotenen Schutz der schwangeren oder stillenden Frau, bzw. des (ungeborenen) Kindes. Der Gesetzgeber sichert die Durchführung der gesetzlichen Handlungsvorgaben auch durch einen erweiterten Bußgeldkatalog ab. Dieser erfasst in § 29 Abs. 1 auch die rechtzeitige Durchführung einer Gefährdungsanalyse, die Festlegung etwaiger Schutzmaßnahmen oder die Beschäftigung einer schwangeren oder stillenden Frau außerhalb der zahlreichen Schranken, die mit dem Gesetz verknüpft werden. Bei Vorsatz kann dies sogar als Straftat geahndet werden. (Ga)

34 C-460/06, NZA 2007, 1271 ff. – Parquay.

348

Neuordnung des SGB IX

6.

Neuordnung des SGB IX durch Gesetzentwurf zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung

Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 30.11.2016 35 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung verabschiedet. Im Anschluss an Veränderungen, die noch im heutigen SGB IX bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft gesetzt werden sollen, ist mit dem Gesetz eine vollständige Neufassung des SGB IX verbunden, die sodann am 1.1.2018 in Kraft treten soll 36. Soweit die Veränderungen, das für Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations-und Teilhaberecht sowie den Umgang mit Eingliederungshilfen betreffen, hat dies aus arbeitsrechtlicher Sicht nur mittelbare Bedeutung. Bedeutsamer sind die Änderungen in Bezug auf die Schwerbehindertenvertretung. Hier ist zunächst einmal ein Übergangsmandat analog § 21 a BetrVG vorgesehen. Darüber hinaus wird die persönliche Rechtsstellung der Vertrauensleute und ihrer Stellvertreter bei der Einbeziehung in die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, bei Freistellungen, Schulungen und Büropersonal verbessert. Entgegen der heutigen Rechtslage wird dabei in § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX i. d. F. mit Wirkung ab dem Tag nach Verkündigung des Gesetzes und § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX i. d. F. ab 1.1.2018 festgeschrieben, dass die fehlende Einbeziehung der Schwerbehinderung vor der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat. Das entspricht der fehlerhaften Beteiligung des Betriebsratsnach § 102 BetrVG. Unabhängig davon hat erhebliche Bedeutung der Umstand, dass die gesetzliche Definition des Begriffs der Behinderung mit Wirkung zum 1.1.2018 den Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) angepasst werden soll. Zu diesem Zweck soll § 2 Abs. 1 SGB IX wie folgt neu gefasst werden: Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beein-

35 Vgl. BT-Drucks. 18/10523. 36 Vgl. BT-Drucks. 18/9954.

349

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

trächtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass der Begriff der Behinderung den Vorgaben aus der UN-BRK angepasst wird. Zu Recht hatte das BAG bereits in seinem Urteil vom 19.12.2013 37 im Zusammenhang mit einer HIVErkrankung deutlich gemacht, dass § 2 Abs. 1 SGB IX in seiner heutigen Fassung den unionsrechtlichen Vorgaben, zu denen auch die UN-BRK gehört, nicht ausreichend Rechnung trägt. Auch die jetzt beabsichtigte Kennzeichnung der Behinderung widerspricht allerdings den unionsrechtlichen Vorgaben. Denn zum einen begrenzt sie die Wechselwirkungen auf „einstellungs- und umweltbedingte“ Barrieren, obwohl Art. 1 Abs. 2 UN-BRK eine solche Einschränkung nicht enthält. Darüber hinaus übernimmt § 2 Abs. 1 SGB IX nicht nur das Erfordernis, dass die Teilhabe an der Gesellschaft „mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate“ gehindert werden kann, obwohl in Art. 1 Abs. 2 UN-BRK nur von „langfristigen“ Beeinträchtigungen die Rede ist, die Menschen „an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe“ an der Gesellschaft hindern können. Unabhängig davon sieht auch § 2 Abs. 1 SGB IX in seiner Neufassung vor, dass altersbezogene Einschränkungen in Bezug auf den Körper- und Gesundheitszustand für die Kennzeichnung einer Behinderung nicht relevant sind. Auch eine solche Ausgrenzung altersbezogener Beeinträchtigungen ist in Art. 1 Abs. 2 UN-BRK nicht vorgesehen. Bedauerlicherweise hat auch der Ausschuss für Arbeit und Soziales keine Veränderungen im Entwurf vorgenommen. Damit wird es zu einer fehlerhaften Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben kommen, die nicht erkennen lassen, dass § 1 Abs. 2 UN-BRK deutlich weitergehende Verpflichtungen schafft. Es ist unverständlich, dass der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, solche klaren Regelungen aus der UN-BRK umzusetzen. Dies gilt jedenfalls ab dem 1.1.2018, weil das Vorschaltgesetz, das zum 1.1.2017 das bestehende SGB IX ändern soll, eine solche Klarstellung in Bezug auf den Begriff der Behinderung derzeit (noch) nicht vorsieht. (Ga)

37 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 58, 64.

350

Erweiterte Fördermöglichkeiten in Transfergesellschaften

7.

Erweiterte Fördermöglichkeiten in Transfergesellschaften

Bereits am 1.8.2016 ist das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (AWStG) in Kraft getreten 38. Mit der Neuregelung sind die Fördermöglichkeiten für den Fall des Fehlens einer Berufsausbildung im Rahmen einer Transfergesellschaft nach § 111 SGB III deutlich erweitert worden. Zunächst einmal können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III haben, bei der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch die Übernahme der Weiterbildungskosten nach § 83 SGB III gefördert werden, wenn ihnen ein Berufsabschluss fehlt (§ 81 Abs. 2 SGB III) oder sie bei Beginn der Teilnahme das 45. Lebensjahr vollendet haben, die Maßnahme während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld endet und der Arbeitgeber mindestens 50 % der Lehrgangskosten trägt. Weitergehende Voraussetzungen bestimmt § 111 a Abs. 1 SGB III. Darüber hinaus können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III haben und denen i. S. d. § 81 Abs. 2 SGB III ein Berufsabschluss fehlt, bei der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führen, nach § 81 SGB III gefördert werden, wenn der Arbeitgeber mindestens 50 % der Lehrgangskosten während des Bezugs des Transferkurzarbeitergeldes trägt. Allerdings ruht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach § 144 SGB III während der Zeit, für die ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld zuerkannt ist (§ 111 a Abs. 2 SGB III). In beiden Fällen kann eine niedrigere Beteiligung des Arbeitgebers an den Lehrgangskosten festgelegt werden, wenn ein Insolvenzereignis i. S. d. § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III vorliegt (§ 111 a Abs. 3 SGB III). Für Unternehmen, die von einem größeren Personalabbau betroffen sind, erhöht sich damit gerade bei älteren oder gering qualifizierten Mitarbeitern die Attraktivität eines Wechsels in die Transfergesellschaft. Damit einhergehend verbessern sich die Chancen solcher Arbeitnehmer, im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über eine ergänzende Ausbildung wieder eine Anschlussbeschäftigung zu finden. (Ga)

38 BGBl. I 2016, 1710 ff.; BT-Drucks. 18/8042; 18/8647; BR-Drucks. 318/16.

351

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

8.

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Am 4.11.2016 haben das BMAS und das BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) eingebracht, der in dieser Legislaturperiode noch in Kraft gesetzt werden soll 39. Wir hatten über die damit verbundenen Überlegungen zur Einführung einer reinen Beitragszusage bereits bei früherer Gelegenheit berichtet 40. Das Gesetz ist nicht nur mit arbeitsrechtlichen Veränderungen, sondern ebenso mit wichtigen Anpassungen im Bereich des Steuer- und Sozialversicherungsrechts wie auch des Versicherungsaufsichtsrechts verbunden. Es soll einen neuen Weg schaffen, auf einer fest kalkulierbaren Basis betriebliche Altersversorgung insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen einzuführen.

a)

Einführung einer reinen Beitragszusage

§ 1 Abs. 2 BetrAVG soll dahingehend ergänzt werden, dass der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung eine Verpflichtung eingehen kann, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen. In diesen Fall wird die Einstandspflicht des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch weitere althergebrachte Grundsätze des Betriebsrentenrechts (beispielsweise die Pflicht zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG) für die reine Beitragszusage nicht gelten. Ergänzend hierzu bestimmt § 21 BetrAVG, die sich die Tarifvertragsparteien an der Durchführung und Steuerung der betrieblichen Altersversorgung in Form der reinen Beitragszusage über gemeinsame Einrichtungen nach § 4 TVG oder auf andere durch Tarifvertrag bestimmte Weise zu beteiligen haben. Wenn die reine Beitragszusage über eine Direktversicherung durchgeführt wird, kann die gemeinsame Einrichtung an die Stelle des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer treten. Damit die reine Beitragszusage für den Arbeitnehmer werthaltig bleibt, werden die Regelungen der Versicherungsaufsicht angepasst (§§ 244 a ff. VAG). Sie können durch eine Rechtsverordnung ergänzt werden, die besondere Regelungen insbesondere in Bezug auf 39 Ausführlich: Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, Sonderausgabe 4.11.2016; Aon Hewitt aktuell, Nr. 4, 11/2016. 40 B. Gaul, AktuellAR 2015, 35, 347 ff.

352

Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

das Risikomanagement und die Informationspflichten gegenüber den Versorgungsanwärtern und den Rentenempfängern enthält. Ergänzend hierzu wird auch die Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung um besondere Regelungen zur reinen Beitragszusage ergänzt. Bei einer reinen Beitragszusage haben der Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung dem Versorgungsempfänger auf der Grundlage des planmäßig zuzurechnenden Versorgungskapitals laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen. Einmalzahlungen sind also ausgeschlossen (§ 22 Abs. 1 BetrAVG). Diese Pflicht zur lebenslangen Zahlung durch die Altersversorgungseinrichtung wird auch aufsichtsrechtlich flankiert (§ 244 b VAG). Allerdings ist eine vorzeitige Inanspruchnahme gemäß § 6 BetrAVG auch bei dieser Form der betrieblichen Altersversorgung zulässig (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG). Außerdem sind in den Grenzen von § 22 Abs. 4 BetrAVG Abfindungen zulässig. Die auf den gezahlten Beiträgen beruhenden Anwartschaften sind sofort unverfallbar. Die Erträge müssen dabei auch ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu Gute kommen (§ 22 Abs. 2 BetrAVG).

b)

Anpassung der Übertragung nach § 4 BetrAVG

Grundsätzlich kann die bei einer Versorgungseinrichtung bestehende Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung aus einer reinen Beitragszusage nicht übertragen, nicht beliehen oder veräußert werden (§ 22 Abs. 4 BetrAVG). Umgekehrt kann allerdings im Rahmen von § 4 Abs. 3 BetrAVG bewirkt werden, dass bei einem Arbeitgeberwechsel die Übertragung bestehender Anwartschaften aus einer Versorgungszusage mit Eintrittspflicht des Arbeitgebers auf eine Versorgungseinrichtung erfolgt, die zur Abwicklung einer reinen Beitragszusage geschaffen wurde.

c)

Zusatzbeiträge des Arbeitgebers

Zur Absicherung der reinen Beitragszusage sieht § 23 Abs. 1 BetrAVG vor, dass im Tarifvertrag ein Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vereinbart werden soll. Auf diese Weise soll der Versorgungsträger z. B. in die Lage versetzt werden, einen höheren Kapitaldeckungsgrad oder eine konservativere Kapitalanlage zu realisieren. Wichtig ist hierbei, dass § 23 Abs. 1 BetrAVG – jedenfalls nach derzeitigem Stand – keineswegs zwingend die Zahlung eines Sicherungsbeitrags vorschreibt. Die vom Gesetzgeber genutzte Formulierung, es „solle im Tarifvertrag ein Sicherungsbeitrag vereinbart werden“, ist mit anderen Wort nicht im Sinne des Verwaltungsrechts (dort wird „soll“ im Regelfall als „muss“ gelesen), sondern vielmehr im Sinne des Allgemei353

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

nen Zivilrechts zu verstehen (d.h. als „kann, muss aber nicht zwingend“; vgl. etwa § 1355 Abs. 1 BGB). Damit könnten die Tarifvertragsparteien auch auf die Aufnahme eines Sicherungsbeitrags verzichten. Dass insbesondere die Gewerkschaften hierzu bereit sein werden, erscheint allerdings eher fraglich, weshalb der Sicherungsbeitrag jedenfalls faktisch wohl doch verpflichtend werden dürfte. Soweit die Beitragszusage auch durch eine Entgeltumwandlung finanziert wird, muss der Arbeitgeber zudem mindestens 15 % des umgewandelten und sozialversicherungspflichtigen Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten. Dieser im Bereich der Entgeltumwandlung zwingende (!) Arbeitgeberbeitrag soll pauschaliert die Vorteile „abschöpfen“, die der Arbeitgeber durch die insoweit eingesparten Sozialversicherungsbeiträge hat. Zugleich soll es dem Umstand Rechnung tragen, dass auch in Bezug auf diesen Teil der Versorgungszusage keine Eintrittspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG besteht. Zusatzbeiträge, die durch den Arbeitgeber an die Versorgungseinrichtung geleistet werden, sind Betriebsausgaben. Sie können steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt werden. Das stellt zukünftig § 3 Nr. 63 a EStG klar. Zusatzbeiträge, die unmittelbar den einzelnen Arbeitnehmern zugewandt werden, werden nach den allgemeinen Regelungen in §§ 3 Nr. 63, 10 a EStG sowie Abschnitt XI des EStG behandelt.

d)

Opt-in- oder Opt-out-Modelle bei der Entgeltumwandlung

Bislang war umstritten, ob und inwieweit Arbeitnehmer verpflichtet werden konnten, einen Teil ihrer Vergütung im Wege der Entgeltumwandlung in einen Versorgungsanspruch umzuwandeln 41. Dagegen sprach bereits der Umstand, dass darin wohl eine unzulässige Lohnverwendungsabrede zu sehen war, zu der jedenfalls ein Betriebsrat den Arbeitnehmer nicht verpflichten kann, wenn nicht auch der Entgeltanspruch durch Betriebsvereinbarung geschaffen wurde. Bei Betriebsvereinbarungen wird man wohl auch in der Zukunft deshalb an dem Opt-in-Modell festhalten müssen. Danach hat der Arbeitnehmer das Recht, einen Teil seines Entgelts umzuwandeln. Eine Pflicht besteht indes nicht. Der Arbeitgeber kann seinerseits aber die Versorgungszusage daran knüpfen, dass arbeitnehmerseitig eine Unterstützung durch Entgeltumwandlung erfolgt.

41 Vgl. hierzu BAG v. 17.6.2008 – 3 AZR 254/07, DB 2008, 2491 ff.

354

Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Bei Tarifverträgen soll dies zukünftig anders sein. Hier sieht § 20 BetrAVG vor, dass Entgeltansprüche, die auf Tarifvertrag beruhen, nur dann einer Entgeltumwandlung zugänglich sind, wenn dies durch Tarifvertrag zugelassen wird. Ergänzend hierzu kann durch Tarifvertrag geregelt werden, dass der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern des Unternehmens oder einzelne Betriebe eine automatische Entgeltumwandlung einführt, gegen die der Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht hat (Optionssystem). Das Angebot des Arbeitgebers auf Entgeltumwandlung gilt vom Arbeitnehmer als angenommen, wenn es schriftlich und mindestens drei Monate vor der ersten Fälligkeit des umzuwandelnden Entgelts gemacht wurde und durch den Arbeitgeber deutlich darauf hingewiesen wurde, welcher Betrag und welcher Teil der Vergütung umgewandelt werden soll und dass der Arbeitnehmer ohne Angabe von Gründen innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang dieses Angebots widersprechen und die Entgeltumwandlung mit einer Frist von höchstens einem Monat beenden kann. Nichttarifgebundene Arbeitgeber können die Anwendung dieser Regelungen vereinbaren (§ 20 BetrAVG).

e)

Steuerliche Veränderungen

Nach § 3 Nr. 63 BetrAVG sind Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, bei der eine Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditätsoder Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AltVZG) vorgesehen ist, steuerfrei, soweit die Beiträge im Kalenderjahr 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen. Dieser Betrag soll künftig auf 7 % angehoben werden. Allerdings kann sich der Höchstbetrag weiterhin durch Zuwendungen verringern, für die eine Pauschalbesteuerung nach § 40 a EStG zur Anwendung kam (§ 52 Abs. 4 S. 12, 13 EStG). Zudem soll der bislang in § 3 Nr. 63 S. 3 EStG vorgesehene steuerfreie Aufstockungsbetrag (jährlich 1.800,- € für nach dem 31.12.2004 erteilte Zusagen) künftig ersatzlos entfallen, weshalb die vom BMF nunmehr zugestandenen Steuervergünstigungen unter dem Strich auch deutlich niedriger ausfallen, als die Anhebung von 4 % auf 7 % auf den ersten Blick vermuten lässt. Im Ergebnis erfolgt insofern eine Anhebung der Steuerfreigrenzen um „lediglich“ 0,6 Prozentpunkte. Ergänzend hierzu wird eingefügt, dass aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistete Beiträge im Sinne der vorstehenden Regelung ebenfalls steuerfrei sind, wenn sie 3 % der BBG in der allgemeinen Renten355

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

versicherung, vervielfältigt mit der Anzahl der Kalenderjahre, die das Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber bestanden hat, höchstens aber zehn Jahre, nicht übersteigen. Darüber hinaus sind Beiträge, die für Kalenderjahre nachgezahlt werden, in denen das erste Dienstverhältnis ruhte und vom Arbeitgeber im Inland kein steuerpflichtiger Arbeitslohn bezogen wurde, steuerfrei, soweit die Grenze von 7 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung, vervielfältigt mit der Anzahl der Kalenderjahre, höchstens zehn, nicht übersteigen. Wichtig ist überdies, dass die Änderungen im Steuerrecht im Sozialversicherungsrecht nicht nachvollzogen werden sollen. Für die Sozialversicherungsfreiheit bleibt es mithin bei der altbekannten Schwelle von 4 % der BBG, was für den Arbeitgeber wegen des Auseinanderlaufens von Steuer- und Sozialversicherungsrecht zugleich mit einem durchaus höheren Administrationsaufwand verbunden ist.

f)

Steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung

Mit § 100 EStG wird ein Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung für geringverdienende Arbeitnehmer eingeführt. Danach darf der Arbeitgeber von dem Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer für jeden Arbeitnehmer mit einem ersten Dienstverhältnis einen Teilbetrag in Höhe des Arbeitgeberbeitrags zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung (Förderbeitrag) entnehmen und bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung gesondert absetzen. Er beträgt im Kalenderjahr 30 % dieses zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, höchstens 144,- €. Voraussetzung ist, dass • der Arbeitslohn des Arbeitnehmers im Lohnzahlungszeitraum, für den der Förderbeitrag geltend gemacht wird, • der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn im Kalenderjahr mindestens einen Betrag in Höhe von 240,- € an einen Pensionsfonds, einen Pensionskasse oder eine Direktversicherung zahlt, • im Zeitpunkt der Beitragszahlung der laufende Arbeitslohn bei einem täglichen Entgeltzahlungszeitraum 66,67 €, bei einem wöchentlichen Entgeltzahlungszeitraum 466,67 € und bei einem monatlichen Entgeltzahlungszeitraum 2.000,- € nicht übersteigt, und • sichergestellt ist, dass von den Beiträgen grundsätzlich jeweils derselbe prozentuale Anteil zur Deckung der Vertriebskosten herangezogen wird. Das schließt eine Zillmerung aus.

356

Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns

Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach der Inanspruchnahme des Förderbeitrags sind unerheblich. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Beitragsleistung (§ 100 Abs. 4 EStG). Ergänzend hierzu bestimmt § 100 Abs. 5 EStG, dass die Arbeitgeberbeiträge nach der vorstehenden Regelung bis zu einem Betrag von 480 € pro Kalenderjahr steuerfrei sind. § 3 Nr. 63 EStG bleibt hiervon unberührt.

g)

Fazit

Der jetzt beschrittene Weg ist, auch wenn noch Detailarbeit im Gesetzentwurf geleistet werden muss, richtig. Er stärkt die Bereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in betriebliche Altersversorgung zu investieren. Das gilt nicht nur für neue Zusagen. Möglich ist es, auch bestehende Zusagen für künftige Erwerbszeiten auf eine reine Beitragszusage umzustellen. Voraussetzung ist aber zum einen, dass auf tariflicher Ebene die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Das dürfte bei den bestehenden Einrichtungen, die es branchenbezogen bereits gibt, noch nicht der Fall sein. Zum anderen müsste die Umstellung, jedenfalls sofern sie Versorgungswerke betrifft, die auf betrieblicher Ebene geschaffen wurden, den Anforderungen der Drei-Stufen-Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügen. Völlig offen ist im Übrigen noch, welche Auswirkungen der nunmehr vermehrt zu erwartende Abschluss von Tarifverträgen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auf bestehende betriebliche Versorgungswerke unter dem Blickwinkel des § 77 Abs. 3 BetrVG haben wird. Hinzu kommt, dass auch die Entgeltumwandlung und ihre Förderung zu berücksichtigen ist. (Ga/Ho)

9.

Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns

Durch die Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV) vom 15.11.2016 42 wird der Mindestlohn mit Wirkung zum 1.1.2017 auf 8,84 € je Zeitstunde angehoben. Dies entspricht der Empfehlung der Mindestlohn-Kommission. Hiervon unberührt bleiben die Übergangsregelungen in § 24 MiLoG, die in einzelnen Branchen noch eine geringere Vergütung zulassen. Diese muss aber ab. 1.1.2017 mindestens 8,50 € je Zeitstunde betragen. (Ga)

42 BGBl. I 2016, 2530.

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Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns

Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach der Inanspruchnahme des Förderbeitrags sind unerheblich. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Beitragsleistung (§ 100 Abs. 4 EStG). Ergänzend hierzu bestimmt § 100 Abs. 5 EStG, dass die Arbeitgeberbeiträge nach der vorstehenden Regelung bis zu einem Betrag von 480 € pro Kalenderjahr steuerfrei sind. § 3 Nr. 63 EStG bleibt hiervon unberührt.

g)

Fazit

Der jetzt beschrittene Weg ist, auch wenn noch Detailarbeit im Gesetzentwurf geleistet werden muss, richtig. Er stärkt die Bereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in betriebliche Altersversorgung zu investieren. Das gilt nicht nur für neue Zusagen. Möglich ist es, auch bestehende Zusagen für künftige Erwerbszeiten auf eine reine Beitragszusage umzustellen. Voraussetzung ist aber zum einen, dass auf tariflicher Ebene die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Das dürfte bei den bestehenden Einrichtungen, die es branchenbezogen bereits gibt, noch nicht der Fall sein. Zum anderen müsste die Umstellung, jedenfalls sofern sie Versorgungswerke betrifft, die auf betrieblicher Ebene geschaffen wurden, den Anforderungen der Drei-Stufen-Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügen. Völlig offen ist im Übrigen noch, welche Auswirkungen der nunmehr vermehrt zu erwartende Abschluss von Tarifverträgen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auf bestehende betriebliche Versorgungswerke unter dem Blickwinkel des § 77 Abs. 3 BetrVG haben wird. Hinzu kommt, dass auch die Entgeltumwandlung und ihre Förderung zu berücksichtigen ist. (Ga/Ho)

9.

Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns

Durch die Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV) vom 15.11.2016 42 wird der Mindestlohn mit Wirkung zum 1.1.2017 auf 8,84 € je Zeitstunde angehoben. Dies entspricht der Empfehlung der Mindestlohn-Kommission. Hiervon unberührt bleiben die Übergangsregelungen in § 24 MiLoG, die in einzelnen Branchen noch eine geringere Vergütung zulassen. Diese muss aber ab. 1.1.2017 mindestens 8,50 € je Zeitstunde betragen. (Ga)

42 BGBl. I 2016, 2530.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

10. Beseitigung der Kettenbefristungen Einzelne Abgeordnete und die Fraktion DIE LINKE hatten im Bundestag den Antrag eingebracht, die Bundesregierung aufzufordern, im Rahmen eines Gesetzesvorschlags zur Änderung von § 14 TzBfG festzulegen, dass bei Vorliegen von sachlichen Gründen nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG bei demselben Arbeitgeber höchstens zwei Mal aufeinanderfolgend der Abschluss eines mit Sachgrund befristeten Vertrags zulässig ist oder höchstens die einmalige Verlängerung eines sachlich befristeten Arbeitsvertrags 43. Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales 44 ist dieser Antrag abgelehnt worden. (Ga)

11.

Gesetz zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit

Im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung 45 hatte die Bundesregierung u. a. vorgeschlagen, in § 21 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz das Wort „Bauauftrag“ durch die Wörter „Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag“ zu ersetzen 46. Durch die damit verbundene Aufnahme der Liefer- und Dienstleistungsaufträge soll ein Gleichlauf mit den entsprechenden Regelungen in §§ 19 MiLoG, 21 AEntG gestellt werden. Damit sind künftig nicht nur erhebliche bußgeldbewehrte Verstöße gegen das MiLoG und das AEntG geeignet, Bewerber von der Teilnahme an einem Wettbewerb um öffentliche Aufträge auszuschließen. Vielmehr tritt die gleiche Rechtsfolge bei einem der in § 21 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 4 genannten Verstöße ein. Hierzu gehört die unerlaubte Beschäftigung von Ausländern, die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, die Arbeitnehmerüberlassung mit ausländischen Arbeitnehmern ohne eine Arbeitserlaubnis sowie das strafbare Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266 a StGB), sofern die Strafe mindestens drei Monate, 90 Tage oder 2.500,- € beträgt. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf an die Ausschüsse überwiesen. (Ga)

43 44 45 46

BT-Drucks. 18/4098. BT-Drucks. 18/8457. BR-Drucks. 409/16. BT-Drucks. 18/9958 S. 10.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

10. Beseitigung der Kettenbefristungen Einzelne Abgeordnete und die Fraktion DIE LINKE hatten im Bundestag den Antrag eingebracht, die Bundesregierung aufzufordern, im Rahmen eines Gesetzesvorschlags zur Änderung von § 14 TzBfG festzulegen, dass bei Vorliegen von sachlichen Gründen nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG bei demselben Arbeitgeber höchstens zwei Mal aufeinanderfolgend der Abschluss eines mit Sachgrund befristeten Vertrags zulässig ist oder höchstens die einmalige Verlängerung eines sachlich befristeten Arbeitsvertrags 43. Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales 44 ist dieser Antrag abgelehnt worden. (Ga)

11.

Gesetz zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit

Im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung 45 hatte die Bundesregierung u. a. vorgeschlagen, in § 21 Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz das Wort „Bauauftrag“ durch die Wörter „Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag“ zu ersetzen 46. Durch die damit verbundene Aufnahme der Liefer- und Dienstleistungsaufträge soll ein Gleichlauf mit den entsprechenden Regelungen in §§ 19 MiLoG, 21 AEntG gestellt werden. Damit sind künftig nicht nur erhebliche bußgeldbewehrte Verstöße gegen das MiLoG und das AEntG geeignet, Bewerber von der Teilnahme an einem Wettbewerb um öffentliche Aufträge auszuschließen. Vielmehr tritt die gleiche Rechtsfolge bei einem der in § 21 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 4 genannten Verstöße ein. Hierzu gehört die unerlaubte Beschäftigung von Ausländern, die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, die Arbeitnehmerüberlassung mit ausländischen Arbeitnehmern ohne eine Arbeitserlaubnis sowie das strafbare Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266 a StGB), sofern die Strafe mindestens drei Monate, 90 Tage oder 2.500,- € beträgt. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf an die Ausschüsse überwiesen. (Ga)

43 44 45 46

BT-Drucks. 18/4098. BT-Drucks. 18/8457. BR-Drucks. 409/16. BT-Drucks. 18/9958 S. 10.

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Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern

12. Aktueller Stand der gesetzlichen Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern Von Januar bis Juli 2016 wurden bundesweit etwa 350.000 47 Zugänge von Asylsuchenden registriert. Für die Integration von Flüchtlingen spielt der Arbeitsmarktzugang eine wesentliche Rolle. Viele Sozialleistungen knüpfen an ein Beschäftigungsverhältnis an 48. Seinen Teil zu leisten und für sich und Angehörige finanziell zu sorgen, entspricht der sozialen Norm, sodass demjenigen, der nicht arbeitet, soziale Anerkennung und die Teilhabe an der Gesellschaft zunehmend schwerer fällt 49. Für Drittstaatsangehörige, d. h. Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats der EU besitzen, ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt uneinheitlich geregelt. Die Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit hängt vom Aufenthaltsstatus des Drittstaatsangehörigen ab. Zu unterscheiden sind u. a. Asylbewerber bzw. –berechtigte, Geduldete, qualifizierte Arbeitskräfte, Personen mit Daueraufenthaltserlaubnis, nahe Familienangehörige von in Deutschland lebenden und arbeitenden Personen sowie Hochschulabsolventen 50.

a)

Freier Zugang für Asylberechtigte

Freier Zugang zum Arbeitsmarkt (vgl. § 25 AufenthG) besteht kraft Gesetzes und ohne Beteiligung der Agentur für Arbeit gemäß § 4 Abs. 2 AufenthG für Asylberechtigte und Drittstaatsangehörige mit Flüchtlingseigenschaft i. S. d. § 3 Abs. 4 AsylG. Flüchtling ist ein Ausländer, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder will (§ 3 AsylG).

b)

Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis

Zur Arbeitsaufnahme in Deutschland ist gemäß § 4 Abs. 3 AufenthG eine Erlaubnis der Ausländerbehörde erforderlich, die in einem internen Zustim-

47 48 49 50

BT-Drucks. 18/9423 S. 8. Kingreen, SGB 2013, 132, 133. Meyer/Bernsdorff, Charta der Grundrechte der EU, Art. 15 Rz. 1. Aumann, ZESAR 2014, 467 ff.; ausführlich abgrenzend: Moderegger, ArbRB 2016, 303 ff.

359

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

mungsverfahren die Bundesagentur für Arbeit beteiligen muss. Es ergeht sodann ein sog. „single permit“, der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis enthält 51. Ein Anspruch darauf besteht grundsätzlich nicht. Die beteiligten Behörden entscheiden nach ihrem Ermessen 52 im Rahmen des jeweiligen Kompetenzbereichs. Während die Beschäftigungsmöglichkeit und –notwendigkeit von der Bundesagentur für Arbeit beurteilt wird, entscheidet die Ausländerbehörde über allgemeine Voraussetzungen, wie etwa eine geklärte Identität und Migrationsgründe (§ 5 AufenthG). Ausschlaggebend ist ferner ein verbindliches Arbeitsplatzangebot, das im Falle eines beidseitigen Arbeitsvertrags oder einer verbindlichen Einstellungszusicherung des Arbeitgebers gegeben ist (§ 17 a Abs. 3 AufenthG) 53. Die Zustimmung der Agentur für Arbeit wird unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AufenthG erteilt, wonach zuvor eine sog. Vorrangprüfung 54 durchzuführen ist. Die Zustimmung kann aus den durch § 40 AufenthG anerkannten Gründen versagt werden. aa)

Beschäftigung nach Vorrangprüfung

Die Zustimmung zur Beschäftigung nach § 18 AufenthG (jede Beschäftigung) oder zur BlueCard (§ 19 a AufenthG) wird erteilt, wenn: • sich der/die Asylsuchende seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält (§ 32 Abs. 1 BeschV), • sich durch die Beschäftigung von Ausländern keine nachteiligen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ergeben, • für diese Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer oder Ausländer mit einer Gleichstellung bzw. EU-Ausländer nicht zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung) und • der/die Asylsuchende nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird (§ 39 Abs. 2 AufenthG) und • keine Arbeitnehmerüberlassung beabsichtigt ist (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).

51 Richtlinie 2011/98/EU v. 13.12.2011, ABlEU L343 S. 1 mann/Dienelt/Sußmann, § 4 Rz. 6. 52 Vgl. Wortlaut des § 18 Abs. 2 S. 1 AufenthG. 53 Renner/Bergmann/Dienelt/Röseler/Sußmann, § AufenthG 1 Rz. 7. 54 Ausführlich Aumann, ZESAR 2014, 421, 426 f.

360

ff.;

Berg-

Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern

Allerdings sind auch insoweit Sonderregelungen zu beachten, die sich beispielsweise aus Integrationsgesetz 55 i. V. mit der Integrationsverordnung56 ergeben können 57. Demnach wird die Vorrangprüfung in 133 Arbeitsagenturen für Asylbewerber und Geduldete für drei Jahre ausgesetzt. (1)

Asylbewerber

Im Asylverfahren befindliche Personen (Asylbewerber) erhalten zunächst nur eine Aufenthaltsgestattung (§ 61 Abs. 2 AsylVfG). Solange der Flüchtling keinen Aufenthaltstitel (§ 4 AufenthG) besitzt, ist er als Asylbewerber verpflichtet, maximal sechs Monate in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, bis über seinen Status entschieden wurde (§ 47 Abs. 1 AsylVfG). Mangels Aufenthaltstitels kann schon gemäß § 4 Abs. 3 AufenthG grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit erlaubt werden (vgl. § 61 Abs. 1 AsylG) 58. Hält der Asylbewerber sich bereits drei Monate gestattet in Deutschland auf, so kann ihm die Ausländerbehörde mit Zustimmung der Agentur für Arbeit eine Beschäftigung erlauben (§ 61 Abs. 2 AsylG). Die Wartezeit dient dazu, den Asylbewerber bereits in die deutsche Lebens- und Arbeitskultur zu integrieren und aslyfremde Anreize als Einreisegrund auszuschließen 59. (2)

Geduldete

Gemäß § 60 a AufenthG ist der Asylbewerber geduldet, wenn seine Abschiebung ausgesetzt wird, ohne dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Für Geduldete besteht daher schon mangels Aufenthaltserlaubnis ein Erwerbstätigkeitsverbot (§ 4 Abs. 3 AufenthG). Ausnahmsweise kann ihnen aber eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich gemäß § 32 Abs. 1 BeschV seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. § 32 Abs. 2 BeschV bestimmt Tätigkeiten, die von der Ausländerbehörde ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit erlaubt werden können (z. B. die Aufnahme einer Berufsausbildung oder die Beschäftigung bei einem nahen Angehörigen). Mit Ablauf von vier Jahren steht es der Ausländerbehörde frei, eine Beschäftigungserlaubnis ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu erteilen (vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV).

55 56 57 58

BGBl. I 2016, 1939. BT-Drucks. 18/8615 S. 46. Moderegger, ArbRB 2016, 303 ff. Hailbronner, AsylVfG § 61 Rz. 7; Renner/Bergmann/Dienelt/Bergmann, AsylVfG § 61 Rz. 6. 59 BT-Drucks. 10/3678 S. 6; Renner/Bergmann/Dienelt/Bergmann, AsylVfG § 61 Rz. 6.

361

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

(3)

Qualifizierte Geduldete

Qualifizierten Geduldeten kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden, wenn sie neben einer ausreichenden Qualifikation über genügend Wohnraum und deutsche Sprachkenntnisse verfügen, nicht strafrechtlich vorbelastet sind oder über ihren Aufenthaltsstatus vorsätzlich getäuscht haben (vgl. § 18 a Abs. 1 Nr. 2 bis 7 AufenthG). Die Qualifikation ist im Falle einer staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten, zweijährigen Berufsausbildung gegeben (§ 18 a Abs. 1 Nr. 1 lit a AufenthG). Bei Absolventen einer deutschen oder anerkannten Hochschule wird eine ununterbrochene, zweijährige Berufsausübung vorausgesetzt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b AufenthG). Handelt es sich um eine „Fachkraft“, die über eine im Ausland abgeschlossene Lehre oder vergleichbare Berufsausbildung verfügt, dann muss eine dreijährige Berufsausübung vorgewiesen werden (§ 18 a Abs. 1 Nr. 1 lit c AufenthG). Die Aufenthaltserlaubnis darf gemäß § 18 a Abs. 5 AufenthG nur erteilt werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt 60. bb)

Beschäftigung ohne Vorrangprüfung bei qualifizierten Arbeitnehmern

Die Vorrangprüfung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ist entbehrlich, wenn die Bundesagentur für Arbeit für einzelne Berufsgruppen oder Wirtschaftszweige festgestellt hat, dass die Besetzung der offenen Stellen mit ausländischen Bewerbern arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar ist. Ohne Vorrangprüfung und ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit können unter bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die Art des Berufs, das Gehalt und sonstige Merkmale der Tätigkeit Niederlassungserlaubnisse, BlueCards und Aufenthaltstitel erteilt werden bei: • Hochqualifizierten (§ 2 BeschV), • BlueCard EU mit Mindestgehalt und/oder Mangelberuf (§ 2 BeschV), • Führungskräften / Organmitgliedern (§ 3 BeschV), • Beschäftigten in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung

Eine Zustimmung kann auch ohne Vorrangprüfung erteilt werden für: • Leitende Angestellte und Spezialisten (§ 4 BeschV) und • Arbeitnehmer mit qualifizierter Beschäftigung (§ 6 BeschV).

60 DA 1.18 a. 110 und 1.18 a. 111 zum AufenthG, Geschäftszeichen SP-III-5758.1.

362

Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern

Drittstaatsangehörige mit nahen Familienangehörigen in Deutschland sind gemäß §§ 28 Abs. 1 und 5, 29 Abs. 5 AufenthG ebenso privilegiert wie ehemalige Deutsche und Ausländer mit Wiederkehroption (§§ 38 Abs. 4 S. 1, 37 Abs. 1 S. 2 AufenthG). cc)

Akademisch Hochqualifizierte und BlueCard-Berechtigte

Akademisch Hochqualifizierte haben aufgrund der sog. Hochqualifiziertenoder BlueCard-Richtlinie 61 Anspruch auf eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis 62, die dazu berechtigt, eine hochqualifizierte Beschäftigung 63 auszuüben. Voraussetzung ist ein dreijähriges, abgeschlossenes Studium oder einschlägige Berufserfahrung von mindestens fünf Jahren 64. Die Erteilung der BlueCard bedarf gemäß § 19 a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BSchV nur dann keiner Erlaubnis der Agentur für Arbeit, wenn das Bruttojahresgehalt zwei Drittel der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (etwa 49.600,- €) erreicht oder der Drittstaatsangehörige einen inländischen Hochschulabschluss besitzt und in einem der Mangelberufe mit einem jährlichen Bruttogehalt von 52 % der Beitragsbemessungsgrenze (etwa 38.688 €) beschäftigt werden soll. Dazu gehören Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Ärzte und Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie (vgl. § 2 Abs. 2 BSchV) 65. Voraussetzung ist weiterhin ein konkretes Arbeitsplatzangebot 66 für eine hochqualifizierte Beschäftigung, die mindestens ein Jahr andauert (vgl. § 18 Abs. 5 AufenthG). Absolventen einer deutschen Hochschule wird bis zu 18 Monate nach Studienabschluss eine Arbeitssuche und gleichzeitige Erwerbstätigkeit erlaubt. Während des Studiums dürfen sie 120 Tage pro Jahr arbeiten (§ 16 Abs. 3 AufenthG). dd)

Qualifizierte Fachkräfte

In den vergangenen Jahren wurde der deutsche Arbeitsmarkt durch die Einführung des § 6 BeschV auch für nicht akademische qualifizierte Fachkräfte

61 Richtlinie 2009/50/EG v. 25.5.2009, ABlEU L 155 S. 17 ff.; Schumacher, ZESAR 2011, 368 ff.; Bokeloh, ZESAR 2016, 69 ff. 62 Renner/Bergmann/Dienelt/Röseler/Sußmann, § 1 AufenthG Rz. 4 f.; ausführlich: Dörig, NVwZ 2016, 1033 ff. 63 Vgl. Art. 2 c) in Richtlinie 2009/50/EU v. 25.5.2009, ABlEU L 155. 64 Kuczynski/Solka, ZAR 2009, 223 ff. 65 Ausführlich: DA 2.02.201 zur BSchV. 66 Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2009/50/EU v. 25.5.2009, ABlEU L 155.

363

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

weiter geöffnet 67, nachdem dies für akademische Ausländer bereits 2012 durch das Gesetz der BlueCard geschehen ist. Gemäß § 6 BeschV können qualifizierte Fachkräfte, die eine zweijährige Berufsausbildung im Ausland vorweisen können, zur Beschäftigung in allen staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberufen zugelassen werden, wenn die Berufsqualifikation als gleichwertig mit einer inländischen qualifizierten Berufsausübung anerkannt ist und der Antragsteller über die Arbeitsverwaltung vermittelt wurde oder die Besetzung von offenen Stellen durch Drittstaatsangehörige von der Bundesagentur für Arbeit für arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar 68 erklärt hat 69. Keiner Zustimmung bedarf die Erteilung eines Aufenthaltstitels an im Ausland beschäftigte Fachkräfte eines international tätigen Konzerns oder Unternehmens zum Zweck einer betrieblichen Weiterbildung im inländischen Konzern- oder Unternehmensteil für bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten (§ 17 BeschV). Weiterhin ist keine Zustimmung u. a. für Praktika nach § 22 Abs. 1, 2 Nr. 1 bis 4 MiLoG oder eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf erforderlich (§ 32 Abs. 2 BeschV).

c)

Besonderheiten in Bezug auf Leiharbeit

Es kann grundsätzlich keine Zustimmung zur Erwerbstätigkeit erteilt werden, wenn eine Arbeitnehmerüberlassung beabsichtigt ist (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Abweichend hiervon erlaubt § 32 Abs. 3, 5 BeschV (befristet bis zum 6.8.2019) allerdings eine solche Zustimmung ohne Vorrangprüfung auch im Falle der Leiharbeit, wenn • sie einen Mangelberuf i. S. d. § 2 Abs. 2 BeschV betrifft oder Ausländer mit Ausbildungsberuf i. S. d. § 6 BeschV oder zu Ausbildungszwecken (§ 8 BeschV i. V. m. §§ 17, 17 a AufenthG) aufgenommen werden sollen, • der/die Asylsuchende sich seit 15 Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten hat oder • eine Beschäftigung im Bezirk einer der in der Anlage zu § 32 BeschV aufgeführten Agenturen für Arbeit ausgeübt werden soll. 67 Dörig, NVwZ 2016, 1033 ff. 68 Die Positivliste der verantwortbaren www.zav.de/positivliste. 69 Huber, NZA 2014, 820, 822 f.

364

Berufsgruppen

ist

abrufbar

unter

Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern

Keiner Zustimmung bedarf die Ausübung jeder Beschäftigung nach einem ununterbrochenen vierjährigen, erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet.

d)

Besonderheiten bei bestimmten Staatsangehörigen

Für Deutsche und Unionsbürger gilt das Recht auf Berufsfreiheit und Arbeit aus Art. 15 Abs. 2 GRC und Art 12 Abs. 1 GG 70. Außerdem genießen sie Arbeitnehmer- und Niederlassungsfreiheit in der gesamten Europäischen Union gemäß Art. 45 Abs. 2 AEUV und haben somit freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt 71. Dies gilt auch für Staatsangehörige der EWR (Island, Liechtenstein und Norwegen) 72 und der Schweiz. Für Staatsangehörige von Andorra, Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, Monaco, Neuseeland, San Marino sowie den Vereinigten Staaten von Amerika kann die Zustimmung zur Ausübung jeder Beschäftigung unabhängig vom Sitz des Arbeitgebers erteilt werden (§ 26 Abs. 1 BeschV). Für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien können in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 Zustimmungen zur Ausübung jeder Beschäftigung erteilt werden. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt wurde. Die Zustimmung darf nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. Satz 3 gilt nicht für Antragsteller, die nach dem 1.1.2015 und vor dem 24.10.2015 einen Asylantrag gestellt haben, sich am 24.10.2015 gestattet, mit einer Duldung oder als Ausreisepflichtige im Bundesgebiet aufgehalten haben und unverzüglich ausreisen (§ 26 Abs. 2 BeschV).

e)

Niederlassungserlaubnis

Ferner berechtigt eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 AufenthG zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Voraussetzung ist eine bereits fünfjährige Aufenthaltserlaubnis sowie ein festes Einkommen, das den Antragsteller finanziell und sozial unabhängig stellt. Deutschen Hochschulabsolventen wird

70 Meyer/Bernsdorff, EuGRCh, Art. 15 Rz. 21; Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II Rz. 40. 71 Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II Rz. 43 ff.; Vgl. Gutmann, NJW 2010, 2799. 72 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit wird auch auf die sonstigen EWR Staaten übertragen: BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, NJW 2005, 3351 Rz. 9 f.

365

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

die Wartezeit auf zwei Jahre herabgesetzt (§ 18 b AufenthG). Hochqualifizierten Neuzuwanderern kann eine Niederlassungserlaubnis „in besonderen Fällen“ erteilt werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt und der Lebensunterhalt gesichert ist (§ 19 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Ein besonderer Fall ist beispielsweise bei Vorliegen eines besonderen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Interesses anzunehmen 73. Gleiches gilt in Folge der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie 74 gemäß § 9 a AufenthG für Personen mit Daueraufenthaltserlaubnis in der EU. Nach Art. 4 und 5 der Richtlinie erhalten Drittstaatsangehörige diese langfristige Aufenthaltsberechtigung nur, wenn sie sich bereits fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig in einem Mitgliedsstaat aufgehalten haben und über feste Einkünfte verfügen, so ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten und eine Krankenversicherung aufweisen.

f)

Sanktionen bei Nichtbeachtung

Ein Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot unter Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 3 AufenthG stellt gemäß § 85 Nr. 5 AsylVfG eine Straftat dar. Der Auftraggeber bzw. Generalunternehmer haftet für seine Nachunternehmer, sofern nicht aufgrund sorgfältiger Prüfung davon ausgegangen werden konnte, dass bei der Beschäftigung die nach § 284 SGB III erforderliche Genehmigung für EU-Ausländer aus neuen Beitrittsländern oder die nach § 4 Abs. 3 AufenthG Berechtigung zur Erwerbstätigkeit vorlag. Öffentliche Auftraggeber können einen Bewerber oder Bieter vom Wettbewerb um Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge ausschließen (§ 98 c AufenthG). Wer sich ohne Visum, Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis oder Duldung nach § 60 a AufenthG in Deutschland aufhält, ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG verpflichtet, auszureisen. Der durch Unterlassen generierte illegale Aufenthalt ist nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar. Es besteht ein Anspruch auf die vereinbarte (bzw. übliche) Vergütung, sofern nicht durch MiLoG bzw. AEntG für Arbeitnehmer günstigere Regelungen bestimmt werden (§ 98 a AufenthG).

73 Aumann, ZESAR 2014, 467, 471. 74 Richtlinie 2003/109/EG v. 25.11.2003, ABlEU L 16 S. 44 ff.

366

Regelungen zur Beschäftigung von Zuwanderern

g)

Fazit

Die restriktive Einwanderungspolitik ist ein negatives Steuerungselement für die Zuwanderung (vgl. § 1 Abs. 1 AufenthG). Dies ermöglicht dem Gesetzgeber, das auf dem Sozialstaatsprinzip beruhende hohe Beschäftigungsund Lohnniveau der inländischen Arbeitnehmer zu garantieren. Zugelassen wurde bisher, wer auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragt ist 75. Der Gesetzgeber verdeutlicht dies im Wortlaut des § 18 Abs. 1 AufenthG, demzufolge sich die Zulassung ausländischer Arbeitnehmer „an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und dem Erfordernis die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen“ orientiert. Daher unterliegen Drittstaatsangehörige gemäß § 4 Abs. 3 AufenthG einem generellen Arbeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt 76. Der Verordnungsgeber der BeschV spricht von einem „Paradigmenwechsel hin zu einer auf die Gewinnung von Fachkräften ausgerichteten Zuwanderungspolitik“ 77. Auch die Literatur sieht Deutschland mehrheitlich auf dem Weg von einer defensiven zu einer willkommen heißenden Arbeitsmigrationspolitik 78. So sollen „diejenigen eine langfristige und sichere Perspektive in Deutschland erhalten, die sich von Anfang an in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integrieren“ 79. Allerdings wird weiterhin nur derjenige unter erleichterten Bedingungen mit einer Arbeitserlaubnis versehen, der in Deutschland aufgrund ausreichender Qualifikation, gesichertem Arbeitsplatz und ausreichendem Gehalt von Nutzen ist 80. Die 10 bis 15 % der gut qualifizierten Asylsuchenden sind gefragt und leicht zu beschäftigen, der Fachkräftemangel kann dadurch jedoch nicht bewältigt werden 81. Und selbst Fachkräfte erhalten – wie oben erläutert – keinen barrierefreien Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern nur zu einem konkreten Arbeitsplatz. Sprache und Arbeit sind der Schlüssel zur Integration. Gibt man den auf legalem Wege eingereisten Zuwanderern (z. B. Saisonarbeiter, Au-pairs, Asylsuchende oder Flüchtlinge) nicht die Möglichkeit sich auf diesem Wege zu

75 76 77 78

Renner/Bergmann/Dienelt/Dienelt, AufenthG § 4 Rz. 4. Huber, AufenthG § 98 a Rz. 1. BMAS, Begründung zu BschV S. 24. Kolb/Klausmann, ZAR 2013, 242 ff.; Stümper, öAT 2016, 109 ff.; Copur/Steller, ZAR 2013, 58 f. 79 BMAS, Begründung zu BschV S. 25. 80 Zick/Preuß, Studie der Universität Bielefeld und der Stiftung Mercator zur deutschen Willkommenskultur, abrufbar unter: www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte.html. 81 BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2015, S. 44 ff.

367

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

integrieren, werden sie aufgrund der restriktiven Einwanderungspolitik zusehends in die Illegalität getrieben und werden so zu einer erst „inlandserzeugten“ finanziellen und sozialen Last. Um dem entgegenzuwirken, bleiben weitere Entwicklungen hin zu einer Arbeitsmarktöffnung abzuwarten, die auch die 85 bis 90 % unterqualifizierten Zuwanderer berücksichtigt und so die Entstehung einer integrativen Gesellschaft fördern. Denn bei 40.893 unbesetzten Ausbildungsplätzen im Jahr 2015 und einem Zuwachs von mehr als 8 % im Verhältnis zum Vorjahr wird zeitnah auch der Bedarf an (noch) unqualifizierten Arbeitskräften steigen 82. (Kr)

13. Änderung der Arbeitsstättenverordnung Am 2.11.2016 hat das Bundeskabinett eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) beschlossen. Damit ist insbesondere eine Einbindung der Bildschirmarbeitsverordnung (BildschArbV) verbunden, die als gesonderte Regelung außer Kraft gesetzt wird. Die Änderungen sind am 3.12.2016 83 in Kraft getreten.

a)

Einbindung von Telearbeitsplätzen

Durch §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 7 ArbStättV werden Telearbeitsplätze in den Anwendungsbereich der ArbStättV einbezogen. Allerdings gilt dies nur für die erstmalige Beurteilung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsplatzes (§ 3 ArbStättV) und die Unterweisung der Beschäftigten unter Berücksichtigung der bisherigen Vorgaben der BildschArbV (§ 6 ArbStättV i. V. m. Anhang Nr. 6). Hinzu kommt, dass jeweils geprüft werden muss, ob die in der Verordnung enthaltenen Vorgaben auch unter Berücksichtigung der Eigenart von Telearbeitsplätzen auf diese anwendbar sind. Wesentlich ist damit die in der Verordnung vorgesehene Kennzeichnung von Telearbeitsplätzen. Sie lautet in § 2 Abs. 7 ArbStättV in der Schlussfassung wie folgt: (7) Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit dem Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die be-

82 BIBB-Erhebung zu „Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, Ausbildungsplatzangebot und –nachfrage/Zeitreihe ab 2009“, Stand 27.1.2016. 83 BGBl. I 2016, 2681.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

integrieren, werden sie aufgrund der restriktiven Einwanderungspolitik zusehends in die Illegalität getrieben und werden so zu einer erst „inlandserzeugten“ finanziellen und sozialen Last. Um dem entgegenzuwirken, bleiben weitere Entwicklungen hin zu einer Arbeitsmarktöffnung abzuwarten, die auch die 85 bis 90 % unterqualifizierten Zuwanderer berücksichtigt und so die Entstehung einer integrativen Gesellschaft fördern. Denn bei 40.893 unbesetzten Ausbildungsplätzen im Jahr 2015 und einem Zuwachs von mehr als 8 % im Verhältnis zum Vorjahr wird zeitnah auch der Bedarf an (noch) unqualifizierten Arbeitskräften steigen 82. (Kr)

13. Änderung der Arbeitsstättenverordnung Am 2.11.2016 hat das Bundeskabinett eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) beschlossen. Damit ist insbesondere eine Einbindung der Bildschirmarbeitsverordnung (BildschArbV) verbunden, die als gesonderte Regelung außer Kraft gesetzt wird. Die Änderungen sind am 3.12.2016 83 in Kraft getreten.

a)

Einbindung von Telearbeitsplätzen

Durch §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 7 ArbStättV werden Telearbeitsplätze in den Anwendungsbereich der ArbStättV einbezogen. Allerdings gilt dies nur für die erstmalige Beurteilung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsplatzes (§ 3 ArbStättV) und die Unterweisung der Beschäftigten unter Berücksichtigung der bisherigen Vorgaben der BildschArbV (§ 6 ArbStättV i. V. m. Anhang Nr. 6). Hinzu kommt, dass jeweils geprüft werden muss, ob die in der Verordnung enthaltenen Vorgaben auch unter Berücksichtigung der Eigenart von Telearbeitsplätzen auf diese anwendbar sind. Wesentlich ist damit die in der Verordnung vorgesehene Kennzeichnung von Telearbeitsplätzen. Sie lautet in § 2 Abs. 7 ArbStättV in der Schlussfassung wie folgt: (7) Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit dem Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die be-

82 BIBB-Erhebung zu „Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, Ausbildungsplatzangebot und –nachfrage/Zeitreihe ab 2009“, Stand 27.1.2016. 83 BGBl. I 2016, 2681.

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Änderung der Arbeitsstättenverordnung

nötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist 84.

Damit wird ein Arbeitsplatz nur beim Abschluss einer konkreten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über seine Einrichtung, die Arbeitszeit und die übrigen Arbeitsbedingungen einbezogen. Dies gilt auch für Regelungen, mit denen die technische und räumliche Ausstattung festgelegt wird. Das stellt klar, dass „mobiles Arbeiten“, also das gelegentliche Arbeiten mit dem Laptop außerhalb des Betriebs, nicht vom Anwendungsbereich der ArbStättV erfasst wird. Unerheblich ist dabei, ob diese mobile Arbeit unterwegs (z. B. Zug, Hotel, Flugzeug) oder in der häuslichen Umgebung erfolgt.

b)

Arbeitsschutz – Unterweisung

Nach § 6 Abs. 1 ArbStättV hat der Arbeitgeber dem Beschäftigten ausreichend und angemessen Informationen anhand der Gefährdungsbeurteilung in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zur Verfügung zu stellen. Ergänzend zu der bereits in § 12 Abs. 1 ArbSchG vorgesehenen Unterweisung stellt die ArbStättV jetzt klar, über welche Gefährdungen die Beschäftigten unterwiesen werden müssen. Hierzu gehören beispielsweise Fluchtwege, Notausgänge, Brandschutzmaßnahmen, der innerbetriebliche Verkehr sowie Erste-Hilfe-Einrichtungen. Die Unterweisungen müssen vor Aufnahme der Tätigkeit stattfinden und jährlich wiederholt werden. Unabhängig davon besteht eine Pflicht zur unverzüglichen Wiederholung, wenn wesentliche Änderungen der Tätigkeiten, der Arbeitsorganisation, der Arbeits- und Fertigungsverfahren, der Einrichtungen und Betriebsweisen erfolgen oder etwaige Veränderungen mit zusätzlichen Gefährdungen verbunden sind.

c)

Umgang mit psychischer Belastung

In Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV sieht die Neuregelung vor, dass alle möglichen Gefährdungen der Sicherheit und der Gesundheit der Beschäftigten zu beurteilen und dabei die Auswirkungen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsabläufe in der Arbeitsstätte zu berücksichtigen sind. Dies ergänzt § 5 ArbSchG und die ergänzenden Vorgaben,

84 BR-Drucks. 506/16 (B).

369

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

die mit der Neuregelung des Mutterschutzrechts in Kraft gesetzt werden 85. Dabei hat der Arbeitgeber die physischen und psychischen Belastungen sowie bei Bildschirmarbeitsplätzen insbesondere die Belastungen der Augen oder die Gefährdung des Sehvermögens oder der Beschäftigten zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 ArbStättV). Die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren. Dabei hat der Arbeitgeber anzugeben, welche Gefährdungen am Arbeitsplatz auftreten können und welche Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 S. 4 ArbStättV durchgeführt werden müssen.

d)

Sichtverbindung aus Arbeitsräumen nach Außen

Umfangreiche Änderungen hat Nr. 3.4 des Anhangs der ArbStättV erhalten, in dem auch und insbesondere die Versorgung mit Tageslicht und eine etwaige Sichtverbindung nach Außen geregelt ist. Dabei hat man gegenüber bisherigen Vorstellungen einen Kompromiss gefunden. Zunächst einmal ist klargestellt, dass diese Vorgabe nur für dauerhaft eingerichtete Arbeitsplätze und sonstige große Sozialräume gilt. Sanitärraume werden nicht generell einbezogen. Darüber hinaus sieht die ArbStättV Ausnahmeregelungen für Räume vor, die bis zum Tag des Inkrafttretens der Änderungen eingerichtet wurden oder mit deren Einrichtung begonnen worden war und die die Anforderungen der geänderten Regelungen nicht erfüllen. Darüber hinaus sind weitergehende Ausnahmen klar festgelegt worden, um Zweifel bei einer Anwendbarkeit der ArbStättV auszuschließen.

e)

Inkrafttreten

Die ArbStättV tritt nach ihrer Veröffentlichung in Kraft, wovon alsbald auszugehen ist. (Ga)

14. Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung Mit dem Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-RichtlinieUmsetzungsgesetz), das die Bundesregierung am 21.9.2016 in den Bundestag eingebracht hat 86 sollen die Vorgaben der Richtlinie 2014/95/EU im Hinblick auf die Angabe nicht finanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte Großunternehmen und Gruppen (CSR-

85 B. Gaul, AktuellAR 2016, 344, 346 ff. 86 BT-Drucks. 18/9982.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

die mit der Neuregelung des Mutterschutzrechts in Kraft gesetzt werden 85. Dabei hat der Arbeitgeber die physischen und psychischen Belastungen sowie bei Bildschirmarbeitsplätzen insbesondere die Belastungen der Augen oder die Gefährdung des Sehvermögens oder der Beschäftigten zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 ArbStättV). Die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren. Dabei hat der Arbeitgeber anzugeben, welche Gefährdungen am Arbeitsplatz auftreten können und welche Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 S. 4 ArbStättV durchgeführt werden müssen.

d)

Sichtverbindung aus Arbeitsräumen nach Außen

Umfangreiche Änderungen hat Nr. 3.4 des Anhangs der ArbStättV erhalten, in dem auch und insbesondere die Versorgung mit Tageslicht und eine etwaige Sichtverbindung nach Außen geregelt ist. Dabei hat man gegenüber bisherigen Vorstellungen einen Kompromiss gefunden. Zunächst einmal ist klargestellt, dass diese Vorgabe nur für dauerhaft eingerichtete Arbeitsplätze und sonstige große Sozialräume gilt. Sanitärraume werden nicht generell einbezogen. Darüber hinaus sieht die ArbStättV Ausnahmeregelungen für Räume vor, die bis zum Tag des Inkrafttretens der Änderungen eingerichtet wurden oder mit deren Einrichtung begonnen worden war und die die Anforderungen der geänderten Regelungen nicht erfüllen. Darüber hinaus sind weitergehende Ausnahmen klar festgelegt worden, um Zweifel bei einer Anwendbarkeit der ArbStättV auszuschließen.

e)

Inkrafttreten

Die ArbStättV tritt nach ihrer Veröffentlichung in Kraft, wovon alsbald auszugehen ist. (Ga)

14. Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung Mit dem Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-RichtlinieUmsetzungsgesetz), das die Bundesregierung am 21.9.2016 in den Bundestag eingebracht hat 86 sollen die Vorgaben der Richtlinie 2014/95/EU im Hinblick auf die Angabe nicht finanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte Großunternehmen und Gruppen (CSR-

85 B. Gaul, AktuellAR 2016, 344, 346 ff. 86 BT-Drucks. 18/9982.

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Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung

Richtlinie) 87 umgesetzt werden. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie läuft am 6.12.2016 ab 88. Mit der Neuregelung werden beispielsweise Kapitalgesellschaften, die im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen verpflichtet, ihren Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern (§ 289 b Abs. 1 HGB). Ausnahmen können in Konzernbeziehungen gelten. Nach § 289 c HGB bezieht sich die nichtfinanzielle Erklärung zumindest auf folgende Aspekte: 1. Umweltbelange, … 2. Arbeitnehmerbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung ergriffen wurden, die Arbeitsbedingungen, die Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation, die Achtung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, informiert und konsultiert zu werden, den sozialen Dialog, die Achtung der Rechte der Gewerkschaften, den Gesundheitsschutz oder die Sicherheit am Arbeitsplatz beziehen können, 3. Sozialbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf den Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene oder auf die zur Sicherstellung des Schutzes und der Entwicklung lokaler Gemeinschaften ergriffenen Maßnahmen beziehen können, 4. die Achtung der Menschenrechte, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen beziehen können, und 5. die Bekämpfung von Korruption und Bestechung, wobei sich die Angaben beispielsweise auf die bestehenden Instrumente zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen können.

Zu den vorgenannten Aspekten sind in der nichtfinanziellen Erklärung jeweils diejenigen Angaben zu machen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die vorgenannten Aspekte erforderlich sind. Einzelheiten beschreibt § 289 c Abs. 3 HGB. Ergänzend hierzu werden börsennotierte Aktiengesellschaften sowie Aktiengesellschaften i. S. d. § 289 a Abs. 1 HGB (zukünftig § 289 f Abs. 1 HGB), die große Kapitalgesellschaften nach §§ 267 Abs. 3 S. 1, 4 bis 5

87 ABlEU v. 15.11.2014 L 330 S. 1; ABlEU v. 24.12.2014 L 369 S. 79. 88 Zu den betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen der CSR-Richtlinie vgl. Sommer, RdA 2016, 291 ff.

371

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

HGB sind, verpflichtet, in die Erklärung zu Unternehmensführung eine Beschreibung des Diversitätskonzepts aufzunehmen, das im Hinblick auf die Zusammensetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats in Bezug auf Aspekte wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Berufshintergrund verfolgt wird, sowie der Ziele dieses Diversitätskonzepts, der Art und Weise seiner Durchsetzung und der im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse. Wenn eine Gesellschaft trotz bestehender Verpflichtung kein Diversitätskonzept verfolgt, hat sie dies in der Erklärung zur Unternehmensführung zu erläutern (§ 289 f Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 HGB). Die vorstehenden Änderungen sollen bereits für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäftsjahr zur Anwendung kommen. Ihre Umsetzung wird dabei durch einen umfangreichen Katalog für Straft- und Bußgeldvorschriften sichergestellt (§§ 331 ff. HGB). Wegen der weiteren Einzelheiten sei darauf verwiesen. (Ga)

15. Rückwirkende Zulassung von Syndikusrechtsanwälten Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, den die Bundesregierung am 5.9.2016 in den Bundestag eingebracht hat 89, soll bewirkt werden, dass der Syndikusrechtsanwalt mit seiner Zulassung rückwirkend zu dem Zeitpunkt Mitglied der Rechtsanwaltskammer wird, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist, sofern nicht die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt, erst nach der Antragsstellung begonnen wurde. In diesem Fall soll die Mitgliedschaft erst mit dem Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit begründet werden. Die Beratung über die entsprechende Änderung in § 46 a Abs. 4 BRAO ist noch nicht abgeschlossen. Das Gesetz ist allerdings als besonders eilbedürftig gekennzeichnet, so dass mit einer baldigen Verabschiedung gerechnet werden kann. Zu hoffen bleibt, dass die Vorbehalte des Bundesrats gegen diese Rückwirkung nicht zur einer Anpassung führen. Denn die Dauer, die innerhalb der Rechtsanwaltskammern für die Bearbeitung entsprechender Anträge benötigt werden kann, ist durch den Syndikusrechtsanwalt nicht steuerbar. (Ga)

89 BT-Drucks. 18/9521.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

HGB sind, verpflichtet, in die Erklärung zu Unternehmensführung eine Beschreibung des Diversitätskonzepts aufzunehmen, das im Hinblick auf die Zusammensetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats in Bezug auf Aspekte wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Berufshintergrund verfolgt wird, sowie der Ziele dieses Diversitätskonzepts, der Art und Weise seiner Durchsetzung und der im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse. Wenn eine Gesellschaft trotz bestehender Verpflichtung kein Diversitätskonzept verfolgt, hat sie dies in der Erklärung zur Unternehmensführung zu erläutern (§ 289 f Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 HGB). Die vorstehenden Änderungen sollen bereits für das nach dem 31.12.2016 beginnende Geschäftsjahr zur Anwendung kommen. Ihre Umsetzung wird dabei durch einen umfangreichen Katalog für Straft- und Bußgeldvorschriften sichergestellt (§§ 331 ff. HGB). Wegen der weiteren Einzelheiten sei darauf verwiesen. (Ga)

15. Rückwirkende Zulassung von Syndikusrechtsanwälten Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, den die Bundesregierung am 5.9.2016 in den Bundestag eingebracht hat 89, soll bewirkt werden, dass der Syndikusrechtsanwalt mit seiner Zulassung rückwirkend zu dem Zeitpunkt Mitglied der Rechtsanwaltskammer wird, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist, sofern nicht die Tätigkeit, für die die Zulassung erfolgt, erst nach der Antragsstellung begonnen wurde. In diesem Fall soll die Mitgliedschaft erst mit dem Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit begründet werden. Die Beratung über die entsprechende Änderung in § 46 a Abs. 4 BRAO ist noch nicht abgeschlossen. Das Gesetz ist allerdings als besonders eilbedürftig gekennzeichnet, so dass mit einer baldigen Verabschiedung gerechnet werden kann. Zu hoffen bleibt, dass die Vorbehalte des Bundesrats gegen diese Rückwirkung nicht zur einer Anpassung führen. Denn die Dauer, die innerhalb der Rechtsanwaltskammern für die Bearbeitung entsprechender Anträge benötigt werden kann, ist durch den Syndikusrechtsanwalt nicht steuerbar. (Ga)

89 BT-Drucks. 18/9521.

372

B. 1.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“

Mehr als 40 Jahre nach Beitritt des Vereinigten Königreichs zur Europäischen Gemeinschaft entschieden sich die Briten am 23.6.2016 zum Austritt aus dem europäischen Staatenverbund. Wie sich der „Brexit“ konkret vollziehen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Dies gilt umso mehr, als nach den Feststellungen des Londoner High Court vom 3.11.2016 1 eine Zustimmung des Parlaments notwendig ist, um die Austrittserklärung abzugeben. Gewiss ist jedoch, dass sich die Austrittsverhandlungen spiegelbildlich zu den Beitrittsverhandlungen nicht ganz unproblematisch darstellen werden. Bereits damals wurden beide Beitrittsanträge Großbritanniens zunächst mit einem Veto durch Frankreich abgelehnt 2. Heute ist Großbritannien neben den USA und Frankreich einer der wichtigsten Handelspartner für Deutschland. Allein im Jahre 2015 wurden Waren im Wert von mehr als 89 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich exportiert 3. Mehr als 1 % bzw. 400.000 britische Beschäftigte sind bei den rund 2.500 Niederlassungen deutscher Unternehmen im Vereinigten Königreich beschäftigt 4. Umgekehrt sind in Deutschland mehr als 3.000 britische Unternehmen tätig. Insoweit sind die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“ von großer Bedeutung. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union richtet sich nach Art. 50 AEUV. Danach kann jeder Mitgliedstaat im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten (Art. 50 Abs. 1 AEUV). Dabei muss entsprechend Art. 50 Abs. 2 AEUV zunächst eine Mitteilung über die Austrittsabsicht erfolgen 5. In dieser Hinsicht stellte das Referendum vom 23.6.2016 nur eine unverbindliche Empfehlung

1 2 3 4

5

R (Miller) v Secretary of State for Exiting the European Union [2016] EWHC 2768 (Admin). Vgl. Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, B. Beitritt zur EU, Beitrittsverhandlungen, 1. Beitritt Irlands, Großbritanniens und Dänemarks. Statisches Bundesamt, Außenhandel-Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland, Wiesebaden 2016, S.2. Auswärtiges Amt, Länderinformationen Großbritannien, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/ Laenderinfos/Grossbritannien/Bilateral_node.html. Vgl. Ulrich, GmbHR 2016, R225 f.

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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

zum Austritt dar 6; die Mitteilung der Austrittsabsicht liegt darin noch nicht. Nach derzeitigem Stand soll die offizielle Mitteilung bis spätestens Ende März 2017 erfolgen 7, in deren Folgen die Austrittsverhandlungen zum Abschluss eines Austrittsabkommens eingeleitet werden 8. Nach Art. 50 Abs. 3 AEUV finden die europäischen Verträge auf Großbritannien ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der offiziellen Austrittsmitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

a)

Die „Brexit“- Szenarien

Nach derzeitigem Stand kommen drei Szenarien als Folge des "Brexits" für das Vereinigte Königreich in Betracht. aa)

Szenario 1 – Großbritannien als Teil von EFTA im EWR

Ein theoretisch mögliches Szenario wäre der Beitritt Großbritanniens zu den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Mit Ausnahme der Schweiz sind die EFTA-Staaten gemeinsam mit den anderen EUMitgliedstaaten Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Als Teilnehmer am EWR sind sie an die den Europäischen Binnenmarkt bildenden vier Grundfreiheiten gebunden. Der Großteil der Europäischen Bestimmungen würde dann weiterhin gelten und es würden sich kaum spürbare Veränderungen ergeben. Jedoch würde Großbritannien als EFTA-Staat im EWR nicht mehr an Entscheidungsprozessen teilnehmen können und müsste sich mit beschränkten Mitsprache- und Anhörungsrechten begnügen 9. Ob ein solcher Beitritt zu den EFTA Staaten überhaupt notwendig ist, ist derzeit umstritten. Problematisch daran ist, dass Großbritannien grundsätzlich Vertragspartei des EWR-Abkommens vom 2.5.1992 ist, das zwischen der EWG, ihren Mitgliedstaaten und den EFTA-Staaten geschlossen wurde. Daran ändert sich durch den Austritt aus der EU nichts 10. Denn das Abkom-

6 7

Vgl. Mayer/Manz, BB 2016, 1731. Buchsteiner, „Brexit-Verhandlungen sollen im März beginnen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4.10.2016, Nr. 231, S.1. 8 Seeger, DStR 2016, 1817; zu den rechtlichen Rahmenbedingungen eine EU-Austritts: Thiele, EuR 2016, 281 ff. 9 Mielken, AW-Prax 2016, 267, 268. 10 Daragan, ZErb 2016, 281.

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Die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“

men bestimmt nicht, dass der Austritt aus der EU auch den Austritt aus dem EWR zur Folge hat 11. bb)

Szenario 2 – Großbritannien schließt eigene Abkommen mit der EU

Ein weiteres Szenario wäre der Abschluss eigener bilateraler Abkommen Großbritanniens mit der Europäischen Union. So könnte Großbritannien den EFTA-Staaten ohne Teilnahme am EWR beitreten und ähnlich wie die Schweiz eigene Abkommen abschließen. Damit aber wären der Inhalt der Rechtsbeziehungen und das insoweit vergleichbare Recht zunächst einmal offen. Das zeigt ein Blick auf die Schweiz. Die Schweiz und die EU haben mehr als 120 sektorspezifische bilaterale Verträge abgeschlossen, die größtenteils die vier Grundfreiheiten enthalten 12. Da sich die EU bisher weigert, die Prinzipien der Freizügigkeit im bilateralen Verhältnis mit der Schweiz einzuschränken, wäre eine bilaterale Lösung für Großbritannien mit zähen Verhandlungen verbunden 13. cc)

Szenario 3 – Großbritannien als Drittstaat

Schließlich ist es denkbar, dass es zu keinem bilateralen Abkommen zwischen der EU und Großbritannien kommt. Großbritannien wäre dann aus Sicht der Europäischen Union ein Drittstaat, der wie die USA, Brasilien oder China behandelt werden würde. In einem ersten Schritt dürfte das zu einer erheblichen Isolation Großbritanniens in Europa führen. Großbritannien wäre darauf beschränkt, bilaterale Verträge mit den einzelnen Mitgliedstaaten abzuschließen. Ob und inwieweit und unter Berücksichtigung welcher wechselseitiger Zugeständnisse dies gelänge, wäre völlig offen. Gerade bei diesem Szenario wäre deshalb nicht auszuschließen, dass der Wirtschaftsstandort Großbritannien deutlich an Attraktivität verlieren würde und Unternehmen zunehmend ins EUAusland abwandern würden. Es kann unterstellt werden, dass das erhebliche Auswirkungen auf die britische Wirtschaft und schließlich auch den Arbeitsmarkt hätte.

11 Daragan, ZErb 2016, 281. 12 Bahadir/de los Fayos, „Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR), die Schweiz und der Norden“, 09/2016, Internetseite des Europäischen Parlamentes, http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_6.5.3. html. 13 Geminn/Schaller, ZD-Aktuell 2016, 05320.

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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

b)

Arbeitsrechtliche Folgen des „Brexit“

Die konkreten Folgen des „Brexit“ für das Arbeitsrecht sind derzeit nicht erkennbar. Es kann deshalb nur spekuliert werden. aa)

Arbeitnehmerfreizügigkeit

Das wohl umstrittenste Thema ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie ist Bestandteil der vier Grundfreiheiten und gewährleistet in Art. 45 AEUV, dass Arbeitnehmer in jedem Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen und ausüben können 14. Arbeitnehmer aus den EU/EWR-Staaten können daher ohne größere bürokratische Hürden in Großbritannien und umgekehrt arbeiten. Sofern es nach dem Austritt zu keiner Weitergeltung des Freizügigkeitsabkommens kommt, stehen sich Großbritannien und EU/EWR als Drittstaaten gegenüber. Ein grenzüberschreitender Einsatz von Arbeitnehmern wäre dann nur noch unter den jeweiligen Visa-Bestimmungen möglich. Falls keine Besonderheiten vereinbart werden, dürfte dies mit Blick auf eine etwaige Tätigkeit in Großbritannien zu Visavergaben nach dem sogenannten Punktesystem kommen, dass es seit 2008 gibt (points-based system) 15. Je nach Qualifikationsgrad, Englischkenntnissen, finanzieller Situation, Alter und Vorkenntnissen erhalten die Bewerber Punkte, auf dessen Basis über die Vergabe von Visa entschieden wird 16. Etwa 66 % der EU-Migranten im britischen Finanzsektor würden die Visa-Voraussetzungen nicht erfüllen 17. Das gilt erst recht, wenn die Visa-Voraussetzungen in Kraft gesetzt werden, die für 2017 ergänzend geplant sind. Danach müssen Bewerber über ein Einkommen von mindestens 30.000,- Pfund/Jahr verfügen, um eine Tätigkeit in Großbritannien ausüben zu können 18. Umgekehrt müssten Briten um die europäische Blue-Card zu erhalten ein Hochschulstudium nachweisen, über einen Arbeitsvertrag und ein Mindestbruttogehalt von 49.600,- Euro verfügen 19. Vorbehaltlich sonstiger Erleichte-

14 Coulter/Hancké, The Political Quarterly 2016, 148, 153; HWK/Henssler, Arbeitsrecht Kommentar, Art. 45 AEUV Rz. 1 a; Jay/Davies/Reid, Employee Relations Law Journal 2016, 69, 78; Nebeling, „Der Brexit als mögliche arbeitsrechtliche Veränderung“ Handelsblatt v. 1.7.2016. 15 Gower, House of Commons Library Briefing, v. 18.7.2016, „The UK's points-based system for immigration“, S. 7. 16 Gower, House of Commons Library Briefing, v. 18.7.2016, „The UK's points-based system for immigration“, S. 5. 17 Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781, 1782. 18 Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781, 1782. 19 BeckOK AuslR/Breidenbach AufenthG § 19 a Rz. 11 ff.

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Die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“

rungen, wie sie z. B. im Bereich von verbundenen Unternehmen gelten können 20, finden damit die normalen Schranken einer Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer Anwendung, die keine Staatsangehörigkeit der EU haben. bb)

Rechtsprechung

Zwar wäre unter den denkbaren Szenarien die Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich nicht mehr unmittelbar bindend. Dennoch sind seine Entscheidungen in der britischen Judikatur tief verankert. Viele britische Gerichtsentscheidungen sind auf Grundlage des EuGH ergangen und werden auch nach einem „Brexit“ grundsätzlich weitergelten 21. Darüber hinaus besteht im Falle des Beitritts zu den EFTA-Staaten eine quasi faktische Bindung an die EuGH-Rechtsprechung, da der für EFTA Staaten zuständige EFTA-Gerichtshof bei seiner Entscheidungsfindung die die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen hat 22. Das folgt aus Art. 3 Nr. 2 ÜGA 23. cc)

Europäische Aktiengesellschaft

Auch die Zukunft der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) ist ungewiss nach dem „Brexit“. Während SEs, an deren Gründung britische Gesellschaften beteilig waren, deren Verwaltungssitz aber außerhalb des Vereinigten Königreichs liegt, vom „Brexit“ grundsätzlich nicht betroffen sind, droht für SEs mit Verwaltungssitz innerhalb des Vereinigten Königreichs der Entzug ihrer Rechtsgrundlage 24. Sofern Großbritannien aus dem Anwendungsbereich der SE-Verordnung herausfällt und diese Rechtsfolge vermieden werden soll, besteht jedoch nach Art. 8 SE-VO die Möglichkeit, den Sitz einer SE unter Wahrung der Identität der Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen 25. Allerdings muss hierbei berücksichtig werden, dass ausschließliche die Verlegung des Satzungssitzes nicht ausreicht. Vielmehr muss aufgrund von Art. 7, 64 SE-VO gleichzeitig auch der Verwaltungssitz mitverlegt werden 26. 20 Kriebel, AktuellAR 2016, 358 ff. 21 Vgl. Landau, „What would leaving the EU mean for your Employment rights?“ – The guardian v. 24.5.2016, https://www.theguardian.com/careers/2016/may/24/what-would -leaving-eu-mean-employment-rights. 22 BeckOK MarkenR/Kur, MarkenG Rz. 100. 23 Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs. 24 Mayer/Manz, BB 2016, 1731, 1735; zum Rückschritt für zahlreiche EuErrungenschaften: Ulrich, GmbHR 2016, R225 f. 25 Mayer/Manz, BB 2016, 1731, 1735. 26 Vgl. Spindler/Stilz/Casper, SE-VO Art. 8 Rz. 1; Mayer/Manz, BB 2016, 1731, 1735.

377

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Ob diese Gestaltungsmöglichkeit zur Folge hat, dass es in naher Zukunft zu neuen SE-Gründungen in Großbritannien kommen wird, um britische Unternehmen rechtssicher in andere Mitgliedstaat zu verlegen 27, ist offen, aber wohl eher unwahrscheinlich. Zu groß ist die aktuelle Rechtsunsicherheit, um daran anknüpfend die grenzüberschreitende Verlegung eines Unternehmens zu planen. dd)

Britische Gesellschaftsformen in Deutschland und Unternehmensmitbestimmung

Vor dem Hintergrund der durch die EuGH-Rechtsprechung geprägten Niederlassungsfreiheit gibt es in Deutschland bereits eine Reihe von Gesellschaften mit britischer Rechtsform und deutschem Verwaltungssitz. Das gilt insbesondere in Bezug auf die britische Kapitalgesellschaftsform Limited, die an kein Mindestkapital geknüpft ist und von den deutschen Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung nicht erfasst wird 28. Das Schicksal dieser Gesellschaften hängt vom konkreten Ausgang des „Brexits“ ab und ist im Falle eines Drittstaaten-Szenarios mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten verbunden. So hatte der BGH zuletzt entschieden, dass für Gesellschaften, die in einem Drittstaat gegründet worden sind, […] die Rechtsprechung an der sogenannten Sitztheorie fest[hält], nach der für das Personalstatut das Recht des Sitzstaats maßgeblich ist 29

Insoweit könnte man zunächst daran denken, dass eine „deutsche“ Limited nach einem „Brexit“ als GmbH oder AG behandelt werden könnte, was im Ergebnis jedoch zu verneinen ist. Denn dies setzte eine Gründung nach den GmbHG/AktG-Vorschriften mit einer entsprechenden Eintragung im Handelsregister voraus 30. Überzeugender dürfte es sein, britische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland in inländische Personengesellschaften umzuwandeln 31. Diese wären dann weiterhin rechts- und parteifähig, jedoch würden die Gesellschafter unbeschränkt haften 32. Vor dem Hintergrund der Offenheit dieser Lösungsansätze werden viele Unternehmensleitungen im Falle eines Drittstaaten Szenarios dazu übergehen, 27 Hagemann/Jannott/Fabian, CMS Blog v. 13.7.2016, http://www.cmshs-bloggt.de /gesellschaft-recht/folgen-des-brexit-sitzverlegung-fuer-unternehmen/. 28 Seeger, DStR 2016, 1817, 1818. 29 BGH v. 8.9.2016 – III ZR 7/15, NZG 2016, 1187 Rz. 13. 30 Vgl. Seeger, DStR 2016, 1817, 1819. 31 Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378, 2381. 32 Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378, 2381.

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Die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“

einen Formwechsel in eine deutsche Kapitalgesellschaft in Erwägung zu ziehen. Das hat aber nicht nur gesellschaftsrechtliche Bedeutung. Sofern die Gesellschaften mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, müssen auch die Bestimmungen zur Unternehmensmitbestimmung berücksichtigt werden 33. Eine andere denkbare gangbare Lösung wäre hier auch die Umwandlung in eine niederländische B.V. oder eine österreichische GmbH, die ähnlich der Limited, gegenüber einer deutschen GmbH eine Reihe von Vorteilen bei der Mitbestimmung bieten 34. ee)

Arbeitnehmerdaten

Mit der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG wurde das Datenschutzrecht in der EU – und damit auch in Großbritannien – durch die Gewährleistung eines freien Datenverkehrs mit einem einheitlichen Schutzniveau harmonisiert. Entsprechend § 4b BDSG wird derzeit die Übermittlung von Arbeitnehmerdaten von Deutschland nach Großbritannien wie eine inländische Datenübermittlung behandelt 35. Eine weitergehende Harmonisierung wird mit dem Inkrafttreten der DSGVO erreicht, auf die an anderer Stelle verwiesen wurde 36. Sofern Großbritannien im Zuge des EU-Austritts zum Drittstaat wird, würden strengere Anforderungen gelten, die einen Arbeitnehmerdatenaustausch erheblich erschweren würden 37. Um auch in einer solchen Konstellation einen effektiven Datentransfer zu gewährleisten, könnte die EU-Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 Richtlinie 95/46/EG verbindlich feststellen, dass in Großbritannien ein angemessen Schutzniveau herrscht 38. Allerdings werden an ein solchen Nachweis hohe Anforderungen gestellt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der „Safe Harbor“-Entscheidung des EuGH. Insoweit muss nachgewiesen werden, dass das Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder seiner internationalen Verpflichtungen tatsächlich ein Schutzniveau der Freiheiten und Grundrechte gewährleistet, das dem in der Union aufgrund der Richtlinie 95/46/EG im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist 39.

33 34 35 36 37 38 39

Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781. Vgl. Mayer/Manz, BB 2016, 1731, 1733. Vgl. BeckOK, DatenSR/Schantz, BDSG § 4 b Rz. 3 B. Gaul, AktuellAR 2015, 45, 362, 372 f.; 2016, 33 ff. Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781, 1782. Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781, 1782. EuGH v. 6.10.2015 – C-362/14, NZA 2015, 1373 Rz. 73 – Schrems.

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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Ob dies mit Blick auf die DSGVO der Fall ist, kann derzeit nicht beurteilt werden. Mit Blick auf die ab dem 25.5.2018 in der EU geltenden Datenschutz-Grundverordnung und den daraus folgenden Standard sollte indes rechtzeitig geprüft werden, ob die datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Sollte Großbritannien keinen angemessenen Schutz nachweisen können, müssten Unternehmen den Datentransfer über EU-Standardvertragsklauseln oder im Zuge sog. Binding Corporate Rules (BCR) abwickeln 40. Denn nach der derzeit noch geltenden Bewertung gilt bei der Verwendung der von der Kommission nach Art. 26 Abs. 4 Richtlinie 95/46/EG verabschiedeten Standardvertragsklauseln ein angemessenes Schutzniveau als garantiert 41. Insoweit wird mit der Verwendung dieser Klauseln zwischen dem Datenexporteur und dem Datenimporteur, die Übermittlung personenbezogener legitimiert 42. Die Verwendung von BCRs ist insbesondere für international tätige Konzerne geeignet, um konzernweit personenbezogene Daten zu übermitteln. Hierfür muss die Unternehmensgruppe ein konzernweites Datenschutzregime einrichten, das – im Unterscheid zu den Standardvertragsklauseln – von der nationalen Aufsichtsbehörde genehmigt werden muss 43. Unabhängig von diesen Lösungswegen könnte die EU auch mit Großbritannien ein eigenständiges Datenschutzabkommen abschließen, ähnlich dem am 12.7.2016 in Kraft getretenen US-Privacy Shield 44. ff)

Europäische Betriebsräte

In Zusammenhang mit Europäischen Betriebsräten stellt sich vor allem die Frage, inwieweit britische Arbeitnehmer noch im EBR mitarbeiten können. Sofern Großbritannien einen den EFTA Staaten Liechtenstein, Norwegen und Island entsprechenden Status erhalten würde, würde sich mit Blick auf § 2 Abs. 3 EBRG für die britischen Arbeitnehmer nichts ändern 45. Tritt jedoch das Drittstaaten-Szenario ein, unterfallen Arbeitnehmervertreter britischer Betriebe im EBR nicht mehr dem Anwendungsbereich des EBRG. Damit wären sie von grenzüberschreitenden Unterrichtungen und Anhörun-

40 41 42 43 44 45

Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781, 1782; Gierschmann, MMR 2016, 501. Spindler/Schuster/Spindler BDSG § 4 c Rz. 20. Schmitz/von Dall’Armi, ZD 2016, 217, 218. Auer-Reinsdorff/Conrad/Grapentin, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 35 Rz. 51. Vgl. Zimmer/Cox/Inhoffen, BB 2016, 1781, 1782. Wolff, BB 2016, 1784.

380

Die arbeitsrechtlichen Folgen des „Brexits“

gen ausgenommen 46. Etwas anderes würde allerdings dann gelten, wenn der EBR beschließt, dass das EBRG weiterhin für die britischen Arbeitnehmervertreter anwendbar bleibt 47. Eine solche Entscheidung ist nach § 14 EBRG zulässig. Das anwendbare Recht für den EBR richtet sich danach, wo die Unternehmensgruppe ihren Sitz hat 48. Sofern sich die zentrale Leitung in Großbritannien befindet, finden die britischen Transnational Information and Consultation Regulations Anwendung 49. Nach einem „Brexit“ würde jedoch mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2009/38/EG nicht mehr britisches Recht zur Anwendung kommen 50. Insoweit kann die zentrale Leitung entweder einen Vertreter in einem anderen Mitgliedstaat benennen, dessen nationales Umsetzungsrecht dann zur Anwendung kommen würde oder, falls kein Vertreter benannt wird, käme das nationale Recht des Unternehmens der Unternehmensgruppe mit den meisten Arbeitnehmern innerhalb eines Mitgliedstaates zur Anwendung 51. gg)

Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Mit Blick auf das Sozialversicherungsrecht unterfällt Großbritannien derzeit noch der VO (EG) 883/04. Diese regelt, welches nationale Sozialversicherungsrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anwendbar ist, um eine mehrfache Versicherungspflicht zu verhindern. Sofern es nach dem „Brexit“ zu keiner Weitergeltung dieser Verordnung kommt, müsste Großbritannien mit den EU-Staaten Sozialversicherungsabkommen aushandeln. Falls dies nicht gelingt, würde mit Blick auf Deutschland das „SozSichAbkGBRDVbgG“ (deutsch-britisches Sozialversicherungsabkommen) 52 wieder zur Anwendung kommen. hh)

Auflockerung arbeitsrechtlicher Mindeststandards

Ein Teil der Befürworter des „Brexits“ beabsichtigt, mit dem Austritt Großbritanniens eine Deregulierung des britischen Arbeitsmarkts herbeizuführen.

46 47 48 49 50 51 52

Wolff, BB 2016, 1784. Wolff, BB 2016, 1784. Vgl. Schaub/Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, § 256 Rz. 4. Vgl. Wolff, BB 2016, 1784. Vgl. Wolff, BB 2016, 1784. Vgl. Wolff, BB 2016, 1784. Gesetz zu der Vereinbarung vom 10.12.1964 zur Durchführung des Abkommens vom 20.4.1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Soziale Sicherheit.

381

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Insbesondere sollen Arbeitnehmerschutzbestimmungen, die auf die Gesetzgebung der EU zurückgehen, aufgelockert werden. Ob dies ohne weiteres gelingt, erscheint zweifelhaft. Denn die Rechtsprechung des EuGH ist wie sonstige arbeitsrechtliche EU-Vorgaben tief im britischen Arbeitsrecht eingebettet und in der betrieblichen Praxis von beiden Vertragsparteien anerkannt. Eine völlige Auflockerung des Arbeitnehmerschutzes dürfte mit breiten Protesten verbunden und politisch schwer durchsetzbar sein. Am ehesten von einer Deregulierung betroffen wären die den Betriebsübergang regelnden Transfer of Undertakings regulations (TUPE), der Bereich der „Agency Workers“, der auf die Leiharbeitsrichtlinie zurückgeht, sowie die auf die Arbeitszeitrichtlinie zurückgehenden britischen Arbeitszeitregelungen 53.

c)

Fazit

Wie sich der „Brexit“ konkret vollziehen wird, lässt sich derzeit nur spekulieren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es tatsächlich zu einer Drittstaatenlösung kommt. Eine völlige Entkopplung von der EU würde Großbritannien die Möglichkeit eröffnen, sich völlig zu deregulieren. Der Markt würde dann darüber entscheiden, ob es Großbritannien im Anschluss daran gelingt, einen unverhältnismäßig attraktiven Wirtschaftsstandort zu schaffen. (Ga/Fu)

2.

EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet

Wir hatten bereits im Frühjahr darüber berichtet, dass die EU-DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) verabschiedet und am 4.5.2016 54 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist 55.

53 Vgl. Landau, „What would leaving the EU mean for your Employment rights?“, The Guardian v. 24.5.2016, https://www.theguardian.com/careers/2016/may/24/whatwould-leaving-eu-mean-employment-rights. 54 ABlEU L 119 v. 4.5.2016 S. 1 ff. 55 Eingehend hierzu Bauer, BVAU-News Ausgabe 4, 16 ff.; Bittner, GmbH-Report 2016, R 153; Düwell/Brink, NZA 2016, 665 ff.; Körner, NZA 2016, 1383 ff.; Maschmann, DB 2016, 2480 ff.; Schantz, NJW 2016, 1841 ff.; Thüsing, BB 2016, 2165 ff.; Wybitul/Draf, BB 2016, 2101 ff.; Wybitul/Ströbel, BB 2016, 2307 ff.

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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Insbesondere sollen Arbeitnehmerschutzbestimmungen, die auf die Gesetzgebung der EU zurückgehen, aufgelockert werden. Ob dies ohne weiteres gelingt, erscheint zweifelhaft. Denn die Rechtsprechung des EuGH ist wie sonstige arbeitsrechtliche EU-Vorgaben tief im britischen Arbeitsrecht eingebettet und in der betrieblichen Praxis von beiden Vertragsparteien anerkannt. Eine völlige Auflockerung des Arbeitnehmerschutzes dürfte mit breiten Protesten verbunden und politisch schwer durchsetzbar sein. Am ehesten von einer Deregulierung betroffen wären die den Betriebsübergang regelnden Transfer of Undertakings regulations (TUPE), der Bereich der „Agency Workers“, der auf die Leiharbeitsrichtlinie zurückgeht, sowie die auf die Arbeitszeitrichtlinie zurückgehenden britischen Arbeitszeitregelungen 53.

c)

Fazit

Wie sich der „Brexit“ konkret vollziehen wird, lässt sich derzeit nur spekulieren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es tatsächlich zu einer Drittstaatenlösung kommt. Eine völlige Entkopplung von der EU würde Großbritannien die Möglichkeit eröffnen, sich völlig zu deregulieren. Der Markt würde dann darüber entscheiden, ob es Großbritannien im Anschluss daran gelingt, einen unverhältnismäßig attraktiven Wirtschaftsstandort zu schaffen. (Ga/Fu)

2.

EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet

Wir hatten bereits im Frühjahr darüber berichtet, dass die EU-DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) verabschiedet und am 4.5.2016 54 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist 55.

53 Vgl. Landau, „What would leaving the EU mean for your Employment rights?“, The Guardian v. 24.5.2016, https://www.theguardian.com/careers/2016/may/24/whatwould-leaving-eu-mean-employment-rights. 54 ABlEU L 119 v. 4.5.2016 S. 1 ff. 55 Eingehend hierzu Bauer, BVAU-News Ausgabe 4, 16 ff.; Bittner, GmbH-Report 2016, R 153; Düwell/Brink, NZA 2016, 665 ff.; Körner, NZA 2016, 1383 ff.; Maschmann, DB 2016, 2480 ff.; Schantz, NJW 2016, 1841 ff.; Thüsing, BB 2016, 2165 ff.; Wybitul/Draf, BB 2016, 2101 ff.; Wybitul/Ströbel, BB 2016, 2307 ff.

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EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet

a)

Regelungen der Datenschutzgrundverordnung

Die DSGVO ist am 25.5.2016 in Kraft getreten und ist ab dem 25.5.2018 unmittelbar in den Mitgliedsstaaten geltendes Recht. Wegen der weiteren Einzelheiten sei insoweit zunächst einmal auf die Zusammenfassung verwiesen, die wir im Frühjahr vorgenommen hatten 56. Auch wenn die DSGVO keinen eigenständigen Beschäftigtendatenschutz enthält, ist es dringend erforderlich, dass sich alle Unternehmen auf die damit verbundene Änderung der Rahmenbedingungen in Bezug auf den Umgang mit personenbezogenen Daten im Arbeitsverhältnis einstellen 57. Mit Eintritt ihrer Verbindlichkeit am 25.5.2018 wird die Richtlinie 95/46/EG (EU-Datenschutz-Richtlinie) aufgehoben (Art. 94 DSGVO) 58. Bei dieser praktischen Vorbereitung auf die Veränderungen geht es nicht nur um die bloße Festlegung der im Unternehmen Verantwortlichen. Diese können sich nicht nur aus den Spezialisten des Datenschutzrechts zusammensetzen, sondern müssen operativ Verantwortliche ebenso einbeziehen wie Personalverantwortliche, wenn es um den Umgang mit den Daten von Beschäftigten geht. In einem ersten Schritt ist dabei eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, die erkennbar macht, welche Daten zu welchen Zwecken durch welche Rechtsträger derzeit verwendet werden. Damit verbunden ist festzustellen, auf welcher Grundlage die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt. Nur wenn diese Feststellung der Daten und ihrer Verwendung durch alle Prozesse hindurch erfolgen, kann geprüft werden, ob diese Daten zu den bisherigen Zwecken auf einer unveränderten Grundlage auch nach Inkrafttreten der DSGVO weiter verwendet werden können. Nur dann wird erkennbar, ob und ggf. in welchem Umfang insoweit Anpassungen der rechtlichen Grundlage für die Verarbeitung geboten sind. Entsprechendes gilt für die Handhabe von Regelungen zur Löschung solcher Daten, weil diese eng mit der Legitimation ihrer Erhebung und Verarbeitung verknüpft sind. Bei der Bewertung geht es nicht nur um Einwilligungen, die veränderten Anforderungen entsprechen müssen. Dabei geht es um Erklärungen in Musterarbeitsverträgen ebenso wie gesonderte Erklärungen zum Datenschutz, wie sie in vielen Unternehmen üblich sind. Auch und insbesondere Betriebsvereinbarungen müssen der Verpflichtung Rechnung tragen, den 56 B. Gaul, AktuellAR 2016, 33 ff. 57 Traeger/Rose, BB 2016, 819, 819 f. 58 VO 2016/679.

383

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Zweck, zu dem die Daten erhoben und verarbeitet werden, in der Urkunde selbst erkennbar zu machen. Das folgt bereits aus dem Schriftformgebot der Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG). Darüber hinaus sollten alle Begriffe und sonstigen Formalien den neuen Vorgaben der DSGVO angepasst werden. Wichtig ist, dass die Besonderheiten des Datentransfers im Konzern, wie sie derzeit durch §§ 28, 32 BDSG nur eingeschränkt privilegiert werden, mit der DSGVO nur bedingt verändert werden. Wir hatten auf die Ausführungen im Erwägungsgrund 48 verwiesen. Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert zu versuchen, die Verarbeitung personenbezogener Daten so zu rechtfertigen, als gehe es um einen Transfer zu einem Dritten. Das ist grundsätzlich auch die Situation, wie sie bei unternehmensübergreifenden Transfers außerhalb der Auftragsdatenverarbeitung trotz Konzernbindung zum Tragen kommt. Bei der Aufarbeitung und Anpassung der Strukturen für die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte auch den veränderten Medien Rechnung getragen werden. Viele Daten werden auch in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis über Internet, Intranet und Social Media verarbeitet. Das macht es nicht entbehrlich, auch in Bezug auf diese Daten vor allem durch gesetzliche Regelungen (§ 32 BDSG), eine Betriebsvereinbarung oder individuelle Einwilligungen eine Rechtfertigung zu schaffen. Beispielsweise sei nur auf Bewerbungsverfahren verwiesen. Dies gilt umso mehr, als die aktuelle Diskussion zu etwaigen Schranken durch das TKG mit der DSGVO und die nachfolgend dargestellten Umsetzungsregelungen nicht beendet wird. Die Frage ist weiterhin offen. Wir hatten im Frühjahr darauf verwiesen 59.

b)

Referentenentwurf zur Anpassung des Datenschutzrechts an die DSGVO und zur Umsetzung von Richtlinie 201/680/EU

Obwohl die DSGVO an sich unmittelbare Verbindlichkeit in Deutschland entfalten wird, setzt die Gewährleistung ihrer Umsetzung zum 25.5.2018 voraus, dass bestehende Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten abgeändert bzw. aufgehoben werden. Dies gilt insbesondere für das BDSG, das in weiten Teilen durch die Regelungen der DSGVO ersetzt wird. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium des Inneren am 23.11.2016 einen zweiten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs-und Um-

59 B. Gaul, AktuellAR 2016, 33 ff.

384

EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet

setzungsgesetz – EU-DSAnpUG-EU) vorgelegt. Ganz erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat vor allem die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes, die durch Art. 1 DSAnpUG-EU in Kraft gesetzt werden soll. Mit dem BDSG werden allgemeine Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen geschaffen, soweit nicht Recht der Europäischen Union unmittelbar anwendbar ist. Gleichzeitig wird das BDSG in seiner heutigen Fassung aufgehoben und das Datenschutzrecht des Bundes den unionsrechtlichen Vorgaben angepasst (§§ 1, 2 BDSG). aa)

Begriffsbestimmungen

In § 2 BDSG werden wesentliche Begriffsbestimmungen aus Art. 4 DSGVO übernommen. Wichtig ist, bei künftigen Regelungen im Bereich des Datenschutzrechts diese Begriffsbestimmungen zugrunde zu legen. Dies gilt insbesondere dort, wo entsprechende Regelungen im BDSG nicht enthalten oder auf andere Weise gekennzeichnet worden sind (z. B. Pseudonymisierung). Gerade die Begriffsbestimmungen machen allerdings das Problem einer praktischen Anwendbarkeit der gesetzlichen Neuregelung erkennbar. Denn es fehlen beispielsweise alle übergreifenden Klarstellungen zu den Möglichkeiten eine Einwilligung. Sie ist derzeit nur in § 47 BDSG vorgesehen, dessen Regelungen aber nur die Arbeit der für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung zuständigen öffentlichen Stellen des Bundes konkretisieren. Auf weitergehende Klarstellungen soll offenbar verzichtet werden, obwohl dies dringend erforderlich ist. Problematisch daran ist allerdings nicht nur, dass damit keine allgemeine Übernahme der in Art. 7 DSGVO erfolgt. Dessen Handlungsvorgaben weichen aber von den derzeit noch in § 4 a BDSG enthaltenen Regelungen ab. Denn nach der unionsrechtlichen Vorgabe hat die einwilligende Person nicht nur das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Hiervon war schon heute auszugehen. Der Verantwortliche ist auch verpflichtet, die betroffene Person vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis zu setzen. Damit eine Erfüllung dieser Verpflichtung nachgewiesen werden kann, empfiehlt es sich, Einwilligungserklärungen unmittelbar mit einem Hinweis auf dieses Widerrufsrecht zu versehen. Dabei ist sicherzustellen, dass die Einwilligung so einfach wie die Erteilung der Einwilligung ist. Unabhängig davon enthält der Referentenentwurf in Bezug auf das BDSG auch keinen Hinweis auf die Klarstellungen, die in den Erwägungsgründen 32, 42 f., 155 DSGVO enthalten sind. Aus diesen Klarstellungen folgt nicht 385

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

nur, dass eine Einwilligung freiwillig und ohne bestimmte Formvorgaben erfolgen kann. Vielmehr stellt Erwägungsgrund 32 DSGVO in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, dass die Einwilligung schriftlich, elektronisch oder mündlich erfolgen kann. Sie kann auch durch das Anklicken eines Kästchens beim Besuch einer Internetseite erteilt werden. Soweit in der datenschutzrechtlichen Literatur umstritten ist, ob der Arbeitnehmer durch eine Einwilligung überhaupt eine eigenständige Grundlage für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sehen kann, könnten die Erwägungsgründe 42 f. zwar zunächst einmal Zweifel aufwerfen. Denn dort wird nicht nur auf das Prinzip der Freiwilligkeit hingewiesen. Vielmehr stellt Erwägungsgrund 43 DSGVO ausdrücklich klar, dass die Einwilligung keine gültige Rechtsgrundlage liefern sollte, wenn zwischen der betroffenen Person und der Verantwortlichen ein klares Ungleichgewicht gegeben ist. Führt man sich die datenschutzrechtliche Diskussion in Bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Augen, könnte man auf die Idee kommen, dass damit in Bezug auf das Arbeitsverhältnis die Möglichkeit einer Einwilligung ausgeschlossen werden soll. Dieses Verständnis wäre indes unzutreffend. Denn Erwägungsgrund 155 lässt erkennen, dass auch personenbezogene Daten im Beschäftigungskontext auf der Grundlage einer Einwilligung des Beschäftigten verarbeitet werden dürfen. Bedauerlicherweise lassen allerdings weder Art. 88 DSGVO noch § 24 BDSG diese Möglichkeit in Bezug auf das Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis erkennen. Damit obliegt es den mit diesen Fragen in der Praxis betrauten Personen, neben den Vorschriften des ABDSG und den ausdrücklichen Handlungsvorgaben der DSGVO auch die Erwägungsgründe zu prüfen, wenn die Zulässigkeit etwaiger Handlungsoptionen geprüft wird. bb)

Bestellung von Datenschutzbeauftragten

In Art. 37 DSGVO wird die Benennung von Datenschutzbeauftragten festgelegt. Dabei ist der Kreis der Unternehmen, für die eine solche Benennung erfolgen soll, deutlich kleiner als in § 4 f BDSG gefasst. Da Art. 37 Abs. 4 DSGVO den Mitgliedsstaaten aber die Möglichkeit einräumt, eine Pflicht zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten auch für einen größeren Kreis von Unternehmen festzulegen, sehen §§ 5, 36 BDSG eine Fortschreibung der heute geltenden Regelungen zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten vor. Dies schließt auch den besonderen Kündigungsschutz ein (§ 5 Abs. 6 BDSG).

386

EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet

cc)

Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis

Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlaubt den Mitgliedsstaaten, durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigungsdaten im Beschäftigungskontext vorzusehen. Als Rechtfertigungsgrundlage gehören dazu, wie aus Erwägungsgrund 155 DSGVO folgt, neben Tarifverträgen auch Betriebsvereinbarungen. Wir hatten bereits im Frühjahr darauf verwiesen 60. Voraussetzung ist, dass die Regelungen insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit soll durch § 24 BDSG Gebrauch gemacht werden. Er ersetzt für den Fall seines Inkrafttretens die heute noch in § 32 BDSG enthaltene Regelung. Nach dem Referentenentwurf ist dabei für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext folgende Regelung vorgesehen: (1) Personenbezogene Daten einer oder eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten einer oder eines Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht über-wiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. (2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten verarbeitet wer-den, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet oder für die Verarbeitung in einer solchen Datei erhoben werden. (3) Die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten bleiben unberührt. (4) Beschäftigte sind: 1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, 60 B. Gaul, AktuellAR 2016, 33 ff.

387

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

2. zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte, 3. Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung (Rehabilitandinnen und Rehabilitanden), 4. in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigte, 5. Freiwillige, die einen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstgesetz oder dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leisten, 6. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten, 7. Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, 8. Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter des Bundes, Soldatinnen und Soldaten sowie Zivildienstleistende.

Lässt man einmal unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber offenbar vergessen hat, dass es keine Zivildienstleistenden mehr gibt, entspricht der vorstehende Entwurf auf der materiell-rechtlichen Ebene der heute in §§ 3 Abs. 11, 32 BDSG getroffenen Regelung. Bedauerlicherweise verzichtet der Gesetzgeber damit weiterhin darauf, klarzustellen, dass zu den legitimierenden Rechtsvorschriften in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis neben dem Tarifvertrag auch die Betriebs- oder Dienstvereinbarung gehört. Ebenfalls fehlt – wie vorstehend bereits ausgeführt – der Hinweis auf die Möglichkeit, durch Einwilligung des Arbeitnehmers eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen. Dies ist insbesondere dort von Bedeutung, wo Kollektivvereinbarungen hinsichtlich ihres persönlichen oder räumlichen Geltungsbereichs keine Anwendung finden. Bedauerlicherweise enthält § 24 ABDSG auch keinen Hinweis darauf, unter welchen Voraussetzungen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten innerhalb einer Konzernbeziehung Erleichterungen nutzbar gemacht werden können. Diese Erleichterungen finden sich auch nicht in Art. 88 DSGVO. Es wird aber im Erwägungsgrund 48 DSGVO klargestellt, dass Verantwortliche, die Teil einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Einrichtungen sind, die einer zentralen Stelle zugeordnet sind, eine berechtigtes Interesse haben können, personenbezogene Daten innerhalb der Unternehmensgruppe für interne Verwaltungszwecke, einschließlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von Kunden und Beschäftigten, zu übermitteln. Dies macht, vergleichbar mit der heute in § 28 BDSG enthaltenen Regelung, 388

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-US-Datenschutzschildes

deutlich, dass auf der Grundlage einer allgemeinen Interessenabwägung bereits kraft Gesetzes innerhalb des Konzerns ein Datentransfer auch außerhalb der Auftragsdatenverarbeitung möglich sein kann. Zukünftig wird man dies insbesondere bei der Auslegung und Anwendung von § 23 Abs. 2 Nr. 3 BDSG zu beachten haben.

c)

Fazit

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses hat für die Betriebspraxis essentielle Bedeutung. Wichtig ist, hier nicht nur die grundlegenden und strukturellen Veränderungen durch die DSGVO im Auge zu behalten und die in den Unternehmen bereits bestehenden Regelungen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Ebenso wichtig ist es, die ergänzenden Handlungsvorgaben, die mit dem DSAnpUG-EU geschaffen werden sollen, im Rahmen entsprechender Arbeitsgruppen aufzuarbeiten und rechtzeitig umzusehen. Wir werden deshalb über die weitere Entwicklung dieses Gesetzentwurfs berichten. (Ga)

3.

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-USDatenschutzschildes

a)

Einführung

Insbesondere für Unternehmen mit Konzerngesellschaften in den USA war durch die Entscheidung des EuGH vom 6.10.2015 61 eine erhebliche Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Frage entstanden, unter welchen Voraussetzungen weiterhin personenbezogene Daten über den Atlantik ausgetauscht werden können. Natürlich betraf dies auch Arbeitnehmerdaten, deren entsprechende Verwendung außerhalb der verantwortlichen Stelle nach den Regelungen des BDSG und des zugrundeliegenden EU-Rechts (Richtlinie 95/46/EG) nur unter sehr engen Voraussetzungen an einen Rechtsträger außerhalb der Europäischen Union transferiert und dort weiterverarbeitet werden dürfen. Wir hatten darüber berichtet 62. Denn mit dieser Entscheidung hatte der EuGH das Safe-Harbor-Privileg, dass die EU-Kommission in der Vergangenheit geschaffen hatte, für ungültig erklärt. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Kommission am 12.7.2016 ihren Durchführungsbeschluss 2016/1250 gemäß der Richtlinie 95/46/EG über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschild ge61 C-362/14, NZA 2015, 1373 – Schrems. 62 B. Gaul, AktuellAR 2015, 365 ff.; 2016, 39 ff.

389

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-US-Datenschutzschildes

deutlich, dass auf der Grundlage einer allgemeinen Interessenabwägung bereits kraft Gesetzes innerhalb des Konzerns ein Datentransfer auch außerhalb der Auftragsdatenverarbeitung möglich sein kann. Zukünftig wird man dies insbesondere bei der Auslegung und Anwendung von § 23 Abs. 2 Nr. 3 BDSG zu beachten haben.

c)

Fazit

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses hat für die Betriebspraxis essentielle Bedeutung. Wichtig ist, hier nicht nur die grundlegenden und strukturellen Veränderungen durch die DSGVO im Auge zu behalten und die in den Unternehmen bereits bestehenden Regelungen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Ebenso wichtig ist es, die ergänzenden Handlungsvorgaben, die mit dem DSAnpUG-EU geschaffen werden sollen, im Rahmen entsprechender Arbeitsgruppen aufzuarbeiten und rechtzeitig umzusehen. Wir werden deshalb über die weitere Entwicklung dieses Gesetzentwurfs berichten. (Ga)

3.

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-USDatenschutzschildes

a)

Einführung

Insbesondere für Unternehmen mit Konzerngesellschaften in den USA war durch die Entscheidung des EuGH vom 6.10.2015 61 eine erhebliche Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Frage entstanden, unter welchen Voraussetzungen weiterhin personenbezogene Daten über den Atlantik ausgetauscht werden können. Natürlich betraf dies auch Arbeitnehmerdaten, deren entsprechende Verwendung außerhalb der verantwortlichen Stelle nach den Regelungen des BDSG und des zugrundeliegenden EU-Rechts (Richtlinie 95/46/EG) nur unter sehr engen Voraussetzungen an einen Rechtsträger außerhalb der Europäischen Union transferiert und dort weiterverarbeitet werden dürfen. Wir hatten darüber berichtet 62. Denn mit dieser Entscheidung hatte der EuGH das Safe-Harbor-Privileg, dass die EU-Kommission in der Vergangenheit geschaffen hatte, für ungültig erklärt. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Kommission am 12.7.2016 ihren Durchführungsbeschluss 2016/1250 gemäß der Richtlinie 95/46/EG über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschild ge61 C-362/14, NZA 2015, 1373 – Schrems. 62 B. Gaul, AktuellAR 2015, 365 ff.; 2016, 39 ff.

389

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

botenen Schutzes getroffen hat 63. Durch diesen Beschluss wird eine neue Grundlage für den transatlantischen Datentransfer gesetzt, der neben die Corporate Binding Rules und die Standardvertragsklauseln tritt 64. Wir hatten über den wesentlichen Inhalt des EU-US-Datenschutzschild bereits im Frühjahr berichtet 65.

b)

Inhalt und Anwendungsvoraussetzungen

In Ziff. 14, 15 der Einleitung des Durchführungsbeschlusses 2016/1250 wird zunächst einmal klargestellt, dass der EU-US-Datenschutzschild auf einem System der Selbstzertifizierung beruhe, wonach sich amerikanische Organisationen zu einem Katalog von Datenschutzgrundsätzen – den Rahmengrundsätzen des EU-US-Datenschutzschild einschließlich der Zusatzgrundsätze – verpflichten, die vom Handelsministerium der USA herausgegeben wurden und im Anhang II des Beschlusses enthalten sind. Der EU-USDatenschutzschild erfasst sowohl die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen als auch die Auftragsverarbeiter (Beauftragten) mit der Maßgabe, dass sich die Auftragsverarbeiter vertraglich verpflichten, nur auf Weisung des Verantwortlichen in der EU zu handeln und Letzteren dabei zu unterstützen, Privatpersonen die Wahrnehmung ihrer Rechte im Rahmen der Grundsätze zu erleichtern. Unbeschadet der Einhaltung innerstaatlicher Vorschriften, die gemäß Richtlinie 95/46/EG erlassen wurden, soll durch den Durchführungsbeschluss erreicht werden, dass die Übermittlung von Daten von einem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter in der EU an Organisationen in den USA, die sich durch Selbstverifizierung beim Handelsministerium zur Einhaltung der Grundsätze verpflichtet haben, zulässig ist. Voraussetzung ist, dass die Verarbeitung durch die Organisation in den USA nicht bereits aus anderen Gründen unmittelbar durch das EU-Recht erfasst wird. In diesem Fall geht das EU-Recht den Regelungen des EU-USDatenschutzschild vor. Auf der Grundlage dieser Ausgangssituation geht Art. 1 Abs. 1 auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 2 Richtlinie 95/46/EG davon aus, dass die Vereinigten Staaten angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten 63 ABlEU, 2016 L 207 S. 1 ff. 64 Vgl. auch Grimm/Schmidt-Lauber, ArbRB 2016, 243 ff.; Guide to the EU-US.S. Privacy Shield der Europäischen Kommission; Datenübermittlungen in die USA – Fragen und Antworten zum EU-US Privacy Shield des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen. 65 B. Gaul, Aktuell AR 2016, 39 ff.

390

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-US-Datenschutzschildes

gewährleisten, die im Rahmen des EU-US-Datenschutzschilds aus der Europäischen Union an Organisationen in den Vereinigten Staaten übermittelt werden. Nach Art. 1 Abs. 2 des Durchführungsbeschlusses besteht der EUUS-Datenschutzschild dabei aus den Grundsätzen, die am 7.7.2016 vom US-Handelsministerium herausgegeben wurden und im Anhang II aufgeführt sind, und den offiziellen Erklärungen und Zusagen, die in den Schriftstücken der Anhänge I und III bis VII enthalten sind. Wie Ziff. II. 9 des Anhangs II deutlich macht, werden davon auch Arbeitnehmerdaten erfasst. Gerade bei gesellschaftsrechtlich verbundenen Unternehmen können dabei die Besonderheiten des Konzernprivilegs aus Ziff. II. 10 des Anhangs II zum Tragen kommen. Nach dieser Sonderregelung ist ein Vertrag nach den Grundsätzen der Vertraulichkeit der Weitergabe nicht immer erforderlich, wenn personenbezogene Daten zwischen zwei für die Verarbeitung Verantwortlichen innerhalb einer kontrollierten Gruppe von Unternehmen übermittelt werden. Für die Verarbeitung Verantwortliche innerhalb einer kontrollierten Gruppe von Unternehmen können für diese Übermittlungen andere Instrumente zugrunde legen, wie zum Beispiel verbindliche unternehmensinterne Vorschriften der EU oder andere konzerninterne Instrumente (Compliance und Kontrollprogramme) um die Kontinuität des Schutzes personenbezogener Daten im Rahmen der Grundsätze zu sichern. Bei einer derartigen Übermittlung bleibt die dem Datenschutzschild angehörende Organisation für die Einhaltung der Grundsätze verantwortlich. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des EU-US-Datenschutzschilds ist nach dem Durchführungsbeschluss eine Selbstzertifizierung des jeweiligen US-Unternehmens bzw. der US-Organisation, deren Einzelheiten in Ziff. II 6 des Anhangs II geregelt sind. Danach kommt in den Genuss der Vorteile des Datenschutzschilds eine Organisation erst ab dem Tag, an dem das Ministerium ihren Selbstzertifizierungsantrag nach Feststellung der Vollständigkeit in die Datenschutzschild-Liste aufgenommen hat. Diese Liste ist im Internet für jedermann einsehbar. Welche Angaben ein solcher Selbstzertifizierungsantrag enthalten muss, bestimmt Ziff. II. 6 lit b. Soweit Personaldaten betroffen sind, müssen darüber hinaus die ergänzenden Voraussetzungen aus Ziff. II. 6 lit c beachtet werden.

c)

Überwachung und Durchsetzung des EU-USDatenschutzschilds

Der EU-US-Datenschutzschild sieht in Ziff. 30 ff. der Einleitung in Verbindung mit den Anhängen I, II, IV, V umfangreiche Vorgaben zu Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen vor. Insbesondere ist dort geregelt, 391

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

dass das Handelsministerium die Unternehmen überwacht, deren Selbstzertifizierungsantrag die Verpflichtung zur Einhaltung der durch das Datenschutzschild geschaffenen Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten begründet hat. Dies soll sicherstellen, dass weiterhin ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten gewährleistet ist (Art. 4 Abs. 1, 4 des Durchführungsbeschlusses).

d)

Nichtigkeitsklage gegen das EU-US-Datenschutzschild

Ob damit eine rechtssichere Grundlage für den transatlantischen Datentransfer geschaffen wurde, steht nach wie vor in Frage. So hat die Digital Rights Ireland Ltd. 16.9.2016 beim EuGH allerdings eine Klage eingereicht, mit der eine Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 12.7.2016 erreicht werden soll. Als Ausgangspunkt soll dabei festgestellt werden, dass dieser Durchführungsbeschluss über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschilds gebotenen Schutzes mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission behaftet sei, soweit in diesem festgestellt werde, dass in den USA ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten geboten werde, das mit der Richtlinie 95/46/EG vereinbar sei. In der Begründung dieses Antrags werden 10 Klagegründe genannt. Auszugsweise lauten diese wie folgt: 1. Der angefochtene Beschluss sei nicht mit Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46/EG in Verbindung mit Art. 7, 8, 47 GRC vereinbar. 2. Der angefochtene Beschluss sei nicht mit Art. 25, Abs. 6 Richtlinie 95/46/EG in Verbindung mit Art. 7, 8, 47 GRC und dem Urteil des EuGH vom 6.10.2015 66 vereinbar. 3. Die in den Anhängen I und III bis VII. des angefochtenen Beschlusses enthaltenen „Datenschutzgrundsätze” und/oder die offiziellen (USAmerikanischen) „Erklärungen und Verpflichtungen” stellen keine „internationalen Verpflichtungen” im Sinne von Art. 25 Abs. 6 Richtlinie 94/46/EG dar. … 5. Die Bestimmungen des FISA Amendments Act von 2008 stellen Rechtsvorschriften dar, die öffentlichen Behörden gestatten, geheim und generell auf den Inhalt elektronischer Kommunikation zuzugreifen, und seien folglich nicht mit Art. 47 GRC vereinbar.

66 C-362/14, NJW 2015, 3151 ff. – Schrems.

392

Inkrafttreten und Anwendbarkeit des EU-US-Datenschutzschildes

6. Durch die nicht vollständige Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG (insbesondere Art. 28, Abs. 3) gewährleistet der angefochtene Beschluss auf den ersten Blick nicht hinreichend, dass die Rechte der Unionsbürger aus dem Unionsrecht vollständig gewahrt werden, wenn ihre Daten in die Vereinigten Staaten von Amerika übermittelt werden. … 8. Soweit der angefochtene Beschluss den willkürlichen Zugang zu elektronischer Kommunikation durch ausländische Strafverfolgungsbehörden ermöglicht bzw. nicht gegen diesen Zugang schützt oder geschützt hat, ist er wegen Verstoßes gegen die durch die GRC und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts geschützten Rechte auf Privatsphäre, Datenschutz, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit nichtig. 9. Soweit der angefochtene Beschluss den willkürlichen Zugang zu elektronischer Kommunikation durch ausländische Strafverfolgungsbehörden ermöglicht bzw. nicht gegen diesen Zugang schützt oder geschützt hat, und keinen angemessenen Rechtsbehelf für Unionsbürger vorsieht, auf deren personenbezogene Daten somit zugegriffen wird, nimmt dieser unter Verletzung der GRC und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts dem Einzelnen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und das Recht auf eine gute Verwaltung. …

Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH eine solche Klage überhaupt für zulässig und im Ergebnis dann auch für begründet hält.

e)

Fazit

Auch unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Nichtigkeitsklage ist mit dem Durchführungsbeschluss zum EU-US-Datenschutzschild eine für die Praxis jedenfalls bis auf Weiteres geeignete Grundlage geschaffen worden, um den Transfer personenbezogener Daten mit Organisationen und/oder Unternehmen in den USA zu bewerkstelligen. Wichtig ist allerdings, dass die dafür erforderliche Voraussetzung in Form einer Selbstzertifizierung auch dann geschaffen werden muss, wenn die Daten innerhalb einer Konzernbeziehung transferiert werden. Abzuwarten bleibt indes nicht nur, wie der EuGH auf diese Nichtigkeitsklage reagiert. Vielmehr wird man auch beobachten müssen, ob die derzeitigen Vorgaben für Corporate Binding-Rules und Standardvertragsklauseln unter Berücksichtigung der Vorgaben, wie sie im EU-US-Datenschutzschild enthalten sind, zukünftig modifiziert werden. Das hätte zur Folge, dass schlussendlich nur noch solche Datenübertragungen statthaft wären, die jedenfalls auch den Vorgaben aus dem

393

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Durchführungsbeschluss der EU-Kommission vom 12.7.2016 entsprechen. (Ga)

4.

Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen

Die Richtlinie EU/2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 8.6.2016 ist in Kraft getreten und muss bis zum 9.6.2018 auf nationaler Ebene umgesetzt werden 67. Wir hatten schon im Vorfeld darüber berichtet 68. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen ausgestaltet. Für die hier in Rede stehenden Fragen betrifft dies vor allem Verschwiegenheitsklauseln in Arbeits- und Aufhebungsverträgen sowie den Umgang mit Whistleblowern. Wichtig ist, dass die Richtlinie grundsätzlich nur denjenigen schützt, der in den Grenzen der unionsrechtlichen Vorgaben hierzu Regelungen auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene getroffen hat. Insofern ist es wichtig, unter Berücksichtigung der (neuen) Kennzeichnung von schutzfähigen Informationen kurzfristig die vorhandenen Regelungen in angemessener Weise anzupassen. (Ga)

5.

Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats

In seinem Urteil vom 12.10.2015 69 hat das LAG Baden-Württemberg mit überzeugender Begründung klargestellt, dass das EBRG als Sanktion für den Verstoß gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des EBR nach § 30 EBRG lediglich ein Bußgeld nach § 45 EBRG vorsehe. Es fehle eine dem § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Vorschrift, wonach dem Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch zustehe 70. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 30 EBRG. Nach Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2009/38/EG sähen die Mitgliedstaaten für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie geeignete Maßnahmen vor. Da die Richtlinie insoweit keine 67 ABlEU L 157 v. 15.6.2016 S. 1 ff. 68 B. Gaul, AktuellAR 2016 44 ff.; vgl. auch Bissels/Schroeders/Ziegelmayer, DB 2016, 2295 ff.; Baranowski/Glaßl, BB 2016, 2563 ff. 69 9 TaBV 2/15, NZA – RR 2016, 358 Rz. 67 f. 70 Ebenso bereits LAG Köln v. 8.9.2011 – 13 Ta 267/11, BB 2012, 197 Rz. 30.

394

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Durchführungsbeschluss der EU-Kommission vom 12.7.2016 entsprechen. (Ga)

4.

Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen

Die Richtlinie EU/2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 8.6.2016 ist in Kraft getreten und muss bis zum 9.6.2018 auf nationaler Ebene umgesetzt werden 67. Wir hatten schon im Vorfeld darüber berichtet 68. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen ausgestaltet. Für die hier in Rede stehenden Fragen betrifft dies vor allem Verschwiegenheitsklauseln in Arbeits- und Aufhebungsverträgen sowie den Umgang mit Whistleblowern. Wichtig ist, dass die Richtlinie grundsätzlich nur denjenigen schützt, der in den Grenzen der unionsrechtlichen Vorgaben hierzu Regelungen auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene getroffen hat. Insofern ist es wichtig, unter Berücksichtigung der (neuen) Kennzeichnung von schutzfähigen Informationen kurzfristig die vorhandenen Regelungen in angemessener Weise anzupassen. (Ga)

5.

Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats

In seinem Urteil vom 12.10.2015 69 hat das LAG Baden-Württemberg mit überzeugender Begründung klargestellt, dass das EBRG als Sanktion für den Verstoß gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des EBR nach § 30 EBRG lediglich ein Bußgeld nach § 45 EBRG vorsehe. Es fehle eine dem § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Vorschrift, wonach dem Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch zustehe 70. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 30 EBRG. Nach Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2009/38/EG sähen die Mitgliedstaaten für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie geeignete Maßnahmen vor. Da die Richtlinie insoweit keine 67 ABlEU L 157 v. 15.6.2016 S. 1 ff. 68 B. Gaul, AktuellAR 2016 44 ff.; vgl. auch Bissels/Schroeders/Ziegelmayer, DB 2016, 2295 ff.; Baranowski/Glaßl, BB 2016, 2563 ff. 69 9 TaBV 2/15, NZA – RR 2016, 358 Rz. 67 f. 70 Ebenso bereits LAG Köln v. 8.9.2011 – 13 Ta 267/11, BB 2012, 197 Rz. 30.

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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Durchführungsbeschluss der EU-Kommission vom 12.7.2016 entsprechen. (Ga)

4.

Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen

Die Richtlinie EU/2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 8.6.2016 ist in Kraft getreten und muss bis zum 9.6.2018 auf nationaler Ebene umgesetzt werden 67. Wir hatten schon im Vorfeld darüber berichtet 68. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen ausgestaltet. Für die hier in Rede stehenden Fragen betrifft dies vor allem Verschwiegenheitsklauseln in Arbeits- und Aufhebungsverträgen sowie den Umgang mit Whistleblowern. Wichtig ist, dass die Richtlinie grundsätzlich nur denjenigen schützt, der in den Grenzen der unionsrechtlichen Vorgaben hierzu Regelungen auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene getroffen hat. Insofern ist es wichtig, unter Berücksichtigung der (neuen) Kennzeichnung von schutzfähigen Informationen kurzfristig die vorhandenen Regelungen in angemessener Weise anzupassen. (Ga)

5.

Unterlassungsanspruch des Europäischen Betriebsrats

In seinem Urteil vom 12.10.2015 69 hat das LAG Baden-Württemberg mit überzeugender Begründung klargestellt, dass das EBRG als Sanktion für den Verstoß gegen die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des EBR nach § 30 EBRG lediglich ein Bußgeld nach § 45 EBRG vorsehe. Es fehle eine dem § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Vorschrift, wonach dem Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein Unterlassungsanspruch zustehe 70. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 30 EBRG. Nach Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2009/38/EG sähen die Mitgliedstaaten für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie geeignete Maßnahmen vor. Da die Richtlinie insoweit keine 67 ABlEU L 157 v. 15.6.2016 S. 1 ff. 68 B. Gaul, AktuellAR 2016 44 ff.; vgl. auch Bissels/Schroeders/Ziegelmayer, DB 2016, 2295 ff.; Baranowski/Glaßl, BB 2016, 2563 ff. 69 9 TaBV 2/15, NZA – RR 2016, 358 Rz. 67 f. 70 Ebenso bereits LAG Köln v. 8.9.2011 – 13 Ta 267/11, BB 2012, 197 Rz. 30.

394

Durchsetzung der Entsenderichtlinie

konkreten Sanktionen für den Fall der Verletzung der Unterrichtungspflicht bestimme, sei es nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden habe, eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit als Sanktion einzuführen. (Ga)

6.

Durchsetzung der Entsenderichtlinie

Der grenzüberschreitende Einsatz von Arbeitnehmern hat nach wie vor eine besondere Bedeutung 71. Im Frühjahr hatten wir über die Reform der Entsenderichtlinie berichtet 72. Sie betrifft vor allem ihre Durchsetzung, soll aber auch zu Klarstellungen in Bezug auf die Einbindung von Arbeitsbedingungen und die Anwendbarkeit auf die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung führen. In Deutschland könnte dies eine branchenübergreifende Anwendung von Regelungen über Mindestarbeitsbedingungen bewirken, die eine Erweiterung der bestehenden Vorschriften in MiLoG und AEntG notwendig macht. Das gilt insbesondere für Vergütungsbestandteile, die bislang in die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge noch nicht eingebunden waren, weil diese auf Mindestlohnsätze beschränkt waren. Da dieses Begehren in einigen Mitgliedsstaaten als Missachtung des Subsidiaritätsprinzips gesehen wird, ist bislang allerdings noch kein Abschluss des Verfahrens erkennbar. (Ga)

71 Vgl. BT-Drucks. 18/9597. 72 B. Gaul, AktuellAR 2016, 52 ff.

395

Durchsetzung der Entsenderichtlinie

konkreten Sanktionen für den Fall der Verletzung der Unterrichtungspflicht bestimme, sei es nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden habe, eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit als Sanktion einzuführen. (Ga)

6.

Durchsetzung der Entsenderichtlinie

Der grenzüberschreitende Einsatz von Arbeitnehmern hat nach wie vor eine besondere Bedeutung 71. Im Frühjahr hatten wir über die Reform der Entsenderichtlinie berichtet 72. Sie betrifft vor allem ihre Durchsetzung, soll aber auch zu Klarstellungen in Bezug auf die Einbindung von Arbeitsbedingungen und die Anwendbarkeit auf die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung führen. In Deutschland könnte dies eine branchenübergreifende Anwendung von Regelungen über Mindestarbeitsbedingungen bewirken, die eine Erweiterung der bestehenden Vorschriften in MiLoG und AEntG notwendig macht. Das gilt insbesondere für Vergütungsbestandteile, die bislang in die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge noch nicht eingebunden waren, weil diese auf Mindestlohnsätze beschränkt waren. Da dieses Begehren in einigen Mitgliedsstaaten als Missachtung des Subsidiaritätsprinzips gesehen wird, ist bislang allerdings noch kein Abschluss des Verfahrens erkennbar. (Ga)

71 Vgl. BT-Drucks. 18/9597. 72 B. Gaul, AktuellAR 2016, 52 ff.

395

C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.

Arbeitsrechtliche Aspekte der Industrie 4.0

Die Veränderungen durch die Industrie 4.0 oder das Arbeiten 4.0 1 ist in aller Munde. Jeder kann auf den verschiedenen Ebenen seiner beruflichen und privaten Welt erkennen, dass unsere Welt digitaler, globaler, flexibler und - gestützt durch die sich fortentwickelnde Technik – zunehmend komplexer und vernetzter wird. Nach der industriellen Revolution, dem Beginn der Massenproduktion und den Veränderungen im Zusammenhang mit der sozialen Marktwirtschaft kennzeichnet dies die neue und zukünftige Dimension unserer Arbeitswelt. Sie wird Dienstleistungen und Produktion gleichermaßen erfassen. Entsprechend den vorangehenden Veränderungen wird man auch diesen Prozess nicht aufhalten können. Im Gegenteil: Er wird schneller sein, weniger Evolution, mehr Revolution. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich Arbeitgeber gemeinsam mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern frühzeitig mit den damit zusammenhängenden Fragen befassen und die notwendigen Anpassungen in Bezug auf das Unternehmen, seine Produkte und Prozesse bewirken. Die Fragen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, sind alleine von der betriebspraktischen Seite vielfältig. Sie betreffen die Standardisierung und Vereinfachung von Arbeitsprozessen, die Produktions- und Bedarfssteuerung durch das Internet der Dinge, die Veränderungen der Transport- und Logistikprozesse durch autonome Lagerungs- und Transportverfahren, das mobile Arbeiten, die Flexibilisierung und das Verselbständigen der Arbeit bis hin zum Crowdworking 2, die vernetzte und globale Arbeit bis hin zu den in die Cloud verlagerten Prozessen der Datenverarbeitung. Viele dieser Fragestellungen prägen bereits heute die betriebliche Wirklichkeit. Andere befinden sich noch in der Entwicklung, werden aber erkennbar in Kürze bereits zum Einsatz gelangen. Auch die arbeitsrechtlichen Fragestellungen sind vielfältig. Sie betreffen z. B. den Arbeitsschutz, das Arbeitszeitrecht, das Urlaubsrecht, den Datenschutz und etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Bereits heute ist erkennbar, dass die vorhandene Regelungsstruktur viele Fragestellungen nicht erfasst, andere aber mit einer Bewertung versieht, die dem heutigen Ver-

1 2

Vgl. BT-Drucks. 18/9722, 1 ff. Vgl. hierzu Brandt, AiB 2016, 16 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

ständnis der im Arbeitsprozess Beteiligten nicht mehr entspricht. Beispielhaft sei hier nur auf die arbeitszeitrechtliche Behandlung der mobilen Arbeit verwiesen, bei der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen auch außerhalb der engen Grenzen des Arbeitszeitrechts tätig werden wollen. Damit ist schon heute erkennbar, dass wir das vorhandene Recht als Rahmen unserer Arbeitswelt anpassen müssen. Entscheidend ist allerdings nicht nur, wo und wie wir solche Anpassungen vornehmen. Ein Mittel hierzu kann das Wahlarbeitszeitgesetz sein. Wichtig ist auch festzulegen, wo solche Anpassungen unterbleiben, weil sonst grundlegende Werte, die der Sozialstaat trotz der Notwendigkeit seiner Industrialisierung entwickelt hat, verloren gehen. Mit diesen Veränderungen müssen sich beide Betriebsparteien befassen. Dabei wird es keine Arbeitnehmergruppe geben, die von Veränderungen ausgenommen ist. Zwar dürften gerade solche Tätigkeiten, die bereits mit geringer Qualifikation ausgeübt werden können, zunehmend durch Automaten und Roboter ersetzt werden 3. Auch qualifizierte Tätigkeiten werden sich aber auf grundlegende Veränderungen einstellen müssen. Auch hier wird es zu einer Automatisierung kommen. Darüber hinaus macht sich gerade hier die Bedeutung von Big Data bemerkbar. Big Data wird das Know-how von Spezialisten ersetzen, wird Analysen vornehmen und Entscheidungen treffen, die bislang noch Führungskräften vorbehalten waren. Es steht außer Frage, dass diese Entwicklung nur durch eine Zusammenarbeit von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretern bewältigt werden kann. Beispielhaft sei nur auf die Notwendigkeit veränderter Qualifikationen, die Vermeidung einseitiger Tätigkeiten, den Umgang mit der demografischen Entwicklung im Zusammenhang mit den notwendigen Veränderungen, die Handhabe der zunehmenden Entgrenzung von Arbeit oder die psychische und physische Belastung durch Arbeit im Rahmen des Arbeitsschutzes genannt. Hier müssen Lösungen entwickelt werden, die in ausgewogener Weise die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Soweit in der betrieblichen Praxis entsprechende Projekte betrieben werden, müssen natürlich alle individual- und kollektivrechtlichen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit Industrie 4.0 ergeben können, berücksichtigt werden 4. Außerordentlich hilfreich ist es, ergänzend hierzu die Diskussion zu verfolgen, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter 3 4

Hierzu eingehend: Groß/Gressel, NZA 2016, 990 ff. Vgl. hierzu Brandt, AiB 2016, 16 ff.; Kamps/Bonnani, ArbRB 2016, 214 ff.; Preis/Wieg, AuR 2016, 313 ff.; Schulze/Hofer, AiB 2016, 27 ff.; Schwarzbach, AiB 2016, 21 ff.; Thüsing, SR 2016, 87 ff.; Walser, AuR 2016, 338 ff.

398

Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

dem Oberbegriff „Arbeiten 4.0“ bereits im April 2015 gestartet wurde. Hier sind zahlreiche Ergebnisse bereits erkennbar, die bei der weiteren Arbeit nutzbar gemacht werden können 5. Beispielhaft sei insoweit nur auf die Werkhefte zu einzelnen Schwerpunktthemen (z. B. Digitalisierung der Arbeitswelt), das Grünbuch Arbeiten 4.0 oder einzelne Zwischenergebnisse des Dialogprozesses verwiesen, der mit einem Weißbuch bis Ende 2016 abgeschlossen werden soll. (Ga)

2.

Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

Der persönliche Geltungsbereich des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006 6 betrifft gemäß § 6 Abs. 1 Beschäftigte, worunter der Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, versteht. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG gelten als Beschäftigte auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Da nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund auch in Bezug auf den Zugang zu unselbständiger Erwerbstätigkeit unzulässig sind, können auch Bewerberinnen und Bewerber gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens beanspruchen, wenn sie einer unzulässigen Benachteiligung nach dem AGG ausgesetzt sind. Dabei sieht § 22 AGG für den Anspruchsteller eine Erleichterung der Darlegungslast und eine Beweislastumkehr vor. Der Anspruchsteller hat danach nur Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, wobei es ausreicht, dass ein derartiger Grund nur Bestandteil eines Motivbündels ist, das die benachteiligende Entscheidung ausgelöst hat 7. Der 8. Senat des BAG hat mit Beschluss vom 18.6.2015 8 dem EuGH nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) und Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG (Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen) dahingehend auszulegen ist, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Er5 6 7 8

Vgl. www.bmas.de/de/schwerpunkte/arbeiten-4-0/arbeiten/4/0.html. BGBl. I 2006 1897 ff. BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 650/12, NZA 2014, 258 Rz. 25. 8 AZR 848/13 (A), NZA 2015, 1063.

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Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

dem Oberbegriff „Arbeiten 4.0“ bereits im April 2015 gestartet wurde. Hier sind zahlreiche Ergebnisse bereits erkennbar, die bei der weiteren Arbeit nutzbar gemacht werden können 5. Beispielhaft sei insoweit nur auf die Werkhefte zu einzelnen Schwerpunktthemen (z. B. Digitalisierung der Arbeitswelt), das Grünbuch Arbeiten 4.0 oder einzelne Zwischenergebnisse des Dialogprozesses verwiesen, der mit einem Weißbuch bis Ende 2016 abgeschlossen werden soll. (Ga)

2.

Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

Der persönliche Geltungsbereich des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006 6 betrifft gemäß § 6 Abs. 1 Beschäftigte, worunter der Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, versteht. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG gelten als Beschäftigte auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Da nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund auch in Bezug auf den Zugang zu unselbständiger Erwerbstätigkeit unzulässig sind, können auch Bewerberinnen und Bewerber gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens beanspruchen, wenn sie einer unzulässigen Benachteiligung nach dem AGG ausgesetzt sind. Dabei sieht § 22 AGG für den Anspruchsteller eine Erleichterung der Darlegungslast und eine Beweislastumkehr vor. Der Anspruchsteller hat danach nur Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, wobei es ausreicht, dass ein derartiger Grund nur Bestandteil eines Motivbündels ist, das die benachteiligende Entscheidung ausgelöst hat 7. Der 8. Senat des BAG hat mit Beschluss vom 18.6.2015 8 dem EuGH nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) und Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG (Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen) dahingehend auszulegen ist, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Er5 6 7 8

Vgl. www.bmas.de/de/schwerpunkte/arbeiten-4-0/arbeiten/4/0.html. BGBl. I 2006 1897 ff. BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 650/12, NZA 2014, 258 Rz. 25. 8 AZR 848/13 (A), NZA 2015, 1063.

399

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

werbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können. Falls diese Frage bejaht wird, wollte der 8. Senat des BAG vom EuGH wissen, ob eine Situation, in der der Status als Bewerber nicht im Hinblick auf eine Einstellung und Beschäftigung, sondern zwecks Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen erreicht wurde, nach Unionsrecht als Rechtsmissbrauch bewertet werden kann. Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildete dabei eine Entschädigungsklage eines Bewerbers wegen Altersdiskriminierung und Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der 1973 geborene Kläger war ein voll ausgebildeter Jurist, der seit August 2002 überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig war. Er bewarb sich um eine Trainee-Stelle der Fachrichtung Jura bei der Beklagten, die 2009 ein Traineeprogramm ausgeschrieben hatte, mit dem sie Bewerber (m/w) u. a. der Fachrichtung Jura suchte und als Anforderungskriterien einen sehr guten Hochschulabschluss, der nicht länger als ein Jahr zurückliegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt, und qualifizierte, berufsorientierte Praxiserfahrung verlangte. In seinem Bewerbungsschreiben brachte der Kläger zum Ausdruck, dass er zurzeit einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht besuche und als ehemaliger leitender Angestellter und Rechtsanwalt gewohnt sei, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten. Nach Ablehnung der Bewerbung nahm der Kläger die Beklagte, die die vier Traineestellen für Jura ausschließlich mit Frauen besetzt hatte, obwohl sich gleichviel Männer und Frauen auf die Stelle beworben hatten, auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch. Nach Auffassung des 8. Senats des BAG verfolgte der Kläger nicht das Ziel, von der Beklagten als Trainee beschäftigt zu werden, sondern beabsichtigte, über eine formale Bewerbung Ansprüche nach § 15 AGG erheben zu können.

a)

Kein Schutz von AGG-Hoppern

Der EuGH hat das Vorabentscheidungsersuchen durch Urteil vom 28.7.2016 9 dahingehend beantwortet, dass Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG des Europäi-

9

C-423/15, NZA 2016, 1014 – Kratzer; vgl. dazu auch Zimmermann, DB 2016, 2240; Krieger, EuZW 2016, 696; Rolfs, NZA 2016, 586; Diller, BB 2006, 1968.

400

Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

schen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen dahin auszulegen sind, dass eine Situation, in der eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur den formalen Status als Bewerber erlangen möchte, und zwar mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen, nicht unter den Begriff „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmungen fällt und, wenn die nach Unionsrecht erforderlichen Tatbestandsmerkmale vorliegen, als Rechtsmissbrauch bewertet werden kann. Diesen Tenor begründet der EuGH unter Hinweis auf sein Urteil vom 19.4.2012 10 vor allem damit, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/78/EG sowie Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG ergibt, dass diese Richtlinien für eine Person gelten, die eine Beschäftigung sucht, und zwar auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung. Will jedoch eine Person mit ihrer Stellenbewerbung die Stelle gar nicht erhalten, sondern nur den formalen Status als Bewerber mit dem alleinigen Ziel erlangen, auf der Grundlage der Richtlinien 2000/78/EG und 2006/54/EG eine Entschädigung geltend zu machen, kann sie sich – so der EuGH – auf den in diesen Richtlinien gewährten Schutz nicht berufen. Eine andere Auslegung stünde auch im Widerspruch mit dem von diesen Richtlinien verfolgten Ziel der Gewährleistung einer Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung, die durch den Schutz vor Diskriminierungen gewährleistet werden soll. Darüber hinaus betont der EuGH, dass sich niemand in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der EU berufen darf, wobei die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens das Vorliegen eines objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmals verlange. Danach ist das objektive Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergebe, dass trotz formaler Einhaltung der von der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. Das subjektive Tatbestandsmerkmal erfordere die Feststellung, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte hervorginge, dass wesentlicher Zweck der fraglichen Handlungen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils sei. Auf die Vorlage bezogen weist der EuGH darauf hin, dass sich der Kläger missbräuchlich auf den Schutz der Richtlinien beriefe, wenn sich zum einen

10 C-415/10, NZA 2012, 493 – Meister.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

objektiv feststellen ließe, dass trotz formaler Einhaltung der in den Richtlinien 2000/78/EG und 2006/54/EG vorgesehenen Bedingungen der Zweck dieser Richtlinien nicht erreicht wurde, und zum anderen, dass der Kläger eine Scheinbewerbung um eine Stelle mit dem wesentlichen Ziel eingereicht habe, diese Stelle nicht anzutreten, sondern durch die Berufung auf den Schutz der Richtlinie einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen. Die vom EuGH entwickelte Lösung ist alternativ zu verstehen, wenn er einerseits darauf abstellt, dass die Richtlinien 2000/78/EG und 2006/54/EG für eine Person gelten, die eine Beschäftigung sucht, und zwar auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung, andererseits bei formalem Vorliegen dieser Voraussetzungen eine rechtsmissbräuchliche Scheinbewerbung annimmt, wenn sie bei objektiver Betrachtung nicht auf eine Einstellung, sondern auf einen ungerechtfertigten Vorteil in Gestalt einer Entschädigung gerichtet ist. Für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung und damit den Rechtsmissbrauch, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wobei der Arbeitgeber Indizien vortragen muss, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen 11. Das BAG 12 ging bisher in verschiedenen Entscheidungen davon aus, dass es für den Bewerberbegriff in § 6 Abs. 1 S. 2 AGG nicht darauf ankäme, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist, vielmehr die objektive Eignung eines Bewerbers für die Frage bedeutsam sei, ob eine „vergleichbare Situation“ i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG vorliege. Diese Schlussfolgerung beruhte auf der Erwägung, dass eine Benachteiligung nur bestehe, wenn eine an sich für die Tätigkeit geeignete Person nicht in Betracht gezogen worden sei. Demgegenüber vertritt nunmehr der 8. Senat des BAG in der Entscheidung vom 19.5.2016 13 unter Aufgabe dieser Rechtsprechung die Auffassung, dass die objektive Eignung des Bewerbers kein Kriterium für die vergleichbare Situation oder vergleichbare Lage i. S. v. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG ist und deshalb keine Voraussetzung für den Anspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG darstellt. Diesen Meinungswechsel begründet das BAG mit einem Hinweis auf § 15 Abs. 2 S. 2 AGG, wonach ein Entschädigungsanspruch für Personen, die auch bei benachteiligungsfreier

11 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 62; BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 n. v. Rz. 54. 12 BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 118/13, BB 2014, 1534 Rz. 18; BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, NZA 2014, 489 Rz. 18; BAG v. 7.4.2011 – 8 AZR 679/09, NZA-RR 2011, 494 Rz. 29. 13 8 AZR 470/14, BB 2016, 2746 Rz. 23.

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Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

Auswahl nicht eingestellt worden wären, nur der Höhe nach begrenzt wird. Zudem würde das Erfordernis der objektiven Eignung als Kriterium der vergleichbaren Situation den Entschädigungsprozess mit der schwierigen Abgrenzung der objektiven Eignung von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation belasten und damit die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren. Schon bisher sei die objektive Eignung von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund i. S. v. § 1 AGG eine Rolle spiele, unterschieden worden. Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass dem Bewerber regelmäßig unbekannt sei, wer sich außer ihm mit welcher Qualifikation beworben und für wen sich der potentielle Arbeitgeber entschieden habe. Da dem Bewerber kein dahin gehender Auskunftsanspruch zustünde 14, würde damit die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG durch aufwändige Tatsachenfeststellungen übermäßig erschwert und ein Entschädigungsanspruch nahezu ausgeschlossen, wenn der Bewerber der einzige um die Stelle war und es auf eine hypothetische Vergleichsperson ankäme, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe. Das BAG sucht nunmehr eine Lösung über den Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB), sofern sich ein Bewerber nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG mit dem ausschließlichen Ziel zu erlangen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen zu können. Das Missbrauchsverbot soll allerdings nicht relevant sein, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils. Dabei trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Rechtsmissbrauchseinwands denjenigen, der diesen Einwand erhebt 15. Soweit es um den Bewerberbegriff aus § 6 Abs. 1 S. 2 AGG geht, befürwortet der 8. Senat des BAG in der Entscheidung vom 19.5.2016 16 einen formalen Bewerberbegriff, der nichts anderes als die Bewerbung als solche voraussetzt. Das BAG gibt auch insoweit seine bisherige Rechtsprechung auf, die zusätzlich die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung gefordert hat-

14 BAG v 19.5.2016 – 8 AZR 470/14, BB 2016, 2746 Rz. 30. 15 BAG v. 18.6.2015 – 8 AZR 848/13 (A), NZA 2015, 1063 Rz. 26; BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37 Rz. 37; BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG Rz. 54. 16 8 AZR 470/14, BB 2016, 2746 Rz. 62.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

te 17. Ob die Bewerbung nicht ernsthaft ist, weil eine Person nicht die ausgeschriebene Stelle, sondern eine Entschädigung erhalten will, betreffe vielmehr die Frage, ob sich jemand unter Verstoß gegen Treu und Glauben den formalen Status als Bewerber verschaffen wolle, um sich damit den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig zu eröffnen. Im Ergebnis führt diese Änderung der Rechtsprechung des BAG dazu, dass Bewerbungen auch von objektiv ungeeigneten Bewerbern, Entschädigungsansprüche gemäß § 15 Abs. 2 AGG auslösen können, wenn der potentielle Arbeitgeber aufgrund objektiver Anhaltspunkte nicht darlegen und nachweisen kann, dass die Bewerbung nur darauf angelegt war, in den Genuss einer Entschädigung zu gelangen und deshalb rechtsmissbräuchlich war. Davon unberührt bleibt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen nach § 8 Abs. 1 AGG oder wegen des Alters nach § 10 AGG erfolgen kann, wofür der potentielle Arbeitgeber die Darlegungsund Beweislast trägt. Allerdings reicht für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG nicht der allgemeine Hinweis aus, die Maßnahme oder Regelung sei geeignet, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Vielmehr hat der Arbeitgeber hierzu substantiiert vorzutragen. Gelingt dem Arbeitnehmer bzw. Bewerber der Indiznachweis nach § 22 AGG, kann sich der Arbeitgeber mit substantiiertem Vortrag damit verteidigen, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe für die Benachteiligung des Arbeitnehmers oder Bewerbers ursächlich waren und damit eine Kausalität zwischen einem Merkmal aus § 1 AGG und der Benachteiligung nicht herzustellen ist. Insoweit werden vom 8. Senat des BAG in der Entscheidung vom 19.5.2016 18 Beispiele angeführt. Davon kann auszugehen sein, wenn der Arbeitgeber aus nachvollziehbaren Gründen das Bewerbungsverfahren abgebrochen hat, bevor die Bewerbung der beklagten Partei eingegangen ist. Gleiches wäre anzunehmen, wenn das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung vorlag. Insoweit gilt es – insbesondere bei innerbetrieblichen Bewerbungen – zu beachten, dass eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist nicht unterlaufen wird. Der Arbeitgeber ist auch berechtigt, bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorzugehen, das eine Benachteiligung wegen 17 BAG v. 18.6.2015 – 8 AZR 848/13 (A), NZA 2015, 1063 Rz. 24; BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 466/09, NZA 2011, 203 Rz. 28; BAG v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08, NZA 2009, 1087 Rz. 50. 18 8 AZR 470/14, BB 2016, 2746 Rz. 86 ff.

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Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies ist zu bejahen, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt daraufhin sichtet, ob die Bewerber eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er sämtliche Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. An die entsprechende Darlegungslast sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber muss darlegen und gegebenenfalls nachweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber, weil sie die Anforderungen erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind, und dass der ausgewählte Bewerber die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt. Allerdings muss sich die entsprechende Anforderung aus dem Anforderungsprofil der Stellenausschreibung entnehmen lassen oder zumindest in ihr einen Anklang gefunden haben. Davon wäre auszugehen, wenn bei einem Juristen die Examensnote nicht konkret bezeichnet wird, jedoch eine herausragende oder erstklassige juristische Qualifikation gefordert wird. Dann bleibt es dem Arbeitgeber vorbehalten, alle Bewerber, die eine bestimmte Examensnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Bewerbungsverfahren von vornherein auszunehmen. Soweit eine bestimmte formale Qualifikation unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit darstellt, kann regelmäßig unterstellt werden, dass bei Fehlen dieser Qualifikation die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grunde erfolglos geblieben ist. Diese Entwicklung der Rechtsprechung nötigt die betriebliche Praxis zu einer sorgfältigen Behandlung von Bewerbungen, wobei es sich bezüglich der Auswahlentscheidungen als nützlich erweisen kann, ein genaues Anforderungsprofil der Stellenausschreibung zu formulieren, um im Falle einer Klage aus § 15 Abs. 2 AGG die mangelnde Kausalität zwischen einem Grund aus § 1 AGG und einer ablehnenden Entscheidung plausibel erklären und nachweisen zu können. Sogenannte Scheinbewerbungen (AGG-Hopper) zum alleinigen Zweck der Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG lassen sich künftig nur noch über den Einwand des Rechtsmissbrauchs abwehren.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

b)

Benachteiligung von Bewerbern auch bei irrtümlicher Annahme diskriminierender Merkmale

Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. Mit dem 2. Halbs. dieser Vorschrift wird auch bei einer irrtümlichen Annahme des Arbeitgebers, dass ein in § 1 AGG genannter Grund vorliegt, der Anwendungsbereich des AGG eröffnet. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Fehlvorstellung auf einem Verschulden beruht oder der Grund tatsächlich in der Person des Beschäftigten vorliegt 19. In der Regierungsbegründung 20 heißt es hierzu: „Er (2. Halbs.) berücksichtigt damit den Umstand, dass Menschen oft bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden, z. B. allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes.“ Macht sich der Benachteiligende Vorstellungen über das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes, kann dies bereits genügen, um einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu begründen. In der Entscheidung vom 17.12.2015 war der 8. Senat des BAG 21 mit der Frage befasst, ob die Klägerin von einem Arbeitgeber i. S. v. § 6 Abs. 2 AGG, dem sie als Leiharbeitnehmerin überlassen werden sollte, als transsexuelle Person wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden war. Als transsexuell werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, dem sie aufgrund ihrer äußerlichen körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt zugeordnet wurden, nicht mehr zugehörig fühlen, sondern sich mit dem „Gegengeschlecht“ identifizieren 22. Der vom BAG entschiedene Fall betrifft eine Klägerin, die nach ihren eigenen Angaben transsexuell ist und sich auf Veranlassung eines Verleihers bei der Beklagten vorstellte, um dort im Wege der Arbeitnehmerüberlassung die Tätigkeit einer Kommissioniererin wahrzunehmen. Da der Verleiher eine Frau zur Vorstellung angekündigt hatte, erklärte der Vertreter der Beklagten, als er der Klägerin ansichtig wurde, dass sich eine Frau habe vorstellen wollen. Als die Klägerin erwiderte, sie sei die Frau, habe der Vertreter der Beklagten – so die Behauptung der Klägerin – ein weiteres Mal nachgefragt und anschließend eine Tür geöffnet und draußen nochmals nachgesehen. Die

19 20 21 22

BAG v. 17.12.2015 – 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888 Rz. 32. BT-Drucks. 16/1780 S. 34. 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888. So BAG v. 17.12.2015 – 8 AZR 421/14, NZA 2016, 888 Rz. 32.

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Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

weiteren Einzelheiten des Geschehens sind streitig. Jedenfalls wurde eine andere Person für die Stelle ausgewählt. Die Klägerin machte durch ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten wegen einer Benachteiligung ihres Geschlechts einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend, der in Höhe von 4.324,80 € Gegenstand einer Zahlungsklage wurde. Nach Abweisung der Klage durch das ArbG machte die Klägerin mit der Berufungsbegründung geltend, sie sei transsexuell und deshalb von der Beklagten benachteiligt worden. Zwischen den Parteien blieb streitig, ob der Vertreter der Beklagten die Transsexualität der Klägerin angenommen hat oder nicht. Das LAG hat die Entschädigungsklage abgewiesen, weil das Vorbringen der Klägerin nicht den Schluss darauf zuließe, dass ihre Transsexualität für die Nichteinstellung ursächlich gewesen sei. Dieser Bewertung ist das BAG nicht gefolgt und hat den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, weil die Klägerin nur Indizien habe darlegen müssen, als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden zu sein. Zunächst geht das BAG davon aus, dass das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfasst. Zwischen dem benachteiligenden Verhalten und einem in § 1 AGG genannten Grund muss ein Kausalzusammenhang vorliegen, wobei eine bloße Mitursächlichkeit ausreicht 23. Dabei genügt eine Person, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, gemäß § 22 AGG ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes schließen lassen 24. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG, wenn der Benachteiligende das Vorliegen eines in § 1 AGG aufgeführten Grundes nur angenommen hat. Bei Vorliegen der Vermutung einer Benachteiligung trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast als Vollbeweis dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Demgemäß hat der Arbeitgeber Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, wonach ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben 25.

23 BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13, ZTR 2014, 731 Rz. 34. 24 Vgl. BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012, 1345 Rz. 33; BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910 Rz. 65. 25 Nur BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13, ZTR 2014, 731 Rz. 40.

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Nach diesen allgemeinen in der Rechtsprechung gesicherten Grundsätzen wendet sich das BAG der Frage zu, welchem in § 1 AGG genannten Grund die Transsexualität zugeordnet werden kann. Dabei geht das BAG davon aus, dass die Transsexualität sowohl bei dem in § 1 AGG angeführten Grund des Geschlechts als auch bei dem Grund der sexuellen Identität von Bedeutung sein kann. Diese Frage stellte sich deswegen, weil die Transsexualität als solche von § 1 AGG nicht ausdrücklich erfasst wird. Allerdings hat der Gesetzgeber des AGG die Transsexualität dem Grund der sexuellen Identität zugeordnet, wie unmissverständlich aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 8.6.2006 26 hervorgeht. Diese Bewertung wird nach Ansicht des BAG dem Unionsrechts nicht gerecht, das den Begriff der „sexuellen Identität“ nicht verwendet, sondern im Erwägungsgrund Nr. 11 der Richtlinie 2000/78/EG und in Art. 1 von „sexueller Ausrichtung“ spricht. Unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH vom 30.4.1996 27, wonach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen im Hinblick auf das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Entlassung einer transsexuellen Person aus einem mit der Umwandlung ihres Geschlechts zusammenhängenden Grund entgegensteht, entnimmt das BAG, dass Transsexualität sowohl im Rahmen des in § 1 AGG angeführten Grundes „Geschlecht“ als auch des Grundes „sexuelle Identität“ in unionsrechtskonformer Auslegung von § 1 AGG von Bedeutung sein kann. Diese Bewertung war für den Rechtsstreit deshalb von Bedeutung, weil die Klägerin bei ihrer fristgerechten Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 4 AGG eine Diskriminierung wegen des Geschlechts gerügt und erst in der Berufungsinstanz geltend gemacht hatte, transsexuell zu sein. Nur durch die Zuordnung der Transsexualität zum „Geschlecht“ war die materiell-rechtliche Ausschlussfrist aus § 15 Abs. 4 AGG gewahrt worden. Die vom BAG entwickelte Alternativzuordnung der Transsexualität kann nicht überzeugen, weil der vom EuGH entschiedene Fall eine Geschlechtsumwandlung betraf und zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Richtlinie 2000/78/EG noch nicht in Kraft gesetzt war. Der EuGH hat nämlich die Diskriminierung darin gesehen, dass eine solche Person im Vergleich zu den Angehörigen des Geschlechts, dem sie vor der Operation zugerechnet wur26 BT-Drucks. 16/1780 S. 31. 27 C-13/94, NZA 1996, 695 Rz. 13 ff. – P vs. S.

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de, schlechter behandelt worden ist. Deshalb hätte der 8. Senat des BAG wegen der Erheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits den EuGH fragen müssen, ob im Lichte der Richtlinie 2000/78/EG an der Bewertung festgehalten werde, Transsexualität unter den Begriff des Geschlechts einzuordnen, zumal im Erwägungsgrund Nr. 3 der Richtlinie 2006/54/EG vom 5.7.2006 (Gleichbehandlung von Männern und Frauen) die Feststellung des Gerichtshofs angeführt wird, dass die Tragweite des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund des natürlichen Geschlechts einer Person beschränkt werden kann und angesichts seiner Zielsetzung und der Art der Rechte, die damit geschützt werden sollen, der Grundsatz der Gleichbehandlung auch für Diskriminierungen aufgrund einer Geschlechtsumwandlung gilt. Weil das LAG einen Vortrag der Klägerin vermisst hatte, dass ihre Transsexualität offensichtlich gewesen oder von dem Vertreter der Beklagten angenommen worden sei, während die Klägerin nach § 22 AGG i. V. m. § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG nur Indizien vorzutragen hatte, von dem Vertreter der Beklagten als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden zu sein, ist der Rechtsstreit vom BAG zurückverwiesen worden, um den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen, gegebenenfalls auch zu dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin beim Vorstellungsgespräch bei der Beklagten, zu geben. Unabhängig davon, dass die vorliegende Fallkonstellation einen wohl eher selten in der betrieblichen Praxis anzutreffenden Sachverhalt betrifft, verdeutlicht auch diese Entscheidung, dass es keine verlässliche Aussage dazu gibt, welche Indizien dem BAG für die Anwendung von § 22 AGG ausreichen, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einem in § 1 AGG aufgeführten Grund und einer Benachteiligung eines Bewerbers herzustellen 28.

c)

Unzulässigkeit vom Gesetz abweichender Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretern

Im Hinblick auf die Besetzung freier Arbeitsplätze legt der Gesetzgeber in § 81 Abs. 1 und 2 SGB IX dem Arbeitgeber zugunsten schwerbehinderter Menschen eine Reihe von besonderen Pflichten auf. So hat der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 1 S. 1 SGB IX zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt

28 Krit. auch Bauer, NJW 2016, 2446.

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werden können. Bei dieser Prüfung sind nach § 81 Abs. 1 S. 6 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat bzw. Personalrat anzuhören (Verfahrens- und Fördervorschriften). Nach § 81 Abs. 1 S. 4 SGB IX haben die Arbeitgeber über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Diese in § 81 Abs. 1 SGB IX vorgesehenen Pflichten des Arbeitgebers sind zwingender Natur und keiner abweichenden vertraglichen oder kollektiven Regelung zum Nachteil schwerbehinderter Menschen zugänglich, wenn man davon absieht, dass nach § 81 Abs. 1 S. 10 SGB IX bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt. Ergänzend bestimmt § 81 Abs. 2 SGB IX, dass Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen dürfen. Der 8. Senat des BAG hatte in der Entscheidung vom 20.1.2016 29 unter anderem der Frage nachzugehen, ob ein Indiz für eine Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers wegen dessen Schwerbehinderung vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen den in § 81 Abs. 1 S. 4 und § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX getroffenen Bestimmungen nicht über die Bewerbung eines schwerbehinderten Bewerbers unterrichtet hat, und ob diese Verpflichtung dadurch entfallen kann, dass der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung eine Vereinbarung getroffen hatte, wonach diese nur über die in die nähere Auswahl kommenden Bewerber informiert werden musste. Der Fall betraf einen Kläger, der sich mit einer Behinderung von 50 % als Diplomkaufmann mit einer zusätzlich abgeschlossenen Lehre als Bankkaufmann sowie besonderen Qualifikationen im Bereich des Controllings um eine Stelle als Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes im Ministerium für Umwelt und Verkehr beworben hatte. Das beklagte Land hatte die Bewerbung nicht an die Schwerbehindertenvertretung weitergeleitet, weil mit dieser vereinbart worden war, nur diejenigen Schwerbehinderten mitzuteilen, die in die nähere Auswahl kämen. Die Bewerbung des Klägers wurde ohne Einladung zu einem Vorstellungsgespräch abschlägig beschieden, weil das beklagte Land seit Jahren die Personalpolitik praktizierte, keine überqualifizierten Bewerber zu beschäftigen. Die daraufhin vom Kläger wegen

29 8 AZR 194/14, NZA 2016, 681.

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Aktuelles zur Diskriminierung von Bewerbern

mangelnder Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und der unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemachte Entschädigungsklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. In Übereinstimmung mit seiner ständigen Rechtsprechung geht der 8. Senat des BAG davon aus, dass im Rahmen einer Auswahlentscheidung bei einer Einstellung eine Benachteiligung wegen der Versagung einer Chance schon darin gesehen werden kann, wenn es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 S. 2 SGB IX unterlässt, einen schwerbehinderten, fachlich geeigneten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen 30. Dieses Unterlassen ist bereits als eine geeignete Hilfstatsache („Indiz“) nach § 22 AGG anzusehen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung wegen der Behinderung spricht. Allerdings erfasst das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, so dass – wie das BAG hervorhebt – zwischen dem benachteiligenden Verhalten und einem in § 1 AGG genannten Grund ein Kausalzusammenhang bestehen muss, wobei allerdings eine Mitursächlichkeit genügt 31. Im Streitfall lagen nach Auffassung des BAG hinreichende Indizien vor, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten ließen. Dies betraf nicht nur den Umstand, dass das beklagte Land den Kläger entgegen der in § 82 S. 2 SGB IX vorgesehenen Verpflichtung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, sondern auch die Unterlassung des beklagten Landes, die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 S. 4, § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX über die Bewerbung des Klägers zu informieren. Dabei konnte sich das beklagte Land nach überzeugender Ansicht des BAG bezüglich der unterlassenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht darauf berufen, dem Kläger habe die fachliche Eignung offensichtlich gefehlt, weil dieser für die Besetzung der Position zweifelsfrei sogar überqualifiziert war. Das BAG weist auch zu Recht darauf hin, dass die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung nicht dadurch entfallen war, dass das beklagte Land mit der Schwerbehindertenvertretung eine Vereinbarung getroffen hatte, wonach diese nur über die in die nähere Auswahl kommenden Bewerber informiert werden musste. Da nur der Schwerbehinderte selbst gemäß § 81 Abs. 1 S. 10 SGB IX auf die Beteiligung der Schwerbehinder30 BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 563/12, NZA 2014, 82 Rz. 51; BAG v. 17.8.2010 – 9 AZR 839/08, NZA 2011, 153 Rz. 29; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 536/08, NZA 2009, 1016 Rz. 31. 31 BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13 n. v. Rz. 34.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

tenvertretung verzichten darf, kann die im öffentlichen Interesse liegende Information der Schwerbehindertenvertretung bei der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen nicht wirksam abbedungen werden. Wie das BAG in diesem Zusammenhang hervorhebt, soll die Schwerbehindertenvertretung auf eine sachdienliche Behandlung der spezifischen Belange eines schwerbehinderten Menschen hinwirken, wodurch behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen und gleiche Teilhabechancen eröffnet werden sollen 32. Unterlässt es der Arbeitgeber – wie im Streitfall – die Schwerbehindertenvertretung bei der Einstellung zu beteiligen, so liegt darin nach der Rechtsprechung des BAG 33 ein Indiz nach § 22 AGG, das auf eine Benachteiligung wegen der Behinderung schließen lässt. Gleichwohl hat das BAG die klageabweisende Entscheidung des LAG bestätigt, weil sich das beklagte Land zur Widerlegung der auf die Verstöße gegen § 82 S. 2 SGB IX und § 81 Abs. 1 S. 4 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung ausreichend damit verteidigt hatte, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung des Klägers ausschlaggebend waren und diese nicht die fachliche Eignung des Klägers betrafen. Das beklagte Land hatte sich nämlich allein auf personalpolitische Gründe berufen, weil es befürchtete, dass überqualifizierte Mitarbeiter aufgrund der Wahrnehmung nicht ihrer Qualifikation entsprechender Aufgaben frustriert werden und zwischen den formal unterschiedlich qualifizierten Mitarbeitern eine Verdrängung der Bewerber bei der Besetzung von Beförderungsstellen vermieden werden sollte. Insofern ließ das BAG auch das Anliegen des beklagten Landes gelten, Bewerber auszuwählen, die sich innerhalb einer Laufbahn fortentwickeln wollen und nicht nur von vornherein den Aufstieg in die höhere, ihrer formalen Qualifikation entsprechenden Laufbahn anstreben. Allerdings hat der Arbeitgeber diese Praxis seiner Personalpolitik auch im Sinne einer Nachhaltigkeit darzulegen und nachzuweisen, was dadurch geschehen kann, dass auch bislang überqualifizierte Bewerber von vornherein von der Auswahl ausgeschlossen worden sind. Für die betriebliche Praxis folgt aus dieser Entscheidung des BAG, dass der Arbeitgeber die Kausalitätsvermutung durchaus auch dann widerlegen kann, wenn ihm keine Gründe zur Seite stehen, die eine Benachteiligung wegen einer Behinderung rechtfertigen können. Unabhängig davon, dass der Streit-

32 BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 574/12, ZTR 2014, 175 Rz. 35; BAG v. 17.8.2010 – 9 ABR 83/09, NZA 2010, 1431 Rz. 17. 33 BAG v. 20.1.2016 – 8 AZR 194/14, NZA 2016, 681 Rz. 27; BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 574/12, ZTR 2014, 175 Rz. 35; BAG v. 15.2.2005 – 9 AZR 635/03, NZA 2005, 870 Rz. 32.

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Neues zu befristeten Verträgen

fall im öffentlichen Dienst angesiedelt ist, kann eine nachhaltige und plausible Personalpolitik, die nichts mit den in § 1 AGG aufgeführten Gründen zu tun hat, den Ausschlag dafür geben, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe für die Benachteiligung des Arbeitnehmers oder Bewerbers ursächlich waren. (Boe)

3.

Neues zu befristeten Verträgen

Die Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverträgen war auch im Jahr 2016 wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des 7. Senats des BAG 34. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Sachgrundfragen, die einen Berechtigungsanlass für die Befristung des Arbeitsvertrags abgeben sollen.

a)

Befristungskontrolle bei befristetem Anschlussvertrag

Nach ständiger Spruchpraxis des 7. Senats des BAG 35 ist bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen, die eines Sachgrunds bedürfen, grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtfertigung nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu überprüfen. Dabei ist im Sinne einer Vertragskontrolle für die Beurteilung einer Sachgrundbefristung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen, so dass nach Vertragsabschluss eintretende Umstände für die Beurteilung des Sachgrundes grundsätzlich keine Bedeutung mehr gewinnen können. Der Sachgrund der Befristung stellt demgemäß eine Prognoseentscheidung des Arbeitgebers dar, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers lediglich ein zeitlich vorübergehender Bedarf besteht. Die Prognose ist damit Teil des Sachgrunds. Die Dauer der Befristung unterliegt im Regelfall keiner besonderen Sachgrundkontrolle, soweit sie sich an dem vom Arbeitgeber gewählten Sachgrund der Befristung orientiert. Die Befristungsdauer kann allerdings im Ausnahmefall dazu führen, dass der Sachgrund der Befristung seine Plausibilität und damit seine Wirkung verliert. Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH 36 beschränken sich die Arbeitsgerichte bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG nicht nur auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds. Sie stellen vielmehr nach den Grundsätzen des institutionellen 34 Vgl. BAG v. 20.1.2016 – 7 AZR 340/14, NZA 2016, 755; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949; BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 339/14, BB 2016, 2483; BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 467/14 n. v.; BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 259/14, BB 2016, 1523. 35 Vgl. nur BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 15; BAG v. 24.8.2011 – 7 AZR 228/10, NZA 2012, 385 Rz. 51; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 12. 36 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 56 – Kücük.

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fall im öffentlichen Dienst angesiedelt ist, kann eine nachhaltige und plausible Personalpolitik, die nichts mit den in § 1 AGG aufgeführten Gründen zu tun hat, den Ausschlag dafür geben, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe für die Benachteiligung des Arbeitnehmers oder Bewerbers ursächlich waren. (Boe)

3.

Neues zu befristeten Verträgen

Die Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverträgen war auch im Jahr 2016 wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des 7. Senats des BAG 34. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Sachgrundfragen, die einen Berechtigungsanlass für die Befristung des Arbeitsvertrags abgeben sollen.

a)

Befristungskontrolle bei befristetem Anschlussvertrag

Nach ständiger Spruchpraxis des 7. Senats des BAG 35 ist bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen, die eines Sachgrunds bedürfen, grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtfertigung nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu überprüfen. Dabei ist im Sinne einer Vertragskontrolle für die Beurteilung einer Sachgrundbefristung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen, so dass nach Vertragsabschluss eintretende Umstände für die Beurteilung des Sachgrundes grundsätzlich keine Bedeutung mehr gewinnen können. Der Sachgrund der Befristung stellt demgemäß eine Prognoseentscheidung des Arbeitgebers dar, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers lediglich ein zeitlich vorübergehender Bedarf besteht. Die Prognose ist damit Teil des Sachgrunds. Die Dauer der Befristung unterliegt im Regelfall keiner besonderen Sachgrundkontrolle, soweit sie sich an dem vom Arbeitgeber gewählten Sachgrund der Befristung orientiert. Die Befristungsdauer kann allerdings im Ausnahmefall dazu führen, dass der Sachgrund der Befristung seine Plausibilität und damit seine Wirkung verliert. Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH 36 beschränken sich die Arbeitsgerichte bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG nicht nur auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds. Sie stellen vielmehr nach den Grundsätzen des institutionellen 34 Vgl. BAG v. 20.1.2016 – 7 AZR 340/14, NZA 2016, 755; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949; BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 339/14, BB 2016, 2483; BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 467/14 n. v.; BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 259/14, BB 2016, 1523. 35 Vgl. nur BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06, NZA 2007, 803 Rz. 15; BAG v. 24.8.2011 – 7 AZR 228/10, NZA 2012, 385 Rz. 51; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 12. 36 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 56 – Kücük.

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Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich der Gesamtdauer und der Anzahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge eine zusätzliche Rechtsmissbrauchskontrolle an. Diese Missbrauchskontrolle soll ausschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen 37. In der Entscheidung vom 24.2.2016 bestätigt der 7. Senat des BAG zunächst seine bisherige Rechtsprechung, dass bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtfertigung zu überprüfen ist. Das BAG sieht sich allerdings wegen der Kritik an dieser Rechtsprechung 38 veranlasst, näher zu begründen, weshalb nach Einführung der dreiwöchigen Klageerhebungsfrist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Befristung (§ 17 TzBfG) der vorbehaltlose Neuabschluss eines befristeten Vertrags vor Ablauf der Klagefrist nicht als Verzicht auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung des Vorgängervertrags zu interpretieren ist. Soweit nämlich ein Arbeitnehmer innerhalb der Klageerhebungsfrist des § 4 S. 1 KSchG formularmäßig oder vom Arbeitgeber vorformuliert auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation – etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, die Zahlung einer Entlassungsentschädigung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche – verzichtet, stellt dies eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar, die der Wirksamkeit entbehrt. 39 Eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und § 307 Abs. 2 BGB ist wegen der Regelung aus § 4 S. 1 KSchG selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn ein Klageverzicht die Hauptabrede eines eigenständigen Klageverzichts- oder Abwicklungsvertrags darstellt. Auch Hauptabreden sind der Inhaltskontrolle nur dann entzogen, wenn sie – wie regelmäßig – keine von Rechtsvorschriften abweichenden oder diese ergänzenden Regelungen enthalten. Der zur Entscheidung gestellte Fall betraf einen Kläger, der auf der Grundlage des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft seit Februar 2009 mit mehreren befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt worden war. Kurz vor Ablauf des befristeten Vertrags zum 30.9.2012 schlossen die Parteien am 27.9.2012 nach dem WissZeitVG einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag vom 1.10.2012 bis zum 31.12.2012. Mit der am 18.10.2012

37 BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 37. 38 Etwa APS/Backhaus, § 17 TzBfG Rz. 65; Boewer, TzBfG § 14 Rz. 66 ff.; Wank, RdA 2010, 200. 39 Vgl. nur BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350 Rz. 22, 24.

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Neues zu befristeten Verträgen

beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 30.9.2012 geltend gemacht und außerdem die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des Vertrags vom 27.9.2012 zum 31.12.2012 endet. Da der Kläger rechtzeitig den vorletzten befristeten Arbeitsvertrag mit der Entfristungsklage angegriffen hatte, musste das BAG der Frage nachgehen, ob in dem zuletzt abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag ein Verzicht auf die Entfristungsklage des vorangegangenen Vertrags enthalten war. Das BAG entzieht sich dieser Problematik durch den Hinweis darauf, dass die Arbeitsvertragsparteien durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage stellen, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend sein soll. Dadurch wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben, wenn der vorangegangenen Befristung kein ausreichender Sachgrund zugrunde lag. Diese Bewertung sichert das BAG des Weiteren damit ab, dass die Parteien in einem nachfolgenden befristeten Vertrag dem Arbeitnehmer nur durch ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung das Recht vorbehalten können, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung prüfen zu lassen. Dazu reicht nach Ansicht des BAG ein vom Arbeitnehmer einseitig erklärter Vorbehalt nicht aus. Dieser muss vielmehr ausdrücklich oder konkludent seinen vertraglichen Niederschlag im Folgevertrag gefunden haben. Mit dieser Lösung entzieht das BAG in den vorangegangenen befristeten Arbeitsvertrag einer Entfristungskontrolle auf der Grundlage des AGBRechts, weil der Aufhebungsvertrag als solcher nicht kontrollfähig ist. Zugleich wird durch diese Bewertung ein Widerspruch zum Klageverzicht bei einer Kündigungsschutzklage vermieden, weil der Arbeitnehmer bei einem Aufhebungsvertrag formal nicht gehindert wird, eine Entfristungsklage nach § 17 S. 1 TzBfG zu erheben, die allerdings sinnlos ist, weil es mit der Aufhebung des vorangegangenen Arbeitsvertrags nicht mehr darauf ankommen kann, ob bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat 40. Der 7. Senat des BAG 41 hält trotz dieser Bedenken an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, so dass der Arbeitgeber nicht in seiner Freiheit beschränkt wird, dem Arbeitnehmer schon vor Ablauf der Frist des § 17 S. 1 TzBfG einen befristeten Folgevertrag anbieten zu können, mit dem ein zuvor unbefristet begründetes Arbeitsverhältnis zugleich aufgehoben wird. Das für den Aufhebungsvertrag notwendige Schriftformerfordernis aus § 623 40 Boewer, TzBfG § 14 Rz. 69. 41 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 949.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

BGB sieht das BAG als gewahrt an, wenn der vorbehaltlos abgeschlossene schriftliche Anschlussvertrag dem Schriftformerfordernis (§ 126 BGB) genügt. Im Lichte dieser Erwägungen konnte daher der Kläger zwar den vorletzten befristeten Arbeitsvertrag mit der Entfristungsklage angreifen, weil er keinen entsprechenden Klageverzicht vereinbart hatte. Diese Klage war jedoch von vornherein als unbegründet abzuweisen, weil dieser Vertrag nicht mehr bestand. Wegen der Klageanträge des Klägers beschäftigt sich das BAG in dieser Entscheidung auch mit der Frage des sogenannten Annexvertrags. Durch einen unselbständigen Annexvertrag wird nämlich das vorangegangene, möglicherweise unbefristete Arbeitsverhältnis ausnahmsweise nicht aufgehoben. Ein derartiger unselbständiger Annexvertrag liegt nur dann vor, wenn er auf eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im vorangegangenen Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts des Arbeitsverhältnisses abzielt, die sich am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrags orientiert und ausschließlich in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit an erst später eintretende, zum Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Umstände besteht 42. Davon kann auszugehen sein, wenn etwa ein mit Drittmitteln finanziertes befristetes Arbeitsverhältnis später um einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum verlängert wird, um einen noch verbliebenen Drittmittelrest zu verbrauchen. Da der Kläger im Streitfall während der zuletzt befristeten Arbeitsverträge unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen hatte, ging es bei dem letzten befristeten Vertrag zweifelsfrei nicht um einen Annexvertrag. Das BAG hat den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, weil zu prüfen war, ob der letzte befristete Arbeitsvertrag eine wissenschaftliche Dienstleistung im Sinne des WissZeitVG beinhaltete oder nur nach dem TzBfG sachgrundbefristet abgeschlossen werden konnte. Für die betriebliche Praxis schafft diese Entscheidung des BAG die notwendige Verlässlichkeit darauf, dass in jedem Falle nur der letzte befristete Arbeitsvertrag einer Rechtskontrolle bezüglich seiner Laufzeit ausgesetzt ist, wobei allerdings dieser Effekt von der Einhaltung der Schriftformerfordernisses nach §§ 623 BGB, 14 Abs. 4 TzBfG abhängt.

42 Vgl. BAG v. 6.10.2010 – 7 AZR 397/09, NZA 2011, 1155 Rz. 13; BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08, NZA 2010, 34 Rz. 9.

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Neues zu befristeten Verträgen

b)

Befristung aufgrund gerichtlichen Vergleichs

Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Zulässigkeit der Befristung vor, wenn die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Nach der Rechtsprechung des BAG 43 setzt der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs neben der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs das Bestehen eines offenen Streits der Parteien über den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus. Dies setzt voraus, dass die Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte im Hinblick darauf vertreten, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Bislang ist das BAG davon ausgegangen, dass ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO im Gegensatz zu einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG erfüllt, weil es an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts fehlt. Nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten und das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt dieses Vergleichs durch Beschluss feststellt. Die Frage, ob ein dem Gericht mitgeteilter schriftlicher Vergleichsvorschlag den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG genügt, stellte sich vor allem deshalb, weil das TzBfG vom 21.12.2000 bereits am 1.1.2001 (Art. 4) 44 in Kraft getreten ist, während die durch § 278 Abs. 6 ZPO geschaffenen Möglichkeiten eines Prozessvergleichs erst durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 45 und durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004 46 eingeführt worden sind. Bereits in der Regierungsbegründung zu § 14 TzBfG hat der Gesetzgeber den Sachgrund für eine Befristung durch gerichtlichen Vergleich darin gesehen, dass er unter Mitwirkung des Gerichts zustande kommt und diesem die Aufgabe obliegt, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust des Arbeitsplatzes zu bewahren 47. Da diese Mitwirkung im Falle eines dem Gericht nur mitgeteilten Vergleichs der Parteien nicht vorliegt, hat das BAG dieser Vergleichsalternative von vornherein den für die Befristung erforderlichen Sachgrund abgesprochen.

43 44 45 46 47

BAG v. 14.1.2015 – 7 AZR 2/14, NZA 2016, 39 Rz. 25. BGBl. I 2000, 1966 ff. BGBl. I 2001, 1887 ff. BGBl. I 2004, 2198 ff. BT-Drucks. 14/4374, 19.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Nunmehr war der 7. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 8.6.201648 erneut mit der Frage befasst, ob eine auf § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO beruhende Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt sein kann. Im Rahmen einer Befristungskontrollklage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung bot der Arbeitgeber der Klägerin zur Beilegung des Rechtsstreits außergerichtlich den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags im Wege eines gerichtlichen Vergleichs an. Nachdem die Parteien über die Bedingungen der befristeten Beschäftigung Einigung erzielt hatten, teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Arbeitgebers dem LAG mit Schriftsatz den Inhalt der Einigung mit und bat darum, das Zustandekommen des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO zu beschließen. Das LAG unterbreitete daraufhin den Parteien einen Vergleichsvorschlag, der mit dem Vergleichsvorschlag des Beklagtenvertreters übereinstimmte. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin schriftsätzlich sein Einverständnis erklärt hatte, stellte das LAG das Zustandekommen des Vergleichs fest. Wenige Tage später unterzeichneten die Parteien zusätzlich den befristeten Arbeitsvertrag. Die Klägerin wandte sich mit ihrer erneuten Klage gegen die Wirksamkeit der Befristung, weil der Vergleich auf der Grundlage von § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO zustande gekommen sei. Das BAG hält zunächst daran fest, dass ein nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommener gerichtlicher Vergleich, in dem die Parteien die Befristung ihres Arbeitsvertrags vereinbaren, die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG rechtfertigen kann, weil das Gericht durch seinen Vergleichsvorschlag am Inhalt des Vergleichs verantwortlich mitgewirkt hat. Bei der im Streitfall geübten Verfahrensweise geht das BAG nicht von einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, sondern davon aus, dass ein schriftlicher Vergleichsvorschlag beider Parteien i. S. v. § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO vorliegt, wovon auch dann auszugehen ist, wenn eine Partei – wie hier – einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, das Gericht sich diesen Vorschlag zu eigen macht, ihn den Parteien als gerichtlichen Vorschlag unterbreitet und die andere Partei diesem Vergleichsvorschlag schriftlich zustimmt. Bei derartigem Befund handelt es sich nach Ansicht des BAG zwar um einen Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO, der jedoch aufgrund der Mitwirkung des Gerichts ausnahmsweise einen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG abgibt. Da die Parteien mit diesem Vergleich einen offenen Streit über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beenden wollten, konnte

48 7 AZR 339/14, BB 2016, 2483.

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Neues zu befristeten Verträgen

die Entfristungsklage der Klägerin die Befristungsvereinbarung des Vergleichs betreffend keinen Erfolg haben. Angesichts dieser Rechtsprechung des BAG ist in der betrieblichen Praxis regelmäßig anzuraten, unter Mitteilung der Einigungskriterien das Gericht zu ersuchen, den streitenden Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag über die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unterbreiten, wenn der Sachgrund für die Befristung der gerichtliche Vergleich selbst sein soll. Besteht ein anderer Sachgrund für eine weitere Befristung, so kann dieser auch Gegenstand einer vergleichsweisen Regelung nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO sein. Allerdings ist unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 4 TzBfG empfehlenswert, bereits vor Mitteilung der entsprechenden Einigung an das Gericht zur Beendigung des Rechtsstreits eine formwirksame Befristungsvereinbarung abzuschließen, weil zumindest bislang nicht durch die Rechtsprechung geklärt ist, ob die feststellende Beschlussfassung des Gerichts einen Formmangel beheben kann.

c)

Sonstiger Sachgrund einer Befristung

Da der Gesetzgeber in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG nur beispielhaft acht Gründe aufführt, die einen Sachgrund für die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags abgeben können, sind auch sonstige nicht im Gesetz selbst genannte Sachgründe geeignet, die Befristung eines Arbeitsvertrags zu rechtfertigen, wenn sie den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck gebrachten Wertungsmaßstäben entsprechen und den in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG aufgeführten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sind 49. In diesem Sinne hat das BAG 50 die geplante Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung als einen die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem anderen Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigten Sachgrund angesehen, wenn der Auszubildende in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis übernommen werden soll. Diese Anerkennung weiterer Sachgründe zur wirksamen Befristung eines Arbeitsvertrags steht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG und der inkorporierten EGB-UNICE-CEEP-Rah-

49 BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, NZA-RR 2015, 569 Rz. 13; BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 136/09, NZA 2010, 1172 Rz. 21. 50 BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, NZA-RR 2015, 569 Rz. 15.

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menvereinbarung, die keineswegs vorgeben, dass die sachlichen Gründe in der Regelung des nationalen Rechts abschließend genannt sein müssen 51. Der Sachgrund entspricht im Anwendungsbereich des TzBfG vom Gewicht her den Wertungsmaßstäben der im Gesetz selbst geregelten Befristungstatbestände, wenn auf Seiten des Arbeitgebers ein anerkennenswertes Interesse für einen zeitlich begrenzten Personaleinsatzbedarf besteht, weil dieser Gesichtspunkt sämtlichen in § 14 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 bis 8 TzBfG aufgeführten Sachgründen für eine Befristung des Arbeitsvertrags zugrunde liegt. Es muss – anders formuliert – ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegen, anstelle eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Prototyp die rechtliche Gestaltungsmöglichkeit eines befristeten Arbeitsverhältnisses wählen zu dürfen. Über einen sonstigen außerhalb der Regelung des § 14 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 bis 8 TzBfG genannten Befristungsgrund musste der 7. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 20.1.2016 52 befinden. Die im Bereich des Personalmanagements tätige Beklagte beschäftigte über 80 % ihrer Mitarbeiter in befristeten Arbeitsverträgen. Der Kläger war zunächst seit dem 31.3.2010 bis zum 31.12.2011 auf der Grundlage von vier befristeten Arbeitsverträgen als Bankkaufmann beschäftigt. Er wurde im Juli 2011 in den Betriebsrat gewählt. Auf das Arbeitsverhältnis war ein Mantelhaustarifvertrag anwendbar, der eine sachgrundlose Befristung für die Gesamtdauer von vier Jahren mit einer sechsmaligen Verlängerung vorsah. Im November 2011 bestand der ursprünglich elfköpfige Betriebsrat nur noch aus neun Mitgliedern, von denen vier unbefristet und fünf befristet beschäftigt waren. In der Folgezeit wurden die befristeten Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder, darunter das des Klägers, befristet bis zum 31.12.2012 verlängert und dabei jeweils als Sachgrund die „Etablierung und Sicherung der Kontinuität der Betriebsratsarbeit“ angegeben. Ab dem 1.8.2012 hatte der Betriebsrat neun Mitglieder, seit dem 31.12.2012 bestand er aus vier Mitgliedern. Da die Beklagte den befristeten Arbeitsvertrag mit dem Kläger nicht verlängerte, erhob dieser rechtzeitig vor dem Arbeitsgericht eine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG. Nach Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen hat das BAG den Rechtsstreit an das LAG unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückverwiesen. Zunächst geht das BAG bezüglich des im Anstellungsvertrag mit dem Kläger vorgesehenen Sachgrunds der Kontinuität der Betriebsratsarbeit 51 BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, NZA-RR 2015, 569 Rz. 13; BAG v. 13.10.2004 – 7 AZR 218/04, NZA 2005, 401 Rz. 13. 52 7 AZR 340/14, NZA 2016, 755 Rz. 32.

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davon aus, dass ein derartiger Anlass den Wertungsmaßstäben der Befristungstatbestände aus § 14 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 bis 8 TzBfG entspricht und als Sachgrund für die Befristung anzuerkennen ist. Dabei greift das BAG auf § 15 Abs. 1, 4 und 5 KSchG zurück, worin der Gesetzgeber die personelle Kontinuität des Betriebsrats als schützenswert ansieht, weil er nicht nur den Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern verstärken, sondern die jeweilige Arbeitnehmervertretung als Ganzes für die Dauer ihrer Wahlperiode in ihrer personellen Zusammensetzung sichern will. Nach Ansicht des BAG liegt die Wahrung der personellen Kontinuität des Betriebsrats auch im Interesse des Arbeitgebers, um durch ein vermeidbares Ausscheiden der Betriebsratsmitglieder aus dem Betrieb und damit aus dem Betriebsrat während dessen Amtszeit kostspielige Neuwahlen zu vermeiden. Damit stellte sich allerdings die Frage, ob sich in Übereinstimmung mit der Ansicht des LAG die Wahrung der Kontinuität des Betriebsrats mit einer Befristung rechtfertigen ließ, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats führt. Im Streitfall hätte die Amtszeit des Klägers bei einem unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gemäß § 21 i. V. m. § 13 Abs. 1 BetrVG frühestens zum 1.3.2014 enden können. Angesichts dessen verneint das BAG im Streitfall die Rechtfertigung der Befristung mit dem Sachgrund der Kontinuität des Betriebsrats, weil dieses Anliegen mit der Laufzeit des Vertrags in einen Widerspruch gerät. Dies gilt nach Ansicht des BAG unabhängig davon, dass die Dauer der Befristung grundsätzlich keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung bedarf und die vereinbarte Vertragslaufzeit hinter dem prognostizierten Beschäftigungsbedarf zurückbleiben kann. Gegenstand der Prüfung bei § 14 TzBfG ist das Vorliegen eines Sachgrunds für die Wahl eines befristeten anstatt eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Stellt allerdings die Dauer der Befristung den im Vertrag vorgesehenen Sachgrund der Befristung in Frage, weil die Befristung – wie im vorliegenden Fall – erneut zur personellen Diskontinuität des Betriebsrats führt, wird dem angeführten Sachgrund die Grundlage für eine Rechtfertigung der Befristung entzogen. Mit der von der Beklagten geschaffenen Begründung der Kontinuität des Betriebsrats ließ sich daher die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger nicht ausreichend begründen. Das BAG hat den Rechtsstreit gleichwohl an das LAG zurückverwiesen, weil die von der Beklagten vorgenommene Befristung des Arbeitsvertrags eine ausreichende Grundlage in der tarifvertraglichen Befristungsregelung des Haustarifvertrags finden konnte. Danach durfte der Arbeitgeber Arbeitsverträge abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachli-

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chen Grundes bis zu einer Gesamtdauer von vier Jahren befristen und in dieser Zeitspanne das Arbeitsverhältnis bis zu sechsmal verlängern. Zunächst bestätigt das BAG in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG, dass die Tarifvertragsparteien auf der Grundlage dieser Vorschrift sowohl die Höchstdauer der Befristung als auch die Anzahl der Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG regeln dürfen 53. Diese Regelungsbefugnis ist nicht völlig unbegrenzt, sondern findet eine immanente Beschränkung durch den Zweck des TzBfG sowie aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen. In einer Grundsatzentscheidung vom 26.10.2016 hat der 7. Senat des BAG 54 den Gestaltungsrahmen der Tarifvertragsparteien dahingehend konkretisiert, dass die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannte Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden dürfen. Angesichts dessen erwies sich die im Streitfall maßgebende Tariföffnungsklausel als bedenkenfrei, weil sie die zulässige Höchstbefristungsdauer von zwei auf vier Jahre und die Anzahl der zulässigen Vertragsverlängerungen von drei auf sechs erhöhte. Insofern hätte die Beklagte an sich keines besonderen Sachgrundes bedurft, weil bereits aufgrund des einschlägigen Tarifvertrags die rechtlich zulässige Möglichkeit bestand, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger sachgrundlos bis zum 31.12.2012 zu verlängern. Fraglich könnte allenfalls sein, ob die Arbeitsvertragsparteien eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG ausdrücklich oder konkludent abbedungen haben. Von einem konkludenten Ausschluss der nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeit ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die Erklärungen des Arbeitgebers dahingehend deuten darf, dass er die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund stützen möchte 55. Hierfür kann die Angabe eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag zumindest ein Indiz sein. Allerdings müssen nach Ansicht des BAG 56 zusätzliche Umstände hinzutreten, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt werden und mit diesem „stehen und fallen“

53 Vgl. dazu BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 272/13, NZA 2015, 821 Rz. 20. 54 7 AZR 140/15 n. v. 55 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 10; BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151 Rz. 20. 56 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 Rz. 10; BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151 Rz. 20.

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soll. Da das LAG dazu keine Feststellungen getroffen hatte, ist der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen worden. Für die Praxis erweisen sich zwei Überlegungen auf der Grundlage dieser Entscheidung des BAG als bedenkenswert. Soweit die Möglichkeit besteht, auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG zurückzugreifen, sollte dieser Weg zur Vermeidung von prozessualen Auseinandersetzungen gewählt werden, ohne dabei einen anderweitigen Sachgrund im Vertrag zu benennen, weil dieser Veranlassung für eine Prüfung sein kann, ob die Parteien nur eine Sachgrundbefristung gewollt haben. Des Weiteren darf im Falle einer Sachgrundbefristung die Dauer der Befristung nicht in Widerspruch zum Grund der Befristung geraten, weil damit der Befristungsgrund seine Berechtigung verliert. Diese Frage kann sich etwa stellen, wenn der Arbeitgeber die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG zur Erprobung des Arbeitnehmers vereinbart und dabei die Dauer der Befristung mit dem Erprobungszweck nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen ist.

d)

Befristung aufgrund vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs

Ein typischer Befristungsgrund in der betrieblichen Praxis ist der vorübergehende Beschäftigungsbedarf des Arbeitnehmers, den der Gesetzgeber in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG als Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses ansieht. Häufig werden in diesem Zusammenhang projektbezogene Befristungen eine Rolle spielen, die auf eine vorübergehende Dauer angelegt sind und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers nur zeitlich begrenzt anfallen. Mit einer derartigen Fallkonstellation war der 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 27.7.2016 57 befasst. Der beklagte Landkreis nahm anstelle der Agentur für Arbeit als Träger bestimmter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende diese Aufgaben über ein Jobcenter wahr. Die Klägerin war in der Zeit vom 14.9.2009 bis zum 31.12.2013 aufgrund befristeter Arbeitsverträge bei dem Beklagten beschäftigt. Zuletzt schlossen die Parteien am 20.12.2012 einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2013, der eine Weiterbeschäftigung der Klägerin zur „Mitarbeit im Projekt ‚Job-Assist-Bürgerarbeit‘ auf der Grundlage des SGB II“ (im Folgenden: „Bürgerarbeit“) vorsah. Dieses Projekt wurde durch das BMA mit Mitteln des europäischen Sozialfonds gefördert und sollte als Alternative der Integration und Vermittlung von erwerbsfähigen Leistungsbe-

57 7 AZR 545/14, BB 2016, 2682.

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rechtigten nach dem SGB II dienen. Der Beklagte hatte sich um die Durchführung dieser Projektierung beworben, woraufhin für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2014 ESF-Mittel in Höhe von 50 % der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben bewilligt wurden. Mit der am 8.6.2013 dem Beklagten zugestellten Entfristungsklage wandte sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung, weil sich die Projektbefristung nicht von den Daueraufgaben der Arbeitsvermittlung Langzeitarbeitsloser des Beklagten unterschiede, jedenfalls aber das Projekt bis zum 31.12.2014 weiterliefe. Überdies habe der Beklagte gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, weil zwei weitere in dem Projekt beschäftigte Mitarbeiterinnen einen Arbeitsvertrag bis zum 31.12.2014 erhalten hätten. Das BAG hat die der Entfristungsklage stattgebende Entscheidung des LAG aufgehoben und den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, weil dieses zu dem Ergebnis gelangt war, die letzte Befristung sei mangels eines sie rechtfertigenden Sachgrunds unwirksam. Ausgangspunkt der Beurteilung des zuletzt zwischen den Parteien abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrags bildet § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG. Danach liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Es kam damit darauf an, ob der Beklagte mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ nur für einen bestimmten Zeitraum eine Zusatzaufgabe übernommen hatte oder mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe der ohnehin bestehende Betriebszweck verfolgt wurde und nur eine organisatorische Aufteilung in ein eigenständiges Projekt vorgenommen worden war. Das BAG konkretisiert zunächst den sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG. Danach besteht der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend, wenn ein vorübergehender Anstieg des Arbeitsvolumens im Bereich von Daueraufgaben des Arbeitgebers entsteht oder durch die Übernahme eines Projekts oder einer Zusatzaufgabe das vorhandene Stammpersonal für deren Erledigung nicht ausreicht 58. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses muss dabei mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein betrieblicher Bedarf mehr besteht. Diese Prognose des Arbeitgebers ist Teil des Sachgrunds und muss im Prozess dargelegt und nachgewiesen werden 59. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit recht58 BAG v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06, ZTR 2008, 508 Rz. 13. 59 BAG v. 15.10.2014 – 7 AZR 893/12, NZA 2015, 362 Rz. 14; BAG v. 4.12.2013 – 7 AZR 277/12, NZA 2014, 480 Rz. 16.

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fertigt die Befristung nicht. Eine solche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Es reicht demnach nicht aus, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte 60. Der Arbeitgeber vermag sich – so das BAG 61 – zur sachlichen Rechtfertigung eines befristeten Arbeitsvertrags auf eine Tätigkeit in einem zeitlich begrenzten Projekt nur dann zu berufen, wenn es sich dabei um eine vorübergehende und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handelt, was zu verneinen ist, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm verfolgten Betriebszwecks dauerhaft wahrnimmt oder zu deren Durchführung er verpflichtet ist. Der Arbeitgeber kann auch einen Sachgrund der Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht dadurch herbeiführen, dass er eine im Wesentlichen unveränderte Daueraufgabe in organisatorisch eigenständige „Projekte“ aufteilt. Dagegen spricht für das Vorliegen eines zeitlich begrenzten Projekts regelmäßig der Umstand, dass der Arbeitgeber für die Durchführung und Abwicklung dieses Projekts Fremdmittel oder Sachleistungen eines Dritten erhält. Stellt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer für die Mitwirkung an einem derartigen Projekt befristet ein, muss bereits bei Abschluss des Vertrags die durch konkrete Anhaltspunkte abgesicherte Prognose des Arbeitgebers vorliegen, dass die im Rahmen des Projekts durchgeführten Aufgaben nicht dauerhaft anfallen und damit zugleich auch der Beschäftigungsbedarf des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegfällt 62. Keine Rolle spielt dabei, ob der befristet beschäftigte Arbeitnehmer aufgrund seiner Qualifikation auf einem anderen freien Arbeitsplatz nach Ablauf der durch das Projekt bedingten Befristung vom Arbeitgeber weiter beschäftigt werden könnte 63. Mit diesen vom BAG entwickelten Grundsätzen ließ sich die Entscheidung des LAG nicht in Übereinstimmung bringen. Dies galt unabhängig davon, dass die Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt zu den staatlichen Daueraufgaben gehört. Denn im Streitfall handelte es sich bei

60 BAG v. 15.10.2014 – 7 AZR 893/12, NZA 2015, 362 Rz. 15; BAG v. 4.12.2013 – 7 AZR 277/12, NZA 2014, 480 Rz. 17. 61 BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, BB 2016, 2612 Rz. 18. 62 BAG v. 24.9.2014 – 7 AZR 987/12, NZA 2015, 301 Rz. 18; BAG v. 7.5.2008 – 7 AZR 146/07 n. v. Rz. 15. 63 BAG v. 24.9.2014 – 7 AZR 987/12, NZA 2015, 301 Rz. 19.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

dem Projekt „Bürgerarbeit“ um einen neuen Lösungsansatz, der zu einem großen Teil fremdfinanziert zunächst erprobt werden sollte und den Beklagten zur Einstellung weiterer drei Arbeitnehmer, zu denen auch die Klägerin gehörte, veranlasst hatte. Für die Berechtigung der Befristung ist dabei nicht von Bedeutung, wie das BAG in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung 64 ausführt, dass der Vertrag mit der Klägerin nur bis zum 31.12.2013 befristet worden ist, obwohl das Projekt bis zum 31.12.2014 fortgeführt wurde. Das bloße Zurückbleiben der Vertragslaufzeit hinter der voraussichtlichen Dauer der Projektlaufzeit stellt grundsätzlich den Sachgrund der Befristung nicht in Frage, weil der Arbeitgeber bei dem auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG gestützten Sachgrund frei darüber befinden darf, ob er den Zeitraum des von ihm prognostizierten zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs vollständig oder nur teilweise durch den Abschluss befristeter Arbeitsverträge abdeckt 65. Etwas anderes kann nach Ansicht des BAG 66 allenfalls dann gelten, wenn die zeitlich begrenzte Laufzeit des Vertrags in einer Weise hinter der Projektbefristung zurückbleibt, dass eine sinnvolle Mitarbeit an diesem Projekt ausgeschlossen erscheint. Davon konnte im Streitfall nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin für die Dauer eines Jahres an dem Projekt „Bürgerarbeit“ mitgewirkt hat. Die Klägerin vermochte die Unwirksamkeit der Befristung auch nicht damit zu begründen, dass zwei weitere Arbeitnehmerinnen, die an dem Projekt „Bürgerarbeit“ mitgearbeitet haben, eine Vertragsverlängerung bis zum 31.12.2014 vom Beklagten erhalten hatten und darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu sehen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG 67 gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln hat, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Danach sind sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch die sachfremde Gruppenbildung verboten, wovon auszugehen ist, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Verstößt der Ar64 BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 640/08, NZA 2010, 633; BAG v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06, ZTR 2008, 508 f. 65 BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 640/08, NZA 2010, 633 Rz. 14; BAG v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06, ZTR 2008, 508 Rz. 19. 66 BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, BB 2016, 2612 Rz. 33. 67 v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, BB 2016, 2612 Rz. 34. 67 BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, BB 2016, 2612 Rz. 36; BAG v. 13.8.2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 272 Rz. 21.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

beitgeber gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, kann der übergangene Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. Grundsätzlich setzt die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes voraus, dass der Arbeitgeber Leistungen nach einem allgemeinen generalisierenden Prinzip gewährt, während seine Anwendung ausgeschlossen ist, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell auf der Grundlage der Vertragsfreiheit vereinbart werden 68. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Streitfall ausginge, führte diese nicht zum Wegfall des Sachgrundes der Befristung bis zum 31.12.2013, sondern im Sinne der Gleichbehandlung dazu, dass der Klägerin ein Anspruch auf Abschluss eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31.12.2014 zustünde. Der Rechtsstreit war jedoch an das LAG zurückzuverweisen, weil dieses bislang keine Feststellungen darüber getroffen hatte, ob aus der Perspektive des Beklagten bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Klägerin hinreichend sicher zu erwarten war, dass die in dem Projekt „Bürgerarbeit“ angefallenen zusätzlichen Aufgaben mit dem 31.12.2014 endeten. Die Entscheidung des BAG knüpft an die bisherige Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG an und zeigt erneut die Kriterien auf, die für den Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung erfüllt sein müssen, um eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. (Boe)

4.

Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

Nicht selten werden in der betrieblichen Praxis nur einzelne Arbeitsbedingungen zeitlich befristet verändert, was vor allem im Bereich der Dauer der Arbeitszeit bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, aber auch dann eine Rolle spielt, wenn dem Arbeitnehmer nur zeitlich befristet eine höherwertigere Tätigkeit übertragen wird, um ihn zu erproben oder einen vorübergehenden Personalengpass zu beheben. Derartige Befristungsabreden sind nicht Gegenstand einer Befristungskontrolle nach § 14 TzBfG, weil es nicht um die Befristung des gesamten Vertrags geht, sondern nur Elemente daraus befristet umgestaltet werden. Gegenstand der Inhaltskontrolle bei der befristeten Änderung von Arbeitsbedingungen ist regelmäßig nicht die Verände68 BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, BB 2016, 2612 Rz. 36; BAG v. 13.8.2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27 Rz. 21.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

beitgeber gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, kann der übergangene Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. Grundsätzlich setzt die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes voraus, dass der Arbeitgeber Leistungen nach einem allgemeinen generalisierenden Prinzip gewährt, während seine Anwendung ausgeschlossen ist, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell auf der Grundlage der Vertragsfreiheit vereinbart werden 68. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Streitfall ausginge, führte diese nicht zum Wegfall des Sachgrundes der Befristung bis zum 31.12.2013, sondern im Sinne der Gleichbehandlung dazu, dass der Klägerin ein Anspruch auf Abschluss eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31.12.2014 zustünde. Der Rechtsstreit war jedoch an das LAG zurückzuverweisen, weil dieses bislang keine Feststellungen darüber getroffen hatte, ob aus der Perspektive des Beklagten bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Klägerin hinreichend sicher zu erwarten war, dass die in dem Projekt „Bürgerarbeit“ angefallenen zusätzlichen Aufgaben mit dem 31.12.2014 endeten. Die Entscheidung des BAG knüpft an die bisherige Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG an und zeigt erneut die Kriterien auf, die für den Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung erfüllt sein müssen, um eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. (Boe)

4.

Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

Nicht selten werden in der betrieblichen Praxis nur einzelne Arbeitsbedingungen zeitlich befristet verändert, was vor allem im Bereich der Dauer der Arbeitszeit bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, aber auch dann eine Rolle spielt, wenn dem Arbeitnehmer nur zeitlich befristet eine höherwertigere Tätigkeit übertragen wird, um ihn zu erproben oder einen vorübergehenden Personalengpass zu beheben. Derartige Befristungsabreden sind nicht Gegenstand einer Befristungskontrolle nach § 14 TzBfG, weil es nicht um die Befristung des gesamten Vertrags geht, sondern nur Elemente daraus befristet umgestaltet werden. Gegenstand der Inhaltskontrolle bei der befristeten Änderung von Arbeitsbedingungen ist regelmäßig nicht die Verände68 BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, BB 2016, 2612 Rz. 36; BAG v. 13.8.2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27 Rz. 21.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

rung des Vertragsinhalts als solche, weil sie die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis betrifft, sondern nur die zeitliche Einschränkung durch die Befristung 69. Da derartige befristete Änderungen einzelner Arbeitsbedingungen nicht ausgehandelt werden, vielmehr vom Arbeitgeber vorformuliert sind, findet nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der Verbraucherschutz des § 307 BGB auch dann Anwendung, wenn diese Vertragsregelungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte 70. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist dabei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus, die Gegenstand einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist. Für die Beurteilung der Unangemessenheit ist dabei ein vom Einzelfall losgelöster genereller, typisierender Maßstab anzulegen. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind im Hinblick auf die Beurteilung der Unangemessenheit bei der Inhaltskontrolle eines Verbrauchervertrags auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen 71. Wenn auch bei der Befristung einzelner Vertragsbestimmungen für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB weder unmittelbar noch analog die für die Befristung von Arbeitsverträgen geltenden Bestimmungen in §§ 14 ff. TzBfG heranzuziehen sind, weil es nicht um die Befristung des gesamten Arbeitsvertrags geht, sind bei der Angemessenheitskontrolle im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB bei der Interessenabwägung nach Ansicht des BAG 72 Umstände, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen könnten, nicht bedeutungslos. So überwiegt in aller Regel das Interesse des Arbeitgebers an der nur befristeten 69 Vgl. nur BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 173; BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05 n. v. Rz. 28. 70 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 23; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 Rz. 11. 71 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 21; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 20 f. 72 Vgl. nur BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 22.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

Erhöhung der Arbeitszeit das Interesse des Arbeitnehmers an ihrer unbefristeten Vereinbarung, wenn insoweit für einen eigenständig befristeten Arbeitsvertrag ein Sachgrund i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG vorläge 73. Anders hat das BAG 74 nur dann entschieden, wenn ausnahmsweise bei Vertragsabschluss einer befristeten Arbeitszeiterhöhung trotz Vorliegens eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG ein freier Arbeitsplatz vorhanden war, den der Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 9 TzBfG hätte einnehmen können. Einen Rückgriff auf die Sachgründe des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG befürwortet das BAG 75 allerdings dann, wenn es sich etwa um eine befristete Arbeitszeiterhöhung in einem erheblichem Umfang handelt, weil sich bei derartiger Sachlage der Änderungsvertrag kaum noch vom Abschluss eines zusätzlichen befristeten Arbeitsvertrags unterscheide, der unmittelbar nach dem TzBfG der Befristungskontrolle unterliegt. Ausgangspunkt dieser Bewertung bildet dabei die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 und die dem TzBfG zugrunde liegende Wertung, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme ist 76. Aus dieser Rechtsprechung ist zu schlussfolgern, dass die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung von erheblichem Umfang vom Arbeitgeber ein Interesse abverlangt, das ausreichend sein würde, einen insgesamt zeitlich befristeten Arbeitsvertrag bezüglich der Arbeitszeitaufstockung auf der Grundlage eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG abschließen zu dürfen. In Übereinstimmung mit der Befristungskontrolle mehrerer hintereinander geschalteter Arbeitsverträge prüft das BAG 77 im Rahmen der Vertragsinhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils nur die letzte Befristung, es sei denn, die Parteien hätten in einer nachfolgenden Vereinbarung zur Befristung der Arbeitsbedingung dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen.

73 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 22; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 29. 74 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 22. 75 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 23; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006 40 Rz. 54. 76 BT-Drucks. 14/4374 S. 1, 12. 77 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 43; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 22; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40 Rz. 22.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

In zwei neueren Entscheidungen vom 23.3.2016 und vom 24.2.2016 war der 7. Senat des BAG 78 erneut mit der befristeten Veränderung von Arbeitsbedingungen befasst.

a)

Befristete Anhebung der Arbeitszeit

Die befristete Anhebung der Arbeitszeit war Gegenstand der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 23.3.2016 79. Der Kläger war seit 1995 bei der Beklagten an einer katholischen Schule der Erzdiözese Freiburg beschäftigt. Die Parteien schlossen eine Reihe von Arbeitsverträgen mit Lehrzeitdeputaten. Am 20.8.2000 vereinbarten die Parteien eine unbefristete Beschäftigung im Umfang von zwölf Unterrichtsstunden pro Woche. Das Unterrichtsdeputat eines vollzeitbeschäftigten Lehrers beträgt 25 Wochenstunden. Ab dem Schuljahr 2001/2002 vereinbarten die Parteien jeweils befristet für ein Schuljahr die Erhöhung des Stundendeputats des Klägers. Die Aufstockungsvereinbarungen bewegten sich zwischen drei und dreizehn Wochenstunden. Für das Schuljahr 2011/ 2012 vereinbarten die Parteien ein zusätzliches Unterrichtsdeputat von vier Wochenstunden, wobei die Befristung mit der Deputatsreduzierung anderer Lehrkräfte und wegen des befristeten Mehrbedarfs an Unterrichtsstunden durch die Umstellung von G9 auf G8 begründet wurde. Mit der am 21.6.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger u. a. die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung der Aufstockung seines Stundendeputats um vier Unterrichtsstunden wöchentlich geltend gemacht. Seine Klage war auch vor dem BAG erfolgreich. Zunächst geht das BAG in Übereinstimmung mit der Berufungsinstanz davon aus, dass die Befristungsabrede der Parteien der Vertragsinhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt, weil keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Befristungsabrede im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt worden war. Dabei erstreckt das BAG die Vertragsinhaltskontrolle nur auf die letzte Befristungsabrede der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit um vier Unterrichtsstunden, weil die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent in der letzten Befristungsabrede dem Kläger das Recht eingeräumt hatten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen.

78 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814. 79 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881. Dazu Methfessel/Weck, DB 2016, 2000; krit. Fuhlrott, NZA 2016, 1000.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

Mit dem BAG ist davon auszugehen, dass die Inhaltskontrolle der Befristungsabrede nach § 307 Abs. 1 BGB nicht nach § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen war, weil es nicht um die Kontrolle der vereinbarten Erhöhung der Arbeitszeit und damit um den Umfang der vom Kläger zu erbringenden Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht geht, sondern lediglich um deren zeitliche Einschränkung durch die Befristung 80. In Anwendung der zu § 307 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze zur Beurteilung der Unangemessenheit unter Berücksichtigung eines generellen, typisierenden und vom Einzelfall losgelösten Maßstabs prüft das BAG zunächst, ob die Aufstockung der Arbeitszeit einen erheblichen Umfang ausmacht und damit der für die Befristung eines Arbeitsvertrags im Ganzen nach § 14 Abs. 1 TzBfG maßgebende Sachgrund anzulegen ist 81. Diesen Prüfungsansatz begründet das BAG mit der dem TzBfG zugrunde liegenden Wertung, dass der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme sein soll, was auch für die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit maßgebend ist. Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis seinem Inhalt nach dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer längerfristigen Lebensplanung beitragen soll. Dafür ist regelmäßig auch die Höhe des vom Arbeitnehmer erzielten Einkommens von Bedeutung, die ihrerseits vom Umfang seiner Arbeitszeit abhängt. Daher bedarf es bei der Befristung der Arbeitszeiterhöhung mit einem erheblichem Umfang besonderer berechtigter Belange des Arbeitgebers, die nur dann zu bejahen sind, wenn nicht auch ein gesonderter Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung insgesamt hätte zulässig befristet werden können 82. Eine erhebliche Arbeitszeiterhöhung ist nach Ansicht des BAG regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Aufstockung zumindest die in § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG genannte Grenze von zehn Stunden wöchentlich erreicht. Dabei lässt sich das BAG von der Erwägung leiten, dass der Gesetzgeber mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zehn Stunden im Regelfall ein beiderseits interessengerechtes zeitliches Minimum für eine Beschäftigung in einem Teilzeitarbeitsverhältnis für die Arbeit auf Abruf regeln wollte und dabei von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ausgegangen ist. Danach liegt eine Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang vor, wenn sich das Aufstockungsvolumen zumindest auf 25 % eines Vollzeitarbeitsverhältnisses 80 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811 Rz. 36. 81 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 40; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 21. 82 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 52; BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 43; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 24.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

beläuft 83. In diesem Zusammenhang verweist der 7. Senat des BAG auf die Rechtsprechung des 1. Senats des BAG 84, wonach die Erhöhung der Arbeitszeit um mindestens zehn Stunden pro Woche als eine nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung anzusehen ist. Da der Kläger bei einem Vollzeitdeputat von 25 Wochenstunden bei vier Unterrichtsstunden nur einen Zuwachs von 16 % der wöchentlichen Arbeitszeit erhalten hatte, beschränkte sich der Prüfungsmaßstab nach § 307 Abs. 1 BGB auf die Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien und die Frage, ob der Kläger durch die Befristung unangemessen benachteiligt worden ist. Dabei hat das BAG dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, dass die Beklagte mit dem Kläger seit Jahren für jedes Schuljahr befristet Vereinbarungen über die Aufstockung der Arbeitszeit, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, getroffen hat. Dieser Gesichtspunkt ist zwar nicht im Sinne einer Missbrauchskontrolle nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs 85 als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, jedoch als Gesichtspunkt im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen 86. Da die Beklagte seit dem Schuljahr 2001/2002 einen ständigen Bedarf an der Aufstockung der Arbeitszeit des Klägers im Umfang von mindestens drei Unterrichtsstunden wöchentlich hatte, ergab sich aus diesem Umstand ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf des Klägers über das mit ihm vereinbarte Stundendeputat hinaus mit der Folge, dass seitens der Beklagten kein berechtigtes Interesse daran bestand, dem Kläger nur eine befristete Aufstockung der Arbeitszeit im Umfang von vier Unterrichtsstunden zu übertragen. Die weiterführende Qualität dieser Entscheidung des BAG liegt vor allem darin, dass der 7. Senat des BAG jedenfalls für die befristete Aufstockung der Arbeitszeit konkretisiert, dass eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang in der Regel vorliegt, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft und sich die Inhaltskontrolle der Befristung in diesem Fall an den Maßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG orientiert. Des Weiteren wird die für befristete Arbeitsverhältnisse maßgebende Missbrauchskontrolle zum Gegenstand der umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 307 Abs. 1 BGB mit der Maßgabe, dass bei der Angemessenheitsprüfung auch die Anzahl der in

83 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 55. 84 BAG v. 9.12.2008 – 1 ABR 74/07, NZA-RR 2009, 260 Rz. 19. 85 BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 38 ff.; EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 40 ff. – Kücük. 86 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 56.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

der Vergangenheit getroffenen befristeten Aufstockungsvereinbarungen und die Gesamtdauer des Aufstockungszeitraums zu berücksichtigen sind.

b)

Befristete Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit

Im Urteil des 7. Senats des BAG vom 24.2.2016 87 ging es unter dem Gesichtspunkt der AGB-Kontrolle um die befristete Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit. Die Klägerin war bei der Beklagten seit November 2009 im Verkauf und an der Kasse beschäftigt. In dem für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Manteltarifvertrag war vorgesehen, dass die Probezeit in der Regel drei Monate nicht überschreiten darf. Die Parteien vereinbarten im Mai 2015 schriftlich, dass die Klägerin vom 1.5.2012 bis zum 31.8.2012 als Kassiererin beschäftigt wurde und in dieser Zeit eine höhere tarifliche Vergütung von 54,50 € brutto erhielt. Im September 2012 verlängerten die Parteien mündlich die Positionsveränderung bis zum 28.2.2013. Im Herbst 2012 führte die Beklagte ein neues Kassensystem ein, das einer Schulung bedurfte. Am 6.2.2013 unterrichtete die Klägerin die Leiterin der Filiale über ihre Schwangerschaft. Am 7.2.2013 schrieb die Beklagte die Stelle einer Kassiererin intern aus, auf die sich die Klägerin nicht bewarb. Die Stelle wurde am 1.3.2013 mit einer anderen Mitarbeiterin besetzt. Die Klägerin hat klageweise um die Feststellung nachgesucht, dass die vereinbarte Positionsveränderung zur Kassiererin nicht zum 28.2.2013 beendet worden ist, weil die Befristung unangemessen und wegen ihrer Schwangerschaft ein weiterer Einsatz an der Kasse unterblieben sei. Die Beklagte hat die Befristung mit einer Erprobung der Klägerin verteidigt. Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen haben, hat das BAG den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des LAG an dieses zurückverwiesen. Zunächst prüft das BAG, ob die Befristung der Übertragung der Tätigkeit einer Kassiererin der Vertragsinhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhält. Dafür lässt das BAG unentschieden, ob die letzte vereinbarte befristete Übertragung der Tätigkeit einer Kassiererin als Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 BGB zu qualifizieren ist oder ob sie nur zur einmaligen Verwendung mit der Klägerin bestimmt war, weil § 307 Abs. 1 BGB jedenfalls nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die Befristungsvereinbarung zur Anwendung gelangt. Die Angemessenheitskontrolle war auch auf die zuletzt abgeschlossene Befristung beschränkt, weil sich die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent in der zuletzt getroffenen Abrede das

87 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Recht vorbehalten hatte, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen 88. Das BAG bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, dass die Vertragsinhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht durch die für die Befristung von Arbeitsverträgen geltenden Bestimmungen der §§ 14 ff. TzBfG verdrängt werden 89. Ebenso wenig wird die Inhaltskontrolle der Befristungsabrede durch § 307 Abs. 3 BGB eingeschränkt, weil es nicht um den Umfang der von den Parteien geschuldeten Hauptleistungen geht, die allenfalls einer Transparenzkontrolle ausgesetzt sind, sondern die zeitliche Einschränkung durch die befristete Übertragung der höherwertigeren Tätigkeit. Im Gegensatz zur Auffassung des LAG schließt das BAG im Streitfall nicht aus, dass die Angemessenheitskontrolle, die anhand einer Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragsparteien vorzunehmen ist, bezüglich der letzten Befristung der Tätigkeit an der Kasse zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin führt. Soweit es um den Prüfungsmaßstab geht, betont das BAG erneut – wie bereits in seiner früheren Rechtsprechung 90 – dass für die bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen vorzunehmende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB andere Maßstäbe als für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG gelten, jedoch die Umstände, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt rechtfertigen können, sich bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers auswirken können. Der 7. Senat des BAG will jedoch die Grundsätze, die er zur befristeten Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang entwickelt hat, nicht uneingeschränkt auf die befristete Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit übertragen, es sei denn, dass diese befristete Tätigkeitsübertragung mit einer erheblichen Anhebung der Vergütung verbunden ist. Denn auch in diesem Fall kann die Sicherung eines bestimmten Auskommens des Arbeitnehmers dem Anliegen des TzBfG entsprechen, das sozialpolitisch erwünschte unbefristete Arbeitsver-

88 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 43; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 22; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40 Rz. 22. 89 Nur BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 31; BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811 Rz. 29; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 18. 90 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 41; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 22; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 30.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

hältnis herbeizuführen. Bei derartigem Befund bedürfte es dann im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB eines auch für die Befristung des ganzen Vertrags rechtfertigenden Sachgrundes i. S. v. § 14 Abs. 1 TzBfG 91. Da sich im Streitfall die Vergütungsdifferenz zur bisherigen Tätigkeit der Klägerin nur auf 54,50 € brutto monatlich belief und in Relation zur Gesamtvergütung nur etwa 3 % ausmachte, kam es nicht darauf an, dass die Befristung der Übertragung der Kassentätigkeit die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen musste. Ungeachtet dessen sprach gegen einen Sachgrund der Erprobung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG, dass die vereinbarte Dauer der Erprobungszeit in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Aussicht genommenen Tätigkeit gestanden hat. An einem Sachgrund der Erprobung fehlt es nach Ansicht des BAG, wenn der Arbeitnehmer bereits ausreichende Zeit bei dem Arbeitgeber mit den von ihm zu erfüllenden Aufgaben beschäftigt war und der Arbeitgeber die Fähigkeiten des Arbeitnehmers hinreichend beurteilen konnte 92. Dies galt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin bereits als Verkäuferin mit Kassiertätigkeiten betraut und bereits bis zum 31.8.2012 am alten Kassensystem erprobt worden war. Beachtung verdiente auch der Umstand, dass der Tarifvertrag die Probezeit bei der Ersteinstellung auf drei Monate begrenzt hatte. Eine weitere Erprobung wäre nur dann relevant gewesen, wenn sich das im Herbst von der Beklagten eingeführte neue Kassensystem in erheblichem Maße von dem bisherigen unterschied und auch für eine erfahrene Kassiererin ohne Schulung ausgeschlossen war, das neue Kassensystem zu bedienen. Da das LAG dazu keine Feststellungen getroffen hatte, ließ sich nicht abschließend vom BAG beurteilen, ob die Befristung der Übertragung der Tätigkeit als Kassiererin der gebotenen Vertragsinhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhielt, so dass dem LAG durch Zurückverweisung des Rechtsstreits die Prüfungsmöglichkeit eingeräumt werden sollte, ob die vereinbarte Vertragslaufzeit außer Verhältnis zu dem Erprobungszweck gestanden hat. Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass das Bestehen eines anerkennenswerten Interesses des Arbeitgebers an der nur befristeten Tätigkeitsübertragung nur objektive Wirksamkeitsvoraussetzung für die Befristung ist und 91 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 52; BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 43; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 24. 92 BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 636/03, NZA 2004, 1333 Rz. 23.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

der vom Arbeitgeber nutzbar gemachte Erprobungszweck nicht als Befristungsgrund zum Gegenstand der befristeten Tätigkeitsübertragung gemacht werden muss. Ebenso wenig bedarf die Befristung der Tätigkeitsübertragung der Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG, weil diese Bestimmung nicht für die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen gilt 93. Zu Recht geht das BAG davon aus, dass die Behauptung der Klägerin, ihre Schwangerschaft sei ursächlich dafür gewesen, ihren Einsatz als Kassiererin nicht über den 28.2.2013 hinaus zu verlängern, nicht die Unwirksamkeit der Befristung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts nach § 7 Abs. 2 AGG zur Folge haben kann. Für die Wirksamkeit der befristeten Übertragung der Kassentätigkeit sind die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend 94. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin nicht schwanger. Eine andere Frage ist allenfalls, ob der Klägerin ein Anspruch auf Abschluss eines Änderungsvertrags bezüglich einer dauerhaften Übertragung der Tätigkeit als Kassiererin gegen die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen einer Verletzung des Verbots der Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts nach § 7 Abs. 1 i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 AGG zusteht. Die Entscheidung des BAG bestätigt die bisherige Spruchpraxis zur AGBKontrolle der befristeten Änderung von Arbeitsbedingungen gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Der Klarstellung dient dabei der Hinweis, dass in diesem Fall weder ein Formerfordernis, wie für die Befristung des ganzen Vertrags nach § 14 Abs. 4 TzBfG, noch zur Wahrung des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB die Bezeichnung des Befristungsgrundes gefordert ist.

c)

Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit durch Tarifvertrag

Durch tarifvertragliche Regelung kann dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt werden, dem Beschäftigten eine andere Tätigkeit übertragen zu dürfen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren Entgeltgruppe entspricht. Derartige tarifvertragliche Regelungen sind vor allem im öffentlichen Dienst anzutreffen und haben etwa in § 14 TVöD oder in § 14 TV-L ihren Niederschlag gefunden. Ergänzend wird dabei vorgesehen, dass der Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung oder nach einer bestimmten Zeitspanne für die Dauer der Ausübung der höherwertigen Tätigkeit eine persönliche Zulage erhält, die der Differenz seiner Vergütungsgruppe zu dem Tabellenentgelt ent-

93 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811 Rz. 52. 94 BAG v. 24.9.2014 – 7 AZR 987/12, NZA 2015, 301 Rz. 22.

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Wirksamkeitserfordernisse bei befristeter Änderung einzelner Arbeitsbedingungen

spricht, dass der Arbeitnehmer bei dauerhafter Übertragung der höherwertigeren Tätigkeit erhalten würde. Ein derartiges Leistungsbestimmungsrecht ist nicht zu beanstanden. Ein Leistungsbestimmungsrecht i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB kann einer Vertragspartei nicht nur durch vertragliche Vereinbarung, sondern auch durch Gesetz (Tarifvertrag) eingeräumt werden. Da tarifvertragliche Regelungen gemäß § 310 Abs. 4 BGB keiner AGBKontrolle unterliegen, jedoch in der lediglich vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit eine Ausnahme vom Grundsatz der Tarifautomatik zu sehen ist, hat das BAG in ständiger Rechtsprechung 95 die Wirksamkeit der vorübergehenden Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit an den Regeln gemessen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts) entsprechend § 106 GewO einzuhalten hat. Dabei stellt das BAG eine doppelte Billigkeitsprüfung an: In einem ersten Schritt muss es billigem Ermessen entsprechen, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles bedarf es dabei der Abwägung, ob das Interesse des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Übertragung oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigeren Tätigkeit mit entsprechend höherer Vergütung überwiegt 96. Der das Direktionsrecht ausübende Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die doppelte Billigkeit seiner Leistungsbestimmung 97. Dabei geht das BAG im Hinblick auf die Anwendung von § 106 GewO i. V. m. § 315 Abs. 3 BGB davon aus, dass nach dem gesetzlichen Konzept die Vorschrift des § 315 Abs. 3 BGB eine Zweiteilung zwischen feststellender Kassation und rechtsgestaltender Ersatzleistungsbestimmung beinhaltet. Diese Zweiteilung hat zur Konsequenz, dass sich der Antrag des Arbeitnehmers auf die Feststellung der Unbilligkeit beschränken kann, so dass mit der bloßen Kassation des Merkmals „vorübergehend“ die höherwertige Tätigkeit ex tunc als dauerhaft übertragen gilt 98. Diese Rechtsfolge entnimmt das 95 Vgl. BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 19; BAG v. 16.4.2015 – 6 AZR 242/14, NZA-RR 2015, 532 Rz. 20; BAG v. 4.7.2012 – 4 AZR 759/10, ZTR 2013, 24 Rz. 17. 96 Grundlegend BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 19; BAG v. 4.7.2012 – 4 AZR 759/10, ZTR 2013, 24 Rz. 18; BAG v. 17.4.2002 - 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159 Rz. 37. 97 BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 19; BAG v. 4.7.2012 – 4 AZR 759/10, ZTR 2013, 24 Rz. 19. 98 BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 20.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

BAG 99 dem Grundsatz der Tarifautomatik sowie dem Regel-/ Ausnahmeverhältnis zwischen dauerhafter und vorübergehender Tätigkeitsübertragung. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit automatisch eine Höhergruppierung im Entgeltgefüge des Tarifvertrages auslöst. Diese Regelhaftigkeit wird durch die bloße Kassation der zeitlichen Begrenzung (vorübergehende Übertragung) wiederhergestellt, ohne dass es einer gesonderten gerichtlichen Gestaltung gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bedarf. Enthält die tarifvertragliche Regelung keine zeitliche Begrenzung für die Übertragung einer höherwertigen Aufgabe, bedarf ihre vorübergehende Übertragung aber eines hinreichenden Grundes, um billigem Ermessen zu entsprechen, weil damit der Grundsatz der Tarifautomatik durchbrochen wird. Kein hinreichender Grund liegt nach Ansicht des BAG in der bloßen Unsicherheit über die Dauer der höherwertigen Beschäftigungsmöglichkeit 100. In Anwendung dieser Grundsätze hat der 4. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 27.1.2016 101 der Zahlungsklage einer Fallmanagerin auf Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe des Tarifvertrags entsprochen, der von der Beklagten, die mit der Agentur für Arbeit eine Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitssuchende gebildet hatte, nur zeitlich befristet (vorübergehend) diese höherwertigere Tätigkeit übertragen worden war. Da die Grundsicherung für Arbeitssuchende keine Aufgabe von nur begrenzter Dauer, sondern eine sozialstaatliche Daueraufgabe ist, ließ sich nach Auffassung des BAG die Befristung der Übertragung der höherwertigen Arbeitsaufgabe nicht rechtfertigen. (Boe)

5.

Aktuelles zur notwendigen Anpassung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen

Feststellungen des BAG in den Urteilen vom 21.4.2016 102 und vom 24.8.2016 103 sowie die am 1.10.2016 in Bezug auf § 309 Nr. 13 BGB in Kraft getretenen Änderungen im Bereich der AGB-Kontrolle haben zur Folge, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen überprüft und in einer Vielzahl

99 100 101 102 103

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BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 21. BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 24. 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903. 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271 ff. 5 AZR 703/15 n. v.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

BAG 99 dem Grundsatz der Tarifautomatik sowie dem Regel-/ Ausnahmeverhältnis zwischen dauerhafter und vorübergehender Tätigkeitsübertragung. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit automatisch eine Höhergruppierung im Entgeltgefüge des Tarifvertrages auslöst. Diese Regelhaftigkeit wird durch die bloße Kassation der zeitlichen Begrenzung (vorübergehende Übertragung) wiederhergestellt, ohne dass es einer gesonderten gerichtlichen Gestaltung gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bedarf. Enthält die tarifvertragliche Regelung keine zeitliche Begrenzung für die Übertragung einer höherwertigen Aufgabe, bedarf ihre vorübergehende Übertragung aber eines hinreichenden Grundes, um billigem Ermessen zu entsprechen, weil damit der Grundsatz der Tarifautomatik durchbrochen wird. Kein hinreichender Grund liegt nach Ansicht des BAG in der bloßen Unsicherheit über die Dauer der höherwertigen Beschäftigungsmöglichkeit 100. In Anwendung dieser Grundsätze hat der 4. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 27.1.2016 101 der Zahlungsklage einer Fallmanagerin auf Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe des Tarifvertrags entsprochen, der von der Beklagten, die mit der Agentur für Arbeit eine Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung für Arbeitssuchende gebildet hatte, nur zeitlich befristet (vorübergehend) diese höherwertigere Tätigkeit übertragen worden war. Da die Grundsicherung für Arbeitssuchende keine Aufgabe von nur begrenzter Dauer, sondern eine sozialstaatliche Daueraufgabe ist, ließ sich nach Auffassung des BAG die Befristung der Übertragung der höherwertigen Arbeitsaufgabe nicht rechtfertigen. (Boe)

5.

Aktuelles zur notwendigen Anpassung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen

Feststellungen des BAG in den Urteilen vom 21.4.2016 102 und vom 24.8.2016 103 sowie die am 1.10.2016 in Bezug auf § 309 Nr. 13 BGB in Kraft getretenen Änderungen im Bereich der AGB-Kontrolle haben zur Folge, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen überprüft und in einer Vielzahl

99 100 101 102 103

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BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 21. BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 24. 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903. 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271 ff. 5 AZR 703/15 n. v.

Aktuelles zur notwendigen Anpassung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen

von Fällen angepasst werden müssen 104. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die mit solchen Klauseln bezweckte Befriedung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der dort genannten Fristen nicht erreicht wird. Vielmehr können Ansprüche in den Grenzen der Verjährung auch nach Ablauf etwaiger Ausschlussfristen geltend gemacht werden.

a)

Kennzeichnung des Geltungsbereichs einer Ausschlussfrist

Bei der Formulierung einer Ausschlussfrist ist zunächst einmal sicher zu stellen, dass sie alle Ansprüche einbezieht, deren Geltendmachung nach den dort vorgegebenen Mechanismen vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgen soll. Das macht das Urteil des BAG vom 21.4.2016 105 deutlich. Die Parteien hatten in dem zugrundeliegenden Fall in den Arbeitsvertrag eine Klausel aufgenommen, nach der „vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ verfallen sollten, sobald sie nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach jeweiliger Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Streitig war nunmehr, ob diese Klausel auch auf einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen entgangener Provisionen zur Anwendung kommen sollte. Hintergrund war, dass der Kläger fristlose Kündigungen des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte, durch die seine weitere Tätigkeit als Versicherungsvermittler ausgeschlossen war, für unwirksam hielt und einen Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verlangte. Mit überzeugender Begründung hat das BAG auf der Grundlage einer Auslegung des Formulararbeitsvertrags angenommen, dass mit der Beschränkung auf „vertragliche“ Ansprüche zum Ausdruck gebracht werde, dass Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubten oder strafbaren Handlungen einer Vertragspartei nach §§ 823 ff. BGB von der Verfallklausel nicht erfasst sein sollten. Da sich unerlaubte oder strafbare Handlungen einer Arbeitsvertragspartei gegenüber der anderen typischerweise zugleich als Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellten, spreche alles dafür, dass auf dieser Grundlage auch Schadensersatzansprüche aus solchen Vertragsverstößen, also Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB, nicht von der Ausschlussfrist erfasst werden sollten 106. Dass Ausschlussfristen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dienen, stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen. Da eine möglichst zeitnahe 104 Vgl. hierzu Düwell, BB 2016, 2485 ff.; Lingemann/Otte, NZA 2016, 519 ff.; Lipinski/Kaindl, BB 2016, 2487 ff.; Oberthür/Stähler, ArbRB 2016, 273 ff.; Springer/von Kummer, DB 2016, 1940 f. 105 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271 ff. 106 BAG v. 21.4.2016 - 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271 Rz. 28 ff.

439

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Klärung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis allerdings regelmäßig nur bei Ansprüchen gelinge, deren Entstehungs- und deren Fälligkeitszeitpunkt sich ohne Schwierigkeiten ermitteln ließen, was bei Schadensersatzansprüchen üblicherweise nicht der Fall ist, lege auch dies nahe, dass der Begriff „vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ keine Schadensersatzansprüche erfassen solle. Wenn diese Einschränkung auf vertragliche Ansprüche nicht gewollt ist, muss die Ausschlussfrist unter Berücksichtigung der nachfolgenden Hinweise auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung ausgeweitet werden.

b)

Berücksichtigung gesetzlicher Verbote zur Verkürzung der Verjährungsfristen

Wenn auf der Grundlage der vorstehenden Feststellungen des BAG zum Geltungsbereich einer Ausschlussfrist darüber nachgedacht wird, sie auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung auszudehnen, müssen aber insbesondere die aus §§ 202 Abs. 1 BGB, 3 MiLoG, 9, 13 AEntG folgenden Schranken für die Vereinbarung von Ausschlussfristen beachtet werden. Ausgangspunkt der diesbezüglichen Diskussion sind die Entscheidungen des BAG zur Wirkungsweise von § 202 Abs. 1 BGB in Bezug auf die in Arbeitsverträgen enthaltenen Ausschlussfristen. Denn diese stehen, wenn sie alle Ansprüche erfassen, jedenfalls dem Wortlaut nach im Widerspruch zu § 202 Abs. 1 BGB. Danach kann durch Rechtsgeschäft – anders als durch Tarifvertrag – die Verjährung bei einer Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erleichtert werden. Obwohl dies der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer Ausschlussfrist entgegensteht, nimmt das BAG eine einschränkende Auslegung vor, die trotz fehlender Anhaltspunkte im Wortlaut der Klausel zur Folge hat, dass sämtliche Ansprüche der Parteien erfasst werden, soweit diese keine Haftung wegen Vorsatzes betreffen 107. Dass der Arbeitnehmer durch den weitergehenden Wortlaut gehindert werden könnte, Ansprüche in den Grenzen von § 202 Abs. 1 BGB gegen den Arbeitgeber als Verwender geltend zu machen, was durchaus zur Intransparenz bzw. Unangemessenheit der Klausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB führen kann, ist durch das BAG bislang nicht problematisiert worden. Entsprechendes dürfte für § 309 Nr. 7 lit b) BGB gelten, nach dem ein Ausschluss oder 107 Vgl. BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 1013/12, NZA-RR 2014, 177 ff.; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 Rz. 22.

440

Aktuelles zur notwendigen Anpassung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen

eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers beruhen, in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind. Eine erste Fortsetzung hat die Diskussion zu § 202 Abs. 1 BGB mit dem Inkrafttreten der Regelungen zum gesetzlichen Mindestlohn erfahren. Denn nach § 3 S. 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, „insoweit“ unwirksam. Diese Regelung erfasst individual- und kollektivrechtliche Regelungen gleichermaßen. Sie verbietet Ausschlussfristen in Bezug auf den Mindestlohn. Da der gesetzliche Mindestlohn in jedem Arbeitsverhältnis als untere Grenze einer Vergütung Geltung beansprucht (§ 20 MiLoG), steht eine Ausschlussfrist, die alle Ansprüche einbezieht, in jedem Arbeitsverhältnis im Widerspruch zu dem Verbot einer Beschränkung der Geltendmachung dieses Teils der Vergütung. Dennoch wird allerdings bislang ganz überwiegend keine Unwirksamkeit der Ausschlussfrist angenommen. Vielmehr wird zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausschlussfrist nur „insoweit unwirksam ist“, als sie einer Geltendmachung des Mindestlohns innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfristen entgegensteht. Für alle übrigen Ansprüche kann sie also weiter verwendet werden. Dieses Prinzip einer geltungserhaltenden Einschränkung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen könnte allerdings durch die Entscheidung des BAG vom 24.8.2016 108 beendet werden. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Klägerin vom 15.7. bis zum 15.12.2013 beim Beklagten, der einen ambulanten Pflegedienst betrieb, als Pflegehilfskraft beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag mussten alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden, um einen Verfall auszuschließen. Für den Fall der Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei sollte ein Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb weiterer drei Monate nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Die Klägerin war vom 19.11. bis zum 15.12.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beklagte hatte trotz ärztlicher Bescheinigung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

108 5 AZR 703/15 n. v.

441

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Nachdem die Klägerin erst am 2.6.2014 ein Verfahren auf Entgeltfortzahlung anhängig machte, berief sich der Beklagte darauf, dass ein etwaiger Anspruch auf Vergütung als Folge der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen sei. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG der Zahlungsklage stattgegeben. In seiner Begründung hat es zunächst einmal darauf verwiesen, dass die im Arbeitsvertrag vorgesehene Ausschlussfrist einen Anspruch auf Mindestentgelt nach § 2 der am 1.8.2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasse. Damit verstieß sie gegen §§ 9 Abs. 3, 13 AEntG, nach dem Ausschlussfristen für solche Mindestentgelte ausschließlich in dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag oder dem der Rechtsverordnung nach § 7 AEntG zugrunde liegenden Tarifvertrag geregelt werden können und mindestens sechs Monate betragen müssen. Beide Voraussetzungen waren durch die arbeitsvertragliche Klausel nicht erfüllt, so dass sie der Geltendmachung des Anspruchs auf das Mindestentgelt nicht entgegen gehalten werden konnte. Bemerkenswert an diesen Feststellungen ist ohne Rücksicht auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Ausschlussfrist, dass der 5. Senat des BAG in seinem Urteil vom 24.8.2016 109 § 2 PflegeArbbV als Anspruchsgrundlage nennt. Überzeugender wäre gewesen, hier unmittelbar auf § 3 Abs. 1 EFZG zurückzugreifen und die Vorgaben der PflegeArbbV nur hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen. Bei einer zweckgerichteten Ausrichtung und Anwendung von §§ 9 Abs. 3, 13 AEntG hätte dies der Annahme, dass auch dieser Entgeltfortzahlungsanspruch nur durch tarifvertragliche Ausschlussfrist von mindestens sechs Monaten verkürzt werden kann, nicht entgegengestanden. Die hiervon abweichende Bewertung kann – wie an anderer Stelle ausgeführt 110 – aber vergaberechtliche Konsequenzen haben. Unabhängig davon ergibt sich die besondere Bedeutung dieser Entscheidung aus dem Umstand, dass das BAG die Klausel auch für andere Ansprüche nicht aufrechterhalten will. Vielmehr geht der 5. Senat des BAG im Urteil vom 24.8.2016 111 ausdrücklich davon aus, dass einer solchen Aufrechterhaltung das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entgegenstehe. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Vertrag als Neuvertrag zu kennzeichnen sei. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung und daraus folgend 109 5 AZR 703/15 n. v. 110 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 215 ff., 439, 448 ff. 111 5 AZR 703/15 n. v.

442

Aktuelles zur notwendigen Anpassung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen

auch die Unwirksamkeit einer Klausel auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Überträgt man diese Feststellung des BAG auf die vorstehend zu §§ 202 Abs. 1, 309 Nr. 7 lit. b BGB sowie § 3 S. 1 MiLoG vertretenen Ergebnisse, so liegt es nahe, dort – abweichend von der bislang ganz überwiegend vorgenommenen Auslegung – ebenfalls von einer intransparenten Regelung auszugehen. Denn eine Ausschlussfrist, die ihrem Wortlaut nach von „allen Ansprüchen“ aus dem Arbeitsverhältnis spricht, lässt nicht erkennen, dass Ansprüche wegen einer Haftung aus vorsätzlichem Handeln, einer Haftung für Schäden als Folge einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung oder Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfasst werden sollen. Dies könnte zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer entgegen der zwingenden Vorgaben in Bezug auf das Verbot einer Einschränkung der Geltendmachung solcher Ansprüche nach Ablauf der in der Ausschlussfrist vorgesehenen Frist auf eine Geltendmachung dieser Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber verzichtet. Dies macht die Klausel unangemessen und damit jedenfalls bei Verträgen nach Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung unwirksam. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, Ausschlussfristen einzuschränken. Diese Einschränkung kann dadurch erfolgen, dass die vorstehend genannten Ansprüche ausdrücklich und unter Bezugnahme auf die jeweiligen Vorschriften ausgegrenzt werden. Konsequenz wäre, dass eine Ausschlussfrist jeweils um einen Katalog der Ansprüche ergänzt werden muss, die nicht erfasst oder deren Geltendmachung durch andere (tarifliche) Regelungen bestimmt werden. Dies dürfte eine klare und auch wirksame Gestaltungsoption sein, verknüpft aber mit dem Risiko, dass auch diese Auflistung unvollständig ist. Denkbar und ebenso transparent erscheint aber, alternativ weiterhin „alle Ansprüche“ in die Ausschlussfrist einzubeziehen, „soweit dies nicht durch zwingende gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen ausgeschlossen ist“. Beispielhaft könnte dann in einem (Zu-)Satz auf §§ 202 Abs. 1, 309 Nr. 7 lit. b) BGB, 1 MiLoG, 9 Abs. 3, 13 AEntG verwiesen werden.

c)

Textformgebot aus § 309 Nr. 13 BGB

Seit dem 1.10.2016 sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Textform gebunden werden. Aus dieser Regelung folgt, dass Ausschlussfristen in Bezug auf ihre gerichtliche Geltendmachung nicht mehr an das Erfordernis der Schriftform, sondern nur noch an das Erfordernis der Textform gebunden werden können. Dies gilt allerdings nur für Arbeitsverträge, die 443

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

nicht bereits vor dem 1.10.2016 entstanden sind. Das folgt aus § 37 zu Art. 229 EGBGB. Folgerichtig ist die Textform auch nur für Neueinstellungen erforderlich, die seit dem 1.10.2016 erfolgen. Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt bereits beschäftigt werden, fallen auch dann nicht unter die Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB, wenn der Arbeitsvertrag im Anschluss an den 30.9.2016 geändert wird. Solche Änderungen, die wegen der vorstehenden Feststellungen zur Transparenz entsprechender Klauseln geboten sind, könnten also in Bezug auf diese Arbeitsverträge das Schriftformerfordernis bei Ausschlussfristen fortschreiben. (Ga)

6.

Angemessenheit einer arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenregelung

Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 17.3.2016 112 bewirkt dies, dass § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafenabreden nicht anwendbar ist und sich die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafevereinbarung nur aus den Vorgaben zur Angemessenheit in § 307 BGB ergeben kann. Hier müsse allerdings zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab angelegt werden 113. Die Unangemessenheit einer Vertragstrafevereinbarung kann sich nicht nur aus deren Intransparenz ergeben, falls diese nicht im Wege einer Auslegung aufgelöst werden kann. Ursache der Unangemessenheit einer Vertragsstrafevereinbarung ist im Zweifel vor allem die Höhe der Vertragsstrafe, die für den Fall einer Pflichtverletzung verwirkt werden soll. Auch darauf hat das BAG jetzt noch einmal hingewiesen. So sei für die Interessenabwägung bei der Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe wegen der unwirksamen außerordentlich fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer die Kündigungsfrist maßgeblich, die bei einer wirksamen Beendigung durch den Arbeitnehmer einzuhalten gewesen wäre. Denn eine Vertragstrafe, die höher als die Arbeitsvergütung sei, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre, sei nur ausnahmsweise angemessen i. S. d.

112 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 Rz. 11. 113 Ebenso bereits BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 Rz. 21; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337 Rz. 35.

444

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

nicht bereits vor dem 1.10.2016 entstanden sind. Das folgt aus § 37 zu Art. 229 EGBGB. Folgerichtig ist die Textform auch nur für Neueinstellungen erforderlich, die seit dem 1.10.2016 erfolgen. Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt bereits beschäftigt werden, fallen auch dann nicht unter die Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB, wenn der Arbeitsvertrag im Anschluss an den 30.9.2016 geändert wird. Solche Änderungen, die wegen der vorstehenden Feststellungen zur Transparenz entsprechender Klauseln geboten sind, könnten also in Bezug auf diese Arbeitsverträge das Schriftformerfordernis bei Ausschlussfristen fortschreiben. (Ga)

6.

Angemessenheit einer arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenregelung

Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 17.3.2016 112 bewirkt dies, dass § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafenabreden nicht anwendbar ist und sich die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafevereinbarung nur aus den Vorgaben zur Angemessenheit in § 307 BGB ergeben kann. Hier müsse allerdings zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab angelegt werden 113. Die Unangemessenheit einer Vertragstrafevereinbarung kann sich nicht nur aus deren Intransparenz ergeben, falls diese nicht im Wege einer Auslegung aufgelöst werden kann. Ursache der Unangemessenheit einer Vertragsstrafevereinbarung ist im Zweifel vor allem die Höhe der Vertragsstrafe, die für den Fall einer Pflichtverletzung verwirkt werden soll. Auch darauf hat das BAG jetzt noch einmal hingewiesen. So sei für die Interessenabwägung bei der Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe wegen der unwirksamen außerordentlich fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer die Kündigungsfrist maßgeblich, die bei einer wirksamen Beendigung durch den Arbeitnehmer einzuhalten gewesen wäre. Denn eine Vertragstrafe, die höher als die Arbeitsvergütung sei, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre, sei nur ausnahmsweise angemessen i. S. d.

112 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 Rz. 11. 113 Ebenso bereits BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 Rz. 21; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337 Rz. 35.

444

Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

§§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine solche Ausnahme könne beispielsweise dann gegeben sein, wenn das Interesse des Arbeitgebers dem Wert der Arbeitsleistung, der sich in der bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigen würde. Fehlen solche Umstände, ist bei der Geltung gesetzlicher Kündigungsfristen also allenfalls das Arbeitsentgelt als Vertragsstrafe festzusetzen, das der Arbeitsvergütung für zwei Wochen entspricht 114. Wichtig für das Verständnis der Wirkungsweise der AGB-Kontrolle ist, dass sich die Unwirksamkeit einer Klausel nicht nur aus der Unangemessenheit in Bezug auf den konkret in Rede stehenden Sachverhalt ergeben kann. Klauseln sind auch dann unwirksam, wenn sie in solchen Fällen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen, die sich im konkreten Sachverhalt nicht realisiert hat 115. Wir hatten dies bereits im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von Klauseln zur Rückzahlung von Fortbildungskosten erörtert 116. (Ga)

7.

Die Einheit des Verhinderungsfalls als Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Dieser Anspruch entsteht erneut, wenn der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit wieder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Es genügt, wenn er zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig gewesen ist, selbst wenn dies nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden der Fall war 117. Dieser Grundsatz erfährt allerdings zwei wesentliche Einschränkungen. Die eine folgt unmittelbar aus § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG. Dieser kommt dann zum Tragen, wenn sich eine neue Erkrankung als eine Fortsetzung der früheren

114 BAG v. 17.3.2016 - 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 Rz. 23 f. 115 BAG v. 17.3.2016 - 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 Rz. 26; BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 1013/12, NZA-RR 2014, 177 Rz. 23. 116 B. Gaul, AktuellAR 2015, 134 ff. 117 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rz. 10, 13; BAG v. 12.7.1989 – 5 AZR 377/88, NZA 1989, 927 ff.

445

Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

§§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine solche Ausnahme könne beispielsweise dann gegeben sein, wenn das Interesse des Arbeitgebers dem Wert der Arbeitsleistung, der sich in der bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigen würde. Fehlen solche Umstände, ist bei der Geltung gesetzlicher Kündigungsfristen also allenfalls das Arbeitsentgelt als Vertragsstrafe festzusetzen, das der Arbeitsvergütung für zwei Wochen entspricht 114. Wichtig für das Verständnis der Wirkungsweise der AGB-Kontrolle ist, dass sich die Unwirksamkeit einer Klausel nicht nur aus der Unangemessenheit in Bezug auf den konkret in Rede stehenden Sachverhalt ergeben kann. Klauseln sind auch dann unwirksam, wenn sie in solchen Fällen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen, die sich im konkreten Sachverhalt nicht realisiert hat 115. Wir hatten dies bereits im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von Klauseln zur Rückzahlung von Fortbildungskosten erörtert 116. (Ga)

7.

Die Einheit des Verhinderungsfalls als Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Dieser Anspruch entsteht erneut, wenn der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit wieder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Es genügt, wenn er zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig gewesen ist, selbst wenn dies nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden der Fall war 117. Dieser Grundsatz erfährt allerdings zwei wesentliche Einschränkungen. Die eine folgt unmittelbar aus § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG. Dieser kommt dann zum Tragen, wenn sich eine neue Erkrankung als eine Fortsetzung der früheren

114 BAG v. 17.3.2016 - 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 Rz. 23 f. 115 BAG v. 17.3.2016 - 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 Rz. 26; BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 1013/12, NZA-RR 2014, 177 Rz. 23. 116 B. Gaul, AktuellAR 2015, 134 ff. 117 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rz. 10, 13; BAG v. 12.7.1989 – 5 AZR 377/88, NZA 1989, 927 ff.

445

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Erkrankung darstellt, weil – trotz verschiedener Krankheitssymptome – die wiederholte Arbeitsunfähigkeit auf demselben nicht behobenen Grundleiden beruht. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber nur dann zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2) 118. Die zweite Einschränkung folgt aus dem richterrechtlich entwickelten Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls. Danach bleibt die Entgeltfortzahlung auf die Gesamtdauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Hier kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Das bestätigt das BAG ausdrücklich im Urteil vom 25.5.2016 119. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe – so das BAG – nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits in dem Zeitpunkt beendet gewesen sei, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls sei im Zweifel die Entscheidung des Arztes, der eine Arbeitsunfähigkeit – unabhängig von der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers – im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertages bescheinigen wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeitstag oder einen arbeitsfreien Tag fällt 120. In dem der vorstehend genannten Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall war der Kläger wegen eines lumbalen Facettensyndroms in der Zeit vom 9.9. bis zum 20.10.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 17.10.2013 suchte er seinen Hausarzt erneut auf, u. a. wegen zunehmender Schulterschmerzen. Eine (zusätzliche) Krankschreibung erfolgte an diesem Tag nicht. Vielmehr attestierte der Hausarzt dem Kläger erst am Montag, den 21.10.2013, wegen Schulterschmerzen mit einer Erstbescheinigung eine (erneute) Arbeitsunfähigkeit zunächst einmal bis zum 5.11.2013, mit einer Folgebescheinigung bis voraussichtlich zum 1.12.2013. Umstritten zwischen 118 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rz. 11, BAG v. 13.7.2005 – 5 AZR 389/04, DB 2005, 2642 ff. 119 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rz. 13. 120 Ebenso bereits BAG v. 10.9.2014 – 10 AZR 651/12, NZA 2014, 1139 Rz. 17.

446

Einschränkung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

den Parteien war, ob es sich bei dieser Erkrankung tatsächlich um eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit handelte oder ob als Folge einer überschneidenden Erkrankung mit jeweils eigenständiger Arbeitsunfähigkeit eine Einheit des Verhinderungsfalls gegeben war. Der Arbeitgeber hatte deshalb nach Ablauf des SechsWochen-Zeitraums, beginnend ab dem 9.9.2013, die Entgeltfortzahlung eingestellt. In seiner Entscheidung vom 25.5.2015 121 hat das BAG deutlich gemacht, dass das Risiko, nicht (mehr) feststellen zu können, ob Arbeitsunfähigkeit infolge einer bestimmten Krankheit erst ab dem vom behandelnden Arzt attestierten Zeitpunkt bestanden habe oder schon während einer unmittelbar vorangehenden sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Krankheit eingetreten sei, durch den Arbeitnehmer zu tragen sei. Dies unterscheide die Situation auch von der Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit dem Eintritt einer Fortsetzungserkrankung. Hier müsse der Arbeitnehmer zwar darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung gegeben ist und – falls dies durch den Arbeitgeber bestritten wird – den Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Da den Arbeitgeber nach der sprachlichen Fassung des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 EFZG die objektive Beweislast treffe, habe dieser aber die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung zu tragen 122. Konsequenz für die unterschiedliche Behandlung der Einheit des Verhinderungsfalls ist, dass der Arbeitnehmer den fehlenden Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als Folge einer weiteren Erkrankung während des SechsWochen-Zeitraums der ersten Erkrankung darlegen und ggf. auch beweisen muss. Dies entspricht – so das BAG – dem Grundsatz, dass er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher, also auch für deren Beginn und Ende, die objektive Beweislast zu tragen hat. Soweit es um den Beginn und das Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit geht, könne sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Sei jedoch unstreitig oder bringe der Arbeitgeber wichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruhe, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden habe und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten sei, müsse der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der „neuen“ krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit beweisen. Dafür 121 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076, Rz. 16 ff. 122 Vgl. auch LAG Baden-Württemberg v. 8.6.2016 – 4 Sa 70/15, NZA-RR 2016, 513 ff.

447

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

stehe ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung. Aus dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit der Einheit des Verhinderungsfalles folgt, dass ein etwaiges non liquet zu Lasten des Arbeitnehmers geht. Dies war auch in dem durch das BAG am 25.5.2016 123 zu entscheidenden Fall eingetreten. Denn der durch die Berufungsinstanz vernommene Orthopäde konnte weder bestätigen noch ausschließen, dass der Kläger wegen der schmerzenden Schulter erst am 21.10.2013 arbeitsunfähig wurde und nicht schon am 17.10.2013 arbeitsunfähig war. Damit aber war es dem Kläger nicht gelungen zu beweisen, dass er vor Eintritt der durch die Schulterschmerzen begründeten Arbeitsunfähigkeit die vorangehende Arbeitsunfähigkeit wegen des lumbalen Facettensyndroms jedenfalls vorübergehend beendet hatte. (Ga)

8.

Keine Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers bei Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit

Mit seinem Urteil vom 2.11.2016 124 hat das BAG bestätigt, dass keine Verpflichtung besteht, während der Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch teilzunehmen. In entsprechender Weise hatte bereits das LAG Nürnberg in seinem Urteil vom 1.9.2015 125 entschieden. Wir hatten darüber im Frühjahr berichtet 126. Auch das BAG geht zwar davon aus, dass die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers den Arbeitgeber berechtigt, ihn zur Teilnahme an einem während der Arbeitszeit im Betrieb durchzuführenden Gespräch aufzufordern, dessen Gegenstand Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung ist, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht anderweitig festgelegt sind. Das folgt aus § 106 S. 1 GewO. Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen müsse, sei er aber grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen. Insofern sei es dem Arbeitgeber zwar nicht verwehrt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeits123 124 125 126

448

5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rz. 24. 10 AZR 596/15 n. v. 7 Sa 592/14, AuA 2016, 491 f. B. Gaul, AktuellAR 2016, 92 f.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

stehe ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung. Aus dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit der Einheit des Verhinderungsfalles folgt, dass ein etwaiges non liquet zu Lasten des Arbeitnehmers geht. Dies war auch in dem durch das BAG am 25.5.2016 123 zu entscheidenden Fall eingetreten. Denn der durch die Berufungsinstanz vernommene Orthopäde konnte weder bestätigen noch ausschließen, dass der Kläger wegen der schmerzenden Schulter erst am 21.10.2013 arbeitsunfähig wurde und nicht schon am 17.10.2013 arbeitsunfähig war. Damit aber war es dem Kläger nicht gelungen zu beweisen, dass er vor Eintritt der durch die Schulterschmerzen begründeten Arbeitsunfähigkeit die vorangehende Arbeitsunfähigkeit wegen des lumbalen Facettensyndroms jedenfalls vorübergehend beendet hatte. (Ga)

8.

Keine Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers bei Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit

Mit seinem Urteil vom 2.11.2016 124 hat das BAG bestätigt, dass keine Verpflichtung besteht, während der Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch teilzunehmen. In entsprechender Weise hatte bereits das LAG Nürnberg in seinem Urteil vom 1.9.2015 125 entschieden. Wir hatten darüber im Frühjahr berichtet 126. Auch das BAG geht zwar davon aus, dass die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers den Arbeitgeber berechtigt, ihn zur Teilnahme an einem während der Arbeitszeit im Betrieb durchzuführenden Gespräch aufzufordern, dessen Gegenstand Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung ist, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht anderweitig festgelegt sind. Das folgt aus § 106 S. 1 GewO. Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen müsse, sei er aber grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen. Insofern sei es dem Arbeitgeber zwar nicht verwehrt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeits123 124 125 126

448

5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076 Rz. 24. 10 AZR 596/15 n. v. 7 Sa 592/14, AuA 2016, 491 f. B. Gaul, AktuellAR 2016, 92 f.

Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit

unfähigkeit zu erörtern. Das folgt schlussendlich auch aus der Verpflichtung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement aus § 84 Abs. 1 SGB IX. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, das Erscheinen ist – so das BAG – ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich in der Lage 127. (Ga)

127 BAG v. 2.11.2016 – 10 AZR 596/15 n. v.

449

D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.

AGB-Kontrolle eines Null-Stunden-Vertrags

Mit Blick auf die in anderen Ländern durchaus verbreiteten Gestaltungsmöglichkeiten taucht in der betrieblichen Praxis bisweilen die Idee auf, Arbeitnehmer mit sogenannten Null-Stunden-Verträgen auszustatten. Diese enthalten keine Vereinbarung, aus der heraus eine bestimmte (Mindest-) Dauer der Arbeitszeit erkennbar wird. Vielmehr ist es die Grundidee solcher Verträge, ohne jede Zusage in Bezug auf den betroffenen Arbeitnehmer auf Abruf nach Belieben Arbeitsleistung in Anspruch nehmen zu können. Völlig zu Recht hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 29.7.2015 1 klargestellt, dass entsprechende Regelungen intransparent, unangemessen und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sind. In dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien in den Arbeitsvertrag folgende Klausel eingebunden: Wegen des schwankenden und nicht vorhersehbaren Umfangs der Arbeit richten sich Umfang und Lage Ihrer Arbeitszeit nach dem jeweiligen Arbeitsanfall (§ 4 Abs. 1 BeschFG). Die Lage der Arbeitszeit werden wir Ihnen anhand eines Einsatzplanes bekannt gegeben.

Durch eine solche Klausel wird in unzulässiger Weise das Betriebsrisiko in Gänze auf den Arbeitnehmer verlagert. Denn sie soll den Arbeitgeber berechtigen, bis zur Grenze des arbeitszeitrechtlich Zulässigen über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verfügen zu können. Das missachtet auch die Grundsätze, wie sie in § 12 TzBfG für die Arbeit auf Abruf bestimmt werden. Konsequenz der Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel ist eine ergänzende Vertragsauslegung. Sie hat nicht nur zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer tatsächlich eingesetzt wurde. Sie muss – weil die Interessen beider Vertragsparteien zu beachten sind – im Rahmen von §§ 133, 157, 242 BGB auch berücksichtigen, dass wechselseitig der Wille bestand, jedenfalls in den Grenzen zulässiger Regelungen, eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die Einsatzzeit vorzusehen. Dabei dürfte an der zu § 12 TzBfG entwickelten Rechtsprechung 2 angeknüpft werden.

1 2

7 Sa 313/15, AuR 2016, 367. Vgl. BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 Rz. 51.

451

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Wenn die betriebliche Praxis tatsächlich eine weitergehende Flexibilität in Bezug auf die Einsatzdauer erreichen will, geht dies schlussendlich nur durch Rahmenverträge, die – bezogen auf den jeweiligen Arbeitseinsatz – mit dem Abschluss befristeter Arbeitsverträge verbunden werden. Der Nachteil einer solchen Vorgehensweise liegt allerdings darin, dass der Arbeitsvertrag erst bei einer Einigung über den konkreten Arbeitseinsatz geschlossen wird. Insoweit gibt es keine Befugnis des Arbeitgebers, auf der Grundlage von § 106 S. 1 GewO diesen Arbeitseinsatz durch Weisung anzuordnen. Eine solche Befugnis ist nur im Dauerarbeitsverhältnis gegeben, das dann aber die durch §§ 305 ff. BGB, 12 TzBfG gesetzten Grenzen beachten muss. (Ga)

2.

Schriftformgebot bei der Inanspruchnahme von Elternzeit

Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG innerhalb der dort genannten Fristen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Entgegen der von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung 3 nimmt das BAG in seinem Urteil vom 10.5.2016 4 an, dass insoweit auch die Formerfordernisse des § 126 Abs. 1 BGB zu erfüllen sind. Hiervon ausgehend muss die eine entsprechende Erklärung des Arbeitnehmers enthaltende Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden, um die Gestaltungswirkung auszulösen 5. Zur Begründung verweist das BAG auf die weitreichende Bedeutung der Inanspruchnahmeerklärung, die nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des Gesetzes keine erleichterte Form der Erklärung erlaube. Dies gebiete die aus dem Schriftformerfordernis resultierende Warnfunktion sowie das Ziel von Rechtssicherheit und Beweiserleichterung 6. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin nach den tatrichterlichen Feststellungen die Elternzeit nur durch Telefax in Anspruch genommen. Folgerichtig hatte diese Erklärung nicht die rechtsgestaltende Wirkung, die einer formgültigen Erklärung nach § 16 Abs. 1 BEEG innewohnt. Obwohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer die wechselseitigen Hauptleistungspflichten 3 4 5 6

So HWK/B. Gaul, BEEG § 16 Rz. 1; Brors, RdA 2005, 51, 54; Gotthardt/Beck, NZA 2002, 876, 881. 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137 Rz. 15. Ebenso ErfK/Gallner, BEEG § 16 Rz. 2; Buchner/Becker, MuSchG/BEEG § 16 Rz. 3; KR/Bader, BEEG, § 18 Rz. 44. BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137 Rz. 24 ff.

452

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Wenn die betriebliche Praxis tatsächlich eine weitergehende Flexibilität in Bezug auf die Einsatzdauer erreichen will, geht dies schlussendlich nur durch Rahmenverträge, die – bezogen auf den jeweiligen Arbeitseinsatz – mit dem Abschluss befristeter Arbeitsverträge verbunden werden. Der Nachteil einer solchen Vorgehensweise liegt allerdings darin, dass der Arbeitsvertrag erst bei einer Einigung über den konkreten Arbeitseinsatz geschlossen wird. Insoweit gibt es keine Befugnis des Arbeitgebers, auf der Grundlage von § 106 S. 1 GewO diesen Arbeitseinsatz durch Weisung anzuordnen. Eine solche Befugnis ist nur im Dauerarbeitsverhältnis gegeben, das dann aber die durch §§ 305 ff. BGB, 12 TzBfG gesetzten Grenzen beachten muss. (Ga)

2.

Schriftformgebot bei der Inanspruchnahme von Elternzeit

Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG innerhalb der dort genannten Fristen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Entgegen der von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung 3 nimmt das BAG in seinem Urteil vom 10.5.2016 4 an, dass insoweit auch die Formerfordernisse des § 126 Abs. 1 BGB zu erfüllen sind. Hiervon ausgehend muss die eine entsprechende Erklärung des Arbeitnehmers enthaltende Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden, um die Gestaltungswirkung auszulösen 5. Zur Begründung verweist das BAG auf die weitreichende Bedeutung der Inanspruchnahmeerklärung, die nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des Gesetzes keine erleichterte Form der Erklärung erlaube. Dies gebiete die aus dem Schriftformerfordernis resultierende Warnfunktion sowie das Ziel von Rechtssicherheit und Beweiserleichterung 6. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin nach den tatrichterlichen Feststellungen die Elternzeit nur durch Telefax in Anspruch genommen. Folgerichtig hatte diese Erklärung nicht die rechtsgestaltende Wirkung, die einer formgültigen Erklärung nach § 16 Abs. 1 BEEG innewohnt. Obwohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer die wechselseitigen Hauptleistungspflichten 3 4 5 6

So HWK/B. Gaul, BEEG § 16 Rz. 1; Brors, RdA 2005, 51, 54; Gotthardt/Beck, NZA 2002, 876, 881. 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137 Rz. 15. Ebenso ErfK/Gallner, BEEG § 16 Rz. 2; Buchner/Becker, MuSchG/BEEG § 16 Rz. 3; KR/Bader, BEEG, § 18 Rz. 44. BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137 Rz. 24 ff.

452

Inanspruchnahme von Elternzeit beim Bewährungsaufstieg

zu dem durch die Klägerin genannten Zeitpunkt zum Ruhen brachten, handelte es sich daher nicht um eine Elternzeit im Sinne des § 15 BEEG. Konsequenterweise konnte der Arbeitgeber deshalb auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen, ohne dass der Sonderkündigungsschutz des § 18 BEEG zum Tragen kam. Die Sichtweise des BAG ist auf der Grundlage seiner Interpretation von § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG gut vertretbar. Da sich in der Begründung der maßgeblichen Gesetzesentwürfe allerdings kein Hinweis auf § 126 BGB findet, hätte man durchaus auch die einfache Textform für ausreichend halten können. In jedem Fall wird die Praxis sicherstellen müssen, dass bislang oft übliche (formlose) Erklärungswege durch schriftliche Erklärungen ersetzt bzw. ergänzt werden. (Ga)

3.

Verbot einer Benachteiligung wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit beim Bewährungsaufstieg

Gemäß § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG kann der Anspruch auf Elternzeit nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dieses Benachteiligungsverbot gilt für Individual- und Kollektivvereinbarungen gleichermaßen. Es verpflichtet zwar nicht dazu, für einen Ausgleich der Nachteile zu sorgen, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit für die Arbeitnehmer ergeben. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 12.4.2016 7 verbietet § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG aber nicht nur Regelungen, die den Anspruch auf Elternzeit unmittelbar einschränken. Die Vorschrift steht auch solchen Vereinbarungen entgegen, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer vor und nach Inanspruchnahme der Elternzeit – mittelbar oder unmittelbar – nachteilig auswirken. Hierzu gehören – so das BAG – auch solche Regelungen, die die durch Art. 6 GG geschützte Freiheit sich für die Elternzeit zu entscheiden, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, beeinträchtigen, sofern sich der Nachteil nicht allein aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit als ruhendes Arbeitsverhältnis ergibt. Diese Zielsetzung des Benachteiligungsverbots in § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG bewirkt, dass Regelungen zur Entgelterhöhung nach Ablauf einer bestimmten Beschäftigungs- oder Bewährungszeit die Dauer einer Elternzeit nicht berücksichtigen müssen. Denn hier wird als Folge des Ruhens der Hauptleistungspflichten keine Arbeitsleistung erbracht. Folgerichtig ist es auch zu-

7

6 AZR 731/13, NZA 2016, 833 Rz. 18.

453

Inanspruchnahme von Elternzeit beim Bewährungsaufstieg

zu dem durch die Klägerin genannten Zeitpunkt zum Ruhen brachten, handelte es sich daher nicht um eine Elternzeit im Sinne des § 15 BEEG. Konsequenterweise konnte der Arbeitgeber deshalb auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen, ohne dass der Sonderkündigungsschutz des § 18 BEEG zum Tragen kam. Die Sichtweise des BAG ist auf der Grundlage seiner Interpretation von § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG gut vertretbar. Da sich in der Begründung der maßgeblichen Gesetzesentwürfe allerdings kein Hinweis auf § 126 BGB findet, hätte man durchaus auch die einfache Textform für ausreichend halten können. In jedem Fall wird die Praxis sicherstellen müssen, dass bislang oft übliche (formlose) Erklärungswege durch schriftliche Erklärungen ersetzt bzw. ergänzt werden. (Ga)

3.

Verbot einer Benachteiligung wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit beim Bewährungsaufstieg

Gemäß § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG kann der Anspruch auf Elternzeit nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dieses Benachteiligungsverbot gilt für Individual- und Kollektivvereinbarungen gleichermaßen. Es verpflichtet zwar nicht dazu, für einen Ausgleich der Nachteile zu sorgen, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit für die Arbeitnehmer ergeben. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 12.4.2016 7 verbietet § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG aber nicht nur Regelungen, die den Anspruch auf Elternzeit unmittelbar einschränken. Die Vorschrift steht auch solchen Vereinbarungen entgegen, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer vor und nach Inanspruchnahme der Elternzeit – mittelbar oder unmittelbar – nachteilig auswirken. Hierzu gehören – so das BAG – auch solche Regelungen, die die durch Art. 6 GG geschützte Freiheit sich für die Elternzeit zu entscheiden, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, beeinträchtigen, sofern sich der Nachteil nicht allein aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit als ruhendes Arbeitsverhältnis ergibt. Diese Zielsetzung des Benachteiligungsverbots in § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG bewirkt, dass Regelungen zur Entgelterhöhung nach Ablauf einer bestimmten Beschäftigungs- oder Bewährungszeit die Dauer einer Elternzeit nicht berücksichtigen müssen. Denn hier wird als Folge des Ruhens der Hauptleistungspflichten keine Arbeitsleistung erbracht. Folgerichtig ist es auch zu-

7

6 AZR 731/13, NZA 2016, 833 Rz. 18.

453

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

lässig, auf der Grundlage einer typisierten Betrachtungsweise nicht von der Zunahme beschäftigungsspezifischer Kenntnisse und/oder Erfahrungen auszugehen 8. Nach Auffassung des BAG ist es allerdings unzulässig, die Inanspruchnahme von Elternzeit ab einer gewissen Mindestdauer zum Anlass zu nehmen, die in der Zeit vor der Elternzeit verbrachten Beschäftigungsmonate bei einem Entgeltanstieg (hier: Bewährungsaufstieg nach BAT) generell nicht mehr zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn das Entgeltsystem für eine entsprechende Anpassung zu der Vergütung an sich eine ununterbrochene Beschäftigungszeit verlangt. In dem der Entscheidung des BAG vom 12.4.2016 9 zugrundeliegenden Fall hatten die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass der Erziehungsurlaub (heute: Elternzeit) zwar bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren als unschädliche Unterbrechung der Bewährungszeit für einen Stufenaufstieg im Rahmen des BAT behandelt werden sollte. Ein Überschreiten dieses Fünf-JahresZeitraums sollte aber zur Folge haben, dass die Dauer des ruhenden Arbeitsverhältnisses und die vorangehende Beschäftigungszeit insgesamt keine Berücksichtigung für einen etwaigen Bewährungsaufstieg finden sollten. Darin lag nach Auffassung des 6. Senats des BAG eine Benachteiligung, die mit § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG nicht vereinbar war. Denn die tarifliche Regelung führte auch bei typisierender Betrachtung dazu, dass in einer Vielzahl von Fallgestaltungen zurückgelegte Bewährungszeiten unwiderruflich verloren gingen, obwohl nach der Grundannahme der Tarifvertragsparteien, nach der eine kürzer als fünf Jahre andauernde Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses für den Verlust des Erfahrungswissens unschädlich sei, kein solcher Verlust gegeben war. Wenn in Entgeltsystemen entsprechende Bewährungs- oder Beschäftigungszeiten vorgesehen sind, die zu einem Entgeltanstieg führen sollen, empfiehlt es sich nach dieser Entscheidung, die Elternzeit generell nur zum Anlass zu nehmen, den weiteren Anstieg der maßgeblichen Beschäftigungs- oder Bewährungszeiten zu hemmen. Damit blieben Zeiten erhalten, die bis zur Elternzeit im Unternehmen verbracht wurden. Gleichzeitig würde gewährleistet, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht mit der Annahme verknüpft wird, dass zuvor erworbene Erfahrungen ohne Relevanz für die Tätigkeit sind, die im Anschluss an die Elternzeit wieder verrichtet wird. (Ga)

8 9

Vgl. BAG v. 12.4.2016 – 6 AZR 731/13, NZA 2016, 833 Rz. 27; BAG v. 27.1.2011 – 6 AZR 526/09, NZA 2011, 1361 Rz. 69. 6 AZR 731/13, NZA 2016, 833 Rz. 6, 27 ff.

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Verdienstsicherung bei altersbedingter Herabsetzung der Arbeitszeit

4.

Altersdiskriminierung durch Verdienstsicherung bei altersbedingter Herabsetzung der Arbeitszeit

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Auf der Grundlage dieser Bestimmung ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere geldwerte Leistung nach dem sogenannten pro-ratatemporis-Grundsatz 10 in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (§ 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG). Missachtet eine vertragliche Regelung dieses Verbot der Vergütungsbenachteiligung aus Gründen der Teilzeitarbeit, hat der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf entsprechende Anpassung seiner Bezüge. Nur auf diesem Wege lässt sich in adäquater Weise die Benachteiligung aus Gründen der Teilzeitarbeit beseitigen. Ob diese Rechtsfolge aus der unmittelbaren Anwendung von § 4 Abs. 1 S. 1 i. V. m. S. 2 TzBfG herzuleiten ist oder sich aus § 134 BGB i. V. m. § 612 Abs. 2 BGB 11 ergibt, hat das BAG 12 zuletzt offen gelassen. Der fehlende Sachgrund für eine Differenzierung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung beim Entgelt kann auch auf eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters zurückzuführen sein. Mit einer derartigen Fallkonstellation war der 8. Senat des BAG in der Entscheidung vom 22.10.2015 befasst 13. Es ging um die Frage, ob die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters verpflichtet war, an die teilzeitbeschäftigte Klägerin ein höheres monatliches Arbeitsentgelt zu zahlen. Die Klägerin, die das 40. Lebensjahr vollendet hatte, ist bei der Beklagten mit einer Wochenstundenzahl von 28,5 Stunden beschäftigt. Die Vollarbeitszeit beträgt bei der Beklagten auf der Grundlage einer entsprechenden Gesamtbetriebsvereinbarung bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 38 Wochenstunden, ab dem vollendeten 40. Lebensjahr 36,5 Wochenstunden und ab dem vollendeten 50. Lebensjahr 35 Wochenstunden, wobei den Arbeitnehmern stets die volle Arbeitszeit von 38 Wochenstunden 10 BAG v. 19.10.2010 – 6 AZR 305/09, NZA-RR 2011, 159 Rz. 18; BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 657/07, NZA-RR 2009, 221 Rz. 23; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 566/04, NZA 2005, 981 Rz. 13. 11 So BAG v. 27.8.2014 – 4 AZR 999/12, NZA 2015, 571 Rz. 16; BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 657/07, NZA-RR 2009, 221 Rz. 34 ff. m. w. N. 12 BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 168/14, NZA 2016, 1081 Rz. 63. 13 8 AZR 168/14, NZA 2016, 1081.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

bezahlt wird. Teilzeitkräfte mit einer festen Arbeitszeit nehmen entsprechend an der Verkürzung der Arbeitszeit nach Lebensalter unter vollem Lohnausgleich teil. Sie haben alternativ die Möglichkeit, ihre bisherige Arbeitszeit unter Zahlung einer höheren Vergütung beizubehalten. Die Klägerin hatte sich nach Vollendung des 40. Lebensjahres für die zweite Alternative entschieden, so dass ihr bei weiterhin 28,5 Wochenstunden eine höhere Vergütung gezahlt wurde. Die Klägerin war der Meinung, sie müsse bereits vor dem 50. Lebensjahr aus Gründen der Benachteiligung wegen des Alters in Relation zu 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich eine höhere Vergütung erhalten, die sie auf dem Klageweg beanspruchte. Das LAG entsprach der Zahlungsklage nur zum Teil, weil ihre Ansprüche teilweise durch die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG untergegangen seien. Das BAG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zunächst hat das BAG abweichend von der Rechtsprechung des LAG die Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin nicht in einem Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG gesehen, sondern aus § 4 Abs. 1 TzBfG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG unter Berücksichtigung der Gesamtbetriebsvereinbarung hergeleitet. Die Gesamtbetriebsvereinbarung bildete dabei bezogen auf die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer die normative Grundlage für die vom Alter abhängige wöchentliche Dauer der Arbeitszeit, so dass Arbeitnehmer in Teilzeit – wie die Klägerin – von ihr nicht erfasst wurden. Angesichts dessen konnte die Klägerin ihren Zahlungsanspruch nur darauf stützen, dass sie als Teilzeitbeschäftigte nach dem pro-rata-temporis-Grundsatz ihrem Anteil an der Vollarbeitszeit entsprechend wie ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer zu behandeln war. Damit stellte sich die Frage, ob die vom Alter abhängige Differenzierung der Dauer der Arbeitszeit in der Gesamtbetriebsvereinbarung gegen das gesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen des Alters verstieß, wenn ein Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat, nur noch 35 Wochenstunden bei einer Vergütung von 38 Wochenstunden zu arbeiten hat, während ein jüngerer Arbeitnehmer für die gleiche Vergütung noch 36,5 Wochenstunden ableisten muss. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, wozu das Alter gehört, benachteiligt werden. Dabei ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 AGG von einer unmittelbaren Benachteiligung auszugehen, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Von einer derarti-

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Verdienstsicherung bei altersbedingter Herabsetzung der Arbeitszeit

gen unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters war im vorliegenden Fall auszugehen, weil die Gesamtbetriebsvereinbarung unmittelbar an das Alter anknüpfte und sich die davon betroffenen Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation befunden haben. Jüngere Arbeitnehmer wurden unmittelbar gegenüber älteren Arbeitnehmern benachteiligt. Es kam daher entscheidungserheblich darauf an, ob für diese unterschiedliche, an das Alter anknüpfende Behandlung, ein Rechtfertigungsgrund i. S. v. § 10 AGG bestand. Ebenso wie arbeitsvertragliche Vereinbarungen unterliegen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen dem Anwendungsbereich des AGG (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG). Angesichts dessen stellte sich die Frage, ob die unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer durch die Gesamtbetriebsvereinbarung nach § 10 AGG gerechtfertigt sein konnte. Ein ausreichender Rechtfertigungsgrund ist danach gegeben, wenn die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei das BAG mangels Konkretisierung dieses Ziels in § 10 AGG selbst dieses an Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG festmacht. Insofern kommen nur die Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung infrage, so dass es ausschließlich um Ziele aus dem Bereich der Sozialpolitik geht 14. Ein derartiges Ziel ergibt sich möglicherweise aus § 10 S. 3 Nr. 1 AGG, wonach die Festlegung besonderer Beschäftigungsbedingungen zur Förderung und zum Schutz älterer Beschäftigter als legitimes Ziel anerkannt wird. Außerdem muss nach § 10 S. 2 AGG hinzukommen, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind 15. Dabei sind nach Ansicht des BAG in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 S. 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden 16. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass mit der Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel i. S. v. § 10 S. 1 AGG angestrebt wird und dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erfor-

14 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 81 – Prigge; BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 168/14, NZA 2016, 1081 Rz. 47. 15 EuGH v. 2.6.2016 – C-122/15, NZA 2016, 753 Rz. 7 – C; EuGH v. 26.9.2013 – C-546/11, NVwZ 2013, 1401 Rz. 55 f. – Dansk Jurist; BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 168/14, NZA 2016, 1081 Rz. 49. 16 EuGH v. 9.9.2015 – C-20/13, NVwZ 2016, 131 Rz. 43 – Unland; EuGH v. 26.9.2013 – C-546/11, NVwZ 2013, 1401 Rz. 56 – Dansk Jurist; BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 168/14, NZA 2016, 1081 Rz. 49.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

derlich sind, trägt der Arbeitgeber 17. Insofern hat der Arbeitgeber auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung zunächst das mit dieser angestrebte Ziel zu konkretisieren und darüber hinaus substantiiert darzustellen, dass die von der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Mittel erforderlich und angemessen sind, um eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu ermöglichen. Zu Recht betont des BAG in diesem Zusammenhang, dass sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der altersbezogenen Ungleichbehandlung nicht pauschal darauf berufen kann, dass ältere Beschäftigte ein höheres Ruhe- und Erholungsbedürfnis hätten, was durch die sukzessive Reduzierung der Arbeitszeit umgesetzt werde. Vielmehr hätte es eines konkreten Sachvorbringens bedurft, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die in der Gesamtbetriebsvereinbarung bestimmte Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um jeweils 1,5 Stunden daraufhin zu überprüfen, ob sie zur Zielerreichung geeignet und erforderlich ist. War damit bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern die Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich altersdiskriminierend, musste sich das über den Angleichungseffekt aus § 4 TzBfG auch für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer auswirken, bei denen das größere Erholungsbedürfnis keine Bedeutung gewinnen konnte. Angesichts dessen war der Forderung der Klägerin auf höhere Vergütung zu entsprechen, wobei der Anspruch nicht auf § 15 Abs. 1 AGG beruhte und damit der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 TzBfG unterfiel, sondern aus § 134 BGB i. V. m. § 612 Abs. 2 BGB herzuleiten war, so dass nur die in der Gesamtbetriebsvereinbarung maßgebende Ausschlussfrist eingehalten werden musste. Eine dem vorstehenden Streitfall entsprechende Fallkonstellation lag der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 12.4.2016 18 zugrunde. In diesem Fall stritten die Parteien über einen Zusatzurlaub von drei Tagen, der auf der Grundlage eines entsprechenden Tarifvertrags nach dem 50. Lebensjahr zu gewähren war. In dem maßgebenden Tarifvertrag war vorgesehen, dass Arbeitnehmer bis zum 40. Lebensjahr 29 Tage Urlaub erhalten, nach dem 40. Lebensjahr bis zum 50. Lebensjahr 30 Urlaubstage erhalten und nach dem 50. Lebensjahr 33 Urlaubstage bei einer Fünftagewoche in Anspruch nehmen konnten. Der Kläger, der das 40. Lebensjahr, aber noch nicht das 50. Lebensjahr überschritten hatte, beanspruchte von der Beklagten den Zusatzurlaub für die über 50-jährigen Mitarbeiter. Während die Vorinstanzen

17 BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380 Rz. 37; BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 50; BAG v. 20.3.2012 – 9 AZR 529/10, NZA 2012, 803 Rz. 19. 18 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438.

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Verdienstsicherung bei altersbedingter Herabsetzung der Arbeitszeit

die Klage abgewiesen haben, war die Revision des Klägers für das Kalenderjahr 2012 erfolgreich. Da die Beklagte den vom Kläger im Verlauf des Jahres 2012 beanspruchten Zusatzurlaub nicht gewährt hatte, war dieser am Jahresende untergegangen und durch einen dreitägigen Ersatzurlaub ersetzt worden, der sich als Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 S. 1, § 286 Abs. 1 S. 1 i. V. m. S. 2, § 287 S. 2, § 249 Abs. 1 BGB ergab. Der Kläger hatte für das Kalenderjahr 2012 gegenüber der Beklagten nicht nur einen Anspruch auf 30 Arbeitstage, sondern auf 33 Arbeitstage Urlaub. Diesen hatte er rechtzeitig im August 2012 von der Beklagten beansprucht, die sich jedoch wegen des noch nicht erreichten 50. Lebensjahres des Klägers geweigert hatte, den Zusatzurlaub von drei weiteren Tagen zu erteilen, so dass die Beklagte mit der Erteilung dieses Zusatzurlaubs in Verzug geraten war. Da auch Tarifverträge gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG in den Anwendungsbereich des AGG fallen, ging es um die Prüfung, ob die tarifvertragliche Regelung in zulässiger Weise die Anhebung des Urlaubsanspruchs allein mit dem Alter des Arbeitnehmers verknüpfen durfte. Im Streitfall konnte kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger unmittelbar wegen seines Alters durch den nach § 7 Abs. 2 AGG kontrollierbaren Tarifvertrag benachteiligt wurde, so dass es nur noch darum gehen konnte, ob hierfür ein Rechtfertigungsgrund nach § 10 S. 1 und 2 AGG vorlag, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses gerechtfertigten Ziels müssen außerdem erforderlich und angemessen sein, was bedeutet, dass sie nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der benachteiligten Arbeitnehmer führen und nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Dabei hat der Arbeitgeber – wie oben bereits näher erläutert worden ist – darzulegen und nachzuweisen, dass mit der Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel i. S. v. § 10 S. 1 AGG angestrebt wird und dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Im Streitfall hatte sich die Beklagte pauschal darauf berufen, dass mit zunehmendem Alter ein gesteigertes Erholungsbedürfnis für die Arbeitnehmer besteht und der Tarifvertrag den damit bezweckten Gesundheitsschutz durch den Zusatzurlaub habe umsetzen wollen. Das BAG hat diesen Pauschalvortrag der Beklagten nicht ausreichen lassen, weil keine konkreten Umstände dargelegt worden waren, aus denen das Ziel 459

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

des Gesundheitsschutzes ausreichend plausibel hergeleitet werden konnte, weil schon nicht feststand, ob bei sämtlichen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, ein gegenüber jüngeren Arbeitnehmern erhöhtes Erholungsbedürfnis vorlag. Des Weiteren fehlte ein Sachvorbringen dafür, dass das konkret angestrebte Ziel des Gesundheitsschutzes merklich durch den Mehrurlaub von drei Tagen gefördert werden konnte. Da die tarifvertragliche Regelung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG gemäß § 7 Abs. 2 AGG rechtsunwirksam war, musste die Beklagte dem Kläger, obwohl er das 50. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, den Zusatzurlaub von drei weiteren Tagen gewähren. Rechtsfolge einer unmittelbaren Benachteiligung ist die Nichtanwendung der diskriminierenden Regelung. Besteht diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung, ist regelmäßig auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen 19. (Boe)

5.

Anpassung des Arbeitsentgelts bei tariflicher Entgelterhöhung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit

Gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Daraus folgt, dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung, von der auch durch Tarifvertrag nicht abgewichen werden kann (§ 22 TzBfG), ist auch für Arbeitnehmer anwendbar, die im Rahmen der Altersteilzeit beschäftigt werden. Sie schützt insoweit vor einer unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung 20. Mit überzeugender Begründung hat das BAG im Urteil vom 19.1.2016 21 klargestellt, dass aber keine Diskriminierung wegen der Teilzeit gegeben ist, 19 BAG v. 9.12.2015 – 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897 Rz. 53. 20 BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 391 Rz. 14 f.; BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 17. 21 9 AZR 564/14, NZA 2016, 391 Rz. 16 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

des Gesundheitsschutzes ausreichend plausibel hergeleitet werden konnte, weil schon nicht feststand, ob bei sämtlichen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, ein gegenüber jüngeren Arbeitnehmern erhöhtes Erholungsbedürfnis vorlag. Des Weiteren fehlte ein Sachvorbringen dafür, dass das konkret angestrebte Ziel des Gesundheitsschutzes merklich durch den Mehrurlaub von drei Tagen gefördert werden konnte. Da die tarifvertragliche Regelung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG gemäß § 7 Abs. 2 AGG rechtsunwirksam war, musste die Beklagte dem Kläger, obwohl er das 50. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, den Zusatzurlaub von drei weiteren Tagen gewähren. Rechtsfolge einer unmittelbaren Benachteiligung ist die Nichtanwendung der diskriminierenden Regelung. Besteht diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung, ist regelmäßig auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen 19. (Boe)

5.

Anpassung des Arbeitsentgelts bei tariflicher Entgelterhöhung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit

Gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Daraus folgt, dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung, von der auch durch Tarifvertrag nicht abgewichen werden kann (§ 22 TzBfG), ist auch für Arbeitnehmer anwendbar, die im Rahmen der Altersteilzeit beschäftigt werden. Sie schützt insoweit vor einer unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung 20. Mit überzeugender Begründung hat das BAG im Urteil vom 19.1.2016 21 klargestellt, dass aber keine Diskriminierung wegen der Teilzeit gegeben ist, 19 BAG v. 9.12.2015 – 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897 Rz. 53. 20 BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 391 Rz. 14 f.; BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 17. 21 9 AZR 564/14, NZA 2016, 391 Rz. 16 ff.

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Vergütungspflicht bei der Einsichtnahme in Dienstpläne am privaten PC

wenn Arbeitnehmer, die im Blockmodell der Altersteilzeit beschäftigt sind, in der Freistellungsphase der Altersteilzeit von einer tariflichen Entgelterhöhung ausgenommen werden. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die fehlende Einbeziehung von Arbeitnehmern in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht Konsequenz einer Absenkung der Dauer der Arbeitszeit, sondern der Verteilung der im Rahmen der Altersteilzeit zur verrichtenden Arbeit ist. Denn die hier streitgegenständliche Regelung nimmt den Arbeitnehmer in Altersteilzeit nur dann von einer Entgelterhöhung aus, wenn sie Zeiten betrifft, in denen keine (vergütungspflichtige) Arbeitsleistung erbracht wird. Entsprechend der Handhabe in Bezug auf andere teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wird das Arbeitsentgelt des in Altersteilzeit beschäftigten Arbeitnehmers hingegen erhöht, wenn die Anpassung des Tarifvertrags bereits während der Arbeitsphase wirksam ist. Hier erfolgt also keine Ungleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern, insbesondere keine Schlechterstellung, die an die Dauer der Arbeitszeit knüpft. Dass der Arbeitnehmer in der Altersteilzeit für den Fall, dass keine abweichende Vereinbarung getroffen wird, keine Entgelterhöhung erhält, folgt letztendlich aus dem Umstand, dass das ihm in dieser Zeit gewährte Entgelt die Arbeitsleistung vergütet, die bereits während der Arbeitsphase (vorfristig) erbracht wurde. Das Wertguthaben, das insoweit für die Dauer der Freistellungsphase ausgezahlt wird, spiegelt also den Wert der in der Arbeitsphase verrichteten Arbeit wieder. In dieser Zeit wird der Arbeitnehmer für die dort erbrachte Arbeit aber auch so vergütet, wie dies bei anderen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten der Fall ist 22. Natürlich bleibt es den Parteien unbenommen, in den individual- und kollektivrechtlichen Regelungen, die der Altersteilzeit zugrunde liegen, eine hiervon abweichende Regelung zu treffen. Dies entspricht einer durchaus üblichen Handhabe in der betrieblichen Praxis. Ein Anspruch auf eine entsprechende Vorgehensweise besteht indes nicht. Damit verblieben dem Arbeitgeber die Liquiditätsvorteile eines Wertguthabens. Gleichzeitig würde er mit der Zahlung eines Aufstockungsbetrags und der Notwendigkeit einer Insolvenzsicherung des Wertguthabens belastet. (Ga)

6.

Vergütungspflicht bei der Einsichtnahme in Dienstpläne am privaten PC

Auch außerhalb der Diskussion über das Arbeiten 4.0 wird bereits heute erkennbar, dass die Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privatleben ver22 BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 391 Rz. 19.

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Vergütungspflicht bei der Einsichtnahme in Dienstpläne am privaten PC

wenn Arbeitnehmer, die im Blockmodell der Altersteilzeit beschäftigt sind, in der Freistellungsphase der Altersteilzeit von einer tariflichen Entgelterhöhung ausgenommen werden. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die fehlende Einbeziehung von Arbeitnehmern in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht Konsequenz einer Absenkung der Dauer der Arbeitszeit, sondern der Verteilung der im Rahmen der Altersteilzeit zur verrichtenden Arbeit ist. Denn die hier streitgegenständliche Regelung nimmt den Arbeitnehmer in Altersteilzeit nur dann von einer Entgelterhöhung aus, wenn sie Zeiten betrifft, in denen keine (vergütungspflichtige) Arbeitsleistung erbracht wird. Entsprechend der Handhabe in Bezug auf andere teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wird das Arbeitsentgelt des in Altersteilzeit beschäftigten Arbeitnehmers hingegen erhöht, wenn die Anpassung des Tarifvertrags bereits während der Arbeitsphase wirksam ist. Hier erfolgt also keine Ungleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern, insbesondere keine Schlechterstellung, die an die Dauer der Arbeitszeit knüpft. Dass der Arbeitnehmer in der Altersteilzeit für den Fall, dass keine abweichende Vereinbarung getroffen wird, keine Entgelterhöhung erhält, folgt letztendlich aus dem Umstand, dass das ihm in dieser Zeit gewährte Entgelt die Arbeitsleistung vergütet, die bereits während der Arbeitsphase (vorfristig) erbracht wurde. Das Wertguthaben, das insoweit für die Dauer der Freistellungsphase ausgezahlt wird, spiegelt also den Wert der in der Arbeitsphase verrichteten Arbeit wieder. In dieser Zeit wird der Arbeitnehmer für die dort erbrachte Arbeit aber auch so vergütet, wie dies bei anderen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten der Fall ist 22. Natürlich bleibt es den Parteien unbenommen, in den individual- und kollektivrechtlichen Regelungen, die der Altersteilzeit zugrunde liegen, eine hiervon abweichende Regelung zu treffen. Dies entspricht einer durchaus üblichen Handhabe in der betrieblichen Praxis. Ein Anspruch auf eine entsprechende Vorgehensweise besteht indes nicht. Damit verblieben dem Arbeitgeber die Liquiditätsvorteile eines Wertguthabens. Gleichzeitig würde er mit der Zahlung eines Aufstockungsbetrags und der Notwendigkeit einer Insolvenzsicherung des Wertguthabens belastet. (Ga)

6.

Vergütungspflicht bei der Einsichtnahme in Dienstpläne am privaten PC

Auch außerhalb der Diskussion über das Arbeiten 4.0 wird bereits heute erkennbar, dass die Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privatleben ver22 BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 391 Rz. 19.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

wischt werden. Dies ist nicht nur Folge einer zunehmenden Flexibilisierung der Arbeit und Arbeitszeit, sondern auch eine Konsequenz der steigenden Zahl von Arbeitnehmern, die außerhalb des Betriebs tätig werden. Die bereits verfügbare Technik nebst einer Digitalisierung unserer Arbeit und Arbeitsprozesse macht es möglich, Arbeitsergebnisse, die an unterschiedlichen Orten erstellt werden, in einen Produktionsprozess einzubinden. Dabei kann auch flexibel auf Personen zurückgegriffen werden, die sich außerhalb des eigentlichen Betriebsgeländes befinden. Immer wieder löst die damit verbundene Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie Fragen der Arbeitszeit und der Vergütungspflicht aus. Denn natürlich stellt sich die Frage, ob entsprechende Tätigkeiten (z. B. Telefonate, Durchsicht/Beantwortung von E-Mails, Entgegennahme elektronischer Signale oder Einsichtnahme in Internet/Intranet) als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen, vergütungsrechtlichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Sinne zu behandeln sind. Daraus folgt dann auch, welche Konsequenzen sich aus solchen Tätigkeiten während eines durch den Arbeitgeber bereits gewährten Urlaubs ergeben. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesen besonderen Fragen liegt bislang nicht vor. Im Gegenteil: Es ist in der Praxis erkennbar, dass im wechselseitigen Einvernehmen arbeitsrechtliche Schranken missachtet und Schutzvorschriften, die auf der Grundlage einer Arbeitswelt der Vergangenheit geschaffen wurden, zum Teil bewusst negiert werden, damit das wechselseitige Bedürfnis einer freieren und flexibleren Gestaltung der Arbeit realisiert werden kann. Wir hatten diese Entwicklung an anderer Stelle behandelt 23. Wie die Entscheidung des LAG Hamm vom 7.1.2016 24 deutlich macht, lassen sich einzelne Fragestellungen aber nicht immer streitlos bewältigen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall machte der Kläger, ein angestellter Tierarzt in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung/Trichinenschau, Vergütungs- und Entschädigungsansprüche geltend, die aus der Nutzung des heimischen PCs für die Einsichtnahme der durch den Arbeitgeber im Internet eingestellten Dienstpläne resultieren sollten. Die Arbeitsvertragsparteien hatten für den Kläger keine feste Arbeitszeit vereinbart. Vielmehr sollte er nach den für das Arbeitsverhältnis verbindlichen Regelungen des Tarifvertrags durchschnittlich zehn Stunden/Woche zur Arbeit herangezogen werden, falls arbeitsvertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Voraussetzung für die Entstehung einer daraus folgenden Arbeitspflicht war, 23 B. Gaul, AktuellAR 2016, 397 ff. 24 17 Sa 1270/15 n. v.

462

Vergütungspflicht bei der Einsichtnahme in Dienstpläne am privaten PC

dass der Arbeitgeber dem Kläger die Dienstpflicht als solches mindestens zwei Tage vorher und die Uhrzeit der Arbeitsaufnahme am Vortag spätestens bis 15.00 Uhr mitgeteilt hatte. Nachdem der Arbeitgeber in der Vergangenheit die Dienstpläne per E-Mail zugeschickt hatte, entschloss er sich im Februar 2014, die wöchentlichen Dienstpläne im Internet in einem sog. ROTASystem einzustellen. Dieses ermöglichte es den Mitarbeitern, von dem im Betrieb befindlichen PC oder dem privaten PC Einsicht in die eingestellten Dienstpläne zu nehmen und etwaige Wünsche zur Zeiteinteilung mitzuteilen. Der Kläger machte zwar von dieser Einsichtnahmemöglichkeit vom privaten PC Gebrauch. Er vertrat allerdings die Auffassung, dass die von ihm hierzu aufgewendete Zeit durch den Arbeitgeber zu vergüten und ihm wegen der Nutzung des privaten PCs nebst Internetanschluss eine Nutzungsentschädigung gewährt werden müsse. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Hamm die dahingehende Klage abgewiesen. Mit der Einsichtnahme in die Dienstpläne hatte der Kläger keine aus dem Arbeitsvertrag resultierende Hauptleistungspflicht erbracht. Da die Beklagte den Kläger nicht angewiesen hatte, die Dienstpläne vom heimischen PC einzusehen, lag in dieser Tätigkeit auch nicht die Erfüllung einer Nebenpflicht. Hier wäre dann ohnehin die weitergehende Frage zu klären gewesen, ob gemäß § 612 Abs. 1 BGB für die insoweit im Arbeitsvertrag nicht geregelte Tätigkeit überhaupt eine Vergütungserwartung berechtigt war. Unabhängig davon war diese Tätigkeit des Klägers als eine Vorbereitungshandlung anzusehen, die ihn in die Lage versetzte, Kenntnis darüber zu erhalten, wann er die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu übernehmen hatte. Insofern war – auch wenn dies das LAG Hamm in dieser Form nicht ausdrücklich feststellt – die Einsicht in die Dienstpläne schlussendlich nicht mehr als die Entgegennahme der auch in § 12 TzBfG vorgesehenen Erklärung des Arbeitgebers, wann für welche Dauer die Arbeitsleistung abgerufen wird. Die Entgegennahme einer solchen Erklärung über den Abruf der Arbeit stellt selbst noch keine Arbeit dar. Folgerichtig kann es sich bei der hierfür aufgewendeten Zeit auch nicht um Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen, vergütungsrechtlichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Sinn handeln. Die gleiche Bewertung wird man dann vornehmen müssen, wenn durch den Kläger im Zusammenhang mit der Einsichtnahme eigener Arbeitszeit Wünsche geäußert werden. Auch ein solcher Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellt noch keine Arbeit, sondern eine Vorbereitungshandlung zur Abstimmung über den Zeitpunkt und die Dauer der künftig zu leistenden Arbeit dar. Auch dieser Austausch von Willenserklärungen entspricht der 463

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Systematik der Abrufarbeit, ohne selbst als Arbeitszeit qualifiziert werden zu können. Entsprechendes gilt dann, wenn die Aufforderung zur Verrichtung der Arbeit – wie dies bei Rufbereitschaft der Fall sein kann – durch einen Anruf und/oder ein elektronisches Signal des Arbeitgebers erfolgt. Auch hier ist die Entgegennahme der Benachrichtigung selbst noch nicht als Arbeit anzusehen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn im Zusammenhang mit der Entgegennahme der Nachricht bereits arbeitsvertragliche Pflichten erfüllt werden. Dies kann dann der Fall sein, wenn arbeitsbezogene E-Mails geschrieben oder entsprechende Anrufe getätigt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit dem Inhalt dieser Kommunikation die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erfüllt wird und der Arbeitgeber veranlasst, dass der Arbeitnehmer insoweit tätig wird. Wenn und soweit die Nutzung des privaten PCs nur zur Entgegennahme einer Aufforderung zur zukünftigen Aufnahme der Tätigkeit dient, können – darauf weist das LAG Hamm im Urteil vom 7.1.2016 25 ausdrücklich hin – daraus auch keine Nutzungsentschädigungsansprüche des Arbeitnehmers entstehen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 670 BGB insbesondere dann, wenn solche Dienstpläne auch auf dem im Betrieb befindlichen PC hätten eingesehen werden können und eine Weisung des Arbeitgebers nicht bestand, stattdessen den privaten PC zu benutzen. (Ga)

7.

Gerichtliche Bestimmung der Höhe eines Ermessensbonus

Flexible Gehaltsbestandteile sind in der betrieblichen Praxis bei Gesamtgehaltsvereinbarungen in Gestalt von Tantiemen oder Leistungsbonuszahlungen gerade für obere Führungskräfte immer wieder anzutreffen und Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen 26. Häufig wird dabei die Höhe der Bonuszahlung auf der Grundlage der vertraglichen Regelung offen gelassen mit der Maßgabe, dass der Arbeitgeber etwa unter Berücksichtigung des Erfolgs des Unternehmens, der individuellen Zielerreichung oder weiterer vorgegebener Ziele die Bonuszahlung nach billigem Ermessen festsetzt. Bereits bei früherer Gelegenheit hat das BAG 27 eine derartige Vertragsgestaltung im

25 17 Sa 1270/15 n. v. 26 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, DB 2012, 351. 27 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 27; BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 35.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Systematik der Abrufarbeit, ohne selbst als Arbeitszeit qualifiziert werden zu können. Entsprechendes gilt dann, wenn die Aufforderung zur Verrichtung der Arbeit – wie dies bei Rufbereitschaft der Fall sein kann – durch einen Anruf und/oder ein elektronisches Signal des Arbeitgebers erfolgt. Auch hier ist die Entgegennahme der Benachrichtigung selbst noch nicht als Arbeit anzusehen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn im Zusammenhang mit der Entgegennahme der Nachricht bereits arbeitsvertragliche Pflichten erfüllt werden. Dies kann dann der Fall sein, wenn arbeitsbezogene E-Mails geschrieben oder entsprechende Anrufe getätigt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit dem Inhalt dieser Kommunikation die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erfüllt wird und der Arbeitgeber veranlasst, dass der Arbeitnehmer insoweit tätig wird. Wenn und soweit die Nutzung des privaten PCs nur zur Entgegennahme einer Aufforderung zur zukünftigen Aufnahme der Tätigkeit dient, können – darauf weist das LAG Hamm im Urteil vom 7.1.2016 25 ausdrücklich hin – daraus auch keine Nutzungsentschädigungsansprüche des Arbeitnehmers entstehen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 670 BGB insbesondere dann, wenn solche Dienstpläne auch auf dem im Betrieb befindlichen PC hätten eingesehen werden können und eine Weisung des Arbeitgebers nicht bestand, stattdessen den privaten PC zu benutzen. (Ga)

7.

Gerichtliche Bestimmung der Höhe eines Ermessensbonus

Flexible Gehaltsbestandteile sind in der betrieblichen Praxis bei Gesamtgehaltsvereinbarungen in Gestalt von Tantiemen oder Leistungsbonuszahlungen gerade für obere Führungskräfte immer wieder anzutreffen und Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen 26. Häufig wird dabei die Höhe der Bonuszahlung auf der Grundlage der vertraglichen Regelung offen gelassen mit der Maßgabe, dass der Arbeitgeber etwa unter Berücksichtigung des Erfolgs des Unternehmens, der individuellen Zielerreichung oder weiterer vorgegebener Ziele die Bonuszahlung nach billigem Ermessen festsetzt. Bereits bei früherer Gelegenheit hat das BAG 27 eine derartige Vertragsgestaltung im

25 17 Sa 1270/15 n. v. 26 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, DB 2012, 351. 27 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 27; BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 35.

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Gerichtliche Bestimmung der Höhe eines Ermessensbonus

Hinblick auf die AGB-Kontrolle akzeptiert, weil der Gesetzgeber selbst in § 315 Abs. 1 BGB die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erlaubt. Eine solche Regelung verstößt regelmäßig auch nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie beinhaltet auch keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB. Sie ist auch nicht unzulässig benachteiligend i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. In diesem Zusammenhang ist das BAG 28 auch davon ausgegangen, dass die Leistung des Arbeitnehmers neben der Ertragslage des Unternehmens bei der Leistungsbestimmung der festzusetzenden Bonuszahlung zu berücksichtigen ist; die Leistungsbestimmung entspricht nur dann billigem Ermessen, wenn zum einen das vom Arbeitgeber festzusetzende Budget in Abhängigkeit von der Vertragsgrundlage ausreicht, um die tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren, zum anderen das erreichte persönliche Ziel des Arbeitnehmers einen angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus findet. Um die gerichtliche Leistungsbestimmung eines Bonusanspruchs ging es auch in der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 3.8.2016 29. Der Kläger hatte aufgrund der vertraglichen Vereinbarung der Parteien einen Bonusanspruch, der freiwillig zu gewähren war und davon abhing, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stand. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung erhielt er für das Geschäftsjahr 2009 einen garantierten Bonus in Höhe von 200.000,- €, für das Geschäftsjahr 2010 eine Leistung in Höhe von 9.920,- €. Für das Geschäftsjahr 2011 erhielt der Kläger keinen Bonus, während anderen Mitarbeitern Leistungen gewährt wurden, die sich der Höhe nach überwiegend zwischen einem Viertel und der Hälfte der jeweiligen Vorjahresleistung bewegten. Aufgrund betriebsbedingter Kündigung endete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 30.9.2012. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zahlung eines Bonus für das Geschäftsjahr 2011, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellte, mindestens aber 52.480,- € beanspruchte. Während das ArbG die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger 78.720,- € zu zahlen, ist die Klage vom LAG abgewiesen worden, weil der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen habe, die eine gerichtliche Festsetzung der Bonushöhe ermöglicht hätten. Das BAG hat auf die erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten den Rechtsstreit an das LAG zur Festsetzung der Bonushöhe zurückverwiesen.

28 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 62. 29 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334.

465

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Zunächst bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung, dass ein mit der Bonuszahlung im Arbeitsvertrag vorgesehener Freiwilligkeitsvorbehalt einer AGB-Kontrolle nicht standhalte und damit den vertraglichen Anspruch für die Zukunft nicht ausschließen könne, weil darin eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers läge, der seinerseits für das maßgebende Geschäftsjahr die Arbeitsleistung erbracht habe 30. Dies würde gleichermaßen gelten, wenn man den Freiwilligkeitsvorbehalt dahingehend interpretierte, dass der Arbeitgeber die Leistungsbestimmung wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts schlicht unterlässt. Ein derartiger Vorbehalt lässt daher die Interpretation zu, dass dem Arbeitgeber – hier der Beklagten – ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. v. § 315 BGB zusteht, was als gesetzliches Leitbild keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt. Wie bereits in früheren Entscheidungen betont das BAG auch in diesem Urteil, dass die Bonuszahlung als Gegenleistung für die im Geschäftsjahr laufend erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu qualifizieren sei und damit nicht von einem ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden könne 31. Die von der Beklagten vorgenommene Festsetzung des Bonusanspruchs des Klägers für das Geschäftsjahr 2011 auf Null ist nach Ansicht des BAG i. S. v. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unverbindlich, weil die Beklagte als Inhaber des Bestimmungsrechts keinen Vortrag dazu gehalten hat, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien von ihrer Seite die Leistungsbestimmung getroffen worden ist. Damit wird die in § 315 Abs. 3 BGB vorgesehene gesetzliche Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ausgelöst. Erweist sich damit die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers – hier der Beklagten – als unverbindlich, ist das Arbeitsgericht gehalten, anstelle des Arbeitgebers eine Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vorzunehmen. Dabei geht das BAG davon aus, dass die richterliche Ersatzleistungsbestimmung auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien zu treffen ist, wobei eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinne nicht besteht. Vielmehr hat jede Partei im Sinne einer Obliegenheit die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, die als Grundlage für die Ersatzleistungsbestimmung nutzbar zu machen sind. Angesichts dessen darf – so das BAG – der Anspruchsteller auch nicht auf die Erhebung einer Aus-

30 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 Rz. 20; BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 52. 31 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 15; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 Rz. 31; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561 Rz. 25.

466

Pauschalierte Schadensersatzpflicht bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers

kunftsklage verwiesen werden. Nur wenn mangels Vorbringens beider Parteien und nach Ausschöpfung des Prozessstoffs jegliche Anhaltspunkte für eine Leistungsbestimmung fehlen, kann in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO eine Leistungsfestsetzung durch das Gericht unterbleiben 32. So können im Fall der gerichtlichen Leistungsbestimmung die in den Vorjahren gezahlten Boni ebenso eine Rolle spielen wie die konkreten Leistungen des Arbeitnehmers und die wirtschaftlichen Kennzahlen des Arbeitgebers. Dabei können auch Zahlungen an andere Arbeitnehmer für die Ersatzleistungsbestimmung von Bedeutung sein. Für die Praxis ist vor allem von Bedeutung, dass das BAG im Falle einer verweigerten Bonuszahlung im Ergebnis der Auskunftsklage als Stufenklage neben der Leistungsklage auf Zahlung eine Absage erteilt, wenn die Parteien über die Unbilligkeit einer vom Arbeitgeber getroffenen Leistungsbestimmung streiten. Hat die Auskunftsklage keine rechtsrelevante Bedeutung für die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung und das Ersatzbestimmungsrecht des Arbeitsgerichts, so dürfte ihr das Rechtsschutzinteresse zu versagen sein. (Boe)

8.

Pauschalierte Schadensersatzpflicht bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers

Nach § 288 BGB ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Der dafür im Arbeitsverhältnis maßgebliche Zinssatz liegt bei 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB). Unabhängig davon, dass die Geltendmachung eines weiteren Schadens durch den Gläubiger nicht ausgeschlossen ist (§ 288 Abs. 4 BGB), enthalten die in § 288 Abs. 5, 6 BGB getroffenen Regelungen seit dem 29.7.2016 33 die Verpflichtung, im Verzugsfall pauschalierten Schadensersatz leisten zu müssen. Die entsprechenden Regelungen lauten wie folgt: (5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40,00 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

32 BGH v. 8.11.2011 – EnZR 32/10, RdE 2012, 63. 33 BGBl. I 2016, 1218 ff.

467

Pauschalierte Schadensersatzpflicht bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers

kunftsklage verwiesen werden. Nur wenn mangels Vorbringens beider Parteien und nach Ausschöpfung des Prozessstoffs jegliche Anhaltspunkte für eine Leistungsbestimmung fehlen, kann in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO eine Leistungsfestsetzung durch das Gericht unterbleiben 32. So können im Fall der gerichtlichen Leistungsbestimmung die in den Vorjahren gezahlten Boni ebenso eine Rolle spielen wie die konkreten Leistungen des Arbeitnehmers und die wirtschaftlichen Kennzahlen des Arbeitgebers. Dabei können auch Zahlungen an andere Arbeitnehmer für die Ersatzleistungsbestimmung von Bedeutung sein. Für die Praxis ist vor allem von Bedeutung, dass das BAG im Falle einer verweigerten Bonuszahlung im Ergebnis der Auskunftsklage als Stufenklage neben der Leistungsklage auf Zahlung eine Absage erteilt, wenn die Parteien über die Unbilligkeit einer vom Arbeitgeber getroffenen Leistungsbestimmung streiten. Hat die Auskunftsklage keine rechtsrelevante Bedeutung für die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung und das Ersatzbestimmungsrecht des Arbeitsgerichts, so dürfte ihr das Rechtsschutzinteresse zu versagen sein. (Boe)

8.

Pauschalierte Schadensersatzpflicht bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers

Nach § 288 BGB ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Der dafür im Arbeitsverhältnis maßgebliche Zinssatz liegt bei 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB). Unabhängig davon, dass die Geltendmachung eines weiteren Schadens durch den Gläubiger nicht ausgeschlossen ist (§ 288 Abs. 4 BGB), enthalten die in § 288 Abs. 5, 6 BGB getroffenen Regelungen seit dem 29.7.2016 33 die Verpflichtung, im Verzugsfall pauschalierten Schadensersatz leisten zu müssen. Die entsprechenden Regelungen lauten wie folgt: (5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40,00 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

32 BGH v. 8.11.2011 – EnZR 32/10, RdE 2012, 63. 33 BGBl. I 2016, 1218 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Fraglich ist, ob die Regelungen zum pauschalierten Schadensersatz in § 288 Abs. 5, 6 BGB auch auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen. Dafür spricht der insoweit ohne weitere Einschränkung formulierte Wortlaut, der den Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers erfasst. Ausgegrenzt werden insoweit lediglich solche Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die als Aufwendungsersatz keinen Entgeltcharakter besitzen 34. Gegen eine Anwendbarkeit dieser Regelungen zum pauschalierten Schadensersatz spricht sich jetzt allerdings das ArbG Düsseldorf im Urteil vom 12.5.2016 35 aus 36. Zur Begründung verweist das ArbG Düsseldorf auf den darin liegenden Widerspruch zu § 12 a ArbGG. Dieser bestimmt, dass in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands besteht. Da diese Regelung auch der Geltendmachung der Kosten für die außergerichtliche Hinzuziehung eines Bevollmächtigten entgegensteht 37, sei es widersprüchlich, dem Arbeitnehmer gleichwohl durch § 288 Abs. 5 BGB einen pauschalen Schadensersatz zuzuerkennen. Denn § 288 Abs. 5 S. 3 BGB lasse erkennen, dass damit insbesondere die Kosten einer etwaigen Rechtsverfolgung ausgeglichen bzw. gemindert werden sollen. Hiervon ausgehend sei es geboten, einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine solche Pauschale im Wege einer teleologischen Einschränkung des Anwendungsbereichs jedenfalls solange auszuschließen, wie es nach § 12 a ArbGG auch keine Kosten-

34 So Tiedemann, ArbRB 2014, 312, 313; Lembke, FA 2014, 357, 358; Voigt, AiB 2016, 34 ff. 35 2 Ca 5416/15 n. v. Rz. 27 ff. 36 Ebenso Diller, NZA 2015, 1095, 1096. 37 BAG v. 16.5.1990 – 4 AZR 56/90, NZA 1991, 27 Rz. 21.

468

Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers

erstattung geben könne. Relevant werde § 288 Abs. 5, 6 BGB daher erst dann, wenn auch unter Berücksichtigung von § 12 a ArbGG als Folge eines Rechtsbehelfs für die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung Kostenerstattungsansprüche entstehen können. Ob sich diese Bewertung durchsetzen wird, erscheint fraglich, obwohl die Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, die mit § 288 BGB zur Umsetzung kommen soll, diesem Verständnis nicht entgegensteht. So sind jetzt auch das LAG Köln im Urteil vom 22.11.2016 38 und das LAG Baden-Württemberg vom 13.10.2016 39 von der Anwendbarkeit ausgegangen, haben aber Revision zugelassen. Denn die Richtlinie findet nur auf Zahlungen Anwendung, die als Entgelt im Rahmen von Geschäftsvorgängen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen vereinbart wurden. Ungeachtet dessen erscheint es in der Betriebspraxis geboten, in Vereinbarungen mit etwaigen Dienstleistern, über die die Abrechnung und Auszahlung von Arbeitsentgelt erfolgt, einen Anspruch auf Erstattung für den Fall einer Zahlungspflicht des Arbeitgebers aus § 288 Abs. 5 BGB aufzunehmen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Eintritt von Verzug und daraus folgend auch der Zahlungspflicht aus § 288 Abs. 5 BGB an Verschulden des Schuldners geknüpft ist (§ 286 Abs. 4 BGB). Hat der Arbeitgeber die verspätete Auszahlung des Arbeitsentgelts nicht zu vertreten, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die personelle sowie technische Durchführung geschaffen wurden, kann auch der pauschalierte Schadensersatzanspruch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden 40. (Ga)

9.

Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber kommt als Gläubiger der Arbeitsleistung nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Die Rechtsfolgen des Annahmeverzugs sind in § 615 S. 1 BGB geregelt, wonach der Arbeitnehmer den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung behält, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät. Mit dieser Vorschrift wird zugunsten des Arbeitnehmers die Vergütungsgefahr geregelt, 38 12 Sa 524/16 n. v. 39 3 Sa 34/16 n. v. 40 ArbG Düsseldorf v. 12.5.2016 – 2 Ca 5416/15 n. v. Rz. 65 ff.

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Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers

erstattung geben könne. Relevant werde § 288 Abs. 5, 6 BGB daher erst dann, wenn auch unter Berücksichtigung von § 12 a ArbGG als Folge eines Rechtsbehelfs für die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung Kostenerstattungsansprüche entstehen können. Ob sich diese Bewertung durchsetzen wird, erscheint fraglich, obwohl die Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, die mit § 288 BGB zur Umsetzung kommen soll, diesem Verständnis nicht entgegensteht. So sind jetzt auch das LAG Köln im Urteil vom 22.11.2016 38 und das LAG Baden-Württemberg vom 13.10.2016 39 von der Anwendbarkeit ausgegangen, haben aber Revision zugelassen. Denn die Richtlinie findet nur auf Zahlungen Anwendung, die als Entgelt im Rahmen von Geschäftsvorgängen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen vereinbart wurden. Ungeachtet dessen erscheint es in der Betriebspraxis geboten, in Vereinbarungen mit etwaigen Dienstleistern, über die die Abrechnung und Auszahlung von Arbeitsentgelt erfolgt, einen Anspruch auf Erstattung für den Fall einer Zahlungspflicht des Arbeitgebers aus § 288 Abs. 5 BGB aufzunehmen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Eintritt von Verzug und daraus folgend auch der Zahlungspflicht aus § 288 Abs. 5 BGB an Verschulden des Schuldners geknüpft ist (§ 286 Abs. 4 BGB). Hat der Arbeitgeber die verspätete Auszahlung des Arbeitsentgelts nicht zu vertreten, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die personelle sowie technische Durchführung geschaffen wurden, kann auch der pauschalierte Schadensersatzanspruch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden 40. (Ga)

9.

Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber kommt als Gläubiger der Arbeitsleistung nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Die Rechtsfolgen des Annahmeverzugs sind in § 615 S. 1 BGB geregelt, wonach der Arbeitnehmer den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung behält, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät. Mit dieser Vorschrift wird zugunsten des Arbeitnehmers die Vergütungsgefahr geregelt, 38 12 Sa 524/16 n. v. 39 3 Sa 34/16 n. v. 40 ArbG Düsseldorf v. 12.5.2016 – 2 Ca 5416/15 n. v. Rz. 65 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

wenn die Erbringung seiner Arbeitsleistung allein an der mangelnden Mitwirkung des Arbeitgebers scheitert. Die Leistungserbringung des Arbeitnehmers wird, weil die Arbeitskraft nicht aufbewahrt werden kann, unmöglich und entfällt, sobald die Leistungszeit ungenutzt verstreicht (§ 275 Abs. 1 BGB) 41. § 615 BGB regelt jedoch nur die Folgen des Gläubigerverzugs und nicht dessen Voraussetzungen, die in den §§ 293 ff. BGB geregelt sind. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer nach § 294 BGB persönlich (§ 613 S. 1 BGB) die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten, wie sie zu bewirken ist, d. h., der Arbeitnehmer muss am Erfüllungsort (Arbeitsplatz) erscheinen und zur unverzüglichen Arbeitsaufnahme bereit sein 42. Dafür hat sich die griffige Formel eingebürgert, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise anzubieten hat 43. Allerdings kann ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung nach § 295 BGB für den Eintritt des Annahmeverzugs ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen will, was auch konkludent geschehen kann 44. Davon kann auszugehen sein, wenn die Parteien über den zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung unterschiedlicher Meinung sind oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang nicht beschäftigen will 45. Das wörtliche Angebot muss als rechtsgeschäftsähnliche Handlung dem Arbeitgeber zugehen 46 und es muss sich inhaltlich auf die geschuldete Arbeitsleistung, d. h. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise, beziehen 47. Auch nach Ablauf einer Befristung, über deren Wirksamkeit die Parteien streiten, bedarf es nach der Rechtsprechung des BAG 48 zur Begründung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers eines wörtlichen Angebots des Arbeitnehmers, das in der Erhebung der Entfristungsklage liegen kann. Dies gilt auch dann, wenn sich die vom Arbeitgeber mit fehlerhafter Kündigungsfrist erklärte or41 Grundsätzlich dazu MüArbR/Boewer, § 69 Rz. 1 ff. m. w. N. 42 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 886/12, NZA 2015, 494 Rz. 41; BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 Rz. 22; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 Rz. 28; Schaub/Linck, § 95 Rz. 25 ff; MüArbR/Boewer, § 69 Rz. 14. 43 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 Rz. 37. 44 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 886/12, NZA 2015, 494 Rz. 41; BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 Rz. 22. 45 BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 950/13, ZTR 2016, 507 Rz. 34. 46 BAG v. 21.3.1985 – 2 AZR 201/84, NZA 1985, 778 Rz. 14, 19. 47 BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 950/13, ZTR 2016, 507 Rz. 36; BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 Rz. 37. 48 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 Rz. 28; Schaub/Linck § 95 Rz. 30.

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Voraussetzungen für Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers

dentliche Kündigung als solche zu dem „richtigen“ Termin auslegen lässt 49. Nur für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es nach der Rechtsprechung des BAG 50 zur Begründung des Annahmeverzugs keines Vertragsangebots des Arbeitnehmers. Für diese Fallkonstellation ist nach § 296 Abs. 1 BGB ein Angebot des Arbeitnehmers entbehrlich, weil der Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen hat und ihm einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen muss 51. Der Arbeitgeber verweigert eine Mitwirkungshandlung, ohne die der Arbeitnehmer zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung außerstande ist, sodass die Anzeige einer weiteren Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers zwecklos ist. So kann sich auch im Regelfall bei der Erklärung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer von der weiteren Arbeitsleistungspflicht freizustellen, eine Angebotserklärung der Arbeitsleistung erübrigen 52. Mit der Aufhebung der Arbeitspflicht bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis verzichtet der Arbeitgeber auf die Erbringung und das Angebot der Arbeitsleistung mit der Folge, dass er sich auch ohne tatsächliches oder wörtliches Angebot der Arbeitsleistung im Annahmeverzug befindet. Die Frage des Annahmeverzugs war auch Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 24.2.2016 53. Die Klägerin war bei dem Beklagten als Erzieherin mit 29,77 Wochenstunden beschäftigt. Im Anschluss an eine Ausbildung zur heilpädagogischen Förderlehrerin im Sommer 2006 wurde sie von dem Beklagten als Förderlehrerin nur noch mit 26,55 Zeitstunden wöchentlich eingesetzt. Einen die Reduzierung der Arbeitszeit von dem Beklagten angebotenen Arbeitsvertrag unterzeichnete die Klägerin nicht. Sie erbrachte in der Folgezeit nur die zeitlich geringere Arbeitsleistung als Förderlehrerin und erhielt von dem Beklagten auch eine entsprechend geringere Vergütung. Erst im Februar 2011 beanspruchte die Klägerin von dem Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs eine Nachzahlung von 10.660,50 € brutto. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung hat das BAG die Zahlungsklage für unbegründet erachtet, weil die Klägerin im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zur Begründung eines Annahmeverzugs des Beklagten 49 BAG v. 15.5.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076 Rz. 23. 50 Nur BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 886/12, NZA 2015, 494 Rz. 41 m. w. N. 51 Zust. ErfK/Preis, BGB § 615 Rz. 30; MüArbR/Boewer, § 69 Rz. 17; im Ergebnis auch Schaub/Linck, § 95 Rz. 32; abl. Soergel/Kraft, BGB § 615 Rz. 25; HKW/Krause, BGB § 615 Rz. 39 ff. 52 BAG v. 26.6.2013 – 5 AZR 432/12, AP Nr. 132 zu § 615 BGB Rz. 18. 53 4 AZR 950,13, ZTR 2016, 507.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

gehalten gewesen wäre, über die tatsächliche Arbeitszeit hinaus zumindest wörtlich nach § 295 BGB ihre Arbeitsleistung im Umfang der früheren Arbeitszeit anbieten müssen. Ein derartiges Angebot hatte die Klägerin nicht abgegeben. Die fehlende Reaktion auf das Vertragsänderungsangebot des Beklagten enthielt nach Auffassung des BAG ein derartiges Angebot nicht, weil der Erklärungswert des Schweigens nicht über die Ablehnung des Vertragsänderungsangebots hinausgeht. Dieser Entscheidung des BAG ist vorbehaltlos zuzustimmen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass stets ein tatsächlich erfüllbares Arbeitsverhältnis vorliegen muss 54. Außerdem setzt § 297 BGB für die Begründung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers voraus, dass der Arbeitnehmer leistungsfähig und leistungswillig ist 55. (Boe)

10. Höchstrichterliche Klarstellungen zum Mindestlohn Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des MiLoG haben wir uns in der Vergangenheit eingehend mit der Frage befasst, welche Beschäftigungsformen einen Anspruch auf Mindestlohn auslösen und welche Entgeltzahlungen außerhalb des monatlichen Lohns oder Gehalts durch den Arbeitgeber im Hinblick auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden können 56. Problematisch war bislang, dass § 2 Abs. 1 S. 1 MiLoG nur die Verpflichtung des Arbeitgebers enthält, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens aber am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Ergänzend hierzu bestimmt § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG, dass die Höhe des Mindestlohns ab dem 1.1.2015 8,50 € (brutto) je Arbeitsstunde beträgt. Daran wird sich auch mit der Anhebung des Mindestlohns zum 1.1.2017 57 nichts ändern. Mit überzeugender Begründung hat der 5. Senat des BAG in seinen Urteilen vom 25.5.2016 58 und vom 29.6.2016 59 ganz wesentliche Fragen beantwortet. So hat das BAG im Urteil vom 29.6.2016 60 zunächst einmal festgestellt, dass zu der nach §§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 Abs. 1 S. 1, 20 MiLoG vergütungspflichtigen

54 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 9/15, NJW 2016, 1530 Rz. 15. 55 BAG v. 24.9.2003 – 5 AZR 591/02, NZA 2003, 1387 Rz. 16; BAG v. 19.5.2004 – 5 AZR 434/03, NZA 2004, 1064 Rz. 21. 56 B. Gaul, AktuellAR 2014, 10 ff., 273 ff., 2015, 104 ff., 439 ff.; 2016, 122 ff. 57 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 357. 58 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327. 59 5 AZR 716/15, NZA 2016, 1332.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

gehalten gewesen wäre, über die tatsächliche Arbeitszeit hinaus zumindest wörtlich nach § 295 BGB ihre Arbeitsleistung im Umfang der früheren Arbeitszeit anbieten müssen. Ein derartiges Angebot hatte die Klägerin nicht abgegeben. Die fehlende Reaktion auf das Vertragsänderungsangebot des Beklagten enthielt nach Auffassung des BAG ein derartiges Angebot nicht, weil der Erklärungswert des Schweigens nicht über die Ablehnung des Vertragsänderungsangebots hinausgeht. Dieser Entscheidung des BAG ist vorbehaltlos zuzustimmen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass stets ein tatsächlich erfüllbares Arbeitsverhältnis vorliegen muss 54. Außerdem setzt § 297 BGB für die Begründung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers voraus, dass der Arbeitnehmer leistungsfähig und leistungswillig ist 55. (Boe)

10. Höchstrichterliche Klarstellungen zum Mindestlohn Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des MiLoG haben wir uns in der Vergangenheit eingehend mit der Frage befasst, welche Beschäftigungsformen einen Anspruch auf Mindestlohn auslösen und welche Entgeltzahlungen außerhalb des monatlichen Lohns oder Gehalts durch den Arbeitgeber im Hinblick auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden können 56. Problematisch war bislang, dass § 2 Abs. 1 S. 1 MiLoG nur die Verpflichtung des Arbeitgebers enthält, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer den Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens aber am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Ergänzend hierzu bestimmt § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG, dass die Höhe des Mindestlohns ab dem 1.1.2015 8,50 € (brutto) je Arbeitsstunde beträgt. Daran wird sich auch mit der Anhebung des Mindestlohns zum 1.1.2017 57 nichts ändern. Mit überzeugender Begründung hat der 5. Senat des BAG in seinen Urteilen vom 25.5.2016 58 und vom 29.6.2016 59 ganz wesentliche Fragen beantwortet. So hat das BAG im Urteil vom 29.6.2016 60 zunächst einmal festgestellt, dass zu der nach §§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 Abs. 1 S. 1, 20 MiLoG vergütungspflichtigen

54 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 9/15, NJW 2016, 1530 Rz. 15. 55 BAG v. 24.9.2003 – 5 AZR 591/02, NZA 2003, 1387 Rz. 16; BAG v. 19.5.2004 – 5 AZR 434/03, NZA 2004, 1064 Rz. 21. 56 B. Gaul, AktuellAR 2014, 10 ff., 273 ff., 2015, 104 ff., 439 ff.; 2016, 122 ff. 57 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 357. 58 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327. 59 5 AZR 716/15, NZA 2016, 1332.

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Höchstrichterliche Klarstellungen zum Mindestlohn

Arbeit auch Bereitschaftszeiten gehören, während der sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort – innerhalb oder außerhalb des Betriebs – bereit halten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Dies entspricht der auch diesseits vertretener Auffassung 61. Allerdings kann der gesetzliche Vergütungsanspruch auch unter Anrechnung des dem Arbeitnehmer im Übrigen gezahlten Entgelts erfüllt werden, wenn dieses – wie nachfolgend aufgezeigt wird – keine anderweitige Zweckbestimmung besitzt. Anders ist dies, wenn Rufbereitschaft vereinbart wird. Während dieser Zeitspanne, die der Arbeitnehmer an einem von ihm bestimmten Ort verbringen kann, liegt keine vergütungspflichtige Arbeit i. S. d. MiLoG vor 62. Wichtiger für die betriebliche Praxis dürften aber die weitergehenden Feststellungen des BAG im Urteil vom 25.5.2015 63 sein. Denn mit dieser Entscheidung hat das BAG grundsätzliche Ausführungen zu der Anrechnung der durch den Arbeitgeber gewährten Vergütung auf den gesetzlichen Mindestlohn getroffen und sich insoweit – in überzeugender Weise – in Widerspruch zu der ganz überwiegend in der Literatur zu §§ 1, 2 MiLoG vertretenen Auffassung gestellt. Diese hatte nämlich – abweichend von der diesseits vertretenen Auffassung 64 – die These vertreten, dass auf den Anspruch auf Mindestlohn im Zweifel nur Lohn und Gehalt sowie etwaige Funktionszulagen und übertarifliche Zulagen angerechnet werden können 65. Gleichzeitig wurden insbesondere Schichtzulagen, Erschwerniszulagen, Spätschichtzulagen, Prämien oder sonstige leistungsbezogene Vergütung von einer Anrechnung ausgenommen. Nach Auffassung des BAG erfüllt der Arbeitgeber seinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht nur mit den monatlichen Lohn- oder Gehaltszahlungen. Vielmehr kann dieser Anspruch auch durch sonstige, im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachte Entgeltzahlungen begründet werden, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Voraussetzung sei allerdings nicht nur, dass diesen Zahlungen an sich Rechnungszeiträume zugrunde lägen, die einen Kalendermonat nicht übersteigen. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets 60 61 62 63 64 65

5 AZR 716/15, NZA 2016, 1332. B. Gaul, AktuellAR 2015, 439 f. HWK/Sittard, MiLoG § 1 Rz. 7, ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 4. 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327. B. Gaul, AktuellAR 2014, 273 ff., 2015, 108 ff., 440 ff.; 2016, 122 ff. Vgl. Däubler, NJW 2014, 1924 f.; Dommermuth-Alhäuser/Heup, NZA 2015, 406 ff.; ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 7; Lakies, AuR 2016, 14 ff.; Lembke, NZA 2013, 70 ff.; Nebel/Kloster, BB 2014, 2933 ff.; Schaub/Vogelsang, § 66 Rz. 34; differenzierend: Wobst, RdA 2016, 110 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

rechtzeitig leiste; auch verspätete Zahlungen könnten Erfüllungswirkung besitzen. Das belege § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber ordnungswidrig handele, wenn er den Mindestlohn nicht oder „nicht rechtzeitig zahlt“. Abweichend von der ganz überwiegend vertretenen Auffassung ist in diesem Zusammenhang nach Ansicht des BAG eine Erfüllungswirkung aber stets dann anzunehmen, wenn das Entgelt als Gegenleistung für die Arbeit gewährt wird. Dies folge aus Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Zweck der gesetzlichen Regelung 66. Insoweit verweist das BAG nicht nur auf den Begriff des Mindestlohns, sondern auch den Zweck, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten. Dabei mache das Gesetz den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit und den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig. Voraussetzung sei lediglich, dass der Geldbetrag, den der Arbeitnehmer beanspruchen könne, ihm endgültig und zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen werde. Hiervon ausgehend nimmt der 5. Senat des BAG im Urteil vom 25.5.2016 67 einen umfassenden Entgeltbegriff an. Danach seien alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehle deshalb nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringe oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (z. B. § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhten. Der Entscheidung des BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie hat zur Folge, dass zwar ein etwaiger Nachtarbeitszuschlag, etwaiger Aufwendungsersatz oder vermögenswirksame Leistungen im Rahmen des MiLoG keine Berücksichtigung finden. Etwaige Mehrarbeitszuschläge, Schichtzulagen, Erschwerniszulagen, Akkordzulagen, Funktionszulagen, eine gezwölftelte Jahressonderzahlung sowie Boni und Prämien sind hingegen bei der Erfüllung der aus §§ 1, 2, 20 MiLoG folgenden Verpflichtungen zur Zahlung des Mindestlohns zu berücksichtigen. Insoweit wird auch eine Vergütung für überobligationsmäßige Leistung 68 oder eine Arbeitsleistung unter besonderen Erschwernissen einbezogen. Angesichts des umfassenden Zwecks der 66 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, , NZA 2016, 1327 Rz. 27 ff. 67 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327 Rz. 32. 68 A. A. LAG Berlin-Brandenburg v. 29.1.2016 – 6 Sa 273/15, n. v. Rz. 61 f., das nur eine Vergütung für „Normalleistung” anrechnen will.

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Initiativlast des Arbeitgebers in Bezug auf die (rechtzeitige) Geltendmachung von Urlaub?

gesetzlichen Regelung ist in allen Fällen das Gebot einer funktionellen Gleichwertigkeit erfüllt. Es genüge, dass diese Zahlungen gemeinsam mit Lohn und Gehalt sowie übertariflichen Zulagen – bezogen auf die monatliche Arbeitszeit – in ihrer Gesamtheit den monatlichen Anspruch auf Mindestlohn wahren. (Ga)

11.

Initiativlast des Arbeitgebers in Bezug auf die (rechtzeitige) Geltendmachung von Urlaub?

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Aus dieser Formulierung des Gesetzes wird teilweise in der Rechtsprechung der LAG 69 die Schlussfolgerung gezogen, dass der Arbeitgeber von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung durch den Arbeitnehmer verpflichtet sei, den Urlaubsanspruch rechtzeitig i. S. v. § 7 Abs. 3 BUrlG zu erfüllen. Zur Begründung wird nicht nur angeführt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes der Urlaub vom Arbeitgeber zu gewähren sei, vielmehr auch der Zweck des Urlaubsanspruchs im Interesse des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten im Gesundheitsschutzrecht seinen Ursprung finde. Diese Zweckbestimmung werde auch unionsrechtlich dadurch belegt, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) geregelt werde, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthalte. Für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sei aber vor allem der Arbeitgeber zuständig und verantwortlich, sodass die Initiativlast der Urlaubserteilung ausschließlich beim Arbeitgeber liege. Die Konsequenz dieser Rechtsprechung liegt darin, dass zwar der vom Arbeitgeber im Verlaufe des Kalenderjahres nicht gewährte Naturalurlaub am Jahresende untergeht, weil dessen Erfüllung unmöglich geworden ist, jedoch der Arbeitgeber mit der Urlaubserteilung in Verzug gerät und deshalb der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 3, § 283 S. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung in Gestalt eines Ersatzurlaubsanspruchs (§ 249 BGB) vom Arbeitgeber beanspruchen kann. 69 Vgl. LAG Köln v. 22.4.2016 – 4 Sa 1095/15, NZA-RR 2016, 466 ff.; LAG München v. 6.5.2015 – 8 Sa 982/14, ZTR 2016, 35 ff.; LAG Berlin-Brandenburg v. 7.5.2015 – 10 Sa 86/15 n. v.; LAG Berlin-Brandenburg v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14, DB 2014, 2114; abl. Gooren, NZA 2016, 1374 ff.

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Initiativlast des Arbeitgebers in Bezug auf die (rechtzeitige) Geltendmachung von Urlaub?

gesetzlichen Regelung ist in allen Fällen das Gebot einer funktionellen Gleichwertigkeit erfüllt. Es genüge, dass diese Zahlungen gemeinsam mit Lohn und Gehalt sowie übertariflichen Zulagen – bezogen auf die monatliche Arbeitszeit – in ihrer Gesamtheit den monatlichen Anspruch auf Mindestlohn wahren. (Ga)

11.

Initiativlast des Arbeitgebers in Bezug auf die (rechtzeitige) Geltendmachung von Urlaub?

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Aus dieser Formulierung des Gesetzes wird teilweise in der Rechtsprechung der LAG 69 die Schlussfolgerung gezogen, dass der Arbeitgeber von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung durch den Arbeitnehmer verpflichtet sei, den Urlaubsanspruch rechtzeitig i. S. v. § 7 Abs. 3 BUrlG zu erfüllen. Zur Begründung wird nicht nur angeführt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes der Urlaub vom Arbeitgeber zu gewähren sei, vielmehr auch der Zweck des Urlaubsanspruchs im Interesse des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten im Gesundheitsschutzrecht seinen Ursprung finde. Diese Zweckbestimmung werde auch unionsrechtlich dadurch belegt, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) geregelt werde, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthalte. Für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sei aber vor allem der Arbeitgeber zuständig und verantwortlich, sodass die Initiativlast der Urlaubserteilung ausschließlich beim Arbeitgeber liege. Die Konsequenz dieser Rechtsprechung liegt darin, dass zwar der vom Arbeitgeber im Verlaufe des Kalenderjahres nicht gewährte Naturalurlaub am Jahresende untergeht, weil dessen Erfüllung unmöglich geworden ist, jedoch der Arbeitgeber mit der Urlaubserteilung in Verzug gerät und deshalb der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 3, § 283 S. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung in Gestalt eines Ersatzurlaubsanspruchs (§ 249 BGB) vom Arbeitgeber beanspruchen kann. 69 Vgl. LAG Köln v. 22.4.2016 – 4 Sa 1095/15, NZA-RR 2016, 466 ff.; LAG München v. 6.5.2015 – 8 Sa 982/14, ZTR 2016, 35 ff.; LAG Berlin-Brandenburg v. 7.5.2015 – 10 Sa 86/15 n. v.; LAG Berlin-Brandenburg v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14, DB 2014, 2114; abl. Gooren, NZA 2016, 1374 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Der EuGH hat zu der Problematik um Art. 7 die Richtlinie 2003/88/EG bislang keine abschließende Aussage getroffen. Einzig in der Entscheidung vom 12.6.2014 70 im Hinblick auf den Anspruch des Erben auf Abgeltung der vom Verstorbenen nicht genommenen Urlaubstage wird ausgeführt, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung außer der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine weitere Voraussetzung aufstellt und eine solche Vergütung außerdem nicht davon abhängt, dass im Vorfeld ein entsprechender Urlaubsantrag gestellt wurde. Allerdings ist nicht klar, ob der EuGH damit die vom LAG Hamm 71 gestellte Frage beantworten wollte, ob aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Arbeitgeber bis zum Ablauf des Kalenderjahres oder spätestens bis zum Ablauf eines für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Übertragungszeitraums den Urlaub tatsächlich zu gewähren habe, ohne dass es auf ein entsprechendes Verlangen des Arbeitnehmers ankäme 72. Das BAG hat bereits in der Entscheidung vom 5. 9.1985 73 ausgeführt, dass ein Urlaubsanspruch auch dann mit dem Ende des Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Urlaub rechtzeitig geltend gemacht worden ist und der Arbeitgeber trotz möglicher Urlaubsgewährung die Erfüllung des Anspruchs verweigert. Dann tritt an die Stelle des ursprünglichen Urlaubs ein Urlaubsanspruch in entsprechender Höhe als Schadenersatzanspruch. Der Arbeitgeber schuldet danach Ersatz für den verfallenden Urlaubsanspruch im Sinne der Naturalrestitution nur unter der Prämisse, dass er mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug geraten ist und aus diesem Grund die durch den Zeitablauf eingetretene Unmöglichkeit des Urlaubsanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 287 S. 2 BGB zu vertreten hat. Diese Rechtsprechung hat das BAG 74 in weiteren Entscheidungen aufrechterhalten. Nur dann, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt hat, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um. Im Urteil vom 15.10.2013 hat allerdings der 9. Senat des BAG 75 angesichts der Vorlage des LAG Hamm 76 an den EuGH offen gelassen, ob der Arbeitgeber aus dem Unionsrechts verpflichtet ist, auch ohne

70 71 72 73 74

C-118/13, NZA 2014, 651 Rz. 24 f. – Bollacke. v. 14.2.2013 – 16 Sa 1511/12, ArbuR 2013, 362 Rz. 67 ff. So etwa Polzer/Kafka, NJW 2015, 2292. 6 AZR 86/82, NZA 1986, 394. BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 760/11, DB 2013, 2155 Rz. 16 f.; BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 Rz. 12. 75 9 AZR 374/12, NZA-RR 2014, 234. 76 v. 14.2.2016 – 16 Sa 1511/12, ArbuR 2016, 362 ff.

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Initiativlast des Arbeitgebers in Bezug auf die (rechtzeitige) Geltendmachung von Urlaub?

Aufforderung des Arbeitnehmers von sich aus den vollen Urlaubsanspruch im Urlaubsjahr erfüllen zu müssen. In einer späteren Entscheidung vom 19.1.2016 hat der Urlaubssenat des BAG 77 seine frühere Rechtsprechung indes wiederholt, wonach die Initiativlast der Urlaubserfüllung zunächst beim Arbeitnehmer liegt und eine Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber voraussetzt 78. Soweit das BUrlG in Rede steht, wird in der Diskussion um die Initiativlast vom LAG Berlin-Brandenburg 79 weitgehend unbeachtet gelassen, dass der Gesetzgeber jedem Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr nach § 1 BUrlG einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub einräumt. Nach der Gesetzesdefinition in § 194 Abs. 1 BGB wird der Anspruch als Recht umschrieben, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen 80. Deshalb kann es keinem begründeten Zweifel unterliegen, dass der Arbeitnehmer die Initiativlast trägt, vom Arbeitgeber den Urlaub rechtzeitig im Verlaufe des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums beanspruchen zu müssen. Dabei hat § 7 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 BUrlG die Funktion, die Urlaubsumsetzung i. S. d. Erfüllungshandlung zu konkretisieren. Ein Ersatzurlaubsanspruch, der auf einen Verzug des Arbeitgebers zurückzuführen ist, setzt daher in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG voraus, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Naturalurlaub vom Arbeitgeber rechtzeitig verlangt hat. Da jedoch die Vorlagefrage des LAG Hamm 81, ob eine effektive Umsetzung der Richtlinie eine dahingehende Verpflichtung des Arbeitgebers erfordert, vom EuGH 82 nicht klar beantwortet worden ist, steht zu erwarten, dass der Urlaubssenat des BAG eine erneute Anfrage an den EuGH richten wird. (Boe)

77 9 AZR 507/14, NZA-RR 2016, 235 Rz. 21. 78 Ebenso BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 Rz. 14; so auch LAG Düsseldorf v. 25.7.2016 – 9 Sa 31/16, DB 2016, 2490 Rz. 42, anhängig beim BAG unter 9 AZR 577/16. 79 v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14, DB 2014, 2114 Rz. 35 f. 80 So zutreffend LAG Düsseldorf v. 25.7.2016 – 9 Sa 31/16, DB 2016, 2490 Rz. 65. 81 v. 14.2.2016 – 16 Sa 1511/12, ArbuR 2016, 362 ff. 82 C-118/13, NZA 2014, 651 – Bollacke.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

12. Generelles Verbot einer Anrechnung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Erholungsurlaub? Nach § 10 BUrlG dürfen Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht auf den Urlaub angerechnet werden, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation führen gemäß § 9 EFZG in der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung nur dann zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, wenn sie ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die Behandlung in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation i. S. d. § 107 Abs. 2 SGB V erfolgt. Nach der Streichung des Wortes „stationär“ in § 9 Abs. 1 S. 1 EFZG a. F. durch Art. 38 des Begleitgesetzes zum SGB IX vom 19.6.2001 83 erfasst diese Vorschrift auch ambulante Maßnahmen i. S. d. § 23 Abs. 2 SGB V 84. § 10 BUrlG regelt die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer vollständigen Arbeitsbefreiung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation mit der Folge, dass die zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs erfolgte Freistellungserklärung des Arbeitgebers nicht nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bewirkt und damit der Leistungserfolg nicht eintritt, wenn in entsprechender Anwendung von § 9 EFZG keine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht 85. Wer arbeitsunfähig krank ist oder aufgrund einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation unter Fortzahlung seiner Bezüge freigestellt ist, kann durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht nicht mehr befreit werden. Mit der Frage einer Anrechnung einer ambulanten Kur auf den Urlaub war der 5. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 25.5.2016 86 befasst. Unter Inanspruchnahme von Erholungsurlaub verbrachte die Klägerin eine dreiwöchige ambulante Vorsorgekur, die auf einer Kostenzusage der AOK be-

83 BGBl. I 2001, 1046. 84 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 298/15, NZA 2016, 1028; ErfK/Reinhard § 9 EFZG Rz. 11; HWK/Schliemann § 9 EFZG Rz. 6; Schaub/Linck § 99 Rz. 9. 85 Vgl. dazu BAG v. 9.8.2016 – 9 AZR 575/15, NZA 2016, 1392 Rz. 12; BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 455/13, NZA 2015, 998 Rz. 19 f.; BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 669/12, ZTR 2014, 549 Rz. 16. 86 5 AZR 298/15, NZA 2016, 10.

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Generelles Verbot einer Anrechnung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge

ruhte, auf der Insel Langeoog. In dem dortigen Kur- und Wellnesscenter erhielt sie Meerwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagen und Lymphdrainagen. Außerdem war ein täglicher Aufenthalt in der Brandungszone vorgesehen. Nach Abwicklung der Kur beanspruchte die Klägerin im Klagewege den für die Kur verbrauchten Urlaub erneut von dem beklagten Land. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Das BAG hielt die Klage bereits deshalb für unbegründet, weil die ambulante Kur der Klägerin auf der Insel Langeoog keinen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 9 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG auslösen konnte. Dies galt unabhängig davon, dass auch ambulante Maßnahmen von dieser Vorschrift erfasst werden. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 S. 1 EFZG scheiterte daran, dass die Kurmaßnahme nicht in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation i. S. d. § 107 Abs. 2 SGB V durchgeführt worden war. Deshalb konnte das BAG dahinstehen lassen, ob die Kurmaßnahme einen urlaubsähnlichen Charakter aufgewiesen hat. Mit der Frage, inwieweit ein zeitlich mit einem Genesungsurlaub zusammenfallen Jahresurlaub den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung erfüllt, hat sich auch der EuGH in der Entscheidung vom 30.6.2016 87 auf Vorlage eines polnischen Gerichts beschäftigen müssen. Die Klägerin des Verfahrens, eine Lehrerin, hat einen Urlaubsanspruch von 35 Tagen im Jahr. Ihr war von ihrem Arbeitgeber für die Zeit vom 28.3. bis zum 18.11.2011 ein Genesungsurlaub gewährt worden, um sich einer ärztlich verschriebenen Behandlung zu unterziehen. Ende April 2012 machte die Klägerin ihren Anspruch auf die für das Jahr 2011 erworbenen Jahresurlaubstage geltend, die sie aufgrund ihres Genesungsurlaubs nicht hatte nehmen können. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass der Anspruch auf Jahresurlaub für 2011 nach dem Urlaubsplan in der Zeit vom 1. bis 31.7.2011 hätte genommen werden sollen und in dem im selben Zeitraum liegenden Genesungsurlaub aufgegangen sei. Das vorlegende polnische Gericht wollte vom EuGH wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einer innerstaatlichen Regelung entgegensteht, wonach einem Arbeitnehmer, der sich während des Zeitraums, für den Urlaub festgelegt ist, in einem Genesungsurlaub befindet, verweigert werden kann, seinen Jahresurlaub in einem späteren Zeitraum in Anspruch zu nehmen.

87 C-178/15, NZA 2016, 877 – Sobczyszyn.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Der EuGH wiederholt zunächst die bereits in früheren Entscheidungen 88 gemachte Aussage, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist. Danach ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin gehend auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen entgegensteht, die vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der sich während des im Urlaubsplan seines Unternehmens vorgesehenen Jahresurlaubs im Krankheitsurlaub befindet, nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht berechtigt ist, seinen Jahresurlaub in einem anderen als dem ursprünglich festgelegten Zeitraum in Anspruch zu nehmen, der auch außerhalb des Bezugszeitraums liegen kann. Mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub werde nämlich bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Zur Begründung dieser Bewertung beruft sich der EuGH auch auf Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird. Außerdem hebt der EuGH hervor, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht restriktiv ausgelegt werden darf 89. An die bisherige Rechtsprechung anknüpfend betont der EuGH erneut, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub es dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen 90. Von dieser Zweckdetermination weicht der Zweck des Anspruchs auf Krankheitsurlaub ab, der dem Arbeitnehmer die Genesung von einer Erkrankung ermöglichen soll. Daraus schlussfolgert der EuGH, dass ein Arbeitnehmer, der sich während eines im Voraus festgelegten bezahlten Jahresurlaubs im Krankheitsurlaub befindet, berechtigt ist, den Jahresurlaub auf seinen Antrag zu einer anderen als der mit dem Krankheitsurlaub zusammenfallenden Zeit zu nehmen. Angesichts dessen hat nach Meinung des EuGH letztlich das nationale Gericht alleinzuständig darüber zu entscheiden, ob der Genesungsurlaub, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, die Verbesserung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers bezweckt und diesem anders als der in Art. 7

88 Vgl. nur EuGH v. 10.9.2009 – C-277/08, NZA 2009, 1133 Rz. 19 - Vicente Pereda. 89 So bereits EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 Rz. 29 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. 90 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06 und C-520/06, C-350/06, C-520/06, NZA 2009, 135 Schultz-Hoff.

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Generelles Verbot einer Anrechnung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge

Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehene bezahlte Jahresurlaub keinen Zeitraum für Entspannung und Freizeit verschaffen soll. Schließlich weist der EuGH darauf hin, dass im vorliegenden Fall das nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Genesungsurlaub nicht als Zeitraum für Entspannung und Freizeit qualifizieren lässt. Die nationale Regelung muss die Pflicht für den Arbeitgeber vorsehen, dem Arbeitnehmer den Jahresurlaub zu einem anderen, vom Arbeitnehmer vorgeschlagenen Zeitraum zu gewähren, der sich auch außerhalb des Bezugszeitraums für den fraglichen Jahresurlaub befindet. Ob mit dieser Aussage des EuGH eine unionskonforme Anpassung von § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG verbunden ist, lässt sich der Entscheidung nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen. Dies würde voraussetzen, dass nach polnischem Urlaubsrecht eine vergleichbare gesetzliche Regelung besteht, wonach im Falle der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, um nicht zu verfallen. Nach bisherigem Rechtsverständnis zu § 7 Abs. 1 BUrlG hätte nämlich die Klägerin den Urlaub noch im gleichen Kalenderjahr vom Arbeitgeber beanspruchen müssen, weil sie bereits am 19.11.2011 an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. Fraglich kann des Weiteren sein, ob bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation gemäß § 10 BUrlG stets Voraussetzung sein muss, dass ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht (§ 9 EFZG). Für eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation eintritt, finden gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EFZG die §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 EFZG „entsprechend“ Anwendung. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich eine Arbeitsverhinderung wegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und eine Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht unerheblich unterscheiden 91. An die Stelle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung für die Entgeltfortzahlung tritt deshalb die Arbeitsverhinderung infolge einer solchen Maßnahme nach Bewilligung durch einen öffentlich-rechtlichen Sozialleistungsträger. Wie zuvor jedoch dargelegt worden ist, muss die Kurmaßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation i. S. d. § 107 Abs. 2 SGB V durchgeführt werden, um die Voraussetzungen einer Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge nach § 9 EFZG zu erfüllen 92. Ob an dieser Voraussetzung im Lichte der 91 BAG v. 10.9.2014 – 10 AZR 651/12, NZA 2014, 1139 Rz. 19. 92 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 298/15, NZA 2016, 1028.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Entscheidung des EuGH festgehalten werden kann, ist durchaus zweifelhaft. (Boe)

13. Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Anspruch auf Erholungsurlaub abzugelten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Stirbt der Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, könnte daher ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen, der im Todesfall vererbt werden kann 93. Mit diesen Feststellungen hatte das BAG seine frühere Rechtsprechung 94 aufgegeben und unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH anerkannt, dass der Abgeltungsanspruch vermögensrechtlicher Natur ist. Wir hatten darüber berichtet 95. Mit dem Urteil vom 12.6.2014 96 hat der EuGH dieses Ergebnis jetzt auch auf den Fall übertragen, dass das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers beendet wird. Nach seiner Auffassung sei ein finanzieller Ausgleichsanspruch der Erben „unerlässlich für die volle Wirksamkeit” des durch die Arbeitszeitrichtlinie abgesicherten Urlaubsanspruchs. Das BAG hatte einen solchen Abgeltungsanspruch bislang abgelehnt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endete 97. Offenkundig fällt es dem 9. Senat des BAG schwer, diese von den Vorgaben des EuGH abweichende Rechtsprechung aufzugeben. Durch Beschluss vom 18.10.2016 98 hat er dem EuGH deshalb zur Auslegung des Unionsrechts folgende Fragen vorgelegt: 1. Räumt Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG … oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) den Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was

93 94 95 96 97

BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 170/14, NZA 2016, 37 Rz. 18. BAG v. 22.10.1991 – 9 AZR 433/90, NZA 1993, 28. Boewer, AktuellAR 2016, 127 ff. C-118/13, NZA 2014, 651 – Bollacke. Vgl. BAG v. 12.3.2013 – 9 AZR 532/11, NZA 2013, 678 Rz. 15; BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326 Rz. 16. 98 9 AZR 196/16 (A) n. v.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Entscheidung des EuGH festgehalten werden kann, ist durchaus zweifelhaft. (Boe)

13. Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Anspruch auf Erholungsurlaub abzugelten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Stirbt der Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, könnte daher ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen, der im Todesfall vererbt werden kann 93. Mit diesen Feststellungen hatte das BAG seine frühere Rechtsprechung 94 aufgegeben und unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH anerkannt, dass der Abgeltungsanspruch vermögensrechtlicher Natur ist. Wir hatten darüber berichtet 95. Mit dem Urteil vom 12.6.2014 96 hat der EuGH dieses Ergebnis jetzt auch auf den Fall übertragen, dass das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers beendet wird. Nach seiner Auffassung sei ein finanzieller Ausgleichsanspruch der Erben „unerlässlich für die volle Wirksamkeit” des durch die Arbeitszeitrichtlinie abgesicherten Urlaubsanspruchs. Das BAG hatte einen solchen Abgeltungsanspruch bislang abgelehnt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endete 97. Offenkundig fällt es dem 9. Senat des BAG schwer, diese von den Vorgaben des EuGH abweichende Rechtsprechung aufzugeben. Durch Beschluss vom 18.10.2016 98 hat er dem EuGH deshalb zur Auslegung des Unionsrechts folgende Fragen vorgelegt: 1. Räumt Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG … oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) den Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was

93 94 95 96 97

BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 170/14, NZA 2016, 37 Rz. 18. BAG v. 22.10.1991 – 9 AZR 433/90, NZA 1993, 28. Boewer, AktuellAR 2016, 127 ff. C-118/13, NZA 2014, 651 – Bollacke. Vgl. BAG v. 12.3.2013 – 9 AZR 532/11, NZA 2013, 678 Rz. 15; BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326 Rz. 16. 98 9 AZR 196/16 (A) n. v.

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Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis

nach § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist? 2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird: Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen bestand?

In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin Alleinerbin ihres Anfang 2013 verstorbenen Ehemanns, der bis zu seinem Tode bei dem Beklagten beschäftigt war. Sie verlangte vom Beklagten, den ihrem Ehemann vor seinem Tod zustehenden Urlaubsanspruch abzugelten. Der 9. Senat des BAG will die der Klage stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen nicht ohne eine erneute Befassung des EuGH bestätigen. Nach seiner Auffassung können weder Urlaubs- noch Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben eines Arbeitnehmers übergehen, wenn dieser während des Arbeitsverhältnisses stirbt. Der EuGH habe zwar mit Urteil vom 12.6.2014 99 angenommen, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen sei, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehe, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Ausgleich untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende. Er habe jedoch nicht die Frage entschieden, ob der Anspruch auf finanziellen Ausgleich auch dann Teil der Erbmasse werde, wenn das nationale Erbrecht dies ausschließe. Darüber hinaus sei nicht geklärt, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch in den Fällen eine erbrechtliche Wirkung hinzukomme, in denen das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestanden habe. Losgelöst davon sieht das BAG ergänzenden Klärungsbedarf in Bezug auf den Untergang des vom Unionsrecht garantieren Mindestjahresurlaubs. Insoweit verweist es auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der ein Anspruch auf Erholungsurlaub untergehen könne, wenn der Urlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr habe. Letzteres – so das BAG – sei nach dem Tode des Arbeitnehmers der Fall, weil in der Person des verstorbenen Arbeitnehmers der Erholungszweck nicht mehr verwirklicht werden könne. Führt man sich die Gründe der Entscheidung des EuGH in der Sache Bollacke vor Augen, ist kaum zu erwarten, dass die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs zugunsten der Erben verneint wird. Dies gilt selbst dann, wenn das nationale Erbrecht ohne die vorangehende Entstehung eines Anspruchs an sich auch keine Vererblichkeit anerkennt. Denn insoweit stellt 99 C-118/13, NZA 2014, 651 Rz. 30 – Bollacke.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

sich die Frage, ob dann nicht auch § 1922 BGB im Wege einer unionsrechtlichen Auslegung und Anwendung erlauben muss, dass – wie vom EuGH angenommen – ein Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht. Dass das BAG allerdings erhebliche Bedenken zu haben scheint, die entsprechende Sichtweise des EuGH umzusetzen, erscheint nachvollziehbar. Welchen Zweck soll ein Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruch besitzen, wenn der Arbeitnehmer, noch bevor dieser Anspruch entstanden ist, durch seinen Tod außer Stande gesetzt wird, die mit dem Urlaub bezweckte Wiederherstellung seiner Leistungsfähigkeit im Diesseits noch zu erlangen? (Ga)

14. Berechnung des Urlaubsentgelts bei einem Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung In der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, welche Konsequenzen ein Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung in Bezug auf den Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch besitzt. Grundlage hierfür waren vor allem die Entscheidungen des EuGH vom 22.4.2010 100, vom 13.6.2013 101 sowie des BAG vom 10.2.2015 102 und vom 28.4.1998 103. Nach dieser Rechtsprechung erfolgt keine Reduzierung des während der Vollzeitbeschäftigung entstandenen Urlaubsanspruchs, wenn während des Kalenderjahres ein Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung vorgenommen wird. Vielmehr bleibt die Anzahl der bereits erworbenen Urlaubstage erhalten. Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger Wochentagen, als dies während seiner Vollzeitbeschäftigung der Fall war, ermöglicht dies ihm, für eine längere Zeit eine Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Erholung zu verlangen 104. Aus den Gründen der Entscheidung des EuGH vom 13.6.2013 105 war überwiegend abgeleitet worden, dass sich auch die Höhe des Urlaubsentgeltanspruchs nach einem Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung nach dem Arbeitsentgeltanspruch während der früheren Vollzeitbeschäftigung bestimmen sollte. Dies entspräche der vermögensrechtlichen Behandlung des Urlaubsanspruchs. Denn Urlaubstage, die der Arbeitnehmer während seiner Vollzeitbeschäftigung „erworben” hätte, würden danach entsprechend diesem „Wert” auch während der Teilzeitbeschäftigung gewährt. Damit bliebe der 100 101 102 103 104 105

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C-486/08, NZA 2010, 557 – Tirol. C-415/12, NZA 2013, 775 – Brandes. 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005. BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 Rz. 39. Boewer, AktuellAR 2014, 403 f.; 2015, 466 ff. C-415/12, NZA 2013, 775 – Brandes.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

sich die Frage, ob dann nicht auch § 1922 BGB im Wege einer unionsrechtlichen Auslegung und Anwendung erlauben muss, dass – wie vom EuGH angenommen – ein Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht. Dass das BAG allerdings erhebliche Bedenken zu haben scheint, die entsprechende Sichtweise des EuGH umzusetzen, erscheint nachvollziehbar. Welchen Zweck soll ein Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruch besitzen, wenn der Arbeitnehmer, noch bevor dieser Anspruch entstanden ist, durch seinen Tod außer Stande gesetzt wird, die mit dem Urlaub bezweckte Wiederherstellung seiner Leistungsfähigkeit im Diesseits noch zu erlangen? (Ga)

14. Berechnung des Urlaubsentgelts bei einem Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung In der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, welche Konsequenzen ein Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung in Bezug auf den Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch besitzt. Grundlage hierfür waren vor allem die Entscheidungen des EuGH vom 22.4.2010 100, vom 13.6.2013 101 sowie des BAG vom 10.2.2015 102 und vom 28.4.1998 103. Nach dieser Rechtsprechung erfolgt keine Reduzierung des während der Vollzeitbeschäftigung entstandenen Urlaubsanspruchs, wenn während des Kalenderjahres ein Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung vorgenommen wird. Vielmehr bleibt die Anzahl der bereits erworbenen Urlaubstage erhalten. Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger Wochentagen, als dies während seiner Vollzeitbeschäftigung der Fall war, ermöglicht dies ihm, für eine längere Zeit eine Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Erholung zu verlangen 104. Aus den Gründen der Entscheidung des EuGH vom 13.6.2013 105 war überwiegend abgeleitet worden, dass sich auch die Höhe des Urlaubsentgeltanspruchs nach einem Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung nach dem Arbeitsentgeltanspruch während der früheren Vollzeitbeschäftigung bestimmen sollte. Dies entspräche der vermögensrechtlichen Behandlung des Urlaubsanspruchs. Denn Urlaubstage, die der Arbeitnehmer während seiner Vollzeitbeschäftigung „erworben” hätte, würden danach entsprechend diesem „Wert” auch während der Teilzeitbeschäftigung gewährt. Damit bliebe der 100 101 102 103 104 105

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C-486/08, NZA 2010, 557 – Tirol. C-415/12, NZA 2013, 775 – Brandes. 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005. BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 Rz. 39. Boewer, AktuellAR 2014, 403 f.; 2015, 466 ff. C-415/12, NZA 2013, 775 – Brandes.

Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung

Umstand, dass er während seiner Teilzeitbeschäftigung möglicherweise kalendertäglich weniger verdient, unberücksichtigt 106. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Sichtweise in Bezug auf die Höhe des Urlaubsentgelts nach einem Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung tatsächlich durch Richtlinie 2003/88/EG vorgegeben ist. Im Gegenteil: In seinem Urteil vom 11.11.2015 107 macht der EuGH deutlich, dass die Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unabhängig ist von der Berechnung der dem Arbeitnehmer geschuldeten finanziellen Vergütung für bezahlten, nicht genommenen Jahresurlaub. Schließlich werde in keiner Vorschrift der Richtlinie 2003/88/EG ausdrücklich geregelt, wie die finanzielle Vergütung zu berechnen sei, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle der Mindestzeit oder der Mindestzeiten bezahlten Jahresurlaubs zu treten habe. Auch die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit enthalte keine Hinweise in Bezug auf die Regeln für die Berechnung dieser Entschädigung. Bereits diese Feststellung legt nahe, dass aus dem Unionsrecht heraus keine zwingende Vorgabe zu entnehmen ist, wie das nach §§ 1, 11 BUrlG geschuldete Entgelt für die Zeit der urlaubsbedingten Freistellung oder einer Abgeltung dieses Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu berechnen ist. Bereits das Entgeltfortzahlungsprinzip, wie es in §§ 1, 11 BUrlG enthalten ist, legt nahe, dem Arbeitnehmer auch bei einem Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung nur das Arbeitsentgelt während seines Urlaubs zu bezahlen, das er ohne diesen Urlaub während der Teilzeitbeschäftigung verdient hätte. Davon scheint jetzt auch der EuGH auszugehen. Denn nach seinen Ausführungen bedeutet der Ausdruck „bezahlter Jahresurlaub” in Art. 7 Abs. 1 in der Richtlinie 2003/88/EG, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne dieser Richtlinie weiter zu gewähren ist und dass der Arbeitnehmer mit anderen Worten für diese Ruhezeit das „gewöhnliche Arbeitsentgelt” erhalten müsse. Es ist deshalb richtig, nicht mehr an das während einer früheren Vollzeitbeschäftigung vereinbarte Entgelt anzuknüpfen. (Ga)

15. Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung Bislang ungeklärt war, wie sich ein Wechsel von einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung auf den noch im Kalenderjahr bestehenden Anspruch auf 106 So HWK/Schinz, BUrlG § 3 Rz. 37 a. 107 C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 47 ff. – Greenfield.

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Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung

Umstand, dass er während seiner Teilzeitbeschäftigung möglicherweise kalendertäglich weniger verdient, unberücksichtigt 106. Es erscheint zweifelhaft, ob diese Sichtweise in Bezug auf die Höhe des Urlaubsentgelts nach einem Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung tatsächlich durch Richtlinie 2003/88/EG vorgegeben ist. Im Gegenteil: In seinem Urteil vom 11.11.2015 107 macht der EuGH deutlich, dass die Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unabhängig ist von der Berechnung der dem Arbeitnehmer geschuldeten finanziellen Vergütung für bezahlten, nicht genommenen Jahresurlaub. Schließlich werde in keiner Vorschrift der Richtlinie 2003/88/EG ausdrücklich geregelt, wie die finanzielle Vergütung zu berechnen sei, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle der Mindestzeit oder der Mindestzeiten bezahlten Jahresurlaubs zu treten habe. Auch die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit enthalte keine Hinweise in Bezug auf die Regeln für die Berechnung dieser Entschädigung. Bereits diese Feststellung legt nahe, dass aus dem Unionsrecht heraus keine zwingende Vorgabe zu entnehmen ist, wie das nach §§ 1, 11 BUrlG geschuldete Entgelt für die Zeit der urlaubsbedingten Freistellung oder einer Abgeltung dieses Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu berechnen ist. Bereits das Entgeltfortzahlungsprinzip, wie es in §§ 1, 11 BUrlG enthalten ist, legt nahe, dem Arbeitnehmer auch bei einem Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung nur das Arbeitsentgelt während seines Urlaubs zu bezahlen, das er ohne diesen Urlaub während der Teilzeitbeschäftigung verdient hätte. Davon scheint jetzt auch der EuGH auszugehen. Denn nach seinen Ausführungen bedeutet der Ausdruck „bezahlter Jahresurlaub” in Art. 7 Abs. 1 in der Richtlinie 2003/88/EG, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne dieser Richtlinie weiter zu gewähren ist und dass der Arbeitnehmer mit anderen Worten für diese Ruhezeit das „gewöhnliche Arbeitsentgelt” erhalten müsse. Es ist deshalb richtig, nicht mehr an das während einer früheren Vollzeitbeschäftigung vereinbarte Entgelt anzuknüpfen. (Ga)

15. Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung Bislang ungeklärt war, wie sich ein Wechsel von einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung auf den noch im Kalenderjahr bestehenden Anspruch auf 106 So HWK/Schinz, BUrlG § 3 Rz. 37 a. 107 C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 47 ff. – Greenfield.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Erholungsurlaub auswirkt. Diese Frage hat der EuGH mit seiner bereits vorstehend behandelten Entscheidung vom 11.11.2015 108 beantwortet. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Arbeitsvertragsparteien einen Anspruch auf 5,6 Wochen Jahresurlaub vereinbart. Während des Urlaubsjahres, das vom 15.6. – 14.6. des Folgejahres ging, nahm die Klägerin sieben Tage Urlaub in Anspruch. Umgerechnet bedeutete dies, dass sie an insgesamt 1.729,5 Stunden gearbeitet hatte und für 62,84 Stunden bezahlt zum Zwecke des Urlaubs freigestellt worden war. In den letzten zwölf Wochen vor Antritt ihres Urlaubs hatte die Klägerin einen Tag pro Woche gearbeitet. Danach hatte sie die Arbeitszeit umgestellt und war 41,1 Stunden/Woche tätig geworden. Diese Vollzeitbeschäftigung war auf zwölf aufeinanderfolgende Arbeitstage nebst zwei freien Tagen an jedem zweiten Wochenende verteilt worden. Als sie drei Monate nach Umstellung der Arbeitszeit Erholungsurlaub verlangte, verweigerte der Arbeitgeber diesen Urlaub mit der Begründung, dass er bereits durch den zuvor genommenen Urlaub verbraucht worden sei. Da eine Einigung der Arbeitsvertragsparteien in dieser Frage nicht erzielt wurde, das Arbeitsverhältnis indes endete, erhob die Klägerin Klage auf Gewährung eines entsprechenden Anspruchs auf Urlaubsabgeltung. Das ArbG Birmingham nahm dies zum Anlass, den EuGH um Vorabentscheidung folgender Fragen zu bitten: 1. Ist der „Pro-rata-temporis-Grundsatz”, wie er in § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung niedergelegt ist, dahin auszulegen, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts … zur Folge haben muss, dass bei einer Erhöhung der Arbeitsstunden eines Arbeitnehmers der bereits angesammelte Urlaub im Verhältnis zu den neuen Arbeitsstunden berichtigt werden muss, so dass der Anspruch des Arbeitnehmers, der seine Arbeitsstunden erhöht, auf angesammelten Urlaub entsprechend den erhöhten Stunden nach berechnet wird? 2. Ist entweder § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung oder Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts … nicht zur Folge haben darf, dass bei einer Erhöhung der Arbeitsstunden eines Arbeitnehmers der bereits angesammelte Urlaub im Verhältnis zu den neuen Arbeitsstunden berichtigt werden muss, so dass der Anspruch des Arbeitnehmers, der seine Arbeitsstunden er-

108 C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 25 ff. – Greenfield; Medem/Lutz, ZESAR 2016, 426 ff.

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Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung

höht, auf angesammelten Urlaub entsprechend den berichtigten Stunden nach berechnet wird? 3. Wenn Frage(n) zu 1. und/oder 2. bejaht wird/werden: Gilt die Nachberechnung nur für den Teil des Urlaubsjahres, währenddessen der Arbeitnehmer die erhöhten Arbeitsstunden geleistet hat, oder gilt sie für irgendeinen anderen Zeitraum? 4. Ist im Hinblick auf die Berechnung der von einem Arbeitnehmer in Anspruch genommenen Urlaubszeit entweder § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung oder Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts … zur Folge haben muss, dass eine unterschiedliche Methode anzuwenden ist, je nachdem, ob eine Vergütung des Arbeitnehmers als Ersatz für den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Vertragsende oder einen dem Arbeitnehmer verbleibenden Anspruch auf Jahresurlaub bei fortdauernder Beschäftigung zu berechnen ist? 5. Bei Bejahung der Frage 4.: Worin besteht der Unterschied zwischen den jeweils anzuwendenden Methoden?

In der Beantwortung dieses Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH zunächst einmal deutlich gemacht, dass der dem Arbeitnehmer zu gewährende Jahresurlaub als Konsequenz der Ausgestaltung von Richtlinie 2003/88/EG in Tagen oder Stunden und/oder Teile davon zu erfolgen habe 109. Daran anknüpfend stellt der EuGH noch einmal klar, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Zeitraum, in dem die Urlaubsansprüche entstanden sind, zu keiner Beziehung zu der in dieser (späteren) Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit stehe. Daraus folge auch, dass durch eine Veränderung, insbesondere die Verringerung der Arbeitszeit bei einem Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung, der Anspruch auf Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben habe, nicht gemindert werden dürfe 110. Dabei verweist er auf seine vorangehenden Entscheidungen in den Sachen Tirol und Brandes. Weder § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit noch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichteten deshalb zu einer Nachberechnung der bereits entstandenen Ansprüche auf Jahresurlaub, wenn ein Arbeitnehmer die Zahl seiner Arbeitsstunden erhöhte. Günstigere Regelun-

109 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 30 ff. – Greenfield. 110 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 33 f. – Greenfield.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

gen, die durch die Mitgliedsstaaten eingeführten würden, blieben davon natürlich unberührt 111. Ohne auf den darin schlussendlich liegenden Widerspruch zu seinen vorangehenden Feststellungen einzugehen, ergänzt der EuGH diese Grundsätze dann aber um die Annahme, dass hinsichtlich der Entstehung der Ansprüche auf bezahlten Urlaub Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer nach verschiedenen Arbeitsrhythmen arbeite, voneinander zu unterscheiden seien. Daraus folge, dass die Zahl der entstandenen Einheiten an jährlicher Ruhezeit im Vergleich zur Zahl der geleisteten Arbeitseinheiten für jeden Zeitraum getrennt zu berechnen sei 112. Bereits dies legt, jedenfalls für den Fall eines Wechsels von der Teilzeit- in die Vollzeitbeschäftigung, eine ratierliche Berechnung bei der Entstehung des Urlaubsanspruchs nahe. Dies bestätigen dann auch seine anschließenden Feststellungen, nach der die Zahl der entstandenen Einheiten jährlicher Ruhe im Vergleich zur Zahl der geleisteten Arbeitseinheiten für jeden Zeitraum getrennt berechnet werden müsse. Hiervon ausgehend nimmt der EuGH an, dass eine Nachberechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nur in Bezug auf den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer die Zahl seiner Arbeitsstunden erhöht habe, vorgenommen werde. Die Einheiten bezahlten Jahresurlaubs, die bereits zum Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung genommen worden seien und über die in diesem Zeitraum entstandenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub hinausgingen, seien von den Ansprüchen abzuziehen, die in dem Arbeitszeitraum, in dem der Arbeitnehmer die Zahl seiner Arbeitsstunden erhöht habe, neu entstanden seien. Dies hat dann auch eine Verpflichtung zur Nachberechnung des dem Arbeitnehmer zustehenden Jahresurlaubs zur Folge. Denn es muss sichergestellt werden, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, der bereits erworben war und eventuell in Anspruch genommen wurde, rückwirkend entsprechend dem geänderten Arbeitsrhythmus berechnet werden. Diese Berechnung ist – so der EuGH – jedoch auf den Zeitraum begrenzt, in dem sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht hat 113. Voraussetzung ist, dass der während der Teilzeit genommene Urlaub nicht bereits anteilig diesen Zeitraum der Vollzeitbeschäftigung einbezieht. Bei der Umsetzung dieser Grundsätze des EuGH wird man wohl folgende Differenzierung vorzunehmen haben:

111 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 38 – Greenfield. 112 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 35 – Greenfield. 113 EuGH v. 11.11.2015 – C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 42 ff. – Greenfield.

488

Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung

• Hat der Arbeitnehmer bis zum Wechsel von der Teilzeit- in die Vollzeitbeschäftigung keinen Urlaub genommen, ist hinsichtlich der Entstehung des Urlaubsanspruchs zu quoteln. Er erwirbt also jeden Monat den der jeweiligen Beschäftigungsdauer an den einzelnen Wochentagen entsprechenden Urlaubsanspruch. • Hat der Arbeitnehmer bereits während der Teilzeitbeschäftigung Urlaub in Anspruch genommen, ist festzustellen, wie viele Anteile des auf der Grundlage dieser Teilzeitbeschäftigung zu berechnenden Jahresurlaubs damit verbraucht worden sind. Entspricht die Dauer des bereits genommenen Urlaubs der Urlaubsdauer, die bei einer ganzjährigen Teilzeitbeschäftigung erworben worden wäre, spielt der anschließende Wechsel in eine Vollzeitbeschäftigung keine Rolle. Es kann kein zusätzlicher Anspruch auf Urlaub entstehen. Der Arbeitnehmer wird so behandelt, als habe er während des gesamten Urlaubsjahres die anfängliche Teilzeitbeschäftigung fortgesetzt. • Hat der Arbeitnehmer während der Teilzeitbeschäftigung indes Urlaub genommen, der hinsichtlich seiner Dauer – berechnet auf der Grundlage der Teilzeitbeschäftigung – beispielsweise ¾ seines Jahresurlaubs entspricht, kann eine anschließende Vollzeitbeschäftigung noch zu dem erhöhten Erwerb eines Urlaubsanspruchs führen. Denn die Dauer des Urlaubsanspruchs, die während des letzten Quartals des Urlaubsjahres erworben wird, ist nach der Vollzeitbeschäftigung festzulegen. Lediglich in der vorangehenden Zeit einer etwaigen Vollzeitbeschäftigung kann kein Urlaub mehr entstehen, weil dieser bereits durch die Inanspruchnahme des Urlaubs während der Teilzeitbeschäftigung auch mit Wirkung für diesen Teil des Urlaubsjahres verbraucht wurde.

Für die betriebliche Praxis macht dies die Berechnung des Urlaubsanspruchs außerordentlich komplex. Insofern ist es bedauerlich, dass der EuGH hinsichtlich der Entstehung des Urlaubs keine durchgängige Quotierung für richtig hält, nach der der Urlaubsanspruch während des Kalenderjahres monatlich entsprechend der (überwiegend) in diesem Monat ausgeübten Beschäftigungsdauer entsteht. Dies würde einer vielfach in der Praxis vorgenommenen Berechnungsmethode entsprechen und auch eine Beziehung zwischen dem Umfang der Arbeitspflicht und der Dauer des Urlaubs herstellen. Gerade diese Kausalität zwischen Arbeitsleistung und Urlaub hat der EuGH in seiner Rechtsprechung allerdings aufgegeben.

489

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch in entsprechender Weise zu berechnen ist. Darauf hat der EuGH abschließend im Urteil vom 11.11.2015 114 hingewiesen. (Ga)

114 C-219/14, NZA 2015, 1501 Rz. 57 – Greenfield.

490

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Massenentlassung

In den vergangenen Jahren haben wir uns intensiv mit den veränderten Anforderungen an die Abwicklung einer Massenentlassung beschäftigt. Dabei geht es außerhalb von §§ 106, 111, 112 BetrVG vor allem um das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 BetrVG und die Notwendigkeit einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG 1. Für die betriebliche Praxis hat die Einhaltung der kündigungsschutzrechtlichen Vorgaben eine herausragende Bedeutung. Schließlich ist ihre Nichtbeachtung nicht nur mit dem Risiko der Unwirksamkeit einer einzigen Kündigung, sondern mit der Unwirksamkeit einer Vielzahl von Entlassungen verbunden. Im Hinblick darauf ist es wichtig, dass die Rechtsprechung in den vergangenen Monaten erneut bedeutsame Klarstellungen zu einzelnen Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung und Auslegung von § 17 KSchG vorgenommen hat.

a)

Einbeziehung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern in Elternzeit und schwerbehinderten Menschen

Insbesondere im Zusammenhang mit der Kennzeichnung einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 KSchG hatten wir die richterrechtlich entwickelten Vorgaben zur Festlegung des 30-Tages-Zeitraums behandelt. Dabei ging es nicht nur um die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auch Organmitglieder einzubeziehen sind 2. Deutlich stärkere Relevanz für die betriebliche Praxis ist dem Umstand zuzumessen, dass auch einzelne Nachkündigungen außerhalb des ursprünglich festgesetzten 30-Tages-Zeitraums als Massenentlassung zu qualifizieren sein können. Hintergrund dafür ist der Umstand, dass nach Auffassung des BAG die Kennzeichnung einer Entlassung, als Bestandteil einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 KSchG, für jede einzelne Kündigung in der Weise zu erfolgen hat, dass geprüft wird, ob innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Ausspruch der Kündigung bzw. Abschluss des Aufhebungsvertrags weitere Entlassungen erfolgt sind, durch die, unter Berücksichtigung der Betriebsgröße, die Schwellenwerte des § 17

1 2

Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 233 ff., 431 ff.; 2015 480 ff.; 2016 151 ff. EuGH v. C-229/14, NZA 2015, 861 ff. – Balkaya.

491

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Abs. 1 KSchG überschritten werden. Faktisch handelt es sich damit um einen „rolierenden“ 30-Tages-Zeitraum 3. Mit seinem Beschluss vom 8.6.2016 4 hat das BVerfG ergänzend hierzu mit überzeugender Begründung deutlich gemacht, dass Nachkündigungen, ohne Rücksicht auf das Überschreiten der in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Schwellenwerte, im Zusammenhang mit ihrer Vornahme in ein Massenentlassungsverfahren nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG einzubeziehen sein können, wenn von ihnen schwangere Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer in Elternzeit oder schwerbehinderte Menschen betroffen sind und die isolierte Entlassung dieses besonders geschützten Personenkreises außerhalb der eigentlichen Massenentlassung schlussendlich nur Konsequenz ihres besonderen Kündigungsschutzes durch §§ 9 MuSchG, 18 BEEG, 85 ff. SGB IV ist. Im Hinblick darauf verletze das hiervon abweichende Urteil des BAG vom 25.4.2013 5 die Beschwerdeführerin, die sich während der Massenentlassung in Elternzeit befunden hatte, auch in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 2, 3 GG. Als Ergebnis der Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG das Revisionsurteil aufgehoben und die Sache an das BAG zurückverwiesen. Es muss jetzt erneut über die Wirksamkeit einer bereits 2010 ausgesprochenen Kündigung entscheiden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber beschlossen, seinen Betrieb in Deutschland stillzulegen. Nachdem er den örtlichen Betriebsrat angehört und eine Massenentlassungsanzeige für alle Arbeitsverhältnisse vor Ort erstattet hatte, sprach er im Dezember 2009 und Januar 2010 Kündigungen aus. Diese erwiesen sich, wie durch Urteile des BAG festgestellt wurde, als unwirksam, weil trotz Vorliegens einer Massenentlassung das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren mit dem Gesamtbetriebsrat nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Die Beschwerdeführerin befand sich damals in Elternzeit. Ihre Kündigung bedurfte deshalb einer Zulässigerklärung durch die für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde (§ 18 Abs. 1 BEEG). Nach Abschluss dieses Verfahrens kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im März 2010. Die gegen diese Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg. Insbesondere lehnte es das BAG ab, auch in Bezug auf diese Kündigung wegen fehlerhafter Konsultation des Gesamtbetriebsrats eine Unwirk-

3 4 5

B. Gaul, AktuellAR 2016, 149 f. 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939 ff. 6 AZR 49/12, AP Nr. 1 zu § 343 InsO.

492

Aktuelle Rechtsprechung zur Massenentlassung

samkeit anzunehmen. Nach seiner Auffassung war die Kündigung nicht anzeigepflichtig. Denn sie sei nicht im Zusammenhang mit der Kündigung der übrigen Arbeitnehmer erfolgt und falle daher nicht in einen 30-TagesZeitraum, innerhalb dessen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten worden seien. Nach Auffassung des BVerfG steht diese Auslegung und Anwendung von § 17 KSchG im Widerspruch zu dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) i. V. m. dem durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf Ehe und Familie. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Verboten sei daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten werde. Hiervon ausgehend verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrer Elternzeit, die unmittelbar an die verfassungsrechtlich in Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Elternschaft anknüpfe, vom Anwendungsbereich des § 17 KSchG und den dadurch begründeten Schutz vor Massenentlassungen auszuschließen. In seiner weiteren Begründung macht das BVerfG deutlich, dass die Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin durch den Umstand begründet worden sei, dass die Einbeziehung in das Verfahren wegen einer Massenentlassung an den Zeitpunkt der Entlassung anknüpfe. Dies gibt § 17 Abs. 1 KSchG i. V. m. der Massenentlassungsrichtlinie vor. Insbesondere bei einer Betriebsstilllegung ergebe sich daraus aber ein geringeres Schutzniveau für Personen in Elternzeit, die nach dem Willen des Gesetzgebers besonders schutzwürdig seien und deshalb in den Kündigungsschutz des § 18 BEEG einbezogen werden. Entsprechendes wird man für schwangere Arbeitnehmerinnen und schwerbehinderte Menschen mit Blick auf §§ 9 MuSchG, 85 ff. SGB IX annehmen müssen. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sieht das BVerfG nicht. Vielmehr würden solche Personen etwaigen Gestaltungsoptionen des Betriebsrats und einer frühzeitigen Einschaltung der Agentur für Arbeit im Vorfeld einer Kündigung entzogen, obwohl eine besondere Schutzbedürftigkeit gegeben sei. Dieser Nachteil werde auch nicht dadurch kompensiert, dass es aufgrund des Verwaltungsverfahrens, mit dem das Kündigungsverbot aufgehoben werden solle, regelmäßig zu einem späteren Kündigungstermin komme 6.

6

BVerfG v. 8.6.2016 – 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939 Rz. 16 ff., 19.

493

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Losgelöst davon geht das BVerfG bei einer Benachteiligung der in Elternzeit befindlichen Personen auch von einer faktischen Diskriminierung wegen des Geschlechts aus. Diese stehe im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 2, 3 S. 1 GG. Denn Elternzeit werde in der betrieblichen Praxis in „evident höherem Maß“ von Frauen in Anspruch genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist das BVerfG insoweit auf die Daten für 2013 und 2014. Diese faktische Schlechterstellung lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Zur Vermeidung der insoweit verfassungsrechtlich unzulässigen Benachteiligung ist es aus Sicht des BVerfG geboten, Arbeitnehmer in Elternzeit unmittelbar in die Beteiligungspflichten aus § 17 Abs. 2, 3 KSchG einzubinden, auch wenn ihre Kündigung als Konsequenz des Verfahrens nach § 18 BEEG erst zu einem Zeitpunkt nach Ablauf der 30-Tages-Frist erklärt wird. Dabei will das BVerfG auf den Zeitpunkt abstellen, zu dem der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gemäß § 18 Abs. 1 BEEG erklärt wird 7. Damit nicht der Vorwurf einer rechtsmissbräuchlich um wenige Tage verspäteten Antragsstellung erhoben wird, empfiehlt es sich aber, diese Personen generell einzubeziehen, wenn ohne den besonderen Kündigungsschutz die Entlassung innerhalb des 30-Tages-Zeitraums erfolgt wäre, in dem die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten werden. Unter dieser Voraussetzung sind sie nicht nur in die Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG, sondern auch in das Verfahren der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG aufzunehmen.

b)

Zusammenfassung mehrerer Wellen einer Massenentlassung

Vielfach kann eine Betriebsänderung nicht zu einem einzigen Zeitpunkt umgesetzt werden. Vielmehr haben unterschiedliche Maßnahmen in verschiedenen Bereichen, für die zum Teil noch Umsetzungsvoraussetzungen geschaffen werden müssen, zur Folge, dass auch Entlassungen in mehreren Wellen durchgeführt werden. Eine solche Vorgehensweise ist nicht nur mit der Frage verbunden, unter welchen Voraussetzungen durch eine Namensliste i. S. d. § 1 Abs. 5 KSchG prozessuale Erleichterungen bewirkt werden können. Vielmehr stellt sich auch die Frage, ob die Handlungspflichten aus § 17 Abs. 2, 3 KSchG jeweils getrennt für die einzelnen Wellen durchzuführen sind oder gemeinsam abgewickelt werden können. In seinem Urteil vom 9.6.2016 8 hat das BAG diese Frage beantwortet. Danach können das Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) und das An-

7 8

BVerfG v. 8.6.2016 – 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939 Rz. 25. 6 AZR 638/15, NZA 2016, 1202 Rz. 15 ff.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Massenentlassung

zeigeverfahren (§ 17 Abs. 3 KSchG) bezogen auf alle beabsichtigten Entlassungen zusammengefasst und ohne Unterscheidung nach den einzelnen Wellen durchgeführt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass der Arbeitgeber in Bezug auf jede einzelne Welle in der Lage ist, die für die Einleitung des Konsultationsverfahrens erforderlichen Informationen nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG zu übermitteln. Dies kann im Einzelfall sowohl in Bezug auf die Gründe für eine Entlassung als auch die erforderliche Kennzeichnung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer problematisch sein. Wichtig allerdings ist, dass der Arbeitgeber zu einer erneuten Massenentlassungsanzeige verpflichtet ist, wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Ende der Sperrfrist „durchgeführt“ werden. Maßgeblich ist insoweit, ob entsprechende Aufhebungsverträge abgeschlossen oder Kündigungen erklärt werden. Auf diese Weise sollen „Vorratsanzeigen“ verhindert werden, die dem Zweck des Gesetzes zuwiderliefen, die Agentur für Arbeit über das tatsächliche Ausmaß der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ins Bild zu setzen 9. Eine erneute Durchführung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG ist nicht erforderlich. Dies folgt bereits aus der Eigenständigkeit dieser gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Beteiligungspflicht. Sie ist erfüllt, wenn die jeweilige Entlassungswelle ein einziges Mal mit dem Betriebsrat entsprechend § 17 Abs. 2 KSchG behandelt wurde.

c)

Heilung etwaiger Fehler des Konsultationsverfahrens

In einem der Urteile vom 9.6.2016 10 hat das BAG nicht nur ein weiteres Mal bestätigt, dass das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG und das Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG getrennte Handlungspflichten des Arbeitgebers begründen. Ihre Einhaltung stellt – so das BAG – auch jeweils ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar. Auf diese Rechtsfolgen zu § 17 Abs. 2 KSchG 11 bzw. § 17 Abs. 3 KSchG 12 hatte der 2. Senat des BAG bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen. Bereits in seinem Urteil vom 20.9.2012 13 hatte der 6. Senat des BAG offengelassen, ob es das in § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG für die Information des Be-

9 10 11 12 13

BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 638/15, NZA 2016, 1202 Rz. 27, 28. 6 AZR 405/15 NZA 2016, 1198 Rz. 20. Vgl. BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 21 ff. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 39 ff. 6 AZR 155/11, NZA 2013, 23 Rz. 58 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

triebsrats vorgesehene Schriftformerfordernis es notwendig mache, die Formerfordernisse des § 126 Abs. 1 BGB einzuhalten. Diese Frage hat der 6. Senat des BAG auch in seinem Urteil vom 9.6.2016 14 offen gelassen. Jedenfalls dann, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats durch einen schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text erfolge, genüge die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, um einen evtl. Schriftformverstoß zu heilen. Ausgehend davon, dass die entsprechende Unterrichtung des Arbeitgebers auch in dem Entwurf eines Interessenausgleichs enthalten sein könne, genüge es daher, wenn die abschließend unterzeichnete Ausfertigung dieses Interessenausgleichs die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats enthalte. Denn der Betriebsrat habe dadurch nicht nur eine rechtzeitige und vollständige Unterrichtung, sondern auch die Durchführung der Beratung und die Beendigung des Konsultationsverfahrens bestätigt. Der Wortlaut des Interessenausgleichs in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall lautete wie folgt: § 10 Konsultationsverfahren nach § 17 Kündigungsschutzgesetz Der Betriebsrat wurde im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Interessenausgleich am 04.12.2013 rechtzeitig und vollständig nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz unterrichtet. Sodann haben Insolvenzverwalter und Betriebsrat am 12.12.2013 nochmals die Möglichkeit beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass den in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich aufgeführten Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen ist. … Der Betriebsrat bestätigt die Beendigung des Konsultationsverfahrens und erteilt seine Zustimmung …

Problematisch für den Arbeitgeber in Bezug auf den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war, dass der Interessenausgleich keine Angaben zu den Berufsgruppen der zu Entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer enthielt. Das aber ist nach § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 KSchG erforderlich. Unabhängig davon, ob durch § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 KSchG eine ordnungsgemäße Umsetzung der in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Richtlinie 98/59/EG erfolgt ist, die von „Kategorien“ spricht, lag damit offenkundig eine nicht vollständige Erfüllung der aus § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG folgenden Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat vor.

14 6 AZR 405/15, NZA 2016, 1198 Rz. 27.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Massenentlassung

Das BAG hat zunächst einmal offen gelassen, ob das Fehlen der Unterrichtung über die Berufsgruppen überhaupt eine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge habe. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass die Berufsgruppen Bedeutung für die weiteren Berufsaussichten der Betroffenen und für etwaige soziale Begleitmaßnahmen haben. Nach Auffassung des 6. Senats des BAG spielt dies aber jedenfalls dann keine Rolle, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, den Betrieb in seiner Gesamtheit stillzulegen. Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat über die daraus folgende Entlassung aller Arbeitnehmer in Kenntnis setze, bestehe für den Betriebsrat kein Zweifel an der Betroffenheit aller Berufsgruppen. Er könne dies deshalb seinen Überlegungen und Vorschlägen im Rahmen der Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG zugrunde legen 15. Schlussendlich ist das BAG aber auch insoweit von einer Heilung dieses Fehlers im Rahmen der Informationsphase ausgegangen. Eine solche Heilung könne zwar nicht bereits durch die bloße Erklärung des Betriebsrats erfolgen, rechtzeitig und vollständig gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet worden zu sein. Die fehlerhafte Unterrichtung über die Berufsgruppen i. S. d. § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 KSchG werde allerdings dadurch geheilt, dass der Betriebsrat nach seiner Beratung mit dem Arbeitgeber erkläre, dass er seinen Beratungsanspruch nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG als erfüllt ansehe. Denn er bringe damit zum Ausdruck, dass er im Hinblick auf die beabsichtigte Massenentlassung und ihre Folgen keine weiteren Vorschläge unterbreiten könne oder wolle und das Konsultationsverfahren als beendet ansehe. Durch eine solche Erklärung, die auch in einem Interessenausgleich enthalten sein könne, führe der Betriebsrat eine Heilung des Unterrichtungsmangels herbei 16. Diese Heilungsmöglichkeit stehe auch nicht im Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben. Denn die Beteiligung des Betriebsrats durch Information und Beratung gemäß § 2 Abs. 3 Richtlinie 98/59/EG wolle nur eine ausreichende Einbindung der Arbeitnehmervertretung. Dieses kollektive Informationsrecht stelle kein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer dar. Es sei erfüllt, wenn der Betriebsrat nach Beratung mit dem Arbeitgeber das Konsultationsverfahren für beendet erkläre. Der vorstehenden Interpretation des BAG zu § 17 Abs. 2 KSchG und Richtlinie 98/59/EG ist zwar zuzustimmen. Allerdings wird man in Bezug auf die darin liegende Interpretation der Richtlinie 98/59/EG die Frage aufwerfen müssen, ob insoweit nicht ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH erforderlich gewesen wäre. Losgelöst davon wird man in der betrieblichen 15 BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 405/15, NZA 2016, 1198 Rz. 30. 16 BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 405/15, NZA 2016, 1198 Rz. 32.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Praxis im Auge zu behalten haben, dass die Heilung etwaiger Fehler im Rahmen der Informationsphase nur dann möglich ist, wenn der Betriebsrat bereit ist, zum Abschluss der Beratung die nach § 17 Abs. 3 KSchG für die Massenentlassungsanzeige grundsätzlich erforderliche Stellungnahme abzugeben. Verweigert er eine solche Stellungnahme, ist der Arbeitgeber zwar in der Lage, gleichwohl eine wirksame Massenentlassungsanzeige vorzunehmen. Denn in einem solchen Fall genügt es, dass er glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unterrichtet hat und den Stand der Beratungen darlegt. Das Anzeigeverfahren ist damit erfüllt. Es bleibt aber der Fehler im Konsultationsverfahren, der ohne Heilung eigenständig zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen kann. Umso wichtiger ist es deshalb, auch unter Berücksichtigung der Anforderungen an ein gesetzliches Schriftformerfordernis, eine vollständige und richtige Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG vorzunehmen. Sollten Fehler erkennbar werden, sollten sie noch im Verfahren korrigiert werden.

d)

Abschluss des Konsultationsverfahrens

Eine bestimmte Dauer für die Durchführung des Konsultationsverfahrens ist nicht vorgesehen. Insbesondere ist es nicht notwendig, zwischen der Information nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und dem Abschluss der Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG mindestens zwei Wochen verstreichen zu lassen 17. Die Einhaltung einer Frist von zwei Wochen zwischen der Information nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und der Massenentlassungsanzeige ist nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG nur dann bedeutsam, wenn keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats erfolgt. Unabhängig davon ist die Beratungspflicht nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG auch dann erfüllt, wenn der Betriebsrat vor Ablauf von zwei Wochen nach seiner Unterrichtung eine ausreichende und abschließende Stellungnahme abgibt. Diese kann der Arbeitgeber zum Anlass nehmen, eine wirksame Massenentlassungsanzeige zu erstatten und danach die Kündigung aussprechen. Die Stellungnahme muss – so das BAG – allerdings erkennen lassen, dass der Betriebsrat sich für ausreichend unterrichtet hält, keine (weiteren) Vorschläge unterbreiten kann oder will und die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG nicht ausschöpfen will 18. Eine solche Erklärung zur Be-

17 BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 405/15, NZA 2016, 1198 Rz. 36; a. A. Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert, Kündigungsschutzrecht § 17 Rz. 39. 18 BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 405/15, NZA 2016, 1198 Rz. 36; BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11, NZA 2013, 1040 Rz. 53.

498

Aktuelle Rechtsprechung zur Massenentlassung

endigung des Konsultationsverfahrens kann auch im Interessenausgleich enthalten sein. Auch ohne eine solche Erklärung ist das Konsultationsverfahren indes auch dann beendet, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt. Darauf hat das BAG im Urteil vom 22.9.2016 19 hingewiesen. Dort hatte der Arbeitgeber die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG erforderliche Information vorgenommen und mit dem Betriebsrat über eine mögliche „Wiedereröffnung“ des zuvor beabsichtigten Betriebs beraten. Eine solche Wiedereröffnung kam für den Arbeitgeber aber nur bei einer Absenkung der bisherigen Vergütungen in Betracht. Der Betriebsrat ließ allerdings keine Bereitschaft erkennen, an einer entsprechenden Maßnahme mitzuwirken. Dies durfte der Arbeitgeber zum Anlass nehmen, die Verhandlungen als gescheitert anzusehen und nach einer Massenentlassungsanzeige die Kündigungen auszusprechen.

e)

Keine Konsultation im Einigungsstellenverfahren

In der Betriebspraxis ist es immer wieder üblich, die Beteiligung des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG von dem Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG zu trennen. Hintergrund ist zum Teil das Bemühen, den mit einer Information gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG erforderlichen Dokumentationsaufwand im Personalbereich zunächst einmal aufzuschieben. Dass dieser Aufwand ohnehin für den Fall einer Massenentlassungsanzeige gemacht werden muss, bleibt dabei oft unberücksichtigt. In seinem Urteil vom 9.12.2015 20 hat das LAG Berlin-Brandenburg zwar zunächst einmal bestätigt, dass die Beteiligungspflichten gegenüber dem Betriebsrat aus §§ 111, 112 BetrVG einerseits und § 17 Abs. 2 KSchG andererseits gleichzeitig oder nachgeschaltet erfüllt werden können. Darauf hat auch das BAG bereits mehrfach hingewiesen 21. Wichtig ist nur, dass dem Betriebsrat gegenüber jeweils erkennbar gemacht wird, welches Beteiligungsrecht durch seine Einbeziehung jeweils erfüllt werden soll. Diese Beteiligungspflicht aus § 17 Abs. 2 KSchG kann allerdings nicht durch eine entsprechende Beteiligung einer Einigungsstelle erfolgen. Wenn Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Interessenausgleich und Sozialplan im Rahmen der Einigungsstelle fortgeführt werden,

19 2 AZR 276/16 n. v. 20 15 Sa 1512/15 u. a., ZIP 2016, 286 Rz. 38 ff. 21 Vgl. nur BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

entspricht dies zwar der aus § 112 BetrVG folgenden Systematik. Hier soll ein letzter Versuch gemacht werden, zu einer Einigung über den Interessenausgleich oder Sozialplan zu kommen. Scheitert dies, kann der Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle festgesetzt werden. Insoweit dienen die Verhandlungen in der Einigungsstelle einer Erfüllung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 112 BetrVG. Ein solches Einigungsstellenverfahren ist aber in § 17 KSchG nicht vorgesehen. Dort ist nur der Betriebsrat als Adressat der Unterrichtung und Beratung nach § 17 Abs. 2 KSchG genannt. Dieser ist aber nicht identisch mit den Beisitzern einer Einigungsstelle. Vielmehr handelt es sich bei einer Einigungsstelle um ein in der Betriebsverfassung vorgesehenes Organ, das auf einer eigenständigen Beratungsebene versuchen soll, einen Ausgleich der Betriebsparteien zu erreichen. Die von den Betriebsparteien benannten Beisitzer sind – was das LAG Berlin-Brandenburg zu Recht deutlich macht – nicht identisch mit den Betriebsparteien. Sie sind auch an Weisungen nicht gebunden. Folgerichtig kann in einer Einigungsstelle auch keine Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG erfolgen. Ob Betriebsratsmitglieder, ggf. auch der Betriebsratsvorsitzende als Vertreter des Betriebsrats, zu den Beratungen im Rahmen der Einigungsstelle hätten hinzukommen können, spielt keine Rolle. Nur dann, wenn der Betriebsrat, insoweit durch den Betriebsratsvorsitzenden vertreten, unter Hinweis auf § 17 Abs. 2 KSchG die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG erforderlichen Informationen erhält und im Anschluss an eine Befassung des Gremiums darüber eine Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG mit Vertretern des Betriebsrats erfolgt, kann von einer ordnungsgemäßen Durchführung des Konsultationsverfahrens ausgegangen werden. Ist dies nicht erkennbar, hat dies die Unwirksamkeit der Kündigungen zur Folge 22.

f)

Massenentlassungsanzeige nebst Erklärung des Arbeitgebers zum Beratungsstand

Grundsätzlich ist der Massenentlassungsanzeige eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen (§ 17 Abs. 3 S. 2 KSchG). Problematisch daran ist, dass diese Erklärung des Betriebsrats nicht nur das gesetzliche Schriftformerfordernis erfüllen muss. Vielmehr knüpft das BAG in seinem Urteil vom 22.11.2012 23 auch inhaltliche Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Stellungnahme. Danach soll die bloße Erklärung des Betriebsrats, er nehme

22 LAG Berlin-Brandenburg v. 9.12.2015 – 15 Sa 1512/15 u. a., ZIP 2016, 286 Rz. 39 ff. 23 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 11, 14 ff.

500

Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb

die vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen zur Kenntnis, nicht genügen, um als Stellungnahme i. S. d. § 17 Abs. 3 KSchG qualifiziert werden zu können. Unzureichend sei auch, den Interessenausgleich in seiner Gesamtheit als Stellungnahme zu verstehen. Vielmehr verlangt das BAG, dass der Betriebsrat an seiner ursprünglichen Auffassung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen festhält. In der Regel entspricht dies nicht der Einigung zwischen den Betriebsparteien, wie sie im Interessenausgleich zum Ausdruck kommt. Allerdings kann der Betriebsrat in seiner Stellungnahme erkennen lassen, dass er nach Ablauf der Beratungen unter Aufgabe seiner ursprünglichen Bewertung einer Durchführung der Maßnahme nach Maßgabe des Interessenausgleichs zugestimmt hat. Bestehen aus Sicht des Arbeitgebers Zweifel, ob die Erklärung des Betriebsrats die Anforderungen an eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 KSchG erfüllt, kann der Betriebsrat zwar nicht zu einer Nachbesserung verpflichtet werden. Dem Arbeitgeber bleibt aber die Möglichkeit, die Massenentlassungsanzeige mit einer eigenen Erklärung zu verknüpfen, in der er glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet hat und daran anknüpfend den Stand der Beratungen darlegt. Wenn der Arbeitgeber sich hierzu entschließt, was einer vorsorglichen Vorgehensweise entsprechen kann, sollte aber die Klärung des Betriebsrats auch ohne ihre Kennzeichnung als Stellungnahme i. S. d. § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG beigefügt werden. Denn sie substantiiert in besonders geeigneter Weise den Stand der Beratung zwischen den Betriebsparteien 24. (Ga)

2.

Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb

Die Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb ist zunächst einmal bedeutsam für die Frage, ob die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird, damit das Arbeitsverhältnis nur bei Vorliegen einer sozialen Rechtfertigung gekündigt werden kann. Darüber hinaus ist die Zuordnung bedeutsam für die Frage, ob ein Arbeitnehmer in den Kreis der für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu vergleichenden Arbeitnehmer einbezogen werden kann. Denn die Durchführung der Sozialauswahl ist begrenzt auf die im kündigungsschutzrechtlichen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Arbeitnehmer, die in ande-

24 Vgl. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 58; LAG BerlinBrandenburg v. 26.2.2016 – 6 Sa 1581/15, BB 2016, 1524 Rz. 66 ff.

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Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb

die vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen zur Kenntnis, nicht genügen, um als Stellungnahme i. S. d. § 17 Abs. 3 KSchG qualifiziert werden zu können. Unzureichend sei auch, den Interessenausgleich in seiner Gesamtheit als Stellungnahme zu verstehen. Vielmehr verlangt das BAG, dass der Betriebsrat an seiner ursprünglichen Auffassung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen festhält. In der Regel entspricht dies nicht der Einigung zwischen den Betriebsparteien, wie sie im Interessenausgleich zum Ausdruck kommt. Allerdings kann der Betriebsrat in seiner Stellungnahme erkennen lassen, dass er nach Ablauf der Beratungen unter Aufgabe seiner ursprünglichen Bewertung einer Durchführung der Maßnahme nach Maßgabe des Interessenausgleichs zugestimmt hat. Bestehen aus Sicht des Arbeitgebers Zweifel, ob die Erklärung des Betriebsrats die Anforderungen an eine Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 KSchG erfüllt, kann der Betriebsrat zwar nicht zu einer Nachbesserung verpflichtet werden. Dem Arbeitgeber bleibt aber die Möglichkeit, die Massenentlassungsanzeige mit einer eigenen Erklärung zu verknüpfen, in der er glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet hat und daran anknüpfend den Stand der Beratungen darlegt. Wenn der Arbeitgeber sich hierzu entschließt, was einer vorsorglichen Vorgehensweise entsprechen kann, sollte aber die Klärung des Betriebsrats auch ohne ihre Kennzeichnung als Stellungnahme i. S. d. § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG beigefügt werden. Denn sie substantiiert in besonders geeigneter Weise den Stand der Beratung zwischen den Betriebsparteien 24. (Ga)

2.

Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb

Die Zuordnung von Arbeitnehmern zum kündigungsschutzrechtlichen Betrieb ist zunächst einmal bedeutsam für die Frage, ob die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird, damit das Arbeitsverhältnis nur bei Vorliegen einer sozialen Rechtfertigung gekündigt werden kann. Darüber hinaus ist die Zuordnung bedeutsam für die Frage, ob ein Arbeitnehmer in den Kreis der für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu vergleichenden Arbeitnehmer einbezogen werden kann. Denn die Durchführung der Sozialauswahl ist begrenzt auf die im kündigungsschutzrechtlichen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Arbeitnehmer, die in ande-

24 Vgl. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 58; LAG BerlinBrandenburg v. 26.2.2016 – 6 Sa 1581/15, BB 2016, 1524 Rz. 66 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ren Betrieben desselben Unternehmens beschäftigt sind, finden keine Berücksichtigung. In seinem Urteil vom 19.7.2016 25 hat der 2. Senat des BAG insoweit eine richtige Klarstellung vorgenommen. Nach seinen Feststellungen setzt die Eingliederung des Arbeitnehmers in den kündigungsschutzrechtlichen Betrieb voraus, dass der Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich auf dem Betriebsgelände tätig ist. Dies kann beispielsweise im Zusammenhang mit einem Projekt, bei Meetings oder Präsentationen erfolgen. Notwendig ist vielmehr, dass der Arbeitnehmer in die dortige Struktur eingebunden ist. Das setzt nach seinen Feststellungen voraus, dass er eine Tätigkeit für den Betrieb erbringt und Weisungen zu ihrer Durchführung im Wesentlichen aus diesem Betrieb heraus erhält 26. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger in einem Betrieb beschäftigt, in dem neben ihm weitere neun Arbeitnehmer tätig waren. Hiervon ausgehend war der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG für die Notwendigkeit einer sozialen Rechtfertigung nicht erfüllt. Der Kläger machte im Rahmen der Kündigungsschutzklage allerdings geltend, dass die Beklagte eine weitere Niederlassung in der Schweiz habe, in der drei Arbeitnehmer beschäftigt würden. Auch unter Berücksichtigung dieses Sachvortrags hat das BAG indes keine Anwendbarkeit von § 1 KSchG angenommen. Denn nach den tatrichterlichen Feststellungen handelte es sich bei der Niederlassung in der Schweiz nicht um einen unselbständigen Betriebsteil der Hauptniederlassung, in der der Kläger eingesetzt war. Vielmehr sei die in der Schweiz gelegene Betriebsstätte organisatorisch eigenständig gewesen. Sie habe nicht nur über eine selbständige Verwaltung und Lohnbuchhaltung verfügt. Vielmehr habe der Niederlassungsleiter auch die Einstellung und Entlassung des dort beschäftigten Personals eigenverantwortlich wahrgenommen. Unerheblich dabei war für das BAG, ob die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer ihren Wohnsitz in Deutschland hatten oder – was streitig war – einem dieser Mitarbeiter die Möglichkeit eines Home-Office eingeräumt worden war 27. Der Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Allerdings wird man im Auge behalten müssen, wie das BAG über die Frage entscheidet, ob die Einbeziehung von Vorgesetzten eines anderen Standorts im Rahmen einer Matrix-Struktur als mitbestimmungspflichtige Einstellung nach § 99

25 2 AZR 468/15, BB 2016, 2227 f. 26 Ebenso BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 556/05, NZA 2007, 1320 Rz. 28. 27 BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, BB 2016, 2227 Rz. 17 f.

502

Zustellung der Kündigung durch den Gerichtsvollzieher

BetrVG in dem Betrieb zu qualifizieren ist, in dem die durch diesen Vorgesetzten gesteuerten Arbeitnehmer tätig sind. Von dieser Bewertung waren das LAG Baden-Württemberg im Urteil vom 28.5.2014 28, das LAG BerlinBrandenburg im Urteil vom 17.6.2015 29 sowie das LAG Düsseldorf im Urteil vom 10.2.2016 30 ausgegangen. In ihren Begründungen hatten sie es im Wesentlichen ausreichen lassen, dass der Vorgesetzte den Zweck des Betriebs förderte, in dem die von ihm gesteuerten Arbeitnehmer tätig waren, und darüber hinaus diesen Arbeitnehmern Weisungen erteilte. Zutreffender Weise hatte das BAG eine solche Form der Einbindung in die Betriebsabläufe in seinem Beschluss vom 13.12.2005 31 noch für unzureichend gehalten, nun von einer betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung auszugehen. Vergleichbar mit den jetzt im Urteil vom 19.7.2016 32 in Bezug auf den kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff getroffenen Feststellungen hatte es vielmehr für die Anerkennung einer betriebsverfassungsrechtlichen Eingliederung des Arbeitnehmers und das daraus folgende Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG verlangt, dass der Vorgesetzte selbst auch Weisungen aus dem Betrieb erhält, innerhalb dessen seine Eingliederung durch den Betriebsrat geltend gemacht wird. Werden von dort aus ihm gegenüber keine Weisungen erteilt, ändert daran auch eine Berichtspflicht, die legalen Verantwortlichkeiten Rechnung tragen soll, zu Recht nichts. Die Auseinandersetzung über die Anwendbarkeit von § 99 BetrVG befindet sich in der Rechtsbeschwerde. Wir hatten darüber bereits berichtet 33 und werden über den weiteren Fortgang weiter informieren. Relevant für die in der Betriebspraxis verbreiteten Matrix-Strukturen ist, ob und inwieweit die betriebsverfassungsrechtlichen Kriterien einer Eingliederung auch für die Zuordnung in Bezug auf den kündigungsschutzrechtlichen Betrieb nutzbar gemacht werden können. (Ga)

3.

Zustellung der Kündigung durch den Gerichtsvollzieher

Nach § 132 Abs. 1 S. 1 BGB gilt eine Willenserklärung auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Dabei erfolgt die Zustellung nach den Vorschriften der Zivilpro28 29 30 31 32 33

4 TaBV 7/13, BB 2014, 2298 ff. 17 TaBV 277/15, NZA-RR 2015, 529 f. 7 TaBV 63/15, DB 2016, 1508. 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 Rz. 14. 2 AZR 468/15, BB 2016, 2227 Rz. 20. B. Gaul, AktuellAR 2016 253 f.

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Zustellung der Kündigung durch den Gerichtsvollzieher

BetrVG in dem Betrieb zu qualifizieren ist, in dem die durch diesen Vorgesetzten gesteuerten Arbeitnehmer tätig sind. Von dieser Bewertung waren das LAG Baden-Württemberg im Urteil vom 28.5.2014 28, das LAG BerlinBrandenburg im Urteil vom 17.6.2015 29 sowie das LAG Düsseldorf im Urteil vom 10.2.2016 30 ausgegangen. In ihren Begründungen hatten sie es im Wesentlichen ausreichen lassen, dass der Vorgesetzte den Zweck des Betriebs förderte, in dem die von ihm gesteuerten Arbeitnehmer tätig waren, und darüber hinaus diesen Arbeitnehmern Weisungen erteilte. Zutreffender Weise hatte das BAG eine solche Form der Einbindung in die Betriebsabläufe in seinem Beschluss vom 13.12.2005 31 noch für unzureichend gehalten, nun von einer betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung auszugehen. Vergleichbar mit den jetzt im Urteil vom 19.7.2016 32 in Bezug auf den kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff getroffenen Feststellungen hatte es vielmehr für die Anerkennung einer betriebsverfassungsrechtlichen Eingliederung des Arbeitnehmers und das daraus folgende Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG verlangt, dass der Vorgesetzte selbst auch Weisungen aus dem Betrieb erhält, innerhalb dessen seine Eingliederung durch den Betriebsrat geltend gemacht wird. Werden von dort aus ihm gegenüber keine Weisungen erteilt, ändert daran auch eine Berichtspflicht, die legalen Verantwortlichkeiten Rechnung tragen soll, zu Recht nichts. Die Auseinandersetzung über die Anwendbarkeit von § 99 BetrVG befindet sich in der Rechtsbeschwerde. Wir hatten darüber bereits berichtet 33 und werden über den weiteren Fortgang weiter informieren. Relevant für die in der Betriebspraxis verbreiteten Matrix-Strukturen ist, ob und inwieweit die betriebsverfassungsrechtlichen Kriterien einer Eingliederung auch für die Zuordnung in Bezug auf den kündigungsschutzrechtlichen Betrieb nutzbar gemacht werden können. (Ga)

3.

Zustellung der Kündigung durch den Gerichtsvollzieher

Nach § 132 Abs. 1 S. 1 BGB gilt eine Willenserklärung auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Dabei erfolgt die Zustellung nach den Vorschriften der Zivilpro28 29 30 31 32 33

4 TaBV 7/13, BB 2014, 2298 ff. 17 TaBV 277/15, NZA-RR 2015, 529 f. 7 TaBV 63/15, DB 2016, 1508. 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 Rz. 14. 2 AZR 468/15, BB 2016, 2227 Rz. 20. B. Gaul, AktuellAR 2016 253 f.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

zessordnung (§ 132 Abs. 1 S. 2 BGB). Damit kann der Zugang einer Willenserklärung auf Betreiben einer Partei durch die Einschaltung eines Gerichtsvollziehers in der Weise bewirkt werden, dass dieser das Schriftstück nach § 177 ZPO (§ 191 ZPO) der Person, der zugestellt werden soll, übergibt oder eine Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO vornimmt, die auch dadurch erfolgen kann, dass das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wird, den der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und der in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt und damit als zugegangen. Soll durch die Erklärung eine Frist gewahrt werden, so bestimmt § 167 ZPO, dass diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. In diesem Zusammenhang hat der BGH in einer Entscheidung vom 17.7.2008 34 seine bisherige Rechtsprechung 35, wonach eine Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO (früher § 270 Abs. 3 ZPO) nicht bei Fristen in Betracht kam, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden konnten, aufgegeben. Der BGH geht nunmehr davon aus, dass die Bestimmung des § 167 ZPO grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar ist, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann. Zur Begründung hat sich der BGH vor allem auf § 132 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wonach anstelle des Zugangs die Zustellung einer Willenserklärung durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugelassen wird. Mit einer solchen Zustellung werden nach Ansicht des BGH grundsätzlich auch Fristen gewahrt, die einer gerichtlichen Zustellung nicht bedürfen. Damit tritt diese Wirkung nach § 132 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. §§ 191, 192 Abs. 2 S. 1, 167 ZPO bereits mit der Übergabe des die Willenserklärung enthaltenden Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Der Wortlaut des § 167 ZPO – so der BGH – biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Rückwirkung der Zustellung davon abhinge, ob mit der Zustellung eine nur gerichtlich oder eine auch außergerichtlich geltend zu machende Frist gewahrt werden solle. Allerdings will der BGH nicht ausschließen, dass in Einzelfällen nach Sinn und Zweck der jeweiligen Fristenregelung Ausnahmen von der Rückwirkung der Zustellung zuzulassen sind. Beispielhaft soll dies für die Anfechtungsfrist des § 121 BGB gelten, weil es im Interesse des Empfängers liege,

34 I ZR 109/05, NJW 2009, 765 Rz. 20 ff. 35 BGH v. 10.2.1971, VIII ZR 208/69, WM 1971, 383, 384 Rz. 12 und BGH v. 21.10.1981, VIII ZR 212/80, NJW 1982, 172 Rz. 13 ff.

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Zustellung der Kündigung durch den Gerichtsvollzieher

rasche Klarheit darüber zu gewinnen, ob der Anfechtungsberechtigte von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch mache. Der 8. Senat des BAG ist in der Entscheidung vom 22.5.2014 36 für die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des BGH gefolgt, während der 3. Senat des BAG mit Urteil vom 21.10.2014 37 die Anwendung von § 167 ZPO auf die Rügefrist nach § 16 BetrAVG nach Sinn und Zweck dieser Fristbestimmung abgelehnt hat. Für die Wahrung einer in einem Tarifvertrag geregelten und durch einfaches Schreiben einzuhaltenden Ausschlussfrist hat nunmehr auch der 4. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 16.3.2016 38 die Anwendung von § 167 ZPO verneint. Dabei äußert der 4. Senat des BAG bereits grundsätzliche Bedenken gegen die Auffassung, § 167 ZPO sei in der Regel auch in den Fällen anzuwenden, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch eine außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. Das BAG konnte allerdings unentschieden lassen, ob dem BGH an sich gefolgt werden konnte, weil auch nach der Rechtsprechung des BGH aus dem Sinn und Zweck einzelner Fristen eine Abweichung von § 167 ZPO geboten sein kann, was nach Ansicht des BAG auf tarifliche Ausschlussfristen zutrifft, die der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienen und darauf angelegt sind, zu der im Arbeitsleben besonders raschen Klärung von Ansprüchen beizutragen. Angesichts dessen war weder eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes angezeigt (§ 2 Abs. 1 RsprEinhG), noch geboten, die Frage dem Großen Senat des BAG vorzulegen (§ 45 ArbGG), weil der 8. Senat seine Entscheidung zu der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten zweimonatigen Geltendmachungsfrist getroffen hat und damit keine entscheidungserhebliche Divergenz zur Entscheidung des 4. Senats vorlag. Auf der Grundlage der Entscheidung des BGH vom 17.7.2008 39 und seines Begründungsansatzes aus § 132 BGB war davon auszugehen, dass bereits die Übergabe eines eine Willenserklärung enthaltenden Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher bei demnächstiger Zustellung eine außergerichtliche Frist wahren würde, was auch für den Fall der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB in Frage kommen konnte. Nach herkömmlicher Bewer-

36 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 9. 37 3 AZR 937/12, AP Nr. 106 zu § 16 BetrAVG Rz. 39. 38 4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154 Rz. 20. So bereits früher BAG v. 25.9.1996 – 10 AZR 678/95 n. v. Rz. 15 ff. 39 I ZR 109/05, NJW 2009, 765 Rz. 24.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

tung geht eine verkörperte Willenserklärung – und damit eine Kündigungserklärung – unter Abwesenden i. S. v. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist dabei nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen 40. Erfolgt die Zustellung einer Kündigung durch den Gerichtsvollzieher nach § 132 Abs. 1 BGB, reicht für ihren Zugang bereits die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher aus, die im Falle einer Ersatzzustellung auch durch Einwurf in einen Briefkasten des Adressaten erfolgen kann. Der 4. Senat des BAG 41 lehnt in diesem Zusammenhang in einem obiter dictum die Anwendung von § 167 ZPO auf die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ab, weil der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung nach § 4 S. 1 KSchG innerhalb einer Frist von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage erheben muss. Mit der Rückwirkung der Zustellung würde sich diese Frist zum Nachteil des Arbeitnehmers verkürzen, wenn man nicht zwei verschiedene Zugangszeitpunkte i. S. v. §§ 130, 132 BGB fingieren wolle. Gleiches würde gelten, wenn ein Arbeitnehmer, der bereits länger als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt ist, hinnehmen müsste, dass ihm noch nach Ablauf der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG eine Kündigung zugeht, diese aber auf einen Zeitpunkt vor Ablauf der Wartefrist zurückwirken würde und dem Arbeitnehmer den Kündigungsschutz nähme. Ungeachtet der für die Zustellung von Kündigungen geäußerten Bedenken des 4. Senats des BAG zur Anwendung von § 167 ZPO auf den Ersatz des Zugehens durch Zustellung des Gerichtsvollziehers nach § 132 Abs. 1 BGB, bietet diese Vorschrift eine sichere Möglichkeit, unabhängig vom Verhalten des Kündigungsadressaten, den Zugang sicher nachweisen zu können. Deshalb ist der betrieblichen Praxis durchaus anzuraten, bei einer befürchteten Zugangsvereitelung die förmliche Zustellung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers zu wählen. Dieses Zustellungsverfahren kann auch dann geboten sein, wenn Zweifel bestehen, ob die Zugangsvoraussetzungen nach

40 So die Rspr. zusammenfassend BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 37. 41 v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154 Rz. 20.

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Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums

§ 130 BGB für einen fristgerechten Zugang der Kündigung eingehalten werden können. (Boe)

4.

Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums

Mit Urteil vom 20.10.2016 42 hat der 6. Senat des BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des mit einem Berufskraftfahrer bestehenden Arbeitsverhältnisses berechtigt sein kann, wenn dieser seine Fahrtüchtigkeit durch die Einnahmen von Drogen (hier: Crystal Meth) gefährde. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit konsumiert worden sei. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger am Samstag, dem 11.10.2014, im privaten Umfeld Amphetamine und Meth Amphetamine eingenommen. Am darauffolgenden Montag erbrachte er wieder seine Arbeitsleistung. Allerdings wurde anlässlich einer polizeilichen Kontrolle am 14.10.2014 der Drogenkonsum festgestellt, was den Arbeitgeber offenbar ohne weitergehende Erkenntnisse zu einer etwaig fehlenden Arbeitsfähigkeit veranlasste, eine außerordentliche (fristlose) Kündigung auszusprechen. Der Arbeitnehmer hielt diese für unwirksam, weil keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit bestanden hätten. Entgegen der Auffassung der beiden Vorinstanzen hat das BAG die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Für das BAG kam es nicht darauf an, dass eine solche (tatsächliche) Fahruntüchtigkeit des Klägers erkennbar war. In Folge dessen ist der 6. Senat auch davon ausgegangen, dass das LAG Nürnberg als Vorinstanz im Rahmen der nach § 626 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung die sich aus der Einnahme von Amphetaminen und Meth Amphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren nicht hinreichend gewürdigt habe. Ob die Fahrtüchtigkeit des Klägers bei den ab dem 13.10.2014 durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt gewesen sei und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestanden habe, spielte offenbar keine Rolle. Es bleibt abzuwarten, wie diese grundsätzliche Aussage aus der Pressemitteilung in den Entscheidungsgründen konkretisiert wird. Denn die Frage der tatsächlichen Fahruntüchtigkeit bzw. einer Gefährdung des Straßenverkehrs spielt auch dann eine Rolle, wenn Arbeitnehmer, die als Fahrer eingesetzt werden, vor oder während der Arbeitszeit Alkohol zu sich nehmen. Über-

42 6 AZR 471/15 n. v.

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Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums

§ 130 BGB für einen fristgerechten Zugang der Kündigung eingehalten werden können. (Boe)

4.

Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums

Mit Urteil vom 20.10.2016 42 hat der 6. Senat des BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des mit einem Berufskraftfahrer bestehenden Arbeitsverhältnisses berechtigt sein kann, wenn dieser seine Fahrtüchtigkeit durch die Einnahmen von Drogen (hier: Crystal Meth) gefährde. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit konsumiert worden sei. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger am Samstag, dem 11.10.2014, im privaten Umfeld Amphetamine und Meth Amphetamine eingenommen. Am darauffolgenden Montag erbrachte er wieder seine Arbeitsleistung. Allerdings wurde anlässlich einer polizeilichen Kontrolle am 14.10.2014 der Drogenkonsum festgestellt, was den Arbeitgeber offenbar ohne weitergehende Erkenntnisse zu einer etwaig fehlenden Arbeitsfähigkeit veranlasste, eine außerordentliche (fristlose) Kündigung auszusprechen. Der Arbeitnehmer hielt diese für unwirksam, weil keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit bestanden hätten. Entgegen der Auffassung der beiden Vorinstanzen hat das BAG die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Für das BAG kam es nicht darauf an, dass eine solche (tatsächliche) Fahruntüchtigkeit des Klägers erkennbar war. In Folge dessen ist der 6. Senat auch davon ausgegangen, dass das LAG Nürnberg als Vorinstanz im Rahmen der nach § 626 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung die sich aus der Einnahme von Amphetaminen und Meth Amphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren nicht hinreichend gewürdigt habe. Ob die Fahrtüchtigkeit des Klägers bei den ab dem 13.10.2014 durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt gewesen sei und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestanden habe, spielte offenbar keine Rolle. Es bleibt abzuwarten, wie diese grundsätzliche Aussage aus der Pressemitteilung in den Entscheidungsgründen konkretisiert wird. Denn die Frage der tatsächlichen Fahruntüchtigkeit bzw. einer Gefährdung des Straßenverkehrs spielt auch dann eine Rolle, wenn Arbeitnehmer, die als Fahrer eingesetzt werden, vor oder während der Arbeitszeit Alkohol zu sich nehmen. Über-

42 6 AZR 471/15 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

trägt man die Feststellungen des BAG aus der hier in Rede stehenden Entscheidung, dürfte es auf den Grad der Alkoholisierung und die daraus folgenden Konsequenzen für die Fahrtüchtigkeit im Rahmen der Interessenabwägung nur eingeschränkt ankommen. Möglicherweise müsste sogar eine Fahruntüchtigkeit durch den Arbeitgeber nicht dargelegt und ggf. bewiesen werden. (Ga)

5.

Vorrang einer Kündigung von Arbeitnehmern ohne tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz

In den vergangenen Jahren haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, ob auch Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters und der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 KSchG entzogen sind, aus betrieblichen Gründen gekündigt werden können 43. In überzeugender Weise hat das BAG in den diesbezüglichen Entscheidungen deutlich gemacht, dass auch § 626 BGB eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen zulassen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass durch den Wegfall des Arbeitsverhältnisses eine Situation geschaffen wird, die dem Arbeitgeber eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der besonderen Interessen des Arbeitnehmers nicht (mehr) zumutbar macht. Im Zweifel ist dies daran geknüpft, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Dauer von mindestens fünf Jahren zwar bezahlt, nicht aber beschäftigt werden kann. Darin läge ein sinnentleertes Vertragsverhältnis, dessen Aufrechterhaltung dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann 44. Völlig zu Recht hat das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 26.8.2015 45 indes deutlich gemacht, dass eine solche (außerordentliche) Kündigung nach § 626 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn es auf den vom Wegfall betroffenen Arbeitsplätzen keine noch ordentlich kündbaren Arbeitnehmer gibt, durch deren Entlassung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz erreicht werden kann. Eine Kündigung dieser Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz hat also Vorrang vor einer Kündigung der tarifvertraglich „unkündbaren“ Arbeitnehmer. (Ga)

43 B. Gaul, AktuellAR 2014, 415 ff.; 2015, 509 ff. 44 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 Rz. 15 ff.; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 15; BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 453/11, NZA 2013, 959 Rz. 22; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 15. 45 15 Sa 587/15, BB 2015, 3059 Rz. 29 f.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

trägt man die Feststellungen des BAG aus der hier in Rede stehenden Entscheidung, dürfte es auf den Grad der Alkoholisierung und die daraus folgenden Konsequenzen für die Fahrtüchtigkeit im Rahmen der Interessenabwägung nur eingeschränkt ankommen. Möglicherweise müsste sogar eine Fahruntüchtigkeit durch den Arbeitgeber nicht dargelegt und ggf. bewiesen werden. (Ga)

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Vorrang einer Kündigung von Arbeitnehmern ohne tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz

In den vergangenen Jahren haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, ob auch Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters und der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 KSchG entzogen sind, aus betrieblichen Gründen gekündigt werden können 43. In überzeugender Weise hat das BAG in den diesbezüglichen Entscheidungen deutlich gemacht, dass auch § 626 BGB eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen zulassen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass durch den Wegfall des Arbeitsverhältnisses eine Situation geschaffen wird, die dem Arbeitgeber eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der besonderen Interessen des Arbeitnehmers nicht (mehr) zumutbar macht. Im Zweifel ist dies daran geknüpft, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Dauer von mindestens fünf Jahren zwar bezahlt, nicht aber beschäftigt werden kann. Darin läge ein sinnentleertes Vertragsverhältnis, dessen Aufrechterhaltung dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann 44. Völlig zu Recht hat das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 26.8.2015 45 indes deutlich gemacht, dass eine solche (außerordentliche) Kündigung nach § 626 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn es auf den vom Wegfall betroffenen Arbeitsplätzen keine noch ordentlich kündbaren Arbeitnehmer gibt, durch deren Entlassung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz erreicht werden kann. Eine Kündigung dieser Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz hat also Vorrang vor einer Kündigung der tarifvertraglich „unkündbaren“ Arbeitnehmer. (Ga)

43 B. Gaul, AktuellAR 2014, 415 ff.; 2015, 509 ff. 44 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 Rz. 15 ff.; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 15; BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 453/11, NZA 2013, 959 Rz. 22; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 15. 45 15 Sa 587/15, BB 2015, 3059 Rz. 29 f.

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Betriebsbedingte Kündigung aufgrund Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG

6.

Betriebsbedingte Kündigung aufgrund Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG bei schrittweisem Personalabbau

Bereits im Zusammenhang mit § 17 KSchG hatten wir den Fall behandelt, dass eine arbeitgeberseitig geplante Restrukturierungsmaßnahme über einen längeren Zeitraum hinweg in mehreren Wellen mit Entlassungen verbunden sein kann. Das BAG hatte deutlich gemacht, dass diese Entlassungswellen im Rahmen eines einzigen Konsultations- und Anzeigeverfahrens nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG erfasst werden können 46. In seinem Urteil vom 17.3.2016 47 hat der 2. Senat des BAG noch einmal deutlich gemacht, dass das Vorliegen einer Betriebsänderung bei einem schrittweisen Personalabbau ohne Rücksicht auf die 30-Tages-Frist des § 17 Abs. 1 KSchG festgestellt wird. Denn eine Betriebseinschränkung i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG könne auch in einem bloßen Personalabbau liegen, wenn erhebliche Teile der Belegschaft betroffen seien. Dabei seien zwar die Zahl- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG eine „Richtschnur“. Ergänzend hierzu ist allerdings bei Großbetrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern von einer Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG erst dann auszugehen, wenn der Personalabbau 5 % der Gesamtbelegschaft dieses Betriebs betrifft48. In allen Fällen werden dabei allerdings auch solche Entlassungen zusammengerechnet, die auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Plans auch außerhalb eines 30-Tages-Zeitraums erfolgen sollen. Insbesondere bei langfristigen Personalabbaumaßnahmen ist es deshalb denkbar, dass diese zwar keine Massenentlassung i. S. d. § 17 Abs. 1 KSchG darstellen, aber Beteiligungsrechte wegen einer Betriebsänderung nach §§ 111, 112 BetrVG auslösen. Voraussetzung ist lediglich, dass der sukzessive Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruht, ohne dass eine enge zeitliche Nähe der einzelnen Entlassungswellen gegeben sein muss 49. Nur dann, wenn im Anschluss an eine (erste) Entlassungswelle neue, vom Arbeitgeber ursprünglich nicht vorhergesehene und eingeplante Umstände eintreten, die zu Maßnahmen führen, denen eine eigenständige (neue) Planung zugrunde liegt, kann die Zahl der hiervon betroffenen Arbeitnehmer

46 47 48 49

B. Gaul, AktuellAR 2016, 494 f. 2 AZR 182/15, NZA 2016, 2169 Rz. 28 ff. BAG v. 19.7.2012 - 2 AZR 352/11, NZA 2013, 860 Rz. 17. BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 182/15, NZA 2016, 2169 Rz. 29 f.; BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559 Rz. 19.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

nicht übergreifend für die Kennzeichnung einer Betriebsänderung herangezogen werden 50. In seinem Urteil vom 17.3.2016 51 bestätigt das BAG zunächst einmal, dass es bei einem schrittweisen Personalabbau nicht erforderlich ist, alle Arbeitnehmer jeder einzelnen Welle innerhalb einer einzigen Namensliste im Rahmen des Interessenausgleichs nach § 1 Abs. 5 KSchG zu erfassen. Denkbar ist, dass eine Namensliste für jede einzelne Entlassungswelle erstellt wird. Notwendig ist lediglich, dass diese Namensliste dann jeweils vollständig alle Arbeitnehmer erfasst, die von dem durchzuführenden Personalabbau betroffen sind und zum Inhalt des zuvor abgeschlossenen Interessenausgleichs gemacht wird. Dies gilt selbst dann, wenn im Einzelfall anstelle einer betriebsbedingten Kündigung Aufhebungsverträge abgeschlossen werden sollen 52. Ganz erhebliche Bedeutung für die Betriebspraxis hat aber der Umstand, dass die Beschränkung auf die Möglichkeit der nur auf eine Entlassungswelle bezogenen Namensliste dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnet, auch den Interessenausgleich nur auf den diesen Entlassungen zugrundeliegenden Teil der Betriebsänderung zu begrenzen. Vielmehr verlangt das BAG in seinem Urteil vom 17.3.2016 53, dass diese Namensliste in Bezug auf eine Entlassungswelle mit einem Interessenausgleich verknüpft wird, der die gesamte Betriebsänderung erfasst. Ein Interessenausgleich, der nur Teile eines geplanten Stellenabbaus beschreibe, genüge nicht, um die prozessualen Rechtsfolgen des § 1 Abs. 5 KSchG auszulösen. In seiner Begründung beruft sich der 2. Senat des BAG nicht nur auf den Wortlaut von § 1 Abs. 5 KSchG, der eine solche Namensliste nur für betriebsbedingte Kündigungen „aufgrund“ einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG erlaube. Entscheidend ist für das BAG vor allem der Sinn und Zweck von § 1 Abs. 5 KSchG. Die dort normierten Erleichterungen verfolgten das Ziel, bei betriebsbedingten Kündigungen einer größeren Zahl von Arbeitnehmern eine erhöhte Rechtssicherheit zu erreichen. Der Eintritt der in § 1 Abs. 5 S. 1, 2 KSchG bestimmten Rechtsfolgen beruhe auf der Erwägung des Gesetzgebers, das von der übereinstimmenden Beurteilung der Betriebsparteien, die sich in einem Interessenausgleich auf die Namen der zu

50 BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 182/15, NZA 2016, 2169 Rz. 30; BAG v. 28.3.2006 – 1 ABR 5/05, NZA 2006, 932 Rz. 19. 51 2 AZR 182/15, NZA 2016, 2169 Rz. 33. 52 Vgl. auch BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 386/11, NZA 2013, 333 Rz. 22; BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 111/02, NZA 2006, 64 Rz. 58. 53 2 AZR 182/15, NZA 2016, 2169 Rz. 34 ff.

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Betriebsbedingte Kündigung aufgrund Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG

kündigenden Arbeitnehmer verständigt hätten, eine hohe Gewähr für die Richtigkeit ihrer Einschätzung ausgehe. Nach seiner Vorstellung sollen die Betriebsräte dabei verstärkt in die Verantwortung für Betriebsänderungen i. S. d. § 111 BetrVG einbezogen werden sowie im Rahmen eines nicht durch Spruch der Einigungsstelle erzwingbaren Interessenausgleichs einen erhöhten Einfluss auf die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung und über die Einzelheiten der Betriebsänderung gewinnen. Die durch § 1 Abs. 5 KSchG bewirkten nachteiligen Folgen der Namensliste für die kündigungsschutzrechtliche Stellung der von ihr betroffenen Arbeitnehmer seien verfassungsrechtlich aber nur durch die Einflussnahmemöglichkeit des Betriebsrats auf die gesamte unternehmerische Maßnahme und ihre Folgen für die davon betroffenen Arbeitnehmer zu rechtfertigen. An einer solchen Einflussnahmemöglichkeit fehle es, wenn der Arbeitgeber, nach dem Scheitern eines Interessenausgleichs über Teile der betriebsändernden Maßnahme, diese ohne Mitwirkung des Betriebsrats durchführen könne 54. Diese Interpretation von § 1 Abs. 5 KSchG erscheint gut vertretbar. Sie berücksichtigt insbesondere die Interessen in der von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Arbeitnehmer, die am Abschluss des Interessenausgleichs mit Namensliste selbst gar nicht beteiligt sind. Konsequenz für die Betriebspraxis ist, dass Namenslisten i. S. d. § 1 Abs. 5 KSchG im Zusammenhang mit einem schrittweisen Personalabbau nur dann in Betracht kommen, wenn zum Zeitpunkt der Verhandlungen mit dem Betriebsrat wegen der ersten Entlassungswelle bereits die Maßnahmen feststehen, die zu späteren Entlassungen in weiteren Wellen führen sollen. Denn nur dann ist es möglich, diese auch in den Interessenausgleich einzubinden, selbst wenn die namentliche Bestimmung der von den nachfolgenden Entlassungswellen betroffenen Arbeitnehmer erst in späteren – ergänzend verhandelten – Namenslisten erfolgen soll. Hiervon ist jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn ein Personalabbau durch Geschäftsführung und/oder Vorstand über einen Zeitraum mehrerer Jahre angekündigt wird, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits Maßnahmen erarbeitet wurden, die arbeitsrechtlich solche Kündigungen erst betriebsbedingt notwendig machen. (Ga)

54 BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 182/15, NZA 2016, 2169 Rz. 36; BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559 Rz. 27.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

7.

Bedeutung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX bei der Kündigung von Schwerbehinderten

Nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsoder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG 55 stellt die Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen dar, sondern konkretisiert den dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dabei enthält § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine Aussage darüber, welche geeignete und erforderliche Maßnahme für die dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt, sondern beschreibt das Verfahren, wie auf Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis zu reagieren ist, um das mit dieser Vorschrift gewollte Ziel zu erreichen. Da § 84 Abs. 1 SGB IX sich begrifflich an die Terminologie des § 1 Abs. 2 KSchG anlehnt, geht das BAG 56 davon aus, dass § 84 Abs. 1 SGB IX in der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG noch keine Anwendung findet, weil die Parteien während dieser Zeit die Möglichkeit haben sollen, prüfen zu können, ob sie sich dauerhaft vertraglich binden wollen 57. Die Bindung des Arbeitgebers während der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG sei mit Rücksicht auf seinen Grundrechtsschutz nach Art. 12 GG gering ausgeprägt. Der Arbeitgeber könne aus Motiven kündigen, die weder auf personen-, verhaltens- noch betriebsbedingten Erwägungen beruhten, solange die Kündigung nicht aus anderen Gründen (z. B. §§ 138, 242 BGB) unwirksam sei. Es bedürfe noch nicht einmal irgendwie gearteter „Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis“ i. S. v. § 84 Abs. 1 SGB IX. Diese Grundsätze überträgt das BAG auch auf die 55 BAG v. 7.12.2006 – 2 AZR 182/06, NZA 2007, 617 Rz. 25. 56 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 Rz. 38; BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 96/07, NZA-RR 2008, 405 Rz. 34. 57 BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 859/11, NZA 2014, 1083 Rz.25 für die Wartezeit bei Leiharbeitnehmern.

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Kündigung von Schwerbehinderten

Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, zumal auch der präventive Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht für Kündigungen gilt, die in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden 58. Ob diese Rechtsprechung auch im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) übertragungsfähig ist, war Gegenstand einer Entscheidung des 8. Senats des BAG vom 21.4.2016 59. Die Klägerin verlangte von dem beklagten Land die Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Die mit einem Grad von 50 % schwerbehinderte Klägerin war seit dem 1.10.2012 bei dem beklagten Land als Leiterin einer Organisationseinheit beschäftigt. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin während der Probezeit mit Schreiben vom 8.3.2013 ordentlich zum 31.3.2013. Die Klägerin hat diese Kündigung nicht mit der Kündigungsschutzklage angegriffen, jedoch mit ihrer Klage einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 11.176,98 € nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und diesen damit begründet, das beklagte Land habe sie dadurch, dass es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt habe, wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Dabei berief sie sich zusätzlich darauf, dass das Präventionsverfahren eine angemessene Vorkehrung i. S. v. Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sei. Mangels Durchführung des Präventionsverfahrens sei ihr die Möglichkeit vorenthalten worden, etwaige behinderungsbedingte Fehlleistungen zu beheben. Die Zahlungsklage war in allen Instanzen erfolglos. Das BAG gelangt zu dem Ergebnis, dass das beklagte Land die Klägerin nicht entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen einer Behinderung benachteiligt hat, wovon die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG abhängt. Dabei hält das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass ein Präventionsverfahren i. S. v. § 84 Abs. 1 SGB IX nur dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer bereits Kündigungsschutz auf der Grundlage des KSchG genießt. Schon deshalb könne die Klägerin nicht mit Erfolg von dem beklagten Land zu Ihren Gunsten die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX beanspruchen. Das beklagte Land habe ein derartiges Präventionsverfahren auch nicht einleiten müssen, um auf diesem Wege eine angemessene Vorkehrung i. S. v. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 S. 2 lit. i) i. V. m. 58 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 96/07, NZA-RR 2008, 405 Rz. 34; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131 Rz. 30. 59 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes zu treffen. Dabei konzediert das BAG, dass § 3 Abs. 1 AGG unionskonform dahin auszulegen ist, dass eine Benachteiligung wegen einer Behinderung auch dann angenommen werden kann, wenn der Arbeitgeber dem behinderten Arbeitnehmer angemessene Vorkehrungen i. S. v. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 S. 2 lit. i) i. V. m. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK vorenthält. Nach Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sind angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Nach Art. 27 Abs. 1 S. 2 lit. i) der UN-BRK haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden, wobei Art. 2 Unterabs. 3 der UN-BRK vorsieht, dass von der Diskriminierung aufgrund von Behinderung alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Gemäß Art. 2 Unterabs. 4 der UN-BRK sind angemessene Vorkehrungen notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Als Bestandteil der Unionsrechtsordnung 60 sind die Bestimmungen der UNBRK zugleich Bestandteil des unionskonform auszulegenden deutschen Rechts 61. Unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH vom 11.4.2013 62, wonach unter angemessenen Vorkehrungen i. S. v. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG materielle oder organisatorische Maßnahmen in Bezug auf die Arbeitsumgebung, die Arbeitsorganisation oder die Aus- und Fortbildung zu verstehen sind, die der einzelne Arbeitgeber im Rahmen der Zumutbarkeit zu ergreifen hat, um dem behinderten Arbeitnehmer u. a. die Ausübung eines Berufs zu 60 EuGH v. 11.4.2013 – C-335/11, NZA 2013, 553 u. a. – HK Danmark oder Ring, Skouboe Werge. 61 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131 Rz. 20; BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 53. 62 C-335/11 u. a., NZA 2013, 553 u. a. – HK Danmark oder Ring, Skouboe Werge.

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Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

ermöglichen, spricht das BAG 63 dem Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Qualität einer angemessenen Vorkehrung im Sinne der unionsrechtlichen Vorschriften ab. Diese Aussage des BAG ist formal nicht zu beanstanden, weil das Präventionsverfahren darauf angelegt ist, aufgrund angestellter Ermittlungen erst die im jeweiligen Einzelfall erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ermitteln oder zu entwickeln, die es ermöglichen, das Beschäftigungsverhältnis möglichst auf Dauer fortsetzen zu können. Ob allerdings der autonome Begriff der Maßnahmen in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG durch die bisherige Rechtsprechung des EuGH umfassend definiert worden ist, lässt sich den vom BAG zitierten Entscheidungen des EuGH nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen. Es kommt also darauf an, ob das BAG vertretbar von einem „acte éclairé“ oder von einem „acte clair“ ausgehen durfte 64, wonach die maßgebliche Rechtsfrage durch den EuGH bereits entschieden ist oder die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage offenkundig ist. Das Ergebnis der Entscheidung des BAG, wonach der Arbeitgeber auch unter unionsrechtlichen Vorgaben nicht verpflichtet ist, für behinderte Menschen im Sinne der UN-BRK innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchführen zu müssen, wird die Praxis aus Gründen der Rechtssicherheit begrüßen, weil damit während der Probezeit ein aufwändiges Verfahren vermieden wird. Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch in den ersten sechs Monaten ohne Kündigungsschutz aus dem KSchG vom Arbeitgeber zumutbare Maßnahmen – etwa eine Verkürzung der Arbeitszeit – ergriffen werden müssten, um die Weiterbeschäftigung eines schwerbehinderten Menschen möglich zu machen 65. (Boe)

8.

Kündigung wegen beharrlicher Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zu63 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131 Rz. 21. 64 BVerfG v. 17.1.2013 – 1 BvR 121/11 und 1 BvR 1295/11, GmbHR 2013, 598 Rz. 28; BVerfG v. 29.05.2012 – 1 BvR 3201/11, ZIP 2012, 1876 Rz. 22; BVerfG v. 25.2.2010 – 1 BvR 230/09, ZIP 2010, 642 Rz. 20 f. 65 BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 51.

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Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

ermöglichen, spricht das BAG 63 dem Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Qualität einer angemessenen Vorkehrung im Sinne der unionsrechtlichen Vorschriften ab. Diese Aussage des BAG ist formal nicht zu beanstanden, weil das Präventionsverfahren darauf angelegt ist, aufgrund angestellter Ermittlungen erst die im jeweiligen Einzelfall erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ermitteln oder zu entwickeln, die es ermöglichen, das Beschäftigungsverhältnis möglichst auf Dauer fortsetzen zu können. Ob allerdings der autonome Begriff der Maßnahmen in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG durch die bisherige Rechtsprechung des EuGH umfassend definiert worden ist, lässt sich den vom BAG zitierten Entscheidungen des EuGH nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen. Es kommt also darauf an, ob das BAG vertretbar von einem „acte éclairé“ oder von einem „acte clair“ ausgehen durfte 64, wonach die maßgebliche Rechtsfrage durch den EuGH bereits entschieden ist oder die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage offenkundig ist. Das Ergebnis der Entscheidung des BAG, wonach der Arbeitgeber auch unter unionsrechtlichen Vorgaben nicht verpflichtet ist, für behinderte Menschen im Sinne der UN-BRK innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchführen zu müssen, wird die Praxis aus Gründen der Rechtssicherheit begrüßen, weil damit während der Probezeit ein aufwändiges Verfahren vermieden wird. Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch in den ersten sechs Monaten ohne Kündigungsschutz aus dem KSchG vom Arbeitgeber zumutbare Maßnahmen – etwa eine Verkürzung der Arbeitszeit – ergriffen werden müssten, um die Weiterbeschäftigung eines schwerbehinderten Menschen möglich zu machen 65. (Boe)

8.

Kündigung wegen beharrlicher Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zu63 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131 Rz. 21. 64 BVerfG v. 17.1.2013 – 1 BvR 121/11 und 1 BvR 1295/11, GmbHR 2013, 598 Rz. 28; BVerfG v. 29.05.2012 – 1 BvR 3201/11, ZIP 2012, 1876 Rz. 22; BVerfG v. 25.2.2010 – 1 BvR 230/09, ZIP 2010, 642 Rz. 20 f. 65 BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 51.

515

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

gemutet werden kann. Dabei ist nach gefestigter Rechtsprechung des BAG 66 zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Dabei bestimmt sich der wichtige Grund objektiv anhand des Vorliegens von Tatsachen. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Kündigenden aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht. Nach ständiger Spruchpraxis des BAG 67 ist die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ein die außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ rechtfertigender Grund. Maßgebend für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist dabei die objektive Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist 68. Die beharrliche Arbeitsverweigerung betrifft nicht nur die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, sie kann auch bei einer Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, in Betracht kommen 69. Dies gilt auch für sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten, die der Arbeitnehmer beharrlich missachtet.

66 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 20; BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 531/14, AP Nr. 254 zu § 626 BGB Rz. 28. 67 Vgl. nur BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 22; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 19. 68 BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144 Rz. 29; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 32. 69 BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rz. 12.

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Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

a)

Verweigerung der Arbeitsaufnahme nach rechtskräftigem Kündigungsschutzprozess

In der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 19.1.2016 70 ging es um die beharrliche Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Klägers nach Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits, der zugunsten des Klägers entschieden worden war. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mehrfach, beginnend ab Juni 2006, unter anderem auch fristlos gekündigt. Der Kläger hat letztmalig am 19.11.2007 Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht. Durch rechtskräftiges Urteil vom 15.7.2013 wurde die Feststellung getroffen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die letzte Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 22.7.2013 auf, sich am 24.7.2013, 10:00 Uhr, in der Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt einzufinden. Nachdem der Kläger bis zur Erledigung der ausstehenden Annahmeverzugsvergütung von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht hatte, erhielt der Kläger am 26.7.2013 eine entsprechende Zahlung in Höhe von 95.029,80 € netto. Unter dem 29.7.2013 beanstandete der Kläger die noch ausstehende Zinszahlung und verband dies mit der Erwartung, dass eine betriebsöffentliche, ihn rehabilitierende Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines bisherigen unmittelbaren Vorgesetzten erfolge. Bis zur Abgabe der geforderten Erklärungen mache er von seinem Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitskraft Gebrauch. Am 1.8.2013 überwies die Beklagte dem Kläger zum Ausgleich der Zinsforderung einen Betrag in Höhe von 18.623,33 € netto. Mit Schreiben vom 31.7.2013 wiederholte die Beklagte ihre Aufforderung an den Kläger, sich in der Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt zu melden. Mit Schreiben vom 7. und 27.8.2013 sowie vom 9.9.2013 mahnte die Beklagte den Kläger wegen Nichterscheinens am Arbeitsplatz ab und erneuerte jeweils erfolglos die Ladung zum Arbeitsantritt. Da der Kläger nicht erschien, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Personalrats mit Schreiben vom 27.9.2013 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.3.2014. Die dagegen vom Kläger rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage war vor dem LAG erfolgreich. Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung. Die Besonderheit des Streitfalls bestand darin, ob die Beklagte, die durch den Ausspruch der Kündigungen bezüglich des Arbeitsangebots des Klägers in Annahmeverzug geraten war (§ 296 BGB) 71, diesen Annahmeverzug 70 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144. 71 Nur BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 886/12, NZA 2015, 494 Rz. 41 m. w. N.; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 Rz. 14.

517

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

wirksam mit der Aufforderung an den Kläger beendet hat, sich an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Zeit wieder im Büro einzufinden. Der Gesetzgeber hat nämlich die Beendigung des Annahmeverzugs nicht besonders geregelt. Kann nur die zum Zwecke der Erfüllung des Vertrags vom Schuldner angebotene Leistung den Gläubiger in Annahmeverzug versetzen, befindet er sich so lange im Annahmeverzug, wie er die Leistung nicht als Erfüllung dieser Verbindlichkeit entgegennimmt 72. Daher muss der Arbeitgeber, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer ausdrücklich zur Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und zur Arbeitsaufnahme auffordern 73. Dies gilt auch dann, wenn der Kündigungsrechtsstreits zugunsten des Arbeitnehmers – wie im vorliegenden Fall – erledigt worden ist, sodass der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess abwarten kann, bevor er seine vertragsgemäß geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat 74. Mit der Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers endet der Annahmeverzug, sodass im Falle, dass der Arbeitnehmer der Arbeitsaufforderung nicht nachkommt, regelmäßig von einem fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers i. S. v. § 297 BGB auszugehen ist 75. An dieser Bewertung ändert vom Grundsatz her nichts, dass § 12 KSchG dem Arbeitnehmer, der ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, das Recht einräumt, binnen einer Woche nach der Rechtskraft der Entscheidung im Kündigungsschutzprozess die Fortsetzung des früheren Arbeitsverhältnisses verweigern zu dürfen. Lässt der Arbeitnehmer, wie hier der Kläger, die Wochenfrist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeitnehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert 76. Eine ganz andere – hier nicht entscheidungserhebliche – Frage des Zeitpunkts der Wiederaufnahme der Arbeit stellt sich allerdings dann, wenn der Arbeitnehmer das zusätzlich eingegangene Arbeitsverhältnis zunächst durch eine Kündigung auflösen muss, um zu dem bisherigen Arbeitgeber zurückkehren zu können. 72 BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 93/12, AP Nr. 129 zu § 615 BGB Rz. 19 ff.; BAG v. 19.1.1999 – 9 AZR 679/97, NZA 1999, 925 Rz. 14; MüArbR/Boewer § 69 Rz. 28 m. w. N. 73 BAG v. 19.1.1999 – 9 AZR 679/97, NZA 1999, 925 Rz. 24; MüArbR/Boewer § 69 Rz. 28 m. w. N. 74 So bereits BAG v. 6.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 Rz. 14; BAG v. 9.8.1984 – 2 AZR 374/83, NZA 1985, 119 Rz. 38. 75 BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 251/10, NZA-RR 2012, 342 Rz. 16 f.; BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144 Rz. 42 m. w. N. 76 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 Rz. 18.

518

Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

In Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze geht das BAG in der Entscheidung vom 19.1.2016 77 davon aus, dass die mehrmaligen schriftlichen Aufforderungen der Beklagten gegenüber dem Kläger, sich in ihrer Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden, den Annahmeverzug beendet haben und damit dem Kläger die Leistungserbringung ermöglicht wurde. Demgegenüber hatte das LAG Hamburg 78 als Vorinstanz den Fortbestand des Annahmeverzugs der Beklagten bejaht und die Beendigung des Annahmeverzugs davon abhängig gemacht, dass die Arbeitgeberin in der Aufforderung angeben muss, mit welcher Tätigkeit der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, weil dieser nur verpflichtet sei, die vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Im Gegensatz dazu besteht nach Ansicht des BAG keine Obliegenheit des Arbeitgebers, neben der grundsätzlich gebotenen Festlegung von Zeit und Ort der Arbeitsaufnahme auch den Inhalt der vom Arbeitnehmer konkret zu leistenden Arbeit bereits bei der Arbeitsaufforderung festzulegen, wobei gleichgültig ist, dass der Arbeitnehmer möglicherweise ohne eine derartige Konkretisierung seine Hauptleistungspflicht nicht erfüllen kann. Mit der Arbeitsaufforderung als solcher verschafft der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gewissheit, dass er ihm im Rahmen der getroffenen Vereinbarung den Arbeitsplatz wieder zur Verfügung stellt. Das BAG sieht darin auch die Bereitschaft des Arbeitgebers, gegebenenfalls erforderliche Konkretisierungshandlungen nach Erscheinen des Arbeitnehmers im Betrieb vorzunehmen. Diese Bewertung erschließt sich nach Ansicht des BAG auch daraus, dass der Arbeitgeber bei der laufenden Planung des Arbeitseinsatzes des Arbeitnehmers gemäß § 106 S. 1 GewO nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB) zu entscheiden hat und möglicherweise vor Arbeitsantritt bei längerer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses den Inhalt der Arbeitsleistung in den Grenzen dieser Vorschrift neu festlegen muss. Dabei bezieht sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht nur auf die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, sondern schließt auch solche Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers ein, die den Austausch der Hauptleistungen erst ermöglichen 79. Kommt der Arbeitnehmer einer ihm insoweit auferlegten Vorbereitungshandlung bewusst nicht nach, indiziert dies zunächst – so das BAG – die mangelnde Bereitschaft, überhaupt die Arbeitsleistung erbringen zu wollen. Zugleich liegt in diesem Verhalten eine Verletzung arbeitsvertraglicher Ne-

77 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144. 78 v. 11.6.2015 – 1 Sa 35/12 n. v. 79 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, NZA 2013, 268 Rz. 23; BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011 Rz. 17.

519

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

benpflichten, die bei intensiver Weigerung „an sich“ eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Eine davon abweichende Beurteilung wäre nur dann angezeigt, wenn die Beklagte von vornherein nicht beabsichtigt hätte, den Kläger vertragsgemäß zu beschäftigen oder eine generelle Annahmeunwilligkeit der Beklagten vorgelegen hätte, die ein Leistungsverweigerungsrecht des Klägers aus § 275 Abs. 3 BGB hätte begründen können. Davon konnte im Streitfall schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil es mangels Arbeitsantritts des Klägers nicht zu einer Arbeitsanweisung der Beklagten gekommen war. Da das LAG von seinem Standpunkt aus weder eine Interessenabwägung vorgenommen noch geprüft hat, ob dem Kläger möglicherweise wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts ein Zurückbehaltungsrecht zustand, ist die Sache vom BAG zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen worden.

b)

Verbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers

Der Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Hinblick auf die Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung war Gegenstand einer Entscheidung des LAG Hamm vom 17.3.2016 80. Die Parteien des Rechtsstreits stritten darüber, ob der Kläger gehalten war, einer Versetzungsentscheidung des Arbeitgebers an einen anderen Arbeitsort Folge leisten zu müssen. Dabei war die Versetzung als solche grundsätzlich vom Weisungsrecht der Beklagten nach § 106 S. 1 GewO gedeckt, sodass es allein um die Frage ging, ob die Versetzung billigem Ermessen entsprach und damit einer Ausübungskontrolle standhielt. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Differenzierung zwischen Unwirksamkeit und Unbilligkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung ist deshalb von Bedeutung, weil der 5. Senat des BAG mit Urteil vom 22.2.2012 81 entschieden hat, dass der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird. Danach ist die unbillige Leistungs80 17 Sa 1660/15, DB 2016, 1642. 81 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 Rz. 24 m. w. N. Ebenso Palandt/Grüneberg § 315 BGB Rz. 12, 13; OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 379 Rz. 25; LAG Köln v. 13.1.2014 – 2 Sa 614, 13 n. v. Rz. 12.

520

Weigerung zur Übernahme der übertragenen Aufgaben

bestimmung nicht nichtig, sondern nur unverbindlich (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB) mit der Rechtsfolge, dass sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts nicht hinwegsetzen darf, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen muss, um die vorläufige Bindung an die Leistungsbestimmung zu beseitigen. Nach dieser Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung, u. a. des Inhalts der Arbeitsleistung, vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht. Von dieser Rechtsprechung, die in der Literatur 82 auf Kritik gestoßen ist, weicht das LAG Hamm 83 ab und gelangt zu dem Ergebnis, dass auch eine lediglich unbillige Weisung des Arbeitgebers keine Verpflichtung des Arbeitnehmers begründet, ihr vorläufig bis zur Rechtskraft eines Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB Folge zu leisten 84. Auf den Fall bezogen hat das LAG Hamm die Wirksamkeit der Versetzung verneint und dazu ausgeführt, dass die Rechtsprechung des BAG zu unannehmbaren Konsequenzen für den Arbeitnehmer und zu einer untragbaren Risikoverlagerung führte. Außerdem liefe der Arbeitnehmer Gefahr, wegen Arbeitsverweigerung abgemahnt oder gekündigt zu werden. Da gegen diese Entscheidung des LAG Hamm Revision eingelegt worden ist 85, wird sich das BAG erneut mit dieser Problematik zu beschäftigen haben. § 315 Abs. 3 BGB ermöglicht es dem der Leistungsbestimmung Unterworfenen, die vorgenommene Bestimmung gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen und durch (gestaltendes) Urteil neu treffen zu lassen (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB). Mit dieser Regelung soll der Vertragspartner, der sich der Bestimmung des anderen unterworfen hat, gegen eine willkürliche Vertragsgestaltung durch den anderen geschützt werden. Zu bedenken gilt dabei, dass § 315 Abs. 3 BGB eine Zweiteilung zwischen feststellender Kassation und rechtsgestaltender Ersatzleistungsbestimmung enthält 86, sodass im Falle einer der Billigkeit widersprechenden Versetzung die Feststellung der Unwirksamkeit (Kassation) ausreicht, um den ursprünglichen Zustand des Vertragsinhalts wieder herzustellen. Deshalb geht die Auffassung des LAG 82 Boemke, NZA 2013, 6; Schaub/Linck § 45 Rz. 19 ff.; HWK/Lembke, § 106 GewO, Rz. 16 a; ErfK/Preis § 106 GewO, Rz. 7 a; Preis, NZA 2015, 1, 6. 83 17 Sa 1660/15, DB 2016, 1642 Rz. 229. 84 So auch LAG Düsseldorf v. 6.4.2016 – 12 Sa 1153/15, BB 2016, 1908 Rz. 58. 85 10 AZR 330/16 n. v. 86 So zutreffend BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903 Rz. 20 im Anschluss an Staudinger/Rieble 2015 § 315 BGB Rz. 484.

521

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Hamm fehl, dass es sich bei seiner Entscheidung um ein Gestaltungsurteil nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB handelt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass eine gegen die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gerichtete Klage nicht an eine Klageerhebungsfrist gebunden ist, obwohl der Arbeitgeber – einer Kündigungsschutzklage vergleichbar – ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage hat. Allerdings trägt der Arbeitnehmer das Risiko bis hin zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung, wenn er sich in der irrigen Annahme, die Weisung des Arbeitgebers sei unbillig und damit unverbindlich, nicht nach der Weisung des Arbeitgebers richtet 87. Maßgebend für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage 88. Verweigert der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, ist ein Rechtsirrtum nur dann unverschuldet, wenn er mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte 89. In der betrieblichen Praxis wird man daher im Hinblick auf die Billigkeit bei zweifelhaften Versetzungsentscheidungen zusätzlich zu einer vorsorglichen Änderungskündigung greifen, um die Maßnahme zumindest nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist tatsächlich umsetzen zu können. (Boe)

9.

Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Rahmen von § 102 BetrVG

Gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist eine ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Dies gilt für Änderungs- und Beendigungskündigungen gleichermaßen. Eine entsprechende Unwirksamkeit der Kündigung tritt auch dann ein, wenn sie vor Ablauf der in § 102 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BetrVG vorgesehenen Wochenfrist erklärt wird 90. Durch das in § 102 BetrVG ausgestaltete Beteiligungsverfahren wird dem Betriebsrat vor dem Ausspruch der Kündigung eine Einflussnahme auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers eingeräumt. Die durch den Betriebsrat vorgebrachten Einwendungen sollen – so das BAG – den Arbeitgeber ggf. dazu veranlassen, von seinem Kündigungsvorhaben Abstand zu nehmen oder es doch in geänderter Form zu verwirklichen. Gelingt dies 87 88 89 90

Dazu Schaub/Linck § 45 Rz. 20. BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 32. BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 34. BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140 Rz. 21.

522

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Hamm fehl, dass es sich bei seiner Entscheidung um ein Gestaltungsurteil nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB handelt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass eine gegen die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gerichtete Klage nicht an eine Klageerhebungsfrist gebunden ist, obwohl der Arbeitgeber – einer Kündigungsschutzklage vergleichbar – ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage hat. Allerdings trägt der Arbeitnehmer das Risiko bis hin zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung, wenn er sich in der irrigen Annahme, die Weisung des Arbeitgebers sei unbillig und damit unverbindlich, nicht nach der Weisung des Arbeitgebers richtet 87. Maßgebend für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage 88. Verweigert der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, ist ein Rechtsirrtum nur dann unverschuldet, wenn er mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte 89. In der betrieblichen Praxis wird man daher im Hinblick auf die Billigkeit bei zweifelhaften Versetzungsentscheidungen zusätzlich zu einer vorsorglichen Änderungskündigung greifen, um die Maßnahme zumindest nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist tatsächlich umsetzen zu können. (Boe)

9.

Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Rahmen von § 102 BetrVG

Gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist eine ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Dies gilt für Änderungs- und Beendigungskündigungen gleichermaßen. Eine entsprechende Unwirksamkeit der Kündigung tritt auch dann ein, wenn sie vor Ablauf der in § 102 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BetrVG vorgesehenen Wochenfrist erklärt wird 90. Durch das in § 102 BetrVG ausgestaltete Beteiligungsverfahren wird dem Betriebsrat vor dem Ausspruch der Kündigung eine Einflussnahme auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers eingeräumt. Die durch den Betriebsrat vorgebrachten Einwendungen sollen – so das BAG – den Arbeitgeber ggf. dazu veranlassen, von seinem Kündigungsvorhaben Abstand zu nehmen oder es doch in geänderter Form zu verwirklichen. Gelingt dies 87 88 89 90

Dazu Schaub/Linck § 45 Rz. 20. BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 32. BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 34. BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140 Rz. 21.

522

Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Rahmen von § 102 BetrVG

nicht, kann der Betriebsrat ggf. mit einem Widerspruch die individuelle Rechtsstellung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess verbessern und diesem unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ermöglichen. Der Betriebsrat ist indes nicht gehalten, den Ablauf der Wochenfrist auszuschöpfen. Er kann bereits vor diesem Zeitpunkt zur mitgeteilten Kündigungsabsicht des Arbeitgebers abschließend Stellung nehmen. Mit dem Eingang einer solchen Äußerung ist das Beteiligungsverfahren vorzeitig abgeschlossen. Der Arbeitgeber kann dann die Kündigung aussprechen. Dies kann gerade im Hinblick auf ein drohendes Monatsende und die daraus folgende Verlängerung der Kündigungsfrist sinnvoll sein. In seiner früheren Rechtsprechung hatte das BAG noch angenommen, dass eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bereits dann angenommen werden konnte, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, dass der Betriebsrat keine weitere „Erörterung“ des Falls wünsche 91. Diese Rechtsprechung gibt das BAG mit Urteil vom 25.5.2016 92 ausdrücklich auf. Nach seinen aktuellen Feststellungen kann von einer fristverkürzenden Wirkung eine Erklärung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG nur ausgegangen werden, wenn sich diese Zielsetzung aus der Äußerung „unzweifelhaft ergibt“. Die Erklärung des Betriebsrats müsse eindeutig erkennbar machen, dass er sich bis zum Ablauf der Einigungsfrist nicht noch einmal – und sei es „ nur“ zur Ergänzung der Begründung seiner bereits eröffneten Entschließung – äußern möchte. Vielmehr müsse der Arbeitgeber aufgrund der bisherigen Äußerung des Betriebsrats davon ausgehen können, dieser werde „unter keinen Umständen mehr tun als bereits geschehen“. Für die Annahme einer vorfristlich abgegebenen verfahrensbeendenden Äußerung bedarf es nach den aktuellen Feststellungen des BAG deshalb „besonderer Anhaltspunkte“. Denn dem Betriebsrat stehe für die Mitteilung der Gründe, die aus seiner Sicht gegen die Verwirklichung des Kündigungsentschlusses sprächen, die gesamte Anhörungsfrist zur Verfügung. Dabei sei er auch nicht gehalten, sich die Ergänzung einer bereits übermittelten Stellungnahme ausdrücklich vorzubehalten. Besondere Anhaltspunkte für eine abschließende Stellungnahme liegen nach Ansicht des BAG regelmäßig vor, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber 91 So zuletzt BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330 ff. 92 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140 Rz. 27.

523

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

mitteile, er stimme der beabsichtigten Kündigung „ausdrücklich und vorbehaltlos“ zu oder erkläre von einer Äußerung zur Kündigungsabsicht abzusehen. In anderen Fällen könne der Arbeitgeber von einer abschließenden Stellungnahme nur ausgehen, wenn aus seiner Sicht eine weitere Äußerung des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht ausgeschlossen sei. Dafür genüge es nicht, dass der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber das Ergebnis der Beschlussfassung des Gremiums mitgeteilt habe 93. Fehlt es an sicheren Anhaltspunkten dafür, dass sich der Betriebsrat in keinem Fall mehr zur Kündigungsabsicht äußern werde, muss der Arbeitgeber, wenn er den Ablauf der Wochenfrist nicht abwarten will, also beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um entsprechende Klarstellung bitten. Auf dessen Erklärung darf er sich verlassen 94. Alternativ könnte darüber nachgedacht werden, die in Mustern zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG häufig vorgesehene Antwort des Betriebsrats mit dem Zusatz zu versehen, dass mit dieser Erklärung eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats erfolge und das Verfahren nach § 102 BetrVG beendet werde. Eine solche Klarstellung, die durch den Betriebsratsvorsitzenden gegenüber dem Arbeitgeber erfolgt, wird man als besonderen Anhaltspunkt qualifizieren müssen, der die Annahme einer abschließenden Erklärung des Betriebsrats rechtfertigt. Dann kann vor Ablauf der Wochenfrist gekündigt werden. Entsprechendes gilt für die Drei-Tages-Frist, die nach § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG bei außerordentlicher Kündigung eingehalten werden muss. (Ga)

93 BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140 Rz. 26. 94 BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140 Rz. 27.

524

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Praktische Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015

a)

Einleitung

Das Recht der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ist entsprechend der im Koalitionsvertrag der GroKo für die aktuelle Legislaturperiode vorgesehenen Vereinbarung, die bAV stärken zu wollen, in Bewegung geraten. Am 27.9.2016 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben 1 beschlossen, das vom Bundestag am 21.10.2016 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wurde. Dieses Gesetz verfolgt einerseits das Ziel, das flexible Arbeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bei besserer Gesundheit zu erleichtern und zu fördern und andererseits das Weiterarbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver zu machen 2. Des Weiteren hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Vorschlag zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung vorgelegt, der zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien beitragen und seinen Niederschlag in einem neuen § 17 b BetrAVG finden soll 3. Gesetzesrealität ist dagegen bereits das Gesetz zur Umsetzung der EUMobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015 4. Dieses Gesetz wird gemäß Art. 4 – von Ausnahmen abgesehen, die bereits ab dem 31.12.2015 gelten – am 1.1.2018 in Kraft treten. Wir hatten im Frühjahr darüber berichtet 5 Mit dem Mobilitäts-Umsetzungsgesetz werden Änderungen in der bAV ausgelöst, die eine Reihe von praktischen Auswirkungen für die betriebliche Praxis aufweisen 6. Da dieses Gesetz nach Art. 1 der Umsetzung der MobilitätsRichtlinie 2014/50/EU vom 16.4.2014 7 dient, die allerdings nach ihrem 1 2 3 4 5 6 7

BT-Drucks. 18/9787. B. Gaul, AktuellAR 2016, 332 ff. B. Gaul, AktuellAR 2016, 352 ff. BGBl. I 2015, 2553 ff. B. Gaul, AktuellAR 2016, 14. Ausführlich dazu Rolfs/Kunisch, BetrAV 2016, 383; Walddörfer/Wilhelm, DB 2016, 1935; Wilhelm, BetrAV 2016, 388. ABlEU L 128 S. 1 ff.

525

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Art. 8 erst zum 21.5.2018 in den Mitgliedstaaten der Union hätte umgesetzt sein müssen, erscheint es erforderlich, vor einer Beurteilung der deutschen Umsetzung einen Blick in die Richtlinie zu werfen.

b)

Richtlinie 2014/50/EU vom 16.4.2014

Ziel der auf Art. 46 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützten Richtlinie ist es, die Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten weiter zu erleichtern, indem die Möglichkeiten für Anwärter auf Zusatzrentenansprüche zum Erwerb und zur Wahrung solcher Zusatzrentenansprüche verbessert werden. Die Richtlinie gilt gemäß Art. 2 Abs. 5 nicht für den Erwerb und die Wahrung von Zusatzrentenansprüchen der Arbeitnehmer, die innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats zuund abwandern. Gleichwohl überlässt es die Richtlinie den Mitgliedstaaten, die in ihr vorgesehenen Regelungen auf Versorgungsanwärter auszudehnen, die innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats den Arbeitgeber wechseln. 8 Von dieser Option hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht und sich nicht nur darauf beschränkt, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel zwischen den Mitgliedstaaten zu unterstützen. Die neuen gesetzlichen Regelungen des Mobilitäts-Umsetzungsgesetzes gelten daher für Beschäftigte, die zwischen den Mitgliedstaaten zu- und abwandern, aber auch für Beschäftigte, die innerhalb Deutschlands den Arbeitgeber wechseln. aa)

Der Anwendungsbereich der Richtlinie (Art. 2)

Der Anwendungsbereich der Mobilitäts-Richtlinie ist auf Zusatzrentensysteme begrenzt, worunter die Richtlinie ein an ein Beschäftigungsverhältnis gekoppeltes betriebliches Rentensystem für die Altersversorgung, das Zusatzrenten für Arbeitnehmer bieten soll, versteht (Art. 3 b). Dabei wird das grundsätzliche Recht der Mitgliedstaaten, ihre Altersversorgungssysteme selbst zu gestalten, nicht berührt, insbesondere keine Verpflichtung begründet, Rechtsvorschriften zur Einführung von Zusatzrentensystemen zu erlassen. 9 Vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht betroffen sind gemäß Art. 2 Abs. 2 Zusatzrentensysteme, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser

8 9

Erwägungsgrund Nr. 6. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 9.

526

Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015

Richtlinie am 20.5.2014 10 keine neuen aktiven Versorgungsanwärter mehr aufnehmen und ihnen verschlossen bleiben. Die Richtlinie findet außerdem keine Anwendung auf Insolvenzschutzsysteme (Art. 2 Abs. 2 c). Damit will die Richtlinie nicht in den Insolvenzschutz eingreifen, der darauf ausgerichtet ist, Zusatzrentenansprüche von Arbeitnehmern bei der Insolvenz des Unternehmens zu schützen 11. Eine einmalige Zahlung, die nicht mit den zum Zweck der zusätzlichen Altersversorgung geleisteten Beiträgen in Zusammenhang steht, die unmittelbar oder mittelbar am Ende eines Beschäftigungsverhältnisses gezahlt und die ausschließlich vom Arbeitgeber finanziert wird, hat nicht die Qualität einer Zusatzrente im Sinne der Richtlinie 12. Außerdem gilt die Richtlinie nur für Beschäftigungszeiten, die in den Zeitraum nach ihrer Umsetzung gemäß Art. 8 fallen (Art. 2 Abs. 4) und schließt von ihrer Anwendung Leistungen der Invaliditätsversorgung aus (Art. 2 Abs. 3). bb)

Drei wesentliche Regelungskomplexe

Die ausschließlich auf Zusatzrentensysteme ausgerichtete Richtlinie beinhaltet drei wesentliche Regelungskomplexe: In Art. 4 geht es um die Bedingungen für den Erwerb von Ansprüchen im Rahmen eines Zusatzrentensystems. Des Weiteren behandelt Art. 5 die Wahrung ruhender Rentenanwartschaften. Und schließlich enthält Art. 6 eine Sonderregelung für Auskünfte, die den aktiven und ausgeschiedenen Versorgungsanwärtern und im Falle der Hinterbliebenenversorgung auch den Hinterbliebenen auf Verlangen erteilt werden müssen. (1)

Bedingungen für den Erwerb von Ansprüchen

Soweit es um die Bedingungen für den Erwerb von Ansprüchen im Rahmen eines Zusatzrentensystems geht, wird in Art. 4 Abs. 1 a und b der Richtlinie der Mindestzeitraum der Zugehörigkeit zu dem Zusatzrentensystem (sogenannte Unverfallbarkeitsfrist oder Wartezeit) für ausscheidende Arbeitnehmer auf drei Jahre begrenzt und das Unverfallbarkeitsalter für ausscheidende Arbeitnehmer auf höchstens 21 Jahre festgesetzt. Dabei versteht die Richtlinie unter der Unverfallbarkeitsfrist die Dauer der aktiven Zugehörigkeit zu einem Zusatzrentensystem, die erforderlich ist, um erworbene Zusatzrentenansprüche zu begründen (Art. 3 e). Als Wartezeit wird gemäß Art. 3 d der Richtlinie die Beschäftigungsdauer verstanden, die nach nationalem Recht 10 Vgl. Art. 10: Diese Richtlinie tritt am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Die Richtlinie wurde im Amtsblatt am 30.4.2014 veröffentlicht (L 128 S. 1 ff.). 11 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 13. 12 Erwägungsgrund Nr. 15.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

oder den Regeln eines Zusatzrentensystems oder nach vom Arbeitgeber getroffenen Festlegungen erforderlich ist, bevor ein Arbeitnehmer als Anwärter zu einem System zugelassen werden kann. Hat ein ausscheidender Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses noch keine unverfallbaren Rentenanwartschaften erworben, so hat das Zusatzrentensystem die Beiträge zu erstatten, die vom ausscheidenden Arbeitnehmer oder in seinem Namen in das Zusatzrentensystem eingezahlt worden sind (Art. 4 c). Die Richtlinie lässt in Art. 4 Abs. 2 von diesem Regelungskomplex abweichende tarifvertragliche Regelungen zu, soweit diese keinen weniger günstigen Schutz bieten und keine Hemmnisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schaffen. (2)

Wahrung ruhender Rentenanwartschaften

Bezüglich der in Art. 5 der Richtlinie geregelten Wahrung ruhender Rentenanwartschaften will die Richtlinie in Art. 5 Abs. 1 S. 1 zunächst sicherstellen, dass ausscheidende Arbeitnehmer das Recht haben, ihre unverfallbaren Rentenanwartschaften als ruhende Rentenanwartschaften in dem Zusatzrentensystem zu belassen. Unter unverfallbaren Rentenanwartschaften versteht die Richtlinie dabei alle Zusatzrentenansprüche, die nach Erfüllung etwaiger Anwartschaftsbedingungen gemäß den Regeln eines Zusatzrentensystems und gegebenenfalls nach nationalem Recht erworben wurden. Diese Sicherstellung kann allerdings unter bestimmten in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie geregelten Voraussetzungen dahingehend modifiziert werden, dass in Höhe des Kapitalwerts der unverfallbaren Rentenanwartschaften eine Auszahlung an den ausscheidenden Arbeitnehmer erfolgen darf. Mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie soll der Wert der ruhenden Rentenanwartschaft des ausscheidenden Arbeitnehmers sichergestellt werden. Der Wert der ruhenden Rentenanwartschaften wird dabei durch den Kapitalwert der Anwartschaften ausgedrückt, der im Einklang mit nationalem Recht und nationalen Gepflogenheiten zu berechnen ist (Art. 3 j der Richtlinie). Unter dem ausscheidenden Arbeitnehmer versteht die Richtlinie einen aktiven Versorgungsanwärter, dessen derzeitiges Beschäftigungsverhältnis aus anderen Gründen als dem Erwerb einer Anwartschaft auf eine Zusatzrente endet und der zwischen Mitgliedstaaten zu- und abwandert (Art. 3 g der Richtlinie). Aktive Versorgungsanwärter sind dabei Arbeitnehmer, die aufgrund ihres derzeitigen Beschäftigungsverhältnisses nach den Bestimmungen eines Zusatzrentensystems Anspruch auf eine Zusatzrente haben oder nach Erfüllung der Anwartschaftsbedingungen voraussichtlich haben werden (Art. 3 c der Richtlinie). Die Umsetzung der Sicherstellung der Rentenanwartschaft er528

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folgt zunächst dadurch, dass der Wert der Rentenanwartschaft zum Zeitpunkt des Ausscheidens des aktiven Versorgungsanwärters zu ermitteln ist (Art. 5 S. 2 der Richtlinie). Dem ausscheidenden Arbeitnehmer soll die Möglichkeit eröffnet werden, seine unverfallbaren Rentenanwartschaften als ruhende Rentenanwartschaften in dem Zusatzrentensystem zu belassen. Eine gleichwertige Sicherstellung kann alternativ in der Weise gewährleistet werden, dass insbesondere im Kontext eines beitragsorientierten Systems den ausscheidenden Arbeitnehmern die Übertragung des Wertes ihrer unverfallbaren Rentenanwartschaften auf ein Zusatzrentensystem ermöglicht wird. Neben der Bewahrung unterliegt der ermittelte Wert der Rentenanwartschaft gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie einer Anpassung. Diese Anpassung hat analog der Behandlung des Wertes der Ansprüche im Beschäftigungsverhältnis verbliebener aktiver Versorgungsanwärter oder der Entwicklung der derzeit ausgezahlten Renten zu erfolgen. In diesem Zusammenhang lässt die Richtlinie weitere Alternativen einer Anpassung der Rentenanwartschaft als sogenannte Etwa-Maßnahmen (Ersatzmaßnahmen) in Art. 5 Abs. 2 a bis c zu. So wird beispielsweise der Anpassung auch dadurch genügt, dass der Wert der erworbenen Rentenanwartschaften entsprechend der Inflationsrate oder des Lohnniveaus angeglichen wird, indem eine entsprechende Anpassung des Werts der ruhenden Rentenanwartschaften nach Maßgabe einer angemessenen Höchstgrenze erfolgt, die im nationalen Recht festgesetzt oder von den Sozialpartnern vereinbart wird. In jedem Fall begründet die Richtlinie keine Verpflichtung, für ruhende Rentenanwartschaften günstigere Bedingungen festzulegen als für die Anwartschaften aktiver Versorgungsanwärter 13. Abweichend von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie erlaubt Art. 5 Abs. 3 unverfallbare Rentenanwartschaften eines ausscheidenden Arbeitnehmers, allerdings nur mit seiner Einwilligung, in Höhe ihres Kapitalwerts auszuzahlen, soweit ein vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegter Schwellenwert nicht überschritten wird. Diese Abfindungsmöglichkeit soll bei ruhenden Rentenanwartschaften von geringem Wert übermäßige Verwaltungskosten zu vermeiden helfen. Den Mitgliedstaaten bleibt dabei vorbehalten, einen Schwellenwert für eine derartige Kapitalisierung vorzusehen. Insofern enthält die Richtlinie keine Bestimmungen zur Übertragung unverfallbarer Rentenanwartschaften. Auch für diesen Komplex wird in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie den Tarifvertragsparteien gestattet, abweichende Regelungen zu treffen. Diese dürfen je-

13 Erwägungsgrund Nr. 22.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

doch keinen weniger günstigen Schutz bieten und keine Hemmnisse für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bewirken. (3)

Auskünfte für aktive und ausgeschiedene Versorgungsanwärter

Der in Art. 6 der Richtlinie geregelte dritte Komplex betrifft Auskünfte für aktive Versorgungsempfänger, ausgeschiedene Versorgungsanwärter sowie für begünstigte Hinterbliebene. Mit dieser Regelung will die Richtlinie erreichen, dass aktive und ausgeschiedene Versorgungsanwärter, die das Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen oder wahrnehmen wollen, auf Verlangen angemessen über ihre Zusatzrentenansprüche aufgeklärt werden. Dieses Aufklärungsrecht soll auch für begünstigte Hinterbliebene gelten, soweit die Zusatzrentensysteme auch Leistungen der Hinterbliebenenversorgung beinhalten 14. Dabei geht der Richtliniengesetzgeber davon aus, dass diese Auskünfte nicht häufiger als einmal pro Jahr erteilt werden müssen (Art. 6 Abs. 4 S. 2). Art. 6 der Richtlinie regelt die Auskunftsansprüche der aktiven Versorgungsanwärter in Abs. 1 und die Auskunftsansprüche der ausgeschiedenen Versorgungsanwärter in Abs. 2 dieser Vorschrift. Unter aktiven Versorgungsanwärtern sind nach Art. 3 c der Richtlinie Arbeitnehmer zu verstehen, die aufgrund ihres derzeitigen Beschäftigungsverhältnisses nach den Bestimmungen eines Zusatzrentensystems Anspruch auf eine Zusatzrentenleistung haben oder nach Erfüllung der Anwartschaftsbedingungen voraussichtlich haben werden. Die Auskunft ist nur auf ausdrückliches Verlangen zu erteilen. Darüber hinaus schreibt Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie ausdrücklich vor, dass die Auskünfte schriftlich, in verständlicher Form und in angemessener Frist zu erteilen sind. Im Hinblick auf die Auskunftserteilung gegenüber aktiven Versorgungsanwärtern bezieht sich diese insbesondere auf die Bedingungen für den Erwerb von Zusatzrentenanwartschaften und die Folgen der Anwendung dieser Bedingungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 6 Abs. 1 a), auf den Wert ihrer unverfallbaren Rentenanwartschaften (Art. 6 Abs. 1 b) und die Bedingungen für die künftige Behandlung ruhender Rentenanwartschaften (Art. 6 Abs. 1 c). Bezüglich der ausgeschiedenen Versorgungsanwärter betreffen die Auskünfte den Wert ihrer ruhenden Rentenanwartschaften (Art. 6 Abs. 2 a) sowie die Bedingungen für die Behandlung ruhender Rentenanwartschaften (Art. 6 14 Erwägungsgrund Nr. 25.

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Abs. 2 b). Sieht das Zusatzrentensystem auch eine Hinterbliebenenversorgung vor, können auch die begünstigten Hinterbliebenen in Bezug auf die Zahlung die nämlichen Auskunftsrechte wie ausgeschiedene Versorgungsanwärter in Anspruch nehmen. cc)

Mindestvorschriften und Rückschrittsklausel

Die in Richtlinien übliche Mindestvorschriften- und Rückschrittsklausel befindet sich in Art. 7 Abs. 1 und 2 der Mobilitäts-Richtlinie. Danach dürfen die Vorschriften in Bezug auf den Erwerb von Zusatzrentenanwartschaften, auf die Wahrung von Zusatzrentenansprüchen ausscheidender Arbeitnehmer sowie das Recht aktiver und ausgeschiedener Versorgungsanwärter auf die Erteilung von Auskünften durch die innerstaatliche Gesetzgebung nicht unterschritten, aber vorteilhafter für die Beschäftigten geregelt werden. Die Umsetzung der Richtlinie darf auch von den Mitgliedstaaten nicht genutzt werden, die in den Mitgliedstaaten bestehenden Rechte auf Erwerb und Wahrung von Zusatzrenten oder das Recht von Versorgungsanwärtern oder Leistungsempfängern auf die Erteilung von Auskünften, die in Relation zur Richtlinie günstiger sind, einzuschränken.

c)

Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie hat der Gesetzgeber die Regelungen der Mobilitäts-Richtlinie in das Betriebsrentengesetz übernommen, die entsprechenden Anpassungen eingefügt und dabei nicht nur die Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Erwerb und die Wahrung von Zusatzrentenansprüchen erleichtern wollen, sondern zusätzlich die Option wahrgenommen, die gemäß der Mobilitäts-Richtlinie anwendbaren Regelungen auf Versorgungsanwärter auszudehnen, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den Arbeitgeber wechseln. Bei der Übernahme der Mobilitäts-Richtlinie hat der Gesetzgeber außerdem nicht zwischen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung differenziert, die Unverfallbarkeitsfristen für den Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften angepasst, die Wahrung von Betriebsrentenanwartschaften geregelt, die Auskunftspflichten in einer neuen Vorschrift (§ 4 a BetrAVG) näher konkretisiert sowie den Umfang der Insolvenzsicherung und die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nachjustiert. aa)

Neue Unverfallbarkeitsregelung ab dem 1.1.2018 (§ 1 b BetrAVG)

Soweit es um die in Art. 4 der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen für den Erwerb von Ansprüchen im Rahmen eines Zusatzrentensystems geht, erfolgt die Umsetzung in § 1 b Abs. 1 S. 1 BetrAVG. Mit Wirkung ab dem 1.1.2018 531

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bleibt einem Arbeitnehmer, dem von diesem Zeitpunkt an Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 21. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft). Die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist und des Lebensalters kommt insbesondere Arbeitnehmern zugute, die nach der geltenden Gesetzeslage ihre Anwartschaften verlieren, wenn sie vor dem 25. Lebensjahr den Arbeitgeber wechseln. In § 30 f Abs. 3 BetrAVG wird eine Übergangsregelung geschaffen. Damit wird gleichzeitig der Richtlinie Rechnung getragen, wonach diese nur für Beschäftigungszeiten gilt, die in den Zeitraum nach ihrer Umsetzung fallen. Nach § 30 f Abs. 3 BetrAVG betrifft die Änderung der Unverfallbarkeitsfristen grundsätzlich nur Altersversorgungszusagen, die ab dem 1.1.2018 erteilt werden (Neuzusagen). Für Altzusagen gelten weiterhin grundsätzlich die bisherigen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen. Allerdings will der Gesetzgeber zulassen, dass Arbeitnehmer mit Altzusagen, die in die neue Regelung hineinwachsen, gegenüber Beschäftigten mit Neuzusagen nicht schlechter gestellt werden. Wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 1.1.2018 und nach dem 31.12.2008 zugesagt worden sind, ist § 1 b S. 1 BetrAVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Anwartschaft erhalten bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 25. Lebensjahres, endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre bestanden hat; in diesen Fällen bleibt die Anwartschaft auch erhalten, wenn die Zusage ab dem 1.1.2018 drei Jahre bestanden hat und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 21. Lebensjahr vollendet ist (§ 30 f Abs. 3 BetrVG). Auf diese Weise erwirbt etwa ein Arbeitnehmer, der am 1.1.2017 im Alter von 20 Jahren mit einer Versorgungszusage eingestellt worden ist und am 30.6.2021 aus dem Arbeitsverhältnis mit 24 Jahren ausscheidet, eine unverfallbare Anwartschaft. bb)

Berechnung und Wahrung des Teilanspruchs (§ 2 a BetrAVG)

Mit der neu eingeführten Regelung des § 2 a BetrAVG wird Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie umgesetzt, wonach die ruhenden unverfallbaren Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht anders behandelt werden dürfen als die unverfallbaren Anwartschaften der im Unternehmen verbleibenden vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer. Zunächst übernimmt § 2 a Abs. 1 BetrAVG den zuvor in § 2 Abs. 5 S. 1 BetrAVG geregelten Berechnungsgrundsatz der Berechnung des Teilanspruchs eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers im Sinne der Veränderungssperre und des Festschreibeeffekts, d. h., dass Veränderungen, die nach dem 532

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Ausscheiden eintreten, bei der Berechnung außer Betracht bleiben. Diese Grundsätze wirken sich zugleich auf Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen anderer Versorgungsbezüge, die z. B. im Rahmen von Gesamtversorgungszusagen relevant sind, aus. Dieser Grundsatz (Veränderungssperre und Festschreibeeffekt) wird in § 2 a Abs. 2 BetrAVG jedoch modifiziert, wenn ansonsten ein ausgeschiedener Arbeitnehmer bezüglich des Werts seiner unverfallbaren Anwartschaft gegenüber einem beim Arbeitgeber verbliebenen vergleichbaren Arbeitnehmer benachteiligt würde. Nach der Übergangsregelung des § 30 g Abs. 1 BetrAVG gilt dies nicht für Beschäftigungszeiten vor dem 1.1.2018. Außerdem findet die Regelung des § 2 a Abs. 2 BetrAVG keine Anwendung, wenn das Versorgungssystem vor dem 20.5.2014 für neue Arbeitnehmer geschlossen war. In § 2 a Abs. 2 S. 2 BetrAVG fingiert der Gesetzgeber, unter welchen Prämissen eine Benachteiligung bezüglich der Anwartschaft (Nr. 1 ff.) und unter welchen Voraussetzungen eine Benachteiligung durch Anpassung der Anwartschaft (Nr. 2) vermieden werden kann. Danach gilt eine Benachteiligung insbesondere als ausgeschlossen, wenn die Anwartschaft als nominales Anrecht festgelegt ist (Nr. 1 a), was etwa auf Festbetragszusagen (Betriebsrente von 500 € bei Erreichen des 67. Lebensjahres) oder auf feste Beträge (10 € pro Dienstjahr) zutrifft. Nicht erfasst werden von dieser Regelung jedoch Versorgungszusagen, bei denen das Endgehalt des Arbeitnehmers als Berechnungsgröße herangezogen wird, weil in diesem Fall dem Arbeitnehmer die Gehaltsentwicklung mit einem Dynamisierungseffekt zugutekommt (zukünftige Dynamisierung). Auf diese Dynamik soll ein mobiler Arbeitnehmer genauso wenig verzichten müssen wie sein im Unternehmen verbleibender Kollege 15. Eine derartige Dynamik liegt auch dann vor, wenn mit fortschreitender Betriebszugehörigkeit prozentuale Steigerungsätze in der Versorgungsordnung vorgesehen werden. Eine Benachteiligung ausgeschiedener Arbeitnehmer soll nach § 2 a Abs. 2 S. 2 (Nr. 1 b) BetrAVG auch dann von vornherein ausgeschlossen sein, wenn in die Zusage an den Beschäftigten eine Verzinsung integriert ist, um die seine Anwartschaft künftig steigen wird 16. Wenn die Erträge eines Pensionsfonds, einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung (Überschussanteile) nicht nur den aktiven Arbeitnehmern, sondern auch den mit einem Rentenanwartschaftsrecht ausgeschiedenen Arbeitnehmern gutgebracht 15 BT-Drucks. 18/6283 S. 10. 16 BT-Drucks. 18/6283 S. 10.

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werden, liegt ebenfalls keine Benachteiligung vor (§ 2 a Abs. 2 S. 2, 1 c BetrAVG). Ist der Benachteiligungsausschluss nicht bereits der Versorgungszusage immanent, bedarf es nach § 2 a Nr. 2 BetrAVG einer Anpassung der Anwartschaft. Für diesen Fall gilt eine Benachteiligung als ausgeschlossen (§ 2 a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BetrAVG), wenn alternativ die Teilanwartschaft des ausgeschiedenen Arbeitnehmers um jährlich 1 % (a) oder an die Entwicklung der Anwartschaften oder Nettolöhne vergleichbarer nicht ausgeschiedene Arbeitnehmer (b) oder an die vom Arbeitgeber gezahlten Betriebsrenten (c) oder entsprechend dem Verbraucherpreisindex (d) angepasst wird. Wie bisher in § 2 Abs. 5 S. 4 BetrAVG a. F. geregelt, verbleibt es nach § 2 a Abs. 4 des Umsetzungs-Gesetzes dabei, dass Versorgungsanwartschaften, die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden erwirbt, nicht zu einer Kürzung des Teilanspruchs führen dürfen. cc)

Abfindung (§ 3 BetrAVG)

Unverfallbare Anwartschaften dürfen im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unter den in § 3 Abs. 2 bis 6 BetrAVG geregelten Voraussetzungen abgefunden werden. In diesem Zusammenhang verzichtet der Gesetzgeber auf die Berücksichtigung von möglichen Gleichbehandlungsaspekten. Mit § 3 Abs. 2 S. 3 BetrAVG hat der Gesetzgeber Art. 5 Abs. 3 der Mobilitäts-Richtlinie umgesetzt, wonach Abfindungen von Betriebsrentenanwartschaften auch bei Kleinstanwartschaften der Zustimmung des Arbeitnehmers bedürfen. Allerdings beschränkt der Gesetzgeber das Zustimmungsbedürfnis des Arbeitnehmers auf den Fall, dass dieser nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begründet und dies innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinem ehemaligen Arbeitgeber mitteilt. Diese Beschränkung auf den grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel soll einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand vermeiden helfen 17. Mit der Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers soll die praktische Umsetzbarkeit des Zustimmungserfordernisses ermöglicht werden 18. Diese Regelung entspricht dem Erwägungsgrund Nr. 7 der Richtlinie, wonach ein Mitgliedstaat verlangen kann, dass ausscheidende Arbeitnehmer, die in einen anderen Mitgliedsstaat abwandern, dies ihren Zusatzrentensystemen entsprechend mitteilen. Angesichts dessen ist unter unionsrechtlichen

17 BT-Drucks. 18/6283 S. 11. 18 BT-Drucks. 18/6283 S. 10 f.

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Gesichtspunkten gegen die auf drei Monate beschränkte Erklärungsfrist für den Versorgungsanwärter nicht zu erinnern. dd)

Erweiterung der Auskunftspflichten (§ 4 a BetrAVG)

Mit einer Erweiterung des § 4 a BetrAVG setzt der Gesetzgeber die in Art. 6 der Mobilitäts-Richtlinie vorgesehene Auskunftspflicht für aktive Versorgungsanwärter und für ausgeschiedene Versorgungsanwärter um. Nach § 4 a Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen mitzuteilen, ob und wie eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung erworben wird (Nr. 1), wie hoch der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung aus der bisher erworbenen Anwartschaft ist und bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze voraussichtlich sein wird (Nr. 2), wie sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Anwartschaft auswirkt (Nr. 3) und wie sich die Anwartschaft nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses entwickeln wird (Nr. 4). Damit wird die Informationspflicht des Arbeitgebers nicht nur auf den aktuellen Stand der Anwartschaft bezogen, sondern auch darauf, wie hoch sich zum Rentenbeginn die Betriebsrente voraussichtlich belaufen wird, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen nicht verlässt. Von Bedeutung ist dabei zusätzlich, dass der Gesetzgeber, im Gegensatz zur bisherigen Fassung des Gesetzes, in der Neuregelung nicht mehr fordert, dass bei dem Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an dieser Auskunft vorliegen muss. Überdies bezieht sich der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers nach der geltenden Fassung des Gesetzes nur auf die unverfallbaren Anwartschaften und die Mitteilung ihres Übertragungswerts. Die Neukonzeption des Auskunftsrechts ist offenbar darauf angelegt, dem Arbeitnehmer eine bessere Vorsorgeplanung zu gestatten. Der Verzicht auf das berechtigte Interesse an der Auskunft spielt auch eine Rolle dabei, in welchen zeitlichen Abständen der Arbeitnehmer von seinem Auskunftsrecht Gebrauch machen kann. Wie an anderer Stelle 19 näher dargestellt worden ist, erlaubt die Richtlinie in Art. 6 Abs. 4, dass derartige Auskünfte nicht häufiger als einmal pro Jahr erteilt werden müssen. Ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber diese Beschränkung des Auskunftsrechts ungeregelt gelassen hat, wird man – von besonderen Umständen abgesehen – die Anzahl der Auskunftsersuchen und den in der Richtlinie vorgegebenen Zeitrahmen auf den Anwendungsbereich des BetrAVG übertragen können.

19 Boewer, AktuellAR 2016, 193 f.

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Wie bisher hat der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger dem Arbeitnehmer oder dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer auf dessen Verlangen mitzuteilen, wie hoch bei einer Übertragung der Anwartschaft nach § 4 Abs. 3 BetrAVG der Übertragungswert ist (§ 4 Abs. 2 S. 1 BetrAVG n. F.). Damit wird klargestellt, dass die Mitteilung des Übertragungswerts nicht nur auf den Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zur Beurteilung einer bevorstehenden Übertragung begrenzt ist, zumal das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an einer derartigen Auskunft nicht mehr vorliegen muss. Dem bisherigen § 4 a Abs. 2 BetrAV entsprechend sieht auch § 4 Abs. 2 S. 2 BetrAVG n. F. vor, dass der neue Arbeitgeber oder der Versorgungsträger dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen hin im Zusammenhang mit dem Recht der Beschäftigten auf Portabilität (§ 4 BetrAVG) mitteilen muss, in welcher Höhe aus dem Übertragungswert ein Anspruch auf Altersversorgung und ob eine Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung bestehen würde. In § 4 a Abs. 3 BetrAVG, der neu in diese Vorschrift aufgenommen worden ist, behandelt der Gesetzgeber die Auskunftspflicht gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern und für Hinterbliebene. Danach hat der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer auf dessen Verlangen mitzuteilen, wie hoch die Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung ist und wie sich die Anwartschaft künftig entwickeln wird. Mit dieser Regelung setzt der Gesetzgeber Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie um, wonach derartige Auskunftsansprüche für ausgeschiedene Arbeitnehmer und Hinterbliebene im Versorgungsfall vorgesehen sind. Vollkommen neu werden die formalen Anforderungen an die vorstehenden Auskünfte vom Gesetzgeber in § 4 a Abs. 4 BetrAVG aufgegriffen. Danach muss die Auskunft verständlich, in Textform und in angemessener Frist erteilt werden. Dies entspricht Art. 6 Abs. 4 der Mobilitäts-Richtlinie, wobei nicht die Schriftform des § 126 BGB gemeint ist, sondern die Anforderung des § 126 b BGB. Bei der in dieser Vorschrift vorgesehenen Textform handelt es sich um die einfachste gesetzliche Form einer lesbaren, aber unterschriftslosen Erklärung, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss und die Person des Erklärenden nennt. Auch insoweit müssen die allgemeinen Anforderungen an den Zugang einer verkörperten Willenserklärung nach § 130 BGB erfüllt sein. Daher kann die Auskunft auch per EMail übermittelt werden. Nicht ausreichend wäre, wenn der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger Auskünfte zum Abruf über seine Internetseite bereitstellt.

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ee)

Umfang des Versicherungsschutzes (Pensions-Sicherungs-Verein)

Der Gesetzgeber hat im Falle des Versicherungsschutzes durch eine Ergänzung des § 7 BetrAVG darauf Bedacht genommen, dass der Träger der Insolvenzsicherung (Pensions-Sicherungs-Verein) nur die Betriebsrentenansprüche absichern muss, die sich aus der bisherigen Regelung des § 2 Abs. 5 BetrAVG ergeben. Diese Vorschrift ist nunmehr in § 7 Abs. 2 S. 6 BetrAVG eingefügt worden, sodass für den Pensions-Sicherungs-Verein weiterhin die Veränderungssperre und der Festschreibeeffekt gelten. Dies entspricht der Mobilitäts-Richtlinie, weil diese von ihrem Anwendungsbereich Insolvenzschutzsysteme in Art. 2 Abs. 2 c ausnimmt. Daher hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 S. 6 2. Halbs. BetrAVG auch das neue Benachteiligungsverbot nach § 2 a Abs. 2 BetrAVG nicht auf den Pensions-Sicherungs-Verein übertragen. ff)

Sonderregelungen für den öffentlichen Dienst

Durch eine entsprechende Ergänzung von § 18 BetrAVG wird sichergestellt, dass der neue § 2 a Abs. 2 BetrAVG bezüglich der Wahrung und der Dynamisierung des Teilanspruchs, mit dem Art. 5 der Richtlinie umgesetzt wird, auch für den öffentlichen Dienst gilt, was ebenfalls die Übergangsregelung in § 30 g Abs. 1 BetrAVG betrifft, wonach § 2 a Abs. 2 BetrAVG nicht für Beschäftigungszeiten vor dem 1.1.2018 gilt. gg)

Tariföffnungsklauseln

In § 17 Abs. 3 BetrAVG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit tarifvertraglicher Abweichungen vom Betriebsrentengesetz dahingehend eingeschränkt, dass die Mindestvorgaben der Mobilitäts-Richtlinie zur Unverfallbarkeit (§ 1 b BetrAVG), zur Wahrung ruhender Anwartschaften (§ 2 a Abs. 2 BetrAVG), zur Zustimmungspflicht des Arbeitnehmers bei der Abfindung von Kleinstanwartschaften (§ 3 Abs. 2 S. 3 BetrAVG) und zu den Auskünften (§ 4 a BetrAVG) von der Tarifdispositivität ausgenommen werden. Von diesen Regelungen kann in Tarifverträgen nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden.

d)

Auswirkungen

Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie muss zunächst bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.2018 in die bestehenden Versorgungssysteme integriert werden. Der Dynamisierungseffekt wird zu einer nicht unerheblichen Anhebung der Altersversorgungsverpflichtungen beitragen können. Außerdem wird der Verwaltungsaufwand durch die erweiterten Informationspflichten für die Arbeitgeber und Versorgungsträger erhöht, auch wenn insoweit eine Standardisierung möglich ist. Zurzeit ist weder ab-

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

schätzbar, in welcher Zahl und in welchem Umfang von dem Auskunftsverlangen Gebrauch gemacht wird, noch welche Haftungsrisiken mit der Auskunftserteilung verbunden sind. Unternehmen werden sich fragen, ob und in welcher Weise sie für Arbeitnehmer, die neu, jedenfalls ab dem 1.1.2018 in das Unternehmen eintreten, ihre Altersversorgungszusagen ändern. Der Herabsetzung der Altersgrenze und der Wartezeit kann der Arbeitgeber nicht ausweichen, wenn er nicht die Versorgungseinrichtung vor Inkrafttreten des Gesetzes schließt. Die Zahl der Versorgungsanwärter und damit der Verwaltungsaufwand werden voraussichtlich ansteigen, was gleichermaßen für die Arbeitgeber als auch für die Versorgungsträger gilt. Man wird bezweifeln müssen, ob die eigentlich nicht erforderliche Umsetzung der MobilitätsRichtlinie für Versorgungsanwärter, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den Arbeitgeber wechseln, Impulse schaffen wird, dass sich Unternehmen zur Einführung einer betrieblichen Altersversorgung bereitfinden. (Boe)

2.

Altersdiskriminierung durch Stichtagsregelung in Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung

Auch Tarifverträge müssen sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gefallen lassen, einer AGB-Kontrolle ausgesetzt zu sein. Deshalb führt ein Verstoß von Bestimmungen in Tarifverträgen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG gemäß § 7 Abs. 2 AGG zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung 20. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG 21 ungeachtet dessen, dass den Tarifvertragsparteien als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum und bezüglich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative einzuräumen ist. Die Regelungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien werden gleichwohl durch das zwingende Gesetzesrecht begrenzt, wozu auch die Bestimmungen des AGG gehören. Der 4. Senat des BAG hatte in der Entscheidung vom 9.12.2015 22 darüber zu befinden, ob eine Stichtagsregelung in einem Tarifvertrag bezüglich einer Übergangsversorgung eine mittelbare Diskriminierung darstellte und des20 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 31 – Prigge; BAG v. 14.1.2015 – 7 AZR 880/13 n. v. Rz. 36; BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 458/13, NZA 2015, 1059 Rz. 16, 32; BAG v. 14.5.2013 – 1 AZR 44/12, NZA 2013, 1160 Rz. 18. 21 Etwa BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, 1388 Rz. 49; BAG v. 9.12.2015 – 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897 Rz. 26. 22 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897.

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schätzbar, in welcher Zahl und in welchem Umfang von dem Auskunftsverlangen Gebrauch gemacht wird, noch welche Haftungsrisiken mit der Auskunftserteilung verbunden sind. Unternehmen werden sich fragen, ob und in welcher Weise sie für Arbeitnehmer, die neu, jedenfalls ab dem 1.1.2018 in das Unternehmen eintreten, ihre Altersversorgungszusagen ändern. Der Herabsetzung der Altersgrenze und der Wartezeit kann der Arbeitgeber nicht ausweichen, wenn er nicht die Versorgungseinrichtung vor Inkrafttreten des Gesetzes schließt. Die Zahl der Versorgungsanwärter und damit der Verwaltungsaufwand werden voraussichtlich ansteigen, was gleichermaßen für die Arbeitgeber als auch für die Versorgungsträger gilt. Man wird bezweifeln müssen, ob die eigentlich nicht erforderliche Umsetzung der MobilitätsRichtlinie für Versorgungsanwärter, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den Arbeitgeber wechseln, Impulse schaffen wird, dass sich Unternehmen zur Einführung einer betrieblichen Altersversorgung bereitfinden. (Boe)

2.

Altersdiskriminierung durch Stichtagsregelung in Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung

Auch Tarifverträge müssen sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gefallen lassen, einer AGB-Kontrolle ausgesetzt zu sein. Deshalb führt ein Verstoß von Bestimmungen in Tarifverträgen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG gemäß § 7 Abs. 2 AGG zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung 20. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG 21 ungeachtet dessen, dass den Tarifvertragsparteien als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum und bezüglich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative einzuräumen ist. Die Regelungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien werden gleichwohl durch das zwingende Gesetzesrecht begrenzt, wozu auch die Bestimmungen des AGG gehören. Der 4. Senat des BAG hatte in der Entscheidung vom 9.12.2015 22 darüber zu befinden, ob eine Stichtagsregelung in einem Tarifvertrag bezüglich einer Übergangsversorgung eine mittelbare Diskriminierung darstellte und des20 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 31 – Prigge; BAG v. 14.1.2015 – 7 AZR 880/13 n. v. Rz. 36; BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 458/13, NZA 2015, 1059 Rz. 16, 32; BAG v. 14.5.2013 – 1 AZR 44/12, NZA 2013, 1160 Rz. 18. 21 Etwa BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, 1388 Rz. 49; BAG v. 9.12.2015 – 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897 Rz. 26. 22 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897.

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Stichtagsregelung in Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung

halb rechtsunwirksam war. Es ging um einen 1960 geborenen Kläger, der als Flugkapitän zunächst seit dem 1.3.1990 bei der Südflug GmbH, einer Tochtergesellschaft der Beklagten, beschäftigt war. Diese Gesellschaft wurde 1992 auf die Condor Flugdienst GmbH – ebenfalls eine Tochtergesellschaft der Beklagten – verschmolzen. Mit Wirkung vom 30.10.2008 wechselte der Kläger zu der Beklagten. Für die Übergangsversorgung, einschließlich einer Rente wegen Flugdienstuntauglichkeit, galt bei der Condor eine tarifvertragliche Regelung vom 31.8.1992, die aufgrund eines Konzerntarifvertrags vom 1.12.1993 bei der Beklagten fortwirkte. Bei der Beklagten bestand ein Tarifvertrag, der die Übergangsversorgung deutlich günstiger regelte. Durch einen Änderungstarifvertrag vom 20.4.2011 wurde vorgesehen, dass Mitarbeiter der Condor Flugdienst GmbH, die ab dem 1.12.1992 ihr fliegerisches Arbeitsverhältnis begonnen hatten, in den Geltungsbereich des Tarifvertrags Übergangsversorgung bei der Beklagten einbezogen wurden. Davon wurden 482 Flugzeugführer erfasst, während 107 Flugzeugführer, zu denen der Kläger gehörte, weiterhin der früheren Übergangsversorgung der Condor Flugdienst GmbH unterfielen. Nach der bisherigen Übergangsversorgung erhielt der Kläger bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres eine monatliche Zahlung von 1.388,- €, während er nach dem Tarifvertrag der Beklagten monatlich 8.572,- € bis zum 63. Lebensjahr beanspruchen konnte. Mit seiner Feststellungsklage hat der Kläger geltend gemacht, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Leistungen der Übergangsversorgung, einschließlich der Flugdienstuntauglichkeit, nach ihren tarifvertraglichen Regelungen gewähren zu müssen. Das BAG hat der Klage – wie bereits die Vorinstanzen – entsprochen. Es ist dabei zu Recht der Frage nachgegangen, ob die im Änderungstarifvertrag vom 20.4.2011 vorgesehene Stichtagsregelung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstieß und den Kläger wegen seines Alters benachteiligte, ohne dass die Bestimmung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zu seiner Erreichung angemessen und erforderlich sind. Da die tarifvertragliche Stichtagsregelung nicht unmittelbar an das Alter anknüpfte, war lediglich an eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters zu denken, die gemäß § 3 Abs. 2 AGG vorliegt, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften geeignet sind, Personen wegen des Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies setzt – der unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters entsprechend – voraus, dass die benachteiligten und begünstigten Personen vergleichbar sind. Dies setzt voraus, dass beide Gruppen Gemeinsamkeiten aufweisen und die Unterschiede vor allem darin bestehen, dass sie mit einem in § 1 AGG – hier das Alter – aufgeführten Kriterium einhergehen. Eine mittelbare Benachtei-

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

ligung i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG ist jedoch dann bei einer Benachteiligung wegen des Alters zu verneinen, wenn mit der Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und das hierfür eingesetzte Mittel, d. h. die getroffene Regelung, angemessen und erforderlich ist und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Nach Ansicht des BAG 23 können rechtmäßige Ziele i. S. d. § 3 Abs. 2 AGG alle nicht ihrerseits diskriminierenden und auch sonst legalen Ziele sein. Erforderlich ist ein Mittel zur Erreichung eines Ziels, wenn das Ziel ohne das Mittel nicht erreicht werden kann und für die Benachteiligten keine weniger einschneidenden Möglichkeiten vorhanden sind, das berechtigte Ziel zu erreichen. Dabei ist hinsichtlich der Prüfung der Angemessenheit der Mittel die aus Art. 9 Abs. 3 GG ableitbare Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu respektieren 24. Angesichts dieses Gestaltungsspielraums dürfen die Tarifvertragsparteien nach Ansicht des BAG aus Gründen der Praktikabilität zu notwendigen Pauschalierungen oder sachverhaltsorientierten Stichtagsklauseln greifen, auch wenn diese Kriterien zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen Härten mit sich bringen können 25. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Wahl des Stichtags als vertretbar erweist und nicht gegen Gesetzesrecht verstößt. In Anwendung dieser Grundsätze geht das BAG davon aus, dass die hier zu beurteilende Stichtagsregelung, die an das Eintrittsdatum bei einem anderen Konzernunternehmen anknüpft, eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters darstellt, weil die tarifvertragliche Regelung mit dem 18 Jahre zurückliegenden Stichtag vor allem Berufsanfänger erfasst, nicht aber Cockpitmitarbeiter der früheren Jahre, die von Natur aus älter sein müssen. Dies wird im Streitfall durch das Alter der betroffenen Arbeitnehmer belegt. Die vor dem 1.12.1992 eingestellten Cockpitmitarbeiter wiesen ein Durchschnittsalter von 49 Jahren auf, während die ab 1.12.1992 eingestellten Cockpitmitarbeiter durchschnittlich 36,5 Jahre alt waren. Es kam daher darauf an, ob ein ausreichender Rechtfertigungsgrund für die Benachteiligung der älteren Cockpitmitarbeiter bestand, um damit den Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung auszuschließen. Im Streitfall konnte das BAG ein rechtmäßiges Ziel für die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Dif-

23 BAG v. 15.2.2011 – 9 AZR 584/09, NZA-RR 2011, 467 Rz. 42; BAG v. 28.1.2010 – 2 AZR 764/08, NZA 2010, 625 Rz. 19. 24 BAG v. 9.12.2015 – 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897 Rz. 31 m. w. N. 25 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, 1388 Rz. 34; BAG v. 17.4.2013 – 4 AZR 770/11, ZTR 2013, 611 ff. Rz. 26; BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 685/08 n. v. Rz. 30.

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Versorgungsordnung: Wirksamkeitserfordernisse bei Abgrenzung von Arbeitnehmern

ferenzierung nicht feststellen. Zunächst war das Ziel im Tarifvertrag selbst nicht benannt. Das BAG weist des Weiteren zu Recht darauf hin, dass Stichtagsregelungen als solche als rechtmäßiges Ziel nicht ausreichen können, vielmehr einer Rechtfertigung bedürfen, die hier nicht erkennbar war. Damit erwies sich die tarifvertragliche Differenzierung (Stichtagsregelung) als rechtsunwirksam mit der Rechtsfolge, dass die Nichtanwendung der diskriminierenden Stichtagsklausel dem wegen seines Alters benachteiligten Kläger den der begünstigten Gruppe eingeräumten Anspruch verschafft. (Boe)

3.

Versorgungsordnung: Wirksamkeitserfordernisse bei Abgrenzung von Arbeitnehmern mit individueller Versorgungszusage

In der Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 19.7.2016 26 ging es darum, welche Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ausschlussklausel zum persönlichen Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung im Hinblick auf eine Versorgungszusage zu stellen sind. Dem Kläger waren 1987 einzelvertraglich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse zugesagt worden. Im Folgejahr trat bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung in Kraft, mit der allen ab einem bestimmten Stichtag eingestellten Arbeitnehmern – auch dem Kläger – Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Direktzusage versprochen wurden. Diese Betriebsvereinbarung wurde in der Folgezeit zuletzt im Jahre 2007 abgelöst. Diese sieht vor, dass Arbeitnehmer, die bereits eine einzelvertragliche Zusage erhalten haben, nicht mehr in den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallen. Der Kläger machte im Klagewege geltend, dass ihm eine Altersrente nach der Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 2007 zustünde. Während das LAG Hessen 27 auf der Grundlage des Günstigkeitsprinzips davon ausging, die Altersversorgung aus der Betriebsvereinbarung habe die vertragliche Regelung verdrängt und der Klage entsprochen hat, ist die Entscheidung vom BAG aufgehoben und der Rechtsstreit an das LAG Hessen zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen worden. Das BAG korrigiert zunächst den unrichtigen Bewertungsansatz des LAG Hessen, wonach sich die Kollision einer individualrechtlichen Versorgungszusage mit den Regelungen einer Betriebsvereinbarung im Streitfall nach dem Günstigkeitsprinzip richtet. Dies war schon deswegen zu verneinen, weil der Kläger von vornherein von der Betriebsvereinbarung ausgeschlos26 3 AZR 134/15, BB 2016, 2810. 27 v. 22.10.2014 – 6 Sa 106/14 n. v. Rz. 45.

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Versorgungsordnung: Wirksamkeitserfordernisse bei Abgrenzung von Arbeitnehmern

ferenzierung nicht feststellen. Zunächst war das Ziel im Tarifvertrag selbst nicht benannt. Das BAG weist des Weiteren zu Recht darauf hin, dass Stichtagsregelungen als solche als rechtmäßiges Ziel nicht ausreichen können, vielmehr einer Rechtfertigung bedürfen, die hier nicht erkennbar war. Damit erwies sich die tarifvertragliche Differenzierung (Stichtagsregelung) als rechtsunwirksam mit der Rechtsfolge, dass die Nichtanwendung der diskriminierenden Stichtagsklausel dem wegen seines Alters benachteiligten Kläger den der begünstigten Gruppe eingeräumten Anspruch verschafft. (Boe)

3.

Versorgungsordnung: Wirksamkeitserfordernisse bei Abgrenzung von Arbeitnehmern mit individueller Versorgungszusage

In der Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 19.7.2016 26 ging es darum, welche Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ausschlussklausel zum persönlichen Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung im Hinblick auf eine Versorgungszusage zu stellen sind. Dem Kläger waren 1987 einzelvertraglich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse zugesagt worden. Im Folgejahr trat bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung in Kraft, mit der allen ab einem bestimmten Stichtag eingestellten Arbeitnehmern – auch dem Kläger – Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Direktzusage versprochen wurden. Diese Betriebsvereinbarung wurde in der Folgezeit zuletzt im Jahre 2007 abgelöst. Diese sieht vor, dass Arbeitnehmer, die bereits eine einzelvertragliche Zusage erhalten haben, nicht mehr in den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallen. Der Kläger machte im Klagewege geltend, dass ihm eine Altersrente nach der Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 2007 zustünde. Während das LAG Hessen 27 auf der Grundlage des Günstigkeitsprinzips davon ausging, die Altersversorgung aus der Betriebsvereinbarung habe die vertragliche Regelung verdrängt und der Klage entsprochen hat, ist die Entscheidung vom BAG aufgehoben und der Rechtsstreit an das LAG Hessen zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen worden. Das BAG korrigiert zunächst den unrichtigen Bewertungsansatz des LAG Hessen, wonach sich die Kollision einer individualrechtlichen Versorgungszusage mit den Regelungen einer Betriebsvereinbarung im Streitfall nach dem Günstigkeitsprinzip richtet. Dies war schon deswegen zu verneinen, weil der Kläger von vornherein von der Betriebsvereinbarung ausgeschlos26 3 AZR 134/15, BB 2016, 2810. 27 v. 22.10.2014 – 6 Sa 106/14 n. v. Rz. 45.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

sen worden war und es damit an kollidierenden Regelungen aus der vertraglichen Versorgungszusage und der Betriebsvereinbarung fehlte. Läge allerdings ein derartiger Fall vor und kollidierte eine nicht günstigere individualvertragliche Versorgungszusage mit den Regelungen einer Betriebsvereinbarung, führt dies nach der Rechtsprechung des BAG 28 grundsätzlich dazu, dass die Individualzusage für die Dauer der Geltung der Betriebsvereinbarung verdrängt wird und damit nicht zur Anwendung gelangt. Dies folgt aus § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG i. V. m. dem Günstigkeitsprinzip. Da die Betriebsparteien individualrechtliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer nicht wirksam beseitigen oder verschlechtern können, kommt die ungünstigere individualvertragliche Regelung für die Dauer der Geltung der günstigeren Betriebsvereinbarung nicht zur Anwendung. Die vertragliche Regelung lebt indes wieder auf, wenn die sie verdrängende Betriebsvereinbarung endet. Die Kollisionsfrage stellt sich erst dann, wenn die vertragliche Regelung und die Betriebsvereinbarung miteinander konkurrieren. Der Günstigkeitsvergleich, der nach einem Sachgruppenvergleich vorzunehmen ist, muss dann unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls ergeben, ob die individualvertragliche Regelung gegenüber der zwingend geltenden Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer vorteilhafter ist. Zweifelhaft konnte sein, wie das BAG zu Recht ausführt, ob die Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung aus dem Jahre 2007 anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit einen unzulässigen Eingriff in den durch die frühere Betriebsvereinbarung bereits erdienten Besitzstand bedeutete, indem der Kläger von der letzten Versorgungsordnung nicht mehr erfasst wurde. Ein derartiger Eingriff wäre jedoch von vornherein unwirksam gewesen und hätte den Besitzstand des Klägers aus der früheren Versorgungsordnung nicht beeinträchtigen können. Für den Streitfall war daher von entscheidender Bedeutung, ob die Betriebsparteien mit der Betriebsvereinbarung gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen haben, indem sie Arbeitnehmer von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen haben, die bereits über eine individualvertragliche Versorgungszusage verfügten. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben nämlich die Betriebsparteien darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Zu diesen Grundsätzen gehört der Gleichbehandlungsgrundsatz, dem der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Haben die Betriebsparteien – wie vorlie28 BAG v. 15.2.2011 – 3 AZR 54/09, NZA 2011, 928 Rz. 54; BAG v. 6.11.2007 – 1 AZR 862/06, NZA 2008, 542 Rz. 23.

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Einstandspflicht des Arbeitgebers bei beitragsbezogener Versorgungszusage

gend – eine Gruppenbildung vorgenommen, muss diese sachlich gerechtfertigt sein, was voraussetzt, dass sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist 29. In Anwendung dieser Grundsätze geht das BAG davon aus, dass die Betriebsparteien durchaus berechtigt sind, Arbeitnehmer von einem kollektiven Versorgungssystem auszuschließen, wenn der mit diesem verfolgte Versorgungszweck bereits durch individuell vom Arbeitgeber zugesagte Leistungen erreicht wird. Der vollständige Ausschluss solcher Arbeitnehmer ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien unter Berücksichtigung des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums und ihrer Einschätzungsprärogative 30 davon ausgehen konnten, dass die ausgeschlossenen Arbeitnehmer mit ihren individuellen Zusagen im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten. Damit kommt es nach Ansicht des BAG nicht auf die individuelle Gleichwertigkeit der Versorgungsleistungen, sondern nur darauf an, ob die nicht unter die Versorgungsbetriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer typischerweise annähernd gleichwertige Leistungen aufgrund der ihnen zuteil geworden vertraglichen Versorgungszusage erwarten können. Da das LAG Hessen hierzu keine Feststellungen getroffen hat, waren diese nachzuholen. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung des BAG vor allem dann von Bedeutung, wenn der Arbeitgeber zunächst nur vereinzelt auf der Grundlage einer Individualzusage eine betriebliche Altersversorgung gewährt hat und anschließend eine Versorgungsordnung für alle Mitarbeiter im Wege einer Betriebsvereinbarung ins Auge fasst. (Boe)

4.

Einstandspflicht des Arbeitgebers bei beitragsbezogener Versorgungszusage

Nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG steht der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG auch dann ein, wenn die Durchführung der Altersversorgung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Diese Einstandspflicht ist durch das Altersvermögensgesetz vom 26.6.2001 31 mit Wirkung vom 1.1.2001 in Kraft getreten und hat im Ergeb29 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 576/14 n. v. Rz. 21; BAG v. 15.11.2011 – 3 AZR 113/10, NZA-RR 2012, 544 Rz. 45; BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701 Rz. 32. 30 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701 Rz. 32. 31 BGBl. I 2001, 1310.

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Einstandspflicht des Arbeitgebers bei beitragsbezogener Versorgungszusage

gend – eine Gruppenbildung vorgenommen, muss diese sachlich gerechtfertigt sein, was voraussetzt, dass sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist 29. In Anwendung dieser Grundsätze geht das BAG davon aus, dass die Betriebsparteien durchaus berechtigt sind, Arbeitnehmer von einem kollektiven Versorgungssystem auszuschließen, wenn der mit diesem verfolgte Versorgungszweck bereits durch individuell vom Arbeitgeber zugesagte Leistungen erreicht wird. Der vollständige Ausschluss solcher Arbeitnehmer ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien unter Berücksichtigung des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums und ihrer Einschätzungsprärogative 30 davon ausgehen konnten, dass die ausgeschlossenen Arbeitnehmer mit ihren individuellen Zusagen im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten. Damit kommt es nach Ansicht des BAG nicht auf die individuelle Gleichwertigkeit der Versorgungsleistungen, sondern nur darauf an, ob die nicht unter die Versorgungsbetriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer typischerweise annähernd gleichwertige Leistungen aufgrund der ihnen zuteil geworden vertraglichen Versorgungszusage erwarten können. Da das LAG Hessen hierzu keine Feststellungen getroffen hat, waren diese nachzuholen. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung des BAG vor allem dann von Bedeutung, wenn der Arbeitgeber zunächst nur vereinzelt auf der Grundlage einer Individualzusage eine betriebliche Altersversorgung gewährt hat und anschließend eine Versorgungsordnung für alle Mitarbeiter im Wege einer Betriebsvereinbarung ins Auge fasst. (Boe)

4.

Einstandspflicht des Arbeitgebers bei beitragsbezogener Versorgungszusage

Nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG steht der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG auch dann ein, wenn die Durchführung der Altersversorgung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Diese Einstandspflicht ist durch das Altersvermögensgesetz vom 26.6.2001 31 mit Wirkung vom 1.1.2001 in Kraft getreten und hat im Ergeb29 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 576/14 n. v. Rz. 21; BAG v. 15.11.2011 – 3 AZR 113/10, NZA-RR 2012, 544 Rz. 45; BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701 Rz. 32. 30 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701 Rz. 32. 31 BGBl. I 2001, 1310.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

nis die bereits in diesem Sinne bestehende Rechtsprechung des BAG 32 rezipiert. Voraussetzung für die Anwendung des BetrAVG und damit für die Einstandspflicht des Arbeitgebers ist stets, dass überhaupt eine betriebliche Altersversorgungszusage gegenüber dem Arbeitnehmer besteht. Der Gesetzgeber definiert in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG die betriebliche Altersversorgung dahingehend, dass einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditätsoder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden müssen. Darüber hinaus qualifiziert der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 BetrAVG auch die beitragsorientierte Leistungszulage (Nr. 1), die Beitragszusage mit Mindestleistung (Nr. 2), die Entgeltumwandlung (Nr. 3) sowie die Beitragsleistung mit Eigenbeiträgen und Umfassungszusage (Nr. 4) als betriebliche Altersversorgung. Soweit es um die Beitragsleistung mit Eigenbeiträgen und Umfassungszusage geht, die erst mit Wirkung zum 1.7.2002 durch das Hüttenknappschaftliche Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz vom 21.6.2002 (HZvNG) 33 (Art. 3) in das BetrAVG eingefügt wurde, ist für den Charakter als betriebliche Altersversorgung von entscheidender Bedeutung, dass der Arbeitgeber die Einstandspflicht auch in Bezug auf die Eigenbeiträge des Arbeitnehmers übernimmt. Keine betriebliche Altersversorgung liegt indes dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich eine reine Beitragszusage erteilt, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, sich Versorgungsleistungen bei Dritten zu beschaffen. In diesen Fällen trägt der Arbeitnehmer nicht nur dasAnlage-, sondern auch das Insolvenzrisiko 34. Mit der Problematik einer beitragsbezogenen Versorgungszusage war der 3. Senat des BAG in der Entscheidung vom 15.3.2016 35 befasst. Er hatte die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine sog. betriebsrentenrechtliche Umfassungszusage i. S. v. § 1 Abs. 2 S. 4 BetrAVG vorliegt und damit vom Mitarbeiter durch Eigenbeiträge finanzierte Versorgungsleistungen vom Betriebsrentengesetz geschützt werden. Der Kläger war bei seiner Einstellung im Jahre 1969 arbeitsvertraglich verpflichtet worden, Mitglied einer regulierten Pensionskasse zu werden, über die er eine Versorgungszusage erhielt, die auf der Basis eines Pflichtbeitrags von 6 % des pensionsfähigen Einkommens finanziert wurde. Dabei wurde

32 BAG v. 29.8.2000 – 3 AZR 201/00, NZA 2001, 163; vgl. dazu BT-Drucks. 14/4595 S. 67. 33 BGBl. I 2002, 2167. 34 BAG v. 10.2.2015 – 3 AZR 65/14, BetrAV 2015, 522 Rz. 30; vgl. dazu auch Hanau/Arteaga, DB 2015, 615. 35 3 AZR 827/14, NZA 2016, 1205.

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Einstandspflicht des Arbeitgebers bei beitragsbezogener Versorgungszusage

der Pflichtbeitrag zu 2/3 vom Arbeitgeber und zu 1/3 vom Kläger getragen. Die Satzung der Pensionskasse enthält eine Sanierungsklausel, die es ihr erlaubt, mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) im Extremfall in garantierte Versicherungsleistungen eingreifen zu dürfen. Von dieser Möglichkeit machte die Pensionskasse seit 2003 Gebrauch, nachdem sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Dies hatte für den seit August 2006 Rente aus der Pensionskasse beziehenden Kläger zur Konsequenz, dass seine Rente mehrfach gekürzt wurde. Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten beansprucht, die ab Januar 2009 vorgenommenen Kürzungen der Betriebsrente auszugleichen. Das BAG hat der Klage insoweit entsprochen, als es seit dem 1.1.2009 um die Beträge geht, um die die Pensionskasse den auf Beiträgen der Beklagten (des Arbeitgebers) beruhenden Anteil der Pensionskassenrente herabgesetzt hat. Dagegen hat das BAG eine Einstandspflicht der Beklagten für die eigenen Beiträge des Klägers, mit denen er selbst seine Altersversorgung finanziert hat, verneint. Rechtsgrundlage für eine entsprechende Nachzahlung an den Kläger konnte nur § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG sein, wonach der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Betriebsrentenleistungen einzustehen hat, wenn die Durchführung der Altersversorgung nicht unmittelbar, sondern – wie im vorliegenden Fall – durch eine Pensionskasse erfolgt. Deshalb kam es zunächst darauf an, ob die Beklagte dem Kläger eine Altersversorgung zugesagt hatte, die über den Durchführungsweg der Pensionskasse als externer Versorgungsträger abgewickelt wurde. Insofern spielte es keine Rolle, dass die Einstandspflicht des Arbeitgebers erst mit Wirkung vom 1.1.2001 durch das Altersvermögensgesetz vom 26.6.2001 eingeführt worden war, weil diese gesetzliche Regelung auf der bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung des BAG beruhte. Bezüglich der vertraglichen Versorgungszusage verneint das BAG das Vorliegen einer reinen Beitragszusage ohne betriebsrentenrechtliche Auswirkung und qualifiziert diese als beitragsorientierte Leistungszusage i. S. v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Nach dieser Vorschrift liegt betriebliche Altersversorgung auch vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln. Auf die beitragsorientierte Leistungszusage sind die Vorschriften des BetrAVG in vollem Umfange anwendbar, sodass sie auch über sämtliche Durchführungswege umgesetzt werden kann. Da sich der Arbeitgeber zur Umwandlung der Beiträge in eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung verpflichtet, hat er bei einer derartigen Zusage die Beiträge und die im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen nach Um545

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

wandlung der Beiträge festzulegen. Im Streitfall lässt das BAG insoweit genügen, dass mit der Anmeldung des Klägers bei einer Pensionskasse nicht nur die Erklärung verbunden ist, für die Dauer des Arbeitsverhältnisses die zugesagten Beiträge an diese zu übernehmen, sondern damit zugleich vom Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht wird, dem Kläger solle damit auf der Grundlage der gezahlten Beiträge bei Eintritt des Versorgungsfalls auch eine Versorgung von der Pensionskasse gewährt werden. Insofern bedarf es nach Meinung des BAG keiner ausdrücklichen Verpflichtung des Arbeitgebers, die Beiträge zur Pensionskasse in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditätsoder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln. Lag damit eine Altersversorgungszusage vor, bestand seitens der Beklagten eine Einstandsverpflichtung gegenüber dem Kläger nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG zumindest im Umfang der Herabsetzung des Teils der Pensionskassenrente, der auf den Beiträgen der Beklagten beruhte. Da der Kläger jedoch den vollen Ausgleich der Pensionskürzung beanspruchte, deren Höhe auch auf seinem Beitrag von 1/3 beruhte, war diese Forderung nur durchsetzbar, wenn die Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG für diesen Eigenbeitrag eine sogenannte Umfassungszusage erteilt hatte. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an eine Pensionskasse leistet, sondern darüber hinaus, dass die Versorgungszusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst (Umfassungszusage). Dann liegt nach dem BetrAVG betriebliche Altersversorgung vor, auf die sich die gesetzliche Einstandspflicht erstreckt. Hierfür trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Da im Streitfall die Versorgungszusage bereits zu einem Zeitpunkt erteilt worden war, vor dem die sogenannte Umfassungszusage mit Wirkung vom 1.7.2002 durch das HZvNG in das BetrAVG aufgenommen worden ist, waren nach Ansicht des BAG besonders strenge Anforderungen an das Vorliegen einer derartigen mangels ausdrücklicher Zusage allenfalls konkludent erfolgten Umfassungszusage zu stellen. Hierfür gab es nach dem Vorbringen des Klägers keine ausreichenden Anhaltspunkte, sodass er den auf seinen Beiträgen beruhenden Teil der Altersversorgung über die Einstandspflicht der Beklagten nicht durchsetzen konnte. Insofern hat der Kläger – wie bei einer reinen Beitragszusage – das Risiko der Erfüllung der Betriebsrente zu tragen. Angesichts dessen musste das BAG auch nicht der Frage nachgehen, ob § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG überhaupt zur Anwendung gelangen konnte 36.

36 Vgl. dazu OLG Karlsruhe v. 24.10.2013 – 9 U 120/12, VersR 2014, 614 Rz. 31.

546

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“

Der Entscheidung des BAG verdeutlicht eindringlich, welche Bedeutung der Umfassungszusage beizumessen ist, wenn der Arbeitnehmer Eigenbeiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung leistet und dies nicht auf der Grundlage einer Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG geschieht. Fehlt es an der erforderlichen Umfassungszusage, hat er gegenüber dem Arbeitgeber weder einen Verschaffungsanspruch noch einen Insolvenzschutz und trägt damit das volle wirtschaftliche Verlustrisiko. (Boe)

5.

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“

Von einer sog. gespaltenen Rentenformel ist dann die Rede, wenn eine Versorgungszusage für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) höhere Versorgungsleistungen vorsieht als für den darunterliegenden Teil 37. Die Rechtsprechung des BAG hatte sich zunächst mit den Konsequenzen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003 im Hinblick auf die gespaltene Rentenformel zu beschäftigen. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 vom 17.12.2002 38 hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,- € jährlich und 4600,- € monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.12.2002 39 wurde § 275 c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1.1.2003 in Kraft und legt die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,- € jährlich und 5100,- € monatlich fest. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. Infolge der außerplanmäßigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze kam es bei zahlreichen Versorgungsempfängern im Falle einer gespaltenen Rentenformel zu einer Verringerung der Ausgangsrente. Der Ruhegeldsenat des BAG 40 hat hierauf zunächst da37 Vgl. nur BAG v. 23.4.2013 – 3 AZR 475/11, NZA 2013, 1275 Rz. 12; BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07 n. v. Rz. 22. 38 BGBl. I 2002, 4561. 39 BGBl. I 2002, 4637. 40 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07 n. v. Rz. 22.

547

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“

Der Entscheidung des BAG verdeutlicht eindringlich, welche Bedeutung der Umfassungszusage beizumessen ist, wenn der Arbeitnehmer Eigenbeiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung leistet und dies nicht auf der Grundlage einer Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG geschieht. Fehlt es an der erforderlichen Umfassungszusage, hat er gegenüber dem Arbeitgeber weder einen Verschaffungsanspruch noch einen Insolvenzschutz und trägt damit das volle wirtschaftliche Verlustrisiko. (Boe)

5.

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“

Von einer sog. gespaltenen Rentenformel ist dann die Rede, wenn eine Versorgungszusage für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) höhere Versorgungsleistungen vorsieht als für den darunterliegenden Teil 37. Die Rechtsprechung des BAG hatte sich zunächst mit den Konsequenzen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003 im Hinblick auf die gespaltene Rentenformel zu beschäftigen. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 vom 17.12.2002 38 hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,- € jährlich und 4600,- € monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.12.2002 39 wurde § 275 c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1.1.2003 in Kraft und legt die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,- € jährlich und 5100,- € monatlich fest. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. Infolge der außerplanmäßigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze kam es bei zahlreichen Versorgungsempfängern im Falle einer gespaltenen Rentenformel zu einer Verringerung der Ausgangsrente. Der Ruhegeldsenat des BAG 40 hat hierauf zunächst da37 Vgl. nur BAG v. 23.4.2013 – 3 AZR 475/11, NZA 2013, 1275 Rz. 12; BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07 n. v. Rz. 22. 38 BGBl. I 2002, 4561. 39 BGBl. I 2002, 4637. 40 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07 n. v. Rz. 22.

547

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

hingehend reagiert, dass sich die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze errechnet und von dem so errechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen sind, um die sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht. Diese Rechtsprechung hat der 3. Senat anschließend durch Urteil vom 23.4.2013 41 revidiert und die Auffassung vertreten, dass sich ein Anspruch auf eine höhere Betriebsrente wegen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003 allenfalls aus den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergeben kann. Nunmehr ist die gespaltene Rentenformel erneut, jetzt aber unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter, in das Visier der Rechtsprechung geraten und Anlass für eine Vorlage des ArbG Verden 42 an den EuGH 43 nach Art. 267 AEUV mit folgenden Fragen: 1.  a) Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere § 4 Nr. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG geänderten Fassung sowie Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, dahin auszulegen, dass es nationalen gesetzlichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, die bei der Bemessung der Höhe einer betrieblichen Altersversorgung zwischen Arbeitseinkommen unterscheiden, das unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, und solchem, das oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt (sog gespaltene Rentenformel), und hierbei das Einkommen aus einer Teilzeitbeschäftigung nicht so behandeln, dass sie zunächst das für eine entsprechende Vollzeitbeschäftigung zu zahlende Einkommen ermitteln, hieraus den Anteil oberhalb und unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze ermitteln und dieses

41 3 AZR 475/11, NZA 2013, 1275 Rz. 17. 42 v. 20.6.2016 – 1 Ca 32/15 B, NZA-RR 2016, 494. 43 Anhängig C-354/16 - Ute Kleinsteuber gegen Mars GmbH; vgl. auch: Latzel, ZESAR 2016, 371 ff.

548

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“

Verhältnis dann auf das reduzierte Einkommen aus der Teilzeittätigkeit übertragen? Vorlagebeschluss. Falls die Frage zu 1 a) verneint wird: b) Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere § 4 Nr. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG geänderten Fassung sowie Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, dahin auszulegen, dass es nationalen gesetzlichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, die bei der Bemessung der Höhe einer betrieblichen Altersversorgung zwischen Arbeitseinkommen unterscheiden, das unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, und solchem, das oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt (sog gespaltene Rentenformel), und bei einer Beschäftigten, die teilweise in Vollzeit, teilweise in Teilzeit gearbeitet hat, keine nach Zeitabschnitten (z. B. einzelnen Kalenderjahren) unterteilte Betrachtungsweise vornehmen, sondern einen einheitlichen Beschäftigungsgrad für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses ermitteln und die gespaltene Rentenformel erst auf die hieraus resultierende Durchschnittsvergütung anwenden? Vorlagebeschluss. … 3.  Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte und durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, insbesondere deren Art. 1, 2 und 6, konkretisierte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, dahin auszulegen, dass es nationalen gesetzlichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, die eine betriebliche Altersrente in der Höhe vorsehen, die dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht (ratierliche Berechnung nach dem m/n-tel Prinzip), und die

549

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

hierbei eine Höchstbegrenzung anrechnungsfähiger Dienstjahre vornehmen, mit der Folge, dass Arbeitnehmer, die in jüngeren Lebensjahren ihre Betriebszugehörigkeit zurückgelegt haben, eine geringere Betriebsrente erhalten als Mitarbeiter, die ihre Betriebszugehörigkeit in einem höheren Lebensalter zurückgelegt haben, obwohl bei beiden Mitarbeitern die gleiche Dauer der Betriebszugehörigkeit vorliegt?

Veranlasst ist diese Vorlage durch einen bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit, der die Frage der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf eine betriebliche Altersrente der Klägerin als Teilzeitbeschäftigte bei einer gespaltenen Rentenformel zum Gegenstand hat. Die am 3.4.1965 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 1.1.1990 bis zum 31.5.2014, zuletzt als In-Market-Manager, beschäftigt. Die Klägerin arbeitete zunächst mehrere Jahre in Vollzeit und ab dem 1.4.1999 bis zu ihrem Ausscheiden in Teilzeit, die periodenweise 50 % bis 75 % einer Vollzeitbeschäftigung ausmachte. Der Klägerin steht auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung eine Altersversorgung zu. In der Versorgungsordnung besteht eine gespaltene Rentenformel, wonach bis zur BBG je Dienstjahr 0,6 % der Jahresvergütung und für den Verdienst oberhalb der BBG je Dienstjahr 2 % vom Jahreseinkommen erworben werden. Maximal sind jedoch bei einer festen Altersgrenze mit 65 Jahren nur 35 Jahre für den Erwerb der Altersversorgung anrechenbar. Die Beklagte berechnete die der Klägerin zustehende Betriebsrente in der Weise, dass sie in Relation zum rentenfähigen Jahresverdienst auf der Basis einer Vollzeittätigkeit einen Teilzeitgrad von 71,5 % als Durchschnitt der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses zugrunde legte, anschließend in einen Anteil unterhalb und oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze aufspaltete und hierauf die unterschiedlichen Prozentsätze der gespaltenen Rentenformel bezog. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, dass für sie maßgebende Vollzeiteinkommen sei in einen unterhalb und einen oberhalb der BBG liegenden Teil aufzuspalten und hierauf die unterschiedlichen Prozentsätze des Pensionsplans anzuwenden. Erst im Anschluss daran sei die zeitweilige Teilzeittätigkeit der Klägerin in der Weise zu berücksichtigen, dass eine Quotierung mit dem Teilzeitgrad stattfinde. Während die Beklagte für die Klägerin eine monatliche Altersrente von 988,44 € ermittelte, betrug die Betriebsrente bei dem Rechenweg der Klägerin 1.340,31 € monatlich. Dabei argumentierte die Klägerin, dass sie bei der Berechnung der Beklagten wegen der Teilzeittätigkeit benachteiligt werde, weil sich die Quotierung ausschließlich im Einkommensbereich oberhalb der BBG auswirke. Diese unterschiedliche Berechnungsmethodik war Veranlassung für das vorlegende Gericht, eine Entscheidung des EuGH darüber herbeizuführen, ob 550

Mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch „gespaltene Rentenformel“

die von der Klägerin ins Feld geführte diskriminierende Schlechterstellung aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit im Hinblick auf das einschlägige Unionsrecht vorliegt. Demgegenüber hat der 3. Senat des BAG 44 bei dieser Fallkonstellation eine unzulässige Benachteiligung wegen Teilzeitarbeit verneint, weil eine Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter durch die höhere Bewertung von Einkommensteilen oberhalb der BBG durch einen sachlichen Grund i. S. v. § 4 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt sei. Für Arbeitnehmer, die wegen der Teilzeitarbeit typischerweise ein rentenfähiges Einkommen unterhalb der BBG erzielten, entstünde keine Versorgungslücke in der gesetzlichen Rentenversicherung, weil ihr gesamtes Einkommen durch die gesetzliche Altersrente abgesichert sei und damit der für den Erhalt des Lebensstandards erforderliche Versorgungsbedarf gedeckt werde. Das ArbG Verden möchte ungeachtet dieser Rechtsprechung des BAG mit seiner zweiten Frage zu 1 b) eine Entscheidung des EuGH darüber herbeiführen, ob bei der Berechnung der Betriebsrente eine nach Zeitabschnitten unterteilte Betrachtungsweise vorgenommen werden muss. Denn die Berechnungsweise der Beklagten hat zur Folge, dass das hohe Einkommen der Klägerin während der Jahre ihrer Vollzeittätigkeit durch den einheitlichen Beschäftigungsgrad für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zu einer Relativierung der Gehaltsbestandteile oberhalb der BBG geführt hat. Mit der Frage unter 2. ersucht das ArbG Verden den EuGH um eine Antwort darauf, ob jüngere Arbeitnehmer dadurch diskriminiert werden, dass eine lineare Versorgungszusage mit einer Höchstbegrenzung anrechnungsfähiger Dienstjahre kombiniert wird, um Rentenansprüche langjährig beschäftigter Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Erwägungen auf ein bestimmtes Maß zu reduzieren. Bei einer Höchstgrenze von 35 Dienstjahren, die maximal in der Versorgungsordnung anrechenbar sind, werden ausscheidende Arbeitnehmer, die in jungen Jahren ihre Betriebszugehörigkeitszeiten zurückgelegt haben und eine Betriebszugehörigkeit von 40 Jahren erreichen können, bei der Berechnung der unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaft gegenüber älteren Arbeitnehmern, bei denen die Gesamtdauer der Betriebszugehörigkeit altersversorgungswirksam ist, benachteiligt. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts führte im Streitfall die ratierliche Kürzung in Verbindung mit der Höchstbegrenzung anrechnungsfähiger Dienstjahre zu einer Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Alters.

44 v. 11.12.2012 – 3 AZR 588/10, NZA 2013, 572 Rz. 29.

551

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Demgegenüber hat das BAG 45 zu § 2 Abs. 1 BetrAVG ausgeführt, dass diese Vorschrift nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, wie es nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt und in den Regelungen nach Art. 1, Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert ist. Die für die Berechnung der gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft maßgebliche gesetzliche Regelung könne zwar dazu führen, dass Personen, die ihre Betriebszugehörigkeit in einem jüngeren Lebensalter zurückgelegt haben, gegenüber Personen benachteiligt werden, die die gleiche Betriebszugehörigkeit in höherem Lebensalter erbracht haben. Die darin liegende Ungleichbehandlung bewirke jedoch keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Denn § 2 Abs. 1 BetrAVG liege ein legitimes, im Allgemeininteresse bestehendes Ziel zugrunde und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels seien angemessen und erforderlich (Art. 6 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie). Mit der Vorlage des ArbG Verden wird damit gleichzeitig die Rechtsprechung des BAG auf den Prüfstand ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrechts gestellt, sodass die Antworten des EuGH auch insoweit von weitreichender Bedeutung sind. (Boe)

6.

Kennzeichnung einer beitragsbezogenen Leistungszusage

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG liegt eine betriebliche Altersversorgung auch vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln. Damit umschreibt der Gesetzgeber nach der Klammerdefinition die sog. beitragsorientierte Leistungszusage. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass bei dieser Form der betrieblichen Altersversorgung vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein bestimmter Beitrag geleistet wird, der durch eine Umrechnungstabelle in eine bestimmte Versorgungsleistung umgerechnet wird. Dabei hat der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrVG für die Erfüllung der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen einzustehen, auch wenn diese nicht unmittelbar über ihn, sondern mittelbar etwa durch eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds erbracht werden.

45 BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 998/12, NZA 2015, 750 Rz. 68; BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 634/10, NZA 2013, 564 Rz. 25 ff.; BAG v. 19.7.2011 – 3 AZR 571/09 n. v. Rz. 21 ff.

552

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Demgegenüber hat das BAG 45 zu § 2 Abs. 1 BetrAVG ausgeführt, dass diese Vorschrift nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, wie es nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt und in den Regelungen nach Art. 1, Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert ist. Die für die Berechnung der gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft maßgebliche gesetzliche Regelung könne zwar dazu führen, dass Personen, die ihre Betriebszugehörigkeit in einem jüngeren Lebensalter zurückgelegt haben, gegenüber Personen benachteiligt werden, die die gleiche Betriebszugehörigkeit in höherem Lebensalter erbracht haben. Die darin liegende Ungleichbehandlung bewirke jedoch keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Denn § 2 Abs. 1 BetrAVG liege ein legitimes, im Allgemeininteresse bestehendes Ziel zugrunde und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels seien angemessen und erforderlich (Art. 6 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie). Mit der Vorlage des ArbG Verden wird damit gleichzeitig die Rechtsprechung des BAG auf den Prüfstand ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrechts gestellt, sodass die Antworten des EuGH auch insoweit von weitreichender Bedeutung sind. (Boe)

6.

Kennzeichnung einer beitragsbezogenen Leistungszusage

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG liegt eine betriebliche Altersversorgung auch vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln. Damit umschreibt der Gesetzgeber nach der Klammerdefinition die sog. beitragsorientierte Leistungszusage. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass bei dieser Form der betrieblichen Altersversorgung vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein bestimmter Beitrag geleistet wird, der durch eine Umrechnungstabelle in eine bestimmte Versorgungsleistung umgerechnet wird. Dabei hat der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrVG für die Erfüllung der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen einzustehen, auch wenn diese nicht unmittelbar über ihn, sondern mittelbar etwa durch eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds erbracht werden.

45 BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 998/12, NZA 2015, 750 Rz. 68; BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 634/10, NZA 2013, 564 Rz. 25 ff.; BAG v. 19.7.2011 – 3 AZR 571/09 n. v. Rz. 21 ff.

552

Kennzeichnung einer beitragsbezogenen Leistungszusage

Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um von einer beitragsbezogenen Leistungszusage ausgehen zu können, war Gegenstand einer Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 30.8.2016 46. Nach der bei der beklagten Arbeitgeberin geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung steht dem Kläger ein jährlicher Basisanspruch auf eine Betriebsrente von 0,4 % der Summe seiner monatlichen pensionsfähigen Bezüge während seiner Beschäftigungszeit zu. Die Beklagte zahlt auf der Grundlage dieser Gesamtbetriebsvereinbarung in einen Anlagefonds, der kein Pensionsfonds i. S. d. BetrAVG ist, Beiträge in Höhe von 5 % der pensionsfähigen Bezüge aller der Gesamtbetriebsvereinbarung unterfallenden Arbeitnehmer ein. Aus diesem Anlagefonds werden auch die laufenden Betriebsrenten gezahlt. Am Ende eines jeden Wirtschaftsjahres werden der Wert der Fondsanteile und die Summe der Barwerte der Anwartschaften sowie der gezahlten Betriebsrenten ermittelt. Bei Abweichung der Werte werden die Barwerte der Anwartschaften und der Betriebsrenten so korrigiert, dass sie dem Wert der Fondsanteile entsprechen, aber den Basisanspruch nicht unterschreiten dürfen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, zum Stichtag 31.12.2009 belaufe sich sein Basisanspruch auf 2.577,- € und sein korrigierter Basisanspruch auf 3.900,- €. Den Stand zum 31.12.2011 wies sie für den Basisanspruch mit 2.608,- € und den korrigierten Basisanspruch mit 3.295,- € aus. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein korrigierter Basisanspruch könne sich nicht rückläufig entwickeln, sodass weiterhin mindestens der Stand vom 31.12.2009 maßgeblich sei. Das BAG hat die Feststellungsklage des Klägers – wie bereits die Vorinstanzen – für unbegründet gehalten. Dabei ist das BAG davon ausgegangen, dass auf der Grundlage der hier maßgebenden Gesamtbetriebsvereinbarung die korrigierten Basisansprüche im Vergleich zu den Vorjahren nicht nur steigen, sondern auch bis zu der festgelegten Untergrenze sinken können. Diese Schlussfolgerung entnimmt das BAG durch Auslegung der Regelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung, die darauf abzielen, anhand des Wertes des im Fonds angesammelten Vermögens die jährliche Veränderung des korrigierten Basisanspruchs mit dem Ziel zu verdeutlichen, die Arbeitnehmer und Betriebsrentner an der Wertentwicklung des Fonds teilhaben zu lassen. Daher konnte der Kläger aus der Mitteilung des korrigierten Basisanspruchs mit dem Stand vom 31.12.2009 keine entsprechende Verpflichtung der Beklagten für die Zukunft herleiten. In diesem Zusammenhang geht das BAG der Frage nach, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung eine beitragsorientierte Leistungszusage i. S. d. § 1 46 3 AZR 228/15, BB 2016, 2163.

553

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG enthält. Aus der Zusammenschau mit § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG setzt § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG voraus, dass einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden muss 47. Es muss danach eine künftige Versorgungsleistung zugesagt sein, die ein im Betriebsrentengesetz angesprochenes biometrisches Risiko zumindest teilweise abdeckt 48. Dadurch unterscheidet sich die beitragsorientierte Leistungszusage von der reinen Beitragszusage, die nicht vom BetrAVG erfasst wird 49, weil sie nur darauf abzielt, dem Arbeitnehmer zusätzliche Mittel zu verschaffen, die der Vermögensbildung oder dem Erwerb von Versorgungsanwartschaften dienen. Da im Streitfall die Beklagte auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht nur verpflichtet war, dem Fonds bestimmte Beiträge zuzuführen, sondern den Arbeitnehmern auf der Grundlage der Beiträge bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Leistung zur Abdeckung der in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG genannten Risiken zu gewähren, qualifiziert das BAG die Zusage als beitragsorientierte Leistungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Allerdings verlangt diese Vorschrift, dass zum Zeitpunkt der Umwandlung unmittelbar feststeht, welche Anwartschaft auf künftige Leistungen der Arbeitnehmer durch die Umwandlung der Beiträge erwirbt. Diese inhaltliche Anforderung entnimmt das BAG den Gesetzesmaterialien des Rentenreformgesetzes 1999 50. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung 51, betreffend die Einführung der Regelung zur beitragsorientierten Leistungszusage, heißt es dazu wie folgt: Bei diesen Zusagen handelt es sich um Leistungszusagen, bei denen ausdrücklich ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der Höhe der daraus resultierenden Leistung besteht. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird hier verstärkt auf den Aufwand abgestellt, der für die zugesagte Leistung erforderlich ist … .

Daraus folgt für das BAG, dass nach dem ausdrücklichen Willen des historischen Gesetzgebers ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der Höhe der daraus resultierenden Versorgungsleistung gegeben sein muss. Dieses Unmittelbarkeitserfordernis sei daher nur gewahrt, wenn die Regelungen der Versorgungsordnung sicherstellen, dass be47 48 49 50 51

Vgl. BAG v. 14.2.2012 – 3 AZR 260/10, DB 2012, 2527. BAG v. 30.8.2016 – 3 AZR 361/15 n. v. Rz. 31. BAG v. 15.3.2016 – 3 AZR 827/14, NZA 2016, 1205 Rz. 32. BGBl. I 1997, 2998. BT-Drucks. 13/8671, 120.

554

Keine Benachteiligung wegen Behinderung bei versicherungsmathematischem Abschlag

reits bei der Umwandlung der Beiträge in eine Anwartschaft feststeht, welche Höhe die aus Beiträgen resultierende Leistung im Versorgungsfall mindestens hat. Dies entspräche auch dem Versorgungscharakter betrieblicher Altersversorgung, weil der Arbeitnehmer planen müsse, ob er dafür anderweitige Vorsorge trifft. In Anbetracht dieser Bewertung genügt die im Streitfall maßgebende Gesamtbetriebsvereinbarung nach Ansicht des BAG den vorbeschriebenen Umwandlungsvoraussetzungen nicht vollständig, weil die von der Beklagten aufzubringenden und auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Beiträge nicht unmittelbar in eine feststehende Betriebsrentenanwartschaft umgewandelt werden. Dies gilt unabhängig davon, dass den Arbeitnehmern ein Mindestanspruch eingeräumt wird und nur bei den Durchführungswegen Pensionskasse, Direktversicherung und Pensionsfonds eine Abhängigkeit der Versorgung von Erträgen oder Überschüssen möglich ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG), weil letztere Regelung keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann. Daraus schlussfolgert das BAG, dass der Verstoß der Gesamtbetriebsvereinbarung gegen die Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG eine Verpflichtung der Beklagten zur unmittelbaren Umwandlung eingezahlter Beiträge in feststehende Anwartschaften auslöst. Da es jedoch dem Kläger nicht um die Festschreibung von Anwartschaften durch umgewandelte Beiträge ging, betraf seine Klage einen anderen Streitgegenstand, weil er die Beklagte an dem ihm mitgeteilten Basisanspruch aus dem Jahre 2009 festhalten wollte. Es ging dem Kläger nicht um den Basisanspruch von 0,4 % der Summe seiner monatlichen pensionsfähigen Bezüge auf eine Betriebsrente, vielmehr allein darum, dass ihm nach den Vorgaben der Gesamtbetriebsvereinbarung ermittelte Überschüsse verbleiben sollten. Diese Forderung konnte er auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung gegenüber der Beklagten nicht durchsetzen. (Boe)

7.

Keine Benachteiligung wegen Behinderung bei versicherungsmathematischem Abschlag der Betriebsrente

Mit Urteil vom 13.10.2016 52 hat der 3. Senat des BAG klargestellt, dass ein versicherungsmathematischer Abschlag in Höhe von 0,4 % pro Monat bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente zulässig ist, selbst

52 3 AZR 439/15 n. v.

555

Keine Benachteiligung wegen Behinderung bei versicherungsmathematischem Abschlag

reits bei der Umwandlung der Beiträge in eine Anwartschaft feststeht, welche Höhe die aus Beiträgen resultierende Leistung im Versorgungsfall mindestens hat. Dies entspräche auch dem Versorgungscharakter betrieblicher Altersversorgung, weil der Arbeitnehmer planen müsse, ob er dafür anderweitige Vorsorge trifft. In Anbetracht dieser Bewertung genügt die im Streitfall maßgebende Gesamtbetriebsvereinbarung nach Ansicht des BAG den vorbeschriebenen Umwandlungsvoraussetzungen nicht vollständig, weil die von der Beklagten aufzubringenden und auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Beiträge nicht unmittelbar in eine feststehende Betriebsrentenanwartschaft umgewandelt werden. Dies gilt unabhängig davon, dass den Arbeitnehmern ein Mindestanspruch eingeräumt wird und nur bei den Durchführungswegen Pensionskasse, Direktversicherung und Pensionsfonds eine Abhängigkeit der Versorgung von Erträgen oder Überschüssen möglich ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG), weil letztere Regelung keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann. Daraus schlussfolgert das BAG, dass der Verstoß der Gesamtbetriebsvereinbarung gegen die Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG eine Verpflichtung der Beklagten zur unmittelbaren Umwandlung eingezahlter Beiträge in feststehende Anwartschaften auslöst. Da es jedoch dem Kläger nicht um die Festschreibung von Anwartschaften durch umgewandelte Beiträge ging, betraf seine Klage einen anderen Streitgegenstand, weil er die Beklagte an dem ihm mitgeteilten Basisanspruch aus dem Jahre 2009 festhalten wollte. Es ging dem Kläger nicht um den Basisanspruch von 0,4 % der Summe seiner monatlichen pensionsfähigen Bezüge auf eine Betriebsrente, vielmehr allein darum, dass ihm nach den Vorgaben der Gesamtbetriebsvereinbarung ermittelte Überschüsse verbleiben sollten. Diese Forderung konnte er auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung gegenüber der Beklagten nicht durchsetzen. (Boe)

7.

Keine Benachteiligung wegen Behinderung bei versicherungsmathematischem Abschlag der Betriebsrente

Mit Urteil vom 13.10.2016 52 hat der 3. Senat des BAG klargestellt, dass ein versicherungsmathematischer Abschlag in Höhe von 0,4 % pro Monat bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente zulässig ist, selbst

52 3 AZR 439/15 n. v.

555

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

wenn davon schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die zugrunde liegende Versorgungsordnung diesen Kürzungstatbestand mit der vorzeitigen Inanspruchnahme verknüpft habe, also kein unmittelbarer Bezug auf die Altersrente wegen Schwerbehinderung gegeben ist. Denn damit erfasst die Regelung auch andere Arbeitnehmer, die ohne das Vorliegen einer Schwerbehinderung vorgezogene Altersrente - gekürzt oder ungekürzt – in Anspruch nehmen. Denn auch diese Arbeitnehmer müssen für den Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente eine entsprechende Kürzung hinnehmen, so dass keine Benachteiligung schwerbehinderter Menschen gegeben ist. Es gibt gar keine Arbeitnehmer, die bei vorzeitiger Inanspruchnahme ohne eine entsprechende Kürzung Betriebsrente erhalten. (Ga)

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G. Tarifrecht 1.

Schadensersatzanspruch bei unmittelbarer Betroffenheit von rechtswidrigem Arbeitskampf

In seinen Urteilen vom 25.8.20151 hatte das BAG klargestellt, dass die nur mittelbar von einem rechtswidrigen Arbeitskampf betroffenen Unternehmen keinen Schadensersatzanspruch gegen die den Arbeitskampf organisierende Gewerkschaft haben. Eine solche Betroffenheit falle nicht in den Anwendungsbereich von § 823 Abs. 1 BGB, auch wenn dieser als Rechtsgut den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfasse. Die Ablehnung des Schadensersatzanspruchs folge daraus, dass der von entsprechenden Maßnahmen betroffene Arbeitgeber – jedenfalls nach Maßgabe der gewerkschaftlichen Beschlussfassung zur Durchführung der Streikmaßnahme – nicht Ziel der Arbeitskampfmaßnahme sei, weil Arbeitsbedingungen eines anderen Arbeitgebers geregelt werden sollten. Dass die Gewerkschaft in dem der vorstehend genannten Entscheidung zugrundeliegenden Fall sehenden Auges die Betroffenheit Dritter in Kauf genommen, im Zweifel sogar beabsichtigt hatte, genügt dem 1. Senat des BAG bei dieser formalen Betrachtungsweise nicht. Insbesondere solche Unternehmen, die bei einer Arbeitskampfmaßnahme, die sich gegen Transportunternehmen oder die öffentliche Daseinsvorsorge richtet, Nachteile hinnehmen müssen, können deshalb selbst bei Rechtswidrigkeit solcher Maßnahmen keinen Schadensersatzanspruch geltend machen2. Wir hatten darüber berichtet3. Dieser Schutz vor einer Inanspruchnahme trotz Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme besteht allerdings dann nicht, wenn es um die Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs des unmittelbar von der Arbeitskampfmaßnahme betroffenen Arbeitgebers geht. Dies hat das BAG in seinem Urteil vom 26.7.20164 im Anschluss an seine frühere Rechtsprechung deutlich gemacht5.

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BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2016, 47; BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 875/13, NZA 2016, 179. Hierzu auch Bayreuther, RdA 2016, 181 ff. B. Gaul AktuellAR 2015, 556 ff. 1 AZR 160/14 n. v. Ebenso bereits BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2016, 47; BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 875/13, NZA 2016, 179.

557

Tarifrecht

In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) mit der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens – der Fraport AG – einen Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Vorfeldkontrolle und der Verkehrszentrale geschlossen, dessen Bestimmungen für die Laufzeit des Tarifvertrags nach seinen ausdrücklichen Feststellungen abschließend sein sollten. Dabei waren die Regelungen in §§ 5 – 8 des Tarifvertrags erst zum 31.12.2017 kündbar, die übrigen Regelungen konnten bereits zum 31.12.2011 gekündigt werden. Nachdem die GdF den Tarifvertrag mit Ausnahme der in §§ 5 – 8 des Tarifvertrags getroffenen Regelungen gekündigt hatte, verhandelte sie mit der Fraport AG über den Abschluss eines neuen Tarifvertrags. Eine Einigung wurde nicht erzielt. Nachdem sich die Parteien auf ein Schlichtungsverfahren verständigt hatten, endete dieses mit einer Empfehlung des Schlichters. Diese Empfehlung enthielt in Übereinstimmung mit dem Gegenstand der zuvor geführten Verhandlungen auch Ergänzungen zu dem Teil des Tarifvertrags, der zu diesem Zeitpunkt noch ungekündigt war. Die Fraport AG beschloss, diesen Vorschlag des Schlichtungsverfahrens nicht anzunehmen. Die GdF nahm dies am 15.2.2012 zum Anlass, ihre Mitglieder zu einem befristeten Streik aufzurufen. Ziel des Streiks war es, die Fraport AG zu einem Tarifvertrag entsprechend der Empfehlung des Schlichters zu zwingen. Die Fraport AG hielt dies für rechtswidrig und konnte den am 16.2.2012 begonnenen Streik aufgrund gerichtlicher Unterlassungsverfügung am 29.2.2012 beenden. Mit der jetzt beim BAG anhängigen Klage machte die Fraport AG von der GdF den Ersatz des ihr aufgrund des Streiks entstandenen Schadens geltend. Entgegen der Entscheidung der Vorinstanzen hat das BAG einen solchen Anspruch dem Grunde nach anerkannt. Nach seiner Auffassung war der von der GdF getragene, als einheitliche und unteilbare Handlung zu beurteilende Streik rechtswidrig. Er diente der Durchsetzung der schlichten Empfehlung und damit auch der Modifizierung von ungekündigten Bestimmungen des Tarifvertrags. Hinsichtlich dieser Regelungen galt zum Zeitpunkt des Arbeitskampfes noch die als Konsequenz der bestehenden tarifvertraglichen Vorgabe erweiterte Friedenspflicht. Sie verwehrte es der GdF, Änderungen mit Mitteln des Arbeitskampfs durchzusetzen. Mit überzeugender Begründung hat es der 1. Senat des BAG im Urteil vom 26.7.20166 abgelehnt, einen Schadensersatzanspruch wegen der Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens abzulehnen. Dies hatte die GdF zu

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1 AZR 160/14 n. v.

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Unzulässigkeit einer Betriebsblockade im Zuge eines Arbeitskampfes

ihrer Verteidigung geltend gemacht. Denn nach ihrer Auffassung hätte sie denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt. Nach Auffassung des BAG ist dieser Einwand unbeachtlich. Denn es hätte sich bei der Festlegung eines anderen Kampfziels nicht um denselben, sondern um einen anderen Streik gehandelt. Die Gewerkschaft kann deshalb nicht einwenden, dass die Schäden auch bei einem Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderung entstanden seien. Vielmehr ist sie der Fraport AG gegenüber aus Delikt und wegen Missachtung der aus dem Tarifvertrag folgenden Vertragspflichten zum Ersatz streikbedingter Schäden verpflichtet, soweit – was durch das Landesarbeitsgericht noch festzustellen sein wird – schuldhaftes Handeln gegeben war. Der Bewertung durch das BAG ist zuzustimmen. Andernfalls hätte es die Gewerkschaft in der Hand, nach Belieben rechtswidrige mit rechtmäßigen Zielen eines Arbeitskampfes zu verknüpfen, ohne dass die Verantwortung für die daraus folgende Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme getragen werden müsste. (Ga)

2.

Unzulässigkeit einer Betriebsblockade im Zuge eines Arbeitskampfes

Mit seinem Urteil vom 15.6.20167 hat das LAG Berlin-Brandenburg die an einem Arbeitskampf, gerichtet auf den Abschluss eines Haustarifvertrags, beteiligte Gewerkschaft im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen, die Zufahrt des Arbeitgebers durch die Streikmaßnahmen der Arbeitnehmer des Betriebs und/oder betriebsfremder Personen zur Verhinderung des Zutritts und Ausgangs von Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen zu blockieren oder blockieren zu lassen oder hierzu aufzurufen, insbesondere, in dem Streikende oder Streikposten sperrige Gegenstände in oder vor den Eingängen oder Einfahrten abstellen und/oder LKW an der Ein- oder Ausfahrt hindern, indem sie sich allein oder mit weiteren Personen vor diesen Fahrzeugen positionieren. Mit überzeugender Begründung qualifiziert das LAG Berlin-Brandenburg die Blockierung der Zufahrt zum Betrieb, insbesondere für Zulieferer und Kunden, als einen „Streikexzess”, der im Rahmen der Abwägung nicht als verhältnismäßig angesehen werden könne. Diese Bewertung war auch von

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23 SaGa 968/16 n. v.

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Unzulässigkeit einer Betriebsblockade im Zuge eines Arbeitskampfes

ihrer Verteidigung geltend gemacht. Denn nach ihrer Auffassung hätte sie denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt. Nach Auffassung des BAG ist dieser Einwand unbeachtlich. Denn es hätte sich bei der Festlegung eines anderen Kampfziels nicht um denselben, sondern um einen anderen Streik gehandelt. Die Gewerkschaft kann deshalb nicht einwenden, dass die Schäden auch bei einem Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderung entstanden seien. Vielmehr ist sie der Fraport AG gegenüber aus Delikt und wegen Missachtung der aus dem Tarifvertrag folgenden Vertragspflichten zum Ersatz streikbedingter Schäden verpflichtet, soweit – was durch das Landesarbeitsgericht noch festzustellen sein wird – schuldhaftes Handeln gegeben war. Der Bewertung durch das BAG ist zuzustimmen. Andernfalls hätte es die Gewerkschaft in der Hand, nach Belieben rechtswidrige mit rechtmäßigen Zielen eines Arbeitskampfes zu verknüpfen, ohne dass die Verantwortung für die daraus folgende Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme getragen werden müsste. (Ga)

2.

Unzulässigkeit einer Betriebsblockade im Zuge eines Arbeitskampfes

Mit seinem Urteil vom 15.6.20167 hat das LAG Berlin-Brandenburg die an einem Arbeitskampf, gerichtet auf den Abschluss eines Haustarifvertrags, beteiligte Gewerkschaft im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen, die Zufahrt des Arbeitgebers durch die Streikmaßnahmen der Arbeitnehmer des Betriebs und/oder betriebsfremder Personen zur Verhinderung des Zutritts und Ausgangs von Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen zu blockieren oder blockieren zu lassen oder hierzu aufzurufen, insbesondere, in dem Streikende oder Streikposten sperrige Gegenstände in oder vor den Eingängen oder Einfahrten abstellen und/oder LKW an der Ein- oder Ausfahrt hindern, indem sie sich allein oder mit weiteren Personen vor diesen Fahrzeugen positionieren. Mit überzeugender Begründung qualifiziert das LAG Berlin-Brandenburg die Blockierung der Zufahrt zum Betrieb, insbesondere für Zulieferer und Kunden, als einen „Streikexzess”, der im Rahmen der Abwägung nicht als verhältnismäßig angesehen werden könne. Diese Bewertung war auch von

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23 SaGa 968/16 n. v.

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Tarifrecht

anderen Instanzgerichten vertreten worden8. In welcher Weise die Gewerkschaft hier durch Personen, Plastikbänder, Biertische und sonstige Gegenstände die Zufahrt blockiert hatte, war durch den Arbeitgeber mit Hilfe von Fotos und eidesstattlichen Versicherungen sehr anschaulich glaubhaft gemacht worden. Wichtig ist allerdings, dass auch das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil Betriebsblockaden nicht ausnahmslos für unzulässig kennzeichnen will. Das folgt aus dem Umstand, dass es die hier in Rede stehende Blockade ausdrücklich von Fällen abgrenzen will, in denen eine zeitweise Blockierung der Zufahrt von Arbeitnehmern zum Zwecke der Einflussnahme auf diese in Betracht kommen könne. Denn in dem seiner Entscheidung zugrundliegenden Fall sei es ausschließlich um die Behinderung bzw. Verhinderung der Zufahrt zum Betrieb und der Ausfahrt aus dem Betrieb für diejenigen Personengruppen gegangen, die gerade nicht Arbeitnehmer des Betriebs seien. Hinsichtlich der Lieferanten, um deren LKW es im Antrag gegangen sei, könne auch eine vorübergehende Blockierung der Zufahrt nicht durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden9. Unabhängig davon stellt sich natürlich die Frage, ob diese im Ergebnis überzeugenden Feststellungen in einem etwaigen Hauptsacheverfahren durch das BAG bestätigt würden. Zweifel im Hinblick darauf bestehen jedenfalls insoweit, als das BAG mit Urteil vom 22.9.200910 sogar einen Flashmob als zulässige Arbeitskampfmaßnahme gekennzeichnet hat. Dies gilt nach seinen Feststellungen selbst dann, wenn die Aktion nicht nur durch Arbeitnehmer, sondern durch Freunde und Verwandte – also Betriebsfremde – ausgeübt wird und schlussendlich eine Behinderung und Schädigung des Arbeitgebers in Bezug auf die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit auslösen soll. Denn in dem zugrundeliegenden Fall hatten die am Flashmob beteiligten Personen im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf im Einzelhandel ein Geschäft im Berliner Hauptbahnhof aufgesucht und dort Einkaufswagen bis zum Rand mit Kleinstgegenständen gefüllt und diese entweder stehen gelassen oder nach dem Entladen an der Kasse den Kaufvorgang mit der Begründung abgebrochen, dass sie ihr Geld bedauerlicherweise vergessen hätten. Faktisch bewirkt auch dies eine Blockade, weil andere Kunden in diesem Zeitraum gehindert sind, ihren Kaufvorgang abzuschließen.

8

LAG Hamburg v. 6.2.2013 – 5 SaGa 1/12 n. v. Rz. 36; LAG Hessen v. 17.9.2008 – 9 SaGa 1443/08, AuR 2009, 141 Rz. 24. 9 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 15.6.2016 – 23 SaGa 968/16 n. v. Rz. 35 ff., 38; LAG Hamburg v. 6.2.2013 – 5 SaGa 1/12 n.v. Rz. 43 ff. 10 1 AZR 972/08, NZA 2009, 1347.

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Wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit

Ob das LAG Berlin-Brandenburg von dieser Rechtsprechung abweichen wollte, ist nicht erkennbar. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung des BAG ist nicht erfolgt. (Ga)

3.

Wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit

In der Vergangenheit hatten wir mehrfach die Frage behandelt, ob und inwieweit, auch unter Berücksichtigung der Schranken einer AGB-Kontrolle, von Arbeitsverträgen in wirksamer Weise auf die Tarifverträge der Zeitarbeit Bezug genommen werden kann. Eine solche Bezugnahme ist außerhalb der gesetzlichen Tarifbindung notwendig, um das Equal-Treatment bzw. EqualPay-Gebot auszuschließen bzw. – wenn man die Änderungen der AÜGReform berücksichtigt11 – für eine bestimmte Dauer zu verhindern12. Grundsätzlich ist die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zulässig. Sie kann auch zeitdynamisch erfolgen, ohne dass dies im Widerspruch zu § 307 Abs. 1 S. 2 BGB steht. Darauf hatte das BAG bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen und es überwiegend mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB) gerechtfertigt13. Problematisch an einer solchen Bezugnahme im Bereich der Zeitarbeit ist der Umstand, dass die entsprechenden Tarifwerke zwischen iGZ und BAP auf der einen Seite und den DGB-Gewerkschaften auf der anderen Seite typischerweise in einer Urkunde zusammengefasst werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ergänzend hierzu branchenbezogene Besonderheiten – insbesondere Branchenzuschläge – geregelt werden. Würde man annehmen, dass es sich aufgrund dieser Zusammenfassung um einen einheitlichen Tarifvertrag14 handelt, wäre die entsprechende Bezugnahme auf die Tarifverträge zwischen einem der beiden Verbände und den verschiedenen DGBGewerkschaften im Zweifel wirksam. Dass nicht jede Gewerkschaft für den jeweiligen Einsatzbetrieb des Leiharbeitnehmers zuständig wäre, würde dadurch gelöst, dass jedenfalls eine der am Abschluss dieses einheitlichen

11 12 13 14

Vgl. hierzu B. Gaul AktuellAR 2016, 321, 326 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 463 f.; 2015, 566 f. BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 831/09, NZA 2012, 396 Rz. 27. So Beispielsweise LAG Sachsen-Anhalt v. 28.6.2016 – 2 Sa 421/15 n. v. Rz. 61; LAG München v. 17.9.2015 – 4 Sa 997/14 n. v. Rz. 39; LAG Düsseldorf v. 29.10.2014 – 7 Sa 1053/13 n. v. Rz. 62; Müntefering, NZA 2015, 711 ff.; Schüren, NZA 2013, 948, 952; ablehnend LAG Nürnberg v. 4.6.2013 – 22 Sa 73/12 n. v. Rz. 34.

561

Wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit

Ob das LAG Berlin-Brandenburg von dieser Rechtsprechung abweichen wollte, ist nicht erkennbar. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung des BAG ist nicht erfolgt. (Ga)

3.

Wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit

In der Vergangenheit hatten wir mehrfach die Frage behandelt, ob und inwieweit, auch unter Berücksichtigung der Schranken einer AGB-Kontrolle, von Arbeitsverträgen in wirksamer Weise auf die Tarifverträge der Zeitarbeit Bezug genommen werden kann. Eine solche Bezugnahme ist außerhalb der gesetzlichen Tarifbindung notwendig, um das Equal-Treatment bzw. EqualPay-Gebot auszuschließen bzw. – wenn man die Änderungen der AÜGReform berücksichtigt11 – für eine bestimmte Dauer zu verhindern12. Grundsätzlich ist die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zulässig. Sie kann auch zeitdynamisch erfolgen, ohne dass dies im Widerspruch zu § 307 Abs. 1 S. 2 BGB steht. Darauf hatte das BAG bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen und es überwiegend mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB) gerechtfertigt13. Problematisch an einer solchen Bezugnahme im Bereich der Zeitarbeit ist der Umstand, dass die entsprechenden Tarifwerke zwischen iGZ und BAP auf der einen Seite und den DGB-Gewerkschaften auf der anderen Seite typischerweise in einer Urkunde zusammengefasst werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ergänzend hierzu branchenbezogene Besonderheiten – insbesondere Branchenzuschläge – geregelt werden. Würde man annehmen, dass es sich aufgrund dieser Zusammenfassung um einen einheitlichen Tarifvertrag14 handelt, wäre die entsprechende Bezugnahme auf die Tarifverträge zwischen einem der beiden Verbände und den verschiedenen DGBGewerkschaften im Zweifel wirksam. Dass nicht jede Gewerkschaft für den jeweiligen Einsatzbetrieb des Leiharbeitnehmers zuständig wäre, würde dadurch gelöst, dass jedenfalls eine der am Abschluss dieses einheitlichen

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Vgl. hierzu B. Gaul AktuellAR 2016, 321, 326 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 463 f.; 2015, 566 f. BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 831/09, NZA 2012, 396 Rz. 27. So Beispielsweise LAG Sachsen-Anhalt v. 28.6.2016 – 2 Sa 421/15 n. v. Rz. 61; LAG München v. 17.9.2015 – 4 Sa 997/14 n. v. Rz. 39; LAG Düsseldorf v. 29.10.2014 – 7 Sa 1053/13 n. v. Rz. 62; Müntefering, NZA 2015, 711 ff.; Schüren, NZA 2013, 948, 952; ablehnend LAG Nürnberg v. 4.6.2013 – 22 Sa 73/12 n. v. Rz. 34.

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Tarifrecht

Tarifvertrags beteiligten Gewerkschaft eine entsprechende Zuständigkeit aufgrund ihrer Satzung besitzt. Mit wohl überzeugenderer Begründung ist allerdings davon auszugehen, dass es sich trotz dieser Zusammenfassung in einer Urkunde um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag handelt. Konsequenz dieser Auffassung ist, dass die Urkunde im Grunde mehrere Tarifverträge enthält, die trotz körperlicher Zusammenfassung jeweils eigenständig zu behandeln sind. Dies betrifft dann auch die arbeitsvertragliche Bezugnahme. Denn bei der Annahme eines mehrgliedrigen Tarifvertrags15 muss der Arbeitsvertrag zur Gewährleistung seiner Transparenz erkennen lassen, welcher konkrete Tarifvertrag der Tarifvertragssammlung zu welchem Zeitpunkt auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer zur Anwendung kommen soll16. In seinem Urteil vom 2.3.201617 lässt das LAG Rheinland-Pfalz zwar offen, ob es sich der Auffassung anschließen will, dass es sich bei den zwischen iGZ und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossenen Tarifverträgen um mehrgliedrige Tarifverträge handele. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel18 nicht nur transparent formuliert sei, sondern im Hinblick auf die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Leiharbeitnehmers auch Kollisionsnormen enthalte, die zur Anwendung unterschiedlicher (jeweils einschlägiger) Tarifverträge führten. In dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien im Arbeitsvertrag auszugsweise folgende Regelung getroffen: … 2. Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bestimmen sich nach den Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, die der Arbeitgeberverband iGZ mit einer oder mehrerer der Gewerkschaften IG BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG Bau, GdB, EVG abgeschlossen hat oder zukünftig abschließen wird. Die Tarifverträge liegen zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen aus. Es finden dabei nicht sämtliche von der iGZ abgeschlossenen Tarifverträge gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, sondern nur die einschlägigen Tarifverträge nach der in den Absätzen 3 bis 5 genannten Maßgabe. 15 So bspw. BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 30; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 229/07, ZTR 2008, 615 Rz. 20; BAG v. 8.11.2006 – 4 AZR 590/05, NZA 2007, 576 Rz. 23; LAG Hessen v. 4.9.2014 – 9 TaBV 91/14 n. v. Rz. 55, das allerdings von einem mehrgliedrig-einheitlichen „Tarifvertrag” ausgehen will. 16 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 30. 17 7 Sa 352/15 n. v. Rz. 69 ff. 18 Vertiefend hierzu: Wiedemann, BB 2016, 1400 ff.; Scharff, DB 2016, 1315 ff.

562

Wirksame arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit

3. Es finden jeweils diejenigen der in Absatz 2 genannten Tarifverträge Anwendung, in denen die Gewerkschaft, aus deren Satzung sich die Zuständigkeit für den zugewiesenen Kundenbetrieb ergibt, als Vertragspartei beteiligt ist. Soweit nach dem Vorstehenden die satzungsgemäße Zuständigkeit mehrerer Gewerkschaften begründet ist, finden die Tarifverträge mit derjenigen in Absatz 2 genannten zuständigen Gewerkschaft Anwendung, die im Verhältnis zu der oder den anderen zuständigen Gewerkschaft/Gewerkschaften in Absatz 2 zuerst genannt wird. 4. Bis zum Beginn des ersten Einsatzes finden diejenigen mit dem iGZ abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung, an denen ver.di als Vertragspartei beteiligt ist. Ab Beginn des ersten Einsatzes gelten diejenigen nach Maßgabe des Absatzes 3 ermittelten Tarifverträge solange, bis ein anderer Einsatz beginnt. 5. Soweit der Arbeitnehmer in einen Kundenbetrieb überlassen wird, für den sich keine satzungsgemäße Zuständigkeit für den jeweiligen Kundenbetrieb ergibt, finden diejenigen mit dem iGZ abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung, an denen ver.di als Vertragspartei beteiligt ist. 6. Die Parteien vereinbaren, dass die Bestimmungen der vorgenannten Tarifverträge den Abreden dieses Arbeitsvertrags vorgehen, dies gilt nicht, soweit diese Tarifverträge eine Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ergibt. 7. Die tarifvertragliche Inbezugnahme gilt ausdrücklich nicht für die Geltung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen, die sich ausnahmslos und unabhängig von anderslautenden tarifvertraglichen Regelungen aus § 19 dieses Arbeitsvertrags ergeben.

Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg war diese Regelung umfassend, weil sie alle denkbaren Konstellationen regelt. Sie sei darüber hinaus transparent, weil der Arbeitnehmer in der Lage sei, sich mit dem Arbeitsvertrag und durch ergänzende Einsichtnahme in die dort genannten Tarifverträge Kenntnis davon zu verschaffen, welcher Tarifvertrag kraft dieser Vereinbarung zur Anwendung kommen sollte. Eine solche Kollisionsregel hatte das BAG in seinem Urteil vom 13.3.201319 ausdrücklich für möglich gehalten. Die Notwendigkeit einer entsprechenden Differenzierun, nach dem für den Einsatzbetrieb geltenden Tarifvertrag, folgt im Übrigen auch aus dem Umstand, dass Abweichungen vom Equal-Pay-Gebot in den Branchenzu19 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 27.

563

Tarifrecht

schlagstarifverträgen sowie § 8 Abs. 4 S. 2 AÜG in der ab dem 1.4.2017 geltenden Fassung auf die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche abstellen. Hinzukommt, dass auch ein vom Equal-Treatment-Gebot abweichendes Gebot nach § 9 Nr. 2 AÜG bzw. § 8 Abs. 2 AÜG in der seit dem 1.4.2017 geltenden Fassung nur durch eine Bezugnahme auf Tarifverträge erfolgen kann, in deren Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Sie zeigt aber, wie wichtig es ist, gerade im Bereich der Zeitarbeit eine auf die konkreten Einsatzmöglichkeiten abgestimmte Bezugnahmeklausel20 zu verwenden, um wirksam ein abweichend vom Equal-Pay bzw. Equal-Treatment-Gebot durchzusetzen. (Ga)

20 Vertiefend hierzu: Wiedemann, BB 2016, 1400 ff.; Scharff, DB 2016, 1315 ff.

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H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.

Arbeitsgerichtliche Erleichterung für Arbeitgeber bei der Abwehr von Unterlassungsverfügungen des Betriebsrats durch das elektronische zentrale Schutzschriften Register (ZSSR)

Durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 1 (FördElRV) ist mit Wirkung vom 1.1.2016 die Neuregelung des § 945 a ZPO (Einreichung von Schutzschriften) in Kraft getreten 2. Die jetzige Fassung von § 945 a ZPO beruht auf dem Gesetz vom 20.11.2015 3. Nach § 945 a Abs. 1 ZPO führt die Landesjustizverwaltung Hessen für die Länder ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister)ein. In § 945 a Abs. 1 S. 2 ZPO definiert der Gesetzgeber den Begriff der Schutzschriften. Danach sind Schutzschriften vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung. Eine Schutzschrift gilt gem. § 945 a Abs. 2. S. 1 ZPO als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie in das Schutzschriftenregister eingestellt ist. S. 2 des § 94 a Abs. 2 ZPO sieht vor, dass Schutzschriften sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen sind. Nach § 945 a Abs. 3 S. 1 ZPO erhalten die Gerichte Zugriff auf das Register über ein automatisiertes Abrufverfahren. Nach S. 2 dieses Absatzes ist die Verwendung der Daten auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken. S. 3 des § 945 a Abs. 3 schreibt vor, dass Abrufvorgänge zu protokollieren sind. Bereits zuvor ist am 1.7.2014 der § 945 b ZPO (Verordnungsermächtigung) in Kraft getreten, wonach das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Führung des Registers, über die Einreichung von Schutzschriften zum Register, über den Abruf von Schutzschriften aus dem Register sowie über die Einzelheiten der Datenübermittlung und -speicherung sowie der Datensicherheit und der Barriere-

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BGBl. I 2013, 3786. Eingehend hierzu: Tiedemann, ArbRB 2016, 220 ff. Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften v. 20.11.2015, BGBl. I 2015, 2018.

565

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

freiheit zu treffen hat. Davon ist in Gestalt der Schutzschriftenregisterverordnung (SRV) vom 24.11.2015 4 Gebrauch gemacht worden, die mit Wirkung vom 1.1.2016 anwendbar ist. Die Vorschrift des § 945 a ZPO ist über § 62 Abs. 2 S. 3 und § 85 Abs. 2 S. 3 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren seit dem 1.1.2016 anwendbar (Art. 3 Nr. 6 und 7 i. V. m. Art. 26 Abs. 5 FördElRV). Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945 a Abs. 1 ZPO eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht. Durch Art. 7 Nr. 4 FördElRV ist § 49 c in die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) eingefügt worden, wonach ab dem 1.1.2017 ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, Schutzschriften ausschließlich zum Schutzschriftenregister nach § 945 a ZPO einzureichen (Art. 26 Abs. 6 FördElRV). Die Landesjustizverwaltung Hessen hat für die Länder ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister) eingerichtet; die konkreten Bedingungen sind im Internet einsehbar 5. Über diese Webseite können durch Ausfüllen eines abrufbaren Formulars auf elektronischem Wege Schutzschriften beim ZSSR eingereicht werden. Nach der bisherigen Rechtslage hatte die sogenannte Schutzschrift keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erfahren. Sie wurde jedoch aufgrund des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) anerkannt mit der Maßgabe, dass die Gerichte verpflichtet waren, die ihnen zur Kenntnis gebrachten Schutzschriften vor Erlass einer einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen 6. Das Institut der Schutzschrift hat sich deshalb herausgebildet, weil das Gericht der Hauptsache die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung in dringenden Fällen auch ohne mündliche Verhandlung treffen kann (§§ 937 Abs. 2 ZPO, 62 Abs. 2, 85 Abs. 2 ArbGG). Dies gilt auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist. Entscheidet das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung, erfolgt dies durch Beschluss, den der Vorsitzende der Kammer gemäß § 53 Abs. 1 ArbGG allein erlässt. Demgegenüber sieht § 85 Abs. 2 ArbGG vor, dass im Beschlussverfahren auch bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung stets die Kammer des Arbeitsgerichts zu entscheiden hat. In der Praxis erwies sich die bisherige Handhabung der Hinterlegung der Schutzschrift nicht nur in Wettbewerbssachen als problematisch, weil mög4 5 6

BGBl. I 2015, 2135. https://schutzschriftenregister.hessen.de. BGH v. 13.2.2003 – I ZB 23/02, NJW, 2003, 1257 Rz. 9.

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Erleichterung für Arbeitgeber bei der Abwehr von Unterlassungsverfügungen

licherweise mehrere Gerichte für die Durchführung des einstweiligen Verfügungsverfahrens in Betracht kamen (fliegender Gerichtsstand), sondern auch bei der Arbeitsgerichtsbarkeit, wenn etwa – wie bei dem Arbeitsgericht Berlin – zahlreiche Kammern (in Berlin über 70) mit einer einstweiligen Verfügung befasst sein konnten. Vorsorglich mussten dann unter Umständen für alle Kammern Schutzschriften bei dem Arbeitsgericht hinterlegt werden. Die Neuregelung schafft hier eine deutliche Erleichterung, weil nur ein einziges elektronisches Dokument nach § 2 Abs. 1 SRV eingereicht werden muss. Allerdings ist das elektronische Dokument, das die Schutzschrift enthält, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person zu versehen (§ 2 Abs. 4 SRV) oder auf einem sicheren Weg zu übermitteln, der in Alternativen in § 2 Abs. 5 SRV näher beschrieben wird. Die Schutzschrift muss mindestens die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SRV aufgeführten Angaben enthalten, wozu die Bezeichnung der Parteien und die bestimmte Angabe des Gegenstands gehören. Außerdem sind das Datum und die Uhrzeit der Einstellung der Schutzschrift anzugeben. Eine dem Register elektronisch übermittelte Schutzschrift ist unverzüglich nach ihrer ordnungsgemäßen Einreichung zum elektronischen Abruf und Ausdruck in das Register einzustellen (§ 3 Abs. 1 SRV). Die beim zentralen Schutzschriftenregister nach § 945 a ZPO eingereichte Schutzschrift gilt nach § 945 a Abs. 2 S.1 ZPO mit der Einstellung in das Schutzschriftenregister als bei allen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten der Länder eingereicht. Der Abruf des Registers ist nur den zuständigen Gerichten der Länder in elektronischer Form zur Nutzung in anhängigen Verfahren gestattet (§ 4 Abs. 2 S.1 SRV). Jeder Abruf ist unter Angabe des Gerichts, des gerichtlichen Aktenzeichens des Zeitpunkts des Abrufs, des Ergebnisses der Suchanfrage und der übermittelten Daten elektronisch zu protokollieren und das Protokoll elektronisch an das abrufende Gericht zu übersenden (§ 5 Abs. 1 SRV). Schutzschriften werden sechs Monate nach ihrer Einstellung gelöscht (§ 6 Abs. 1 SRV). Die Gebühr für die Einstellung einer Schutzschrift beträgt 83,- € (§ 1 Nr. 5 a Justizverwaltungskostengesetz Nr. 1160 KV GKG). Die Gebühr für die Einstellung einer Schutzschrift schuldet derjenige, der die Schutzschrift eingereicht hat (§ 15 a Justizverwaltungskostengesetz). Einstweilige Verfügungsverfahren können im Arbeitsrecht zur Durchsetzung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers, bei der Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht gemäß § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG, im Falle der Urlaubsgewährung, bei Wettbewerbsverboten (Unter567

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

lassungsverfügung), in besonderem Maße im Arbeitskampf, aber auch für eine Unterlassungsverfügung des Betriebsrats gegen eine Betriebsänderung eine Rolle spielen. (Boe)

2.

Bildung eines Wirtschaftsausschusses im Gemeinschaftsbetrieb

Es entspricht ganz herrschender Auffassung in Literatur 7 und bisheriger Rechtsprechung 8, dass auch in einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen durch den dort bestehenden Betriebsrat ein Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG gebildet werden kann. Nicht erforderlich dafür sei, dass jedes der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen ständig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftige. Vielmehr genüge es, wenn in diesem Betrieb insgesamt der Schwellenwert des § 106 BetrVG erreicht werde. Insoweit erfolge also eine wechselseitige Zurechnung der im gemeinsamen Betrieb durch die verschiedenen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Konsequenz sei, dass bei einem Überschreiten des Schwellenwerts durch den Betriebsrat ein Wirtschaftsausschuss gebildet würde, der für die in § 106 BetrVG genannten Angelegenheiten jedes einzelnen Unternehmens zuständig sei. Unerheblich dabei sei, welchem Unternehmen die in den Wirtschaftsausschuss bestellten Arbeitnehmer angehörten. Bislang ist von den vorstehenden Grundsätzen nicht nur dann ausgegangen worden, wenn erst durch das Zusammenrechnen der in den beteiligten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer insgesamt ständig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Vielmehr ist die Bildung eines Wirtschaftsausschusses mit unternehmensübergreifender Zuständigkeit auch dann für zulässig gehalten worden, wenn der Schwellenwert bereits durch ein einziges Unternehmen, dessen Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb eingesetzt werden, überschritten wurde. Möglicherweise wird sich diese einheitliche Bewertung im Anschluss an die Feststellungen des BAG im Beschluss vom 22.3.2016 9 ändern. In dieser Entscheidung ging es neben prozessualen und insolvenzrechtlichen Fragen streitentscheidend auch darum, unter welchen Voraussetzungen durch den verfahrensbeteiligten Betriebsrat, der in einem gemeinsamen Betrieb mehre-

7 8 9

Vgl. Fitting, BetrVG § 106 Rz. 18; Wlotzke/Preis, BetrVG § 106 Rz. 3; krit. Richardi/Annuß, BetrVG § 106 Rz. 8. BAG v. 1.8.1995 – 7 ABR 91/88, NZA 1991, 643 f. 1 ABR 10/14, NZA 2016, 969 Rz. 11 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

lassungsverfügung), in besonderem Maße im Arbeitskampf, aber auch für eine Unterlassungsverfügung des Betriebsrats gegen eine Betriebsänderung eine Rolle spielen. (Boe)

2.

Bildung eines Wirtschaftsausschusses im Gemeinschaftsbetrieb

Es entspricht ganz herrschender Auffassung in Literatur 7 und bisheriger Rechtsprechung 8, dass auch in einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen durch den dort bestehenden Betriebsrat ein Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG gebildet werden kann. Nicht erforderlich dafür sei, dass jedes der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen ständig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftige. Vielmehr genüge es, wenn in diesem Betrieb insgesamt der Schwellenwert des § 106 BetrVG erreicht werde. Insoweit erfolge also eine wechselseitige Zurechnung der im gemeinsamen Betrieb durch die verschiedenen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Konsequenz sei, dass bei einem Überschreiten des Schwellenwerts durch den Betriebsrat ein Wirtschaftsausschuss gebildet würde, der für die in § 106 BetrVG genannten Angelegenheiten jedes einzelnen Unternehmens zuständig sei. Unerheblich dabei sei, welchem Unternehmen die in den Wirtschaftsausschuss bestellten Arbeitnehmer angehörten. Bislang ist von den vorstehenden Grundsätzen nicht nur dann ausgegangen worden, wenn erst durch das Zusammenrechnen der in den beteiligten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer insgesamt ständig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Vielmehr ist die Bildung eines Wirtschaftsausschusses mit unternehmensübergreifender Zuständigkeit auch dann für zulässig gehalten worden, wenn der Schwellenwert bereits durch ein einziges Unternehmen, dessen Arbeitnehmer im gemeinsamen Betrieb eingesetzt werden, überschritten wurde. Möglicherweise wird sich diese einheitliche Bewertung im Anschluss an die Feststellungen des BAG im Beschluss vom 22.3.2016 9 ändern. In dieser Entscheidung ging es neben prozessualen und insolvenzrechtlichen Fragen streitentscheidend auch darum, unter welchen Voraussetzungen durch den verfahrensbeteiligten Betriebsrat, der in einem gemeinsamen Betrieb mehre-

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Vgl. Fitting, BetrVG § 106 Rz. 18; Wlotzke/Preis, BetrVG § 106 Rz. 3; krit. Richardi/Annuß, BetrVG § 106 Rz. 8. BAG v. 1.8.1995 – 7 ABR 91/88, NZA 1991, 643 f. 1 ABR 10/14, NZA 2016, 969 Rz. 11 ff.

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Bildung eines Wirtschaftsausschusses im Gemeinschaftsbetrieb

rer Unternehmen gebildet worden war, ein Wirtschaftsausschuss gemäß § 103 BetrVG errichtet werden konnte. In dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall waren in dem gemeinsamen Betrieb insgesamt etwa 460 Arbeitnehmer beschäftigt. Etwa 400 Arbeitnehmer standen dabei in einem Arbeitsverhältnis zu A, die übrigen wurden durch B beschäftigt. A war alleinige Anteilsinhaberin von B. Fraglich war nun, ob der Betriebsrat des gemeinsamen Betriebs einen Wirtschaftsausschuss nur für A oder – weil grundsätzlich eine wechselseitige Zurechnung der Arbeitnehmer erfolgen sollte – auch bei B bilden konnte. Das BAG hat die Bildung eines Wirtschaftsausschusses bei der B, die nur mit etwa 60 Arbeitnehmern im gemeinsamen Betrieb vertreten war, abgelehnt 10. Dabei hat es zwar zunächst einmal bestätigt, dass von einer Gesetzeslücke auszugehen sei, wenn ein einheitlicher Betrieb mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen zuzuordnen sei, bei denen jeweils für sich die Anforderungen an die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach § 106 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht erfüllt seien 11. Dies führe im Hinblick auf den Zweck der §§ 106 ff. BetrVG zu deren entsprechender Anwendung und zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses bei den am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen. An einer planwidrigen Gesetzeslücke fehle es aber, wenn – so das BAG – von einem herrschenden Unternehmen sowie einem in seinem alleinigen Eigentum stehenden abhängigen Unternehmen (§ 17 Abs. 1 AktG) ein Gemeinschaftsbetrieb geführt werde 12 und die Voraussetzungen zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses nach § 106 Abs. 1 S. 1 BetrVG allein beim herrschenden Unternehmen vorlägen. Denn dieses sei aufgrund seines beherrschenden Einflusses auf das abhängige Unternehmen (§ 17 Abs. 1 AktG) zugleich in der Lage, den bei ihm gebildeten Wirtschaftsausschuss auch über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des in seinem Eigentum stehenden abhängigen Unternehmens zu unterrichten, weil es dieses bestimme. Damit sei die über den Wirtschaftsausschuss vermittelte Unterrichtung des Betriebsrats auch in den wirtschaftlichen Angelegenheiten des abhängigen Unternehmens gewährleistet. Hiervon ausgehend war in dem streitgegenständlichen Fall bei B kein Wirtschaftsausschuss zu bilden.

10 BAG v. 22.03.2016 – 1 ABR 10/14, NZA 2016, 969 f Rz. 11 ff. 11 Ebenso BAG v. 1.8.1990 – 7 ABR 91/88, NZA 1991, 643 f. 12 A. A. GK BetrVG/Oetker, § 106 Rz. 39; Fitting, BetrVG § 106 Rz. 18.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Es erscheint zweifelhaft, ob die durch das BAG entwickelten Kriterien rechtfertigen, die bisherige Bewertung zur Bildung eines Wirtschaftsausschusses im gemeinsamen Betrieb aufzugeben. Zum einen bleibt im Rahmen der Begründung durch das BAG unberücksichtigt, dass der Wirtschaftsausschuss auch in Angelegenheiten zuständig ist, die die Struktur des Betriebs in seiner Gesamtheit betreffen. Damit sind seine Unterrichtungs- und Beratungsansprüche auch auf die Wahrnehmung von Interessen solcher Arbeitnehmer gerichtet, die in Unternehmen mit insgesamt nicht mehr als 100 Arbeitnehmern tätig sind. Wenn in einem gemeinsamen Betrieb insgesamt mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind, erscheint es dann aber auch geboten, dass sich ein Wirtschaftsausschuss mit allen Unternehmen beraten kann, die die insoweit verantwortliche Entscheidung treffen. Zum anderen aber wirft die Entscheidung des BAG vom 22.3.2016 13 die Frage auf, wie ein gemeinsamer Betrieb von Holding und Tochtergesellschaft zu behandeln ist, wenn in der Holding weniger als 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind, insgesamt im gemeinsamen Betrieb der Schwellenwert des § 106 BetrVG indes überschritten wird. Versteht man die Kriterien des BAG als kumulative Voraussetzungen, um eine planwidrige Gesetzeslücke abzulehnen, wäre in dieser Fallkonstellation in Übereinstimmung mit der bislang herrschenden Meinung ein Wirtschaftsausschuss für beide Unternehmen zu bilden. Denn die Tochtergesellschaft, bei der durch den Betriebsrat aufgrund der dort beschäftigten Arbeitnehmer eigenständig ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden könnte, besitzt keinen beherrschenden Einfluss auf die Holding und ist deshalb auch nicht in der Lage, mit einem bei ihr gebildeten Wirtschaftsausschuss über wirtschaftliche Angelegenheiten der Holding Gesellschaft zu beraten. Das Gleiche gilt dann, wenn Schwestergesellschaften eines Konzerns oder Unternehmens, die in keiner Konzernbindung bestehen, einen gemeinsamen Betrieb bilden. Verlangt man für die isolierte Bildung eines Wirtschaftsausschusses allein bei dem Unternehmen eines gemeinsamen Betriebs, das selbst mehr als 100 Arbeitnehmer ständig beschäftigt, einen herrschenden Einfluss auf die übrigen Unternehmen, die am gemeinsamen Betrieb beteiligt sind, müsste in den letztgenannten Fällen jeweils ein Wirtschaftsausschuss bei allen Unternehmen gebildet werden, die am gemeinsamen Betrieb beteiligt sind. Unabhängig davon wirft die Entscheidung des BAG vom 22.3.2016 14 ergänzende Fragen in Bezug auf die Konsequenzen für die Unternehmensmitbe13 1 ABR 10/14, NZA 2016, 969 Rz. 11 ff. 14 1 ABR 10/14, NZA 2016, 969 Rz. 11 ff.

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Kein Konzernbetriebsrat bei Sitz der Konzernobergesellschaft im Ausland

stimmung auf. Denn auch hier war man bislang ganz überwiegend davon ausgegangen, dass bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Anwendbarkeit des Drittelbeteiligungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes jeweils eine wechselseitige Zurechnung der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu erfolgen habe 15. Hiervon wäre auf der Grundlage der jetzt vom BAG vertretenen Auffassung aber Abstand zu nehmen, wenn am gemeinsamen Betrieb auch die Holding beteiligt wäre und ihr nach den unterschiedlichen Vorgaben im Mitbestimmungsgesetz bzw. Drittelbeteiligungsgesetz ohnehin auch die Arbeitnehmer der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Tochtergesellschaften zugerechnet werden müssen. Ausgehend davon, dass dann im Aufsichtsrat der Holding über die Überwachung der Beteiligungsverantwortung auch die Interessen von Arbeitnehmern der Tochtergesellschaft(en) berücksichtigt werden, würde man in den Tochtergesellschaften eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat nur noch nach den jeweils in den einzelnen Unternehmen selbst beschäftigten Arbeitnehmern vornehmen. Dies könnte zum Wegfall einer solchen Arbeitnehmerbeteiligung, jedenfalls aber zu einem Wechsel von der paritätischen Mitbestimmung zur Drittelbeteiligung, führen. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG in künftigen Entscheidungen die jetzt nur außerordentlich kurz begründete Rechtsprechungsänderung in ihren Konsequenzen noch einmal behandeln und vielleicht auch kritisch bewerten wird. Die Praxis muss dies im Auge behalten, zumal die Errichtung von Wirtschaftsausschüssen und die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat durchaus mit zusätzlichen Kosten und einem erhöhtem Aufwand bei der Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen verbunden sind. (Ga)

3.

Kein Konzernbetriebsrat bei Sitz der Konzernobergesellschaft im Ausland

Gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG kann für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die Errichtung erfordert die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mehr als 50 % der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind. Besteht in einem Konzernunternehmen nur ein Betriebsrat, so nimmt dieser die Aufgaben eines Gesamtbetriebsrats wahr (§ 54 Abs. 2 BetrVG).

15 HWK/Seibt, MitbG § 1 Rz. 11; WWKK/Koberski, MitbG § 3 Rz. 42 ff.

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Kein Konzernbetriebsrat bei Sitz der Konzernobergesellschaft im Ausland

stimmung auf. Denn auch hier war man bislang ganz überwiegend davon ausgegangen, dass bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Anwendbarkeit des Drittelbeteiligungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes jeweils eine wechselseitige Zurechnung der im gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu erfolgen habe 15. Hiervon wäre auf der Grundlage der jetzt vom BAG vertretenen Auffassung aber Abstand zu nehmen, wenn am gemeinsamen Betrieb auch die Holding beteiligt wäre und ihr nach den unterschiedlichen Vorgaben im Mitbestimmungsgesetz bzw. Drittelbeteiligungsgesetz ohnehin auch die Arbeitnehmer der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Tochtergesellschaften zugerechnet werden müssen. Ausgehend davon, dass dann im Aufsichtsrat der Holding über die Überwachung der Beteiligungsverantwortung auch die Interessen von Arbeitnehmern der Tochtergesellschaft(en) berücksichtigt werden, würde man in den Tochtergesellschaften eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat nur noch nach den jeweils in den einzelnen Unternehmen selbst beschäftigten Arbeitnehmern vornehmen. Dies könnte zum Wegfall einer solchen Arbeitnehmerbeteiligung, jedenfalls aber zu einem Wechsel von der paritätischen Mitbestimmung zur Drittelbeteiligung, führen. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG in künftigen Entscheidungen die jetzt nur außerordentlich kurz begründete Rechtsprechungsänderung in ihren Konsequenzen noch einmal behandeln und vielleicht auch kritisch bewerten wird. Die Praxis muss dies im Auge behalten, zumal die Errichtung von Wirtschaftsausschüssen und die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat durchaus mit zusätzlichen Kosten und einem erhöhtem Aufwand bei der Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen verbunden sind. (Ga)

3.

Kein Konzernbetriebsrat bei Sitz der Konzernobergesellschaft im Ausland

Gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG kann für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die Errichtung erfordert die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mehr als 50 % der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind. Besteht in einem Konzernunternehmen nur ein Betriebsrat, so nimmt dieser die Aufgaben eines Gesamtbetriebsrats wahr (§ 54 Abs. 2 BetrVG).

15 HWK/Seibt, MitbG § 1 Rz. 11; WWKK/Koberski, MitbG § 3 Rz. 42 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Bereits in seinem Urteil vom 16.5.2007 16 hatte der 7. Senat des BAG deutlich gemacht, dass kein Konzernbetriebsrat nach § 54 BetrVG für die in Deutschland gelegenen Gesellschaften errichtet werden kann, wenn die Konzernobergesellschaft ihren Sitz im Ausland hat und im Inland kein „Konzern im Konzern“ gegeben ist. Diese Feststellungen hat das LAG Nürnberg jetzt noch einmal im Urteil vom 21.7.2016 17 bestätigt, allerdings Rechtsbeschwerde zugelassen. Ausgangspunkt der diesbezüglichen Feststellungen des BAG ist der Umstand, dass das BetrVG nicht selbst bestimmt, wann ein Konzern vorliegt und welche Unternehmen dem Konzern angehören. Vielmehr verweise § 54 Abs. 1 BetrVG auf § 18 Abs. 1 AktG. Es gelte deshalb kein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher Konzernbegriff. Maßgeblich seien vielmehr die Regelungen des Aktiengesetzes. Aufgrund der Verweisung auf § 18 Abs. 1 AktG könne deshalb ein Konzernbetriebsrat nur in einem sogenannten Unterordnungskonzern errichtet werden. Denn nach § 18 Abs. 1 S. 1 AktG bilden ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen einen Konzern, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind (sogenannter Unterordnungskonzern). Von einem abhängigen Unternehmen wird nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Denn nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss hat. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen, ist das Unternehmen nach § 16 Abs. 1 AktG ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen. Unerheblich dabei ist, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt werden. Der Unternehmensbegriff der §§ 15 ff. AktG wird rechtsformneutral verwendet 18. Voraussetzung für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats ist damit nicht nur, dass ein oder mehrere Unternehmen unter der einheitlichen Leitung eines anderen Unternehmens zusammengefasst werden. Die Errichtung eines Konzernbetriebsrats ist wegen des Territorialitätsprinzips des Aktiengesetzes

16 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 21 ff. 17 5 TaBV 54/15 n. v. 18 Ebenso bereits BAG v. 5.5.1988 – 2 AZR 795/87, NZA 1989, 18 ff.; BGH v. 23.9.1991 – II ZR 135/90, BGHZ 115, 187, DB 1991, 2176 ff.

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Kein Konzernbetriebsrat bei Sitz der Konzernobergesellschaft im Ausland

darüber hinaus an die Voraussetzung geknüpft, dass nicht nur die unter einer einheitlichen Leitung zusammengefassten Unternehmen, sondern auch eine Konzernobergesellschaft ihren Sitz im Inland hat 19. Darauf hatte bereits das BAG in seinem Urteil vom 14.2.2007 20 hingewiesen. Eine Abweichung von diesem Grundsatz kommt nach den überzeugenden Feststellungen des BAG in seinem Urteil vom 16.5.2007 21 nur in Betracht, wenn in einem mehrstufigen Konzern ein sog. „Konzern im Konzern“ gegeben ist, bei dem die im „Konzern im Konzern“ herrschende Gesellschaft in Deutschland belegen ist. Nach den diesbezüglichen Feststellungen des BAG kann in einem mehrstufigen Konzern ein sog. „Konzern im Konzern“ bestehen, wenn das herrschende Unternehmen („Mutter“) von seiner Leitungsmacht zwar in wesentlichem Umfang, aber doch nur teilweise (etwa als Richtlinienkompetenz) Gebrauch macht und von einem abhängigen Unternehmen („Tochter“) noch wesentliche Leitungsaufgaben zur eigenständigen Ausübung gegenüber den diesem nachgeordneten Unternehmen („Enkel“) verbleiben. Hiervon ausgehend umfasse der Wortlaut von § 54 Abs. 1 BetrVG mehrstufige Konzernvertretungen, wenn die Zusammenfassung von einheitlicher arbeitsrechtlicher Leitungsmacht auf unteren Ebenen eines dezentralisierten, vertikal gegliederten Konzerns über weitere abhängige Unternehmen gegeben sei. Diese Zusammenfassung auf solchen Ebenen erfülle ebenfalls die Merkmale eines Konzerns i. S. d. § 18 Abs. 1 AktG, auf den § 54 Abs. 1 BetrVG Bezug nehme, so dass auch hier die Errichtung eines Konzernbetriebsrats in Betracht komme 22. Das entspreche dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Errichtung eines Konzernbetriebsrats, mit dem die Beteiligung der Arbeitnehmer des Konzerns an den Entscheidungen der Konzernleitung sichergestellt werden solle. Dieser gesetzgeberische Zweck würde nicht erreicht, wenn in einem mehrstufigen Konzern die Tochtergesellschaft über einen wesentlichen eigenständigen Entscheidungsspielraum verfüge, bei ihr aber kein Konzernbetriebsrat errichtet werden könnte, weil bereits bei der Muttergesellschaft ein solcher bestehe. Verfüge die Tochtergesellschaft gegenüber den Arbeitnehmern der Enkelgesellschaften über wesentliche Entscheidungsbefugnisse in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, würde ein lediglich bei der Muttergesellschaft errichteter Konzernbetriebsrat den Belangen der Arbeitnehmer der Enkelgesellschaften nicht gerecht. Der bei der Muttergesellschaft errichtete 19 BAG v. 16.5.2007 – 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 29; LAG Nürnberg v. 21.7.2016 – 5 TaBV 54/15 n. v. 20 7 ABR 26/06, NZA 2007, 999 Rz. 53. 21 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 31. 22 Ebenso bereits BAG v. 21.10.1980 – 6 ABR 41/78, DB 1981, 8955 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Konzernbetriebsrat wäre damit an einer Stelle angesiedelt, an der die für die Arbeitnehmer der Enkelgesellschaften maßgeblichen Entscheidungen in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht getroffen würden. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der Betriebsverfassung, die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte dort anzusiedeln, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt werde, nicht zu vereinbaren. Aus diesem Grunde sei die Bildung eines Konzernbetriebsrats auch bei der Tochtergesellschaft eines Konzerns als Konzernspitze eines Unterkonzerns zulässig, wenn ihr hinsichtlich mitbestimmungspflichtiger (personeller, sozialer und wirtschaftlicher) Angelegenheiten ein Entscheidungsspielraum zustehe, sie also nicht durch konkrete Weisungen der Muttergesellschaft gebunden sei 23. Die Tochtergesellschaft muss also herrschen, ohne ihrerseits durch die Muttergesellschaft beherrscht zu werden. In dem durch das BAG am 16.5.2007 24 und das LAG Nürnberg am 21.7.2016 25 entschiedenen Fällen waren diese Voraussetzungen eines „Konzerns im Konzern“ nicht erfüllt. Die in Deutschland belegene Zwischenholding besaß keine von den Weisungen der Konzernobergesellschaft in der Schweiz unabhängigen Weisungsbefugnisse in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Vielmehr handelte es sich um eine bloße Finanzholding. In dem durch das LAG Nürnberg entschiedenen Fall waren sogar Beherrschungsverträge zwischen der Konzernobergesellschaft und einem Teil der in Deutschland belegenen Enkelgesellschaften abgeschlossen. Darüber hinaus bestanden Berichtspflichten der Geschäftsführer dieser Enkelgesellschaften unmittelbar gegenüber den Leitern der auf der Ebene der Muttergesellschaft in der Schweiz angesiedelten Businessunits. Eine abweichende Bewertung kann auch nicht durch einen Rückgriff auf den in § 5 Abs. 3 MitbestG enthaltenen Rechtsgedanken gelöst werden. Danach kann auch eine in Deutschland gelegene Zwischenholding als herrschendes Unternehmen eines Konzerns zum Zwecke einer Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes behandelt werden, wenn die eigentliche Konzernleitung, die im Ausland liegt oder aus sonstigen Gründen dem Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes entzogen ist, über diese Zwischenholding andere Unternehmen des Konzerns beherrscht. Eine vergleichbare Regelung ist in § 11 Abs. 3 des Gesetzes über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (PublG) enthalten. Die

23 BAG v. 16.5.2007 – 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 31; BAG v. 21.10.1980 – 6 ABR 41/78, DB 1981, 895 ff. 24 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 11 ff. 25 5 TaBV 54/15 n. v.

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Einbeziehung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften

Voraussetzungen für die Anwendung des in §§ 5 Abs. 3 MitbestG, 11 Abs. 3 PublG enthaltenen Rechtsgedankens auf den Anwendungsbereich von § 54 BetrVG liegen nicht vor. Darauf hatte das BAG bereits in seinen Beschlüssen vom 14.2.2007 26 und vom 16.5.2007 27 hingewiesen. Es bestehe – so das BAG – weder die für einen Analogieschluss erforderliche unbewusste Regelungslücke noch seien die von §§ 5 Abs. 3 MitbestG, 11 Abs. 3 PublG erfassten Tatbestände mit den §§ 54 ff. BetrVG vergleichbar. Daneben sei selbst bei Bestehen einer unbewussten Regelungslücke eine richterliche Rechtsfortbildung unzulässig, weil dem Gesetzgeber für die Regelung des Sachverhalts verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden und nicht feststehe, für welche er sich entschieden hätte. Dieser Bewertung durch das BAG und der aktuellen Entscheidung des LAG Nürnberg ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Wichtig allerdings ist, dass die fehlende Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit nimmt, in unternehmensübergreifenden Angelegenheiten mit einem einzigen Ansprechpartner Regelungen zu treffen, die übergreifende Verbindlichkeit haben. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass als Konsequenz von § 5 Abs. 3 MitbestG die Bildung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats selbst dann möglich ist, wenn wegen des Fehlens eines „Konzerns im Konzern“ kein Konzernbetriebsrat nach § 54 BetrVG gebildet werden kann. (Ga)

4.

Einbeziehung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften in die deutsche Unternehmensmitbestimmung

Bereits im Herbst des vergangenen Jahres hatten wir auf den Beschluss des KG Berlin vom 16.10.2015 28. hingewiesen, durch den der EuGH im Wege der Vorabentscheidung um die Beantwortung der folgenden Frage gebeten worden war: Ist es mit Art. 18 AEUV (Diskriminierungsverbot) und Art. 45 AEUV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) vereinbar, dass ein Mitgliedsstaat das aktive und passive Wahlrecht für die Vertreter der Arbeitnehmer eines Aufsichtsorgans eines Unternehmens nur solchen Arbeitnehmern einräumt, die in Betrieben des Unternehmens oder in Konzernunternehmen im Inland beschäftigt sind?

26 7 ABR 26/06, NZA 2007, 999 Rz. 54. 27 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 33. 28 14 W 89/15, DB 2015, 2689 ff.

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Einbeziehung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften

Voraussetzungen für die Anwendung des in §§ 5 Abs. 3 MitbestG, 11 Abs. 3 PublG enthaltenen Rechtsgedankens auf den Anwendungsbereich von § 54 BetrVG liegen nicht vor. Darauf hatte das BAG bereits in seinen Beschlüssen vom 14.2.2007 26 und vom 16.5.2007 27 hingewiesen. Es bestehe – so das BAG – weder die für einen Analogieschluss erforderliche unbewusste Regelungslücke noch seien die von §§ 5 Abs. 3 MitbestG, 11 Abs. 3 PublG erfassten Tatbestände mit den §§ 54 ff. BetrVG vergleichbar. Daneben sei selbst bei Bestehen einer unbewussten Regelungslücke eine richterliche Rechtsfortbildung unzulässig, weil dem Gesetzgeber für die Regelung des Sachverhalts verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden und nicht feststehe, für welche er sich entschieden hätte. Dieser Bewertung durch das BAG und der aktuellen Entscheidung des LAG Nürnberg ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Wichtig allerdings ist, dass die fehlende Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit nimmt, in unternehmensübergreifenden Angelegenheiten mit einem einzigen Ansprechpartner Regelungen zu treffen, die übergreifende Verbindlichkeit haben. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass als Konsequenz von § 5 Abs. 3 MitbestG die Bildung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats selbst dann möglich ist, wenn wegen des Fehlens eines „Konzerns im Konzern“ kein Konzernbetriebsrat nach § 54 BetrVG gebildet werden kann. (Ga)

4.

Einbeziehung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften in die deutsche Unternehmensmitbestimmung

Bereits im Herbst des vergangenen Jahres hatten wir auf den Beschluss des KG Berlin vom 16.10.2015 28. hingewiesen, durch den der EuGH im Wege der Vorabentscheidung um die Beantwortung der folgenden Frage gebeten worden war: Ist es mit Art. 18 AEUV (Diskriminierungsverbot) und Art. 45 AEUV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) vereinbar, dass ein Mitgliedsstaat das aktive und passive Wahlrecht für die Vertreter der Arbeitnehmer eines Aufsichtsorgans eines Unternehmens nur solchen Arbeitnehmern einräumt, die in Betrieben des Unternehmens oder in Konzernunternehmen im Inland beschäftigt sind?

26 7 ABR 26/06, NZA 2007, 999 Rz. 54. 27 7 ABR 63/06, NZA 2008, 320 Rz. 33. 28 14 W 89/15, DB 2015, 2689 ff.

575

Betriebsverfassung und Mitbestimmung Eine Beschlussempfehlung des Generalanwalts oder gar eine Entscheidung des EuGH in dieser Sache liegen bislang nicht vor 29.

Derzeit setzt sich der EuGH noch mit den unterschiedlichen und auch im Ergebnis divergierenden Auffassungen der Verfahrensbeteiligten sowie der Europäischen Kommission, der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich auseinander. Insoweit ist noch nicht absehbar, wann dieses die TUI AG betreffende Verfahren abgeschlossen sein wird. Soweit die Deutsche Börse von einer vergleichbaren Auseinandersetzung betroffen ist, hat das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 17.06.2016 30 eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über den Vorlagebeschluss des KG Berlin beschlossen. Wir werden über den weiteren Fortgang beider Verfahren berichten. (Ga)

5.

Betriebsratsmitglied: Nachtarbeitszuschläge nach Verschiebung der Arbeitszeit

Im Frühjahr hatten wir uns eingehend mit der Frage befasst, wie die Arbeitsentgeltansprüche mehrjährig tätiger Betriebsratsmitglieder den betriebsüblichen Entwicklungen angepasst werden. Im Mittelpunkt stand dabei § 37 Abs. 4 BetrVG 31. Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 18.5.201632 war jetzt die Frage, wie sich die Höhe des nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Arbeitsentgelts bestimmt. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dem Betriebsratsmitglied ist danach bei einer Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben das Arbeitsentgelt weiter zuzahlen, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern in dieser Zeit gearbeitet hätte 33. Wie das BAG in der vorgenannten Entscheidung deutlich gemacht hat, gehören zum Arbeitsentgelt i. S. d. § 37 Abs. 2 BetrVG alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Hierzu zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie werden für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zei-

29 EuGH v. 3.11.2015 – C-566/15, ABlEU 2016, Nr. C 90 Rz. 3 – Erzberger; zusammenfassend: Seibt, DB 2016, 1743 ff. 30 21 W 91/15 n. v. 31 B. Gaul, AktuellAR 2016, 239 ff. 32 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 Rz. 12 ff. 33 Ebenso BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 123/13, NZA 2015, 1328 Rz. 13.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung Eine Beschlussempfehlung des Generalanwalts oder gar eine Entscheidung des EuGH in dieser Sache liegen bislang nicht vor 29.

Derzeit setzt sich der EuGH noch mit den unterschiedlichen und auch im Ergebnis divergierenden Auffassungen der Verfahrensbeteiligten sowie der Europäischen Kommission, der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich auseinander. Insoweit ist noch nicht absehbar, wann dieses die TUI AG betreffende Verfahren abgeschlossen sein wird. Soweit die Deutsche Börse von einer vergleichbaren Auseinandersetzung betroffen ist, hat das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 17.06.2016 30 eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über den Vorlagebeschluss des KG Berlin beschlossen. Wir werden über den weiteren Fortgang beider Verfahren berichten. (Ga)

5.

Betriebsratsmitglied: Nachtarbeitszuschläge nach Verschiebung der Arbeitszeit

Im Frühjahr hatten wir uns eingehend mit der Frage befasst, wie die Arbeitsentgeltansprüche mehrjährig tätiger Betriebsratsmitglieder den betriebsüblichen Entwicklungen angepasst werden. Im Mittelpunkt stand dabei § 37 Abs. 4 BetrVG 31. Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 18.5.201632 war jetzt die Frage, wie sich die Höhe des nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Arbeitsentgelts bestimmt. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dem Betriebsratsmitglied ist danach bei einer Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben das Arbeitsentgelt weiter zuzahlen, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern in dieser Zeit gearbeitet hätte 33. Wie das BAG in der vorgenannten Entscheidung deutlich gemacht hat, gehören zum Arbeitsentgelt i. S. d. § 37 Abs. 2 BetrVG alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Hierzu zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie werden für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zei-

29 EuGH v. 3.11.2015 – C-566/15, ABlEU 2016, Nr. C 90 Rz. 3 – Erzberger; zusammenfassend: Seibt, DB 2016, 1743 ff. 30 21 W 91/15 n. v. 31 B. Gaul, AktuellAR 2016, 239 ff. 32 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 Rz. 12 ff. 33 Ebenso BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 123/13, NZA 2015, 1328 Rz. 13.

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Betriebsratsmitglied: Nachtarbeitszuschläge nach Verschiebung der Arbeitszeit

ten gewährt und dienen nicht dem Ersatz tatsächlicher Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer bei der Erbringung von Arbeitsleistung entstehen 34. Ausgangspunkt von § 37 Abs. 2 BetrVG ist allerdings das Lohnausfallprinzip. Damit setzt ein Anspruch auf die Gewährung etwaiger Zuschläge für die in einem bestimmten Zeitraum (z. B. Spät- oder Nachtschicht) oder in einer bestimmten Arbeitsorganisation (z. B. Wechselschichtzulage) geleisteten Arbeit voraus, dass das betreffende Betriebsratsmitglied ohne die Verrichtung der betriebsrätlichen Tätigkeit in eben dieser Zeit einer solchen Tätigkeit nachgegangen wäre. Verrichtet er die betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeit zu einem anderen Zeitpunkt, besteht nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG grundsätzlich nur ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung zu einem späteren Zeitpunkt, die dann allerdings ebenfalls die jeweiligen Zuschläge berücksichtigen muss. In dem der Entscheidung vom 18.5.2016 35 zugrunde liegenden Fall hat das BAG einen Anspruch auf die Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen abgelehnt. Denn der Arbeitnehmer hatte, nachdem er zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden war, mit seinem Arbeitgeber nicht nur vereinbart, dass er täglich 3,5 Stunden in der Zeit von 11.00 Uhr bis 14.30 Uhr von seiner beruflichen Tätigkeit zur Durchführung von Betriebsratsarbeit freigestellt werde. Gleichzeitig wurde der Arbeitsbeginn des Klägers mit seinem Einverständnis von 4.00 Uhr auf 6.00 Uhr verschoben, um den Mitarbeitern eine bessere Kontaktaufnahmemöglichkeit zum Kläger während dessen Arbeitszeit zu ermöglichen. Die Beklagte stellte daher die Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen, die bis dahin für die Zeit von 4.00 Uhr bis 6.00 Uhr gewährt worden waren, ein. Das BAG hat zu Recht deutlich gemacht, dass der Verlust der Nachtarbeitszuschläge vorliegend nicht durch die Betriebsratstätigkeit ausgelöst wurde. Vielmehr ist er Konsequenz der zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Verschiebung der Arbeitszeit. Folgerichtig kommt auch das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG nicht zur Anwendung. Die mit dem Verlust der Nachtarbeitszuschläge verbundene Schlechterstellung ist – so das BAG – dadurch gerechtfertigt, dass das Betriebsratsmitglied infolge der Verschiebung der Arbeitszeit keine Nachtarbeit leistet und damit nicht den Erschwernissen unterworfen ist, die durch die Gewährung der Nachtarbeitszuschläge ausgeglichen werden sollen 36. Insofern wurde der Kläger so34 BAG v. 18.5.2016 – 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 Rz. 15; BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287 Rz. 33. 35 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 Rz. 11 ff. 36 BAG v. 18.5.2016 – 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 Rz. 20 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

wie andere Arbeitnehmer behandelt, deren Arbeitszeit kraft Vereinbarung erst außerhalb der Nachtarbeitszeit begann. Eine Ungleichbehandlung lag damit nicht vor. (Ga)

6.

Ab- und Rückmeldepflichten freigestellter Betriebsratsmitglieder bei Tätigkeit außerhalb des Betriebs

Das BAG 37 war bereits in der Vergangenheit mit der Frage befasst, ob sich nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats bei Verlassen ihres Arbeitsplatzes zur Wahrnehmung von Aufgaben nach dem BetrVG beim Arbeitgeber abzumelden und sich zurückzumelden haben, wenn sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Wie das BAG 38 bereits bei früherer Gelegenheit entschieden hat, muss der Arbeitgeber der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen. Gleichwohl hat das BAG das Betriebsratsmitglied für verpflichtet gehalten, sich auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB 39 beim Arbeitgeber abmelden zu müssen, wenn er seinen Arbeitsplatz verlässt. Das Betriebsratsmitglied ist aus gleichem Grunde verpflichtet, sich beim Arbeitgeber zurückzumelden, wenn es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt. Zur Begründung dieser Pflichtenstellung beruft sich das BAG auf den Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Betriebsratsmitglieds zu überbrücken. Daher genügt das Betriebsratsmitglied seiner Abmeldepflicht, wenn es dem Arbeitgeber Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitteilt 40. Angaben auch zur Art der Betriebsratstätigkeit können vom Arbeitgeber nicht verlangt werden 41. Ausnahmsweise will das BAG die Ab- und Rückmeldepflicht entfallen lassen, wenn eine Umorganisation durch den Arbeitgeber, anlässlich der vom Betriebsratsmitglied versehenen Betriebsratstätigkeit, nicht ernsthaft in Betracht kommt 42.

37 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47. 38 BAG v. 13.5.1997 – 1 ABR 2/97, NZA 1997, 1062 Rz. 26 m. w. N; BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 Rz. 24. 39 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47 Rz. 19 f. 40 BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 Rz. 22. 41 BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 Rz. 22. 42 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47 Rz. 35.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

wie andere Arbeitnehmer behandelt, deren Arbeitszeit kraft Vereinbarung erst außerhalb der Nachtarbeitszeit begann. Eine Ungleichbehandlung lag damit nicht vor. (Ga)

6.

Ab- und Rückmeldepflichten freigestellter Betriebsratsmitglieder bei Tätigkeit außerhalb des Betriebs

Das BAG 37 war bereits in der Vergangenheit mit der Frage befasst, ob sich nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats bei Verlassen ihres Arbeitsplatzes zur Wahrnehmung von Aufgaben nach dem BetrVG beim Arbeitgeber abzumelden und sich zurückzumelden haben, wenn sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Wie das BAG 38 bereits bei früherer Gelegenheit entschieden hat, muss der Arbeitgeber der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen. Gleichwohl hat das BAG das Betriebsratsmitglied für verpflichtet gehalten, sich auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB 39 beim Arbeitgeber abmelden zu müssen, wenn er seinen Arbeitsplatz verlässt. Das Betriebsratsmitglied ist aus gleichem Grunde verpflichtet, sich beim Arbeitgeber zurückzumelden, wenn es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt. Zur Begründung dieser Pflichtenstellung beruft sich das BAG auf den Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Betriebsratsmitglieds zu überbrücken. Daher genügt das Betriebsratsmitglied seiner Abmeldepflicht, wenn es dem Arbeitgeber Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitteilt 40. Angaben auch zur Art der Betriebsratstätigkeit können vom Arbeitgeber nicht verlangt werden 41. Ausnahmsweise will das BAG die Ab- und Rückmeldepflicht entfallen lassen, wenn eine Umorganisation durch den Arbeitgeber, anlässlich der vom Betriebsratsmitglied versehenen Betriebsratstätigkeit, nicht ernsthaft in Betracht kommt 42.

37 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47. 38 BAG v. 13.5.1997 – 1 ABR 2/97, NZA 1997, 1062 Rz. 26 m. w. N; BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 Rz. 24. 39 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47 Rz. 19 f. 40 BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 Rz. 22. 41 BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, NZA 1995, 961 Rz. 22. 42 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, NZA 2012, 47 Rz. 35.

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Ab- und Rückmeldepflichten freigestellter Betriebsratsmitglieder

Inhalt dieser Ab- und Rückmeldepflicht ist nur die ordnungsgemäße Unterrichtung. Wie diese bewirkt wird, steht dem Betriebsratsmitglied frei. Eine persönliche Meldung kann der Arbeitgeber nicht fordern 43. Nunmehr hatte der 7. Senat des BAG in einem Beschluss vom 24.2.201644 die Frage der Ab- und Rückmeldepflichten freigestellter Betriebsratsmitglieder bei einer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabenwahrnehmung außerhalb des Betriebs zu entscheiden. Arbeitgeberin einerseits und Betriebsrat sowie beteiligte freigestellte Betriebsratsmitglieder andererseits stritten darüber, ob freigestellte Betriebsratsmitglieder verpflichtet sind, sich vor dem Verlassen des Betriebs zum Zweck einer externen Betriebsratstätigkeit bei der Arbeitgeberin unter Angabe von Ort und voraussichtlicher Dauer der Abwesenheit abmelden und bei der Rückkehr in den Betrieb wieder zurückmelden zu müssen. Das BAG geht zunächst davon aus, dass die Ab- und Rückmeldepflicht sowie die Pflicht zur Information des Arbeitgebers über die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit vom Betrieb auch bei den nach § 38 Abs. 1 BetrVG von der Arbeitsleistung freigestellten Betriebsratsmitgliedern zu den Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB gehört. Diese Pflichten beruhten außerdem auf dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Freigestellte Betriebsratsmitglieder unterlägen zwar keiner Arbeitspflicht, sodass für ihre Abwesenheit vom Arbeitsplatz keine Organisationsentscheidungen vom Arbeitgeber zu treffen seien, der Arbeitgeber habe jedoch ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, ob und gegebenenfalls wie lange ein Betriebsratsmitglied vom Betrieb abwesend sei. Dabei geht das BAG davon aus, dass ein Betriebsratsmitglied nach § 38 Abs. 1 BetrVG nur von seiner beruflichen Tätigkeit befreit ist, nicht aber von seiner Anwesenheitspflicht im Betrieb. An die Stelle der Arbeitspflicht trete die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, während seiner Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein, um sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten. Einen Nachweis, während der Arbeitszeit tatsächlich Betriebsratsarbeiten abgewickelt zu haben, muss das Betriebsratsmitglied indes nicht erbringen. Diese Bewertung leitet das BAG aus § 38 Abs. 1 BetrVG ab, welche darauf angelegt sei, Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über den Umfang der notwendigen Arbeitsbefreiung zu vermeiden 45. Die Anwesenheitspflicht der freigestellten Betriebsratsmitglieder im Betrieb kann zudem im Interesse des Arbeitgebers liegen, der wissen muss, 43 BAG v. 13.5.1997 – 1 ABR 2/97, NZA 1997, 1062 Rz. 29. 44 7 ABR 20/14, NZA 2016, 831. 45 BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 22/12, NZA 2013, 1221 Rz. 19.

579

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ob ihm diese als Ansprechpartner für mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten vorübergehend nicht zur Verfügung stehen. Die Abmeldung und Zurückmeldung erübrigt sich deshalb nicht dadurch, dass der Arbeitgeber – anders als bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern – die Arbeitseinteilung nicht umorganisieren muss, weil es um die Verfügbarkeit des abwesenden Betriebsratsmitglieds als Ansprechpartner für den Arbeitgeber geht. Allerdings verneint das BAG ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, dass die nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieder des Betriebsrats den Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit vor dem Verlassen des Betriebes bekanntzugeben haben, weil der Arbeitgeber diese Information nicht benötigt, um während der Abwesenheit der freigestellten Betriebsratsmitglieder Dispositionen treffen zu können. Eine nachträgliche Bekanntgabe des Orts kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das Betriebsratsmitglied den Arbeitgeber auf Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit der außerhalb des Betriebs wahrgenommenen Betriebsratstätigkeit in Anspruch nimmt. (Boe)

7.

Telefon und Internet für den Betriebsrat

Der Arbeitgeber trägt nicht nur nach § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten, er hat außerdem dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Es entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BAG, dass der Betriebsrat einen Zugang zum Telefon, einen Internetzugang sowie die Teilhabe am EMail- Verkehr vom Arbeitgeber beanspruchen kann, soweit dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem BetrVG obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Dabei hängt die Gestellung derartiger Kommunikationsmittel durch den Arbeitgeber nicht davon ab, dass der Betriebsrat konkret anstehende betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben darlegen muss, zu deren Erfüllung Informationen aus dem Internet oder seine Ansprechbarkeit per EMail oder das Telefon erforderlich ist 46. Die Prüfung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur 46 So bereits BAG v. 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, NZA 2013, 49 Rz. 20; BAG v. 14.7.2010 – 7 ABR 80/08, DB 2010, 2731 Rz. 16; BAG v. 20.1.2010 – 7 ABR 79/08, NZA 2010, 709 Rz. 19.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ob ihm diese als Ansprechpartner für mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten vorübergehend nicht zur Verfügung stehen. Die Abmeldung und Zurückmeldung erübrigt sich deshalb nicht dadurch, dass der Arbeitgeber – anders als bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern – die Arbeitseinteilung nicht umorganisieren muss, weil es um die Verfügbarkeit des abwesenden Betriebsratsmitglieds als Ansprechpartner für den Arbeitgeber geht. Allerdings verneint das BAG ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, dass die nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieder des Betriebsrats den Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit vor dem Verlassen des Betriebes bekanntzugeben haben, weil der Arbeitgeber diese Information nicht benötigt, um während der Abwesenheit der freigestellten Betriebsratsmitglieder Dispositionen treffen zu können. Eine nachträgliche Bekanntgabe des Orts kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das Betriebsratsmitglied den Arbeitgeber auf Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit der außerhalb des Betriebs wahrgenommenen Betriebsratstätigkeit in Anspruch nimmt. (Boe)

7.

Telefon und Internet für den Betriebsrat

Der Arbeitgeber trägt nicht nur nach § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten, er hat außerdem dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Es entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BAG, dass der Betriebsrat einen Zugang zum Telefon, einen Internetzugang sowie die Teilhabe am EMail- Verkehr vom Arbeitgeber beanspruchen kann, soweit dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem BetrVG obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Dabei hängt die Gestellung derartiger Kommunikationsmittel durch den Arbeitgeber nicht davon ab, dass der Betriebsrat konkret anstehende betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben darlegen muss, zu deren Erfüllung Informationen aus dem Internet oder seine Ansprechbarkeit per EMail oder das Telefon erforderlich ist 46. Die Prüfung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur 46 So bereits BAG v. 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, NZA 2013, 49 Rz. 20; BAG v. 14.7.2010 – 7 ABR 80/08, DB 2010, 2731 Rz. 16; BAG v. 20.1.2010 – 7 ABR 79/08, NZA 2010, 709 Rz. 19.

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Telefon und Internet für den Betriebsrat

Verfügung zu stellen ist, obliegt grundsätzlich dem Betriebsrat. Allerdings darf er die Entscheidung hierüber nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten, sondern muss dabei auch die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigen. Dies hat in einem Abwägungsprozess zu geschehen, der sich an den Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und an den berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch im Hinblick auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht, zu orientieren hat 47. Im Hinblick auf diese Interessenabwägung unterliegt die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen 48. In dem Beschluss des 7. Senats des BAG vom 20.4.2016 49 ging es darum, ob der Betriebsrat vom Arbeitgeber einen separaten, vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang sowie die Einrichtung eines eigenen, von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschlusses beanspruchen kann. Der Betriebsrat begründete diese Forderung damit, dass wegen der abstrakten Möglichkeit einer Kontrolle der Internetnutzung, des E-Mail- Verkehrs sowie der Telekommunikation durch den Arbeitgeber die Erforderlichkeit dieser separaten Anschlüsse begründet sei. Der entsprechende Antrag des Betriebsrats war in allen Instanzen erfolglos. Nach Ansicht des BAG hatte der Arbeitgeber dem klagenden Betriebsrat zur Erledigung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben die erforderliche Internetnutzung sowie den E-Mail-Verkehr über das im Unternehmen genutzte Netzwerk verfügbar gemacht. Der Betriebsrat durfte einen separaten, vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang nebst EMail-Verkehr nicht allein deswegen beanspruchen, weil über den zentral vermittelten Internetzugang technisch die Möglichkeit bestand, die Internetnutzung und den E-Mail-Verkehr zu überwachen. Allein wegen der abstrakten Gefahr einer missbräuchlichen Ausnutzung der technischen Möglichkeiten durch den Arbeitgeber, ohne das Vorliegen darauf gerichteter konkreter Anhaltspunkte, kann nach Ansicht des BAG nicht unterstellt werden, dass er

47 BAG v. 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, NZA 2013, 49 Rz. 20; BAG v. 14.7.2010 – 7 ABR 80/08, DB 2010, 2731 Rz. 18. 48 So BAG v. 18.7.2012 – 7 ABR 23/11, NZA 2013, 49 Rz. 20; BAG v. 14.7.2010 – 7 ABR 80/08, DB 2010, 2731 Rz. 19. 49 7 ABR 50/14, NZA 2016, 1033.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

die Internetaktivitäten des Betriebsrats einschließlich des E-Mail-Verkehrs in unzulässiger Weise kontrolliert und damit den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt. In diesem Zusammenhang hat das BAG die Auffassung des LAG geteilt, dass der Betriebsrat auch die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers zu berücksichtigen hat, die darauf angelegt sind, den für erforderlich gehaltenen Sicherheitsstandard der IT-Systeme zu gewährleisten. Die gleichen Erwägungen betrafen das Verlangen des Betriebsrats, einen von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschluss zu fordern. Auch insoweit bestanden keine vom Betriebsrat vorgetragenen konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der beklagte Arbeitgeber irgendwelche Überwachungsaktivitäten wahrgenommen oder beabsichtigt hat. Diese Entscheidung des BAG entspricht der vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 BetrVG als Leitprinzip geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. So kann auf der anderen Seite auch der Arbeitgeber ohne konkreten Anlass nicht unterstellen, der Betriebsrat oder die Betriebsratsmitglieder würden den ihnen eingeräumten Internetzugang oder das ihnen zur Verfügung gestellte Telefon rechtsmissbräuchlich für eigene Zwecke in Anspruch nehmen. (Boe)

8.

Aktuelle Entscheidungen zum betrieblichen Einigungsstellenverfahren

a)

Ausgangssituation

§ 87 Abs. 2 BetrVG bestimmt, dass die Einigungsstelle entscheidet, wenn über eine Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG keine Einigung zwischen Arbeitgeber und zuständigem Betriebsrat zustande kommt. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Entsprechende Regelungen finden sich auch an anderer Stelle, in denen das Gesetz dem Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht zuerkennt (z.B. §§ 94, 95 BetrVG). Wichtig für die betriebliche Praxis ist, die Einigungsstelle vor diesem Hintergrund nicht als Zeichen des Konflikts, sondern als ein Mittel der Konfliktlösung zu sehen. Dies gilt nicht nur für den Einigungsstellenspruch, der am Ende eines solchen Verfahrens stehen kann. Vielmehr gilt dies vor allem im Hinblick darauf, dass innerhalb der Einigungsstelle durch Vermittlung des Vorsitzenden ein erneuter Versuch gemacht wird, die Parteien zum einvernehmlichen Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder einer sonstigen

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

die Internetaktivitäten des Betriebsrats einschließlich des E-Mail-Verkehrs in unzulässiger Weise kontrolliert und damit den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt. In diesem Zusammenhang hat das BAG die Auffassung des LAG geteilt, dass der Betriebsrat auch die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers zu berücksichtigen hat, die darauf angelegt sind, den für erforderlich gehaltenen Sicherheitsstandard der IT-Systeme zu gewährleisten. Die gleichen Erwägungen betrafen das Verlangen des Betriebsrats, einen von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschluss zu fordern. Auch insoweit bestanden keine vom Betriebsrat vorgetragenen konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der beklagte Arbeitgeber irgendwelche Überwachungsaktivitäten wahrgenommen oder beabsichtigt hat. Diese Entscheidung des BAG entspricht der vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 BetrVG als Leitprinzip geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. So kann auf der anderen Seite auch der Arbeitgeber ohne konkreten Anlass nicht unterstellen, der Betriebsrat oder die Betriebsratsmitglieder würden den ihnen eingeräumten Internetzugang oder das ihnen zur Verfügung gestellte Telefon rechtsmissbräuchlich für eigene Zwecke in Anspruch nehmen. (Boe)

8.

Aktuelle Entscheidungen zum betrieblichen Einigungsstellenverfahren

a)

Ausgangssituation

§ 87 Abs. 2 BetrVG bestimmt, dass die Einigungsstelle entscheidet, wenn über eine Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG keine Einigung zwischen Arbeitgeber und zuständigem Betriebsrat zustande kommt. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Entsprechende Regelungen finden sich auch an anderer Stelle, in denen das Gesetz dem Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht zuerkennt (z.B. §§ 94, 95 BetrVG). Wichtig für die betriebliche Praxis ist, die Einigungsstelle vor diesem Hintergrund nicht als Zeichen des Konflikts, sondern als ein Mittel der Konfliktlösung zu sehen. Dies gilt nicht nur für den Einigungsstellenspruch, der am Ende eines solchen Verfahrens stehen kann. Vielmehr gilt dies vor allem im Hinblick darauf, dass innerhalb der Einigungsstelle durch Vermittlung des Vorsitzenden ein erneuter Versuch gemacht wird, die Parteien zum einvernehmlichen Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder einer sonstigen

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Aktuelle Entscheidungen zum betrieblichen Einigungsstellenverfahren

Form der Einigung zu bringen. Die ganz überwiegende Zahl der Einigungsstellenverfahren endet deshalb auch nicht in einem Spruch, sondern in der einvernehmlichen Regelung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit. Ungeachtet dessen ist die Anrufung der Einigungsstelle und ihre Durchführung immer wieder mit Auseinandersetzungen der Betriebsparteien verknüpft. Diese betreffen nicht erst das Ergebnis, das durch Spruch festgelegt wird. Hier kann vor allem das Überschreiten eines etwaigen Mitbestimmungsrechts oder die Missachtung gesetzlicher Gestaltungsgrenzen gerügt werden. Im Vorfeld geht es in der Regel nicht nur um die Besetzung der Einigungsstelle, sondern auch um die Frage, ob überhaupt ein Mitbestimmungsrecht in der streitgegenständlichen Angelegenheit gegeben ist. Nachfolgend soll der Versuch gemacht werden, einige aktuelle Entscheidungen hierzu zusammenzufassen.

b)

Bildung der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle wird gemäß § 76 BetrVG zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat gebildet. Kommt zwischen den Betriebsparteien keine Einigung über die Person des Vorsitzenden oder die Zahl der Beisitzer zustande, ist eine dahingehende Entscheidung des Arbeitsgerichts herbeizuführen. Dieses darf nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG einen solchen Antrag wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle indes nur zurückweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Eine solche Entscheidung des Arbeitsgerichts im Rahmen des Bestellungsverfahrens nach § 100 ArbGG entfaltet allerdings für die Betriebspartner keine Bindungswirkung in Bezug auf die Frage, ob das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht überhaupt gegeben ist. Darauf hat das BAG im Urteil vom 23.3.2016 50 noch einmal hingewiesen. Auch die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden mit der Begründung, das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht bestehe offensichtlich nicht, sei keine die Betriebspartner bindende Entscheidung über das tatsächliche Bestehen des Mitbestimmungsrechts. Streitgegenstand des Bestellungsverfahrens sei allein die Errichtung der Einigungsstelle durch Benennung des Vorsitzenden und ggf. durch Bestimmung der Zahl der Beisitzer jeder Seite 51. Feststellungen über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts können nur im Rahmen eines entsprechenden Beschlussverfah-

50 5 AZR 337/15, BB 2016, 1588 Rz. 24. 51 Ebenso bereits BAG v. 9.5.1995 – 1 ABR 51/94, NZA 1996, 166 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

rens getroffen werden, das ein solches Mitbestimmungsrecht in Bezug auf eine konkrete betriebliche Angelegenheit zum Gegenstand haben muss. Die notwendige Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird dadurch erreicht, dass die streitgegenständliche Maßnahme des Arbeitgebers oder die betriebliche Angelegenheit, hinsichtlich derer ein Mitbestimmungsrecht streitig ist, so genau zu bezeichnen ist, dass mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche betrieblichen Angelegenheiten das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist. Die Wiedergabe eines allgemein umschriebenen Regelungsauftrags einer Einigungsstelle ist hierfür ebenso unzureichend wie der Hinweis auf Aufgaben des Betriebsrats oder die Bezeichnung des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts. Darauf hat das BAG in der vorangehenden Entscheidung vom 23.2.2016 52 hingewiesen.

c)

Keine Anfechtung des Einigungsstellenspruchs bei fehlender Zuständigkeit

Nach § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG kann die Überschreitung der Grenzen des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat innerhalb einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden. Die damit verbundene Anfechtung des Einigungsstellenspruchs ist allerdings ausgeschlossen in Bezug auf solche Beschlüsse der Einigungsstelle, mit denen diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint hat. Denn mit einer solchen Entscheidung trifft die Einigungsstelle keine die Einigung der Parteien ersetzende oder diese bindende Regelung, wie sie in § 76 Abs. 5 S. 1 BetrVG genannt wird. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BAG im Beschluss vom 23.2.2016 53 kann die Unwirksamkeit einer solchen Entscheidung der Einigungsstelle über ihre Zuständigkeit deshalb auch nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden. Denn es fehlt an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis, das nach § 256 Abs. 1 ZPO Gegenstand eines solchen Antrags ist. Wenn eine der beiden Betriebsparteien in einer solchen Fallgestaltung mit der Entscheidung der Einigungsstelle nicht einverstanden ist, muss sie im Beschlussverfahren einen hinreichend bestimmten Feststellungsantrag, gerichtet auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts für die betreffende betriebliche Angelegenheit, stellen.

52 1 ABR 18/14, NZA 2016, 838 Rz. 15, 17 f. 53 1 ABR 18/14, NZA 2016, 838 Rz. 12 ff.

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Aktuelle Entscheidungen zum betrieblichen Einigungsstellenverfahren

d)

Anfechtung des Einigungsstellenspruchs gemäß § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG

Die Anfechtung eines Einigungsstellenverfahrens erfolgt beim Arbeitsgericht durch den Antrag, die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs festzustellen. Dabei können formelle Fehler, der Verstoß gegen materielles Recht ebenso wie die Überschreitung des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens gerügt werden. § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG bestimmt allerdings, dass die Überschreitung der Grenzen des Ermessens durch die Betriebsparteien nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden kann. Die übrigen Rügen können außerhalb dieser Zeitspanne erhoben werden 54. Zu den materiellen Rügen gehört auch die fehlende Zuständigkeit der Einigungsstelle, die aus dem Fehlen eines Rechts zur Mitbestimmung des Betriebsrats resultiert. Denn nur dann, wenn das Gesetz die Zustimmung des Betriebsrats in einer bestimmten Angelegenheit erforderlich macht, kann bei fehlender Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine die Einigung ersetzende Beschlussfassung der Einigungsstelle in Betracht kommen. Wie die Entscheidung des LAG Nürnberg vom 9.12.2015 55 noch einmal deutlich macht, bereitet gerade der Bereich des Arbeitsschutzes Probleme bei der Feststellung, ob und ggf. in Bezug auf welche Fragen bereits ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG besteht. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Unfallverhütungsvorschriften. Dadurch soll der Betriebsrat an betrieblichen Regelungen beteiligt werden, die der Arbeitgeber zwar aufgrund einer öffentlichrechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Umsetzung aber Handlungsräume verbleiben. Bei der Ausfüllung dieses Spielraums hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Wie das BAG bereits im Beschluss vom 15.1.2002 56 deutlich gemacht hat, setzt das Mitbestimmungsrecht dann ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Reglungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des

54 Vgl. BAG v. 27.6.1995 – 1 ABR 3/95, NZA 1996, 161 Rz. 17. 55 4 TaBV 13/14, DB 2016, 1823 f. Rz. 35 ff. 56 1 ABR 13/01, NZA 2002, 995 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Hiervon ausgehend löst das bloße Bestehen einer gesetzlichen Rahmenvorschrift allein noch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Die für die Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts erforderliche Ausgestaltung einer Rahmenvorschrift liegt erst dann vor, wenn die gesetzliche Regelung Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erfordert, die im konkreten Fall zu treffenden Maßnahmen aber nicht selbst detailliert beschreibt, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgibt. Insbesondere die weitgefassten Generalklauseln des Arbeitsschutzes haben deshalb nur dann ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zur Folge, wenn eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr gegeben ist 57. Entsprechendes gilt nach den Feststellungen des LAG Nürnberg im Beschluss vom 9.12.2015 58 für die weitreichenden Regelungen in §§ 4 ArbSchG, 3 a, 6 Abs. 1 ArbStättV. Folgerichtig muss auch die Geltendmachung eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts erkennen lassen, welche Regelungen zur betrieblichen Umsetzung einer sich aus abstraktgenerellen Normen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ergebenden konkreten Handlungspflicht des Arbeitgebers aus Sicht des Betriebsrats in Betracht kommen, an deren Ausgestaltung er mitzuwirken beabsichtigt 59.

e)

Vollständige oder teilweise Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs

Gegenstand des Anfechtungsverfahrens kann die Feststellung der vollständigen oder teilweisen Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs sein. Voraussetzung der Feststellung einer nur teilweisen Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle ist aber nach dem § 139 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedanken, dass der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen eine weiterhin sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Hiervon kann – so das BAG – bei Regelungen, die unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände betreffen, regelmäßig eher ausgegangen werden als bei einer ein- und dieselbe Angelegenheit ausgestaltenden Regelung. In dem seinem Beschluss vom 8.12.2015 60 zugrundeliegenden Fall hatte die Einigungsstelle durch Spruch einen Streit der Betriebsparteien zur Verteilung der Arbeitszeit, zur Personalplanung und zur Besetzung von Arbeits57 BAG v. 11.12.2012 – 1 ABR 81/11, NZA 2013, 752 Rz. 20; LAG Nürnberg v. 9.12.2015 – 4 TaBV 13/14, DB 2016, 1823 Rz. 37. 58 4 TaBV 13/14, DB 2016, 1823 Rz. 38 ff. 59 BAG v. 15.1.2002 – 1 ABR 13/01, NZA 2002, 995 ff. 60 1 ABR 2/14, BB 2016, 1524 Rz. 29 ff.

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Aktuelle Entscheidungen zum betrieblichen Einigungsstellenverfahren

schichten beendet. Dabei hatte sie Regelungen auch zur vorläufigen Umsetzung personeller Einzelmaßnahmen getroffen. Darüber hinaus waren durch Spruch der Einigungsstelle Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bestimmt worden, im Konfliktfall unter bestimmten Voraussetzungen eine Maßnahme auch ohne Zustimmung des Betriebsrats durchzuführen. Hierzu waren umfangreiche Verfahrensvorschriften festgelegt worden, durch die – abweichend von § 87 Abs. 1 BetrVG – Form- und Fristerfordernisse sowie die Notwendigkeit einer Begründung für den Fall einer Ablehnung personelle Einzelmaßnahmen durch den Betriebsrat eingeführt wurden. Nach Auffassung des BAG konnten diese an §§ 99 Abs. 2, 3 und 4, 100 Abs. 1, 2 BetrVG angelehnten Verfahren zur vorläufigen Umsetzung personeller Einzelmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Konflikt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat durch Spruch der Einigungsstelle nicht festgelegt werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist deshalb, diese alternativen Möglichkeiten der Beteiligung des Betriebsrats im Zusammenhang mit vorläufigen Maßnahmen zum Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung mit dem Betriebsrat zu machen. Dabei kann durchaus an den Regelungen angeknüpft werden, wie sie in dem Beschluss vom 8.12.2015 61 zugrundeliegenden Fall noch zum Inhalt des Einigungsstellenspruchs gemacht wurden. Denn die Betriebsparteien können sich einvernehmlich auf einen von § 87 Abs. 2 BetrVG abweichenden Konfliktmechanismus verständigen. Der Einigungsstelle obliege es hingegen, solche Fälle durch einen Rückgriff auf § 87 Abs. 2 BetrVG, also die Notwendigkeit eines die Einigung der Betriebsparteien ersetzenden Spruchs der Einigungsstelle, zu regeln 62. Unter Berücksichtigung der konkret im Einzelfall getroffenen Regelungen hat das BAG angenommen, dass die Unwirksamkeit der von der Einigungsstelle beschlossenen Vorschriften über das Verfahren bei der Personaleinsatzplanung und bei deren Änderung unter Berücksichtigung der Wertentscheidung aus § 139 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs geführt hatte. Der verbleibende Teil enthalte ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung. Eine solche Feststellung zur Unwirksamkeit des gesamten Spruchs der Einigungsstelle kann nach Auffassung des BAG im Rahmen der Rechtsmittelinstanz selbst dann erfolgen, wenn in der vorangehenden Instanz in Bezug auf den angefochtenen Einigungsstellenspruch zugunsten des Beschwerdeführers noch von einer teilweisen Wirksamkeit ausgegangen war. Ein Urteil, das keine Rechtswirkungen erzeugen könne, sei in der Rechtsmittelinstanz 61 1 ABR 2/14, BB 2016, 1524 Rz. 3. 62 BAG v. 8.12.2015 – 1 ABR 2/14, BB 2016, 1524 Rz. 25.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

grundsätzlich aufzuheben und zwar auch insoweit, als es zugunsten der Partei ergangen sei, die das Rechtsmittel eingelegt habe. In einem solchen Fall greife das Verbot einer Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers (reformatio in peius) nicht. Es schütze den Rechtsmittelführer davor, auf sein eigenes Rechtsmittel hin, über die mit der angegriffenen Entscheidung vorhandene Beschwerde hinaus, weiter beeinträchtigt zu werden. Das Verbot schütze Vorteile aus einer angegriffenen Entscheidung, die den Besitzstand des Rechtsmittelklägers bildeten und ihm ohne Fortführung des Verfahrens sicher gewesen wären, weil sie an anderer Stelle – vor allem wegen der Rechtskraftwirkungen – hätten beachtet werden müssen. Notwendig sei aber, dass das Urteil überhaupt rechtskräftig Wirkungen entfalte. Im Ausnahmefall könne der Tenor der angegriffenen Entscheidung vom Rechtmittelgericht deshalb insgesamt korrigiert werden, und zwar auch insoweit, als eine Entscheidung zugunsten des Rechtsmittelführers ergangen sei. Dieses Risiko ist sowohl bei der erstmaligen Anfechtung als auch bei der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen. (Ga)

9.

Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren

Wie bereits im Zusammenhang mit der Behandlung aktueller Entscheidungen zur Durchführung und Ergebnisfindung in Einigungsstellenverfahren ausgeführt wurde 63, ist es sinnvoll, bei der Regelung mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten, die regelmäßig geändert oder ergänzt werden müssen, Vorgaben zu treffen, nach denen etwaige Konflikte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Festsetzung dieser Änderungen und/oder Ergänzungen aufgelöst werden können. Denkbar ist, dabei an formalen Beispielen anzuknüpfen, wie sie in §§ 99, 100 BetrVG in Bezug auf die Beteiligung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen enthalten sind. Wie die Entscheidung des BAG vom 23.3.2016 64 deutlich macht, über die wir an anderer Stelle berichteten 65, sind solche Regelungen auch im Bereich der Arbeitszeitgestaltung sinnvoll einsetzbar, wenngleich sie nicht durch Spruch der Einigungsstelle festgelegt werden können. Ungeachtet dessen können nicht alle denkbaren Konflikte, die sich im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung einer Betriebsvereinba-

63 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 582 ff. 64 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 ff. 65 B. Gaul, AktuellAR 2016, 427 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

grundsätzlich aufzuheben und zwar auch insoweit, als es zugunsten der Partei ergangen sei, die das Rechtsmittel eingelegt habe. In einem solchen Fall greife das Verbot einer Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers (reformatio in peius) nicht. Es schütze den Rechtsmittelführer davor, auf sein eigenes Rechtsmittel hin, über die mit der angegriffenen Entscheidung vorhandene Beschwerde hinaus, weiter beeinträchtigt zu werden. Das Verbot schütze Vorteile aus einer angegriffenen Entscheidung, die den Besitzstand des Rechtsmittelklägers bildeten und ihm ohne Fortführung des Verfahrens sicher gewesen wären, weil sie an anderer Stelle – vor allem wegen der Rechtskraftwirkungen – hätten beachtet werden müssen. Notwendig sei aber, dass das Urteil überhaupt rechtskräftig Wirkungen entfalte. Im Ausnahmefall könne der Tenor der angegriffenen Entscheidung vom Rechtmittelgericht deshalb insgesamt korrigiert werden, und zwar auch insoweit, als eine Entscheidung zugunsten des Rechtsmittelführers ergangen sei. Dieses Risiko ist sowohl bei der erstmaligen Anfechtung als auch bei der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen. (Ga)

9.

Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren

Wie bereits im Zusammenhang mit der Behandlung aktueller Entscheidungen zur Durchführung und Ergebnisfindung in Einigungsstellenverfahren ausgeführt wurde 63, ist es sinnvoll, bei der Regelung mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten, die regelmäßig geändert oder ergänzt werden müssen, Vorgaben zu treffen, nach denen etwaige Konflikte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Festsetzung dieser Änderungen und/oder Ergänzungen aufgelöst werden können. Denkbar ist, dabei an formalen Beispielen anzuknüpfen, wie sie in §§ 99, 100 BetrVG in Bezug auf die Beteiligung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen enthalten sind. Wie die Entscheidung des BAG vom 23.3.2016 64 deutlich macht, über die wir an anderer Stelle berichteten 65, sind solche Regelungen auch im Bereich der Arbeitszeitgestaltung sinnvoll einsetzbar, wenngleich sie nicht durch Spruch der Einigungsstelle festgelegt werden können. Ungeachtet dessen können nicht alle denkbaren Konflikte, die sich im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung einer Betriebsvereinba-

63 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 582 ff. 64 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 ff. 65 B. Gaul, AktuellAR 2016, 427 ff.

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Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren

rung ergeben können, im Vorfeld bereits vorhergesehen und einem konkreten Konfliktlösungsmechanismus zugeführt werden. Im Hinblick darauf ist es sinnvoll, in der Betriebsvereinbarung auch für solche Fallgestaltungen die Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung solcher Auseinandersetzungen vorzusehen. Wenn ein entsprechendes innerbetriebliches Schlichtungsverfahren durch die Betriebsvereinbarung obligatorisch festgelegt wird, kann dies sogar zur Folge haben, dass die Einleitung etwaiger Beschlussverfahren, durch die solche Meinungsverschiedenheiten aufgelöst werden sollen, unzulässig ist. Darauf hat das BAG im Beschluss vom 23.2.2016 66 noch einmal hingewiesen. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien im Jahre 2009 eine Rahmenbetriebsvereinbarung Arbeitszeit (BV 2009) abgeschlossen. Danach wurde für die Beschäftigten ein persönliches Zeitkonto als „Ampelkonto“ geführt. Die Überschreitung eines Zeitguthabens von 60 Stunden – roter Bereich – war nach den ergänzend getroffenen Regelungen nur mit Zustimmung des Vorgesetzten und des Betriebsrats möglich. Im Anschluss daran war ein Abbauplan zur Erreichung des grünen Bereichs abzustimmen. Zu dem schlussendlich beim BAG anhängigen Beschlussverfahren kam es, als der Betriebsrat geltend machte, dass ihm Dienstpläne entgegen der im Rahmen der BV 2009 getroffenen Regelungen nicht oder nicht fristgerecht vorgelegt worden waren. Die Zeitkonten zahlreicher Beschäftigter befänden sich deshalb im „Roten Bereich“. Außerdem würden Zeitguthaben nicht innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, den die BV 2009 festgelegt hatte, vollständig abgebaut. Er beantragte deshalb beim Arbeitsgericht, dem Arbeitgeber aufzugeben, unterschiedliche Verhaltensweisen in Bezug auf die im Geltungsbereich der BV 2009 beschäftigten Arbeitnehmer zu unterlassen, weil er darin einen Verstoß gegen die BV 2009 sah. Der Arbeitgeber hielt diese Anträge nicht nur für unbegründet. Vielmehr verwies er auf die in der BV 2009 zur Konfliktlösung getroffene Vereinbarung. Sie lautete auszugsweise wie folgt: § 10 Konfliktlösung, Geltungserhaltung. (1) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Anwendung und Auslegung dieser Betriebsvereinbarung werden sich die Betriebsparteien bemühen, diese innerbetrieblich und einvernehmlich auszuräumen. Gelingt dies nicht, so entscheidet die Einigungsstelle …

66 1 ABR 5/14, NZA 2016, 972 Rz. 21 f.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

In Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitgebers hat das BAG diese Regelung der BV 2009 als Vereinbarung zur obligatorischen Durchführung eines innerbetrieblichen Schlichtungsverfahrens angesehen. Der Antrag im Beschlussverfahren zur Klärung der betriebsverfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit sei deshalb unzulässig, wenn – was hier der Fall war – nicht zunächst eine innerbetriebliche Einigung versucht worden sei. Nach den Feststellungen des BAG ist ein solches Vorverfahren keine nach § 4 ArbGG unzulässige Schiedsvereinbarung, sondern eine dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat nach § 76 Abs. 6 BetrVG eröffnete Möglichkeit, zwischen ihnen bestehende Meinungsverschiedenheiten vorrangig einer innerbetrieblichen Konfliktlösung zuzuführen und erst nach deren Scheitern der anderen Betriebspartei die Einleitung eines Beschlussverfahrens zu ermöglichen. Dies gelte – so das BAG – auch dann, wenn Gegenstand einer im Konfliktfall anzurufenden Einigungsstelle keine Regelungs-, sondern eine Rechtsfrage sei, für die diese außerhalb der ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen keine Entscheidungsbefugnis habe. Eine von den Betriebsparteien begründete Zuständigkeit der Einigungsstelle für die gegenwärtige Auslegung einer Betriebsvereinbarung verpflichte Arbeitgeber und Betriebsrat daher, zunächst deren Entscheidung herbeizuführen, bevor sie über diese Rechtsfrage die Gerichte für Arbeitssachen zur Streitentscheidung anriefen 67. Wichtig für die betriebliche Praxis ist die in den vorstehenden Feststellungen liegende Erkenntnis, dass durch Vereinbarung der Betriebsparteien ein Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle nicht nur in solchen Angelegenheiten vereinbart werden kann, die – wie dies bei Regelungsfragen nach § 87 Abs. 2 BetrVG der Fall ist – ohnehin in ihre Zuständigkeit fallen, falls keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande kommt. Arbeitgeber und Betriebsrat können auch bei Rechtsfragen, die sich insbesondere aus der Auslegung einer Betriebsvereinbarung ergeben können, die Zuständigkeit der Einigungsstelle begründen. Eine solche Zuständigkeit ist dem BetrVG auch nicht systemfremd, wie § 109 BetrVG deutlich macht. Auch die dort vorgesehene Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle in Bezug auf Auskunftspflichten des Arbeitgebers im Rahmen von § 106 BetrVG betrifft eine Rechtsfrage. Vor diesem Hintergrund sollte bei dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung geprüft werden, ob bei ihrer Anwendung Streit über Rechts- oder Regelungsfragen entstehen kann. Soweit dies für denkbar gehalten wird, macht 67 Ebenso bereits BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 76/12, NZA-RR 2015, 26 Rz. 14; Ausführlich zu Schiedsgerichten und Schlichtungsstellen: Reinhard, ArbRB 2016, 307 ff.

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Präjudizielle Wirkung eines Beschlussverfahrens zu Mitbestimmungsrechten

es Sinn, ein obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren vorzusehen. Dies kann zunächst einmal nur Gespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Inhalt haben. Denkbar ist auch, dass diese Gespräche in eine ständige Einigungsstelle verlagert werden. Wichtig allerdings ist, in der Betriebsvereinbarung erkennbar zu machen, ob dieses Verfahren freiwilliger oder obligatorischer Natur ist. Nur bei einem obligatorischen Schlichtungsverfahren ist die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nicht zulässig. Ergänzend hierzu ist festzulegen, ob im Rahmen des Schlichtungsverfahrens auch abschließende Entscheidungen zu Lasten der Betriebspartner getroffen werden können. Dabei kann zwischen Rechts- und Regelungsfragen differenziert werden. Insoweit ist es denkbar, in Regelungsfragen der Einigungsstelle eine abschließende Entscheidungsbefugnis zuzuerkennen, für Rechtsfragen allerdings auch auf die Anrufung des Arbeitsgerichts zu verweisen, falls vorangehende Gespräche mit dem Ziel einer Einigung scheitern. Denkbar ist darüber hinaus, bei Regelungsfragen anstelle der Einigungsstelle eine paritätisch besetzte Kommission vorzusehen, der – mit wechselseitigem Letztentscheidungsrecht – die Möglichkeit eingeräumt wird, die ihr zugewiesenen Fälle zu entscheiden. Hilfreich kann dies bei Streitigkeiten über die Eingruppierung von Arbeitnehmern in betriebliche Entgeltsysteme oder die Feststellung eines Härtefalls im Zusammenhang mit der Abwicklung einer Restrukturierung sein. Natürlich sind innerbetriebliche Schlichtungsverfahren mit dem Risiko verknüpft, dass Entscheidungen getroffen werden, mit der eine der beiden Seiten nicht gerechnet hat. Der Vorteil liegt allerdings typischerweise darin, dass sie schneller als ein Gerichtsverfahren durchgeführt werden können. Sie sind darüber hinaus betriebsnäher und – bei entsprechender Ausgestaltung – durchaus geeignet, zu ausgewogenen und damit tatsächlich befriedenden Lösungen zu kommen. (Ga)

10. Präjudizielle Wirkung eines Beschlussverfahrens zu Mitbestimmungsrechten bei Anrechnung übertariflicher Zulagen Grundsätzlich setzt die wirksame Anrechnung einer übertariflichen Zulage nicht nur voraus, dass die einzelvertraglichen Voraussetzungen hierfür gesetzt wurden. Dabei kommt es vor allem auf eine Gestaltung des Arbeitsvertrags an, die den Grundsätzen der AGB-Kontrolle aus §§ 305 ff. BGB Rechnung trägt. Unabhängig davon ist die Wirksamkeit der Anrechnung auch daran geknüpft, dass ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus 591

Präjudizielle Wirkung eines Beschlussverfahrens zu Mitbestimmungsrechten

es Sinn, ein obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren vorzusehen. Dies kann zunächst einmal nur Gespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Inhalt haben. Denkbar ist auch, dass diese Gespräche in eine ständige Einigungsstelle verlagert werden. Wichtig allerdings ist, in der Betriebsvereinbarung erkennbar zu machen, ob dieses Verfahren freiwilliger oder obligatorischer Natur ist. Nur bei einem obligatorischen Schlichtungsverfahren ist die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nicht zulässig. Ergänzend hierzu ist festzulegen, ob im Rahmen des Schlichtungsverfahrens auch abschließende Entscheidungen zu Lasten der Betriebspartner getroffen werden können. Dabei kann zwischen Rechts- und Regelungsfragen differenziert werden. Insoweit ist es denkbar, in Regelungsfragen der Einigungsstelle eine abschließende Entscheidungsbefugnis zuzuerkennen, für Rechtsfragen allerdings auch auf die Anrufung des Arbeitsgerichts zu verweisen, falls vorangehende Gespräche mit dem Ziel einer Einigung scheitern. Denkbar ist darüber hinaus, bei Regelungsfragen anstelle der Einigungsstelle eine paritätisch besetzte Kommission vorzusehen, der – mit wechselseitigem Letztentscheidungsrecht – die Möglichkeit eingeräumt wird, die ihr zugewiesenen Fälle zu entscheiden. Hilfreich kann dies bei Streitigkeiten über die Eingruppierung von Arbeitnehmern in betriebliche Entgeltsysteme oder die Feststellung eines Härtefalls im Zusammenhang mit der Abwicklung einer Restrukturierung sein. Natürlich sind innerbetriebliche Schlichtungsverfahren mit dem Risiko verknüpft, dass Entscheidungen getroffen werden, mit der eine der beiden Seiten nicht gerechnet hat. Der Vorteil liegt allerdings typischerweise darin, dass sie schneller als ein Gerichtsverfahren durchgeführt werden können. Sie sind darüber hinaus betriebsnäher und – bei entsprechender Ausgestaltung – durchaus geeignet, zu ausgewogenen und damit tatsächlich befriedenden Lösungen zu kommen. (Ga)

10. Präjudizielle Wirkung eines Beschlussverfahrens zu Mitbestimmungsrechten bei Anrechnung übertariflicher Zulagen Grundsätzlich setzt die wirksame Anrechnung einer übertariflichen Zulage nicht nur voraus, dass die einzelvertraglichen Voraussetzungen hierfür gesetzt wurden. Dabei kommt es vor allem auf eine Gestaltung des Arbeitsvertrags an, die den Grundsätzen der AGB-Kontrolle aus §§ 305 ff. BGB Rechnung trägt. Unabhängig davon ist die Wirksamkeit der Anrechnung auch daran geknüpft, dass ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus 591

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachtet wird. Denn die Nichtbeachtung dieses Mitbestimmungsrechts hätte zur Folge, dass die Anrechnung selbst dann unwirksam ist, wenn die einzelvertraglich vereinbarten Voraussetzungen erfüllt sind. Das folgt aus der sogenannten Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung, die die Rechtsprechung als Sanktion einer etwaigen Missachtung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG entwickelt hat 68. Mit Urteil vom 23.2.2016 69 hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die insoweit maßgebliche Frage über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats im Rahmen eines Beschlussverfahrens mit präjudizieller Wirkung für ein etwaiges Urteilsverfahren entschieden werden kann, in dem der Arbeitnehmer die ungekürzte Auszahlung der übertariflichen Zulage mit der Begründung geltend macht, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beachtet worden sei. Nach den Feststellungen des BAG können rechtskräftige Beschlüsse im Beschlussverfahren über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten für spätere Individualstreitigkeiten auch dann präjudizielle Bindungswirkung entfalten, wenn der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren nicht beteiligt war. So sei etwa bei Entscheidungen über die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Betriebsänderung für nachfolgende Ansprüche auf Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG) oder eine Maßnahme des Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine aus der Rechtskraft folgende Präklusionswirkung anzunehmen 70. Unabhängig von Abgrenzungsfragen und terminologischen Unterschieden im Einzelnen sei eine präjudizielle Bindungswirkung oder Präklusionswirkung auch außerhalb ausdrücklicher Präklusionsnormen und des durch § 325 ZPO vorgegebenen Rahmens gerechtfertigt, wenn die Rechtslage des Arbeitnehmers primär durch eine kollektivrechtliche Vorfrage geprägt und daher seine individuelle Position in ein übergreifendes Bezugssystem eingebettet sei. Allein dem Betriebsrat und nicht dem einzelnen Arbeitnehmer sei die Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zugewiesen. In der Folge könnten einzelne Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Betriebsrat verlangen, in einem bestimmten Sinne tätig zu werden, also etwa die Zustimmung zu einer mitbestimmenden Maßnahme zu verweigern. Folgerichtig könne sich der einzelne Arbeitnehmer auch dann, wenn er an dem vorherigen Beschlussverfahren nicht beteiligt gewesen sei, im nachfolgenden Individualprozess nicht darauf berufen, die Ent-

68 BAG v. 23.2.2016 – 1 AZR 73/14, NZA 2016, 906 ff. 69 1 AZR 73/14, NZA 2016, 906 Rz. 21 ff. 70 So bereits BAG v. 10.3.1998 – 1 AZR 658/97, NZA 1998, 1242 ff.

592

Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

scheidung über die kollektivrechtliche Streitfrage, die als Vorfrage auch im Individualprozess zu beantworten sei, sei falsch 71. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn – wie dies im vorliegenden Rechtsstreit geschehen war – in einem vorangegangenen Beschlussverfahren rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tarifentgelterhöhungen auf freiwillige übertarifliche Zulagen befunden worden ist. Der Arbeitnehmer könne – so das BAG – den auf die kollektivrechtliche Unwirksamkeit der Anrechnung gestützten Anspruch auf ungekürzte Zulagenzahlung nicht unabhängig von den für die Betriebsparteien rechtskräftigen betriebsverfassungsrechtlichen Beurteilungen des Anrechnungstatbestands geltend machen. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bezwecke den Schutz des Mitbestimmungsrechts. Ein hierauf gestützter Anspruch setze ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus. Sei in einem Beschlussverfahren allerdings rechtskräftig geklärt, dass kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bestehe, fehle es an einem zu schützenden Mitbestimmungsrecht, das durch die Anerkennung der (individualrechtlich wirkenden) Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu flankieren oder zu sichern sei. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt, dass der Betriebsrat und die durch ihn wahrzunehmende Mitbestimmung individualrechtliche Rechtspositionen nicht nur begründen, sondern auch verkürzen kann. (Ga)

11.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Grundsätzlich hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Hierzu gehört auch die „Klärung von Möglichkeiten“ eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM), wie es durch § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX vorgegeben ist. Der Betriebsrat hat deshalb bei der Ausgestaltung der „Klärung von Möglichkeiten“ ein Initiativrecht, kraft dessen er

71 BAG v. 23.2.2016 – 1 AZR 73/14, NZA 2016, 906 Rz. 22; BAG v. 10.3.1998 – 1 AZR 658/97, NZA 1998, 1242 ff.; BAG v. 3.7.1996 – 2 AZR 813/95, NZA 1997, 607 ff.

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Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

scheidung über die kollektivrechtliche Streitfrage, die als Vorfrage auch im Individualprozess zu beantworten sei, sei falsch 71. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn – wie dies im vorliegenden Rechtsstreit geschehen war – in einem vorangegangenen Beschlussverfahren rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tarifentgelterhöhungen auf freiwillige übertarifliche Zulagen befunden worden ist. Der Arbeitnehmer könne – so das BAG – den auf die kollektivrechtliche Unwirksamkeit der Anrechnung gestützten Anspruch auf ungekürzte Zulagenzahlung nicht unabhängig von den für die Betriebsparteien rechtskräftigen betriebsverfassungsrechtlichen Beurteilungen des Anrechnungstatbestands geltend machen. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bezwecke den Schutz des Mitbestimmungsrechts. Ein hierauf gestützter Anspruch setze ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus. Sei in einem Beschlussverfahren allerdings rechtskräftig geklärt, dass kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bestehe, fehle es an einem zu schützenden Mitbestimmungsrecht, das durch die Anerkennung der (individualrechtlich wirkenden) Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu flankieren oder zu sichern sei. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie zeigt, dass der Betriebsrat und die durch ihn wahrzunehmende Mitbestimmung individualrechtliche Rechtspositionen nicht nur begründen, sondern auch verkürzen kann. (Ga)

11.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Grundsätzlich hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Hierzu gehört auch die „Klärung von Möglichkeiten“ eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM), wie es durch § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX vorgegeben ist. Der Betriebsrat hat deshalb bei der Ausgestaltung der „Klärung von Möglichkeiten“ ein Initiativrecht, kraft dessen er

71 BAG v. 23.2.2016 – 1 AZR 73/14, NZA 2016, 906 Rz. 22; BAG v. 10.3.1998 – 1 AZR 658/97, NZA 1998, 1242 ff.; BAG v. 3.7.1996 – 2 AZR 813/95, NZA 1997, 607 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

vom Arbeitgeber verlangen kann, durch generelle Verfahrensregelungen den Klärungsprozess nach § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX auszugestalten 72.

a)

Umfang des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG

Wichtig für die Kennzeichnung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist allerdings, dass § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX als Rahmenvorschrift nur das Verfahren über die „Klärung von Möglichkeiten“ eines bEM mit dem Ziel erfasst, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Nur dieser Klärungsprozess, der in § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht als ein formalisiertes Verfahren beschrieben wird, lässt Arbeitgeber und Betriebsrat einen Spielraum zur weiteren Ausgestaltung. Dabei geht es um die Etablierung eines unverstellten verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozesses. Dieser Suchprozess wird, wenn der Arbeitnehmer sein Einverständnis erteilt, unter Einbeziehung des Betriebsrats vorgenommen. Es besteht allerdings keine Notwendigkeit, dabei zu einer einvernehmlichen Bewertung zu kommen. Denkbar ist, dass trotz Einbeziehung der in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Personen zum Abschluss ein Dissens über die „Möglichkeiten“, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern, besteht. Es obliegt dann dem Arbeitgeber, unter Berücksichtigung der übrigen Handlungsvorgaben u. a. aus §§ 81 Abs. 4 SGB IX, 241 Abs. 2 BGB, 1 Abs. 2 KSchG Maßnahmen zu ergreifen, die einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses entgegenwirken. Denn die Umsetzung konkreter Maßnahmen, die auch durch das Verfahren nach § 83 Abs. 2 SGB IX erkennbar werden, obliegt allein dem Arbeitgeber und wird von § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht erfasst. Folgerichtig hat der Betriebsrat auch kein Mitbestimmungsrecht bei der anschließenden Umsetzung konkreter Maßnahmen 73.

72 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 12. 73 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 10 f., 23 ff., 27; Kossens/Von der Heide/Maaß/Kossens, SGB IX § 84 Rz. 40; Dau/Düwell/Joussen/Düwell, SGB IX § 84 Rz. 68.

594

Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

b)

Entscheidungsbefugnisse einer Einigungsstelle

Auf der Grundlage dieser grundsätzlichen Feststellungen hat das BAG mit Beschluss vom 22.3.2016 74 die Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs festgestellt, mit dem umfangreiche Handlungsvorgaben des Arbeitgebers und Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung des bEM festgeschrieben worden waren. In ganz wesentlichen Teilen waren diese Vorgaben nicht durch das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gedeckt, weil die insoweit maßgebliche Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 SGB IX hierzu selbst keine Handlungspflicht des Arbeitgebers geschaffen hatte. aa)

Information der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber

Hiervon ausgehend hat das BAG zunächst einmal klargestellt, dass der Betriebsrat aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG heraus nicht verlangen könne, sämtliche betriebsangehörigen Arbeitnehmer über das bEM zu informieren. Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber ohne Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, zu einem klärenden Gespräch i. S. d. § 84 Abs. 2 SGB IX einzuladen. Auch diese Einladung zum bEM selbst obliegt in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung dem Arbeitgeber. Dabei ist der Arbeitnehmer zuvor gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hinzuweisen 75. Wie das BAG bereits im Urteil vom 20.11.2014 76 ausgeführt hat, erfordert dieser Hinweis eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX hinausgeht 77. Zu diesen Zielen rechne die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis (nicht: der Arbeitsplatz) erhalten werden könne. Insoweit muss der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer deutlich machen, dass es um die Grundlage seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann. Schließlich soll der Arbeitgeber auf diese Weise einen „unverstellten“, verlaufs- und ergebnisoffenen Suchpro-

74 75 76 77

1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 13 ff. Vgl. BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 23. 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rz. 32. Ebenso BVerfG v. 23.6.2010 – 6 P8/09, NZA-RR 2010, 554 Rz. 52.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

zess“ etablieren, dessen Verlauf sich nach den Erfordernissen des jeweiligen Einzelfalls zu richten hat 78. Daneben ist – so das BAG – ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Hierzu müsse dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten i. S. d. § 3 Abs. 9 BDSG – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht würden. Nur bei entsprechender Unterrichtung könne vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein 79. bb)

Festlegung der Verantwortlichen für die Durchführung des Eingliederungsmanagements

Das Gesetz enthält keine Vorgabe, wer auf Seiten des Arbeitgebers für die Durchführung des bEM zuständig ist. Damit kann aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch keine Berechtigung des Betriebsrats abgeleitet werden, ggf. über einen Spruch der Einigungsstelle die auf Arbeitgeberseite zu beteiligenden Personen nach Funktion, Anzahl oder sonstiger Kennzeichnung festzulegen. Ebenso wenig besteht die Befugnis, die Bildung von Integrationsteams zu verlangen, die – ggf. mit paritätischer Besetzung – das dem Arbeitgeber obliegende bEM durchführen. Die Einbindung eines gemeinsamen Ausschusses von Arbeitgeber und Betriebsrat, die im Zusammenhang mit der Durchführung des bEM auf freiwilliger Ebene nicht ausgeschlossen ist, bedarf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die nicht erzwingbar ist (§ 28 Abs. 2 BetrVG). cc)

Durchführung des Klärungsprozesses

Ausgehend von einem unverstellten, verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess sind in § 84 Abs. 2 SGB IX keine weitergehenden Vorgaben für eine Durchführung des Klärungsprozesses enthalten. Allen Beteiligten soll also Spielraum gelassen werden, damit – so das BAG – keine der vernünftigerweise in Betracht kommenden zielführenden Möglichkeiten ausgeschlossen wird. Insofern schreibe das Gesetz weder bestimmte Mittel vor, die auf jeden - oder auf gar keinen - Fall in Erwägung zu ziehen seien, noch beschreibe es bestimmte Ergebnisse, die das Eingliederungsmanagement haben müsse oder nicht haben dürfe. § 84 Abs. 2 SGB IX vertraue darauf, dass die Einbeziehung von Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsrat und externen Stel78 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 198/09, NZA 2010, 639 Rz. 18. 79 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rz. 32.

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Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

len sowie die abstrakte Beschreibung des Ziels ausreichten, um die Vorstellungen der Betroffenen sowie die der internen und externen Sachverständigen in ein faires und sachorientiertes Gespräch einzubringen, dessen Verlauf und Ergebnis einzelfallbezogen bestimmt werde 80. Auf eben diesen Klärungsprozess und seine Ausgestaltung bezieht sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Gerade weil aber eine einzelfallbezogene Erörterung der jeweils denkbaren Möglichkeiten geboten ist, liegt es nahe, bei seiner Konkretisierung durch Betriebsvereinbarung keine festen Regeln aufzusetzen. Vielmehr ist es sinnvoll, entsprechend dem allgemeinen Ziel abstrakt-generelle Handlungsvorgaben für alle Beteiligten festzuhalten. Dies gilt umso mehr, als § 84 Abs. 2 SGB IX vom Arbeitgeber nicht verlangt, bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Vielmehr hat es – so das BAG – jeder am bEM Beteiligte – auch der Arbeitnehmer – selbst in der Hand, alle ihm sinnvoll erscheinenden Gesichtspunkte und Lösungsmöglichkeiten in das Gespräch einzubringen. Darauf kann und soll in einer Betriebsvereinbarung und der daran anknüpfenden Einladung des Arbeitgebers zur Teilnahme am bEM hingewiesen werden. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG eröffnet – wie das BAG im Beschluss vom 22.3.2016 81 deutlich macht – auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung, welche Personen an welchem Teil des Klärungsprozesses nach § 84 Abs. 2 SGB IX zu beteiligen sind. Allerdings differenziert der 1. Senat des BAG: Kein Mitbestimmungsrecht bestehe nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wenn es um die Teilnahme des Betriebsrats an dem Erstgespräch des Arbeitgebers mit dem betroffenen Arbeitnehmer und der Erörterung seiner gesundheitlichen Einschränkungen sowie deren Auswirkungen gehe. Ein Anwesenheitsrecht des Betriebsrats oder eines von ihm benannten Vertreters bei diesen Gesprächen des Arbeitgebers mit dem betroffenen Arbeitnehmer sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr geht das Gesetz nach dem Verständnis des BAG davon aus, dass im Anschluss an das Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – soweit dieser sein Einverständnis erteilt – eine Unterrichtung des Betriebsrats sowie – bei schwerbehinderten Menschen – der Schwerbehindertenvertretung erfolgt, damit die Betriebsparteien mit dem Ziel einer Verständigung über die bestehenden Möglichkeiten für ein bEM beraten können. Eine Beteiligung des Arbeitnehmers an dieser Beratung der Betriebsparteien sieht § 84 Abs. 2 SGB IX nach diesem Verständnis des BAG nicht vor. Eine gemeinsame Durchführung sowohl des aufklärenden Erstgesprächs als auch der anschließenden Beratung zwischen 80 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 198/09, NZA 2010, 639 Rz. 18. 81 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 29.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

den Betriebsparteien erscheint damit allerdings nicht ausgeschlossen, ja sogar sinnvoll. Wichtig ist allerdings, dass es keine Möglichkeit des Betriebsrats gibt, diese Verknüpfung der beiden Gesprächsebenen im Wege des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG durchzusetzen 82. dd)

Umsetzung der Ergebnisse des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Die Umsetzung der Ergebnisse des bEM obliegt allein dem Arbeitgeber. Dies gilt auch für eine etwaige Dokumentation von Maßnahmen, die auf organisatorischer und/oder personeller Ebene ergriffen werden. Folgerichtig besteht hier auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, das durch Spruch der Einigungsstelle konkretisiert werden kann 83. Insbesondere ist die Einigungsstelle nicht berechtigt, bestimmte Maßnahmen des Arbeitgebers im Vollzug der Ergebnisse des bEM von einer Zustimmung des Betriebsrats abhängig zu machen. Seine dahingehenden Beteiligungsrechte sind abschließend durch §§ 99, 102 BetrVG geregelt, soweit personelle Einzelmaßnahmen in Rede stehen. Bei einer etwaigen Umgestaltung des Arbeitsplatzes und/oder der Arbeitszeit bestimmt sich seine etwaige Beteiligung durch §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3, 90 f. BetrVG.

c)

Fazit

Die vorstehend behandelte Entscheidung des BAG enthält eine Vielzahl für die Betriebspraxis außerordentlich wichtiger Hinweise. Unter Einbeziehung seiner früheren Klarstellungen zu den durch § 84 Abs. 2 SGB IX begründeten Handlungspflichten ist es wichtig, die im Betrieb etablierten Verfahren zur Durchführung des bEM darauf auszurichten. Dies gilt nicht nur für etwaige Betriebsvereinbarungen, die – insbesondere im Rahmen des Gesundheitsmanagements – sinnvoll erscheinen. Ebenso wichtig ist es, in den Personalbereichen die richterrechtlich entwickelten Anforderungen bei der Ausgestaltung der diesbezüglichen Kommunikation mit den Arbeitnehmern zu berücksichtigen 84. Schließlich ist die ordnungsgemäße Durchführung des bEM zwar keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die fehlende Durchführung des bEM oder die Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben bei dem Versuch des bEM aber 82 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 29. 83 So BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rz. 23 ff. 84 Vgl. hierzu auch Vossen, DB 2016, 1814 ff.; Schiefer, RdA 2016, 196 ff.; Anton-DyckBoehm, ArbRB 2016, 2010 ff., deren Musterformulierung für das Angebot eines bEM in Teilen allerdings einer sehr kritischen Überprüfung unterworfen werden sollte.

598

Ausschreibung von Arbeitsplätzen

unmittelbare Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, dem deshalb insbesondere bei Kurzerkrankungen im Regelfall eine substantiierte Begründung der krankheitsbedingten Kündigung nicht mehr möglich ist 85. Die Nichtbeachtung des bEM kann durch den Betriebsrat auch im Rahmen von § 84 Abs. 2 S. 7 SGB IX überwacht werden. Dabei dürfte auch ein Anspruch darauf bestehen, die Namen der Beschäftigten zu erhalten, denen ein bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX angeboten werden muss, ohne dass hierfür eine Zustimmung der Betroffenen notwendig ist 86. (Ga)

12. Ausschreibung von Arbeitsplätzen bei beabsichtigter Besetzung mit Leiharbeitnehmern Gemäß § 93 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Nach dem Verständnis des BAG bezieht sich diese durch ein solches Verlangen des Betriebsrats ausgelöste Ausschreibungspflicht auch auf Arbeitsplätze, die nach dem Willen des Arbeitgebers durch Leiharbeitnehmer besetzt werden sollen, sofern deren Einsatzzeit jedenfalls vier Wochen beträgt 87. In seinem Urteil vom 7.6.2016 88 hat das BAG nun deutlich gemacht, wie diese Ausschreibungspflicht tatsächlich in der betrieblichen Praxis umgesetzt werden muss. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Beteiligten über inhaltliche Anforderungen an innerbetriebliche Ausschreibungen von Arbeitsplätzen, die kurzzeitig mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollten. Der Betriebsrat verlangte, dass die Stellenausschreibung nicht nur die Möglichkeit einer Bewerbung bei den Leiharbeitsunternehmen aufzeigen sollte. Vielmehr sollte sie auch die Möglichkeit benennen, sich innerbetrieblich bei dem Arbeitgeber auf die ausgeschriebene Stelle zu den im Betrieb des Arbeitgebers für solche Stellen betriebsüblichen Konditionen zu bewerben.

85 Vgl. BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249 Rz. 28; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rz. 39; LAG Hamm v. 19.7.2016 – 7 Sa 1707/15, DB 2016, 2244 Rz. 53 ff. 86 Vgl. BVerwG v. 4.9.2012 – 6 P 5.11, NZA-RR 2013, 168 Rz. 10; BayVwGH v. 15.3.2016 – 17 P 14.2689, NZA-RR 2016, 392 (LS) Rz. 26 ff. 87 BAG v. 7.6.2016 – 1 ABR 33/14, Rz. 17; BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214. Rz. 19. 88 1 ABR 33/14, NZA 2016, 1226 Rz. 16 ff.

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Ausschreibung von Arbeitsplätzen

unmittelbare Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, dem deshalb insbesondere bei Kurzerkrankungen im Regelfall eine substantiierte Begründung der krankheitsbedingten Kündigung nicht mehr möglich ist 85. Die Nichtbeachtung des bEM kann durch den Betriebsrat auch im Rahmen von § 84 Abs. 2 S. 7 SGB IX überwacht werden. Dabei dürfte auch ein Anspruch darauf bestehen, die Namen der Beschäftigten zu erhalten, denen ein bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX angeboten werden muss, ohne dass hierfür eine Zustimmung der Betroffenen notwendig ist 86. (Ga)

12. Ausschreibung von Arbeitsplätzen bei beabsichtigter Besetzung mit Leiharbeitnehmern Gemäß § 93 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Nach dem Verständnis des BAG bezieht sich diese durch ein solches Verlangen des Betriebsrats ausgelöste Ausschreibungspflicht auch auf Arbeitsplätze, die nach dem Willen des Arbeitgebers durch Leiharbeitnehmer besetzt werden sollen, sofern deren Einsatzzeit jedenfalls vier Wochen beträgt 87. In seinem Urteil vom 7.6.2016 88 hat das BAG nun deutlich gemacht, wie diese Ausschreibungspflicht tatsächlich in der betrieblichen Praxis umgesetzt werden muss. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Beteiligten über inhaltliche Anforderungen an innerbetriebliche Ausschreibungen von Arbeitsplätzen, die kurzzeitig mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollten. Der Betriebsrat verlangte, dass die Stellenausschreibung nicht nur die Möglichkeit einer Bewerbung bei den Leiharbeitsunternehmen aufzeigen sollte. Vielmehr sollte sie auch die Möglichkeit benennen, sich innerbetrieblich bei dem Arbeitgeber auf die ausgeschriebene Stelle zu den im Betrieb des Arbeitgebers für solche Stellen betriebsüblichen Konditionen zu bewerben.

85 Vgl. BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249 Rz. 28; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rz. 39; LAG Hamm v. 19.7.2016 – 7 Sa 1707/15, DB 2016, 2244 Rz. 53 ff. 86 Vgl. BVerwG v. 4.9.2012 – 6 P 5.11, NZA-RR 2013, 168 Rz. 10; BayVwGH v. 15.3.2016 – 17 P 14.2689, NZA-RR 2016, 392 (LS) Rz. 26 ff. 87 BAG v. 7.6.2016 – 1 ABR 33/14, Rz. 17; BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214. Rz. 19. 88 1 ABR 33/14, NZA 2016, 1226 Rz. 16 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Der 1. Senat des BAG hat einen solchen Anspruch des Betriebsrats abgelehnt. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass in § 93 BetrVG keine ausdrücklichen Bestimmungen enthalten seien, welche Anforderungen an Inhalt, Form und Frist einer Ausschreibung sowie deren Bekanntmachung zu stellen sind. Die konkrete Ausgestaltung obliege deshalb dem Arbeitgeber, falls keine weitergehenden Regelungen durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung getroffen würden. Erforderlich sei lediglich, dass die Ausschreibung erkennen lasse, um welchen Arbeitsplatz es sich handele und welche Anforderungen ein Bewerber erfüllen müsse 89. Hiervon ausgehend gehöre es bei Arbeitsplätzen, die der Arbeitgeber mit Leiharbeitnehmern besetzen wolle, nicht zu den (Mindest-)Anforderungen einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung i. S. d. § 93 BetrVG, die Möglichkeiten aufzuzeigen, die Bewerbung an den Arbeitgeber zu richten, um mit diesem (bei entsprechender Auswahlentscheidung) einen (geänderten) – und nach der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung auch kurzzeitig befristeten – Vertrag zu schließen. Dafür spreche bereits der Wortlaut des § 93 BetrVG: Innerhalb des Betriebs auszuschreiben sei der „Arbeitsplatz“, nicht das „Arbeitsverhältnis“. Auch werde dem Normzweck des § 93 BetrVG genügt, wenn betriebsintern bekannt gemacht werde, dass im Betrieb zu besetzende Arbeitsplätze existierten, auch wenn der Arbeitgeber selbst kein Arbeitsverhältnis begründen wolle. Die betriebsinterne Offerte eines mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzenden Arbeitsplatzes könne für Vertragsbeschäftigte der Arbeitgeberin eine Möglichkeit zur Bewerbung bieten, etwa wenn deren befristete Arbeitsverhältnisse endeten oder bei einer Teilzeitbeschäftigung Interesse an einem weiteren Arbeitsverhältnis mit einem Verleihunternehmen bestünde. Darüber hinaus könne sie bereits im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer ansprechen 90. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass sich daran auch durch den Umstand nichts ändert, dass §§ 81 Abs. 4 SGB IX, 241 Abs. 2 BGB den Arbeitgeber verpflichten können, einen behinderten Mensch vorrangig auf den eigentlich für die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers vorgesehenen Arbeitsplatz zu versetzen, um dessen (bevorrechtigtes) Interesse an einer Be-

89 BAG v. 7.6.2016 – 1 ABR 33/14, NZA 2016, 1226 Rz. 19; BAG v. 6.10.2010 – 7 ABR 18/09, NZA 2011, 360 Rz. 17. 90 BAG v. 7.6.2016 – 1 ABR 33/14, NZA 2016, 1226 Rz. 20.

600

Ausschreibung von Arbeitsplätzen

schäftigung zu erfüllen. Diese Einschränkung bei der Besetzungsentscheidung bedinge aber – so das BAG – keine generelle Pflicht, eine Stellenofferte i. S. d. § 93 BetrVG in der hier vom Betriebsrat verlangten Art und Weise abzufassen 91. (Ga)

91 BAG v. 7.6.2016 – 1 ABR 33/14, NZA 2016, 1226 Rz. 21.

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I. 1.

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Sozialplanabfindung: Benachteiligung wegen Behinderung

Bereits im Frühjahr hatten wir auf das Urteil des BAG vom 17.11.2015 1 hingewiesen 2. Grundlage war die damals vorliegende Pressemitteilung. In dem jetzt in seiner vollständigen Ausfertigung vorliegenden Urteil macht der 1. Senat des BAG noch einmal deutlich, dass eine Benachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer bei der Berechnung des Anspruchs auf eine Sozialplanabfindung im Zweifel nach §§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG unwirksam ist. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der schwerbehinderte Kläger von einer betriebsbedingten Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wegen der Stilllegung einer Betriebsabteilung betroffen. In dem hierzu abgeschlossenen Sozialplan hatten Arbeitgeber und Betriebsrat zwar zunächst einmal eine allgemeine Abfindungsformel vereinbart, nach der sich die Höhe der Abfindung unter Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des individuellen Monatsentgelts und eines Altersfaktors ergeben sollte. Der maximale Abfindungsbetrag war dabei auf 65.000 € (brutto) begrenzt. Abweichend hiervon hatten die Parteien allerdings in Bezug auf schwerbehinderte Arbeitnehmer vereinbart: Mitarbeiter, die aufgrund einer Schwerbehinderung zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente in Anspruch nehmen können, haben keinen Anspruch auf Abfindung nach der vorstehenden Faktorenberechnung. Diese erhalten eine Abfindung in Höhe von EUR 10.000,00 brutto.

Ergänzend hierzu war festgelegt worden, dass Schwerbehinderte oder einem Schwerbehinderten Gleichgestellte i. S. d. Schwerbehindertengesetzes, die beim rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses schwerbehindert sind, einen Zuschlag zur Abfindung in Höhe von 1.000,00 € (brutto) erhalten. Auf der Grundlage dieser Regelung sollte der Kläger eine Abfindung in Höhe von 11.000,00 € (brutto) erhalten. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Abfindungsformel hätte er eine Abfindung in Höhe von 64.558,00 € (brutto) erhalten können.

1 2

1 AZR 938/13, NZA 2016, 501. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 281 f.

603

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Zu Recht hat er die darin liegende Minderung des Abfindungsanspruchs wegen seiner Schwerbehinderung für unzulässig gehalten. Konsequenz daraus ist, dass dem Kläger – wie auch den übrigen Mitarbeitern – eine Abfindung nach Maßgabe der allgemeinen Abfindungsformel gezahlt werden muss. Die hiervon abweichende Regelung war mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) nicht vereinbar und deshalb nicht anwendbar. Grundsätzlich verbietet § 75 Abs. 1 BetrVG Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Differenziert ein Sozialplan über die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, muss deshalb auch eine Benachteiligung wegen Behinderung unterbleiben. Maßstab sind dabei die Grundsätze, wie sie zur Benachteiligung in § 3 AGG bestimmt werden. Hiervon ausgehend enthält die Sonderregelung für schwerbehinderte Arbeitnehmer eine Benachteiligung, die unmittelbar an das Merkmal der Schwerbehinderung geknüpft ist. Diese Differenzierung hat für den Kläger offenkundig auch eine Benachteiligung zur Folge, obwohl er sich in Bezug auf seine durch die Betriebsänderung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG mit den nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern befindet. Denn ebenso wie diese verliert er – so das BAG – infolge der Betriebsänderung und dem damit verbundenen Verlust seines Arbeitsplatzes einen Anspruch auf das bisher gewährte Arbeitsentgelt. Dass er als Folge seiner Schwerbehinderung die Möglichkeit hat, zu einem früheren Zeitpunkt (ungekürzte) gesetzliche Altersrente in Anspruch zu nehmen, bewirkt nicht, dass er sich in einer anderen Situation als die nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer befindet. Darauf hatte bereits der EuGH in seinem Urteil vom 6.12.2012 3 hingewiesen. Ebenso unerheblich ist, dass in der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des AGG zum Teil eine hiervon abweichende Auffassung vertreten worden war 4. Rechtsfolge der jetzt geltenden Rechtslage ist, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer verlangen kann, wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer behandelt zu werden 5. Wichtig ist, bei der Ausgestaltung betrieblicher Sozialplanregelungen dieses Differenzierungsverbot zu berücksichtigen. Es trägt schlussendlich dem Umstand Rechnung, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer zwar früher ge-

3 4 5

C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 62 – Odar. BAG v. 17.11.2015 – 1 AZR 938/13, NZA 2016, 501 Rz. 26 ff., 29, 33. BAG v. 17.11.2015 – 1 AZR 938/13, NZA 2016, 501 Rz. 34.

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Altersdiskriminierung durch Abfindungsausschluss bei Anspruch auf Betriebsrente

setzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber deutlich stärker belastet werden, als dies bei Arbeitnehmern ohne eine solche Schwerbehinderung in der Regel der Fall ist. Wenn und soweit Sozialplanregelungen Ausschlusstatbestände oder Kürzungsregelungen enthalten, die an die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von (ungekürzter) gesetzlicher Altersrente anknüpfen, ist dies zwar mit Blick auf die Regelaltersrente, die Altersrente langjährig Versicherter oder die Altersrente besonders langjährig Versicherter zulässig. Klarstellend sollte allerdings festgehalten werden, dass eine Altersrente wegen Schwerbehinderung in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung findet. (Ga)

2.

Altersdiskriminierung durch Abfindungsausschluss bei Anspruch auf Betriebsrente

In seinen früheren Entscheidungen hatte der EuGH klargestellt, dass es mit dem Verbot einer Altersdiskriminierung vereinbar ist, Arbeitnehmer von der Gewährung einer Abfindung auszunehmen, wenn sie unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine ungekürzte gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer keine solche Altersrente in Anspruch nimmt, insbesondere dann, wenn eine Anschlussbeschäftigung ausgeübt wird 6. Die Unsicherheit, die mit der Andersen-Entscheidung des EuGH vom 12.10.2010 7 noch verbunden war, ist mit diesen Entscheidungen ausgeräumt worden. Wir hatten darüber berichtet 8. In seinem Urteil vom 19.4.2016 9 hat der EuGH jetzt allerdings klargestellt, dass ein Anspruch auf Betriebsrente nicht genügt, um einen Arbeitnehmer von der Zahlung einer Abfindung wegen der betriebsbedingten Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auszunehmen. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger im Alter von 60 Jahren betriebsbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hatte eine Anschlussbeschäftigung aufgenommen. Da er zu diesem Zeitpunkt mehr als 25 Jahre im Dienste des Arbeitgebers gestanden hatte, bestimmte das insoweit maßgebliche dänische Gesetz an sich, dass ihm eine Entlassungsabfindung in Höhe von drei Monatsgehältern gezahlt werden sollte. Die hierzu ergan6 7 8 9

Vgl. EuGH v. 26.2.2015 – C-515/13, NZA 2015, 473 – Landin; EuGH v. 1.10.2015 – C-432/14, NZA 2015, 1309 – Sarl. C-499/08, NZA 2010, 1341 – Andersen. B. Gaul, AktuellAR 2015, 279 ff. C-441/14, NZA 2016, 537 Rz. 21 ff., 27 – Dansk Industri.

605

Altersdiskriminierung durch Abfindungsausschluss bei Anspruch auf Betriebsrente

setzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber deutlich stärker belastet werden, als dies bei Arbeitnehmern ohne eine solche Schwerbehinderung in der Regel der Fall ist. Wenn und soweit Sozialplanregelungen Ausschlusstatbestände oder Kürzungsregelungen enthalten, die an die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von (ungekürzter) gesetzlicher Altersrente anknüpfen, ist dies zwar mit Blick auf die Regelaltersrente, die Altersrente langjährig Versicherter oder die Altersrente besonders langjährig Versicherter zulässig. Klarstellend sollte allerdings festgehalten werden, dass eine Altersrente wegen Schwerbehinderung in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung findet. (Ga)

2.

Altersdiskriminierung durch Abfindungsausschluss bei Anspruch auf Betriebsrente

In seinen früheren Entscheidungen hatte der EuGH klargestellt, dass es mit dem Verbot einer Altersdiskriminierung vereinbar ist, Arbeitnehmer von der Gewährung einer Abfindung auszunehmen, wenn sie unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine ungekürzte gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer keine solche Altersrente in Anspruch nimmt, insbesondere dann, wenn eine Anschlussbeschäftigung ausgeübt wird 6. Die Unsicherheit, die mit der Andersen-Entscheidung des EuGH vom 12.10.2010 7 noch verbunden war, ist mit diesen Entscheidungen ausgeräumt worden. Wir hatten darüber berichtet 8. In seinem Urteil vom 19.4.2016 9 hat der EuGH jetzt allerdings klargestellt, dass ein Anspruch auf Betriebsrente nicht genügt, um einen Arbeitnehmer von der Zahlung einer Abfindung wegen der betriebsbedingten Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auszunehmen. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger im Alter von 60 Jahren betriebsbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hatte eine Anschlussbeschäftigung aufgenommen. Da er zu diesem Zeitpunkt mehr als 25 Jahre im Dienste des Arbeitgebers gestanden hatte, bestimmte das insoweit maßgebliche dänische Gesetz an sich, dass ihm eine Entlassungsabfindung in Höhe von drei Monatsgehältern gezahlt werden sollte. Die hierzu ergan6 7 8 9

Vgl. EuGH v. 26.2.2015 – C-515/13, NZA 2015, 473 – Landin; EuGH v. 1.10.2015 – C-432/14, NZA 2015, 1309 – Sarl. C-499/08, NZA 2010, 1341 – Andersen. B. Gaul, AktuellAR 2015, 279 ff. C-441/14, NZA 2016, 537 Rz. 21 ff., 27 – Dansk Industri.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

gene Rechtsprechung sah allerdings vor, dass keine Abfindung gezahlt wurde, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Ausscheidens das 60. Lebensjahr vollendet hatte und Anspruch auf die vom Arbeitgeber nach einem Rentensystem, dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 50. Lebensjahres beigetreten war, geschuldete Altersrente besaß. Nach Auffassung des BAG lag in dieser Auslegung und Anwendung des dänischen Gesetzes zur Gewährung einer Entlassungsentschädigung eine unzulässige Altersdiskriminierung. Denn eine Rechtfertigung, dem Kläger diese Unterstützung in Bezug auf den Versuch der Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit vorzuenthalten, war nicht erkennbar. Unerheblich dabei sei, ob sich die betroffenen Arbeitnehmer entschieden hatten, auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben oder in Rente zu gehen. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass nur die ungekürzte gesetzliche Altersrente rechtfertigt, einen Ausschluss bzw. die Kürzung von Sozialplanansprüchen vorzusehen. Betriebsrentenansprüche sind unzureichend. Ebenso unzureichend ist es, wie bereits vorstehend ausgeführt wurde 10, an die Altersrente wegen Schwerbehinderung anzuknüpfen. (Ga)

3.

Erzwingbarkeit eines Sozialplans bei Streit über das Vorliegen einer Betriebsänderung

Der Beschluss des BAG vom 22.3.2016 11 ist aus verschiedenen Gründen für die betriebliche Praxis von Bedeutung. Zum einen befasst sich der 1. Senat des BAG eingehend mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 4, 5 BetrVG auszugehen ist. Zum anderen behandelt das BAG die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden kann, wenn das Vorliegen einer Betriebsänderung zweifelhaft ist. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber beschlossen, in einem Betrieb mit mehr als 900 Arbeitnehmern eine Reorganisation durchzuführen. Sie war mit einer veränderten Strukturierung, Standardisierung und Optimierung von Arbeitsabläufen verbunden. Umstritten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat war, ob das Verfahren zur Umsetzung dieser Veränderungen bereits als geplante Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG mit der Folge zu qualifizieren war, dass über einen Sozialplan zu verhandeln war. Als die Verhandlungen darüber deshalb nicht zu einem ein10 B. Gaul, AktuellAR 2016, 603 ff. 11 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

gene Rechtsprechung sah allerdings vor, dass keine Abfindung gezahlt wurde, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Ausscheidens das 60. Lebensjahr vollendet hatte und Anspruch auf die vom Arbeitgeber nach einem Rentensystem, dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 50. Lebensjahres beigetreten war, geschuldete Altersrente besaß. Nach Auffassung des BAG lag in dieser Auslegung und Anwendung des dänischen Gesetzes zur Gewährung einer Entlassungsentschädigung eine unzulässige Altersdiskriminierung. Denn eine Rechtfertigung, dem Kläger diese Unterstützung in Bezug auf den Versuch der Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit vorzuenthalten, war nicht erkennbar. Unerheblich dabei sei, ob sich die betroffenen Arbeitnehmer entschieden hatten, auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben oder in Rente zu gehen. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass nur die ungekürzte gesetzliche Altersrente rechtfertigt, einen Ausschluss bzw. die Kürzung von Sozialplanansprüchen vorzusehen. Betriebsrentenansprüche sind unzureichend. Ebenso unzureichend ist es, wie bereits vorstehend ausgeführt wurde 10, an die Altersrente wegen Schwerbehinderung anzuknüpfen. (Ga)

3.

Erzwingbarkeit eines Sozialplans bei Streit über das Vorliegen einer Betriebsänderung

Der Beschluss des BAG vom 22.3.2016 11 ist aus verschiedenen Gründen für die betriebliche Praxis von Bedeutung. Zum einen befasst sich der 1. Senat des BAG eingehend mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 4, 5 BetrVG auszugehen ist. Zum anderen behandelt das BAG die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden kann, wenn das Vorliegen einer Betriebsänderung zweifelhaft ist. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber beschlossen, in einem Betrieb mit mehr als 900 Arbeitnehmern eine Reorganisation durchzuführen. Sie war mit einer veränderten Strukturierung, Standardisierung und Optimierung von Arbeitsabläufen verbunden. Umstritten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat war, ob das Verfahren zur Umsetzung dieser Veränderungen bereits als geplante Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG mit der Folge zu qualifizieren war, dass über einen Sozialplan zu verhandeln war. Als die Verhandlungen darüber deshalb nicht zu einem ein10 B. Gaul, AktuellAR 2016, 603 ff. 11 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 ff.

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Erzwingbarkeit eines Sozialplans bei Streit über das Vorliegen einer Betriebsänderung

vernehmlichen Ergebnis führten, wurde ein Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle beschlossen. Diesen Sozialplan hatte der Arbeitgeber fristgerecht angefochten. Das BAG hat diesem Antrag stattgegeben. Nach seiner Auffassung waren die im Streit stehenden Veränderungen nicht als Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG zu qualifizieren. Denn es handele sich weder um grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen (§ 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG) noch um die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren (§ 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG). Nach § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG gelte als Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 1 BetrVG die grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Fertigungsanlagen. Da die in Rede stehenden Maßnahmen weder den Zweck des Betriebs noch die für dessen Verfolgung eingesetzten Betriebsanlagen wesentlich modifizieren sollten, kam für das BAG allein die Alternative einer „Änderung der Betriebsorganisation“ in Betracht. Um eine solche handele es sich allerdings nur, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortung, umgewandelt werde. Grundlegend sei diese Änderung dann, wenn sie sich auf den Betriebsablauf in erheblicher Weise auswirke. Maßgeblich dafür sei der Grad der Veränderung. Es komme entscheidend darauf an, ob die Änderung einschneidende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer habe. Dabei müsse die Änderung in ihrer Gesamtschau von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf sein. Nur dann sei die mit § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG verbundene Fiktion gerechtfertigt, dass die Maßnahme i. S. d. § 111 S. 1 BetrVG wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon zur Folge habe 12. Als Arbeitsmethode i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG werde die jeweilige Art, eine Arbeit systematisch abzuwickeln, erfasst. Darunter fielen – so das BAG – die Strukturierung des Arbeitsablaufs des einzelnen Arbeitnehmers (z. B. Handgriffe, Bewegungsabläufe), die des Arbeitsablaufs zwischen den Arbeitnehmern (z. B. Einzel-, Gruppenarbeit) und der Einsatz technischer Hilfsmittel (z. B. Maschinen, Werkzeuge und Vorrichtungen). Gemeint seien letztlich alle konzeptionellen Regeln, die hinter dem in einzelne, unselbständige Arbeitsvorgänge gegliederten Arbeitsablauf stünden. Hierzu gehörte auch die Festlegung, auf welchem Bearbeitungsweg und mit welchen Arbeitsmitteln durch welche Beschäftigten welche Aufgabe erfüllt werde. Die

12 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 Rz. 17; BAG v. 18.3.2008 – 1 ABR 77/06, NZA 2008, 957 Rz. 22.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

„Arbeitsmethode“ erweise sich damit als das auf der Grundlage der personellen, räumlichen, technischen und sonstigen bedeutsamen Gegebenheiten und Möglichkeiten entwickelte Modell des Ablaufs derjenigen Arbeit, die zur Erfüllung der gestellten Aufgabe geleistet werden müsse 13. Der Begriff der Fertigungsverfahren in § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG ist identisch mit dem der Fabrikationsmethode in § 106 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG. Er bezieht sich – so das BAG – auf das technische Verfahren bei der Verfolgung des arbeitstechnischen Zwecks 14. Die Einführung neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren ist nur dann als Betriebsänderung zu qualifizieren, wenn die Veränderung „grundlegender“ Natur ist. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 22.3.2016 15 erfordert dies prinzipiell eine qualitative Bewertung, wobei sich der bedeutsame Charakter einer neuen Arbeitsmethode oder eines neuen Fertigungsverfahrens auch aus der Zahl der von ihr betroffenen Arbeitnehmer oder dem Gewicht der Auswirkungen auf die Beschäftigten ergeben könne. Dies entspricht schlussendlich der Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Merkmale auch bei der Kennzeichnung des wesentlichen Betriebsteils, wie er für § 111 S. 3 Nr. 1, 2 BetrVG relevant ist. Nach Auffassung des BAG waren die vorstehend genannten Voraussetzungen einer Betriebsänderung nach § 111 S. 3 Nr. 4, 5 BetrVG in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall nicht erfüllt. Denn nicht jede Implementierung von (neuen) organisatorischen Konzepten, Methoden und Regeln zur Strukturierung, Vereinheitlichung und Optimierung von Arbeitsprozessen oder von Systemen zu deren Rationalisierung könne mit einer die Mitbestimmung des Betriebsrats auslösenden Betriebsänderung nach § 111 BetrVG einhergehen. Vielmehr sei auf den Einzelfall abzustellen, der in dem hier in Rede stehenden Fall unter Berücksichtigung der von beiden Betriebsparteien vorgetragenen Besonderheiten eine solche Kennzeichnung nicht rechtfertigte. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass diese Ablehnung einer Betriebsänderung auch Konsequenzen für die Erzwingbarkeit eines Sozialplans besitzt. Außerhalb der Besonderheiten des § 112 a BetrVG ist von einem erzwingbaren Sozialplan, über dessen Aufstellung die Einigungsstelle gemäß § 112 Abs. 4 S. 1 BetrVG für den Fall des Scheitern der Verhandlungen zu

13 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 Rz. 19; BVerwG v. 30.8.1985 – 6 P 20.83, NJW 1986, 1360 Rz. 48. 14 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 Rz. 20. 15 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 Rz. 21.

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Einbeziehung einer Transfergesellschaft durch Einigungsstellenspruch zum Sozialplan

entscheiden hat, nämlich nur auszugehen, wenn eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG geplant ist. Schließlich soll der Sozialplan Regelungen über den Ausgleich oder die Milderung der durch eine konkrete geplante Betriebsänderung entstehenden Nachteile treffen. Bestehen – so das BAG – Unsicherheiten darüber, ob eine Betriebsänderung vorliegt, können Arbeitgeber und Betriebsrat zwar einen Sozialplan für den Fall vereinbaren, dass es sich bei den Maßnahmen um eine Betriebsänderung handelt. Auch können sie Rahmen- oder Dauersozialpläne für künftige, noch nicht konkret geplante Betriebsänderungen schließen. Das Aufstellen solcher Sozialpläne falle aber nicht unter § 111 ff. BetrVG. Dies ist freiwillig möglich, aber nicht erzwingbar 16. Wenn und soweit zwischen den Betriebsparteien ein Einvernehmen über das Vorliegen einer Betriebsänderung besteht, haben diese Feststellungen des 1. Senats des BAG keine Bedeutung. Sobald arbeitgeberseitig allerdings mit guten Gründen das Vorliegen einer Betriebsänderung in Streit gestellt wird, hat dies zur Folge, dass gegen seinen Willen durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan nicht festgesetzt werden kann. Hiervon ausgehend kann es für den Betriebsrat geboten sein, mit dem Arbeitgeber eine freiwillige (einvernehmliche) Regelung zu treffen. Denn die streitige Festsetzung des Sozialplans durch Spruch der Einigungsstelle ist in solchen Fällen – was die aktuelle Entscheidung deutlich macht – mit dem Risiko einer späteren Anfechtung verbunden. Tritt dieses Risiko ein, können Ansprüche der von der Reorganisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer aus dem Sozialplan erst geltend gemacht werden, wenn der Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Sozialplanbeschlusses rechtskräftig abgewiesen wurde. Diese Rechtsunsicherheit dürfte auch für den Betriebsrat eine erhebliche Beeinträchtigung des vermeintlichen Verhandlungserfolgs sein, die es nahelegt, zu Gunsten einer Einigung mit dem Betriebsrat auf weitergehende Forderungen zu verzichten. Dieser Gesichtspunkt kann auch durch den Arbeitgeber in Gesprächen mit dem Betriebsrat erkennbar gemacht werden (Ga)

4.

Einbeziehung einer Transfergesellschaft durch Einigungsstellenspruch zum Sozialplan

Der Sozialplan soll die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgleichen oder mildern 16 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 Rz. 12; BAG v. 11.12.2007 – 1 AZR 824/06, NZA-RR 2008, 298 Rz. 34.

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Einbeziehung einer Transfergesellschaft durch Einigungsstellenspruch zum Sozialplan

entscheiden hat, nämlich nur auszugehen, wenn eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG geplant ist. Schließlich soll der Sozialplan Regelungen über den Ausgleich oder die Milderung der durch eine konkrete geplante Betriebsänderung entstehenden Nachteile treffen. Bestehen – so das BAG – Unsicherheiten darüber, ob eine Betriebsänderung vorliegt, können Arbeitgeber und Betriebsrat zwar einen Sozialplan für den Fall vereinbaren, dass es sich bei den Maßnahmen um eine Betriebsänderung handelt. Auch können sie Rahmen- oder Dauersozialpläne für künftige, noch nicht konkret geplante Betriebsänderungen schließen. Das Aufstellen solcher Sozialpläne falle aber nicht unter § 111 ff. BetrVG. Dies ist freiwillig möglich, aber nicht erzwingbar 16. Wenn und soweit zwischen den Betriebsparteien ein Einvernehmen über das Vorliegen einer Betriebsänderung besteht, haben diese Feststellungen des 1. Senats des BAG keine Bedeutung. Sobald arbeitgeberseitig allerdings mit guten Gründen das Vorliegen einer Betriebsänderung in Streit gestellt wird, hat dies zur Folge, dass gegen seinen Willen durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan nicht festgesetzt werden kann. Hiervon ausgehend kann es für den Betriebsrat geboten sein, mit dem Arbeitgeber eine freiwillige (einvernehmliche) Regelung zu treffen. Denn die streitige Festsetzung des Sozialplans durch Spruch der Einigungsstelle ist in solchen Fällen – was die aktuelle Entscheidung deutlich macht – mit dem Risiko einer späteren Anfechtung verbunden. Tritt dieses Risiko ein, können Ansprüche der von der Reorganisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer aus dem Sozialplan erst geltend gemacht werden, wenn der Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Sozialplanbeschlusses rechtskräftig abgewiesen wurde. Diese Rechtsunsicherheit dürfte auch für den Betriebsrat eine erhebliche Beeinträchtigung des vermeintlichen Verhandlungserfolgs sein, die es nahelegt, zu Gunsten einer Einigung mit dem Betriebsrat auf weitergehende Forderungen zu verzichten. Dieser Gesichtspunkt kann auch durch den Arbeitgeber in Gesprächen mit dem Betriebsrat erkennbar gemacht werden (Ga)

4.

Einbeziehung einer Transfergesellschaft durch Einigungsstellenspruch zum Sozialplan

Der Sozialplan soll die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgleichen oder mildern 16 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 12/14, NZA 2016, 894 Rz. 12; BAG v. 11.12.2007 – 1 AZR 824/06, NZA-RR 2008, 298 Rz. 34.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

(§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle über seine Aufstellung. Ihr Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 112 Abs. 4 BetrVG). Bei einem solchen Spruch hat die Einigungsstelle sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Leitlinie sollen dabei die Grundsätze sein, die § 112 Abs. 5 BetrVG nennt. Hierzu gehört auch die Vorgabe, dass die Einigungsstelle insbesondere die im SGB III vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigt (§ 112 a Abs. 5 Nr. 2 a BetrVG). Fraglich ist, ob die Einigungsstelle im Rahmen des insoweit eingegrenzten Ermessens berechtigt ist, durch Spruch einen Sozialplan festzulegen, der Arbeitnehmern die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III verschaffen soll. Problematisch daran ist, dass die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld erst erfüllt sind, wenn 1. in einem Betrieb Personalmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden, 2. die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um Entlassungen zu vermeiden und ihre Eingliederungschancen zu verbessern, 3. die Organisation und Mittelausstattung der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den angestrebten Integrationserfolg erwarten lassen und 4. ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird bzw. eine Trägerzulassung nach § 178 SGB III gegeben ist.

Da die Errichtung einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einrichtung mit Veränderungen der Betriebsabläufe und Steuerungsstrukturen sowie dem tatsächlichen Verzicht auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern verbunden ist, wird es ganz überwiegend abgelehnt, den Arbeitgeber durch einen Einigungsstellenspruch zum Sozialplan zur Errichtung und Durchführung betriebsorganisatorisch eigenständiger Einheiten zu zwingen. Damit wäre nicht nur der vom Arbeitgeber an sich unbeabsichtigte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verbunden. Es wäre auch ein Eingriff in die Betriebsorganisation vorgegeben, die an sich nur durch den – nicht erzwingbaren – Interessenausgleich vereinbart werden kann. Folgerichtig wird deshalb die Möglichkeit abgelehnt, den Arbeitgeber durch erzwingbaren Sozialplan zu der

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Einbeziehung einer Transfergesellschaft durch Einigungsstellenspruch zum Sozialplan

unternehmensinternen Verwirklichung der Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld zu verpflichten 17. Trotz dieser Bedenken hat das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 1.3.2016 18 die Errichtung einer Transfergesellschaft durch Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan für grundsätzlich zulässig gehalten. Dies folge bereits aus § 112 Abs. 5 Ziff. 2 a BetrVG, nach dem die Einigungsstelle solche Gestaltungsmöglichkeiten zu berücksichtigen habe. Sofern die betriebsorganisatorisch eigenständige Einrichtung auch durch eine Transfergesellschaft – also extern – errichtet und durchgeführt werde, läge darin auch kein Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, die die Regelungsstruktur zwischen Interessenausgleich und Sozialplan durchbreche. Dass die Durchführung solcher Transfermaßnahmen auch für den Arbeitgeber in der Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Einschränkungen in Bezug auf die Inanspruchnahme der Arbeitnehmer verbunden sei (z. B. Profiling-Maßnahmen) müsse schlussendlich hingenommen werden 19. Trotz dieser Einschränkung der denkbaren Entscheidungsbefugnis einer Einigungsstelle überzeugt das durch das LAG Berlin-Brandenburg gewonnene Ergebnis nicht. Denn auch diese Form der Einbeziehung einer Transfergesellschaft bleibt in ihrer Umsetzung mit nicht unerheblichen Einschränkungen in Bezug auf den Betrieb des Arbeitgebers verbunden. Diese folgen nicht nur aus den bereits durch das LAG Berlin-Brandenburg angesprochenen Profiling-Maßnahmen. Wesentlicher dürfte der Umstand sein, dass die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit typischerweise zu einem bestimmten Stichtag errichtet wird, der dann ohne Rücksicht auf die individuelle Kündigungsfrist für die Dauer der Gewährung des Kurzarbeitergelds maßgeblich ist. Wenn Arbeitnehmer, die von der Betriebsänderung betroffen sind, die Leistungen der Transfergesellschaft für die gesamte Dauer des Transferkurzarbeitergeldes in Anspruch nehmen wollen, müssen sie deshalb zu eben diesem Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und in die Transfergesellschaft wechseln. Auch dies stellt einen Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dar, die dem Arbeitgeber, wie die Freiwilligkeit des Interessenausgleichs zeigt, nicht durch Spruch der Einigungs-

17 Vgl. Richardi/Annuß, BetrVG § 112 Rz. 163; ErfK/Kania, BetrVG §§ 112, 112 a Rz. 37 a ff.; B. Gaul/Bonnani/Otto, DB 2003, 2386, 2390; HWK/Hohenstatt/ Willemsen, BetrVG § 112 Rz. 73. 18 9 TaBV 1519/15 n. v. Rz. 88. 19 Ebenso Gagel/Bepler/Bepler, SGB III § 110 Rz. 78 ff.; DKKW/Däubler, BetrVG §§ 112, 112 a Rz. 256.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

stelle auferlegt werden kann. Hinzu kommt, dass der Sozialplan nur Leistungen des Arbeitgebers an den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer festlegen kann. Die externe Transfergesellschaft setzt in ihrem Betrieb aber voraus, dass durch den Arbeitgeber finanzielle Leistungen an die Transfergesellschaft erbracht werden. Diese sind nicht nur auf die Erstattung von Remanenzkosten, sondern auch auf die Übernahme von Kosten einer Qualifizierung der Arbeitnehmer gerichtet. Solche Leistungen an Dritte sieht die Systematik des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht vor. Schlussendlich kann die Entscheidung an dieser Stelle indes offen bleiben. Denn auch das LAG Berlin-Brandenburg ist in seinem Beschluss vom 1.3.2016 20 zu dem Ergebnis gekommen, dass der im zu entscheidenden Fall getroffene Spruch der Einigungsstelle unwirksam war. Aus seiner Sicht resultierte die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs bereits daraus, dass keine hinreichend konkreten Regelungen zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Beschäftigten im Transfersozialplan enthalten waren. Denn dieser hatte in Bezug auf etwaige Qualifizierungsmaßnahmen nach Übertritt in die Transfergesellschaft nur ein Gesamtbudget festgelegt, über das der Träger ohne Vorgaben oder Einflussnahme der Einigungsstelle im Hinblick auf die übergehenden Beschäftigten verfügen konnte. Hinzu kam, dass unverbrauchte Mittel an den Arbeitgeber zurückgeführt werden sollten. Auch diese Regelung hielt das LAG Berlin-Brandenburg für unzulässig. Vielmehr sei es geboten, die nicht verbrauchten Mittel anderweitig – beispielsweise in einen Härtefallfond – einzusetzen. Schon diese Kritik an dem Spruch der Einigungsstelle zeigt, dass es kaum möglich sein dürfte, auch unter Anerkennung der Ausgangsbewertung durch das LAG Berlin-Brandenburg einen wirksamen Spruch der Einigungsstelle über die Errichtung und Durchführung einer Transfergesellschaft zu treffen. Denn es ist vor der Durchführung etwaiger Profiling-Maßnahmen ausgeschlossen, den individuellen Qualifizierungsbedarf einzelner Arbeitnehmer zu bestimmen. Diese Entscheidung kann erst nach einem Wechsel in die Transfergesellschaft getroffen werden. Denkbar ist allenfalls, dass der Transfergesellschaft für diese Entscheidung bestimmte Leitlinien gesetzt werden. Denkbar ist auch, dass die nicht verbrauchten Mittel ggf. als individueller Zuschlag zur Abfindung ausgezahlt werden. Unabhängig davon hält es das LAG Berlin-Brandenburg für unzulässig, innerhalb des Einigungsstellenspruchs auch einen Aufhebungsvertrag festzu20 9 TaBV 1519/15 n. v. Rz. 90 ff.

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Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats

schreiben, der – ohne spezifischen Grund – auch für den Arbeitnehmer nachteilhafte Regelungen enthält. Dies sei beispielsweise bei Ausgleichsklauseln der Fall, die im vorliegenden Fall zum Bestandteil des Aufhebungsvertrags gemacht wurden 21. Auch dieser Bewertung ist im Kern zuzustimmen. Denn schlussendlich liegt in jeder Handlungsvorgabe für den Inhalt eines Aufhebungsvertrags eine Verpflichtung, die nicht zum Gegenstand eines Sozialplans gemacht werden kann. Denn der Aufhebungsvertrag selbst stellt keinen Ausgleich und keine Milderung etwaiger Nachteile dar. Er beschränkt die Vertragsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ohne dass dies durch § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG erlaubt wird. Unabhängig von der Kritik an dieser Entscheidung des LAG BerlinBrandenburg bleibt es in der betrieblichen Praxis sinnvoll, bei einer Betriebsänderung mit Personalabbau über die Einbeziehung einer Transfergesellschaft zu sprechen. Sie ist – besser als die bloße Auszahlung von Abfindungen – geeignet, Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in eine Anschlussbeschäftigung zu vermitteln. Eine solche Beschäftigung ist der beste Ausgleich für die Nachteile, die eine betriebsbedingte Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zur Folge hat. Hinzu kommt, dass im Rahmen von § 111 BetrVG unter Einbindung staatlicher Leistungen Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden, die eine solche Vermittelbarkeit auch während der anschließenden Arbeitslosigkeit verbessern. Diese Qualifizierungsmaßnahmen können, wie mit Blick auf die Neuregelung in § 111 a SGB III an anderer Stelle aufgezeigt wurde 22, bei Arbeitnehmern ohne Berufsausbildung oder Beschäftigten, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, auch nach Ablauf des Transferkurzarbeitergelds unter Inanspruchnahme von Leistungen der Agentur für Arbeit fortgeführt werden. (Ga)

5.

Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats und der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer

Einem Rechtsanwalt ist es untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43 a Abs. 4 BRAO). Er darf nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten

21 LAG Berlin-Brandenburg v. 1.3.2016 - 9 TaBV 1519/15 n. v. Rz. 106. 22 B. Gaul, AktuellAR 2016 351.

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Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats

schreiben, der – ohne spezifischen Grund – auch für den Arbeitnehmer nachteilhafte Regelungen enthält. Dies sei beispielsweise bei Ausgleichsklauseln der Fall, die im vorliegenden Fall zum Bestandteil des Aufhebungsvertrags gemacht wurden 21. Auch dieser Bewertung ist im Kern zuzustimmen. Denn schlussendlich liegt in jeder Handlungsvorgabe für den Inhalt eines Aufhebungsvertrags eine Verpflichtung, die nicht zum Gegenstand eines Sozialplans gemacht werden kann. Denn der Aufhebungsvertrag selbst stellt keinen Ausgleich und keine Milderung etwaiger Nachteile dar. Er beschränkt die Vertragsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ohne dass dies durch § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG erlaubt wird. Unabhängig von der Kritik an dieser Entscheidung des LAG BerlinBrandenburg bleibt es in der betrieblichen Praxis sinnvoll, bei einer Betriebsänderung mit Personalabbau über die Einbeziehung einer Transfergesellschaft zu sprechen. Sie ist – besser als die bloße Auszahlung von Abfindungen – geeignet, Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in eine Anschlussbeschäftigung zu vermitteln. Eine solche Beschäftigung ist der beste Ausgleich für die Nachteile, die eine betriebsbedingte Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zur Folge hat. Hinzu kommt, dass im Rahmen von § 111 BetrVG unter Einbindung staatlicher Leistungen Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden, die eine solche Vermittelbarkeit auch während der anschließenden Arbeitslosigkeit verbessern. Diese Qualifizierungsmaßnahmen können, wie mit Blick auf die Neuregelung in § 111 a SGB III an anderer Stelle aufgezeigt wurde 22, bei Arbeitnehmern ohne Berufsausbildung oder Beschäftigten, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, auch nach Ablauf des Transferkurzarbeitergelds unter Inanspruchnahme von Leistungen der Agentur für Arbeit fortgeführt werden. (Ga)

5.

Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats und der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer

Einem Rechtsanwalt ist es untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43 a Abs. 4 BRAO). Er darf nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten

21 LAG Berlin-Brandenburg v. 1.3.2016 - 9 TaBV 1519/15 n. v. Rz. 106. 22 B. Gaul, AktuellAR 2016 351.

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oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise beruflich befasst war (§ 3 BORA). Dieses Verbot erstreckt sich auf alle mit dem Rechtsanwalt in Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte (§ 3 Abs. 2 BORA, § 45 Abs. 3 BRAO). Flankiert wird das Verbot der widerstreitenden Interessenvertretung von § 356 Abs. 1 StGB, dem Parteiverrat, dessen Verwirklichung mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren, im Tatbestand der Qualifikation sogar eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht ist.

a)

Tatbestandliche Voraussetzungen einer Interessenkollision

Allen Vorschriften gemein sind die Voraussetzungen (a) der Sachverhaltsidentität, (b) einer vertretenen Partei und (c) einem sich daraus ergebenden Interessenwiderstreit. aa)

Sachverhaltsidentität

Auch wenn das Tatbestandsmerkmal „derselben Rechtssache“ in § 43 a BRAO – anders als in § 3 BORA und in § 356 StGB – nicht explizit erwähnt ist, wird es von der ganz herrschenden Meinung als Voraussetzung anerkannt. 23 Eine „Rechtssache“ kann nach der Definition des BGH in seiner Entscheidung vom 23.4.2012 24 jede Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll. Ob eine Rechtssache dieselbe ist, richtet sich nach dem sachlich-rechtlichen Inhalt der anvertrauten Angelegenheit. Dies gilt auch dann, wenn dasselbe materielle Interesse Gegenstand verschiedener Ansprüche oder Verfahren ist 25. Nach dem Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen 26 ist es ausreichend, dass sich der Sachverhalt mit den daraus resultierenden materiellen Rechtsverhältnissen zumindest teilweise mit dem Tatsachenkomplex überschneidet, der dem Anwalt von einem anderen Mandanten anvertraut wurde. Es

23 AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 ff.; AnwGH NRW v. 4.6.2010 – 2 AGH 32/09, n. v.; Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung mit Berufs- und Fachanwaltsordnung, § 43a, Rn 140; Feuerich/Weyland/Träger, Bundesrechtsanwaltsordnung, BRAO, § 43 a, Rz. 60. 24 AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 ff. 25 BGH v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 ff. 26 AnwGH NRW v. 4.6.2010 – 2 AGH 32/09 n. v.

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Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats

genügt also, wenn ein und derselbe Sachverhalt bereits bzw. ist in mehreren Verfahren von rechtlicher Bedeutung war. 27 bb)

Vertretene Partei

Unter dem Begriff des "Vertretens" fällt jede berufliche – forensische wie auch außergerichtliche – Vertretung und Beratung und/oder Interessenwahrung. 28 Unerheblich ist, ob es den Betriebsrat als Kollegialorgan oder Arbeitnehmer als natürliche Personen trifft. cc)

Interessenwiderstreit

Hierbei handelt es sich um die Kernvoraussetzung des Verbots. Zu prüfen ist, ob die jeweils in Rede stehenden Vertretungsverhältnisse konkurrierende Interessen berühren, der Anwalt also eine andere Partei in derselben Rechtssache bereits in entgegengesetztem Interesse beraten hat. 29 Umstritten ist, ob sich die maßgeblichen Interessen aus einem subjektiven oder einem objektiven Blickwinkel bestimmen. Bis zu der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2012 hätte man die Frage als geklärt bewerten können. 30 Denn eine weit verbreitete Meinung vertrat bis zu diesem Zeitpunkt den subjektiven Ansatz, wonach die durch den Auftrag der Partei abgegrenzte wirkliche Interessenlage ausschlaggebend ist, die vom Willen der Partei gestaltet wird. 31 Diesem Ansatz trat der Anwaltssenat des BGH aber durch seine Entscheidung vom 23.4.2012 32 entgegen. Der Senat hatte in zweiter Instanz über die Aufhebung eines belehrenden Hinweises der Rechtsanwaltskammer zu entscheiden. Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, hatte in einem Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren zunächst den Ehemann vertreten. Im Anschluss daran hatte die Klägerin zudem den Sohn ihres Mandanten vertreten, der Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern geltend machte. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hat der Klägerin aufgrund eines hierin liegenden Verstoßes gegen §§ 43 a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 1. Alt. BORA einen belehrenden Hinweis erteilt. Das Inte27 VG Bayreuth v. 22.6.2016 – B 5 M 16.115 n. v.; LG Potsdam v. 17.9.2015 – 51 O 38/15 n. v. 28 Kleine-Cosack, § 43 a, Rz. 140. 29 Feuerich/Weyland/Träger, § 43 a Rz. 64. 30 Vgl. Henssler/Prütting/Henssler, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43 a Rz. 172 b; Kleine-Cosack, § 43 a Rz. 161. 31 BGH v. 4.2.2010 – IX ZR 190/07 n. v.; BAG v. 25.8.2004 – 7 ABR 60/03, NZA 2005, 168; AnwGH NRW v. 4.6.2010 – 2 AGH 32/09 n. v.; Kleine-Cosack, § 43 a Rz. 161; Henssler/Prütting/Henssler, § 43 Rz. 172 b. 32 AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

resse des Ehemannes liege mit Blick auf mögliche Zugewinnausgleichsansprüche seiner Ex-Ehefrau darin, ein möglichst geringes Vermögen feststellen zu lassen. Für die Unterhaltsansprüche des Sohnes käme es hingegen darauf an, ein möglichst hohes Vermögen festzustellen. Eine darin liegende Interessenkollision lehnte der Senat mit folgender Begründung ab: Die Interessen, die der Anwalt zu vertreten hat, seien objektiv zu bestimmen. Grundlage der gesetzlichen Regelung sei das Vertrauensverhältnis von Rechtsanwalt und Mandant, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung. Die hierfür notwendigen Eigenschaften eines unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Anwalts seien nicht disponibel. Ungeachtet dessen hielt sich der BGH jedoch eine Hintertür offen, indem er ausführt, dass das Vorliegen eines Interessenwiderstreits nicht ohne Blick auf die Umstände des Einzelfalles bestimmt werden könne, mithin auch eine subjektive Betrachtung erfolgen müsse. Was den Interessen des Mandanten und damit der Rechtspflege diene, könne nicht ohne Rücksicht auf die konkrete Einschätzung der hiervon betroffenen Mandanten festgelegt werden. Ein Interessenkonflikt könne danach nicht abstrakt und verbindlich von Rechtsanwaltskammern oder Gerichten festgelegt werden. Vielmehr müsse im konkreten Fall die Vertretung widerstreitender Interessen vermieden werden. Genau wegen solcher konkreten Gründe hat der Anwaltssenat in der genannten Entscheidung auch das Vorliegen einer Interessenkollision verneint. Der 9. Senat des BGH 33 hat diese objektive Sichtweise jüngst bestätigt.

b)

Rechtsfolgen eines Verstoßes

Die lange umstrittene Frage, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen das Verbot des § 43 a Abs. 4 BRAO auf das dem Mandat zugrundeliegende Rechtsverhältnis nach sich zieht, hat der 9. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 12.5.2016 34 klargestellt. Darin hat der BGH § 43 a Abs. 4 BRAO als Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB qualifiziert. Ein Verstoß führt daher zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags. Dies wiederum hat zur Folge, dass in diesem Fall kein erstattungsfähiger Anspruch i. S. d. § 40 BetrVG vorliegt, der Arbeitgeber die Honorarforderung des Anwalts mithin nicht erfüllen muss.

33 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14, BB 2016, 1474. 34 IX ZR 241/14, BB 2016, 1474.

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Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats

Der Mandant selbst bleibt in diesem Fall jedoch nicht schutzlos. Erleidet er aufgrund eines Anwaltsfehlers einen Schaden, kann er nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB diesen Schaden ersetzt verlangen.

c)

Interessenkollision auf dem Gebiet des Arbeitsrechts

Für Anwälte, die auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig sind, kann sich die Frage nach einer Interessenkollision vor allem in Zusammenhang mit einer vorangegangenen betriebsverfassungsrechtlichen Beratung des Betriebsrats stellen. Diese Konstellation birgt per se bereits eine gewisse Brisanz, denn Vertragspartner des Anwalts ist der Arbeitgeber selbst und – mangels Rechtsfähigkeit – nicht der Betriebsrat, dessen Interessen der Anwalt gegenüber dem Arbeitgeber, seinem Vertragspartner, vertreten soll. Diese Kollision ist allerdings durch die Regelung des § 40 BetrVG vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden und daher durch das Berufsrecht nicht zu sanktionieren. Allerdings versteckt sich im Verhältnis zwischen dem Betriebsrat auf der einen Seite und den von seinen Maßnahmen betroffenen Arbeitnehmern auf der anderen Seite die häufig übersehene Gefahr einer Interessenkollision. Betriebsrat und Arbeitnehmer sind partiell identisch. An dieser Schnittstelle ist für den Anwalt die Gefahr einer Interessenkollision am Größten. Denn hat er den Betriebsrat zuvor in Angelegenheiten vertreten, die die Gesamtbelegschaft betreffen, z.B. bei Abschluss von Betriebsvereinbarungen, einem Interessenausgleich oder Sozialplanabschluss, so kollidiert eine sich daran anschließende Vertretung einzelner Arbeitnehmer auf diesem Gebiet mit der vorangegangenen Beratung des Betriebsrats. Der Betriebsrat tritt im Rahmen solcher Verhandlungen als Arbeitnehmervertreter auf. Der den Betriebsrat beratende Anwalt wird daher mittelbar im Interesse der gesamten Belegschaft tätig. Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen 35 führt mit Blick auf die widerstreitenden Interessen in einer derartigen Konstellation aus, dass der Umfang notwendiger Kündigungen und die Höhe der Abfindungen am Interesse der Gesamtbelegschaft – der Sicherung des Fortbestands des Unternehmens und einer möglichst hohen Anzahl an Arbeitsplätzen – ausgerichtet wird, nicht hingegen an dem Interesse eines einzelnen Arbeitnehmers. Denn dem Arbeitnehmer komme es regelmäßig nicht auf die Interessen der Gesamtbelegschaft, sondern auf seine eigene Existenzsicherung an. Demnach lägen bei dem dargestellten Sachverhalt, unabhängig von der Frage einer objektiven oder subjektiven 35 2 AGH 32/09 n. v.; Flägel, DB 1997, 1616.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Beurteilung, widerstreitende Interessen vor. Dies gelte umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass der Rechtswalt im Laufe der Beratung des Betriebsrats zudem regelmäßig umfangreiche (Hintergrund-)Informationen erhalte, die einem Arbeitnehmervertreter grundsätzlich nicht zugänglich seien. Auch dieser Umstand und die spätere Verwertung sprechen nach Ansicht des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen 36 für widerstreitende Interessen. Deutlich wird der Widerstreit der Interessen auch insoweit, als die Beratung des Arbeitnehmers regelmäßig auch die Prüfung voraussetzt, ob die Betriebsvereinbarung, der Interessenausgleich oder der Sozialplan wirksam zustande gekommen sind. Diese Frage kann von dem Anwalt indes mit Blick auf die vorangegangene Beratung des Betriebsrats nur in eine Richtung beantwortet werden, andernfalls müsste er darlegen, dass der von ihm beratene Betriebsrat eine fehlerhafte Vereinbarung abgeschlossen hat. Auch bei Sachverhalten, die – jedenfalls zunächst – gleichlaufende Interessen betreffen, ist Vorsicht geboten. So hat erst das BAG in einer Entscheidung vom 25.8.2004 37 einen Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen abgelehnt, wenn ein Rechtsanwalt in einem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat und das von der Kündigung betroffene Betriebsratsmitglied vertritt. Anders hatte dies zweitinstanzlich noch das LAG Hamm 38 in seiner Entscheidung vom 10.10.2003 gesehen. Die dortige Kammer ging gerade deshalb von einer Interessenkollision aus, weil der Betriebsrat ein kollektives Interesse wahrnehme und das betroffene Betriebsratsmitglied ein individuelles Interesse verfolge. Damit ließ das LAG Hamm, unter Verweis auf eine Entscheidung des LAG Köln 39 vom 15.11.2000, einen potentiellen Interessenkonflikt ausreichen. Das BAG hat dies anders gesehen. Aus seiner Sicht lag gerade keine Interessenkollision, sondern Interessenidentität vor. Der Betriebsrat wolle die Funktionsfähigkeit seines Organs erhalten und die Kündigung eines seiner Mitglieder verhindern. Das Betriebsratsmitglied wolle seine Kündigung verhindern. Sowohl das Interesse des Betriebsrats, als auch das Interesse des Arbeitnehmers, richte sich daher auf Abwehr des Zustimmungsersetzungsantrags und sei mithin gleichlaufend. Dass der Betriebsrat dabei kollektive Interessen und das betroffene Betriebsratsmitglied individuelle Interesse verfolge, sei unerheblich, da es auf die jeweilige Motivation nicht ankomme.

36 37 38 39

2 AGH 32/09 n. v. 7 ABR 60/03, DB 2005, 288. 10 TaBV 94/03, NZA-RR 2004, 262 ff. 3 TaBV 55/00, NZA-RR 2001, 253 ff.

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Standesrechtliche Schranken einer Vertretung des Betriebsrats

Die rein potentielle Gefahr einer Interessenkollision kann – ungeachtet der Ausführungen des BAG 40– angesichts der weitreichenden straf- und vertragsrechtlichen Folgen jedoch nicht ausreichend sein. Das wird deutlich, wenn sich der Betriebsrat im Laufe des Verfahrens entscheidet, an seiner Zustimmungsverweigerung nicht mehr festzuhalten. Ab diesem Zeitpunkt kollidieren die ehemals gleichlaufenden Interessen 41. Der Rechtsanwalt ist gezwungen, eines der Mandate niederzulegen, um einen Interessenkonflikt zu vermeiden.

d)

Einverständnis des Mandanten

In den dargestellten Fällen wäre auch ein etwaiges Einverständnis der Parteien unbeachtlich gewesen. Denn die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt nach den Feststellungen des BGH im Urteil vom 23.4.2012 42 den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus. Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Etwas anderes könnte mit Blick auf § 3 Abs. 2 S. 2 BORA allenfalls gelten, soweit die Interessenkollision dadurch begründet wird, dass ein anderer, mit dem Rechtsanwalt in Sozietät oder sonstiger Weise zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbundener oder verbunden gewesener Rechtsanwalt, in derselben Rechtssache bereits gegenläufige Interessen vertreten hat. Grundsätzlich gilt zwar auch in diesen Fall ein Tätigkeitsverbot. Allerdings sieht § 3 Abs. 2 S. 2 BORA – im Gegensatz zu § 45 BRAO – für diesen Fall die Möglichkeit eines Einverständnisses vor. Wichtig ist aber, im Verhältnis dieser beiden Vorschriften zu berücksichtigen, dass die Regelungen in § 3 BORA auf die SozietätswechslerEntscheidung des BVerfG vom 3.7.2003 43 zurückgeht. In dieser Entscheidung hatten die Verfassungsrichter der Vorgängernorm des § 3 BORA die Gültigkeit versagt, da diese keinen Raum für eine Einzelabwägung vorsah und daher gegen Art. 12 GG verstoße. Diese Wertung ist bei der Frage des Verhältnisses zwischen § 3 BORA und § 45 BRAO zu berücksichtigen. Aus diesem Grund lassen sich die Überlegungen auf § 45 BRAO übertragen. Auch hier kann eine Einwilligung zum Ausschluss des Tätigkeitsverbots

40 41 42 43

7 ABR 60/03, NZA 2005, 168. Offermann-Burckart, AnwBl. 2008, 446, 450. AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 ff. 1 BvR 238/01, NJW 2003, 2520.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

führen, wenn gewährleistet ist, dass ein Wissensfluss in der Sozietät unterbunden ist. 44 Die voranstehenden Ausführungen bedeuten für die Praxis jedoch nicht, dass aus reiner Vorsicht jedes Mandat abzulehnen ist, bei dem eine – wenngleich auch nur geringe – Gefahr einer Interessenkollision gegeben ist. 45 Wichtig ist aber, sich der Gefahr bewusst zu sein und diese – schon wegen der weitreichenden Folgen eines Verstoßes – nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Insofern muss ein Rechtsanwalt vor Mandatsübernahme vielmehr genau prüfen, welcher Sachverhalt dem Mandat zugrunde liegt. Er darf denselben historischen Vorgang nicht zweimal in entgegengesetzter Weise würdigen. Dabei ist zur Bestimmung des Vorliegens eines Interessenwiderstreits eine konkret objektive Betrachtung geboten. Wenngleich eine trennscharfe Rechtsprechung bislang fehlt, empfiehlt es, sich die bislang zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen als Bewertungsgrundlage heranzuziehen. (Je/Mü)

6.

Betriebsübergang durch Insourcing einer betriebsmittelintensiven Tätigkeit

In den vergangenen Jahren haben wir uns mehrfach mit der Kennzeichnung eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613 a BGB beschäftigt 46. Von einem solchen Übertragungsvorgang geht die Rechtsprechung aus, wenn ein neuer Rechtsträger eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob von einem identitätswahrenden Übergang eines Betriebs- oder Betriebsteils auszugehen ist, bestimmt die Rechtsprechung dabei auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung, die sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt, ohne dass Teilaspekte isoliert betrachtet werden 47. Diese Betrachtungsweise hat das BAG auch in seinen Urteil vom 25.8.2016 48 zugrunde gelegt, in der es um das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Zusammenhang mit dem Insourcing eines durch einen Landkreis fremdvergebenen Rettungsdienstes gegangen ist. Die Klägerin war seit April 2001 bei dem J. Verein beschäftigt, zuletzt als Rettungsassistentin. Dieser 44 45 46 47

Henssler, AnwBl. 2013, 668, 676. Henssler, AnwBl. 2013, 668, 676. Vgl. nur B. Gaul, AktuellAR 2014, 232 ff., 502 ff.; 2015, 296 ff., 642 ff. Vgl. EuGH 29.7.2010 – C-151, NZA 2010, 1014 – UGT-FSP; BAG v. 25.8.2016 – 8 AZR 53/15 n. v.; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 765/13 n. v. 48 8 AZR 53/15 n. v.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

führen, wenn gewährleistet ist, dass ein Wissensfluss in der Sozietät unterbunden ist. 44 Die voranstehenden Ausführungen bedeuten für die Praxis jedoch nicht, dass aus reiner Vorsicht jedes Mandat abzulehnen ist, bei dem eine – wenngleich auch nur geringe – Gefahr einer Interessenkollision gegeben ist. 45 Wichtig ist aber, sich der Gefahr bewusst zu sein und diese – schon wegen der weitreichenden Folgen eines Verstoßes – nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Insofern muss ein Rechtsanwalt vor Mandatsübernahme vielmehr genau prüfen, welcher Sachverhalt dem Mandat zugrunde liegt. Er darf denselben historischen Vorgang nicht zweimal in entgegengesetzter Weise würdigen. Dabei ist zur Bestimmung des Vorliegens eines Interessenwiderstreits eine konkret objektive Betrachtung geboten. Wenngleich eine trennscharfe Rechtsprechung bislang fehlt, empfiehlt es, sich die bislang zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen als Bewertungsgrundlage heranzuziehen. (Je/Mü)

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Betriebsübergang durch Insourcing einer betriebsmittelintensiven Tätigkeit

In den vergangenen Jahren haben wir uns mehrfach mit der Kennzeichnung eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613 a BGB beschäftigt 46. Von einem solchen Übertragungsvorgang geht die Rechtsprechung aus, wenn ein neuer Rechtsträger eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob von einem identitätswahrenden Übergang eines Betriebs- oder Betriebsteils auszugehen ist, bestimmt die Rechtsprechung dabei auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung, die sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt, ohne dass Teilaspekte isoliert betrachtet werden 47. Diese Betrachtungsweise hat das BAG auch in seinen Urteil vom 25.8.2016 48 zugrunde gelegt, in der es um das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Zusammenhang mit dem Insourcing eines durch einen Landkreis fremdvergebenen Rettungsdienstes gegangen ist. Die Klägerin war seit April 2001 bei dem J. Verein beschäftigt, zuletzt als Rettungsassistentin. Dieser 44 45 46 47

Henssler, AnwBl. 2013, 668, 676. Henssler, AnwBl. 2013, 668, 676. Vgl. nur B. Gaul, AktuellAR 2014, 232 ff., 502 ff.; 2015, 296 ff., 642 ff. Vgl. EuGH 29.7.2010 – C-151, NZA 2010, 1014 – UGT-FSP; BAG v. 25.8.2016 – 8 AZR 53/15 n. v.; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 765/13 n. v. 48 8 AZR 53/15 n. v.

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Betriebsübergang durch Insourcing einer betriebsmittelintensiven Tätigkeit

sicherte den Rettungsdienst für den beklagten Landkreis im Gebiet S ab und betrieb hierzu vier Rettungswachen. Er beschäftigte 41 Arbeitnehmer/innen zu den Bedingungen der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR). Ende 2010 entschied sich der beklagte Landkreis, den Rettungsdienst ab Juni 2011 selbst durchzuführen. Er kündigte die mit dem J. Verein bestehenden Untermiet- und Mietverträge über die Rettungswachen, bestellte neue Rettungsfahrzeuge und schrieb die Stellen des Rettungsdienstes neu aus. Im Auswahlverfahren wählte er aus 70 Bewerbern neben sämtlichen zuvor bereits bei dem J. Verein beschäftigten Arbeitnehmern etwas mehr als 10 neue Arbeitnehmer aus, um ein verändertes Schichtmodell durchführen zu können. Auf der Grundlage dieses Auswahlverfahrens schloss er mit allen Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge zum 1.6.2011 ab, die eine Probezeit vorsahen und eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthielten. Die sieben Rettungsfahrzeuge, die durch den J. Verein bis zum 30.6.2011 eingesetzt wurden, wurden durch den Landkreis nicht übernommen. Vielmehr hatte er sich neue Fahrzeuge beschafft, die neben den übernommenen Einrichtungsgegenständen der Rettungswachen ab dem 1.6.2011 zum Einsatz gelangten. Mit ihrer Klage hatte die Klägerin geltend gemacht, dass der beklagte Landkreis im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen mit dem J. Verein eingetreten sei. In Übereinstimmung mit dem LAG Sachsen-Anhalt hat der 8. Senat des BAG die Klage indes abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat der 8. Senat des BAG zwar zunächst einmal darauf verwiesen, dass die Anwendbarkeit von § 613 a BGB durch die Berufungsinstanz nicht bereits mit der Begründung verneint werden konnte, dass der Landkreis die für eine Ausübung der streitgegenständlichen Tätigkeit maßgeblichen Rettungsfahrzeuge nicht übernommen hatte. Zwar war anzunehmen, dass die Betriebsmittel und ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmachten. Richtigerweise ist das LAG Sachsen-Anhalt auch davon ausgegangen, dass deren Übernahme ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme gewesen wäre, dass im Zusammenhang mit dem Insourcing des Rettungsdienstes ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang erfolgt wäre. Auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Kriterien hat es der 8. Senat des BAG allerdings für entscheidend gehalten, dass die wirtschaftliche Einheit „Rettungsdienst“ nach dem Inhaberwechsel ihre Identität nicht bewahrt hatte. Nach den insoweit wenig aussagefähigen Feststellungen in der bislang erst vorliegenden Pressemitteilung scheint dieses 621

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Ergebnis nicht bereits dadurch begründet zu sein, dass die für den Rettungsdienst maßgeblichen Betriebsmittel nicht übernommen wurden. Denn gerade diese Begründung des LAG Sachsen-Anhalt hält das BAG für unzureichend. Maßgeblich ist offenbar, dass der Landkreis im Zusammenhang mit der Fortführung des Rettungsdienstes mehr als zehn neue Arbeitnehmer eingestellt und ein völlig verändertes Schichtmodell eingeführt hat. Obwohl die 41 bisher beim J. Verein beschäftigten Arbeitnehmer ebenfalls zum Einsatz kamen, scheint der Austausch der Betriebsmittel in Verbindung mit diesen arbeitsorganisatorischen Veränderungen und der Aufstockung der Belegschaft einer identitätswahrenden Fortführung des bislang beim J. Verein bestehenden Betriebs entgegenzustehen. Im Ergebnis ist dieser Bewertung durch den 8. Senat des BAG zuzustimmen. Allerdings erscheint es auch mit Blick auf die praktische Umsetzung der durch § 613 a BGB begründeten Handlungsvorgaben überzeugender, das Vorliegen eines Betriebs- und Betriebsteilübergangs – insoweit abweichend von den abstrakt-generellen Feststellungen der Rechtsprechung – an vier kumulativ erforderlichen Kriterien festzumachen. Diese verlangen zunächst einmal, dass beim übertragenden Rechtsträger eine organisatorische Einheit festgestellt wird. Sie muss zum Zeitpunkt des potenziellen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs bestehen. Ihre Kennzeichnung und die Feststellung der in dieser Einheit ausgeübten Tätigkeit bestimmt, welche wesentlichen Ressourcen durch den übernehmenden Rechtsträger übernommen werden, um unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen von einer identitätswahrenden Übertragung auszugehen. Handelt es sich um eine betriebsmittelarme Tätigkeit, kommt es vor allem auf die Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals an. Steht eine betriebsmittelintensive Tätigkeit in Rede, ist vor allem zu prüfen, ob die insoweit erforderlichen materiellen und immateriellen Betriebsmittel durch den potenziellen Erwerber übernommen und bei Fortsetzung dieser Tätigkeit eingesetzt werden. Ergänzend hierzu ist zu prüfen, ob der übernehmende Rechtsträger ohne wesentliche Unterbrechung tatsächlich die bisherige Tätigkeit fortführt. Erforderlich ist allerdings, dass diese Fortführung unter Wahrung der bisherigen Organisations- oder Funktionsstruktur durchgeführt wird. Nur dann liegt die für § 613 a BGB erforderliche Identität der vom Übertragungsvorgang betroffenen Einheit auf der Veräußerer- und Erwerberseite gleichermaßen vor. Der Vorteil einer solchen Betrachtungsweise liegt darin, dass einerseits klare Kriterien genannt werden, die unabhängig von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Gesamtbetrachtung eine wesentliche Leitlinie bieten. Andererseits kann anhand dieser Kriterien auch festgestellt werden, ob durch eine Veränderung des Übertragungsvorgangs eine Anwendbarkeit von § 613 a 622

Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang

BGB vermieden werden kann. Denn nur dann, wenn die vorstehend genannten Kriterien kumulativ erfüllt sind, liegt nach der diesseits vertretenen Auffassung ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang vor. (Ga)

7.

Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang

Nach § 613 a Abs. 5 BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über: 1. den neuen Inhaber des Betriebs- oder Betriebsteils, 2. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, 3. den Grund für den Übergang, 4. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und 5. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 BGB innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Unterrichtung schriftlich widersprechen. Dabei kann der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder neuen Inhaber erklärt werden. Wichtig ist allerdings, dass die Monatsfrist erst beginnt, wenn eine ordnungsgemäße (vollständige) Unterrichtung des Arbeitnehmers erfolgt ist. Fehlt diese Unterrichtung, kann der Arbeitnehmer in den Grenzen der Verwirkung auch nach Ablauf eines Monats nach Zugang eines Unterrichtungsschreibens über den bevorstehenden Betriebs- oder Betriebsteilübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen 49. Wir haben über diese Gefahr einer fehlerhaften Unterrichtung bereits mehrfach berichtet 50. Grundsätzlich setzt der Eintritt der Verwirkung voraus, dass der Berechtigte – insoweit also der zum Widerspruch berechtigte Arbeitnehmer – seinen Anspruch erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums geltend macht (Zeitmoment). Dies allein genügt indes nicht. Erforderlich ist darüber hinaus, dass er unter Umständen untätig geblieben ist, die bei dem am Betriebs- oder Be-

49 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 728/14 n. v. Rz. 27; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 773/10, NZA 2012, 992 Rz. 30. 50 B. Gaul, AktuellAR 2013, 642 ff.; 2014, 242 ff.; 2015, 307 ff.

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Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang

BGB vermieden werden kann. Denn nur dann, wenn die vorstehend genannten Kriterien kumulativ erfüllt sind, liegt nach der diesseits vertretenen Auffassung ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang vor. (Ga)

7.

Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang

Nach § 613 a Abs. 5 BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über: 1. den neuen Inhaber des Betriebs- oder Betriebsteils, 2. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, 3. den Grund für den Übergang, 4. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und 5. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 BGB innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Unterrichtung schriftlich widersprechen. Dabei kann der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder neuen Inhaber erklärt werden. Wichtig ist allerdings, dass die Monatsfrist erst beginnt, wenn eine ordnungsgemäße (vollständige) Unterrichtung des Arbeitnehmers erfolgt ist. Fehlt diese Unterrichtung, kann der Arbeitnehmer in den Grenzen der Verwirkung auch nach Ablauf eines Monats nach Zugang eines Unterrichtungsschreibens über den bevorstehenden Betriebs- oder Betriebsteilübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen 49. Wir haben über diese Gefahr einer fehlerhaften Unterrichtung bereits mehrfach berichtet 50. Grundsätzlich setzt der Eintritt der Verwirkung voraus, dass der Berechtigte – insoweit also der zum Widerspruch berechtigte Arbeitnehmer – seinen Anspruch erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums geltend macht (Zeitmoment). Dies allein genügt indes nicht. Erforderlich ist darüber hinaus, dass er unter Umständen untätig geblieben ist, die bei dem am Betriebs- oder Be-

49 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 728/14 n. v. Rz. 27; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 773/10, NZA 2012, 992 Rz. 30. 50 B. Gaul, AktuellAR 2013, 642 ff.; 2014, 242 ff.; 2015, 307 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

triebsteilübergang beteiligten Unternehmen den Eindruck erwecken, dass er sein Recht zum Widerspruch nicht mehr geltend machen wolle, sodass sich insbesondere der bisherige Betriebsinhaber darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment) 51. Insbesondere in Bezug auf das Umstandsmoment hat die Rechtsprechung insoweit überaus strenge Voraussetzungen aufgestellt. Diese waren trotz insoweit zum Teil widersprüchlicher Feststellungen im Einzelfall immer wieder mit der abstrakt-generellen These verknüpft, dass der Arbeitnehmer vor der Erklärung des Widerrufs über das Arbeitsverhältnis disponiert haben musste, um das notwendige Vertrauen auf Seiten der beteiligten Rechtsträger in die fehlende Ausübung des Widerspruchrechts zu rechtfertigen 52. Alternativ hierzu wurde verlangt, dass das Arbeitsverhältnis durch Vereinbarung mit dem Betriebserwerber auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt oder durch einen grundlegend neuen Arbeitsvertrag abgelöst würde 53. Berechtigterweise scheint der 8. Senat des BAG mit seinem Urteil vom 19.11.2015 54 diese strengen Anforderungen an die Anerkennung einer Verwirkung jedenfalls für den Fall eines mehrfachen Betriebsübergangs einschränken zu wollen. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Arbeitnehmer in den Jahren 2007 und 2008 von zwei verschiedenen Betriebsübergängen betroffen. Erst einige Jahre später widersprach er zunächst dem ersten und im Anschluss daran dem zweiten Betriebsübergang. Zu entscheiden war damit, ob das Arbeitsverhältnis als Folge beider Widersprüche wieder bei dem ursprünglichen Arbeitgeber bestand. In seiner Entscheidung hat das BAG unter Bezugnahme auf die vorangehenden Feststellungen des 8. Senats des BAG im Urteil vom 24.4.2014 55 darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 S. 2 BGB nur gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber und dem neuen Inhaber erklären könne. Neuer Inhaber i. S. von § 613 a Abs. 6 S. 2 BGB sei stets derjenige, der beim letzten Betriebsübergang den Betrieb erworben habe. Bisheriger Arbeitgeber

51 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 728/14 n. v. Rz. 24; BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 412/13, DB 2014, 2534 Rz. 62. 52 Vgl. BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 974/12, NZA 2014, 774 Rz. 31; BAG v. 12.11.2009 – 8 AZR 530/07, NZA 2010, 761 Rz. 29. 53 Vgl. BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 974/12, NZA 2014, 774 Rz. 32; BAG v. 21.1.2010 – 8 AZR 870/07 n. v. Rz. 33 f.; LAG Thüringen v. 27.3.2014 2– Sa 277/12 n. v. Rz. 34. 54 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 26 ff. 55 8 AZR 369/13, NZA 2014, 1074 Rz. 17 ff.

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Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang

i. S. von § 613 a Abs. 6 S. 2 BGB könne deshalb nur derjenige sein, der bis zu diesem letzten Betriebsübergang, also vor dem neuen Inhaber, den Betrieb innehatte und nicht mehr der vormalige Arbeitgeber, also nicht mehr der Arbeitgeber, mit dem bis zu dem, dem letzten Betriebsübergang vorangegangenen Betriebsübergang ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Wolle der Arbeitnehmer durch einen erst nach dem weiteren Betriebsübergang erklärten Widerspruch erreichen, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem vormaligen Arbeitgeber fortbestehe, müsse er deshalb zunächst erfolgreich dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber i. S. d. § 613 a Abs. 6 S. 2 BGB widersprechen 56. Der mehrfache Übergang eines Arbeitsverhältnisses als Folge mehrfacher Betriebsübergänge kann also nur durch mehrfache (nacheinander geschaltete) Widersprüche rückgängig gemacht werden. Nach der jetzt im Urteil vom 19.11.2015 57 – ausdrücklich abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des 8. Senats – vertretenen Auffassung kann der Arbeitnehmer einem früheren Übergang seines Arbeitsverhältnisses vom vormaligen Arbeitgeber auf den Zwischenerwerber auch dann nicht in allen Fällen bis zur Grenze der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) widersprechen, wenn er dem mit dem nachfolgenden Betriebsübergang eintretenden Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber erfolgreich widersprochen habe. Denn das Recht, dem in Folge des vorangegangenen Betriebsübergangs eingetretenen Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, könne zuvor erloschen sein. Hiervon sei regelmäßig auszugehen, wenn der Arbeitnehmer von den in § 613 a Abs. 5 BGB genannten Personen im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB die grundlegenden Informationen erhalten habe, d. h. über den mit dem letzten und dem vorangegangenen Betriebsübergang verbundenen jeweiligen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts zumindest Gegenstands des jeweiligen Betriebsübergangs und des jeweiligen Betriebsübernehmers in Kenntnis gesetzt worden sei, er dem in Folge des vorangegangenen Betriebsübergangs eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang dieser Unterrichtung über den mit dem letzten Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen habe und diese Monatsfrist ihrerseits noch vor dem letzten Betriebsübergang abgelaufen sei. Darauf, ob die Unterrichtungen über den in Folge des vorangegangenen und weiteren Betriebsübergangs eintretenden Übergang des Ar-

56 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 21 ff., 25. 57 8 AZR 733/14, NZA 2016, 647 Rz. 26 ff.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

beitsverhältnisses auf den jeweiligen neuen Inhaber im Übrigen ordnungsgemäß i. S. d. § 613 a Abs. 5 BGB gewesen seien, komme es insoweit nicht an. Diese Einschränkung der bisherigen Rechtsprechung ist zu begrüßen. Sie zeigt deutlich, dass der Ausschluss eines Widerspruchs nach Ablauf eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB trotz etwaiger Fehler auch dann gegeben ist, wenn durch den Arbeitnehmer keine Disposition über das Arbeitsverhältnis vorgenommen wird. In seiner Begründung verweist der 8. Senat des BAG darauf, dass ein auf den vorangegangenen Betriebsübergang bezogenes (fortbestehendes) Widerspruchsrecht nicht zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden könne. Dies folge aus der § 613 a Abs. 6 BGB immanenten Befriedungsfunktion. Mit § 613 a Abs. 5, 6 BGB habe der Gesetzgeber nicht nur dem Interesse des Arbeitnehmers an einer für die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts ausreichenden Wissensgrundlage, sondern auf dem Bedürfnis von bisherigem Arbeitgeber und neuem Inhaber an Planungssicherheit Rechnung getragen. Letztere sollten durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung innerhalb einer kurzen Zeit eine rechtssichere Zuordnung der Arbeitsverhältnisse herbeiführen können. Dieses Gesetzesziel könne nicht erreicht werden, wenn bei mehreren Betriebsübergängen zeitlich unbegrenzt auch die früheren Arbeitgeberwechsel noch in Frage gestellt werden könnten. Das darin liegende Erlöschen des jeweils „älteren“ Widerspruchsrechts verletzt den Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG auch nicht in seinem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitgebers. Voraussetzung sei allerdings, dass er durch ein Unterrichtungsschreiben die grundlegende Information zu dem bevorstehenden Übertragungsvorgang erhalte und – dies muss kumulativ erfüllt sein – die Frist von einem Monat nach Zugang der Unterrichtung über den an den weiteren Betriebsübergang geknüpften Übergang des Arbeitsverhältnisses ihrerseits noch vor dem weiteren Betriebsübergang abläuft. Denn aus einer solchen Unterrichtung habe – so das BAG – der Arbeitnehmer hinreichend deutlich entnehmen können, dass sein vormaliger Arbeitgeber infolge dieses Betriebsübergangs seine Position als „sein Arbeitgeber“ an den Zwischenerwerber abgeben würde. Mit der entsprechend gefassten Unterrichtung, die der Arbeitnehmer anlässlich des weiteren Betriebsübergangs erhalte, werde ihm sodann nochmals deutlich vor Augen geführt, dass sich nicht mehr der vormalige Arbeitgeber, sondern der Zwischenerwerber als sein Vertragspartner sehe und diese Position kraft Gesetzes an den neuen Inhaber abgegeben werde. Dies mache dem Arbeitnehmer unmissverständlich klar, dass es zu einer weiteren Verlagerung der Beschäftigungsmöglichkeit, nunmehr 626

Verwirkung des Widerspruchsrechts bei mehrfachem Betriebsübergang

auf den neuen Inhaber, komme und sich damit die Frage, ob er den vormaligen Arbeitgeber als seinen Vertragspartner behalten will, in besonderer Schärfe stelle. Man könne deshalb vom Arbeitnehmer regelmäßig erwarten, dass er sich jetzt (alsbald) entscheide, ob er dem mit dem vorangegangenen Betriebsübergang eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch widersprechen wolle 58. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die damit verbundene Heilung etwaiger Unterrichtungsfehler der Vergangenheit auch dann erreicht werden kann, wenn die Unterrichtung über den letzten Betriebsübergang fehlerhaft ist. Erforderlich ist nach den Feststellungen des BAG nur, dass die „grundlegenden Informationen“, also die Mitteilung des Zeitpunktes oder des geplanten Zeitpunktes sowie des Gegenstands des jeweiligen Betriebsübergangs und des jeweiligen Betriebsübernehmers in transparenter Weise erkennbar sind 59. Gerade aus Sicht des übertragenden Rechtsträgers ist es deshalb sehr wichtig, die Unterrichtung über den letzten Betriebsübergang so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Monatsfrist noch vor dem Übergang des Arbeitsverhältnisses abläuft. (Ga)

58 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 28 ff., 33. 59 BAG v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14, NZA 2016, 647 Rz. 35 ff., 38 ff.

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J. 1.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei Unfall im Zusammenhang mit Home-Office-Tätigkeit

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Unfälle als Arbeitsunfälle in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen, wenn sie durch den Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) ausgelöst werden. Die Wegeunfallversicherung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gelangt zur Anwendung in Bezug auf das Zurücklegen des mit einer gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Bislang war höchstrichterlich ungeklärt, ob ein Arbeits- oder Wegeunfall auch dann gegeben ist, wenn es zu diesem Unfall im Zusammenhang mit einer Home-Office-Tätigkeit 1 kommt. Die insoweit erforderliche Klarstellung ist durch das Urteil des BSG vom 5.7.2016 2 erfolgt. In dem zugrunde liegenden Fall arbeitete die Klägerin aufgrund einer Dienstvereinbarung mit ihrem Arbeitgeber zur Regelung der Telearbeit auf einem in ihrer Wohnung eingerichteten Telearbeitsplatz. Danach wurden die Arbeitsmittel vom Dienstherrn zur Verfügung gestellt und durften nicht für private Zwecke genutzt werden. Die häusliche Arbeitsstätte wurde hingegen von der Klägerin kostenlos bereitgestellt. Der Arbeitsplatz war dabei im Dachgeschoss des Wohngebäudes gelegen, in dem sich außerdem ein kleines Bad, das Arbeitszimmer des Ehemanns der Klägerin sowie ein Schlafraum befanden. Diese Räume waren über eine Treppe zu erreichen. Im Erdgeschoss lagen Küche, Wohnzimmer und ein weiteres Bad. Die Klägerin, die unter Asthma sowie CUPD litt und daher mehrmals am Tag viel trinken musste, arbeitete am 21.9.2012 an ihrem Telearbeitsplatz. Weil die mitgenommenen Wasserflaschen bereits leer waren, verließ sie ihren Arbeitsplatz, um in der Küche Wasser zu holen. Auf der Treppe rutschte sie ab, knickte mit dem linken Fuß um und erlitt dadurch eine metatarsale Schrägfraktur links.

1 2

Näheres hierzu: BMAS/Bekker Pressemitteilung v. 31.5.2016 Arbeiten zeit- und ortsflexibler gestalten, Arbeitsbericht der IT-Gipfel-Plattform „Digitale Arbeitswelt“. B 2 U5/15 R n. v. Rz. 12 ff.

629

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

Im vorgenannten Urteil hat das BSG die Entscheidung der beklagten Unfallkasse bestätigt, die es abgelehnt hatte, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Entgegen der vorangehenden Feststellung des LSG Rheinland-Pfalz hat das BSG insoweit die Ansicht vertreten, dass weder ein Arbeits- noch ein Wegeunfall gegeben sei. 3 In den Gründen seiner Entscheidung hat das BSG deutlich gemacht, dass bereits keine versicherte Tätigkeit gegeben war, als das Unfallereignis eingetreten ist. Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sei, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt habe und deshalb „Versicherter“ sei. Die Verrichtung der Klägerin zur Zeit des Unfallereignisses – hier: das Hinabsteigen der Treppe – habe aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gestanden. Denn sie habe zum Unfallzeitpunkt weder ihre Beschäftigung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausgeübt, noch im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit einen Betriebsweg zurückgelegt. Außerdem habe sich die Klägerin nicht auf einem versicherten Weg zum Ort der Nahrungsaufnahme befunden und werde deshalb auch nicht in höherrangigem Recht verletzt. Schließlich sei sie im Unfallzeitpunkt auch nicht durch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII geschützt. Versicherter i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist nach den Feststellungen des BSG eine Person nur, wenn, solange und soweit sie den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfülle. Eine Verrichtung sei jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet sei. Hiervon könne in Bezug auf das Hinabsteigen der Treppe zum Unfallzeitpunkt nicht ausgegangen werden. Denn bei dieser Tätigkeit sei die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin nicht auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestands als Beschäftigte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gerichtet gewesen. Unzweifelhaft gehörte das Wasserholen nicht zu den sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Hauptpflichten der Klägerin. Darüber hinaus habe sie dadurch auch keine aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Nebenpflicht erfüllt. Eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu gesundheitsfördernden, der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit dienenden Handlungen sei grundsätzlich nicht gegeben 4.

3 Vgl. BSG v. 6.12.1989 – 2 RU 5/89, NZA 1990, 455; Isenhardt, DB 2016, 1502; Spellbrink, NZS 2016, 529 ff. 4 BSG v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R n. v. Rz. 15 ff.

630

Unfall im Zusammenhang mit Home-Office-Tätigkeit

Ferner habe sich die Klägerin auch nicht auf einem Betriebsweg befunden. Ein dem unmittelbaren Betriebsinteresse dienender Weg komme grundsätzlich nur außerhalb des (privaten) Wohngebäudes in Betracht. Insbesondere sei hierzu erforderlich, dass die Außentür des Gebäudes durchschritten worden sei. Nur wenn sich die Wohnung und die Arbeitsstätte im selben Gebäude befänden, sei ein Betriebsweg ausnahmsweise auch im häuslichen Bereich denkbar, wenn die Strecke in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werde. Auch diese Voraussetzung war vorliegend indes nicht erfüllt. Denn den Weg zur Küche habe die Klägerin nicht im unmittelbaren betrieblichen, sondern im eigenwirtschaftlichen Interesse zurückgelegt. Unfallversicherungsschutz an der Unfallstelle könnte hier zwar unter dem Gesichtspunkt eines versicherten Betriebswegs ausnahmsweise dann bestehen, wenn der Weg bereits zwischen dem häuslichen Arbeitszimmer – und nicht erst nach Durchschreiten der Außentür – und der Küche als Weg in Ausführung der versicherten Tätigkeit anzusehen wäre. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall 5. Dass die Ausübung einer Beschäftigung in einem Home-Office zu einer Verlagerung von den Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich führe, rechtfertigt nach Auffassung des BSG auch in diesem Zusammenhang keine andere Beurteilung. Die betrieblichen Interessen dienende Arbeit in der Wohnung eines Versicherten nehme dieser außerhalb des konkreten Arbeitszimmers oder -raums nicht den Charakter der häuslichen Lebenssphäre. Die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken habe nicht der Arbeitgeber zu verantworten und vermöge der Versicherte selbst am besten zu beherrschen. Der Wohnbereich sei dem Versicherten im Regelfall besser bekannt als anderen. Für die mit ihm einhergehenden Gefahren sei der Versicherte selbst verantwortlich. Unabhängig davon müsse berücksichtigt werden, dass es dem Arbeitgeber außerhalb des Betriebsgeländes regelmäßig verwehrt sei, präventive, Gefahren reduzierende Maßnahmen zu ergreifen. Der Unternehmer sei zwar für die Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, für die Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe verantwortlich (§ 21 Abs. 1 SGB VII). Ungeachtet der Frage, inwieweit Arbeitgeber rechtlich durchsetzbar in die Lage versetzt sein müssten, dieser Verantwortung in Bezug auf betriebliche Arbeitsplätze im häuslichen Bereich nachzukommen, beschränke sich die Verpflichtung zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen aber auf die jeweilige Betriebsstätte, zu der jedenfalls häusliche Ört5

BSG v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R n. v. Rz. 19 ff.

631

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

lichkeiten außerhalb eines räumlich abgegrenzten Home-Offices nicht zählten 6 Das wird allerdings auch durch die Neufassung der ArbStättV nicht geändert 7. Nach Auffassung des BSG befand sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auch nicht auf einem versicherten Weg zum Ort einer Nahrungsaufnahme. Dass dies bei Beschäftigten, die im Betrieb die Kantine oder einen Essensautomaten aufsuchen, anders gesehen werde, sei auch mit Blick auf Art. 3 GG zu rechtfertigen. Zum einen diene die beabsichtigte Nahrungsaufnahme bei einer entsprechenden Wegstrecke im Betrieb während der Arbeitszeit, im Gegensatz zur bloßen Vorbereitungshandlung vor der Arbeit, der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Zum anderen handele es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt werde, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeit zu verrichten. Da die Klägerin im Home-Office hingegen hinsichtlich der beabsichtigten Flüssigkeitszufuhr keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen unterlegen habe, sei eine Gleichsetzung nicht geboten. Denn sie habe über ein entsprechendes Aufsuchen der Küche in ihrem Belieben entscheiden können. Der Weg zur Küche war weder räumlich durch einen außerhalb der Wohnung gelegenen Betriebsort vorgegeben, noch innerhalb eines zeitlichen Rahmens zu erledigen und stand in keinem Zusammenhang mit bereits erbrachter Arbeit. Damit liege auch keine Missachtung des Gleichheitssatzes vor. Losgelöst von diesen Überlegungen ist der Sachverhalt nach Auffassung des BSG auch nicht in die Wegeunfallversicherung einzubeziehen. Zwar erfasst diese einen Unfall auf dem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit. Allerdings beginne und ende der Weg zur oder von der Arbeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, in dem die Wohnung gelegen sei 8. Insgesamt ist der Entscheidung zuzustimmen. Zwingend ist die Ausgrenzung des Unfalls im Home-Office aus der gesetzlichen Unfallversicherung allerdings nicht. Es erscheint allerdings mit Blick auf den Schutz der Versichertengemeinschaft indes gerechtfertigt, hier eine sehr restriktive Auslegung vorzunehmen. Schlussendlich sind damit tatsächlich nur noch Unfälle im Home-Office erfasst, die bei einer ausschließlich zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten verrichteten Tätigkeit eintreten. Das kann dann 6 7 8

BSG v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R n. v. Rz. 26 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 368 ff. BSG v. 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R n. v. Rz. 32.

632

Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bei Syndikusrechtsanwälten

auch einen Ortswechsel innerhalb des Hauses erfassen, wenn dieser beispielsweise dazu dient, ein bearbeitetes Dokument aus dem Drucker zu holen. (Ga)

2.

Rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bei Syndikusrechtsanwälten

Wir haben in den vergangenen Jahren mehrfach über die Auseinandersetzung über die Möglichkeiten einer Befreiung der Syndikusrechtsanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherung gesprochen. Anlass waren die Entscheidungen des BSG vom 3.4.2014 9, durch die ein vollständiger Wechsel in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der für die Befreiung maßgeblichen Regelungen in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eingetreten war. Zu Recht hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung korrigiert und unter Einbeziehung standesrechtlicher Veränderungen mit Wirkung zum 1.1.2016 (wieder) die Möglichkeit geschaffen, als Syndikusrechtsanwalt, als Konsequenz einer Mitgliedschaft im anwaltlichen Versorgungswerk, von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit zu werden 10. Das Wirksamwerden dieser gesetzlichen Neuregelung war in § 231 Abs. 4 b und 4 c SGB VI mit einer komplexen Übergangsregelung verknüpft worden. Diese hatte unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die Möglichkeiten einer rückwirkenden Befreiung geschaffen. Die entsprechenden Regelungen lauten wie folgt: (4 b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Be9 B 5 RE 9/14 R n. v.; B 5 RE 13/14 R, NZA 2014, 971. 10 B. Gaul, AktuellAR 2015, 668 ff.; 2016, 12 ff.

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Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bei Syndikusrechtsanwälten

auch einen Ortswechsel innerhalb des Hauses erfassen, wenn dieser beispielsweise dazu dient, ein bearbeitetes Dokument aus dem Drucker zu holen. (Ga)

2.

Rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bei Syndikusrechtsanwälten

Wir haben in den vergangenen Jahren mehrfach über die Auseinandersetzung über die Möglichkeiten einer Befreiung der Syndikusrechtsanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherung gesprochen. Anlass waren die Entscheidungen des BSG vom 3.4.2014 9, durch die ein vollständiger Wechsel in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der für die Befreiung maßgeblichen Regelungen in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eingetreten war. Zu Recht hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung korrigiert und unter Einbeziehung standesrechtlicher Veränderungen mit Wirkung zum 1.1.2016 (wieder) die Möglichkeit geschaffen, als Syndikusrechtsanwalt, als Konsequenz einer Mitgliedschaft im anwaltlichen Versorgungswerk, von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit zu werden 10. Das Wirksamwerden dieser gesetzlichen Neuregelung war in § 231 Abs. 4 b und 4 c SGB VI mit einer komplexen Übergangsregelung verknüpft worden. Diese hatte unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die Möglichkeiten einer rückwirkenden Befreiung geschaffen. Die entsprechenden Regelungen lauten wie folgt: (4 b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Be9 B 5 RE 9/14 R n. v.; B 5 RE 13/14 R, NZA 2014, 971. 10 B. Gaul, AktuellAR 2015, 668 ff.; 2016, 12 ff.

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Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

schäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden. (4 c) Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt als gegeben für Personen, die 1. nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und 2. bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen. Satz 1 gilt nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Satz 1 gilt nicht, wenn vor dem 1. Januar 2016 infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen berufsständischen Versorgungswerk wegen Überschreitens einer Altersgrenze nicht mehr begründet werden konnte.

Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, die an sich noch die zur früheren Rechtslage ergangene Entscheidung des BSG vom 3.4.2014 11 zum Gegenstand hatte, hat das BVerfG am 22.7.2016 12 zwar dem Tenor nach keine stattgebende Entscheidung getroffen. Vielmehr ist die Verfassungsbeschwerde wegen des Fehlens ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht (mehr) zur Entscheidung angenommen worden. Im Rahmen eines obiter dictum hat die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG indes Klarstellungen in Bezug auf die Auslegung und Anwendung von § 231 Abs. 4 b S. 4 SGB VI vorgenommen. Danach kann eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung auch für Zeiten vor dem 1.4.2014 erfolgen, wenn für diese Zeiten „einkommensbezogene Pflichtbeiträge“ an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Hier war umstritten, ob solche Beiträge an der Höhe 11 B 5 RE 13/14 R, NZA 2014, 971. 12 1 BvR 2534/14, NZS 2016, 825 Rz. 6 ff.; ebenso BVerfG v. 19.7.2016 – 1 BvR 2584/14, NZA 2016, 1069 Rz. 16 f.

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Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer als umsatzsteuerpflichtige Leistung

der Einkünfte des Syndikusrechtsanwalts ausgerichtet sein müssen oder ob es genügt, den jeweiligen Pflichtbeitrag des Versorgungswerks einzuzahlen. Nach Auffassung des BVerfG genügt es, wenn die jeweils in der Satzung des Versorgungswerks vorgesehenen Mindestbeiträge (hier: 10 % des Regelpflichtbeitrags) gezahlt werden, weil es sich auch dabei um „einkommensbezogene Pflichtbeiträge“ gehandelt habe. Damit können auch solche Rechtsanwälte, die während ihrer Tätigkeit in einem Unternehmen in der Zeit bis zum 1.4.2014 nur Mindestbeiträge an das Versorgungswerk gezahlt haben, eine rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen. Dies gilt selbst dann, wenn sie in dieser Zeit an sich nicht die jetzt in § 46 a BRAO festgelegten Voraussetzungen für die Anerkennung als Syndikusrechtsanwalt genannten, Tätigkeiten erbracht haben. Voraussetzung ist allerdings, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vor dem 4.4.2014 aufgrund einer ergangenen Entscheidung rechtskräftig abgelehnt worden ist. Das folgt aus § 231 Abs. 4 b S. 5 SGB VI. (Ga)

3.

Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer als umsatzsteuerpflichtige Leistung

In seinem Urteil vom 14.1.2016 13 hat der BFH klargestellt, dass ein Unternehmer, der seinen Angestellten gegen Kostenbeteiligung Parkraum überlässt, eine entgeltliche Leistung erbringt. Konsequenz ist, dass insoweit Umsatzsteuer gezahlt werden muss (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG). In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Mitarbeiter der Klägerin regelmäßig Schwierigkeiten, einen öffentlichen Parkplatz zu finden. Um einen ungestörten Betriebsablauf zu ermöglichen, mietete die Klägerin daher in den Jahren 2009 und 2010 Parkplätze für das Abstellen von Fahrzeugen in einem Parkhaus am Unternehmensort für monatlich 55 € pro Stellplatz an, um sie ihren Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter waren indes nur parkberechtigt, wenn sie sich – auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung – an den Parkraumkosten mit 27 € monatlich beteiligten. Diese Zahlungen behielt die Klägerin unmittelbar vom Gehalt des jeweiligen Mitarbeiters ein. Nach Auffassung des BFH lag darin eine entgeltliche Leistung. Denn den Mitarbeitern war auf diese Weise ein verbrauchsfähiger Vorteil i. S. von Art. 2 Abs. 1 lit. c MwStSystRL verschafft worden. Dass die Gewährung

13 V R 63/14, NZA-RR 2016, 270 Rz. 13 ff.

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Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer als umsatzsteuerpflichtige Leistung

der Einkünfte des Syndikusrechtsanwalts ausgerichtet sein müssen oder ob es genügt, den jeweiligen Pflichtbeitrag des Versorgungswerks einzuzahlen. Nach Auffassung des BVerfG genügt es, wenn die jeweils in der Satzung des Versorgungswerks vorgesehenen Mindestbeiträge (hier: 10 % des Regelpflichtbeitrags) gezahlt werden, weil es sich auch dabei um „einkommensbezogene Pflichtbeiträge“ gehandelt habe. Damit können auch solche Rechtsanwälte, die während ihrer Tätigkeit in einem Unternehmen in der Zeit bis zum 1.4.2014 nur Mindestbeiträge an das Versorgungswerk gezahlt haben, eine rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen. Dies gilt selbst dann, wenn sie in dieser Zeit an sich nicht die jetzt in § 46 a BRAO festgelegten Voraussetzungen für die Anerkennung als Syndikusrechtsanwalt genannten, Tätigkeiten erbracht haben. Voraussetzung ist allerdings, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vor dem 4.4.2014 aufgrund einer ergangenen Entscheidung rechtskräftig abgelehnt worden ist. Das folgt aus § 231 Abs. 4 b S. 5 SGB VI. (Ga)

3.

Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer als umsatzsteuerpflichtige Leistung

In seinem Urteil vom 14.1.2016 13 hat der BFH klargestellt, dass ein Unternehmer, der seinen Angestellten gegen Kostenbeteiligung Parkraum überlässt, eine entgeltliche Leistung erbringt. Konsequenz ist, dass insoweit Umsatzsteuer gezahlt werden muss (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG). In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Mitarbeiter der Klägerin regelmäßig Schwierigkeiten, einen öffentlichen Parkplatz zu finden. Um einen ungestörten Betriebsablauf zu ermöglichen, mietete die Klägerin daher in den Jahren 2009 und 2010 Parkplätze für das Abstellen von Fahrzeugen in einem Parkhaus am Unternehmensort für monatlich 55 € pro Stellplatz an, um sie ihren Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter waren indes nur parkberechtigt, wenn sie sich – auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung – an den Parkraumkosten mit 27 € monatlich beteiligten. Diese Zahlungen behielt die Klägerin unmittelbar vom Gehalt des jeweiligen Mitarbeiters ein. Nach Auffassung des BFH lag darin eine entgeltliche Leistung. Denn den Mitarbeitern war auf diese Weise ein verbrauchsfähiger Vorteil i. S. von Art. 2 Abs. 1 lit. c MwStSystRL verschafft worden. Dass die Gewährung

13 V R 63/14, NZA-RR 2016, 270 Rz. 13 ff.

635

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

unentgeltlicher Leistungen von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein kann, stehe dieser Einbindung bei einer entgeltlichen Überlassung nicht entgegen. Ob diese Bewertung des BFH in der betrieblichen Praxis tatsächlich zur Anwendung kommt, erscheint fraglich. Wichtig ist deshalb, die jeweilige Handhabe noch einmal zu überprüfen und ggf. anzupassen. Wichtig ist allerdings, dass der Umstand, dass der Parkraum Mitarbeitern ganz oder teilweise unentgeltlich überlassen wird, nach aktueller Bewertung der Finanzbehörden keine Lohnsteuerpflicht und daraus folgend auch keine Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zur Folge hat 14. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass der Arbeitgeber, der für das Abstellen von Fahrzeugen während der Arbeitszeit unentgeltlich oder verbilligt eine Parkmöglichkeit zur Verfügung stellt, eine im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse liegende Leistung erbringt. Das gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber die Park- oder Einstellplätze von einem Dritten anmietet und sie seinen Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt überlässt. Dies gilt insbesondere dann, wenn hiervon Dienstwagen betroffen sind. Abweichende Bewertungen sind nur dann erfolgt, wenn der Parkraum ohne Rücksicht auf eine betriebliche Nutzung verfügbar gemacht wurde. (Ga)

14 Vgl. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 28.9.2006 (Az.: S 2334 – 61 – V B 3).

636

Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2017

4.

Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2017 2016 West

2017 Ost

West

Ost

Monat

Jahr

Monat

Jahr

Monat

Jahr

Monat

Jahr

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Rentenversicherung) *

6.200

74.400

5.400

64.800

6.350

76.200

5.700

68.400

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Knappschaft) *

7.650

91.800

6.650

79.800

7.850

94.200

7.000

84.000

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Arbeitslosenversicherung)*

6.200

74.400

5.400

64.800

6.350

76.200

5.700

68.400

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Kranken- und Pflegeversi-

4.237,50

50.850

4.237,50

50.850

4.350

52.200

4.350

52.200

Versicherungspflichtgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Kranken- und Pflegeversi-

4.687,50

56.250

4.687,50

56.250

4.800

57.600

4.800

57.600

Bezugsgröße in der Sozial-

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

versicherung ***

2.905

34.860

2.520

30.240

2.975

35.700

2.660

31.920

Geringfügigkeitsgröße

EUR

EUR

EUR

EUR

450

450

450

450

cherung) *

cherung) **

*

Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.

**

Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.

***

In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielsweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt der Wert für den Westen bundeseinheitlich. (Mi)

637

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Abfindung - Betriebsrente 529, 543 - Einkommensteuer 300 f. - Fälligkeit 300 f. - Sozialplan 290 f. Abfindungszusage, Kündigung 274 f. Abmahnung - Betriebsratsmitglied 248 ff. - Kündigung 251 - Personalakte 250 f. Abschließende Stellungnahme, Betriebsrat 522 ff. Abwicklungsvertrag - Klageverzicht 185 ff. - Schriftform 177 ff. - vorzeitige Beendigung 177 ff. - Zeugnis 187 f. AEntG - Ausschlussfrist 442 - Mindestlohn 16 AGB-Kontrolle - Allgemeine Geschäftsbedingungen 61 f. - Anwendungsbereich 61 f. - Arbeit auf Abruf 451 f. - Arbeitsbereitschaft 115 ff. - Ausschlussfrist 63 f., 440 ff. - Bereitschaftsdienst 115 ff. - Betriebsvereinbarung 212 - Bezugnahmeklausel 561 ff. - einmalige Dokumente 61 ff. - Freiwilligkeitsvorbehalt 465 f. - Klageverzicht 185 ff. - Null-Stunden-Vertrag 451 f. - Pauschalvergütung 115 ff.

AGB-Kontrolle - Rufbereitschaft 115 ff. - Überstunden 115 ff. - Unklarheiten Regel 62 - Verbrauchervertrag 62, 186 - Vertragsstrafe 444 f. - Vorformulierung 63 f. AGG-Hopper 400 ff. Aktiengesellschaft - Aufsichtsrat 372 - CSR-Richtlinie 370 ff. - Diversitätskonzept 372 - Frauenquote 47 f. - Geschlechterquote 48 - Vorstand 372 Alkoholmissbrauch, Kündigung 507 f. Allgemeinverbindlichkeit, Tarifvertrag 16 Alter, Diskriminierung 455 ff. Ältere Arbeitnehmer - Beitragspflicht 334 f. - Berufsausbildung 350 - Sozialplan 350 - Transfergesellschaft 351, 613 - Vorruhestand 277 ff. - Weisungsrecht 163 f. Altersdiskriminierung - Abfindung 605 - Betriebsrente 189 ff. - Urlaub 458 f. - Vorruhestand 174 ff. Altersgrenze - Arbeitsvertrag 209 ff. - langjährig Versicherte 212 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 212 639

Stichwortverzeichnis

Altersgrenze - Regelrentenalter 210 f. - Schwerbehinderte 212 ff. - Tarifvertrag 209 f., 211 f. - vorzeitige Altersrente 212 ff. Altersrente → gesetzliche Altersrente Altersteilzeit - Entgelterhöhung 460 f. - Freistellungsphase 460 f. - Tariflohnerhöhung 460 f. Änderungskündigung - Einwilligung 102 - Krankheit 160 ff. - Leistungsminderung 160 ff. Anfechtung, Einigungsstellenspruch 584 ff. Angemessenheit, Nachtarbeitszuschlag 109 ff. Angemessenheitsbeschluss, Datenschutz 36 f. Annahmeverzug - Angebot 469 ff. - Arbeitgeber 469 ff., 517 ff. - Erfüllungsort 470 Anpassungspflicht, Betriebsrente 14 Anpassungsstichtag, Änderung 206 ff. Anschlussbeschäftigung - Freiwilligenprogramm 273 f. - Sozialplan 273 f. Anschlussvertrag, befristeter Arbeitsvertrag 413 ff. Arbeit auf Abruf 451 f. Arbeiten 4.0 29 ff., 397 ff. - Arbeitszeit 461 ff. - Big Data 398 - Wahlarbeitszeitgesetz 398 640

Arbeitgeber - Annahmeverzug 469 ff., 517 ff. - Diensteanbieter 84 ff. Arbeitnehmer - Begriff 10 f., 55 ff. - Schadensersatz 88 ff., 331 f. Arbeitnehmerfreizügigkeit, Brexit 376 f. Arbeitnehmer-Sharing, NachweisRichtlinie 47 Arbeitnehmerüberlassung 30, 321 ff. - 18-Monats-Frist 4, 324 - Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis 2 - Arbeitsentgeltbegriff 5, 326 - Arbeitskampf 7, 328 - Arbeitsschutz 10 - Auskunftsanspruch 121 f. - Begriff 1 ff., 321 - Beitragsnachforderung 295 - Betriebsrat 10, 329 ff. - Betriebsvereinbarung 4 - BetrVG 8 f., 329 f. - Bezugnahmeklausel 561 ff. - CGZP-Urteil 295 f. - CMS-FPE 323 - Dauer 324 - DGB-Gewerkschaften 215 f. - Dienstvertrag 3, 5 ff., 331 f- DrittelbG 329 f. - Einstellung 10 - Entsenderichtlinie 395, 53 f. - Equal-Pay 5, 119 ff., 215 f., 326 ff., 563 f. - Equal-Treatment 326 ff. - EU-Richtlinie 8 - Fallschirmlösung 2, 322 - Festhalteerklärung 322 - GdP 215 - Gesetzentwurf 1 ff., 321 ff.

Stichwortverzeichnis

Arbeitnehmerüberlassung - GEW 215 - Gewerkschaftseigenschaft 215 f. - Gleichstellungsgrundsatz 326 - Höchstüberlassungsdauer 3 ff., 324 - IG Bau 215 - IG BCE 215 - Informationspflicht 2, 4 f. - Interim-Manager 331 - Jobticket 5, 326 - Kennzeichnung 1 ff., 321 ff. - Kettenüberlassung 321 - Kommune 8, 328 f. - Konzernprivileg 7 - Mindestlohn 16 - MitbestG 8 f., 329 f. - Nachweis-Richtlinie 47 - NWG 215 - öffentlicher Dienst 7 f., 328 f. - Personalgestellung 7 f., 328 f. - Privatisierung 328 f. - Reform 321 ff. - Religionsgemeinschaft 8, 329 - Sachbezug 5 ff., 327 - Sanktionen 7, 328 - Scheinwerkvertrag 322 - Schwellenwerte 329 f. - Softwaretool 323 - Sparkasse 8, 328 - Streik 7, 328 - Tariföffnungsklausel 3 ff., 324, 326 ff. - Tarifzuständigkeit 215 f. - Teilzeit 7 - TransNet 215 - Übergangsregelung 2, 6 f., 321 ff. - Überprüfung 2 f., 321 ff. - ver.di 215 f. - verdeckte 3, 321

Arbeitnehmerüberlassung - Vertragsbezeichnung 1 - Werkvertrag 3 - Widerspruchsrecht 322 Arbeitsbereitschaft - AGB-Kontrolle 115 ff. - Vergütung 115 ff. Arbeitsentgelt - Anfechtung Insolvenz 27 f. - Auskunftsanspruch 252 f. - Insolvenzanfechtung 27 f., 343 f. - Verzug 467 ff. Arbeitserlaubnis 359 f. Arbeitsgericht, Schutzschriften Register 565 ff. Arbeitskampf - AÜG 7, 328 - Betriebsblockade 559 ff. - Flashmob 560 f. - Konzern 7 - Leiharbeitnehmer 328 - rechtswidriger 557 ff. - Schadensersatz 216 ff., 557 ff. - Streikziel 558 f. Arbeitslosenversicherung, Beitragsbemessungsgrenze 637 Arbeitsplatz, Ausschreibung 599 ff. Arbeitsraum, ArbStättV 370 Arbeitsschutz 30 - Einigungsstelle 585 f. - Erholungsurlaub 475 ff. - Fremdpersonal 10 - Mitbestimmung Betriebsrat 586 - Umkleidezeiten 265 - Unterweisung 369 Arbeitsstättenverordnung → ArbStättV Arbeitsunfähigkeit - Leistungsminderung 160 ff. - Personalgespräch 92 f. 641

Stichwortverzeichnis

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 297 ff. - Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie 297 ff. - Dauer 297 f. - Endtermin 298 - Erstbescheinigung 297 - Folgebescheinigung 297 - Formänderung 297 - Krankengeld 298 - rückwirkende 298 f. Arbeitsunfall, Home-Office 629 ff. Arbeitsvertrag - AGB-Kontrolle 115 ff. - Altersgrenze 209 ff. - Arbeitsort 55, 81 f. - Arbeitszeit 55 - Ausschlussfristen 438 ff. - befristete Arbeitsbedingungen 427 ff. - Begriff 10 f., 331 f. - Bereitschaftsdienst 115 ff. - Bezugnahmeklausel 561 ff. - Direktionsrecht 331 f. - Einwilligung 34 f. - Freiwilligkeitsvorbehalt 465 f. - Gesamtbetrachtung 55 - Geschäftsgeheimnisse 394 - Home Office 81 f. - Interim-Manager 47, 331 - Kennzeichnung 10 f., 331 f. - Pauschalvergütung 115 ff. - persönliche Abhängigkeit 55 - Pflichtverletzung 88 ff. - Regelrentenalter 210 f. - Rufbereitschaft 115 ff. - Tarifbindung 223 ff., 228 ff. - Überstunden 115 ff. - Urlaubsabgeltung 127 ff. - Urlaubsanspruch 137 - Verschwiegenheitspflicht 394 642

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - vorzeitige Altersrente 212 ff. - Weisungsrecht 10, 55 ff. Arbeitsvertragsstatut, Entsenderichtlinie 52 f. Arbeitsverweigerung - beharrliche 154 ff. - Kündigung 154 ff. Arbeitszeit - Änderungskündigung 102 - Arbeiten 4.0 397 ff., 461 ff. - Befristung 430 ff. - Bereitschaftsdienst 472 f. - Betriebsverfassungsrecht 260 ff. - Darlegungslast 107 ff. - Dauer 97 ff. - Dienstpläne 463 - Efta-Gerichtshof 97 ff. - Einwilligung 101 f. - EU-Richtlinie 101 f. - Höchstgrenze 99 ff. - Home-Office 461 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 260 ff. - Null-Stunden-Vertrag 541 f. - Pflegedienst 98 ff. - Wahlarbeitszeitgesetz 398 Arbeitszeitkonto - Ausschlussfrist 106 - Schuldanerkenntnis 105 - Verjährung 106 - Vertrauensarbeitszeit 106 f. Arbeitszeitrecht 30 Arbeitszeitreduzierung, Altersdiskriminierung 455 ff. ArbStättV 367 ff. - Arbeitsraum 370 - Bildschirmarbeitsverordnung 368 ff. - Home-Office 368 ff. - mobiles Arbeiten 369 f.

Stichwortverzeichnis

ArbStättV - psychische Belastung 369 f. - Telearbeitsplatz 368 f. - Unterweisung 369 Asset Deal → Betriebsübergang Asylberechtigte, Zugang 359 Asylbewerber, Beschäftigung 358 ff., 361 AU-Bescheinigung → Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Aufenthaltserlaubnis 359 f. Aufhebungsvertrag - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Schriftform 177 ff. - Turboprämie 271 ff. - vorzeitige Beendigung 177 ff. Aufsichtsrat - Diversitätskonzept 372 - Frauenquote 48 - Geschlechterquote 48 - Schwellenwert 8 f. Aufwendungsersatz, Mindestlohn 126 AÜG → Arbeitnehmerüberlassung Auskunftsanspruch - Betriebsrat 252 f. - Betriebsrente 530 f., 535 f. - Entgeltgleichheit 22, 338 ff. - Equal-Pay 121 f. Auskunftsklage, Ermessensbonus 467 Ausländische Akademiker, Beschäftigung 363 Ausländische Arbeitnehmer - Balkan 365 - Beschäftigung 358 ff. - Daueraufenthaltsrichtlinie 366 - Einwanderung 358 ff., 367 - BeschV 364 f., 367 f. - Integrationsgesetz 361 - Integrationsverordnung 361

Ausländische Arbeitnehmer - Sanktionen 366 f. - Vorrangprüfung 360 Ausländische Fachkräfte, Beschäftigung 363 Ausländische Führungskräfte, Beschäftigung 362 Ausländische Holding, Konzernbetriebsrat 571 ff. Ausländische Leiharbeitnehmer, Beschäftigung 364 Ausländische Organmitglieder, Beschäftigung 362 Auslegung - Betriebsvereinbarung 289 f. - Sozialplan 289 f. Ausschluss, Betriebsrat 249 f. Ausschlussfrist - AEntG 442 - AGB-Kontrolle 63 f., 440 ff. - Arbeitsvertrag 438 ff. - Arbeitszeitkonto 106 - Diskriminierung 458 - Entgeltfortzahlung 441 f. - Entgeltgleichheit 26, 337 - Geltungsbereich 439 f. - gesetzliche Verbote 440 ff. - Klageerhebung 94 f. - Kündigungsschutzklage 95 - MiLoG 441 - PflegeArbbV 442 - Schadensersatzanspruch 439 - Schriftform 94 f., 443 f. - Textform 443 f. - Transparenzgebot 442 f. - Unangemessenheit 400 - Vorsatzhaftung 440 Ausschreibung - Arbeitsplatz 599 ff. - Leiharbeitnehmer 599 ff. 643

Stichwortverzeichnis

Ausschreibung - Mitbestimmung Betriebsrat 599 ff. Außerordentliche Kündigung - Alkohol 507 f. - Auslauffrist 285 - betriebsbedingte 284 ff. - Crystal Meth 507 - Drogenkonsum 507 f. - Gerichtsvollzieher 506 - Kündigungserklärungsfrist 506 - Kündigungsfrist 284 - Personalgestellung 285 - sinnentleertes Vertragsverhältnis 508 - Tarifvertrag 508 - „unkündbare“ Arbeitnehmer 508 - Verdachtskündigung 165 Auszubildender - befristeter Arbeitsvertrag 419 - Kündigung 139 ff. - Probezeit 139 ff.

Bauauftrag, Schwarzarbeit 358

BDSG → Beschäftigten-datenschutz Beförderung, Betriebsratsmitglied 240 f. Befristete Arbeitsbedingungen 427 ff. - AGB-Kontrolle 427 ff. - Arbeitszeit 430 - Arbeitszeiterhöhung 430 ff. - billiges Ermessen 437 - höherwertige Tätigkeit 433 ff. - Rechtskontrolle 427 ff. - Tarifvertrag 436 - Verbrauchervertrag 428 Befristeter Arbeitsvertrag 30 - angekündigte Elternzeit 64 ff. - Anschlussvertrag 413 ff. - Befristungsdauer 414 644

Befristeter Arbeitsvertrag - Befristungskontrolle 414 - Betriebsratsmitglied 420 - Dauer 68 f. - Elternzeit 64 ff. - gerichtlicher Vergleich 417 ff. - Höchstdauer 422 - Kettenbefristung 358 - Kontinuität Betriebsratsmandat 419 ff. - Projekt 423 ff. - Rechtsmissbrauch 69, 413 ff. - Sachgrund 417 ff., 419 ff. - sachgrundlose Befristung 422 - Schriftform 70 ff. - Tariföffnungsklausel 422 - Übernahme Auszubildender 419 - Vertretung 64 ff., 67 f. - vorübergehender Beschäftigungsbedarf 423 ff. - wissenschaftliches Personal 17 - Zusatzaufgabe 424 - Zweckbefristung 67 f. Begünstigung, Betriebsratsmitglied 240 Beharrliche Arbeitsverweigerung 154 ff. - Kündigung 515 ff. Behinderung - Abfindung 603 ff. - Altersgrenze 212 ff. - Arbeitsmarkt 30 - Begriff 348 f. - Bewerber 59 ff., 409 ff. - Bundesteilhabegesetz 348 f. - digitale Technik 30 - Direktionsrecht 164 - Diskriminierung 409 ff. - Erholungsurlaub 129 - Kennzeichnung 348 f. - Kündigung 349, 512 ff.

Stichwortverzeichnis

Behinderung - Leistungsminderung 164 - Massenentlassung 491 ff. - Pflege 30 - Präventionsverfahren 512 ff. - Rehabilitation 348 - SGB IX-Änderung 348 f. - Sozialplan 277 ff., 603 ff. - Teilhabe 30 - Übergangsgeld 277 ff. - UN-BRK 349 f. - versicherungsmathematischer Abschlag 555 f. - Vertrauensleute 348 f. - Vorruhestand 277 ff. - Vorstellungsgespräch 411 Beitragsbemessungsgrenze, Sozialversicherung 637 Beitragssatz, Rentenversicherung 299 Beitragszusage, Betriebsrente 543 ff. Bekleidungsindustrie, Mindestlohn 16 Benachteiligung → Diskriminierung Benachteiligungsverbot, Betriebsratsmitglied 240 ff., 577 f. Bereitschaftsdienst - AGB-Kontrolle 115 ff. - MiLoG 427 f. - Vergütung 115 ff. Berufsausbildung, ältere Arbeitnehmer 350 Berufsausbildungsverhältnis - Kündigung 139 ff. - Probezeit 139 ff. Beschäftigtendatenschutz 30 - allgemeine Grundsätze 37 f. - Änderung 384 ff. - Angemessenheitsbeschluss 36 f., 39 f.

Beschäftigtendatenschutz - Arbeitsverhältnis 386 ff. - Begriffsbestimmung 385 f. - Beschäftigungsverhältnis 386 ff. - Betriebsvereinbarung 383, 387 - Brexit 379 f. - Cloud 397 - Corporate Binding Rules 44, 389 - Dateisystem 33 - Datenschutzbeauftragter 38, 386 - Datenschutzgrundverordnung 33 ff., 384 ff. - Einwilligung 33, 385 f., 388 - Entgeltgleichheit 339 - EU-USDatenschutzschild 39 ff., 389 ff. - Gesundheitsdaten 33 - grenzüberschreitender 36 f. - Integrität 37 - Judicial Redress Act 43 - Konzernprivileg 35 ff., 388 - Profiling 33 - Rechenschaftspflicht 37 - Safe-Harbor 39 ff., 389 - Speicherbegrenzung 37 - Standardvertragsklausel 44, 389 - Überwachungssystem 37 - Unternehmen 33 - USA 39 ff., 389 ff. - Zweckbindung 37 Beschlussverfahren - Präjudiz 591 ff. - Schlichtungsverfahren 588 ff. - übertarifliche Zulage 591 ff. Beseitigungsanspruch, Betriebsrat 235 ff. Besonders langjährig Versicherte, Altersgrenze 212 ff. Bestimmtheit, Kündigung 146 ff. 645

Stichwortverzeichnis

Betrieb - kündigungsschutzrechtlicher 501 ff. - Matrix-Struktur 501 ff. Betriebliche Altersversorgung - Abfindung 529, 534 - Ablösungsprinzip 194 - Altersdiskriminierung 189 ff., 538 - Änderung 194 ff. - Anpassungspflicht 14, 206, 532 ff. - Anpassungsstichtag 206 ff. - Anwartschaft 532 ff. - Auskunftsanspruch 530 f., 535 f. - Behinderung 555 f. - Beitragsbemessungsgrenze 547 ff., 550 - beitragsbezogene Leistungszusage 552 ff. - Beitragszusage 351 f., 543 ff. - Betriebsrentenstärkunggesetz 351 ff. - Betriebsvereinbarung 194 ff., 354 - Betriebszugehörigkeit 189 ff. - Bilanz 14 ff. - Direktversicherung 352 - Diskriminierung 547 ff. - Dynamisierung 532 ff. - Ehezeitanteil 199 - Einmalzahlung 527 - Einstandspflicht Arbeitgeber 543 ff. - Entgeltumwandlung 354 - erdiente Dynamik 195 - EU-Mobilitätsrichtlinie 14, 525 ff. - familiengerichtliche Entscheidung 199 ff. - Förderbeitrag 356 646

Betriebliche Altersversorgung - Freibeträge 355 - 25. Lebensjahr 189 ff. - gespaltene Rentenformel 547 ff. - Gewinnausschüttung 15 f. - Gleichbehandlung 541 ff. - individuelle Zusage 541 ff. - Insolvenz 536 - Kapitalisierung 529 - Kennzeichnung 527 - Konzern 195 - Kürzung 555 f. - Lohnverwendungsabrede 354 - Mobilitätsrichtlinie 14, 525 ff. - Nachzahlungspflicht 545 - Niedrigzinsen 14 ff. - öffentlicher Dienst 537 - Opt-In-Modell 354 f. - Opt-Out-Modell 345 f. - Pensionsfond 352 - Pensionskasse 352, 544 - PSV 536 f. - reine Beitragszusage 351 f. - Rentenanwartschaft 528 f. - Rückstellungen 14 ff. - sachlich-proportionale Gründe 194 ff. - Scheidung 199 ff. - Sicherungsbeitrag 354 - Sozialplanabfindung 605 f. - Steuer 354, 355 f. - steuerliche Förderung 356 f. - Stichtagsregelung 538 ff. - Tariföffnungsklausel 537 - Tarifvertrag 529, 537, 352 f. - Teilanspruch 532 ff. - Teilzeitbeschäftigte 547 ff. - triftige Gründe 195 - Übertragung 353 - Unverfallbarkeit 14, 527, 531 f. - Versicherungsaufsicht 352

Stichwortverzeichnis

Betriebliche Altersversorgung - versicherungsmathematischer Abschlag 555 - Versorgungsausgleich 199 ff. - vorzeitige Inanspruchnahme 555 f. - Wartezeit 527, 531 f. - Zusatzbeitrag Arbeitgeber 353 f. - zwingende Gründe 195 Betriebliche Übung - Begriff 224 - Betriebsübergang 225 - Entstehung 224 - Freiwilligkeitsvorbehalt 225 - Jubiläumsgeld 227 f. - Tarifbindung 223 ff. - Tarifentgelterhöhung 224 ff. Betriebliches Eingliederungsmanagement - Durchführung 595 ff. - Einigungsstelle 257 ff. - Einladung 595 - Ergebnisoffenheit 595 - Informationspflicht 595 - krankheitsbedingte Kündigung 598 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 257 ff., 593 ff. - Personalgespräch 93 - Schwerbehindertenvertretung 597 - Umsetzung 598 - Wirksamkeitsvoraussetzung 598 f. Betriebliches Schlichtungsverfahren 588 ff. Betriebsänderung - anwaltliche Vertretung 613 ff. - Arbeitsablauf 607 - Arbeitsmethode 607 - Betriebsorganisation 607

Betriebsänderung - Dauersozialplan 609 - Einigungsstelle 499 f., 608 f. - Fabrikationsmethode 608 - Fertigungsverfahren 608 - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Interessenkollision 613 ff. - Kennzeichnung 606 ff. - Namensliste 509 ff. - Parteiverrat 614 - Rahmensozialplan 609 - Rechtsanwalt 613 ff. - schrittweiser Personalabbau 509 ff. - Sozialplan 606 ff. - Wellen 509 ff. - widerstreitende Interessen 613 Betriebsbedingte Kündigung - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Massenentlassung 149 ff., 491 ff. - schrittweiser Personalabbau 509 ff. Betriebsblockade, Arbeitskampf 559 ff. Betriebsrat - abschließende Stellungnahme 522 ff. - Anhörung 522 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 10, 329 ff. - Auskunftsanspruch 252 f. - Ausschlussverfahren 249 f. - befristeter Arbeitsvertrag 420 - Beratervertrag 10, 331 - Beseitigungsanspruch 235 ff. - Dienstvertrag 10 - Diskriminierung 409 ff. - Eingruppierung 21 - E-Mail-Verkehr 581 - Entgeltgleichheit 23 ff., 337 ff. 647

Stichwortverzeichnis

Betriebsrat - Fremdpersonal 10, 330 f. - individualrechtliche Ansprüche 250 f. - Interim-Manager 331 - Internet 580 - IT-System 580 ff. - Kündigung 522 ff. - Leiharbeitnehmer 330 f. - Massenentlassung 151, 495 ff. - Restmandat 288 f. - Sanktion 21 - Schlichtungsverfahren 588 ff. - Schutzschrift 565 ff. - Schwellenwert 8 f., 329 f. - Telefon 580 ff. - Übergangsmandat 287 ff. - Unterlassungsanspruch 235 ff. - Unterlassungsverfügung 565 ff. - Unternehmensberater 331 - Werkvertrag 10 - Zuständigkeit 585 Betriebsratsanhörung - abschließende Stellungnahme 522 ff. - Inhalt 254 ff. - Kündigung 254 ff. - Restmandat 288 f. - subjektive Determination 254 ff. - Übergangsmandat 287 f. Betriebsratsmitglied - Abmahnung 248 ff. - Abmeldepflicht 578 ff. - Anwesenheitspflicht 578 ff. - Arbeitsentgelt 239 ff. - Aufstiegsmöglichkeit 247 f. - Ausschlussverfahren 249 f. - Beförderung 240 f. - Begünstigung 240 - Benachteiligungsverbot 240, 577 f. 648

Betriebsratsmitglied - betriebsübliche Entwicklung 239 ff. - Bezahlung 239 ff. - Entgeltfortzahlung 576 ff. - Entwicklung 239 ff. - Fähigkeiten 245 ff. - Fortbildung 241 f. - Freistellung 579 f. - Kenntnisse 245 ff. - Koppelmann 244 f. - Kostenerstattung 580 - linear-gleichförmige Beförderung 247 - Nachtarbeitszuschlag 576 ff. - Nebentätigkeit 75 ff. - pyramidische Entwicklung 247 f. - Rückmeldepflicht 578 ff. - Vergleichsgruppe 244 f. - Vergütungsanpassung 239 ff, 243 ff. Betriebsrente → betriebliche Altersversorgung Betriebsrentenstärkungsgesetz 351 ff. Betriebsspaltung - Restmandat 288 f. - Übergangsmandat 287 ff. Betriebsübergang - Beratungspflicht 51 - betriebliche Übung 225 - betriebsmittelarme Tätigkeit 620 ff. - Bezugnahmeklausel 220 ff., 225 - Brexit 382 - EU-Richtlinie 220 ff. - Funktionsstruktur 622 - Gesamtbetrachtung 620 ff. - Insourcing 620 ff. - Kennzeichnung 622 f.

Stichwortverzeichnis

Betriebsübergang - Kündigung 283 ff. - mehrfacher 623 ff. - Organisationsstruktur 622 - Rechtsmissbrauch 286 f. - Restmandat 287 ff. - Rettungsdienst 620 ff. - Übergangsmandat 287 ff. - Unterrichtungspflicht 51, 222 f. - Widerspruch 283 ff., 623 ff. Betriebsübliche Entwicklung, Betriebsratsmitglied 239 ff. Betriebsvereinbarung - Ablösungsprinzip 194 - AGB-Kontrolle 212 - Altersgrenze 211 f. - AÜG 4 - Auslegung 289 f. - Beseitigungsanspruch 236 - Betriebsrente 194 ff., 541 ff. - Datenschutz 37 f., 383, 387 - Datenschutzgrundverordnung 34, 37 f., 383 - Durchführungsanspruch 236 - Einigungsstelle 582 ff. - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Regelaltersgrenze 211 f. - Schlichtungsverfahren 588 ff. - Unterlassungsanspruch 236 - Zweckbindung 37 f. Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung 248 f. Betriebszugehörigkeit, Betriebsrente 189 ff. BetrVG - Arbeitszeit 260 ff. - AÜG 8 f. - Leiharbeitnehmer 329 f. - Matrix-Struktur 502 f. - Schlichtungsverfahren 588 ff. - Schwellenwerte 8 f., 329 f.

BetrVG - Unterrichtungspflicht 51 f., 329 f. Bewährungsaufstieg, Elternzeit 453 f. Beweislast - Arbeitszeitkonto 102 ff. - Diskriminierung 61 - Equal-Pay 119 ff. - Schadensersatz 88 ff. Bewerber - AGG-Hopper 400 ff. - Behinderung 59 ff., 409 ff. - Diskriminierung 399 ff. - Vorstellungsgespräch 60 f., 411 Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle 561 ff. - Altvertrag 225 - Betriebsübergang 220 ff., 225 - dynamische 220 ff. - Gleichstellungsabrede 225 - kleine 220 ff. - Leiharbeitnehmer 561 ff. - mehrgliedriger Tarifvertrag 561 ff. - Neuvertrag 225 - Vorabentscheidungsverfahren 220 ff. - Zeitarbeit 561 ff. Bezugsgröße, Sozialversicherung 637 BGB, Arbeitnehmerbegriff 55 ff., 331 f. Big Data, Arbeitsrecht 398 Bilanz, Betriebsrente 14 ff. Bildschirmarbeitsverordnung 368 ff. Blue-Card, Beschäftigung 362 Branchenmindestlohn 16 649

Stichwortverzeichnis

Brexit - Arbeitnehmerfreizügigkeit 376 f. - Auswirkungen 373 ff. - Betriebsübergang 382 - Datenschutz 379 f. - Deregulierung 381 - Drittstaatszenario 375 - EuGH-Rechtsprechung 377 - Europäische Aktiengesellschaft 377 - Europäischer Betriebsrat 380 f. - Parlamentsvorbehalt 373 - Sozialversicherung 381 - Szenarien 374 ff. - Unternehmensmitbestimmung 378 f. - Verfahren 373 ff. Bruttomonatseinkommen, Sozialplan 291

CGZP-Urteil, AÜG 295 f. Compliance, Geschäftsgeheimnis 45 f., 394 Corporate Binding Rules - Datenschutz 44, 389 - EU-US-Datenschutzschild 389 Corporate Social Responsibility 370 ff. Crowdworking 397 CSR-Richtlinie 370 ff.

Darlegungslast - Arbeitszeit 107 ff. - Arbeitszeitkonto 102 ff. - Diskriminierung 61 - Equal-Pay 119 ff. - Schadensersatz 88 ff. - Überstunden 107 f. Datenschutz → Beschäftigtendatenschutz 650

Datenschutzbeauftragter, DSGVO 38, 386 Datenschutzgrundverordnung 30 ff., 382 ff. - allgemeine Grundsätze 37 f. - Arbeitsverhältnis 386 ff. - BDSG-Änderung 384 ff. - Begriffsbestimmungen 33 f., 385 - Beschäftigungsverhältnis 386 ff. - Betriebsvereinbarung 34, 383, 387 - Datenschutzbeauftragter 38, 386 - Dienstvereinbarung 34 - Drittstaat 36 f. - Einwilligung 34 f., 88, 385 f., 388 - Einwilligung 385 f., 388 - E-Mail 88 - Europäische Union 36 - Inkrafttreten 382 ff. - Internet 88, 384 - Konzern 35 ff., 384, 388 - Pseudonymisierung 33 f. - Rechtsgrundlage 34 ff. - Referentenentwurf 384 - Tarifvertrag 34 - Überwachungssystem 37 Datenschutzschild → EU-USDatenschutzschild Dauernachtarbeit, Zuschlag 114 DBG-Gewerkschaften - AÜG 215 f. - Gewerkschaftseigenschaft 215 f. - Tarifzuständigkeit 215 f. - Zeitarbeit 215 f. Diensteanbieter, TKG 84 ff. Dienstleistungsvertrag, Schwarzarbeit 358 Dienstvereinbarung - AÜG 4 - DSGVO 34

Stichwortverzeichnis

Dienstvertrag - Arbeitnehmerüberlassung 3 - Betriebsrat 10 Dienstwagen, Equal-Pay 5 Digitale Technik 30 Direktionsrecht → Weisungsrecht Diskriminierung - Darlegungslast 61 - Abfindung 605 - AGG-Hopper 400 ff. - Alter 174 ff., 189 ff., 455 ff., 538 ff., 605 - Anspruch auf Gleichbehandlung 459 f. - Ausschlussfrist 458 - äußeres Erscheinungsbild 406 - Behinderung 59 ff., 277 f., 281 f., 409 ff., 555 f., 603 ff. - Betriebsrat 409 ff. - Betriebsrente 189 ff., 538 ff., 547 ff., 555 f. - Beweislast 61, 403 - Bewerber 59 ff., 399 ff. - Bewerberbegriff 399 - Darlegungslast 403 - Elternzeit 453 ff. - Entgelt 335 ff. - Entschädigung 175, 399 - Erholungsurlaub 458 f. - Geschlecht 17 ff., 335 ff. - Indizien 399, 404, 406 - Schadensersatz 175 - Schwerbehinderung 277 ff. - sexuelle Ausrichtung 408 - sexuelle Identität 408 - Sozialplan 603 ff. - Teilzeitbeschäftigte 460 f., 547 ff. - Transsexualität 406 - überschießende Innentendenz 406 ff.

Diskriminierung - Verdienstsicherung 455 ff. - Vorruhestand 174 ff. - Vorstellungsgespräch 411 Diversitätskonzept - Aufsichtsrat 372 - Vorstand 372 DrittelbG - ausländische Tochtergesellschaften 575 f. - gemeinsamer Betrieb 570 f. - Leiharbeitnehmer 329 f. - Schwellenwerte 570 f. Drittstaat, Datenschutz 36 f. Drogen, Kündigung 507 f. Drogenkonsum, außerordentliche Kündigung 507 f. DSAnpUG-EU 384 ff. Dynamische Bezugnahmeklausel 220 ff.

Efta-Gerichtshof, Bedeutung 97 f. Ehe - Betriebsrente 199 ff. - Versorgungsausgleich 199 ff. Ehezeitanteil, Betriebsrente 199 Eingliederungsmanagement → Betriebliches Eingliederungsmanagement Eingruppierung, Entgeltgleichheit 21 Einheit des Verhinderungsfalls 445 ff. Einigungsstelle - Nebentätigkeit 75 ff. - Anfechtungsverfahren 584 ff. - Anrufung 583 - Arbeitsschutz 585 f. - Betriebsänderung 499 f. - Bildung 583 651

Stichwortverzeichnis

Einigungsstelle - Eingliederungsmanagement 257 ff. - Entscheidungsbefugnis 582 f. - Konfliktlösung 582 f. - Massenentlassung 499 f. - Transfergesellschaft 609 ff. - Zuständigkeit 585 - Zweck 582 Einigungsstellenspruch - Anfechtung 584 ff. - Teilunwirksamkeit 586 ff. - Unwirksamkeit 586 ff. Einkommensteuer - Abfindung 300 f. - Entlassungsentschädigung 300 f. - Vorruhestand 300 f. Einstellung - Fremdpersonal 10 - Matrix-Organisation 253 f. Einwilligung - Änderungskündigung 102 - Arbeitsvertrag 34 f. - Arbeitszeit 101 f. - Datenschutz 34 f., 385 f., 388 - DSGVO 34 f., 385 f., 388 - E-Mail 88 - Formerfordernis 34 f. - Internet 88 - Widerruf 34 f., 101 f., 388 Elternzeit - Ankündigung 64 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 64 ff. - Beschäftigungsjahressprung 453 f. - Bewährungsaufstieg 453 ff. - Diskriminierung 453 ff. - Inanspruchnahme 452 f. - Massenentlassung 491 ff. - Schriftform 452 f. - Teilzeitbeschäftigung 69 652

Elternzeit - Übertragung Urlaub 133 ff. - Urlaub 133 ff. E-Mail - Diensteanbieter 84 ff. - DSGVO 88 - Einwilligung 88 - Privatnutzung 82 ff., 84 ff. - TKG 84 ff. - Überwachung 84 ff. EMRK, Wiedereinstellungsanspruch 171 ff. Entgelt - Benachteiligungsverbot 18 f. - Diskriminierung 17 ff. - Entgeltsystem 19 - gleiche Arbeit 19 f. - Gleichheitssatz 17 ff. - gleichwertige Arbeit 19 f. Entgeltfortzahlung - Ausschlussfrist 441 f. - MiLoG 441 f. Entgeltgleichheit 17 ff., 335 ff. - Auskunftsanspruch 22, 338 ff. - Ausschlussfrist 26, 337 - Bericht 26 - Berichtspflicht 342 - Betriebsrat 23 ff., 337, 339 - Beweiserleichterung 23 - Beweislast 341 - Darlegungslast 341 - Datenschutz 339 - Durchsetzung 22 f., 26, 337 - Eingruppierung 21 - Entgeltbestandteile 338 f. - Entgeltsystem 336 f. - Entschädigung 26 - fehlerhafte Auskunft 340 - Frauenförderung 342 - Gleichbehandlung 338

Stichwortverzeichnis

Entgeltgleichheit - gleichwertige Tätigkeit 19 f., 336 - Jahresabschluss 342 f. - Konzern 341 - Kosten 343 - Kriterien 336 - Lagebericht 342 f. - Maßregelungsverbot 22, 337 f. - Personalrat 23 f. - Prüfverfahren 24 f., 341 f. - Sanktion 21 - statistischer Median 22 - Stellenausschreibung 20 - Tarifvertrag 20, 337 - Tarifvertragsparteien 339 f. - Vermutung 23 - Veröffentlichung 342 Entgeltliche Leistung, Parkplatz 635 f. EntgTransG 335 Entgelttransparenz → Entgeltgleichheit Entgeltumwandlung - Arbeitgeberbeitrag 354 f. - Opt-In-Modell 354 f. - Opt-Out-Modell 354 f. Entlassungsentschädigung - Einkommensteuer 300 f. - Steuer 300 f. Entschädigung - Altersdiskriminierung 175 - Entgeltgleichheit 26 Entsenderichtlinie 52 ff., 395 - Arbeitnehmerüberlassung 395 Equal-Pay - 18-Monats-Zeitraum 6 - 9-Monats-Zeitraum 6 - Arbeitsentgeltbegriff 5, 326 - AÜG 5 ff., 119 ff., 215 f., 326 ff. - Auskunftsanspruch 121 f.

Equal-Pay - Beitragsnachforderung 295 f. - CGZP-Urteil 295 f. - Darlegungslast 119 ff. - Dienstwagen 5, 327 - Gewerkschaftseigenschaft 215 f. - Kennzeichnung 120 f. - Sachleistungen 5 ff., 327 - Sozialversicherung 295 f. - Tariföffnungsklausel 326 ff. - Tarifvertrag 5, 326 ff. - Tarifzuständigkeit 215 f. - Übergangsregelung 6 f., 326 ff. Erdiente Dynamik, Betriebsrente 195 Erholungsurlaub - Abgeltung 127 ff. - Arbeitsschutz 475 ff. - Arbeitsvertrag 137 - Arbeitszeitänderung 484 ff. - Elternzeit 133 ff. - EU-Richtlinie 127 f. - Geltendmachung 475 ff. - Genesungsurlaub 480 - Krankheit 127 ff. - Kur 478 - medizinische Vorsorge 478 - Mutterschutz 133 ff. - Naturalrestitution 476 - Quotierung 489 - Rahmenvereinbarung 486 - Rehabilitation 478 - Schadensersatz 476 - Schwerbehinderte 129 - Teilzeitbeschäftigung 484 ff. - Tod Arbeitnehmer 482 ff. - Übertragung 127 ff. - Urlaubsentgelt 484 f. - Vererblichkeit 127 ff. - Vollzeitbeschäftigung 484 ff. 653

Stichwortverzeichnis

Erlaubnispflicht Nebentätigkeit 75 ff. Ermessensbonus - Auskunftsklage 467 - Darlegungslast 464 ff., 466 f. - Festlegung 464 ff. - Freiwilligkeitsvorbehalt 465 f. - gerichtliche Leistungsbestimmung 465 ff. - Leistungsklage 467 EU-Datenschutzgrundverordnung → Datenschutzgrundverordnung EU-Entsenderichtlinie 52 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 53 f., 395 - Arbeitsvertragsstatut 52 f. - Auftragsvergabe 53 f. - Kennzeichnung Mindestlohn 53, 395 - Subunternehmer 53 - Tariftreueklausel 54 - Vergabeverfahren 53 f. EU-Richtlinie - Anhörung Betriebsrat 51 - Arbeit auf Gutscheinen 47 - Arbeitnehmer-Sharing 47 - Arbeitnehmerüberlassung 8, 47 - Arbeitszeit 101 f., 475, 480 - Beratung Betriebsrat 51 - Betriebsrente 525 ff. - Betriebsübergang 51, 220 ff. - Chancengleichheit 399 - Entsenderichtlinie 395 - Erholungsurlaub 127 f., 475, 480, 486 f. - EU-Mobilitäts-Richtlinie 14, 525 ff. - Geschäftsgeheimnis 44 f., 394 - Gleichbehandlung 50, 399 - Interim-Management 47, 331 - Job-Sharing 47 654

EU-Richtlinie - Know-how 394 - Leiharbeit 8 - Massenentlassung 51 - Mindestarbeitsbedingungen 395 - Mobilität 525 - Nachweis des Arbeitsvertrags 47 - Null-Stunden-Verträge 47 - Telearbeit 47 - Unternehmensübergang 51 - Unterrichtung und Anhörung 51 - Vereinheitlichung 51 - Whisteblower 394 Europäische Aktiengesellschaft, Brexit 377 Europäische Union - Datenschutz 36 f., 382 ff., 389 ff. - Frauenquote 47 f. Europäischer Betriebsrat - Brexit 380 f. - Unterlassungsanspruch 394 EU-Standardvertragsklausel 44, 389 EU-US-Datenschutzschild 39 ff., 389 ff. - alternative Streitbeilegung 43 - Angemessenheitsbeschluss 39 f. - Beschwerdemöglichkeit 42 - Corporate Binding Rules 44, 389 - Datenschutzschild-Panel 43 - Durchsetzung 40, 391 - Judicial Redress Act 43 - Nichtigkeitsklage 392 - Ombudsstelle 43 - Rechtsbehelfe 41 - Safe-Harbor-Privileg 389 - Schiedsverfahren 41 - Selbstzertifizierung 390 - Standardvertragsklausel 44, 389

Stichwortverzeichnis

EU-US-Datenschutzschild - Streitbeilegung 42 - transatlantischer Datentransfer 44 - Transparenzpflicht 41 - Überblick 39 - Überprüfung 41 - Überwachung 391 - Umsetzung 42

Freiwilligkeitsvorbehalt, betriebliche Übung 225 Fremdpersonal - Arbeitsschutz 10 - AÜG 2 f., 321 ff. - Betriebsrat 10, 330 f. - Einstellung 10 - Kennzeichnung 10 f., 321 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff.

Fälligkeit, Abfindung 300 f. Fallschirmlösung, AÜG 2, 322 Feiertagsarbeit, Mutterschutz 345 Flashmob, Arbeitskampf 560 f. Flexirentengesetz 332 ff. Flüchtlinge, Beschäftigung 358 ff. Forstwirtschaft, Mindestlohn 16 Fort- und Weiterbildung 29 Fortbildung, Betriebsratsmitglied 241 f. Fortsetzungserkrankung 445 f. Frauenförderungsbericht 26 Frauenquote - Aktiengesellschaft 47 f. - Aufsichtsrat 48 - Europäische Union 47 Freistellung - Betriebsratsmitglied 579 f. - Vertrauensleute 349 Freistellungsphase, Altersteilzeit 460 f. Freiwilligenprogramm 271 ff. - Anschlussbeschäftigung 273 f. - Aufhebungsvertrag 271 ff. - Betriebsänderung 271 ff. - betriebsbedingte Kündigung 271 ff. - Betriebsvereinbarung 271 ff. - Dotierung 276 f. - Missbrauch 275 ff. - Sozialplan 275 ff.

Gartenbau, Mindestlohn 16 Gefährdungsanalyse, Mutterschutz 346 ff. Gemeinsamer Betrieb - Aufsichtsrat 570 f. - Schwellenwerte 570 f., 568 ff. - Unternehmensmitbestimmung 570 f. - Wirtschaftsausschuss 568 ff. Gender-Pay-Gap 18 Gerichtsvollzieher - Kündigung 503 ff. - Zustellung 504 f. Geringfügigkeitsgröße, Sozialversicherung 637 Geschäftsführende Direktoren - Frauenquote 48 - Geschlechterquote 48 Geschäftsgeheimnis - Compliance 45 f. - Kennzeichnung 44 f. - Meinungsfreiheit 45 - Richtlinie 44 ff., 394 - Schadenersatz 46 - Schutz 44 ff., 394 - Whistleblower 45 f., 394 - zivilrechtlicher Schutz 46 Geschlechterquote, Aktiengesellschaft 48 655

Stichwortverzeichnis

Gesetzliche Altersrente - Altersgrenze 209 ff. - Beitragspflicht 334 f. - betriebliche → betriebliche Altersversorgung - Hinzuverdienstdeckel 333 - Rentenauskunft 335 - Schwerbehinderung 277 ff. - Teilrente 333 f. - Vollrente 333 Gespaltene Rentenformel 547 ff. Gewinnausschüttung, Betriebsrente 15 f. Gleichbehandlungsrichtlinie, Assessment 50 Gleichstellung der Geschlechter 49 f. Gleichstellungsabrede, Bezugnahmeklausel 225 Gleichwertige Arbeit, Entgelt 19 f., 336 f. Gratifikation → Sonderleistung

Insolvenz - Anfechtung 27 f., 343 - Betriebsrente 536 Insourcing, Betriebsübergang 620 ff. Interessenausgleich, Namensliste 509 ff. Interessenkollision, Rechtsanwalt 613 ff. Interim-Management, NachweisRichtlinie 47 Interim-Manager, AÜG 331 Internet - Betriebsrat 580 - DSGVO 88, 382 ff. - Einwilligung 88 - Privatnutzung 84 ff. - Überwachung 84 ff. Intranet, Gesetzesaushang 348

Jahresurlaub → Erholungsurlaub Job-Sharing, NachweisRichtlinie 47 Jubiläumsgeld → Sonderleistung Judicial Redress Act 43

Herrschendes Unternehmen, Konzernbetriebsrat 575 f. HGB, CSR-Richtlinie 370 ff. Hinzuverdienstdeckel 333 Hochqualifizierte, Beschäftigung 362 Höchstüberlassungsdauer, AÜG 3 ff., 324 Höherwertige Tätigkeit, Befristung 433 Home Office 30 - Anspruch 81 f. - Arbeitsschutz 368 ff. - Arbeitszeit 461 ff. - ArbStättV 368 ff. - Unfall 629 ff. 656

Kamera, Mitbestimmung Betriebsrat 267 Kettenbefristung, Arbeitsvertrag 358 Klageerhebung - Ausschlussfrist 94 f. - Schriftform 94 f. Klageverzicht - Abwicklungsvertrag 185 ff. - AGB-Kontrolle 185 ff. Knappschaft, Beitragsbemessungsgrenze 637 Knowhow, Schutz 394 Koalitionsfreiheit, Bezugnahmeklausel 221 ff.

Stichwortverzeichnis

Konzern im Konzern, Konzernbetriebsrat 573 Konzern - AÜG 7 - Betriebsrente 195 - Datenschutz 35 ff., 388 - Entgeltgleichheit 341 - DSGVO 35 ff. - gemeinsamer Betrieb 569 f. Konzernbericht, Diversität 370 ff. Konzernbetriebsrat - ausländische Holding 571 ff. - herrschendes Unternehmen 574 f. - Konzern im Konzern 573 - Überwachungseinrichtung 267 f. - Zuständigkeit 267 f. Koppelmann, Betriebsratsmitglied 244 f. Krankengeld, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 298 Krankenversicherung - Beitragsbemessungsgrenze 637 - Versicherungspflichtgrenze 637 Krankheit → krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Krankheit - Kündigung 160 ff., 254 ff. - Mindestlohn 125 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Betriebsratsanhörung 254 ff. - Einheit des Verhinderungsfalls 445 ff. - Entgeltfortzahlung 445 - Erholungsurlaub 127 ff. - Fortsetzungserkrankung 445 f. - Personalgespräch 448 f. Krankheitsbedingte Kündigung 598 ff. - Beeinträchtigung 161

Krankheitsbedingte Kündigung - Drei-Stufen-Theorie 161 f. - Gesundheitsprognose 161 f. - Interessenabwägung 161 f. - negative Prognose 161 f. - Arbeitsverhältnis 386 ff. - Beschäftigungsverhältnis 386 ff. - Betriebsvereinbarung 383 - Betriebsvereinbarung 387 - Brexit 379 f. - Cloud 397 - Einwilligung 385 f. - Entgeltgleichheit 339 Kündigung - Abfindungszusage 274 f. - Abmahnung 251 - Alkohol 507 f. - Arbeitsverweigerung 154 ff. - Azubi 139 ff. - beharrliche Arbeitsverweigerung 515 ff. - Berufsausbildungsverhältnis 139 ff. - Bestimmtheit 146 ff. - betriebliches Eingliederungsmanagement 598 f. - Betriebsratsanhörung 254 ff. - Betriebsübergang 293 ff. - Drogen 507 f. - Gerichtsvollzieher 503 ff. - hilfsweise 146 - Krankheit 254 ff. - krankheitsbedingte → krankheitsbedingte Kündigung - Kündigungstermin 147 f. - Leistungsminderung 160 ff. - LKW-Fahrer 507 f. - Massenentlassung 149 ff., 491 ff. - Mutterschutz 348 - Nachschieben Gründe 168 ff. 657

Stichwortverzeichnis

Kündigung - nächstzulässiger Termin 147 f. - nachträgliche Rechtfertigung 166 ff. - Namensliste 509 ff. - Nebentätigkeitsverbot 75 ff. - Originalvollmacht 142 ff. - personenbedingte → personenbedingte Kündigung - Pflichtverletzung 159 - Präventionsverfahren 512 ff. - Schriftform 177 ff. - Schwerbehinderte 349, 512 ff. - UN-BRK 513 f. - Verdachtskündigung 164 ff. - verhaltensbedingte → verhaltensbedingte Kündigung - Vertrauensleute 349 - Vollmacht 142 ff. - vorsorgliche 146 - Wiedereinstellungsanspruch 171 ff. Kündigungserklärungsfrist, außerordentliche Kündigung 506 Kündigungsschutzklage, Ausschlussfrist 95 Kündigungsschutzprozess - Annahmeverzug 517 ff. - Massenentlassung 152 ff. - Präklusionswirkung 153 f. Kündigungsschutzrechtlicher Betrieb 501 f. Kündigungstermin, Bestimmtheit 147 f. Kur, Erholungsurlaub 478 Kurzarbeitergeld - Berechnung 28 f. - Ist-Entgelt 28 - Kurzarbeitergeldverordnung 28 - Rechtsverordnung 28 - Sozialplan 28 f. 658

Kurzarbeitergeldverordnung 28 Kurzerkrankung, Betriebsratsanhörung 254 ff.

Lagebericht - CSR-Richtlinie 370 f. - Diversität 370 Landwirtschaft, Mindestlohn 16 Langjährig Versicherte, Altersgrenze 212 ff. Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeitnehmer, Ausschreibungspflicht 599 ff. Leistungskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Leistungsminderung 163 f. - ältere Arbeitnehmer 163 f. - Änderungskündigung 160 ff. - Arbeitsunfähigkeit 160 ff. - Behinderung 164 - Direktionsrecht 162 f. - Kündigung 160 ff., 164 - Weisungsrecht 162 f. Leistungsverweigerungsrecht - Direktionsrecht 520 - Kündigung 156 f. Leistungszusage, beitragsbezogene 552 ff. Lieferauftrag, Schwarzarbeit 358 LKW-Fahrer, Drogenkonsum 507 f. Lohngerechtigkeit → Entgeltgleichheit Lohngerechtigkeit 17 ff., 335 ff. Lohnsteuer, Parkplatz 636

Massenentlassung 491 ff. - 30-Tages-Frist 149 f. - Abschluss Konsultation 498 f. - Anzeigepflicht 150 f.

Stichwortverzeichnis

Massenentlassung - Anzeigeverfahren 494 f., 500 f. - Beratungspflicht 51 - betriebsbedingte Kündigung 149 ff., 491 ff. - Betriebsrat 151, 495 ff. - Dauer 498 f. - Einigungsstelle 499 f. - Elternzeit 491 ff. - Fehler 495 ff. - Heilung 495 ff. - Kennzeichnung 149 f. - Konsultationspflicht 151, 494 ff. - Kündigungsschutzprozess 152 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 151 - Mutterschutz 491 ff. - Rüge 152 ff. - schrittweiser Personalabbau 509 ff. - schwangere Arbeitnehmerin 491 ff. - Schwellenwert 149 f. - Schwerbehinderung 491 ff. - Stellungnahme Betriebsrat 500 f. - Unterrichtungspflicht 51 - Verhandlungsdauer 498 f. - Wellen 494 f., 509 ff. Maßregelungsverbot, Entgeltgleichheit 22, 337 f. Matrix-Organisation - Betriebsbegriff 501 ff. - BetrVG 502 f. - Einstellung 253 f. - KSchG 501 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 253 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 501 ff. Medizinische Vorsorge, Erholungsurlaub 478 Mehrarbeit, Mutterschutz 345

Mehrteiliger Vertrag 70 ff. Meinungsfreiheit, Geschäftsgeheimnis 45 Messenger, Privatsphäre 82 ff. Mindestlohn - Akkordzulage 474 - Anhebung 357 - Anrechnung 122 ff. - Arbeitsentgelt 473 - Aufwendungsersatz 126 - Ausschlussfrist 441 - Bereitschaftsdienst 472 f. - Bonus 474 - Entgeltbestandteile 122 ff., 473 - Entgeltfortzahlung 441 f. - Erschwerniszulage 473 ff. - Feiertagszuschlag 125 - funktionelle Gleichwertigkeit 474 f. - Funktionszulage 473 - Geldfaktor 125 - Jahressonderzahlung 474 - Kennzeichnung 122 ff. - Krankheit 125 - Lohnhöhe 357 - Mehrarbeitszuschlag 474 - Pflegebranche 124 ff. - Prämie 125, 473 ff. - Schichtzulage 473 ff. - Sonderleistung 123 f. - Sonntagszuschlag 125 - Spätschichtzulage 473 - Überstundenvergütung 125 - übertarifliche Zulage 473 - Urlaub 125 - Urlaubsgeld 123 f. - vermögenswirksame Leistung 126 - Weihnachtsgeld 123 f. - Zusammensetzung 473 - Zweck 474 659

Stichwortverzeichnis

Minijob 30 MitbestG - AÜG 8 f., 329 f. - ausländische Tochtergesellschaften 575 f. - gemeinsamer Betrieb 570 f. - Leiharbeitnehmer 329 f. - Schwellenwerte 8 f., 329 f., 570 f. Mitbestimmung Betriebsrat - Altersgrenze 212 - Anhörung 254 ff. - Arbeitsentgelt 252 f. - Arbeitsschutz 585 ff. - Arbeitszeit 260 ff. - Auskunftsanspruch 252 - Ausschreibung 599 ff. - bEM 257 ff., 593 ff. - Beseitigungsanspruch 235 ff. - Bonus 252 f. - Eingliederungsmanagement 257 ff., 593 ff. - Einstellung 253 f. - Fremdarbeitgeber 269 - Fremdpersonal 265 ff. - Initiativrecht 593 - Kamera 267 - Konzernbetriebsrat 267 f. - Kundenbetrieb 269 - Leistungskontrolle 265 ff. - Massenentlassung 151, 494 ff. - Matrix 253 f. - Monitor 267 - Personalbeurteilung 252 f. - Personalschleuse 266 - technische Einrichtung 265 ff. - übertarifliche Zulage 591 ff. - Überwachungseinrichtung 265 ff. - Umkleidezeiten 260 ff. - Unterlassungsanspruch 235 ff. 660

Mitbestimmung Betriebsrat - Verhaltenskontrolle 265 ff. - Wegezeiten 264 f. - Zielvereinbarung 252 f. - Zugangskontrolle 266 f. Mitverschulden, Schadensersatz 91 f. Mobile Arbeit, ArbStättV 30, 369 f. Mutterschutz - Anwendungsbereich 344 f. - arbeitnehmerähnliche Person 345 - ärztliches Beschäftigungsverbot 347 - Aufsichtsbehörde 347 - Beschäftigungsverbot 347 - Bußgeld 348 - Dokumentation 347 - Feiertagsarbeit 345 - Gefährdung 346 - Gefährdungsanalyse 346 ff. - Geschäftsführerin 344 - Gesetzesaushang 348 - Gesundheitsgefahr 346 - Informationspflicht 347 - Intranet 348 - Kündigungsschutz 348 - Massenentlassung 491 ff. - Mehrarbeit 345 - MuSchArbV 344 - MuSchG-Änderung 344 ff. - Nachtarbeit 345 - nichtselbständige Arbeit 344 - Ordnungswidrigkeit 348 - Schülerin 345 - Schutzmaßnahmen 347 - Sonntagsarbeit 345 - Stillzeiten 345 - Straftat 348 - Studentin 345 - Überstunden 345

Stichwortverzeichnis

Mutterschutz - Übertragung Urlaub 133 ff. - Urlaub 133 ff.

Nachschieben Gründe, Kündigung 168 ff. Nachtarbeit - Ausgleichsleistung 109 ff. - Mutterschutz 345 Nachtarbeitnehmer 109 ff., 113 Nachtarbeitszuschlag - Angemessenheit 109 ff. - Betriebsratsmitglied 576 ff. - Dauernachtarbeit 114 - Höhe 109 ff. Nachweis-Richtlinie, Konsultationsverfahren 47 Namensliste - Betriebsänderung 509 ff. - Interessenausgleich 509 ff. - Kündigung 509 ff. Nebentätigkeit - Betriebsratsmitglied 75 ff. - Einigungsstelle 75 ff. - Erlaubnispflicht 75 ff. - Genehmigungsvorbehalt 75 ff. Niederlassungserlaubnis 365 f. Niedrigzinsen, Betriebsrente 14 ff. Null-Stunden-Vertrag 451 f. - Nachweis-Richtlinie 47

Öffentliche Auftragsvergabe, Schwarzarbeit 358 Öffentlicher Dienst - AÜG 328 f. - Betriebsrente 537 Ombudsstelle, EU-USDatenschutzschild 43 Ordentliche Verdachtskündigung 164 ff. Originalvollmacht → Vollmacht

Parkplatz - Lohnsteuer 636 - Umsatzsteuer 635 f. Pauschalierter Schadensersatz, Zahlungsverzug 467 ff. Personalakte, Abmahnung 250 f. Personalgespräch - Arbeitsunfähigkeit 92 f., 448 f. - BEM 92 f. - krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 448 f. - Teilnahmepflicht 448 f. - Weisungsrecht 92 f. Personalgestellung - AÜG 328 f. - außerordentliche Kündigung 285 Personalrat - Eingruppierung 21 - Entgeltgleichheit 23 f., 337 Personenbedingte Kündigung, Leistungsminderung 160 ff., 164 Personenbezogene Daten → Beschäftigtendatenschutz Pflegebranche, Mindestlohn 124 ff. Pflegedienst, Arbeitszeit 98 ff. Pflegeversicherung - Beitragsbemessungsgrenze 637 - Versicherungspflichtgrenze 637 Pflichtverletzung - Kündigung 159 - Schadensersatz 88 ff. - Verdachtskündigung 165 Präklusion, Kündigungsschutzprozess 153 f. Präventionsverfahren, Behinderung 512 ff. Privatisierung, AÜG 328 f. Privatsphäre - E-Mail 82 ff. - Messenger 82 ff. 661

Stichwortverzeichnis

Probezeit - Azubi 139 ff. - Berufsausbildungsverhältnis 139 ff. Projekt, befristeter Arbeitsvertrag 423 ff. Prozessvergleich, Rücktritt 181 ff. Prüfverfahren, Entgeltgleichheit 341 f. Pseudonymisierung, Datenschutz 33 f. PSV, Betriebsrente 536 f. Psychische Belastung - Arbeitsschutz 369 f. - ArbStättV 369 f.

Qualifiziert Geduldete, Beschäftigung 361 f.

Rentenversicherung - Beitragssatz 299 - rückwirkende Befreiung 633 ff. - Schätzung 296 - Syndikusrechtsanwalt 12 ff., 633 ff. Restmandat - Betriebsrat 288 f. - Betriebsspaltung 288 f. Richtlinie, Geschäftsgeheimnisse 44 ff., 394 Rückstellungen, Betriebsrente 14 ff. Rücktritt - Prozessvergleich 181 ff. - Vergleich 181 ff. Rufbereitschaft - ABG-Kontrolle 115 ff. - Vergütung 115 ff.

Rechtsanwalt -

Interessenkollision 613 ff. Mandatsniederlegung 616 f. Parteiverrat 614 standesrechtliche Schranke 613 ff. - Tätigkeitsverbot 619 Rechtsmissbrauch - befristeter Arbeitsvertrag 69, 413 ff. - Betriebsübergang 286 f. Regelrentenalter, Altersgrenze 210 f. Rehabilitation, Behinderung 348 Rehabilitationsmaßnahme - Entgeltfortzahlung 479 - Erholungsurlaub 478 Religionsgemeinschaft, AÜG 8, 329 Rentenauskunft 335 Rentenversicherung - Beitragsbemessungsgrenze 637

662

Sachgrund, befristeter Arbeitsvertrag 417 ff., 419 ff. Safe-Harbor-Privileg 39 ff., 389 Schadensersatz - Altersdiskriminierung 175 - Arbeitnehmer 88 ff. - Arbeitskampf 216 ff. - Differenzmethode 92 - Geltendmachung 88 ff. - Geschäftsgeheimnis 46 - Gewerbebetrieb 217 f. - Mitverschulden 91 f. - Streik 216 ff., 557 ff. Scheidung, Betriebsrente 199 ff. Scheindienstvertrag 3, 55 ff. Scheinwerkvertrag 3, 55 ff. Schiedsverfahren, EU-USDatenschutzschild 41 Schlichtungsverfahren, betriebliches 588 ff.

Stichwortverzeichnis

Schriftform - Ausschlussfrist 94 f., 443 f. - befristeter Arbeitsvertrag 70 ff. - Inanspruchnahme Elternzeit 452 - Klageerhebung 94 f. - Kündigung 177 ff. - mehrteiliger Vertrag 70 ff. - Telefax 180 Schulung, Vertrauensleute 349 Schutzschrift, Register 565 ff. Schwangere Arbeitnehmerin → Mutterschutz Schwarzarbeit 358 Schwellenwert - Aufsichtsrat 8 f. - Betriebsrat 8 f. - Massenentlassung 149 f. - gemeinsamer Betrieb 568 ff. - Leiharbeitnehmer 329 f. Schwerbehinderte Menschen → Behinderung Schwerbehindertenvertretung, Übergangsmandat 348 Schwerbehinderung → Behinderung Sonderleistung - Anrechnung 591 ff. - Auskunftsklage 467 - betriebliche Übung 227 f. - Freiwilligkeitsvorbehalt 465 f. - gerichtliche Leistungsbestimmung 465 ff. - Leistungsklage 467 - Mindestlohn 123 f., 473 f. Sonderzahlung → Sonderleistung Sonntagsarbeit, Mutterschutz 345 Sozialplan 271 ff. - Abfindung 290 f., 603 ff. - ältere Arbeitnehmer 350, 613 - Altersrente Schwerbehinderung 277 ff. - Anschlussbeschäftigung 273 f.

Sozialplan - Aufhebungsvertrag 612 f. - Auslegung 289 f. - Beendigungstatbestand 292 f. - behinderte Menschen 277 ff., 281 f., 603 ff. - Berufsausbildung 613 - Betriebsänderung 606 ff. - Betriebsrente 605 f. - Bruttomonatseinkommen 291 - Dauersozialplan 609 - Diskriminierung 277 ff., 281 f. - Dotierung 276 f. - Einigungsstelle 608 f. - Erzwingbarkeit 608 f. - Freiwilligenprogramm 275 ff. - Kurzarbeitergeld 28 f. - Profiling-Maßnahme 611 - Qualifikationsbudget 612 - Rahmensozialplan 609 - Schwerbehinderung 277 ff., 281 f., 603 ff. - Stichtagsregelung 292 - Transfergesellschaft 609 ff. - Transferkurzarbeitergeld 610 f. - Umgehung 275 ff. - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 273 - Zweck 272 ff. Sozialversicherung 29 - AÜG 295 f. - Beitragsbemessungsgrößen 637 - Bezugsgröße 637 - Brexit 381 - Equal-Pay 295 f. - Geringfügigkeitsgröße 637 - Schätzung 296 - Syndikusrechtsanwalt 12 ff., 633 ff. - Zeitarbeit 295 f. 663

Stichwortverzeichnis

SPD-Bundestagsfraktion, Arbeit 4.0 29 ff. Standardvertragsbestimmungen, Datenschutz 44, 389 Stellenausschreibung - Entgeltgleichheit 20 - Leiharbeitnehmer 599 ff. Stellungnahme Betriebsrat, Massenentlassung 500 f. Stichtag, Betriebsrente 206 ff., 538 ff. Stillzeiten 345 Streik - Betriebsblockade 559 f. - Flashmob 560 f. - Konzern 7 - Leiharbeitnehmer 328 - rechtswidriger 557 ff. - Schadensersatz 216 ff., 557 ff. - Streikbeschluss 218 ff. - Unterstützungsstreik 216 f. - Zielsetzung 218 ff. Subjektive Determination, Betriebsratsanhörung 254 ff. Surrogationstheorie, Urlaub 130 Syndikusrechtsanwalt 12 ff. - Antragspflicht 12 ff. - Befreiung 14, 633 ff. - BRAO 12 - Rentenversicherung 12 ff., 633 ff. - Sozialversicherung 12 ff. - Übergangsregelung 12 ff., 633 ff.

Tarifbindung - Arbeitsvertrag 223 ff., 228 ff. - betriebliche Übung 223 ff. Tarifentgelterhöhung - betriebliche Übung 224 ff. - Altersteilzeit 460 f. 664

Tariftreueklausel, Entsenderichtlinie 54 Tarifvertrag - Allgemeinverbindlichkeit 16 - Altersgrenze 209 f. - AÜG 326 ff., 342 ff. - Ausschlussfrist 94 f. - außerordentliche Kündigung 508 - befristeter Arbeitsvertrag 422 - Beitragszusage 352 f. - betriebliche Übung 223 ff. - Betriebsrente 352 f., 529, 537 - DSGVO 34 - Entgeltgleichheit 20, 339 ff. - Equal-Pay 5 ff., 326 ff. - Equal-Treatment 326 f. - höherwertige Tätigkeit 436 ff. - mehrgliedriger 561 ff. - Nachtarbeitszuschlag 114 - Sonderkündigungsschutz 508 - Zeitarbeit 326 ff., 342 ff., 561 ff. - Bezugnahmeklausel 561 ff. Teilbetriebsübergang → Betriebsübergang Teilrente, Altersrente 333 f. Teilzeitbeschäftigung 30 - Betriebsrente 547 ff. - Diskriminierung 461 f. - Elternzeit 69 Telearbeit, Nachweis-Richtlinie 47 Telearbeitsplatz - ArbStättV 368 ff. - Begriff 368 f. - Unfall 629 ff. Telefax, Schriftform 180 Telefon, Betriebsrat 580 Textform, Ausschlussfrist 443 f. Textilindustrie, Mindestlohn 16 TKG, E-Mail 84 ff. Tod Arbeitnehmer, Erholungsurlaub 482 ff.

Stichwortverzeichnis

Transfergesellschaft - ältere Arbeitnehmer 350, 613 - Berufsausbildung 350, 613 - Einigungsstelle 609 ff. - Fördermaßnahme 350 - Sozialplan 609 ff. Transsexualität, Diskriminierung 406 Triftige Gründe, Betriebsrente 195 Turboprämie, Freiwilligenprogramm 271 ff.

Übergangsgeld, Behinderung 277 ff. Übergangsmandat - Betriebsrat 287 ff. - Betriebsspaltung 287 f. - Schwerbehindertenvertretung 348 Überstunden - AGB-Kontrolle 115 ff. - Darlegungslast 107 f. - Mutterschutz 345 - Vergütung 115 ff. Übertarifliche Zulage, Anrechnung 591 ff. Überwachungseinrichtung - Konzernbetriebsrat 267 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Umkleidezeiten 260 ff. - Arbeitsschutz 265 - Bezahlung 265 - Mitbestimmung Betriebsrat 260 ff. - Wegezeiten 264 f. Umsatzsteuer, Parkplatz 635 f. Umwandlung → Betriebsübergang Unbillige Weisung, Direktionsrecht 520 ff.

UN-BRK - Begriff Behinderung 348 f. - Kündigung 513 ff. Unfallversicherung, HomeOffice 629 ff. Unterlassungsanspruch - Betriebsrat 235 ff. - Europäischer Betriebsrat 394 Unterlassungsverfügung, Schutzschrift 565 ff. Unternehmensmitbestimmung - ausländische Tochtergesellschaften 575 f. - Brexit 378 - Leiharbeitnehmer 8 f., 239 f., 575 f. - Schwellenwerte 8 f., 329 f., 575 f. Unterrichtung, Betriebsübergang 222 f. Unterstützungsstreik, Schadensersatz 216 ff. Unverfallbarkeit, Betriebsrente 14, 531 f. Urlaub, Mindestlohn 125 Urlaubsabgeltung → Erholungsurlaub - Geldanspruch 130 - Krankheit 127 ff. - Surrogationstheorie 130 Urlaubsanspruch → Erholungsurlaub USA, Beschäftigtendatenschutz 39 ff., 389 ff.

Verbrauchervertrag, AGBKontrolle 62, 186 Verdachtskündigung - außerordentliche 165 f. - Darlegungslast 166 ff. - Gründe 166 ff. 665

Stichwortverzeichnis

Verdachtskündigung - Nachschieben Gründe 168 ff. - ordentliche 164 ff. - Pflichtverletzung 165 - Sachaufklärung 168 Vergaberecht, Schwarzarbeit 358 Vergabeverfahren, Entsenderichtlinie 53 f. Vergleich - befristeter Arbeitsvertrag 417 ff. - Rücktritt 181 ff. Vergütung, Auskunftsanspruch 252 f. Verhaltensbedingte Kündigung - Abmahnung 155 - Arbeitsverweigerung 154 ff. - beharrliche Arbeitsverweigerung 154 ff. - Interessenabwägung 155 - Leistungsverweigerungsrecht 156 f. - Pflichtverletzung 159 - Verhältnismäßigkeit 155 - Versetzung 155 Verhaltenskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Verjährung, Arbeitszeitkonto 106 Vermögenswirksame Leistung, Mindestlohn 126 Versicherungspflichtgrenze - Krankenversicherung 637 - Pflegeversicherung 637 Versorgungsausgleich, Betriebsrente 199 ff. Vertrag, mehrteiliger 70 ff. Vertragsstrafe - AGB-Kontrolle 444 ff. - Angemessenheit 444 f. Vertrauensarbeitszeit - Arbeitszeitkonto 106 f. - Begriff 106 f. 666

Vertrauensleute - Freistellung 349 - Kündigung 349 - Schulung 349 - SGB IX 349 Vertretung, befristeter Arbeitsvertrag 64 ff., 67 ff. Verwirkung, Widerspruchsrecht 623 ff. Vollmacht - Kündigung 142 ff. - Zurückweisung 145 f. Vorrangprüfung, ausländische Arbeitnehmer 359 f. Vorruhestand - ältere Arbeitnehmer 277 ff. - Altersdiskriminierung 174 ff. - Altersrente Schwerbehinderung 277 ff. - Behinderung 277 ff. - Einkommensteuer 300 f. - Schwerbehinderung 277 ff. Vorstand, Diversitätskonzept 372 Vorstellungsgespräch - Bewerber 60 f., 411 - Diskriminierung 411 Vorzeitige Altersrente, Altersgrenze 212 ff.

Wahlarbeitszeitgesetz 398 Wäschereidienstleistungen, Mindestlohn 16 Wegeunfall, Home-Office 629 ff. Wegezeiten, Mitbestimmung Betriebsrat 264 f. Weihnachtsgratifikation → Sonderleistung Weisungsrecht - ältere Arbeitnehmer 163 f. - Arbeitsort 81 f. - Arbeitsvertrag 331 f.

Stichwortverzeichnis

Weisungsrecht - beharrliche Weigerung 515 ff. - Einschränkung 81 f. - Ermessensgrenze 520 ff. - Home Office 81 f. - Konkretisierung 81 f. - Leistungsminderung 162 f. - Leistungsverweigerungsrecht 520 - Personalgespräch 92 f. - Rücksichtnahme 516 - unbillige Weisung 520 ff. - Verbindlichkeit 520 f. Werkvertrag 30 - Arbeitnehmerüberlassung 3, 321 ff. - Betriebsrat 10, 329 f. Whistleblower - Compliance 45 f. - Geschäftsgeheimnis 45 f., 394 - Verschwiegenheit 394 Widerruf, Einwilligung 34 f., 101 f., 385 f., 388 Widerspruch Betriebsübergang - Adressat 624 f. - Betriebsspaltung 283 ff. - Betriebsübergang 623 ff. - Erlöschen 626 - Kündigung 283 ff. - mehrfache Ausübung 623 ff. - Monatsfrist 625 ff. - Verwirkung 623 ff.

Wiedereinstellungsanspruch - EMRK 171 ff. - Kündigung 171 ff. Wirtschaftsausschuss - gemeinsamer Betrieb 568 ff. - Schwellenwerte 568 ff. Wissenschaftszeitvertrag 17

Zahlungsverzug - Arbeitsentgelt 467 ff. - pauschalierter Schadensersatz 467 ff. Zeitarbeit → Arbeitnehmerüberlassung Zeitungszusteller, Mindestlohn 16 Zeugnis, Abwicklungsvertrag 187 f. Zielvereinbarung - Auskunftsanspruch 252 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 252 f. Zugangskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 266 f. Zustellung, Gerichtsvollzieher 504 f. Zuwanderer, Beschäftigung 359 ff. Zweckbindung, Beschäftigtendatenschutz 37 Zwingende Gründe, Betriebsrente 195

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