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German Pages 349 [352] Year 2016
Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 1/2016
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Band 1/2016
Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von
Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von
Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.
Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2016, S. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42695-8 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: VUA Schaus, Büttelborn Printed in Germany
Vorwort Das Frühjahr 2016 bringt die gesetzlichen Veränderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung auf die Zielgerade. Anzunehmen ist, dass es hier nur noch wenige Veränderungen gegenüber dem letzten Referentenentwurf geben wird. Dann tritt die Neuregelung zum 1.1.2017 in Kraft. Dieses Schicksal will man dem Gesetzentwurf zur Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen in seiner aktuellen Fassung nicht wünschen. Er ist durch belletristische Ausführungen, unklare Vorgaben und eine Überregulierung gekennzeichnet, die dem durchaus berechtigten Ziel nicht gerecht werden. Erhebliche praktische Bedeutung haben auch die EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DGVO), das EU-US-Datenschutzschild, durch das die Safe-Harbor-Regelungen ersetzt werden, und aktuelle Rechtsprechung zur Überwachung von E-Mail und Internet und zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei technischen Einrichtungen zur Überwachung von Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer. Im Bereich des Individualarbeitsrechts war auf BAG-Entscheidungen zur Kennzeichnung des Arbeitsverhältnisses, zur Berechnung des Mindestlohns, zur Befristung von Arbeitsverträgen bei Elternzeit, die Wirkungsweise von Arbeitszeitkonten, die Übertragung des Anspruchs auf Erholungsurlaub und die Berechnung der Dauer des Erholungsurlaub bei Schichtarbeit, Mutterschutz und Elternzeit hinzuweisen. Ergänzend gehören hierzu auch die Klarstellungen zum Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Altersgrenzen im Rahmen von Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen. Es ist wichtig, dies insbesondere bei der Vorbereitung von Musterarbeitsverträgen zu berücksichtigen. Das Kündigungsrecht war vor allem durch Klarstellungen in Bezug auf die Kennzeichnung von Massenentlassung, das Nachschieben von Kündigungsgründen bei der ordentlichen oder außerordentlichen Verdachtskündigung, die Altersdiskriminierung beim Vorruhestand und die Formerfordernisse bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige Erklärung des Arbeitnehmers gekennzeichnet. Erhebliche Bedeutung für den Umgang mit älteren und/oder erkrankten Arbeitnehmern hat die neue Rechtsprechung zum Umgang mit einer (krankheitsbedingten) Leistungsminderung. Hier wird die Praxis mit Zunahme der Arbeitnehmer, die daran anknüpfend eine leidensgerechte Beschäftigung geltend machen, erhebliche Probleme bekommen. Nicht auszuschließen ist, dass es hier zu deutlichen Einschränkungen in Bezug auf die Personaldisposition kommt.
V
Vorwort
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung standen die Entscheidungen des BAG zur Änderung von Versorgungszusagen und die neue Festlegung des Anpassungsstichtags im Vordergrund. Im Tarifrecht fehlt bislang eine Stellungnahme des Generalanwalts zum Vorlagebeschluss des BAG, mit dem die unionsrechtliche Zulässigkeit seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen einer dynamischen Bezugnahmeklausel beim Betriebsübergang geklärt werden sollen. Anpassungsbedarf haben allerdings die Feststellungen des BAG zur Altersdiskriminierung durch eine tarifliche Entgeltsicherungsklausel deutlich gemacht. Im Betriebsverfassungsrecht wird die Praxis versuchen müssen, die Leitlinien des BAG zur Anpassung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern umzusetzen. Daneben wird man sich vor allem mit Feststellungen zur Mitbestimmung beim Eingliederungsmanagement, zur Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG und zu Umkleidezeiten befassen müssen. Offen ist noch, ob das BAG seine Rechtsprechung zur Kennzeichnung der Einstellung nach § 99 BetrVG im Rahmen der Matrix-Organisation verändern wird. In Bezug auf die Umsetzung von Betriebsänderungen ist es wichtig, sich die Differenzierungsmöglichkeiten vor Augen zu führen, die das BAG mit Blick auf den Sozialplan und ergänzende Freiwilligenprogramme aufgezeigt hat. Hinzu kommen wichtige Urteile zur Diskriminierung wegen Behinderung bei Sozialplan und Vorruhestand, die Möglichkeiten einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB und die neuen Leitlinien zur steuerlichen Behandlung der Entlassungsentschädigung. Außerordentlich dankbar bin ich Dietrich Boewer (Boe), der wieder einmal wichtige Entscheidungen und Rechtsprechungstendenzen analysiert und ihre Auswirkungen für die Betriebspraxis aufgezeigt hat. Ergänzend hierzu danke ich Frau Kollegin Saskia Jessen (Je), Frau Ilana Bublitz, Frau Linda Kriebel Volk, Frau Anna Maria Miklaszewska, Herrn Ramon Furch und Frau Doris Hensch, die die Entstehung des Buches einmal mehr kritisch begleitet haben. Erst die gemeinsame Arbeit macht es möglich, zeitnah einen so breiten Überblick über die individual- und kollektivrechtlichen Entwicklungen des Arbeits- und Sozialrechts zusammenzustellen. Köln, im Mai 2016
VI
Björn Gaul (Ga)
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort .......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ............................................................................XVII
A.
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ................................ 1
1.
Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung und zur Bekämpfung von (Schein-)Werkverträgen ................................................................ 1 a) b) c) d) e) f) g)
Ausgangssituation ......................................................................... 1 Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung ............................. 1 Höchstüberlassungsdauer in der Privatwirtschaft ......................... 3 Zwingende Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes.......................... 5 Erweiterung der Sanktionen .......................................................... 7 Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher ................ 7 Ausgrenzung des öffentlichen Dienstes aus dem Anwendungsbereich des AÜG ...................................................... 7 h) Schwellenwerte der Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung ...................................................... 8 i) Erweiterung und Konkretisierung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ........................................................................... 10 j) Gesetzliche Kriterien zur Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses .................................................................... 10 k) Fazit ............................................................................................. 11
2.
Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte ......................... 12
3.
Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie ........................... 14
4.
Niedrigzinsen: Erleichterung bei den Vorgaben zur Bildung von Pensionsrückstellungen ............................................................... 14
5.
Allgemeinverbindliche Branchenmindestlöhne ................................. 16
VII
Inhaltsverzeichnis
6.
Neuregelung der Wissenschaftszeitverträge ...................................... 17
7.
Referentenentwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ............................ 17 a) Vorbemerkung ............................................................................. 17 b) Anwendungsbereich .................................................................... 18 c) Gebot des gleichen Entgelts / Kennzeichnung des benachteiligungsfreien Entgeltsystems ....................................... 19 d) Feststellung gleicher und gleichwertiger Arbeit ......................... 19 e) Maßnahmen zum Schutz vor Entgelt-Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts............................................................ 20 f) Maßregelungsverbot .................................................................... 22 g) Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers / Auskunft ..................... 22 h) Aufgaben der betrieblichen Interessenvertreter .......................... 23 i) Betriebliche Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit ......................................................................... 24 j) Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit ................... 26 k) Beseitigung individueller oder betrieblicher Entgeltbenachteiligungen ............................................................ 26 l) Fazit ............................................................................................. 27
8.
Einschränkung der Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltansprüchen bei Insolvenz ............................................ 27
9.
Aktuelles zum Kurzarbeitergeld ........................................................ 28
10.
Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zu Arbeiten 4.0 .......... 29
B.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht ............ 33
1.
EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet .............................. 33 a) b) c) d)
Allgemeine Begriffsbestimmungen ............................................ 33 Erfordernis einer Rechtsgrundlage .............................................. 34 Einführung eines Konzernprivilegs ............................................ 35 Allgemeine Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten ........................................................... 37 e) Datenschutzbeauftragte ............................................................... 38 f) Fazit ............................................................................................. 38
2. VIII
EU-US-Datenschutzschild als Ersatz für Safe-Harbor ...................... 39
Inhaltsverzeichnis
a) b) c) d) e) f)
Überblick ..................................................................................... 39 Angemessenheitsbeschluss ......................................................... 39 Inhaltliche Unterschiede zur Safe-Harbor-Regelung .................. 40 Einführung des Datenschutzschildes .......................................... 42 Maßnahmen zur Streitbeilegung ................................................. 42 Fazit ............................................................................................. 44
3.
Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) ........ 44
4.
Konsultation der Sozialpartner zur Nachweis-Richtlinie .................. 47
5.
Kein Erfolg für die Frauenquote auf Europäischer Ebene ................. 47
6.
Neue Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter .................... 49
7
Assessment zur Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie .......... 50
8.
Konsultation der Sozialpartner zu einer Konsolidierung der Richtlinien über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer...................................................................................... 51
9.
Vorschlag zur Änderung der EU-Entsenderichtlinie .......................... 52
C.
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................... 55
1.
Kennzeichnung des Arbeitnehmerstatus ............................................ 55
2.
Diskriminierung wegen Behinderung im Bewerbungsverfahren.................................................................................................. 59
3.
AGB-Kontrolle von zur einmaligen Verwendung bestimmten Vertragsdokumenten ........................................................................... 61
4.
Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen angekündigter Elternzeit ............................................................................................ 64
5.
Wahrung des Schriftformerfordernisses einer Befristung bei mehrteiligen Vertragsdokumenten ..................................................... 70
6.
Ausübung einer Nebentätigkeit trotz fehlender Erlaubnis des Arbeitgebers ....................................................................................... 75
7.
Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice ................................... 81
8.
Elektronische Korrespondenz durch Email und Messenger als Bestandteil der Privatsphäre ............................................................... 82
IX
Inhaltsverzeichnis
9.
Auswertungsmöglichkeit des Arbeitgebers bei erlaubter Privatnutzung von E-Mail und Internet ............................................. 84 a) Weites Verständnis von § 88 TKG .............................................. 84 b) Abweichende Sichtweise der Landesarbeitsgerichte .................. 85 c) Fazit ............................................................................................. 87
10.
Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers ..................................... 88
11.
Keine Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers bei Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit .................................. 92
12.
Wahrung einer (einfachen) tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung ................................................................................... 94
D.
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub ............................................ 97
1.
EFTA-Gerichtshof zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ............ 97
2.
Darlegungs- und Beweislast bei der Führung von Arbeitszeitkonten ............................................................................. 102 a) Ausgangssituation .................................................................... 102 b) Konsequenzen eines arbeitgeberseitigen Arbeitszeitkontos....................................................................... 104 c) Bedeutung von Vertrauensarbeitszeit ........................................ 106 d) Konsequenzen einer arbeitnehmerseitigen Arbeitszeiterfassung .................................................................. 107 e) Fazit ........................................................................................... 109
3.
Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags .................................... 109
4.
AGB-Kontrolle einer Pauschalvergütung von Überstunden und Sonderformen der Arbeit ........................................................... 115
5.
Arbeitnehmer: Praktische Anforderungen an die Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay) ...................................................................................... 119
6.
Anrechnungsfähige Entgeltbestandteile beim Mindestlohn ............ 122 a) Anrechnung bei zeitratierlicher Auszahlung von Jahressonderzahlungen .............................................................. 123
X
Inhaltsverzeichnis
7.
b) Anrechnung von leistungs- und erfolgsbezogenen Zahlungen in Bezug auf den Mindestlohn der Pflegebranche ............................................................................ 124 Übertragung, Abgeltung und Vererblichkeit von Urlaubsansprüchen nach langandauernder Erkrankung ................... 127
8.
Berechnung der Urlaubstage bei Schichtarbeit ................................ 131
9.
Übertragung und Verfall von Urlaubszeit bei Mutterschutz und Elternzeit ................................................................................... 133
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................ 139
1.
Berufsausbildungsverhältnis: Keine Anrechnung eines Praktikums auf die Probezeit ........................................................... 139
2.
Zurückweisung einer Kündigung trotz früher vorgelegter Vollmachtsurkunde ........................................................................... 142
3.
Das Bestimmtheitserfordernis bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ................................................................... 146
4.
Weitere Klarstellungen zu den Erfordernissen einer Massenentlassungsanzeige ............................................................... 149 a) Berechnung der 30-Tage-Frist .................................................. 149 b) Verbrauch der Massenentlassungsanzeige durch Kündigung ................................................................................. 150 c) Erneute Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG bei Nachkündigung? ....................................................................... 151 d) Rüge der Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Massenentlassung im Kündigungsschutzprozess...................... 152
5.
Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung ..................... 154
6.
Änderungskündigung bei krankheitsbedingter Leistungsminderung ......................................................................... 160
7.
Nachträgliche Begründung einer ordentlichen (Verdachts-)Kündigung .................................................................... 164 a) Allgemeine Voraussetzungen der verhaltensbedingten Verdachtskündigung .................................................................. 164 b) Nachträgliche Berücksichtigung von Kündigungsgründen ...... 166
XI
Inhaltsverzeichnis
8.
Kein Wiedereinstellungsanspruch nach rechtswidriger Kündigung aus Art. 8 EMRK ........................................................... 171
9.
Altersdiskriminierung durch Vorruhestandsmodelle für ältere Führungskräfte ................................................................................. 174
10.
Schriftformerfordernis bei der durch Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag eröffneten Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ............................................... 177
11.
Wegfall der prozessbeendenden Wirkung eines Prozessvergleichs ............................................................................. 181
12.
Wirksamkeit eines Klageverzichts in vorformulierter Abwicklungsvereinbarung ............................................................... 185
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ....................................................................... 189
1.
Altersdiskriminierung durch Ausgrenzung von Beschäftigungsjahren vor Vollendung des 25. Lebensjahres? ............................................................................. 189
2.
Sachlich-proportionale Gründe zur Ablösung einer Versorgungsordnung ........................................................................ 194
3.
Bindungswirkung familiengerichtlicher Entscheidungen im Versorgungsausgleichsverfahren für die Höhe eines Betriebsrentenanspruchs .................................................................. 199
4.
Betriebsrenten: Festlegung des Anpassungsstichtags ...................... 206
5.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersgrenze ............... 209 a) Arbeitsvertragliche Altersgrenze mit Vollendung des Regelrentenalters ....................................................................... 210 b) Regelaltersgrenze durch Betriebsvereinbarung ........................ 212 c) Altersgrenze vor Vollendung des Regelrentenalters ................. 212
G.
Tarifrecht........................................................................................ 215
1.
Tarifzuständigkeiten der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung .......................................................... 215
2.
Fluglotsenstreik: Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften ............................................................................ 216
XII
Inhaltsverzeichnis
3.
Vorabentscheidungsersuchen zur Wirkungsweise dynamischer Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang ............ 220
4.
Anspruch auf tarifliche Leistungen ohne gesetzliche Tarifbindung ..................................................................................... 223 a) Anspruch auf betriebliche Übung durch mehrfache Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen ................................... 224 b) Anspruch auf ergänzende Leistungen zum Tarifvertrag nach Erweiterung des Tarifvertrags auf entsprechende Leistungen ................................................................................. 227 c) Anspruch auf Tariflohnerhöhung bei arbeitsvertraglicher Zusage ....................................................................................... 228
5.
Altersdiskriminierung bei tarifvertraglicher Einkommenssicherung nach Tätigkeitsänderung............................. 230
H.
Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 235
1.
Kein allgemeiner Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers aus § 75 Abs. 1 BetrVG.................................................................... 235
2.
Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern .................................................................... 239 a) b) c) d) e) f)
Ausgangssituation ..................................................................... 239 Bedeutung privater Fortbildungsmaßnahmen ........................... 241 Darlegungs- und Beweislast...................................................... 242 Umfang der Vergütungsanpassung ............................................ 243 Herausforderungen in der praktischen Umsetzung ................... 244 Berücksichtigung individueller Kenntnisse und Fähigkeiten ................................................................................ 245 g) Das Erfordernis der „Mehrzahl“ ............................................... 247 h) Fazit ........................................................................................... 248
3.
Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds .......................................... 248
4.
Auskunftsanspruch des Betriebsrats zu Zielvereinbarungen ........... 252
5.
Matrix: Mitbestimmung des Betriebsrats wegen einer Einstellung beim betriebsübergreifenden Einsatz von Führungskräften ............................................................................... 253
XIII
Inhaltsverzeichnis
6.
Betriebsratsanhörung bei ordentlicher Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ............................................................. 254
7.
Mitbestimmung des Betriebsrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement ............................................................. 257
8.
Mitbestimmung bei der Regelung von Umkleidezeiten .................. 260
9.
Mitbestimmung des Betriebsrats bei technischer Überwachungseinrichtung bei Fremdarbeitgeber ............................ 266
I.
Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 271
1.
Der Zweck als Grundlage einer Differenzierung im Freiwilligenprogramm und Sozialplan............................................. 271 a) Freiwilligenprogramm: Anspruchsausschluss bei betriebsbedingter Kündigung .................................................... 271 b) Freiwilligenprogramm: Kein Anspruchsausschluss bei Anschlussbeschäftigung ............................................................ 273 c) Sozialplan: Abgrenzung von Zusage nach § 1 a KSchG .......... 274 d) Freiwilligenprogramm: Keine Umgehung des Zwecks eines Sozialplans ....................................................................... 275
2.
Benachteiligung wegen Behinderung bei Vorruhestand und Sozialplanabfindung ......................................................................... 277 a) Benachteiligung bei der Gewährung von Übergangsgeld......... 277 b) Benachteiligung wegen Behinderung im Sozialplan ................ 281
3.
Kündigung des Betriebsveräußerers nach Widerspruch gegen Betriebsspaltung und Betriebsteilsteilübergang ............................... 283 a) Ausgangssituation ..................................................................... 283 b) Voraussetzungen einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung ................................................... 284 c) Fehlen einer rechtsmissbräuchlichen Entscheidung ................. 286 d) Wegfall der Zuständigkeit des Betriebsrats............................... 287 e) Fazit ........................................................................................... 289
4.
Auslegung von Sozialplanregelungen zum Grund, zur Höhe und Fälligkeit einer Abfindung ........................................................ 289 a) Allgemeine Grundsätze der Auslegung..................................... 289
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Anwendbarkeit eines Kürzungsfaktors auf Zuschläge zur Abfindung ................................................................................. 290 c) Kennzeichnung des Bruttomonatseinkommens ........................ 291 d) Kennzeichnung der abfindungsrelevanten Beendigungstatbestände ............................................................ 292
J.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 295
1.
Beitragsnachforderungen in der Zeitarbeit nach dem CGZPUrteil des BAG ................................................................................. 295
2.
Aktuelles zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ............................. 297 a) Übergreifende Verwendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ............................................ 297 b) Bescheinigte Dauer der Arbeitsunfähigkeit .............................. 297 c) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Voraussetzung für Krankengeld .............................................................................. 298 d) Rückwirkende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit .............. 298
3.
Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung .................... 299
4.
Steuerliche Behandlung von Entlassungsentschädigungen ............. 300
Stichwortverzeichnis .................................................................................. 303
XV
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz AltZertG AsylG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm. AO AP ArbG
anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Asylgesetz Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht
XVII
Abkürzungsverzeichnis
ArbGG AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG ArbRB ArbSchG
ARSt ArbStättVO ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG AufenthG Aufl. AÜG AuR AVmG AWbG XVIII
Arbeitsgerichtsgesetz 1979 Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
BA BAG BAVAZ BAT BAT-O BB BBG BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancengesetz BeschFG BeschSchG BeschV BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG
Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Beschäftigungsverordnung – Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz XIX
Abkürzungsverzeichnis
BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks. BRTV-Bau BSDG BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG
XX
Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen
Abkürzungsverzeichnis
DA DAG DB DBGrG DCGK ders. DGB d. h. DKK DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EGMR EMRK EntGG-E
Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Entgeltgleichheitsgesetz zwischen Frauen und Männern XXI
Abkürzungsverzeichnis
ErfK ESC EStG etc. EU EU-DSGVO EuGH EUZBLG
EWG EWiR EzA
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union EU-Datenschutz-Grundverordnung Europäischer Gerichtshof Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
FPfZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FR FS
Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift
GA-AÜG
Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar
EuZW EUV e. V. evtl. EVÜ
GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK XXII
Abkürzungsverzeichnis
GK-KR GmbHR GmS-OBG
GRC GRUR GS GSG GWB
Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HAG HaKo-KSchR Halbs. h. M. HGB HinGebSchG SWG
Heimarbeitergesetz Handkommentar- Kündigungsschutzrecht Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock
i. d. F. i. E. i. H. a. INF InKDG
in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit
GNBZ
InsO Institutsvergütungsverordnung InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
KDZ Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR K&R krit. KSchG KuG LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG m. w. N. XXIV
Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen
Abkürzungsverzeichnis
MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG Montan-MitbestErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG NachwG
Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968
n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG
Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OLG
Oberlandesgericht
PatG PersR PersVG NW
Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit
PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV
XXV
Abkürzungsverzeichnis
PSDG PSH-BV PSV PW
Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Preis/Willemsen
RabattG RAG RAGE
Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken RIW Recht der internationalen Wirtschaft RL Richtlinie(n) Rz. Randzahl/Randziffer Rs. Rechtssache RsprEinhG Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 RV-LeistungsverGesetz über Leistungsverbesserungen besserungsgesetz in der gesetzlichen Rentenversicherung RVO Reichsversicherungsordnung 1911 RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SGB I
XXVI
siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch - Allgemeiner Teil 1975
Abkürzungsverzeichnis
SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI SGb SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr. Tarifautonomie stärkungsgesetz TKG TransPuG TVG TVöD
Sozialgesetzbuch, III. Buch - Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch - Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994 Die Sozialgerichtsbarkeit Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (=Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie Telekommunikationsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
XXVII
Abkürzungsverzeichnis
TzBfG
Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001
u. a. u. ä. ÜbernG
unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften
UmlFinG UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG VersAusglG vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG
XXVIII
vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft
Abkürzungsverzeichnis
WM WpHG WPrax WpÜG WWKK
Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wlotzke, Wissmann, Koberski, Kleinsorge: Mitbestimmungsrecht
z. B. ZDG
zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz
ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG
XXIX
A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze
a)
Ausgangssituation
Auf der Grundlage des letzten Referentenentwurfs vom 20.5.2016 dürfte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze kurzfristig in das Gesetzgebungsverfahren einbringen1. Damit will sie die Leiharbeit auf die Kernfunktion beschränken und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen und die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung verhindern. Darüber hinaus sollen die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sichergestellt und konkretisiert werden. Wir hatten schon im Herbst über den ersten Entwurf berichtet2.
b)
Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung
Zur Abgrenzung von sonstigen Formen des Arbeitseinsatzes und der Vermittlung von Fremdpersonal soll die Arbeitnehmerüberlassung im Gesetz gekennzeichnet werden. Dies soll zugleich helfen, den Anwendungsbereich des AÜG festzulegen. So soll durch § 1 Abs. 1 S. 2, 3 AÜG bestimmt werden, dass Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen werden, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Grundsätzlich soll dies nur zulässig sein, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Allerdings soll durch eine Ergänzung in § 12 Abs. 2 AÜG bestimmt werden, dass die in §§ 9 Nr. 1 bis 1 b, 10 AÜG getroffenen Regelungen entsprechende Anwendung finden, wenn Arbeitnehmer entgegen § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG von einer anderen Person überlassen werden und dabei gegen § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 5, 6 oder § 1 Abs. 1 b AÜG verstoßen wird. Wichtig für die Betriebspraxis ist, dass mit § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten geschaffen werden. Danach ist 1
2
Eingehend zu den verschiedenen Gesetzentwürfen und den damit zusammenhängenden Fragen vgl. B. Gaul/Hahne, BB 2016, 58 ff.; Hamann, AuR, 2016, 136; Henssler, RdA 2016, 18 ff.; Oberthür, ArbRB 2016, 109 ff.; Schönhöft/Oelze, BB 2016, 565 ff.; Schüren, DB 2016, 234 ff.; Thüsing, NZA 2015, 1478 ff.; Ubber/Löw, BB 2015, 3125 ff.; Ulrici, BB 2015, 1209 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 337 ff.
1
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
die Überlassung von Leiharbeitnehmern in dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu kennzeichnen, bevor die Überlassung bzw. das Tätigwerden erfolgt. Vor der Überlassung ist die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren. Andernfalls droht die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher (§ 9 Nr. 1 a AÜG). Darüber hinaus muss der Verleiher den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird (§ 11 Abs. 2 AÜG)3. Die Missachtung der vorstehenden Kennzeichnungspflichten wird gemäß § 9 Nr. 1 a AÜG sanktioniert. Danach kommt ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande, wenn entgegen § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG die Arbeitnehmerüberlassung nicht als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Entleiher festhält. Damit ist die sogenannte „Fallschirmlösung“ ausgeschlossen, bei der das Risiko einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung mit der Folge des § 9 Nr. 1 AÜG im Zusammenhang mit Scheinwerk- oder –dienstverträgen in der Vergangenheit dadurch beseitigt wurde, dass der Unternehmer vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einholte4. Problematisch ist, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG keine Übergangsregelung enthält. Überlassungstatbestände, die ohne Rücksicht auf die Kennzeichnungspflichten bereits vor dem 1.1.2017 eingeleitet wurden (und eingeleitet werden durften), sind am 1.1.2017 deshalb unmittelbar von einem Arbeitgeberwechsel betroffen. Da die Widerspruchsfrist mit Beginn der Überlassung starten soll, ist ein Widerspruch nach der aktuellen Fassung des Entwurfs nur noch möglich, wenn die Überlassung nach dem 1.1.2016 begonnen wurde. Das muss korrigiert werden. Für solche Altfälle sollte als Beginn für die Monatsfrist generell der 1.1.2017 bestimmt werden. Unabhängig von diesem Anpassungsbedarf ist es für die Praxis überaus wichtig, bis zum 31.12.2016 alle Formen des Fremdpersonaleinsatzes zu prüfen. Soweit tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung in Rede steht, müssen die neuen gesetzlichen Kennzeichnungspflichten erfüllt werden. Erfolgt der Einsatz auf der Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrags oder anderer 3 4
2
Vgl. Hennecke/Tuengerthal, BB 2015, 1269 ff.; Franzen, RdA 2015, 141 ff. LAG Rheinland-Pfalz v. 28.5.2015 – 2 Sa 689/14, NZA-RR 2015, 625.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze
Formen der selbständigen Beschäftigung, sollte kritisch geprüft werden, ob die Anforderungen einer solchen Tätigkeit auch tatsächlich erfüllt werden. Wenn Zweifel bestehen, ob diese Anforderungen überhaupt erfüllt werden können, liegt es näher, den Einsatz unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Vorgaben in eine Arbeitnehmerüberlassung umzuwandeln. Ist es möglich, durch Veränderungen in der praktischen Umsetzung eine selbständige Beschäftigung darzustellen, bleibt dies eine Alternative, wenn der Unternehmer vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis eingeholt hatte. Denn Werk- und Dienstvertrag werden durch die gesetzliche Neuregelung nicht eingeschränkt. Allerdings muss man in allen Varianten im Auge behalten, dass verdeckte Arbeitnehmerüberlassung, wenn sie in der Vergangenheit bei der Abwicklung eines Dienst- oder Werkvertrags ohne Erlaubnis geschah, schon nach heutiger Rechtslage zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer geführt hat (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Daran ändert auch die Klarstellung nichts, wenn zum 1.1.2017 erfolgt.
c)
Höchstüberlassungsdauer in der Privatwirtschaft
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 4 AÜG ist Überlassung zukünftig nur noch vorübergehend bis zu der in § 1 Abs. 1 b AÜG genannten Höchstüberlassungsdauer erlaubt. Danach darf derselbe Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen (§ 1 Abs. 1 b S. 1, 2 AÜG). Der Gesetzgeber verfolgt damit richtigerweise keine arbeitsplatz-, sondern eine arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise. Der gleiche Arbeitsplatz kann also dauerhaft mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt werden. Dies eröffnet jedenfalls in solchen Bereichen sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht durch besonderes Know-how der Leiharbeitnehmer gekennzeichnet sind. Hier ist eine Rückkehr des ursprünglich überlassenen Arbeitnehmers möglich, wenn er dazwischen bei einem anderen Arbeitgeber tätig war. Auf der Grundlage der Ankündigung im Koalitionsvertrag enthält § 1 Abs. 1 b S. 3 AÜG eine Tariföffnungsklausel. Danach kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder einer aufgrund und im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags getroffenen Betriebsoder Dienstvereinbarung eine hiervon abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten werden den Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften in ihren Regelungen eingeräumt, hier allerdings ohne weitergehende Schranken. 3
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Diese Gestaltungsmöglichkeit ist zu begrüßen. Allerdings erlaubt dies keine dauerhafte Überlassung. Denn auch in der Kollektivvereinbarung muss eine Höchstdauer – wenn auch eine vom Gesetz abweichende – benannt werden. Eine absolute Höchstgrenze nennt das Gesetz nicht. Der Gesetzgeber will allerdings den Gestaltungsspielraum auf der betrieblichen Ebene in solchen Unternehmen einschränken, die keine gesetzliche Tarifbindung haben. Hier sollen die Betriebsparteien durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eine Verlängerung der 18-Monats-Frist auf über 24 Monate nur vereinbaren können, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthält und die Betriebsparteien darin ausdrücklich berechtigt werden, die Höchstüberlassungsdauer auf über 24 Monate hinaus auszudehnen. Fällt der Betrieb des nichttarifgebunden Entleihers bei Abschluss einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge, ist auf den für die Branche des Entleihers repräsentativen Tarifvertrags. Bei dem Begriff der Repräsentativität wird man wohl an § 7 Abs. 2 AEntG anknüpfen müssen. Problematisch aus Sicht der Entleiher ist der Umstand, dass in § 1 b AÜG auf die beim Entleiher bestehenden Kollektivregelungen abgestellt wird. Bei einer Betriebs- und Dienstvereinbarung erscheint dies noch vertretbar, weil insoweit auch eine Gestaltungsbefugnis der Betriebsparteien gegeben ist (vgl. § 88 BetrVG), die auch Leiharbeitnehmer erfassen kann. Hinsichtlich der Verlängerung der Überlassungsdauer durch Tarifvertrag löst sich der Entwurf aber von allen bislang denkbaren Formen einer Tarifbindung, indem er durch einen Tarifvertrag Einsatzformen erlaubt, an die weder Verleiher noch Leiharbeitnehmer gebunden sind. Dies dürfte mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG nicht unproblematisch sein, zumal die arbeitsvertragliche Bezugnahme im Gesetz nicht vorgesehen ist und in der Praxis (bislang) auch keine Tarifverträge erfassen dürfte, die für den Entleiherbetrieb gelten. Zwei Aspekte sind bei der praktischen Umsetzung wichtig: Zum einen stellt § 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG klar, dass eine Missachtung der Höchstüberlassungsdauer zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer führt, dessen Inhalt sich nach § 10 AÜG bestimmt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten will. Unklar dabei bleibt aber, was passiert, wenn das Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer jedenfalls dem Leiharbeitnehmer nicht bewusst war. Eine Pflicht, den Arbeitnehmer über das Widerspruchsrecht aufzuklären, wird man im Umkehrschluss zu § 613 a Abs. 5, 6 BGB ablehnen müssen. Aller4
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze
dings würde man Schadensersatzansprüche diskutieren müssen, wenn dem Arbeitnehmer die Gefahr eines Arbeitgeberwechsels und das damit verbundene Widerspruchsrecht nicht bewusst waren, weil der Arbeitgeber seine in § 11 Abs. 2 AÜG vorgesehene Pflicht zu seiner Unterrichtung über den Umstand einer Überlassung als Leiharbeitnehmer im konkreten Einzelfall nicht erfüllt hat. Zum anderen soll § 19 Abs. 2 AÜG den betroffenen Unternehmen eine lange Übergangszeit einräumen. Denn Überlassungszeiten vor dem 1.1.2017 sollen bei der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG nicht berücksichtigt werden.
d)
Zwingende Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes
§ 8 AÜG soll den Grundsatz der Gleichbehandlung (Equal-Treatment) mit Arbeitnehmern des Entleihers beschreiben. Danach ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). Soweit beim Entleiher ein Sachbezug gewährt wird, kann insoweit ein Wertausgleich in Euro erfolgen (§ 8 Abs. 1 AÜG). Das bestätigt die unionsrechtliche Vorgabe, dass alle Entgeltbestandteile einzubeziehen sind. Betroffen hiervon sind beispielsweise Job-Tickets, Dienstwagen, Deputate oder Zuschüsse zum Mittagessen pp. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber trotz der arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen, steuerlichen und strafrechtlichen Folgen einer Nichterfüllung dieser Entgeltzahlungspflicht darauf verzichtet, selbst eine gesetzliche Kennzeichnung des Entgeltbegriffs vorzusehen. Das wäre nach den Regelungen der EU-Richtlinie zulässig und würde den Anwendungsbereich klarstellen. § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG soll allerdings eine Erleichterung enthalten. Danach wird vermutet, dass der Leiharbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG gleichgestellt ist, wenn er das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt erhält. Entsprechend der heutigen Rechtslage kann hiervon durch Tarifvertrag oder Bezugnahme auf Tarifvertrag abgewichen werden (§ 8 Abs. 2 AÜG), sofern der Arbeitnehmer nicht in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung beim Entleiher oder einem mit dem Entleiher verbundenen Unternehmen ausgeschieden ist (§ 8 Abs. 3 AÜG). 5
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Neu ist der Vorschlag, die Eigenständigkeit einer tariflichen Regelung in Bezug auf den Grundsatz des Equal-Pay zu begrenzen. Nach § 8 Abs. 4 AÜG soll eine abweichende Regelung hinsichtlich des Arbeitsentgelts nur für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher gelten. Danach muss das gleiche Arbeitsentgelt wie für die im Betrieb vergleichbaren Arbeitnehmer gewährt werden. Diese Zeit kann bis zur Gesamtdauer der Arbeitnehmerüberlassung verlängert werden, wenn (1) ein Tarifvertrag nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, wenn (2) nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen hinsichtlich des Arbeitsentgelts eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt nach Ablauf des 15-Monats-Zeitraums erfolgt, wenn (3) das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt und (4) der Tarifvertrag kraft Gesetzes oder Vereinbarung im Arbeitsverhältnis Geltung beansprucht (§ 8 Abs. 4 S. 1 bis 3 AÜG). Die Dauer einer früheren Überlassung an denselben Entleiher ist anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. Damit verzichtet der Gesetzgeber zwar auch nach Ablauf der Übergangsregelung auf eine eigene Kennzeichnung des Begriffs des Arbeitsentgelts. Allerdings liegt in dem aktuellen Entwurf eine Tariföffnungsklausel. Denn mit § 8 Abs. 4 AÜG wird den Tarifvertragsparteien, die für das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers zuständig sind, das Recht zuerkannt, durch Tarifvertrag das Arbeitsentgelt zu definieren, mit dessen Zahlung der Equal-PayGrundsatz erfüllt wird. Das erleichtert die Rechtsanwendung und sollte bewirken, dass Leistungen, die beim Entleiher auf der Grundlage betrieblicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen gewährt werden, keine Berücksichtigung finden (z. B. Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung, Boni, betriebliche Altersversorgung). Insoweit könnte auch an die Begriffsbestimmungen angeknüpft werden, die in den Branchenzuschlägen für die Kennzeichnung des Bezugspunkts für das zuschlagspflichtige Entgelt bestimmt werden. Auch steht zu erwarten, dass die Tarifvertragsparteien auf die Einbindung von Sachbezügen verzichten. Das ist mehr als die Vermutung, wie sie in § 8 Abs. 1 AÜG enthalten ist. Denn mit der Erfüllung des tariflich definierten Entgeltanspruchs gilt der Equal-Pay-Grundsatz als erfüllt. Wichtig ist, dass sich die Bundesregierung als Ergebnis der Zusammenkunft des Koalitionsausschusses entschlossen hat, eine Übergangsregelung in Bezug auf Zeiten festzulegen, die vor dem 1.1.2017 verbracht wurden. Sie werden bei den vorstehend genannten Fristen nicht berücksichtigt.
6
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze
Ungelöst bleibt nach wie vor der Fall, dass Arbeitnehmer nur für einen Teil der Arbeitszeit an einen anderen Arbeitgeber überlassen werden. Erwerben sie – wenn sonstige Ausnahmetatbestände fehlen - nach neun Monaten einen Anspruch auf gleiche Vergütung, der entsprechend einer Teilzeitbeschäftigung zu bestimmen ist? Gilt dies auch dann, wenn die Tätigkeit unregelmäßig immer nur an einzelnen Tagen im Monat ausgeübt wird? Wie ist mit Sachbezügen zu verfahren, die der Arbeitnehmer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten gewährt, ohne dass Teilbarkeit gegeben ist (z. B. Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung)?
e)
Erweiterung der Sanktionen
Wie vorstehend geschildert, werden die Sanktionen in §§ 9, 10 AÜG ausgeweitet auf die Fälle einer Nichtbeachtung der Kennzeichnungspflicht (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG) und der Höchstüberlassungsdauer (§ 1 Abs. 1 b AÜG). Dabei kann der Leiharbeitnehmer einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher widersprechen. Dann besteht es mit dem Verleiher fort5. § 9 Abs. 2 AÜG stellt indes klar, dass der Widerspruch nicht vor Beginn der dafür geltenden Frist - beispielsweise im Formulararbeitsvertrag - abgegeben werden kann.
f)
Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher
Nach § 11 Abs. 5 AÜG sollen Leiharbeitnehmer nicht mehr beim Entleiher zum Einsatz kommen, wenn der Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Das Verbot soll allerdings nicht zur Anwendung kommen, wenn der Leiharbeitnehmer im bestreikten Betrieb nicht auf Arbeitsplätzen zum Einsatz kommt, deren Arbeitnehmer sich im Streik befinden, oder deren Arbeitnehmer die Arbeit von im Arbeitskampf befindlichen Arbeitnehmern übernommen haben6. Der Leiharbeitnehmer hat ein Leistungsverweigerungsrecht und ist darauf hinzuweisen. Unabhängig davon bleibt der übergreifende Einsatz von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen zulässig, wenn insoweit auf das in § 1 Abs. 3 AÜG enthaltene Konzernprivileg zurückgegriffen wird.
g)
Ausgrenzung des öffentlichen Dienstes aus dem Anwendungsbereich des AÜG
Mit § 1 Abs. 3 Nrn. 2 a) und b) AÜG soll ein umfassendes Privileg für den öffentlichen Dienst und die damit verbundenen Bereiche geschaffen werden. 5 6
Reuter, RdA 2015, 171 ff. Thüsing, NZA 2015, 1478 f.; Ubber/Löw, BB 2015, 3125 ff.
7
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Denn durch diese Regelungen sollen juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche Einheiten, die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes zur Anwendung bringen, aus dem AÜG in seiner Gesamtheit ausgegrenzt werden. Dies erlaubt nicht nur jede Form der Personalgestellung, sondern befreit auch von der Notwendigkeit, die Grundsätze des Equal-Pay oder des Equal-Treatment zu beachten. Im Einzelnen sieht § 1 Abs. 3 Nr. 2 b) AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Arbeitgebern nicht in den Anwendungsbereich des AÜG fällt, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu einem anderen Arbeitgeber verlagert werden und aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 c) AÜG soll die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern ohne Rücksicht auf das AÜG erfolgen können, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und die für sie geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften dies vorsehen. Beispielhaft werden hierdurch öffentlich-rechtliche Körperschaften/ Anstalten, Kommunen, Sparkassen ebenso wie Unternehmen im kommunalen Bereich privilegiert, wenn sie den TVöD oder vergleichbare Regelungen zur Anwendung bringen. Abzuwarten ist, ob diese Vorschläge wirklich zur Umsetzung kommen. Problematisch daran ist, dass das EU-Recht die Privilegierung eines Sektors nicht kennt. Wenn man allerdings die Feststellungen des EuGH im Urteil vom 17.3.20157 ernst nimmt, ist es den Arbeitsgerichten verwehrt, einen etwaigen Verstoß gegen die durch Art. 4 Richtlinie 2008/104/EG begründeten Schranken zu prüfen und ggf. eine Rechtsvorschrift unanwendbar zu stellen. Das rechtfertigt jedenfalls aus Unternehmenssicht, trotz unionsrechtlicher Bedenken solche Rechtsvorschriften erst einmal anzuwenden.
h)
Schwellenwerte der Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung
Mit Ausnahme von § 112 a BetrVG sollen Leiharbeitnehmer zukünftig bei der Berechnung aller Schwellenwerte der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung berücksichtigt werden. Hierzu soll § 14 Abs. 2 AÜG ergänzt werden. Entsprechendes soll bei grenzüberschreitenden Ver-
7
8
C-533/13, NZA 2015, 423 – AKT.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze
schmelzungen, dem Europäischen Betriebsrat und etwaigen Umwandlungen in eine SE oder SCE beachtet werden. Für die Betriebsverfassung zeichnet die Bundesregierung damit im Grunde nur die Rechtsprechung nach8. Im Bereich der Unternehmensmitbestimmung beendet die Bundesregierung mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag aber den Streit über die Frage, ob die Leiharbeitnehmer auch bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung zu beachten sind. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des OLG Hamburg im Beschluss vom 31.1.20149 war das nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen. Das BAG hatte eine solche Einbeziehung in seinem Urteil vom 4.11.201510 zu § 9 MitbestG indes angenommen. Wir haben diese Entscheidung an anderer Stelle behandelt11. Die Entscheidung überzeugt, soweit sie das BetrVG betrifft. Sie überzeugt nicht, soweit sie die gleiche Erweiterung in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung vorsieht. Wegen der hierfür maßgeblichen Argumente sei auf unsere Ausführungen bei früherer Gelegenheit verwiesen12. Wichtig ist allerdings, dass die Vorschriften über das aktive und passive Wahlrecht (insbesondere aus § 7 S. 2 BetrVG) dadurch nicht verändert werden. Dabei wird klargestellt, dass die Einbindung von Leiharbeitnehmern in die Schwellenberechnung der Unternehmensmitbestimmung nur erfolgt, wenn der Einsatz die Dauer von sechs Monaten übersteigt. Das ist sinnvoll, weil nur dann davon die Rede sein kann, dass diese Personen „in der Regel“ beschäftigt werden. Problematisch ist aber, dass das BAG diese Voraussetzung aus den gleichen Gründen an sich auch für die Schwellenwertberechnungen in der Betriebsverfassung für erforderlich gehalten hatte13. Warum der Gesetzgeber darauf jetzt im BetrVG verzichten will, i1st weder nachvollziehbar noch begründbar. Ob und inwieweit die Leiharbeitnehmer auch bei Schwellenwerten in §§ 17, 23 KSchG beachtet werden, bleibt im Gesetz nicht geregelt. Jedenfalls in Bezug auf § 23 KSchG bleiben daher wohl weiterhin die Überlegungen
8
9 10 11 12 13
Vgl. zuletzt BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 20; LAG BadenWürttemberg v. 27.2.2015 – 9 TaBV 8/14, NZA-RR 2015, 353 Rz. 21; Gaul/Hahne, BB 2016, 58 ff.; Künzel/Schmidt, NZA 2016, 531 ff.; Stepan, AiB 2016, 28 f.; Zimmermann, BB 2016, 53, 56. 11 W 89/13, NZA 2014, 858. 7 ABR 42/13, NZA 2016, 559. B. Gaul, AktuellAR 2015, 585 f. B. Gaul, AktuellAR 2013, 202 ff.; 2014, 202 ff., 206 f.; 2015, 585 f. Vgl. BAG v. 12.9.2012 – 7 ABR 37/11, NZA-RR 2013, 197 Rz. 16, 29.
9
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
maßgeblich, die das BAG im Urteil vom 24.1.201314 angestellt hatte. Wir hatten darüber berichtet15.
i)
Erweiterung und Konkretisierung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Die Betriebsverfassung soll nur in §§ 80 Abs. 2, 92 Abs. 1 BetrVG geändert werden. Dadurch soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, die Betriebsräte insbesondere über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Fremdpersonal zu unterrichten, damit die Betriebsräte etwaige Beteiligungsrechte prüfen können. Hierzu gehören allerdings auch die Pflicht, die Verträge vorzulegen, die der Beschäftigung von Personen zugrunde liegen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen (§ 80 Abs. 2 S. 1, 3 BetrVG). Da der Gesetzgeber hier vom „Vertrag“ und nicht den für die Art und Dauer der Beschäftigung relevanten Vereinbarungen spricht, steht zu erwarten, dass die Betriebsräte die Vorlage des gesamten Vertrags geltend machen werden. Das betrifft auch Vereinbarungen mit Interim-Managern, mit Unternehmensberatern oder sonstigen Dienstleistern. Sensibel wird dies im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung insbesondere dann, wenn dort bestimmte (unternehmerische) Ziele der Tätigkeit definiert werden und/oder eine – ggf. erfolgsbezogene – Vergütung vereinbart wird. Ergänzend hierzu soll der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat im Rahmen von § 92 BetrVG auch über die geplante Beschäftigung von Personen, die in keinem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen, beraten. Damit steht fest, dass es keine weitergehende Ausweitung der Beteiligungsrechte bei einer Einstellung (§ 99 BetrVG) oder im Bereich des Arbeitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) geben soll, wie dies von der SPD in der Vergangenheit noch gefordert worden war16.
j)
Gesetzliche Kriterien zur Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses
Nach der übergreifend geäußerten Kritik an dem ersten Entwurf von § 611 a BGB, der einen Kriterienkatalog und eine gesetzliche Vermutung enthalten
14 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726. 15 B. Gaul, AktuellAR 2013, 118 ff. 16 Vgl. BT-Drucks. 17/12378.
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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze
hatte17, sieht der aktuell vorliegende Gesetzentwurf nur noch eine abstraktgenerelle Feststellung zu den Merkmalen eines Arbeitsverhältnisses vor. Sie soll die Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses und damit auch die Abgrenzung zu sonstigen Formen des Einsatzes von Fremdpersonal erleichtern. Die aktuelle Fassung im Entwurf lautet wie folgt: Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eins anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
Die vorstehende Regelung hat belletristischen Charakter und ist überflüssig, schadet aber auch nicht. Schlussendlich werden richterrechtlich entwickelte Grundsätze mit gesetzlichen Feststellungen in §§ 106 GewO, 611 BGB, 84 HGB verbunden.
k)
Fazit
Die Bundesregierung hat eine Reihe der berechtigten Kritikpunkte des ersten Entwurfs beseitigt. Zu hoffen bleibt, dass die aus arbeitsrechtlicher Sicht auch die weiterhin verbliebenen Schwachstellen noch beseitigt werden. Bei § 9 Nr. 1 b) würde es ausreichend sein, eine Übergangsregelung einzuführen. Im Kern gilt dies auch für die Bereichsausnahme für den öffentlichen Dienst bzw. die Unternehmen, die durch die öffentliche Hand gehalten werden (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 b) und c)). Diese Regelungen sind unionsrechtswidrig. Im Übrigen ist die weitere Umsetzung im Wesentlichen eine politische Entscheidung. Nachdem bereits zahlreiche Abstimmungen mit den Verbänden erfolgt sind, steht nicht zu erwarten, dass es insoweit noch zu wesentlichen Änderungen kommt. Das Gesetz dürfte daher im Wesentlichen unverändert am 1.1.2017 in Kraft treten.
17 Vgl. nur B. Gaul/Hahne, BB 2016, Henssler, RdA 2016, 18 ff.; Schüren/Fasholz, NZA 2016, 1473 ff.; Uffmann, NZA 2016, Editorial Heft 5; Wiesenecker, ArbRB 2016, 115 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Zu erwarten ist, dass losgelöst von den gesetzgeberischen Entwicklungen verschärfte Kontrollen in Bezug auf den Missbrauch von Werkverträgen erfolgen werden. Das BMAS hat die Zollämter im März dieses Jahres aufgefordert, in entsprechender Weise tätig zu werden. Das entspricht dem Entschließungsantrag des Landes Niedersachsen vom 4.3.2015, der im Bundesrat eingebracht wurde18. Die Pflicht, dass der Zoll den Arbeitsschutzbehörden Mitteilung machen muss, wenn er Verstöße gegen den Arbeitsschutz feststellt, ist nach dem Ergebnis des Koalitionsausschusses aber gestrichen worden. (Ga)
2.
Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte
Im vergangenen Herbst hatten wir eingehend über den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte berichtet19. Dieser Gesetzentwurf ist – soweit Änderungen der BRAO in Rede standen – unverändert am 1.1.2016 in Kraft getreten20. Lediglich hinsichtlich der Übergangsregelungen zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, die in § 231 Abs. 4 a bis 4 d SGB VI enthalten sind, hat es kleinere Änderungen gegeben. Die entsprechenden Regelungen lauten wie folgt: (4a) Die Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung durch Artikel 1 Nummer 3 und Artikel 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517) gelten nicht als Änderungen, mit denen der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 3 erweitert wird. (4b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch
18 BR-Drucks. 87/15. 19 B. Gaul, AktuellAR 2015, 28, 668 ff; BGBl. I 2015, 2517 ff.; BT-Drucks. 18/5201, 6915. 20 BGBl. I 2015, 2517 ff.; eingehend dazu: Müller/Kummer/Wengenroth, DB 2016, 1193 ff.; Stellungnahme des DAV Nr. 23/2015; Stellungnahme des ABV v. 30.6.2015.
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Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte
vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden. (4c) Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt als gegeben für Personen, die 1.
nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und
2.
bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen.
Satz 1 gilt nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Satz 1 gilt nicht, wenn vor dem 1. Januar 2016 infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen berufsständischen Versorgungswerk wegen Überschreitens einer Altersgrenze nicht mehr begründet werden konnte. (4d) Tritt in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, in der am 1. Januar 2016 eine Altersgrenze für die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bestand, eine Aufhebung dieser Altersgrenze bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft, wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht bei Personen, die infolge eines Ortswechsels eine Pflichtmitgliedschaft in einer solchen berufsständischen Versorgungseinrichtung bisher nicht begründen konnten und Beiträge als freiwillige Mitglieder entrichtet haben, auf Antrag vom Beginn des 36. Kalendermonats vor Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze in der je-
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
weiligen berufsständischen Versorgungseinrichtung. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze gestellt werden.“
Wichtig war, als Syndikusrechtsanwalt den Antrag auf rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Ablauf des 1.4.2016 zu stellen. Das galt vorsorglich auch für solche Fälle, in denen dem Wortlaut nach an sich tätigkeitsunabhängige Befreiungsbescheide aus der Vergangenheit vorlagen. Pflichtbeiträge, die aufgrund einer Befreiung nach § 231 Abs. 4 b und 4 d SGB VI zu Unrecht entrichtet wurden, werden von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung beanstandet und unmittelbar an die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung erstattet. Zinsen nach § 27 Abs. 1 SGB IV sind darauf indes nicht zu zahlen (§ 286 f SGB VI). (Ga)
3.
Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie
Wie bereits im vergangenen Herbst angekündigt21, ist die Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen und die Verschärfung der Anpassungspflichten bei Versorgungsanwartschaften, die im Gesetz zur Umsetzung der EUMobilitätsrichtlinie enthalten war22, verabschiedet und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden23. Die Änderungen treten am 1.1.2018 in Kraft. Änderungen in Bezug auf den Wortlaut des Gesetzes hat es im weiteren Verfahren nicht mehr gegeben. (Ga)
4.
Niedrigzinsen: Erleichterung bei den Vorgaben zur Bildung von Pensionsrückstellungen
Die aktuelle Niedrigzinsphase hat der betrieblichen Praxis im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen für Anwartschaften und Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zunehmende Probleme bereitet. Daran hätte sich auch in den nächsten Jahren nichts geändert. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits am 22.7.201524 mitgeteilt hatte, würde nämlich der Wert der handelsbi21 B. Gaul, AktuellAR 2015, 347 ff. 22 Eingehend hierzu vgl. BGBl. I 2015, 2517 ff.; BR-Drucks. 346/15; BTDrucks. 18/5623, 5698, 6673, 6915; Diller/Zeh, bAV 2016, 92 ff.; Rößler, BA 2015, 625 ff.; Schipp, ArbRB 2016, 80 ff. 23 BGBl. I 2015, 2553 ff. 24 BT-Drucks. 18/5623 S. 3 f.
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Niedrigzinsen: Erleichterung bei den Vorgaben zur Bildung von Pensionsrückstellungen
lanziellen Rückstellungen zum Bilanzstichtag 31.12.2021 um rund 26 % über dem Wert zum Bilanzstichtag 31.12.2014 liegen (durchschnittliche Restlaufzeit von 15 Jahren), wenn das derzeitige Zinsniveau für die nächsten sieben Jahre konstant bliebe. Dieser Abschätzung lag der Rechnungszinsfuß (gemäß § 253 Abs. 2 HGB) in Höhe von 4,53 % per 31.12.2014 zugrunde, der in Folge der Zinssituation bis zum 31.12.2021 auf einen prognostizierten Wert in Höhe von 2,42 % absinken würde. Dabei wurde angenommen, dass die durchschnittliche Restlaufzeit unverändert 15 Jahre beträgt und die Höhe der Pensionsverpflichtungen unverändert bleibt25. Weil die Abnahme des Rechnungszinses insbesondere im Wirtschaftsjahr 2015 besonders hoch ausfallen würde, weil hier besonders hohe Renditen des Jahres 2008 aus der Durchschnittsbildung entfallen würden, hatte sich der Druck auf die Bundesregierung noch einmal erhöht. Ziel war es, den Zeitraum, aus dem heraus die Durchschnittswerte der Verzinsung entnommen werden, von sieben Jahren auf 15 Jahre zu verlängern. Ein solcher Vorschlag war auch durch das Land NRW in den Bundesrat eingebracht worden26. Die Bundesregierung ist diesem Vorschlag in Bezug auf die 15 Jahre zwar nicht gefolgt. Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.201627 ist allerdings eine Veränderung in Bezug auf die Pensionsrückstellungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. § 253 Abs. 2 S. 1 HGB lautet nunmehr wie folgt: Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind abzuzinsen mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz, der sich im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und im Falle sonstiger Rückstellungen aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren ergibt.
Ergänzend hierzu ist § 253 Abs. 6 HGB angefügt worden: Im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ansatz der Rückstellungen nach Maßgabe des sprechenden durchschnittlichen Marktzinssatzes aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und dem Ansatz der Rückstellungen nach Maßgabe des entsprechenden durchschnittlichen 25 BT-Drucks. 18/7584. 26 BR-Drucks. 346/2/15. 27 BGBl. I 2016, 396, 408 f.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Marktzinssatzes aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren in jedem Geschäftsjahr zu ermitteln. Gewinne dürfen nur ausgeschüttet werden, wenn die nach der Ausschüttung verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich eines Gewinnvortrags unabzüglich eines Verlustvortrags mindestens dem Unterschiedsbetrag nach Satz 1 entsprechen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist in jedem Geschäftsjahr im Anhang oder unter der Bilanz darzustellen.
Grundsätzlich sind diese Änderungen für Jahresabschlüsse für Geschäftsjahre maßgeblich, die nach dem 31.12.2015 enden. Unternehmen dürfen die vorstehend genannten Regelungen aber freiwillig auch für einen Jahresabschluss anwenden, der sich auf ein Geschäftsjahr bezieht, das nach dem 31.12.2014 beginnt und vor dem 1.1.2016 endet (Art. 75 Abs. 6, 7 EGHGB). Um der betrieblichen Praxis die Anwendung dieser komplizierten und mit Vergleichsberechnungen verbundenen Neuregelung zu erleichtern, sieht § 8 der Rückstellungsabzinsungsverordnung vor, dass die Deutsche Bundesbank die Abzinsungssätze für Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen nach Maßgabe von § 6 a der Rückstellungsabzinsungsverordnung in der ab dem 17.3.2016 geltenden Fassung auch rückwirkend auf Basis der Daten des jeweils letzten Handelstages des Monats ab einschließlich Januar 2015 berechnet und die so berechneten Abzinsungssätze zusätzlich auf ihrer Internetseite veröffentlicht. (Ga)
5.
Allgemeinverbindliche Branchenmindestlöhne
Die Zahl der tarifvertraglich begründeten Mindestlöhne, die neben §§ 1, 2 MiLoG zur Anwendung kommen, nimmt weiter zu. So galten im Januar 2016 in 20 Branchen Mindestlöhne, die auf der Grundlage des AEntG, des AÜG oder des TVG für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Von der durch § 24 Abs. 1 MiLoG begründeten Möglichkeit, bis zum 31.12.2017 auch unterhalb des MiLoG liegende Mindestlöhne festzulegen, ist nur im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, im Bereich von Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau, in der Textil- und Bekleidungsindustrie sowie bei Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft vorübergehend Gebrauch gemacht worden. Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung wird der Mindestlohn jedenfalls am 1.6.2016 für das gesamte Bundesgebiet erreicht. Die Übergangsregelung für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller in § 24 Abs. 2 MiLoG bleibt hiervon unberührt. (Ga)
16
Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
6.
Neuregelung der Wissenschaftszeitverträge
Am 17.3.2016 ist das erste Gesetz zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in Kraft getreten28. Wir hatten über die damit verbundenen Änderungen in Bezug auf die Befristung von Arbeitsverhältnissen im Bereich des wissenschaftlichen Personals bereits im vergangenen Herbst berichtet. Darauf sei wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen29. (Ga)
7.
Referentenentwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
a)
Vorbemerkung
Das Streben nach Lohngerechtigkeit für Männer und Frauen ist ohne Einschränkung zu unterstützen. Es ist allerdings nicht neu. Das Verbot einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung in Bezug auf das Entgelt wegen des Geschlechts folgt schon heute aus Art. 23 GRC, Art. 157 AEUV, Art. 4 Richtlinie 2006/54/EG, Art. 3 Abs. 2 GG, §§ 1, 3, 7 AGG, 75 BetrVG und weiteren Vorschriften. Am 9.12.2015 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Referentenentwurf30 eines Entgeltgleichheitsgesetz zwischen Frauen und Männern (EntGG-E) vorgelegt, der das allgemeine Streben nach Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen weiter stärken soll. In Form des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern ist der Entwurf nicht nur mit einer Wiederholung und Zusammenfassung bereits bestehender Handlungsvorgaben verbunden. Er soll weitergehende Regelungen aufzustellen, die der Entgeltgleichheit dienen, und schafft damit auf individual- und kollektivrechtlicher Ebene eine Vielzahl kaum praktikabler Verpflichtungen, die in Bezug auf ihre Verhältnismäßigkeit und ihren praktischer Nutzen zweifelhaft sind. Soweit der Referentenentwurf in seiner Einleitung darauf verweist, dass das durchschnittliche Stundenentgelt von Frauen immer noch 22 Prozent unter dem entsprechenden Entgelt von Männern liege, erfüllt dieser Hinweis die verfassungsrechtlich gebotene Rechtfertigung des hier in Rede stehenden
28 BT-Drucks. 18/1463, 7038, 7068, 7075; BR-Drucks. 395/15. 29 B. Gaul, AktuellAR 2015, 355 ff. 30 BMFSFJ, Fair P(l)ay, Leitfaden zur Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher und gleichwertiger Arbeit.
17
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Eingriffs in die unternehmerische Vertragsfreiheit nicht31. Denn der Entwurf zitiert die unbereinigte Lohnlücke, die nicht nur Arbeitnehmer unterschiedlichen Bildungsniveaus in unterschiedlichen Berufen und Branchen vergleicht und deshalb schon im Ansatz darauf verzichtet, das Entgelt gleichwertiger Tätigkeiten gegenüber zu stellen. Das macht die Statistik unbrauchbar, um Verstöße gegen Gleichheitsgebote darzulegen. Der „Gender Pay Gap“, den der Entwurf geltend macht, bezieht in seine Durchschnittsberechnung ohne Umrechnung sogar Teilzeitbeschäftigte sowie geringfügig Beschäftigte ein, so dass bereits der Umstand, dass Teilzeitbeschäftigungen in Deutschland zu einem ganz überwiegenden Anteil von Frauen ausgeübt werden, eine erhebliche Entgeltdifferenz zur Folge hat. Ausgangspunkt einer Rechtfertigung des Eingriffs in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen kann nur die bereinigte Lohnlücke sein, die nach dem eigenen Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vom 5.6.201532 maximal 7 % beträgt. Andere Statistiken gehen von deutlich geringeren Differenzen aus, was erst Recht konkrete Handlungserfordernisse in Frage stellt33. Nachfolgend wird eine Zusammenfassung der rechtlichen Bedenken in Bezug auf einzelne Regelungen des Referentenentwurfs dargestellt. Eine politische Bewertung erfolgt nicht. Hiervon ausgehend verzichtet der Ausschuss auf eine Darstellung solcher Regelungen, die in der vorgesehenen Form aus rechtlicher Sicht zulässig erscheinen, auch wenn es zum Teil erhebliche Bedenken in Bezug auf ihre Wirkung und den damit verbundenen Aufwand gibt. Maßnahmen der Arbeitsförderung (SGB III) werden nicht behandelt.
b)
Anwendungsbereich
§ 2 Abs. 2 EntGG-E bestimmt, dass die Geltung des AGG und anderer Benachteiligungsverbote unberührt bleibt, soweit nicht durch dieses Gesetz etwas anderes bestimmt wird. Diese Regelung ist unbestimmt und lässt wegen einer Vielzahl von Überschneidungen mit bereits bestehenden Gesetzen offen, wie der Anwendungsbereich von EntGG-E im Verhältnis zu den übrigen (weiterhin beste31 BT-Drucks. 17/9781 (23 %), laut statistischem Bundesamt hingegen 22 %; Stellungnahme des BDA v. 16.12.2015 S. 2. 32 BT-Drucks. 18/5100. 33 Dazu eingehend: BT-Drucks. 17/9781, 18/7602; Stellungnahme des BDA v. 16.12.2015; BMFSJ v. 9.12.2015, Fair P(l)ay, Leitfaden zur Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher und gleichwertiger Arbeit.
18
Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
henden) Gesetzen zu bestimmen ist. Dabei steht zu erwarten, dass eine Reihe von Regelungen des EntGG-E die Frage aufwerfen wird, ob darin eine andere (und damit vorrangige) oder nur eine ergänzende (und damit parallel anwendbare) Regelung geschaffen wurde. Beispielsweise sei nur auf die Handhabe der Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Erfüllungsanspruchs (§ 18 Abs. 3 EntGG-E) oder die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Bezug auf die Einsichtnahme in die Ergebnisse eines betrieblichen Prüfverfahrens (§ 19 Abs. 1 EntGG-E) hingewiesen. Lösbar ist dieses Problem nur durch konkrete Feststellungen zur fehlenden Anwendung konkret zu bezeichnender Vorschriften anderer Gesetze, durch Ergänzungen der bereits bestehenden Gesetze außerhalb eines EntGG-E oder durch einen Verzicht auf das EntGG-E.
c)
Gebot des gleichen Entgelts / Kennzeichnung des benachteiligungsfreien Entgeltsystems
§ 3 EntGG-E verbindet eine Konkretisierung der allgemeinen Kennzeichnung der Benachteiligung in § 3 AGG mit Verweisungen auf das AGG. Mit Blick auf das Gebot der Normensparsamkeit kann auf § 3 EntGG-E verzichtet werden. Zusätzliche Handlungspflichten werden damit nicht geschaffen. Das gilt auch für die kaum justiziable Feststellung, dass „arbeitsmarktbezogene Kriterien“ ein unterschiedliches Entgelt rechtfertigen können, soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde. Im Unterschied enthält § 4 Abs. 3 EntGG-E weiterführende Vorgaben, die bei der Ausgestaltung eines benachteiligungsfreien Entgeltsystems erfüllt sein müssen. Dabei werden individual- und kollektivrechtliche Systeme, die durch den Arbeitgeber verwendet werden, gleichermaßen erfasst. Für eine Kennzeichnung des Verbots einer unzulässigen Diskriminierung genügt es, diese Regelung mit einem Verweis auf § 3 AGG zu verbinden.
d)
Feststellung gleicher und gleichwertiger Arbeit
§ 4 Abs. 2 EntGG-E enthält Kriterien für die Kennzeichnung einer gleichwertigen Tätigkeit. § 4 Abs. 1 S. 1 EntGG-E ist demgegenüber sprachlich missglückt, wenn zur Feststellung, ob weibliche und männliche Beschäftigte eine gleiche oder gleichwertige Arbeit ausüben, die Entgeltregelungen zu berücksichtigen sind, die bei ein und demselben Arbeitgeber Anwendung finden. Entgeltregelungen lassen nicht erkennen, ob die gleiche oder gleichwertige Tätigkeit in Rede steht. Dafür ist das jeweilige Anforderungsprofil maßgeblich (vgl. § 4 Abs. 2 EntGG-E).
19
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Wichtiger ist, durch § 4 Abs. 1 EntGG-E festzuschreiben, dass der Grundsatz der Lohngleichheit immer nur durch den einzelnen Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten erfüllt werden kann. Das Grundrecht der Vertragsfreiheit erlaubt außerhalb der Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen nur dort eine Einschränkung, wo die gleiche Person (hier: Arbeitgeber) unterschiedliche Regelungen gegenüber ihren Vertragspartnern (hier: Arbeitnehmern) trifft. Hierfür müssen die Worte „eine gleiche oder gleichwertige Arbeit im Sinne des Gesetzes ausüben“ ersetzt werden durch „gleiches Entgelt für eine gleiche oder gleichwertige Arbeit im Sinne des Gesetzes erhalten“. Diese Regelung, ergänzt durch § 4 Abs. 1 S. 2 EntGG-E wäre eine sinnvolle Ergänzung von § 4 Abs. 3 EntGG-E34.
e)
Maßnahmen zum Schutz vor Entgelt-Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts
§ 6 Abs. 1 und 2 EntGG-E begründet eine Pflicht der Tarifvertragsparteien, des Arbeitgebers, der Beschäftigten und ihrer Vertreter zu Maßnahmen zum Schutz vor Entgeltbenachteiligungen wegen des Geschlechts. Dies entspricht §§ 7, 12 AGG, 75, 80 Abs. 1 BetrVG, ohne den Beschäftigten zusätzlichen Schutz zu verschaffen. Auf diese Regelung sollte im Sinne der Normensparsamkeit verzichtet werden. § 6 Abs. 3 EntGG-E verpflichtet den Arbeitgeber zur Angabe von Mindestentgelten in Stellenausschreibungen. Darunter wird nicht nur das Entgelt verstanden, das Mindestgrundlage für die Vertragsverhandlungen ist. Einerseits sind damit Entgelte gemeint, deren Höhe sich aus Gesetz oder Kollektivnorm ergibt. Andererseits soll der Arbeitgeber das Mindestentgelt auch in Bereichen angeben, in denen solche Entgelte außerhalb von Kollektivvereinbarungen freiwillig bestimmt werden. Weitergehend soll der Arbeitgeber sogar verpflichtet werden, in der Ausschreibung seine Bereitschaft anzugeben, über das Mindestentgelt hinausgehende Entgelte zu zahlen. Diese Mitteilung des Handlungsspielraums für die individualrechtliche Vereinbarung des Arbeitsentgelts erscheint verfassungsrechtlich bedenklich. Sie verpflichtet den Arbeitgeber nicht nur zu einer Veröffentlichung seiner Verhandlungsstrategie und der zugrunde liegenden Entgeltstruktur an einen unbekannten Personenkreis, obwohl die Höhe der Vergütung erst durch Angebot und Annahme im Rahmen individueller Vertragsverhandlungen bestimmt wird. Zusätzlich wird damit eine Bindungswirkung erzeugt, die ein späteres Unterschreiten ohne Rücksicht auf das Geschlecht des Bewerbers
34 Vgl. Stellungnahme des BDA v. 16.12.2015 S. 2.
20
Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
verhindert. Bei Frauen läge darin eine Entgeltdiskriminierung. Bei Männern und Frauen läge darin ein Verstoß gegen eine gesetzliche Regelung, die den Betriebsrat berechtige, seine Zustimmung zu einer etwaigen Eingruppierung zu verweigern. Soweit § 6 Abs. 4 EntGG-E dem Betriebs- und Personalrat das Recht verschafft, den Arbeitgeber aufzufordern, eine Eingruppierung zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte für eine Entgelt-Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliegen, steht dies im Widerspruch zur Systematik einer Eingruppierung. Bei der Eingruppierung handelt es sich um die Anwendung eines Systems, das die Höhe der Vergütung nach Entgeltgruppen bestimmt. Da diese üblicherweise an der Wertigkeit einer Arbeit ausgerichtet sind, kann ein Fehler der Eingruppierung nur darin liegen, dass der Arbeitgeber den objektiven Wert einer Arbeit verkannt und deshalb eine falsche Zuordnung vorgenommen hat. Da das Geschlecht selbst in keiner dem Ausschuss bekannten Entgeltordnung Merkmal der Eingruppierung ist, kann die Eingruppierung keine Anhaltspunkte einer Benachteiligung enthalten. Denkbar ist lediglich, dass der Betriebs- und Personalrat Anhaltspunkte dafür hat, dass das Entgeltsystem selbst eine Benachteiligung wegen des Geschlechts enthält. Dies könnte der Gesetzgeber auch zum Anlass nehmen, dem Betriebsrat das Recht zu geben, den Arbeitgeber aufzufordern, diese Benachteiligung zu beseitigen. Diese Befugnis ist aber schon heute in §§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 2 a BetrVG, 68 Abs. 1 Nr. 5 a BPersVG enthalten. Vor diesem Hintergrund muss § 6 Abs. 4 EntGG-E geändert oder als überflüssige Wiederholung bestehender Vorschriften gestrichen werden. Das gilt entsprechend für die vorgesehene Einfügung von § 80 Abs. 1 Nr. 2 b BetrVG-E bzw. § 68 Abs. 1 Nr. 5 b BPersVG. Soweit die Sanktion des § 23 Abs. 3 BetrVG auf Verstöße gegen das EntGG-E ausgeweitet werden, ist dies grundsätzlich zulässig. Konsequenterweise müsste diese Ausweitung dann aber auch für entsprechende Verstöße des Betriebsrats gelten, den bei der betrieblichen Gestaltung von Entgeltsystemen in Form von Betriebsvereinbarungen die inhaltsgleiche Pflicht trifft (§§ 6 Abs. 2 EntGG-E, 75 Abs. 1 BetrVG). Hier sollte der Arbeitgeber einen entsprechenden Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG stellen können, was allerdings absurd erscheint, wenn beide gleichermaßen zuvor einvernehmlich das System festgelegt haben35.
35 Steinau-Steinrück/Reiter, NJW-Spezial, 242 f.
21
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
f)
Maßregelungsverbot
Das in § 9 S. 1 EntGG-E enthaltene Maßregelungsverbot entspricht § 612 a BGB und kann gestrichen werden. § 9 S. 2 EntGG-E ist durch die Ausweitung auf Personen, die bei der Inanspruchnahme „unterstützen“, zu unbestimmt. Das Gesetz erfasst alle Formen der Unterstützung ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit, die Verhältnismäßigkeit und die Zuständigkeit der handelnden Personen. Damit wäre auch eine Sanktion bei rechtswidrigen Verhaltensweisen zur Unterstützung eines Anspruchs auf Beseitigung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung ausgeschlossen. Unerheblich wäre dabei, ob die Maßnahme durch einen Arbeitnehmer, einen Arbeitnehmervertreter außerhalb seiner betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeit oder einen Dritten erfolgt. § 9 S. 2 EntGG-E sollte deshalb konkretisiert oder gestrichen werden.
g)
Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers / Auskunft
Der individuelle Auskunftsanspruch in § 10 EntGG-E geht über die aktuelle Rechtslage hinaus36. Problematisch erscheinen dabei insbesondere folgende Aspekte37: Die Pflicht zur Bekanntgabe von Kriterien und Verfahren für die Entgeltfestlegung (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 EntGG-E) kann nur unvollkommen erfüllt werden, wenn es ein solches Verfahren nicht gibt. Eine Pflicht, individuelle Gehälter außerhalb von Kollektivvereinbarungen nur nach einem System festzulegen, das individuellen Verhandlungen nicht (mehr) zugänglich ist, besteht bislang schon wegen des Grundrechts der Vertragsfreiheit nicht. Der statistische Median einer Gruppe von mindestens fünf Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EntGG-E) ist im Kleinbetrieb nicht erfüllbar und gefährdet zugleich das Geheimhaltungsinteresse der Beschäftigten, deren Entgelte mitgeteilt werden müssen. Denn es bleibt unklar, wie der Arbeitgeber im Rahmen von § 11 Abs. 4 EntGG-E den Schutz persönlicher Daten der mittelbar betroffenen Beschäftigten wahren und deshalb seine Antwort einschränken kann. Eine Verschwiegenheitspflicht des Beschäftigten, der die Auskunft verlangt, sieht das Gesetz nicht vor. Sie erscheint aber erforderlich, soweit es nicht um die gerichtliche Durchsetzung geht.
36 BMFSFJ v. 9.12.2015 S. 4.; Steinau-Steinrück/Reiter, NJW-Spezial, 242 f. 37 Vgl. dazu: Stellungnahme des BDA v. 16.12.2015 S. 6, 9.
22
Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
Hinzu kommt, dass völlig unklar ist, wie bei diesem Vergleich Entgeltsteigerungen aufgrund längerer Betriebszugehörigkeit und abweichender Tarifbindung sowie Differenzen aufgrund leistungs- oder erfolgsbezogener Vergütungsstrukturen berücksichtigt werden. Das wird auch in § 11 EntGG-E, der die korrespondierenden Arbeitgeberpflichten regelt, nicht berücksichtigt. Da objektive Anhaltspunkte für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung beim Entgelt aus entsprechenden Auskünften den Betriebsrat aber bereits veranlassen kann, ein betriebliches Prüfverfahren zu fordern38, muss dies schon in §§ 10, 11 EntGG-E klarer gefasst werden. Dies gilt umso mehr, als unklar bleibt, ob sich diese Auskunftspflicht nur auf Grundentgelte bezieht, oder ob ein solcher Median entsprechend § 5 Abs. 1 EntGG-E unter Einbeziehung von allen Grund- oder Mindestarbeitsentgelten sowie allen sonstigen Vergütungen erfasst, die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen gewährt werden, berechnet werden muss. § 11 Abs. 2 EntGG-E spricht dafür, dass der Arbeitnehmer Auskunft zu allen Entgeltbestandteilen und daran anknüpfend auch übergreifende Berechnungen verlangen kann. Soweit § 11 Abs. 5 EntGG-E die Vermutung einer Benachteiligung begründet, wenn der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht nicht oder offensichtlich unvollständig nachkommt, erscheint dies unverhältnismäßig. Aus Sicht des Ausschusses genügt die bereits in § 22 AGG enthaltene Beweiserleichterung zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entgeltgleichheit. Denn nach der schon heute geltenden Regelung trägt der Arbeitgeber schon dann die Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung wegen des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer im Streitfall Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen. Zu diesen Indizien kann auch eine verweigerte oder eine fehlerhafte Auskunft gehören, wie das BAG bereits in Bezug auf die Benachteiligung von Bewerbern klargestellt hat39.
h)
Aufgaben der betrieblichen Interessenvertreter
§ 12 EntGG-E erweitert die heutigen Beteiligungsrechte von Betriebs- und Personalrat in einer Weise, die rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Soweit der Betriebs- und Personalrat an dem Auskunftsverlangen beteiligt werden kann, durchbricht dies den allgemeinen Grundsatz, dass die Arbeit-
38 Steinau-Steinrück/Reiter, NJW-Spezial, 242 f. 39 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012, 1345 Rz. 44 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
nehmervertreter nicht für die Geltendmachung individueller Rechtsansprüche zuständig sind40. Soweit der Arbeitgeber seine Auskunft nach § 11 EntGG-E zeitgleich dem Betriebs- oder Personalrat zuzuleiten hat, bestehen erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Eine solche Weiterleitung muss von einer Zustimmung des betroffenen Beschäftigten abhängig gemacht werden. Außerdem ist entsprechend § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG zu gewährleisten, dass entsprechende Daten nur dem Betriebsausschuss oder einem nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschuss zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Das Recht zu Beschwerde in § 12 Abs. 4 EntGG-E wiederholt schon bestehende Regelungen in §§ 13 AGG, 82 BetrVG und kann gestrichen werden.
i)
Betriebliche Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit
Mit den betrieblichen Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit (§ 12 EntGG-E) sind erhebliche Handlungsvorgaben (§§ 13 ff., 15, 16 Abs. 5 EntGG-E) und daraus folgende Kosten verbunden41. Rechtliche Bedenken bestehen nicht nur wegen fehlender Klarheit der verwendeten Begriffe (z. B. „valide, statistische Maßnahmen“), die in der Anwendung zu erheblichen Kosten und Streit hinsichtlich ihres Umfangs führen werden. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass nur ein ordnungsgemäßes Prüfverfahren als vorbeugende Maßnahme zum Schutz vor Benachteiligungen im Sinne der §§ 6 Abs. 1 EntGG-E, 12 Abs. 1 AGG anerkannt werden kann. Im Mittelpunkt der Bedenken steht der Umstand, dass die betrieblichen Prüfverfahren auch tarifliche Entgeltregelungen zum Gegenstand haben, was der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie entgegensteht. Eine Pflicht zu entsprechenden Prüfverfahren trifft nach § 16 Abs. 1 EntGG-E nur Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten. Hier muss „in der Regel“ eingefügt werden, um Zufälligkeiten zu vermeiden. Das gilt auch dann, wenn die Entgeltsysteme durch Tarifvertrag bestimmt werden. Hier werden allerdings die Prüfungsabstände von drei auf fünf Jahre verlängert. Für die übrigen Unternehmen handelt es sich um eine fakultative Regelung (§ 16 Abs. 6 EntGG-E). Problematisch ist, wie in Unternehmen zu verfahren ist, die kein erkennbares Entgeltsystem oder ein solches System nur für bestimmte Arbeitnehmer zur Anwendung bringen. Der Wortlaut von § 16 Abs. 3 EntGG-E suggeriert, 40 BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435 Rz. 22 ff. 41 Stellungnahme des BDA v. 16.12.2015 S. 3 ff.
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Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
dass diese Arbeitnehmer aus der Prüfung ausgegrenzt werden können, obwohl doch gerade dort die Gefahr einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts gegeben ist. § 19 EntGG-E regelt die Einbindung der betrieblichen Arbeitnehmervertretung bei der Durchführung des betrieblichen Prüfverfahrens. Soweit diese Beteiligung in Form von Unterrichtung und Beratung erfolgen soll (§ 19 Abs. 2 EntGG-E), bestehen keine rechtlichen Bedenken. Allerdings überrascht, dass die Tarifvertragsparteien erteilt informiert werden sollen, wenn der Ergebnisbericht des betrieblichen Prüfverfahrens vorliegt (§ 17 EntGGE). Geboten erscheint ihre Einbindung schon innerhalb dieses Verfahrens, wenn man nicht Tarifverträge – was wegen Art. 9 Abs. 3 GG geboten erscheint – der betrieblichen Überprüfung entzieht. Problematisch erscheint darüber hinaus die Beteiligung des Betriebsrats42 nach § 87 BetrVG bei der Festlegung des Umsetzungsplans, die § 19 Abs. 3 EntGG-E offenbar für möglich hält („Liegt ein Fall des § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vor, ….“). Schließlich handelt es sich bei der Durchsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit um eine Rechtsfrage, keine Regelungsfrage. Gestaltungsspielraum für eine davon abweichende Verteilung des Entgelts im Rahmen eines Umsetzungsplans besteht nicht, was damit auch Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats entgegensteht. Auch eine Letztentscheidung der Einigungsstelle, die der Entwurf vorsieht, ist ausgeschlossen. Dies gilt nicht nur bei tariflichen Entgeltsystemen, bei denen eine solche Entscheidung im Widerspruch zu Art. 9 Abs. 3 GG stünde, sondern auch bei der Korrektur von Benachteiligungen in einem betrieblichen System, sofern damit nicht eine generelle Neugestaltung ohne Ausweitung des Volumens verbunden ist. Unverhältnismäßig und unbestimmt erscheint die Möglichkeit, dem Betriebsrat das Recht zu geben, ohne weitergehende Schranken ein betriebliches Prüfverfahren zu verlangen, wenn sich aus individuellen Auskunftsverlangen „objektive Anhaltspunkte“ für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit ergeben (§ 19 Abs. 4 EntGG-E). Erforderlich erscheint, dieses Prüfverfahren jedenfalls auf die Entgelte und die Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer zu beschränken, zu denen entsprechende Verdachtsmomente entstanden sind.
42 Stellungnahme des BDA v. 16.12.2015 S. 9 f.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
j)
Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit
Soweit §§ 20 ff. EntGG-E Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern verpflichten, einen Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit zu erstellen und im Lagebericht zu veröffentlichen, verletzt dies in erheblicher Weise die durch Art. 14 GG geschützten Unternehmensinteressen. Denn schlussendlich wird das Unternehmen durch die Bekanntgabe der umgerechneten Bruttomonatsentgelte zur Veröffentlichung konkreter Geschäftsgeheimnisse verpflichtet, ohne dass dies der Entgeltgleichheit im Unternehmen dient. Unabhängig davon muss klarer gefasst werden, welche Entgeltbestandteile mit dem Begriff des „Bruttomonatslohns“ (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 EntGG-E) gemeint sind43.
k)
Beseitigung individueller oder betrieblicher Entgeltbenachteiligungen
Individuelle oder betriebliche Benachteiligungen sind nach § 18 Abs. 1 EntGG-E „unverzüglich“ zu beseitigen. Erfolgt die Beseitigung innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Ergebnisberichts, erlischt der Erfüllungsanspruch des Beschäftigten innerhalb von drei Monaten nach betriebsinterner Veröffentlichung der benachteiligungsfreien Entgeltregelung. Diese Vorgabe zum Untergang des individuellen Anspruchs auf Beseitigung der Benachteiligung ist unklar. Zum einen stellt sich die Frage, ob der Erfüllungsanspruch auch dann erlischt, wenn die Beseitigung der Entgeltbenachteiligung erst nach Ablauf von sechs Monaten erfolgt. Zum anderen bleibt das Verhältnis zu § 15 AGG und sonstigen Ausschlussfristen ungeregelt. Materiell-rechtlich bleibt offen, ob die Entschädigungsansprüche des AGG neben den Erfüllungsansprüchen bestehen. Formal ist offen, welche Fristen zur Anwendung kommen. Neben die tarifliche Ausschlussfrist von in der Regel drei oder sechs Monaten und die in §§ 15 AGG, 61 b ArbGG geregelte Frist von zwei plus drei Monaten stellt § 18 EntGG-E eine generelle Frist von drei Monaten. Abweichend von § 15 Abs. 4 AGG, dessen Fristbeginn an die persönliche Kenntnisnahme geknüpft ist, lässt § 18 Abs. 3 EntGG-E die betriebsinterne Veröffentlichung nach § 43 Abs. 2 S. 7 BetrVG-E genügen. Welche Rechtsfolgen sind aber maßgeblich, wenn der Beschäftigte Kenntnis um die Entgeltbenachteiligung erlangt noch bevor die Veröffentlichung erfolgt ist? Findet § 61 b ArbGG weiterhin Anwendung? Können durch Tarifvertrag, was § 15 AGG zulässt, abweichende Regelungen getroffen werden?
43 BMFSFJ v. 9.12.2015 S. 6.
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Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltansprüchen bei Insolvenz
l)
Fazit
Die Umsetzung des EntGG-E wäre mit erheblichem Aufwand für die betroffenen Unternehmen verbunden. Nur wenige Regelungen schaffen dabei einen zusätzlichen Schutz vor Benachteiligungen in Bezug auf das Entgelt wegen des Geschlechts. Die wesentlichen Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, der Tarifpartner und der betrieblichen Arbeitnehmervertreter werden bereits unionsrechtlich und verfassungsrechtlich vorgegeben und durch BetrVG, AGG und BGB in vielen Einzelfragen konkretisiert. Weitergehende Handlungspflichten, die zu einer Einschränkung der Tarifautonomie, der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit und der Vertragsfreiheit führen, müssen sich strengen Anforderungen in Bezug auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit in Bezug auf die Durchsetzung der berechtigten Forderung nach einer Entgeltgleichheit von Männern und Frauen stellen. Der Referentenentwurf erfüllt diese Voraussetzungen nur an einigen Stellen. Die übrigen Regelungen sollten angepasst oder gestrichen werden. (Ga)
8.
Einschränkung der Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltansprüchen bei Insolvenz
Am 16.12.2015 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vorgelegt44. Damit sollen auch Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltzahlungen durch den Insolvenzverwalter bestehen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG soll insofern in § 142 InsO klargestellt werden, dass ein (unanfechtbares) Bargeschäft gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Auszahlung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. In diesem Fall wird kraft Gesetzes ein enger zeitlicher Zusammenhang angenommen, der für einen unmittelbaren Austausch von Leistung und Gegenleistung erforderlich ist. Es steht zu erwarten, dass dieser Teil des Gesetzes ohne Veränderung in Kraft gesetzt wird. Für die betriebliche Praxis ist die damit verbundene Klarstellung zu begrüßen. Sie nimmt Arbeitnehmern das Risiko einer Anfechtung, wenn Arbeitsentgeltansprüche für tatsächlich geleistete Arbeit erbracht wurden. Wenn und soweit Arbeitsentgelt allerdings in Zeiten einer Freistellung gewährt wurde, wird man auch unter Berücksichtigung der Neufassung
44 BT-Drucks. 18/7054.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
durchaus von der Möglichkeit einer Anfechtung ausgehen können. Hier fehlt es an der unmittelbaren Gegenleistung des Arbeitnehmers, die Grundlage seiner Privilegierung durch § 142 Abs. 2 InsO ist. (Ga)
9.
Aktuelles zum Kurzarbeitergeld
Gemäß § 104 SGB III wird Kurzarbeitergeld für den Arbeitsausfall für eine Dauer von längstens 12 Monaten geleistet. Die Bezugsdauer gilt einheitlich für alle in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den in einem Betrieb Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber gezahlt wird. Wichtig ist, die hierfür geltenden Anspruchsvoraussetzungen aus §§ 95 ff. SGB III von den Besonderheiten des Transferkurzarbeitergeldes gemäß § 111 SGB III zu unterscheiden. Nach § 105 SGB III beträgt das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen würden, 67 %, für die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 60 % der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum. Die Nettoentgeltdifferenz entspricht dabei der Differenz zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Soll-Entgelt und dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Ist-Entgelt (§ 106 Abs. 1 S. 1 SGB III). Um die Berechnung der daraus folgenden Ansprüche zu erleichtern, ermächtigt § 9 Abs. 1 SGB III das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr die pauschalierten monatlichen Nettoentgelte festzulegen, die für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes maßgeblich sind. Die aktuell für 2016 geltende Verordnung ist am 17.12.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden45. Sie ist am 1.1.2016 in Kraft getreten. Für die betriebliche Praxis ist die Verordnung über die pauschalierten Nettoentgelte für das Kurzarbeitergeld nicht nur dann maßgeblich, wenn tatsächlich als Folge von Kurzarbeit bzw. Transferkurzarbeit Arbeitnehmern solche Leistungen gewährt werden sollen. Denkbar ist auch, bei der Berechnung von Sozialplanabfindungen auf die Kurzarbeitergeldverordnung zurückzugreifen. Denn sie erlaubt es, in typisierter Form unter Berücksichtigung der jeweiligen Steuerklasse Nettoarbeitsentgelte auszurechnen, die insbesondere bei Übergangsregelungen für rentennahe Jahrgänge für Regelungen, die eine typisierte Anrechnung von Arbeitslosengeldansprüche schaffen sollen, Ver-
45 BGBl. I 2015, 2254 ff.
28
Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zu Arbeiten 4.0
wendung finden können. Denn die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt sich in einer vergleichbaren Weise wie das Kurzarbeitergeld, so dass für eine typisierte Vorgehensweise im Rahmen des Sozialplans durchaus auf die Ergebnisse im Bereich der Kurzarbeit Bezug genommen werden kann. (Ga)
10. Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zu Arbeiten 4.0 Am 23.2.2016 hat die SPD-Bundestagsfraktion ihr Positionspapier zum Thema „Arbeiten 4.0 – Arbeits- und Sozialrecht an die Erfordernisse einer digitalisierten Arbeitswelt anpassen“ beschlossen. Danach erkennt die SPDBT-Fraktion an, dass sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt vor großen Herausforderungen befinden, die darüber entscheiden, wie sich unser Wohlstand, die Chancengleichheit in unserem Land und soziale Sicherheit in der Zukunft entwickeln werden. Diese Herausforderungen sollen allerdings auch als Chance begriffen werden. Im Anschluss an allgemeine Feststellungen zur aktuellen Situation und der erwarteten Weiterentwicklung werden sodann zentrale Gestaltungselemente definiert, die aus Sicht der SPD-BT-Fraktion maßgeblich für die zukünftigen Rahmenbedingungen in Bezug auf Arbeiten 4.0 sind. Hierzu gehören u. a. folgende Aspekte 1.
Bildung und Weiterbildung im Erwerbsleben stärken (u. a. Stärkung von Weiterbildungsstrukturen und –angeboten, Verankerung von Rechtsansprüchen auf Bildung und Weiterbildung, Etablierung von verlässlichen, arbeitsrechtlich abgesicherten Freistellungs- und Rückkehrrechten, Weiterentwicklung und Stärkung der betrieblichen Mitbestimmungsrechte in Fragen der Aus- und Weiterbildung, Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten von Zeitwertkonten und ihrer Sicherung gegen Insolvenz)
2.
Anpassung von Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung durch den Abbau von Zugangsbarrieren. Dabei sollen auch Soloselbständige einbezogen werden.
3.
Ausbau und Weiterentwicklung der bestehenden Vorschlags-, Zustimmungsverweigerungs-, Mitbestimmungs-, Informationsund Unterrichtungsregelungen, um betriebliche Demokratie auch im Kontext der neuen Arbeitsstrukturen und Zusammenhänge von Arbeiten 4.0 zu erhalten und zu stärken. Hierzu soll das BetrVG entsprechend neu gefasst und der europäische Kontext mit in den Fokus genommen werden.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
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4.
Fortentwicklung des Teilzeit- und Befristungs-, Leiharbeits- und Werkvertragsrechts sowie des Rechts von Kleinstarbeitsverhältnissen (Minijobs) und Schärfung des Arbeitnehmerbegriffs, mit dem Ziel, prekäre Beschäftigungen zu vermeiden, zurückzudrängen und faire Arbeitsstandards sicherzustellen.
5.
Weiterentwicklung des Arbeitszeitrechts, um die Zeitautonomie der Beschäftigten zu erweitern. Dabei soll den Risiken, die sich aus der Entgrenzung von Arbeit und Privatem ergeben, entgegengewirkt werden. Ein faktischer Zwang zur permanenten Erreichbarkeit und ständigen Verfügbarkeit wird als fatal gekennzeichnet. Es soll deshalb geprüft werden, wie ein Recht auf Nichterreichbarkeit, zumindest aber auf Nicht-Reaktion außerhalb bestimmter Arbeitszeiten realisiert werden kann. Zur Balance zwischen Arbeit und Freizeit wird in diesem Zusammenhang auch die befristete Teilzeit und der Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teil- auf die vorangegangene, vertragliche Arbeitszeit sowie die Familienarbeitszeit und der Anspruch auf Wahrnehmung von Angeboten der Gesundheitsprävention gerechnet. Diesen Zielen sollen auch die Betriebs- und Tarifvertragsparteien bei ihren Vereinbarungen Rechnung tragen.
6.
Prüfung eines Rechtsanspruchs auf ein Mindestmaß an mobiler Arbeit, die während der betriebsüblichen Arbeitszeiten an einem von den Beschäftigten selbst zu bestimmenden Arbeitsplatz erbracht werden darf.
7.
Modernisierung des Arbeitsschutzes, damit die Gesundheit der Beschäftigten auf einem hohen Niveau gesichert, vorzeitigem gesundheitlichen Verschleiß vorgebeugt wird und die Arbeitsfähigkeit über das ganze Erwerbsleben gewährleistet bleibt. In diesem Zusammenhang soll insbesondere das Thema der seelischen Belastung und der psychischen Erkrankung berücksichtigt werden.
8.
Fortentwicklung des Beschäftigtendatenschutzes und Nutzung der diesbezüglichen Spielräume der Europäischen Datenschutzgrundverordnung für eigenständige Regelungen.
9.
Nutzung der Potenziale der digitalen Technik, um die Chancen von Frauen, Älteren und Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, Pflege zu erleichtern und gesellschaftliche Teilhabe besser als heute zu verwirklichen.
Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion zu Arbeiten 4.0
10.
Ausbau der Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsforschung.
11.
Glättung der Schnittstellen verschiedener lebenslaufbezogener Maßnahmen (z. B. Elterngeld, Familienpflegezeit, MeisterBAföG, Bildungsprämie), um Förder- und Sicherungslücken zu beseitigen.
Konkrete Handlungsvorschläge oder gar Gesetzentwürfe sind mit dem Positionspapier nicht verbunden. Es dürfte allerdings als Einstimmung auf den Bundestagswahlkampf zu verstehen sein und erkennbar machen, welche arbeits- und sozialpolitischen Ziele die SPD verfolgen will. (Ga)
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C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.
Kennzeichnung des Arbeitnehmerstatus
Abgesehen von § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, wonach selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, hat der Gesetzgeber bislang davon Abstand genommen, den Arbeitnehmerbegriff1 zu definieren. Vielmehr ist die Konkretisierung des Arbeitnehmerbegriffs der Rechtsprechung überlassen worden. Im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 16.11.2015 in der abgeänderten Fassung vom 14.4.2016 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll zukünftig durch Art. 2 des Entwurfs der Arbeitnehmerbegriff im BGB durch Einfügung oder besser Erneuerung eines § 611 a BGB gesetzlich wie folgt umschrieben werden2: 1
Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.
2
Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.
3
Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.
4
Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen.
5
Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
Diese Kennzeichnung des Arbeitnehmerbegriffs entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG3, die zusammengefasst folgende Umschreibung 1 2 3
Ausführlich zum europäischen Arbeitnehmerbegriff: Giesen, ZfA 2016, 47 ff. Eingehend hierzu vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 1 ff. BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, ZMV 2016, 49 Rz. 20; BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/12, NZA 2013, 1348 Rz. 16 f.; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 499/11, NZA 2012, 1433 Rz. 14; BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731 Rz. 13; BAG v. 11.10.2000 – 5 AZR 289/99 n. v. Rz. 17 f.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
vornimmt: Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Mit dieser Konkretisierung des Arbeitnehmerbegriffs soll vor allem sichergestellt werden, dass zwingende und unabdingbare Regelungen für Arbeitsverhältnisse nicht allein dadurch abbedungen werden können, dass die Vertragsparteien dem eigentlich bestehenden Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung verleihen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Entscheidung der Parteien für einen bestimmten Vertragstypus bei den jeweiligen Umständen der Vertragsabwicklung zu berücksichtigen ist4. Die formale Vertragstypenwahl der Parteien gewinnt dann an Bedeutung, wenn eine bestimmte Tätigkeit sowohl selbstständig als auch in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden kann, was gerade bei sogenannten freien Mitarbeitern nicht selten anzutreffen ist. Da etwa die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sowohl selbständig (§ 92 Abs. 1 HGB i. V. mit § 84 Abs. 1 HGB) als auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (§ 92 Abs. 1 i. V. mit § 84 Abs. 2 HGB) erbracht werden kann, ist bei der Gesamtwürdigung die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen5. Wenn die tatsächliche Handhabung nicht entscheidend für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich die Parteien an dem von ihnen gewählten Vertragstypus festhalten lassen.
4 5
56
BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, AP Nr. 128 zu § 611 BGB Abhängigkeit Rz. 16; BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877 Rz. 19. BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877 Rz. 19.
Kennzeichnung des Arbeitnehmerstatus
Im Zentrum der Bewertung steht vor allem die Frage, ob jemand aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist, wobei das Weisungsrecht Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Angesichts dessen spielen die Art der Vergütung6 ebenso wenig eine Rolle, wie etwa die organisatorische Bindung an Öffnungszeiten des Vertragspartners, die Bindung an einen bestimmten Arbeitsort oder die teilweise Unterstützung durch Mitarbeiter des Vertragspartners, weil diese Umstände auch eine selbstständige Tätigkeit betreffen können7. Soweit einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung vom Geschäftsinhalt der von den Parteien getroffenen Vertragsabsprache abweichen, sind sie nur dann signifikant, wenn es sich um eine durchgehend geübte Praxis, nicht aber um untypische Einzelfälle handelt8. In einer Entscheidung vom 11.8.2015 hatte der 9. Senat des BAG9 im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zu beurteilen, ob die Mitglieder einer Artistengruppe als Arbeitnehmer zu qualifizieren waren. Diese hatten mit der Beklagten im Juli 2010 einen Vertrag über freie Mitarbeit abgeschlossen, der mit Wirkung ab dem 4.3.2011 eine bestimmte Hochseilnummer vorsah. In dem Vertragswerk war unter anderem vorgesehen, dass die Artisten an keine Weisungen gebunden waren, sich der Hilfe Dritter bei der Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen auf ihre Kosten bedienen durften, berechtigt waren, auch für andere tätig zu sein und als Vergütung ein Tagespauschalhonorar von 550,- € erhielten, für dessen Versteuerung die Artisten selbst Sorge zu tragen hatten. Ab dem 21.6.2011 stellten die Artisten ihre Tätigkeit mit der Begründung ein, die Beklagte habe sie nicht bei der zuständigen Krankenversicherung angemeldet, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 27.6.2011 den Vertrag außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigte. Die Artisten haben sich beim Arbeitsgericht gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt und geltend gemacht, die Parteien verbinde ein Arbeitsverhältnis. Im Gegensatz zur Annahme des LAG Sachsen-Anhalt, das von einem Arbeitsverhältnis ausging, hat das BAG in der Vereinbarung der Parteien ein freies Dienstverhältnis im Sinne von § 611 BGB gesehen. In Anwendung
6 7 8 9
BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877 Rz. 38. BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, AP Nr. 128 zu § 611 BGB Abhängigkeit Rz. 25; BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, ZMV 2016, 49 Rz. 25. BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, AP Nr. 128 zu § 611 BGB Abhängigkeit Rz. 33. 9 AZR 98/14, AP Nr. 128 zu § 611 BGB Abhängigkeit.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
der allgemeinen Grundsätze für die Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses verneint das BAG eine Arbeitnehmerstellung der klagenden Artisten. Dabei geht das BAG zunächst davon aus, dass die Parteien einen Vertrag über freie Mitarbeit abgeschlossen haben und diese Entscheidung für einen bestimmten Vertragstypus bei der Statusbeurteilung zu berücksichtigen ist. Soweit das Weisungsrecht in Rede steht, dem eine besondere Bedeutung bei der Kennzeichnung eines Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis beizumessen ist, stellt das BAG fest, dass weder Art noch Inhalt der Aufführung der Kläger von der Beklagten beeinflussbar war. Dieser Bewertung stand nicht entgegen, dass die Artisten bei der Animation des Publikums zu Beginn und am Ende der Vorstellungen sowie am Finale mitzuwirken hatten. Hierbei ging es nur um einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung, die nur eine periphere Bedeutung in Relation zur Gesamtaufgabe aufwiesen. Gegen ein Arbeitsverhältnis sprach zudem, dass die Anzahl der Vorstellungen beschränkt war und die Artisten nicht verpflichtet waren, die geschuldete Leistung in Person zu erbringen. Dieser Beleg für eine selbständige Tätigkeit wurde zudem dadurch verstärkt, dass die Artisten während der Laufzeit des Vertrags andere berufliche und gewerbliche Aktivitäten wahrnehmen durften. Keine Rolle konnte spielen, dass die Artisten ihre Darbietungen im Rahmen der zu bestimmten Zeiten vorgesehenen Vorstellungen und an einem bestimmten Arbeitsort zu erbringen hatten. Eine derartige Einbindung in die Organisation eines anderen ist auch für die Tätigkeit als freier und selbständiger Mitarbeiter je nach Art der wahrzunehmenden Aufgabe typisch, wie das BAG zutreffend feststellt. Für die betriebliche Praxis ist die saubere Differenzierung der Mitarbeit Dritter in einem Arbeitsverhältnis oder in einem freien Dienstverhältnis von erheblicher Bedeutung, weil damit Weichenstellungen in Bezug auf arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Behandlungen verbunden sind. Bereits im Vorfeld des externen Personaleinsatzes bedarf es der Klärung, ob dies durch freie Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Werk– oder Dienstvertrags oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung geschehen soll. Die vorgesehene gesetzliche Ergänzung des § 611 a BGB durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze hat keine weiterführende Qualität, weil sie den bereits geltenden Rechtszustand abstrakt zusammenfasst und stets nur einzelfallbezogen anhand des Vertragsinhalts und seiner tatsächlichen Umsetzung mit Blick auf die angeführten Kriterien zum Charakter des Vertragsverhältnisses festgestellt werden kann. (Boe)
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Diskriminierung wegen Behinderung im Bewerbungsverfahren
2.
Diskriminierung wegen Behinderung im Bewerbungsverfahren
Gemäß § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen ihrer Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Soweit eine entsprechende Benachteiligung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens in Rede stand, war die insoweit erforderliche Vergleichbarkeit aus Sicht des BAG bislang daran geknüpft worden, dass eine objektive Eignung des Bewerbers im Hinblick auf das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle gegeben war10. Zur Begründung hatte der 8. Senat des BAG im Wesentlichen darauf verwiesen, dass eine Benachteiligung nur dann angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potenziellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle. In veränderter Zusammensetzung hat der 8. Senat des BAG im Urteil vom 22.10.201511 Zweifel an dieser Rechtsprechung angemeldet und die Frage aufgeworfen, ob daran auch in der Zukunft festgehalten werden könne. Bedenken in Bezug auf die frühere Rechtsprechung sind aus Sicht des 8. Senats des BAG bereits dadurch gerechtfertigt, dass § 15 Abs. 2 S. 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließe, sondern lediglich der Höhe nach begrenze. Darüber hinaus würde das Erfordernis der „objektiven Eignung“ wohl eine Parallelüberprüfung der „objektiven Eignung“ der eingeladenen Bewerber und Bewerberinnen nach sich ziehen müssen, da die Feststellung einer „vergleichbaren Situation“ nicht ohne Vergleichsbetrachtung auskommen könne. Eine solche Prüfung und Vergleichsbetrachtung finde jedoch möglicherweise weder in den Bestimmungen des AGG noch in den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in Richtlinie 2000/78/EG, eine hinreichende Grundlage. Hiervon ausgehend wäre von einer vergleichbaren Situation i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG bereits dann auszugehen, wenn sich mehrere Personen für dieselbe Stelle beworben haben.
10 Vgl. BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 118/13, BB 2014, 1534 Rz. 18; BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840 Rz. 28. 11 8 AZR 384/14 n. v. Rz. 23.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Schlussendlich konnte das BAG diese Frage offen lassen, weil unstreitig war, dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war. Vor diesem Hintergrund ging es nur um die Frage, ob er durch die Beklagte wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden war. Auf diese Schwerbehinderung hatte er in ausreichender Weise im Bewerbungsschreiben wie folgt hingewiesen: Aus gesundheitlichen Gründen musste ich für kurze Zeit meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren.
Trotz dieses Hinweises auf die Schwerbehinderung hatte der Arbeitgeber, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, darauf verzichtet, den Kläger gemäß § 82 S. 2 SGB IX zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. Eine solche Einladung wäre aber nur entbehrlich gewesen, wenn die fachliche Eignung offensichtlich gefehlt hätte. Mit dem Hinweis auf seine Schwerbehinderung im Rahmen des Bewerbungsverfahrens und dem Umstand, dass keine Einladung zum Bewerbungsgespräch erfolgt war, hatte der Kläger schlüssig Indizien dargelegt und unter Beweis gestellt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt war. Denn die Benachteiligung liegt – so das BAG – hier bereits in der Versagung einer Chance auf die persönliche Vorstellung im Rahmen des Bewerbungsgesprächs. Unerheblich ist, ob dieses Bewerbungsgespräch auch zu einer Einstellung geführt hätte. Wenn bereits die Chancen einer Bewerberin bzw. eines Bewerbers durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt wurden, kommt es – so das BAG – regelmäßig nicht mehr darauf an, ob eine nach § 1 AGG verbotene Anknüpfung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat. Bewerber/innen hätten vielmehr Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungs-/Stellenbesetzungsverfahren12. Hiervon ausgehend hätte es dem Arbeitgeber oblegen, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde. Hierfür wäre es allerdings erforderlich gewesen, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben hätte, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu der Entscheidung geführt hatten, den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
12 BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 384/14 n. v. Rz. 26; BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2012, 3805 Rz. 23.
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AGB-Kontrolle von zur einmaligen Verwendung bestimmten Vertragsdokumenten
Ausdrücklich weist das BAG insoweit daraufhin, dass es unerheblich sei, wenn arbeitgeberseitig darauf verwiesen werde, dass der Gesichtspunkt einer Behinderung bei der späteren Einstellungsentscheidung erkennbar keine Rolle gespielt habe. In dem konkret seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte sogar darauf verwiesen, dass sie eine mit einem GdB von 30 behinderte Bewerberin eingestellt hätte. Da es aber für die Frage, ob eine Bewerberin bzw. ein Bewerber diskriminierungsfrei vorab aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen wurde, nicht darauf ankomme, ob und ggf. zu welcher Einstellung es später im Zuge des Auswahlverfahrens tatsächlich gekommen sei, könne damit die Vermutungswirkung des § 22 AGG nicht widerlegt werden. Erforderlich wäre gewesen, diskriminierungsfrei zu erklären, warum trotz Kenntnis um die Schwerbehinderung bzw. der konkreten Möglichkeit einer solchen Kenntnisnahme die besonderen Verfahrensregelungen zugunsten schwerbehinderter Menschen nicht beachtet wurden. In der betrieblichen Praxis dürfte es kaum möglich sein, einen solchen Vortrag zur Rechtfertigung einer Nichtbeachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften zugunsten schwerbehinderter Bewerber zu erklären. Voraussetzung wäre, dass deutlich gemacht würde, dass auch die Kenntnisse und Fähigkeiten von Bewerbern für die spätere Einstellung keine Rolle gespielt haben. Hiervon ausgehend stellt es im Zweifel eine nicht widerlegbare Vermutung für eine Diskriminierung wegen Behinderung dar, wenn gesetzliche Vorschriften zum Schutz der schwerbehinderten Menschen im Bewerbungsverfahren nicht beachtet werden. Für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften gilt dies – was vorliegender Fall deutlich macht – vor allem für § 82 SGB IX. Für die übrigen Arbeitgeber kommen entsprechende Handlungsvorgaben allerdings aus § 81 Abs. 1 SGB IX zum Tragen. Insofern muss im Personalbereich sichergestellt werden, dass insbesondere die Mitteilungspflichten gegenüber Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat uneingeschränkt erfüllt werden. Dies gilt selbst dann, wenn Bewerber das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle nicht erfüllen. Denkbar ist sogar, dass entsprechende Verhaltensvorgaben auch dann zu erfüllen sind, wenn Blindbewerbungen auf nicht vorhandene Stelle erfolgen. Denn auch insoweit handelt es sich um eine Bewerbung, bei der gesetzliche Verfahrensregelungen einzuhalten sind. (Ga)
3.
AGB-Kontrolle von zur einmaligen Verwendung bestimmten Vertragsdokumenten
Grundsätzlich setzt die Anwendbarkeit der in §§ 305 ff. BGB festgelegten Regelungen zur AGB-Kontrolle voraus, dass das jeweilige Vertragsdoku61
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
ment überhaupt als eine Allgemeine Geschäftsbedingung qualifiziert werden kann. Das verlangt nach § 305 Abs. 1 BGB, dass die Vertragsbedingungen durch den Verwender für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden und dem Vertragspartner bei Abschluss des Vertrags gestellt worden sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil eines Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen wurden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind im Umkehrschluss dann ausgeschlossen, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. In der Regel sind individualrechtliche Regelungen, die arbeitgeberseitig für das Arbeitsverhältnis konzipiert werden, als solche Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren. Dies bewirkt die uneingeschränkte Anwendbarkeit von §§ 305 ff. BGB. Da der Arbeitsvertrag allerdings auch als Vertrag zwischen einem Unternehmer (Arbeitgeber) einem Verbraucher (Arbeitnehmer) qualifiziert werden kann13, müssen bei der Auslegung und Anwendung der Grundsätze zur AGB-Kontrolle auch die in § 310 Abs. 3 BGB geregelten Besonderheiten beachtet werden. Danach finden die §§ 305 c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel) sowie die §§ 306, 307 bis 309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zu einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung durch den Arbeitgeber auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Unter diesen Voraussetzungen bleibt es also insbesondere bei der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB, die an sich nur bei Vertragsbedingungen greift, die für eine Vielzahl von Fällen durch den Arbeitgeber vorbereitet worden sind. In seinem Urteil vom 19.8.201514 hat sich der 5. Senat des BAG eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen die nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erforderliche Möglichkeit der Einflussnahme durch den Arbeitnehmer eingeräumt wird, damit jedenfalls bei Vertragsdokumenten, die zur einmaligen Verwendung konzipiert wurden, gar keine AGBKontrolle greift. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin, die in einer Privatschule in Sachsen als Lehrerin angestellt war, Zahlungsklage erhoben. Sie machte geltend, dass ihre arbeitsvertragliche Vergütung im Vergleich zu der Vergü13 BAG v. 22.8.2012 – 8 AZR 804/11, NZA 2013, 268 Rz. 20, 30. 14 5 AZR 500/14 n. v.
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AGB-Kontrolle von zur einmaligen Verwendung bestimmten Vertragsdokumenten
tung einer vergleichbaren Lehrkraft an einer entsprechenden öffentlichen Schule unangemessen niedrig sei, was einen Anspruch auf eine entsprechend höhere Vergütung zur Folge habe. Unter Bezugnahme auf spezialgesetzliche Regelungen zur Vergütung der an sächsischen Privatschulen beschäftigten Lehrer hat das BAG die Annahme einer unangemessen niedrigen Vergütung grundsätzlich bestätigt. Für die hier in Rede stehende Frage war allerdings entscheidend, dass der Arbeitgeber eine Zahlungspflicht in Bezug auf die Vergangenheit vor allem unter Hinweis auf die im Arbeitsvertrag erteilte Ausschlussfrist ablehnte. Diese sah vor, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfielen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist hatte die Klägerin für einen großen Teil ihrer geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht eingehalten. Unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung hat das BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass eine Ausschlussfrist, die kürzer als drei Monate ist, im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden könne. Eine solche Regelung verstoße gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, da sie die Arbeitnehmerin als Verwender entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige15. Da im konkreten Fall allerdings unklar war, ob der Arbeitsvertrag der Klägerin als allgemeine Geschäftsbedingungen qualifiziert werden konnte, war zu prüfen, ob die Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB auch auf der Grundlage von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kommen konnte. Dies war – wie ausgeführt – dann der Fall, wenn die Kläger aufgrund der Vorformulierung durch den Arbeitgeber auf den Inhalt dieser Ausschlussfrist keinen Einfluss nehmen konnte. Nach den diesbezüglichen Feststellungen des BAG ist die hierfür erforderliche Möglichkeit einer Einflussnahme, die sich auf die konkrete Klausel beziehen muss, nur gegeben, wenn der Verwender der Vertragsbedingungen deren Kerngehalt „ernsthaft zur Disposition stellt“ und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt. Dies setze zumindest voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erkläre und dies dem Verwendungsgegner bei Abschluss des Vertrags bewusst gewesen sei. Sei die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, müsse der Verwender 15 BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 500/14 n. v. Rz. 19; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NJW 2006, 146 Rz. 28, 30.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
nach dem Grundsatz der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlege, wie er die Klausel zur Disposition gestellt habe und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden konnte, der Verwendungsgegner habe die im Streit stehende Klausel freiwillig akzeptiert16. Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte die ernsthafte Möglichkeit einer Einflussnahme durch die Klägerin nicht angenommen werden. Auf ihr Vorbringen, der Arbeitsvertrag sei mit ihr weder ver- noch ausgehandelt worden, hatte die Beklagte das Gegenteil nicht einmal ansatzweise dargelegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Klägerin bei der Ausgestaltung anderer Verträge auch inhaltlich mitgewirkt hatte. Maßgeblich ist, ob in Bezug auf den streitgegenständlichen Vertrag durch den Arbeitgeber als Verwender die Möglichkeit einer Einflussnahme deutlich und ernsthaft erkennbar gemacht wurde. Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass die Möglichkeit einer solchen Einflussnahme bei Vertragsdokumenten und/oder Vertragsklauseln, die nur zur einmaligen Verwendung erstellt wurden, nachvollziehbar dokumentiert werden muss. In Betracht kommt dies beispielsweise bei besonderen Bonusvereinbarungen, bei Ergänzungsvereinbarungen zu einer Auslandsentsendung oder einem vorübergehenden Wechsel des Arbeitsplatzes und/oder Arbeitsorts. Dies kann insbesondere durch eine E-Mail und/oder ein Begleitschreiben erfolgen, mit dem dem Arbeitnehmer der durch den Arbeitgeber vorbereitete Vertrag bzw. die Vertragsklausel übermittelt wird. Dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Einflussnahme auch tatsächlich Gebrauch macht und inhaltliche Veränderungen bewirkt, ist nicht erforderlich. Das unterscheidet den einseitig gestellten Vertrag gerade von dem ausgehandelten Vertrag, der bereits nach § 305 Abs. 1 BGB generell aus der AGBKontrolle ausgenommen wird. (Ga)
4.
Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen angekündigter Elternzeit
Mit § 21 Abs. 1 bis 3 BEEG17 konkretisiert der Gesetzgeber den in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG geregelten Sachgrund der Vertretung für befristete 16 BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 500/14 n. v. Rz. 17; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 Rz. 25 ff. 17 17.1.2009 BGBl. I 2009, 61 neugefasst durch Bekanntmachung v. 27.1.2015 BGBl. I 2015, 33.
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Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen angekündigter Elternzeit
Arbeitsverträge, soweit es um mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote (§§ 3 Abs. 1 und 2, 6 MuSchG), die Elternzeit (§§ 15, 16 BEEG) und die Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes geht. Danach liegt ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes oder für diese Zeiten zusammen oder für Teile davon eingestellt wird. Dieser Zeitraum wird durch Einarbeitungszeiten verlängert, indem auch über die Dauer der Vertretung nach § 21 Abs. 1 BEEG hinaus die Befristung für notwendige Zeiten einer Einarbeitung zulässig ist (§ 21 Abs. 2 BEEG)18. Klarstellend sieht § 21 Abs. 3 BEEG vor, dass die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrags kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar oder den in § 21 Abs. 1 und 2 BEEG genannten Zwecken zu entnehmen sein muss. Diese Fassung des Gesetzes beruht auf dem Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetz19, das die ursprünglich in § 21 Abs. 3 BErzGG ausschließlich erlaubte kalendermäßige Befristung20 durch die Möglichkeit einer Zweckbefristung ergänzt hat, um den Abschluss befristeter Arbeitsverträge bereits vor Beginn der Elternzeit (früher Erziehungsurlaub) zu erleichtern21. Soweit es um die Vertretungsvarianten i. S. v. § 21 Abs. 1 und 2 BEEG geht, sind unmittelbare, mittelbare oder gedankliche Vertretung möglich22. Außerdem muss die mit der Ersatzkraft vereinbarte Vertragsdauer nicht mit der Dauer der Verhinderung des vertretenen Arbeitnehmers synchronisiert werden, weil die Einstellung einer Ersatzkraft auch nur für Teile der in § 21 Abs. 1 BEEG genannten Verhinderungsgründe erfolgen kann. Dieser von der Rechtsprechung des BAG für die gewöhnliche Vertretungsbefristung entwickelte Ansatz hat in § 21 Abs. 1 BEEG einen gesetzlichen Niederschlag gefunden, so dass neben dem sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Ersatzkraft kein zusätzlicher Sachgrund für das
18 Ausführlich dazu HWK/Gaul, BEEG § 21 Rz. 1 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 19 25.9.1996 BGBl. I 1996, 1461. 20 Vgl. dazu BAG v. 9.11.1994 – 7 AZR 243/94, NZA 1995, 575 Rz. 13, 15 f. zu § 21 BErzGG i. d. F. v. 6.12.1985; BAG v. 10.5.1989 – 7 AZR 455/88 n. v. Rz. 39 f. 21 BT-Drucks. 13/4612, 18 f. 22 HWK/Gaul, BEEG § 21 Rz. 6; zu den Vertretungsvarianten: BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617 Rz. 18 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Zurückbleiben der gewählten Laufzeit hinter dem Vertretungsbedarf vorliegen muss23. Die vereinbarte Zweckbefristung zur Elternzeitvertretung nach § 21 Abs. 1 und Abs. 3 BEEG war Gegenstand der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 9.9.201524, wobei es darum ging, ob ein Sachgrund für eine elternzeitbedingte Zweckbefristung besteht, wenn die Elternzeit noch nicht nach § 16 Abs. 1 BEEG formell beansprucht, sondern nur einige Zeit vor der Niederkunft dem Arbeitgeber gegenüber per E-Mail angekündigt wird. Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 13.2.2006 bis zum 16.5.2012 auf der Grundlage von insgesamt sieben befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Die letzten zwei befristeten Arbeitsverträge wurden am 3.12.2010 zwischen den Parteien abgeschlossen, wobei sich der erste befristete Vertrag auf die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.4.2011 und der zweite befristete Vertrag auf die Zeit ab dem 1.5.2011 bis zum Ende der Elternzeit der Frau B zweckbefristet bezog. Zuvor hatte Frau B dem Arbeitgeber ihren voraussichtlichen Entbindungstermin für den 10.5.2011 angegeben und per E-Mail vom 29.11.2010 erklärt, sie wolle ein Jahr in Elternzeit gehen. Dieser Ankündigung entsprechend beanspruchte sie nach der Geburt ihres Kindes Elternzeit bis zum 16.5.2012. Mit Schreiben vom 20.3.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 16.5.2012 wegen der Rückkehr der Frau B an ihren Arbeitsplatz enden werde. Frau B kehrte allerdings nicht an ihren Arbeitsplatz zurück, weil sie erneut Mutterschutz hatte und im Anschluss daran erneut Elternzeit in Anspruch nahm. Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Zweckbefristung gewandt. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Bezüglich der Befristungsabrede als solcher geht das BAG von einer Einmalbedingung i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB aus, die einer AGB-Kontrolle unterliegt25. Dabei beschränkt das BAG die Kontrolle allerdings darauf, ob die Zweckbefristung mangels ausreichender Konkretisierung das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) verletzt. Frau B hatte zwar zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch keine Gewährung von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 BEEG beansprucht, diesen Anspruch vielmehr nur per E-Mail
23 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 148/14, NZA 2016, 169 Rz. 42; BAG v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06, ZTR 2008, 508 Rz. 19; BAG v. 26.8.1988 – 7 AZR 101/88, DB 1989, 1677 Rz. 24 f. 24 7 AZR 148/14, NZA 2016, 169. 25 Allgemein dazu BAG v. 25.6.2015 – 6 AZR 383/14, NZA-RR 2015, 649 Rz. 23; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628 Rz. 15.
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Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen angekündigter Elternzeit
angekündigt. Es konnte jedoch bei der Zweckbestimmung der Vertragsabrede „Ende der Elternzeit der Frau B“ keine Unsicherheit darüber vorherrschen, dass es sich um die Elternzeit handeln sollte, die sich an die Beendigung der Schwangerschaft der Frau B anschloss. Nach Ansicht des BAG wird das Transparenzgebot auch nicht dadurch verletzt, dass die Vereinbarung keine Regelung für den Fall der Nichtinanspruchnahme der Elternzeit durch Frau B enthält. Insoweit war die von den Parteien getroffene Befristungsabrede zwar nicht vollständig. Sofern aber insoweit eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit zu bejahen wäre, müsste diese nach dem Dafürhalten des BAG gegebenenfalls unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Insofern wäre daran zu denken, dass die Parteien die durch § 21 Abs. 1, Abs. 3 BEEG ermöglichte Zweckbefristung für die Dauer der tatsächlichen Abwesenheitszeit der Arbeitnehmerin B begrenzen wollten. Da Befristungsabreden keiner Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB26, sondern stattdessen einer Sachgrundkontrolle unterliegen, war zu prüfen, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Zweckbefristung durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG i. V. m. § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt war. In diesem Zusammenhang weist das BAG auf seine ständige Rechtsprechung bezüglich des Sachgrundes der Vertretung hin, wonach der Grund für die Befristung in Vertretungsfällen darin liegt, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Angesichts dessen ist Teil des Sachgrunds eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters27. Da diese Prognose bei Abschluss des befristeten Vertrags vorliegen muss, spielt es für den Sachgrund der Befristung auch keine Rolle, dass im Zeitpunkt des Ablaufs des befristeten Vertrags eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Vertreter besteht28. In Anbetracht dieser allgemeinen Grundsätze hatte das BAG keine Bedenken, die streitgegenständliche Zweckbefristung wegen des Sachgrundes der Vertretung für gerechtfertigt anzusehen. In diesem Zusammenhang setzt sich das BAG mit der Frage auseinander, ob der Zweckbefristung entgegenstand,
26 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 148/14, NZA 2016, 169 Rz. 25; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37 Rz. 32. 27 BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, NZA 2015, 928 Rz. 17. 28 BAG v. 19.2.2014 – 7 AZR 260/12, NZA-RR 2014, 408 Rz. 30.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
dass Frau B im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 3.12.2010 noch keine Elternzeit gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG beanspruchen konnte und verlangt hat, sondern die Inanspruchnahme von Elternzeit nur angekündigt hatte. Entgegen einer in der Literatur anderslautenden Meinung29 geht das BAG aufgrund des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des § 21 Abs. 1 und Abs. 3 BEEG davon aus, dass bereits die Ankündigung der Inanspruchnahme von Elternzeit für eine Sachgrundbefristung genügt. Die Vorschrift verlangt nicht, dass bereits Elternzeit beansprucht worden ist30. Überdies enthielt § 21 Abs. 1 BErzGG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung noch die Formulierung „eines zu Recht verlangten Erziehungsurlaubs“. Diese zeitliche Einschränkung wurde durch das zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 6.12.199131 gestrichen. Der vom BAG befürworteten Auslegung von § 21 Abs. 1 und Abs. 3 BEEG steht auch § 15 Abs. 6 BEEG nicht entgegen, wonach der Arbeitnehmer frühestens mit der Erklärung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, vom Arbeitgeber zweimal unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG eine Verringerung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit verlangen kann32. Diesem Verlangen stehen dringende betriebliche Gründe nur dann entgegen, wenn der Arbeitnehmer zunächst Elternzeit unter völliger Freistellung in Anspruch genommen und der Arbeitgeber zur Vertretung eine Arbeitskraft befristet eingestellt hat und weder diese noch die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer bereit sind, ihre Arbeitszeit zu verringern33. Diesen Teilzeitanspruch der Stammkraft kann der Arbeitgeber nicht dadurch vereiteln, dass er bereits vor der Beanspruchung von Elternzeit eine Vollzeitkraft einstellt. Nimmt der Arbeitgeber die Ersatzeinstellung bereits vor der beanspruchten Elternzeit und damit vor der völligen Freistellung von der Arbeit aufgrund von Elternzeit vor, trägt er nach Ansicht des BAG das Risiko einer etwaigen Doppelbesetzung des Arbeitsplatzes34. Des Weiteren scheitert der Sachgrund der Vertretungsbefristung nicht daran, dass der befristete Vertrag nicht für die gesamte Dauer der prognostizierten Abwesenheit der Frau B geschlossen worden ist, sondern erst ab dem 1.5.2011. Die vereinbarte Vertragsdauer muss nicht mit der Dauer des Sach29 Annuß/Thüsing/Kühn, TzBfG § 23 Rz. 122. 30 So auch KR/Lipke, BEEG § 21 Rz. 13 a; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rz. 654. 31 BGBl. I 1991, 2142. 32 So bereits BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352 Rz. 33. 33 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352 Rz. 55; BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NZA 2005, 1354 Rz. 49. 34 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352 Rz. 61.
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Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen angekündigter Elternzeit
grunds für die Befristung übereinstimmen. Dies folgt für den hier maßgebenden Befristungsgrund bereits aus § 21 Abs. 1 BEEG, wonach die Einstellung der Vertretungskraft auch für Teile der Elternzeit erfolgen kann. Abschließend prüft das BAG, ob die streitgegenständliche Befristung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs zu beanstanden war35. Die Zahl von sieben befristeten Arbeitsverträgen bei einer Gesamtdauer von sechs Jahren und drei Monaten überschreitet den für die Vertragsdauer geltenden Grenzwert des § 14 Abs. 2 TzBfG zwar mehrfach, jedoch nicht gravierend, so dass sich die mit dem Kläger vereinbarte Befristung nicht als rechtsmissbräuchlich erwies. Zu Recht stellt das BAG fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am 16.5.2012 geendet hat. Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung (§ 15 Abs. 2 TzBfG). Da die Beklagte den Kläger bereits mit Schreiben vom 27.3.2012 auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 16.5.2012 hingewiesen hat, endete das Arbeitsverhältnis am gleichen Tage mit der eingetretenen Zweckerreichung. Für die betriebliche Praxis hat diese Entscheidung des BAG eine weiterführende Qualität, weil sie den Sachgrund der Befristung mit einer Vertretungskraft im Zusammenhang mit einer zu erwartenden Elternzeit bereits dann nach § 21 Abs. 1 BEEG bejaht, wenn die Inanspruchnahme von Elternzeit vorfristig annonciert wird, ohne dass bereits ein konkreter Anspruch nach § 16 Abs. 1 BEEG besteht. Allerdings trägt der Arbeitgeber das Risiko der Doppelbeschäftigung, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit (§ 15 Abs. 4 BEEG) von dem Recht auf Teilzeitbeschäftigung Gebrauch macht, weil ihm kein dringender betrieblicher Ablehnungsgrund der Teilzeitbeschäftigung durch die Doppelbesetzung des Arbeitsplatzes zur Seite steht. Da jedoch der Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 BEEG ausdrücklich erlaubt, dass für Teile eines Beschäftigungsverbots oder der Elternzeit sachgrundbefristete Arbeitsverträge mit einem Vertreter geschlossen werden dürfen, kann der Arbeitgeber dieses Risiko mit einem zunächst zeitbefristeten Vertrag relativieren. (Boe)
35 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 40 – Kücük; grundlegend BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, NZA 2015, 928 Rz. 24; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 38.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
5.
Wahrung des Schriftformerfordernisses einer Befristung bei mehrteiligen Vertragsdokumenten
Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist gemäß § 125 S. 2 BGB nichtig, was im Falle einer rechtsunwirksamen Befristungsabrede nur wegen des Mangels der Schriftform dazu führt, dass der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt, aber vom Arbeitgeber unabhängig von einer Vereinbarung nach § 15 Abs. 3 TzBfG zu einem Zeitpunkt vor dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages ordentlich gekündigt werden kann (§ 16 S. 2 TzBfG)36. Dies gilt nach Ansicht des BAG gleichermaßen für das nicht hinreichend bestimmbar befristete Arbeitsverhältnis37. Haben die Arbeitsvertragsparteien vor Vertragsbeginn zunächst nur mündlich die Befristung des Arbeitsvertrags vereinbart, so entsteht bei Vertragsbeginn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Wird erst anschließend die schriftliche Niederlegung der Befristungsabrede vorgenommen, kann damit lediglich das unbefristet entstandene Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden, was jedoch eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes bedarf38. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Parteien tatsächlich die Umwandlung des unbefristeten in einen befristeten Arbeitsvertrag wollen oder lediglich beabsichtigen, die zuvor geschlossene mündliche Vereinbarung schriftlich zu fixieren. Genügt der Arbeitsvertrag den Voraussetzungen des § 126 BGB, ist auch das Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 TzBfG gewahrt. Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB). Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Dem Arbeitgeber bleibt es vorbehalten, den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Unterzeichnung der Vertragsurkunde abhängig zu machen, so dass der Arbeitnehmer ein ihm gegenüber abgegebenes schriftliches Vertragsangebot nur durch eine den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB genügenden Annahmeerklärung 36 BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 533/08, NZA 2009, 1260 Rz. 18. 37 BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 533/08, NZA 2009, 1260 Rz. 19. 38 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184 Rz. 12.
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Schriftformerfordernisses einer Befristung bei mehrteiligen Vertragsdokumenten
annehmen kann. Bringt der Arbeitgeber hinreichend deutlich gegenüber dem Arbeitnehmer zum Ausdruck, dass die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses abhängen soll, so kann vor Unterzeichnung der Vertragsurkunde nur ein faktisches Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande kommen, wenn der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt die Arbeit tatsächlich aufnimmt39. Unter welchen Voraussetzungen dem Schriftformerfordernis einer Befristung bei mehrteiligen Vertragsdokumenten genügt ist, war Gegenstand einer Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 4.11.201540. Nachdem mit der Beklagten der Abschluss eines Werkvertrags gescheitert war, erhielt der Kläger im Juni 2011 einen von der Beklagten unterschriebenen Anstellungsvertrag nebst vier Anlagen (Stellenbeschreibung, Zielvereinbarung, Datenschutz, Dienstwagenvereinbarung), von denen auch die Anlage 4 über eine Dienstwagenvereinbarung von den Geschäftsführern der Beklagten unterschrieben war. Der Anstellungsvertrag enthält eine Befristung bis zum 31.12.2012 und sollte am 1.7.2011 beginnen. In § 13 wird die Überlassung eines Dienstwagens vorgesehen, wobei die Einzelheiten in der Dienstwagenvereinbarung in der Anlage 4 geregelt sind. Der Kläger unterzeichnete den Anstellungsvertrag nicht, wohl aber mit Datum vom 6.6.2011 die Anlage 4 über die Dienstwagenvereinbarung. Das Jahresfixgehalt lag bei 175.000,- € brutto, das monatlich in Höhe von 14.583,33 € brutto ausgezahlt werden sollte. Mit Schreiben vom 28.6.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sein Arbeitsverhältnis nicht verlängern werde. Unter dem Betreff „Beendigung Dienstverhältnis“ erkundigte sich der Beklagte nach bestimmten Einzelheiten bezüglich der Vertragsabwicklung. Mit Schreiben vom 19.12.2012, das der Beklagten noch im Dezember 2012 zuging, bot der Kläger seine Arbeitsleistung für die Zeit nach Ablauf der Befristung an. Mit der am 10.1.2013 beim ArbG Essen eingereichten Entfristungsklage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend und verlangte im Verlaufe des Prozesses die Bezahlung seiner Vergütung für die Monate Januar und Februar 2013 in Höhe von 30.966,66 € abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 4.113,60 € sowie die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Nach Klageerhebung hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich am 30.3.2013 zum 30.9.2013 ordentlich gekündigt. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage ist vom ArbG Essen ausgesetzt worden. Das ArbG Essen hat die
39 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184 Rz. 14. 40 7 AZR 933/13 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Klage abgewiesen. Das LAG Düsseldorf der Klage entsprochen. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Das BAG geht davon aus, dass die Befristungskontrollklage begründet ist, weil ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis der Befristungsabrede aus § 14 Abs. 4 TzBfG vorliegt und damit gemäß § 16 S. 1 TzBfG ein unbefristeter Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Zweifelsfrei war der gesetzlichen Regelung des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nicht genügt, weil der die Befristungsabrede enthaltende Hauptvertrag der Parteien nur von den Geschäftsführern der Beklagten, nicht aber vom Kläger unterzeichnet worden war. Nur die Anlage 4 bezüglich der Dienstwagennutzung genügte dem Schriftformerfordernis, weil diese von beiden Seiten unterschrieben worden war. Es ging also darum, ob die Unterschriftsleistung unter dieser Urkunde das gesamte in mehreren Teilen bestehende Vertragswerk, insbesondere die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag, abdeckte. Nach der sogenannten Auflockerungsrechtsprechung ist bei mehreren Urkunden oder bei einer Urkunde, die aus mehreren Blättern besteht, nicht mehr erforderlich, dass sie mit einer Heftmaschine körperlich derart verbunden sind, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich ist. Vielmehr reicht es aus, dass sich die Einheitlichkeit der Urkunde aus anderen eindeutigen Merkmalen ergibt, die die Zusammengehörigkeit der einzelnen Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen41. Derartige Merkmale sind die fortlaufende Paginierung, die fortlaufende Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, die einheitliche grafische Gestaltung, der inhaltliche Zusammenhang des Textes oder vergleichbare Merkmale, aus denen sich die Einheit der Urkunde zweifelsfrei ergibt42. Im Streitfall hat das BAG diese Zusammengehörigkeit zwischen Arbeitsvertrag und der Anlage 4 zur Dienstwagennutzung verneint, weil die Dienstwagennutzungsregelung an das bestehende Arbeitsverhältnis und den geltenden Anstellungsvertrag anknüpfte. Das BAG hat in diesem Zusammenhang nicht genügen lassen, dass die im Hauptvertrag vorhandene Regelung zur PKWNutzung auf die entsprechende Anlage 4 verwies und diese wiederum auf den Hauptvertrag Bezug nahm, weil es sich dabei um unterschiedliche Ver41 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 20: Interessenausgleich mit Namensliste bei wechselseitiger Inbezugnahme; BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 40: Interessenausgleich mit Namensliste; BAG v. 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, NZA 2011, 413 Rz. 33 f.: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Vgl. auch BGH v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, NJW 1998, 58 Rz. 15 ff. 42 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 933/13 n. v. Rz. 18.
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träge handelte. Die Unterzeichnung der Dienstwagenvereinbarung (Anlage 4) war daher nicht geeignet, die formbedürftige Befristungsabrede des Hauptvertrags abzudecken. Das BAG hat es auch abgelehnt, die Berufung des Klägers auf die fehlende Schriftform der Befristungsabrede nach § 242 BGB aus Billigkeitsgründen als treuwidrig anzusehen, weil dies im Hinblick auf die Bedeutung des Formerfordernisses nur in besonderen Ausnahmefällen möglich ist. Davon könne allenfalls die Rede sein, wenn für den anderen Vertragsteil das Ergebnis schlechthin untragbar ist43. Ebenso wenig konnte die Beklagte nach Ansicht des BAG darauf vertrauen, dass der Kläger davon Abstand nahm, eine Entfristungsklage nach § 17 S. 1 TzBfG zu erheben, weil er, ohne die Frage der Wirksamkeit der Befristung zu problematisieren, den Vertrag tatsächlich erfüllt hatte. Dieser Bewertung ist vorbehaltlos beizutreten, weil der Vertrag im Übrigen – von der Befristungsabrede abgesehen – wirksam war und beide Seiten zur Erfüllung verpflichtete. Die mangelnde Schriftform führte lediglich nach § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit der Befristungsabrede, aber nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Anstellungsvertrags. Die Rechtslage wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn der ber - hier die Beklagte – den Abschluss des befristeten Vertrags von der Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch den Arbeitnehmer abhängig gemacht hat. Dann kann der Arbeitnehmer nur in der Form des § 126 Abs. 2 BGB das Vertragsangebot annehmen, wovon die Wirksamkeit des Zustandekommens des Arbeitsvertrags abhängt. Nimmt der Arbeitnehmer zuvor die Arbeit beim Arbeitgeber auf, entsteht zwischen den Parteien nur ein faktisches Arbeitsverhältnis, solange der Arbeitnehmer das schriftliche Angebot des Arbeitgebers noch nicht der Form des § 126 Abs. 2 BGB entsprechend unterzeichnet und angenommen hat. Diese Konsequenz hat das BAG in der Entscheidung vom 7.10.2015 auch unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 5 TzBfG bei der Verlängerung eines zuvor befristeten Vertrags gezogen44. In diesem Zusammenhang stellt das BAG klar, dass der Arbeitgeber das Zustandekommen des Vertrags zumindest in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsabschlusses gestellt haben muss. Insoweit gibt das BAG seine frühere Rechtsprechung auf, wonach für diesen Vorbehalt die Übersendung von zwei unterschriebenen Vertragsexemplaren an den Arbeitnehmer mit der hinzugefügten Bitte,
43 BGH v. 16.7.2004 – V ZR 222/03, NJW 2004, 3330 Rz. 13; BAG v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10, NZA 2011, 874 Rz. 18. 44 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, NZA 2016, 358 Rz. 20.
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ein Exemplar unterschrieben zurückzusenden, ausreichen sollte45. Der Arbeitgeber muss zukünftig hinzufügen, dass ohne Vorliegen eines vom Arbeitnehmer unterschriebenen Vertragsexemplars kein wirksamer Arbeitsvertrag zustande kommt. Da der Anstellungsvertrag der Parteien auch nicht durch die Beendigungsmitteilung der Beklagten zum 31.12.2012 beendet worden ist, weil dieser nicht die Qualität einer Kündigungserklärung, sondern einer schlichten Nichtverlängerungsmitteilung beizumessen ist, schuldete die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 S. 1 BGB) auch die Vergütung für Januar und Februar 2013 unter Abzug des Arbeitslosengeldes. Das BAG hat hierbei ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung (§ 295 BGB) zur Begründung des Annahmeverzugs ausreichen lassen, weil die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestritten haben und der Arbeitgeber mit dem Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses signalisiert, nach dessen Ablauf keine Arbeitsleistung mehr entgegenzunehmen. Dabei lässt das BAG für ein wörtliches Angebot genügen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert oder eine Befristungskontrollklage einreicht, wobei der Protest bereits vor dem Ablauf der Befristung bekundet werden kann46. In der Entscheidung vom 19.5.2010 hat der 5. Senat des BAG47 angenommen, dass ein wörtliches Angebot der Dienstleistung auch darin liegen kann, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zur Erfüllung seines Anstellungsvertrags auffordert oder eine Bestätigung seiner Freistellung verlangt oder eine Kündigungsschutzklage erhebt oder Zahlungsansprüche im Klageweg geltend macht. Schließlich stand dem Kläger nach Auffassung des BAG auch das verlangte Zwischenzeugnis zu, das der Arbeitgeber als vertragliche Nebenpflicht, nicht aber aus § 109 GewO, schuldet. Der Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses setzt dabei voraus, dass der Arbeitnehmer aus triftigem Grund darauf angewiesen ist. Ein insoweit ausreichender Grund liegt nach Ansicht des BAG48 vor, wenn der Arbeitnehmer das Zwischenzeugnis wegen der bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Bewerbungszwecken benötigt oder die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhält45 So ausdrücklich noch BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184 Rz. 14. 46 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 Rz. 13; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 Rz. 28 f.; BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 933/13 n. v. Rz. 34. 47 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 Rz. 13. 48 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 933/13 n. v. Rz. 39.
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nisses vor Gericht streiten. Letzteres traf im Streitfall zu, weil die Parteien noch über die Wirksamkeit der von der Beklagten zusätzlich ausgesprochenen Kündigung gestritten haben. Die Entscheidung des BAG ist in mehrfacher Hinsicht für die Praxis von Bedeutung, weil sie nicht nur die Frage der Einhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses bei mehrteiligen Vertragsdokumenten behandelt, sondern auch die bisherige Vorbehaltsrechtsprechung aufgibt, wonach ausreichen sollte, dass der Arbeitgeber einen von ihm unterzeichneten Arbeitsvertrag in doppelter Ausfertigung dem Arbeitnehmer mit der Bitte überließ, ein Exemplar unterschrieben zurückzugeben. Außerdem enthält die Entscheidung einen wichtigen Hinweis darauf, unter welchen Voraussetzungen dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen hin ein Zwischenzeugnis erteilt werden muss, das in § 109 GewO nicht vorgesehen wird. (Boe)
6.
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Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich ein Recht darauf, außerhalb der Arbeitszeit einer Nebentätigkeit nachzugehen. Insofern kann sich der Arbeitnehmer auf das Grundrecht der freien Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen49, soweit es sich um berufliche Nebentätigkeiten handelt, oder sich auf das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG50 beziehen, sofern es um nichtberufliche Nebentätigkeiten geht. Auch ohne eine einzelvertragliche oder kollektivvertragliche Beschränkung durch ein Nebentätigkeitsverbot, hat der Arbeitnehmer Nebentätigkeiten zu unterlassen, die mit seiner Arbeitspflicht kollidieren51 oder entgegenstehende Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers verletzen (§ 60 HGB, § 241 Abs. 2 BGB)52 oder sonst einen Interessenwiderstreit hervorrufen, der geeignet ist, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Loyalität und Integrität des Arbeit-
49 BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 Rz. 28; BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz. 21. 50 BAG v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41 Rz. 20; BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz. 21. 51 BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 357/01, DB 2002, 1560 Rz. 24 f.: Nebentätigkeit eines Krankenpflegers als Leichenbestatter. 52 BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 Rz. 15; BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, NZA 2013, 748 Rz. 14 ff.; BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429 Rz. 27 f.
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nehmers zu zerstören53. Einschränkungen einer Nebentätigkeit können sich auch daraus ergeben, dass sie während des Naturalurlaubs oder während einer Arbeitsunfähigkeit wahrgenommen werden54. Da Nebentätigkeiten nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten oder eingeschränkt sind, würde ein generelles Nebentätigkeitsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig unwirksam sein, weil hierfür ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers nicht auszumachen ist55. Kein generelles Nebentätigkeitsverbot stellt indes eine Klausel im Arbeitsvertrag dar, die einen Genehmigungsvorbehalt beinhaltet. Bei derartigem Befund soll die Nebentätigkeit der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers56 bedürfen und der Kontrolle dienen, ob sie mit berechtigten betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers kollidiert57. Verletzt der Arbeitnehmer die Anzeigepflicht, kann dies den Arbeitgeber zu einer Abmahnung berechtigen58. Die Ausübung einer unter Genehmigungsvorbehalt stehenden Nebentätigkeit trotz fehlender Erlaubnis des Arbeitgebers war Gegenstand einer Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 13.5.201559 im Zusammenhang mit einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG. Zum einen ging es darum, ob ein Betriebsratsmitglied seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, wenn es in Einigungsstellenverfahren anderer Betriebe des Arbeitgebers als Beisitzer mitwirkt und möglicherweise dafür vom Arbeitgeber eine Vergütung beansprucht. Des Weiteren war zu klären, ob die verweigerte Zustimmung des Arbeitgebers zu einer beantragten Nebentätigkeit den Arbeitnehmer daran hindert, dieser Tätigkeit nachzugehen, ohne zuvor eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Der Fall betrifft eine Arbeitgeberin, die ein Einzelhandelsunternehmen mit 390 Filialen in Deutschland betreibt. Der Beteiligte zu 3 ist Mitarbeiter im Verkauf mit einer Jahresarbeitszeit von 1.660 Stunden, die von der Arbeitgeberin variabel abgerufen wird. Außerdem sieht der Arbeitsvertrag vor, dass Nebentätigkeiten nur mit Zustimmung des Arbeitgebers ausgeübt wer53 BAG v. 13.3.2003 – 6 AZR 585/01, NZA 2003, 976 Rz. 24; BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz. 21. 54 Schaub/Linck ArbR-HdB Rz. 4 f. 55 Schaub/Linck ArbR-HdB Rz. 10. 56 Das BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 Rz. 20 f. hatte gegen eine entsprechende Klausel in einem Tarifvertrag keine Bedenken geäußert. 57 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 Rz. 20. 58 BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 Rz. 24. 59 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116.
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den können. Der Beteiligte zu 3 ist Vorsitzender des Betriebsrats in einer Filiale des Arbeitgebers. Er gehört dem Gesamtbetriebsrat, Wirtschaftsausschuss und dem europäischen Betriebsrat an. Er teilte dem Arbeitgeber im Oktober 2012 unter dem Briefkopf „Komparative Betriebsratsberatung“ mit, am 9.11.2012 als Beisitzer einer Einigungsstelle für den Betrieb der Arbeitgeberin A tätig zu werden und erbat vorsorglich das Einverständnis. Für eine zuvor in der Filiale in S bis Januar 2012 als Beisitzer ausgeübte Tätigkeit beanspruchte er ein Honorar in Höhe von 9.163,- €, das die Arbeitgeberin nicht zahlte. Obwohl die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Teilnahme an der Einigungsstelle am 9.11.2012 mit Schreiben vom 7.11.2012 unter Androhung einer fristlosen Kündigung verweigerte, nahm der Beteiligte zu 3 als Beisitzer zwar nicht am 9.11.2012, aber am 18.12.2012 an der Sitzung teil. Der Beteiligte zu 3 wurde außerdem als Mitglied von Einigungsstellen in Filialen der Arbeitgeberin in W und He benannt. Die Arbeitgeberin bat mit Schreiben vom 20.12.2012 den Betriebsrat, den Beteiligten zu 2, um Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3, die dieser verweigerte, worauf die Arbeitgeberin am 28.12.2012 beim ArbG Trier das Zustimmungsersetzungsverfahren einleitete. Während des gerichtlichen Verfahrens nahm der Beteiligte zu 3 im Februar 2013 an zwei Sitzungen der Einigungsstelle in A und an einer Sitzung der Einigungsstelle in W teil. Anfang März 2013 nannte er der Arbeitgeberin weitere Termine für Sitzungen der Einigungsstellen in A, He und W. Gleichzeitig teilte er mit, die Termine zwar wahrnehmen zu wollen, nicht jedoch im Rahmen seiner ursprünglich geplanten Nebentätigkeit als „komparativer Betriebsratsberater“. Anfang April 2013 tagte die Einigungsstelle in W erneut unter seiner Beteiligung. Mit Schreiben vom 15.4.2013 stellte ihn die Arbeitgeberin für die Zukunft von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Anfang Mai 2013 nannte der Beteiligte zu 3 der Arbeitgeberin weitere Sitzungstermine der Einigungsstellen in He und W. Er werde auch diese nicht in seiner Eigenschaft als „komparativer Betriebsratsberater“ wahrnehmen. Die Arbeitgeberin untersagte ihm die Teilnahme. Die Sitzung der Einigungsstelle in He wurde vertagt, die Sitzung in W fand mit ihm statt. Anfang Juni 2013 übermittelte der Beteiligte zu 3 dem im Urlaub befindlichen „StoreManager“ der Filiale in T eine E-Mail, in der er mitteilte, er werde am 7.6.2013 erneut an einer Sitzung der Einigungsstelle in W teilnehmen, wiederum aber nicht in seiner Eigenschaft als „komparativer Betriebsratsberater“. Der Beteiligte zu 3 war an keinem der Tage, an denen er an Einigungsstellensitzungen teilnahm, zur Arbeit verpflichtet. Im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Beisitzer der Einigungsstellen in A, W und He kam es 77
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über Fragen seines Personaleinsatzes zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den örtlichen Betriebsräten und der Arbeitgeberin, zum Teil unter seiner Beteiligung. Zwischen dem Beteiligten zu 3 und der Arbeitgeberin sind außerdem eine Klage auf Reduzierung und Verteilung seiner Arbeitszeit sowie eine Klage auf Zustimmung zu einer Nebentätigkeit als „Betriebsratsberater“ anhängig bzw. anhängig gewesen. Die Arbeitgeberin hat beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung auch im Hinblick auf die Beteiligung an den Sitzungen der Einigungsstellen seit Februar 2013 beantragt. Der Betriebsrat hielt an seiner Verweigerung fest oder hat nicht reagiert. Die Arbeitgeberin hat ihren Antrag auf Zustimmungsersetzung ergänzend auf diese Sachverhalte gestützt. Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Das BAG hat den Zustimmungsersetzungsantrag zurückgewiesen, weil das Verhalten des Beteiligten zu 3 keinen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses darstellte. Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG i. V. m. § 15 KSchG ist die verweigerte Zustimmung zu ersetzen, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB voraus, der sich wegen § 23 BetrVG als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen muss60. Im Streitfall ging es darum, ob der Beteiligte zu 3 mit der Annahme der Bestellung als Beisitzer von Einigungsstellen anderer Betriebe und der Teilnahme an den Sitzungen dieser Einigungsstellen gegen das vertragliche Genehmigungsverbot verstoßen oder seine Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin in erheblichem Maße verletzt hatte. Zunächst geht das BAG davon aus, dass der vertragliche Genehmigungsvorbehalt der Arbeitgeberin wirksam ist, jedoch der Beteiligte zu 3 einen Anspruch darauf hatte, ihm die Tätigkeiten als Beisitzer der fraglichen Einigungsstellen zu gestatten, weil damit keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Arbeitgeberin verbunden waren. Der Beteiligte zu 3 habe auch nicht die von ihm ausgeübten Tätigkeiten als Beisitzer zurückstellen müssen, bis eine gerichtliche Klärung vorgelegen habe. Dabei verneint das BAG bei dem Beteiligten zu 3 eine gewerbsmäßige Teilnahme an Einigungsstellen, weil eine über die gelegentliche Annahme solcher Bestellungen hin60 BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425 Rz. 34; BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 989/11, NZA 2013, 143 Rz. 39.
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ausgehende, einem bestimmten Geschäftsmodell folgende und dauerhaft auf Gewinnerzielung angelegte Betätigung nicht zu erkennen gewesen sei. Soweit es um die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten des Beteiligten zu 3 als Beisitzer von Einigungsstellen anderer Betriebe geht, sieht das BAG darin weder eine Verletzung seiner Arbeitspflicht noch eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Arbeitgeberin. So habe es keinerlei Probleme bei der Personaleinsatzplanung des Beteiligten zu 3 gegeben, weil dieser die Termine in den Einigungsstellen außerhalb seiner Arbeitszeit wahrgenommen habe und der Arbeitgeberin auch möglich gewesen sei, den Beteiligten zu 3 an den Tagen der von ihm angezeigten Einigungsstellensitzungen nicht zur Arbeit einzuteilen. Durch die Mitwirkung an den Einigungsstellenverfahren als Beisitzer verletzt der Beteiligte zu 3 nach Ansicht des BAG auch keine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin gemäß § 241 Abs. 2 BGB, weil er in der Eigenschaft als vom Betriebsrat bestellter Beisitzer die Interessen der Arbeitnehmer aufgrund der ihm vom Gesetz zugewiesenen Rolle vertritt und überdies nach § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG verpflichtet ist, seine Entscheidung unter angemessener Berücksichtigung nicht nur der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch der betrieblichen Belange der Arbeitgeberin und nach billigem Ermessen zu treffen. Dabei geht das BAG davon aus, dass die von den jeweiligen Betriebsparteien bestellten Beisitzer weder deren Vertreter noch ihr verlängerter Arm sind, sondern an dem Verfahren der Einigungsstelle frei von Weisungen und mit einer gewissen inneren Unabhängigkeit mitwirken61. Diese Aussage relativiert das BAG indes mit dem Hinweis, dass die Nähe der Beisitzer zu derjenigen Betriebspartei, die sie bestellt hat, nicht zu verkennen und auch vom Gesetz gewollt sei. Der letztere Gesichtspunkt dürfte regelmäßig jedenfalls in der Praxis der Einigungsstellenverfahren weitgehend im Vordergrund stehen. Das BAG hat auch nichts dagegen zu erinnern, dass der Beteiligte zu 3 als Beisitzer von Einigungsstellen anderer Betriebe der Arbeitgeberin bestellt worden ist, weil es dem Betriebsrat freisteht, auch betriebsexterne Beisitzer zu benennen, wenn diese nicht offensichtlich ungeeignet sind62. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann es nicht überraschen, dass das BAG auch keinen Konflikt mit den arbeitsvertraglichen Pflichten an-
61 BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 64/12, NZA 2014, 1349 Rz. 22; BAG v. 15.5.2001 – 1 ABR 39/00, NZA 2001, 1154 Rz. 36. 62 BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 64/12, NZA 2014, 1349 Rz. 23; BAG v. 28.5.2014 – 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 Rz. 36.
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nimmt, wenn der Beteiligte zu 3 für die Amtsausübung – anders als für die Teilnahme an einer Einigungsstelle im eigenen Betrieb (§ 76 a Abs. 2 BetrVG) – gemäß § 76 a Abs. 3 BetrVG die Zahlung eines Honorars von der Arbeitgeberin beansprucht. Die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers durch Honoraransprüche externer Beisitzer ist nach § 76 a Abs. 3 BetrVG dem Einigungsstellenverfahren immanent und konfligiert bei einem betriebsfremden unternehmensangehörigen Beisitzer, der zugleich Mitglied des Betriebsrats eines unternehmenszugehörigen Betriebs ist, auch nicht mit dem Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG, weil darin eine vom Gesetz abgedeckte und gebilligte Ungleichbehandlung vorliegt. Allerdings lässt das BAG unentschieden, wie ein Ringtausch zu beurteilen wäre, bei dem die Betriebsräte ihre Mitglieder wechselseitig zu Einigungsstellenbeisitzern bestellen, um ihnen Honoraransprüche gegen den Arbeitgeber zu verschaffen. Anschließend beschäftigt sich das BAG mit der Frage, ob der Beteiligte zu 3 die von ihm ausgeübten Tätigkeiten als Beisitzer von Einigungsstellen bis zu einer gerichtlichen Klärung ihrer Vereinbarkeit mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten zurückstellen musste. Damit ging es um die Frage, wie die Vereinbarung eines Erlaubnisvorbehalts für Nebentätigkeiten zu beurteilen war. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung63 geht das BAG davon aus, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zustimmung des Arbeitgebers hat, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt. Damit entfällt jedweder Ermessensspielraum des Arbeitgebers hinsichtlich seiner Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis, so dass der Erlaubnisvorbehalt den Arbeitgeber durch die Anzeige beabsichtigter Nebentätigkeiten vor allem in die Lage versetzen soll, vor deren Aufnahme zu prüfen, ob durch sie betriebliche Belange beeinträchtigt werden. Hat aber ein Arbeitnehmer bei objektiver Betrachtung einen Anspruch auf die Erlaubnis der Nebentätigkeit, schlussfolgert das BAG daraus konsequent, dass ein Arbeitnehmer, der mit der Ausübung einer rechtmäßigen Nebentätigkeit nicht bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung zuwartet, unter Berücksichtigung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG nicht pflichtwidrig handelt. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung des BAG unter zwei Aspekten von besonderer Bedeutung. Zunächst kann sich der Arbeitnehmer über den Genehmigungsvorbehalt einer Nebentätigkeit trotz erklärter Verweigerung des Arbeitgebers einfach hinwegsetzen, ohne zuvor die Geneh63 BAG v. 13.3.2003 – 6 AZR 585/01, NZA 2003, 976 Rz. 21; BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 33/01, ZTR 2002, 429 Rz. 28; BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 Rz. 28.
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Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice
migung der Nebentätigkeit gerichtlich durchsetzen zu müssen. Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn der Arbeitgeber nach der objektiven Rechtslage die Nebentätigkeitsgenehmigung erteilen müsste. Des Weiteren öffnet das BAG für Betriebsratsmitglieder die Tür, als Beisitzer von Einigungsstellen in anderen Betrieben des Arbeitgebers mit Honoraranspruch gegenüber dem Arbeitgeber tätig werden zu dürfen, ohne dass dies einen Verstoß gegen § 78 BetrVG darstellt. Dies gilt zumindest dann, wenn die Wahrnehmung derartiger Beisitzertätigkeiten nicht gewerbsmäßig, sondern gelegentlich stattfindet. (Boe)
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Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice
Eine gesetzliche Regelung über einen Anspruch von Arbeitnehmern auf die Arbeit im Homeoffice gibt es nicht. Allerdings überlegt das BMAS, entsprechende Initiativen zu starten64. Bis dahin kommt ein entsprechender Anspruch deshalb nur auf der Grundlage individual- oder kollektivvertraglicher Regelungen in Betracht. Im Mittelpunkt stehen dabei typischerweise Vereinbarungen, die zuletzt auf der Ebene von Betriebsvereinbarungen zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort in verschiedenen Unternehmen getroffen wurden. Gegenstand eines Urteils des LAG Köln vom 6.7.201565 war nun die Frage, ob sich ein individualrechtlicher Anspruch der Klägerin auf die (weitere) Arbeit im Homeoffice auch daraus ergeben konnte, dass ihr in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg durch den Arbeitgeber eine entsprechende Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice eingeräumt worden war. Nach ihrem eigenen Vortrag hatten die Parteien darüber zwar keine ausdrückliche Vereinbarung abgeschlossen. Nach ihrer Auffassung war es dem Arbeitgeber indes verwehrt, sie aufzufordern, ihre Tätigkeit (wieder) im Betrieb zu verrichten, nachdem sie im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber zuletzt nur im Homeoffice tätig war. Zu Recht hat das LAG Köln bei seiner klageabweisenden Entscheidung auf § 106 S. 1 GewO verwiesen. Danach kann der Arbeitgeber den Arbeitsort nach billigem Ermessen bestimmen, wenn hierzu keine abweichende arbeitsvertragliche Regelung getroffen wurde. Ausgehend davon, dass der Arbeitsvertrag selbst keine Festlegungen des Arbeitsortes enthielt, war damit maßgeblich, ob in den Absprachen zur Tätigkeit im Homeoffice eine ergänzende Vereinbarung zum Arbeitsvertrag
64 B. Gaul, AktuellAR 2016, 29, 30 ff. 65 5 SaGa 6/15 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
zu sehen war, nach der die Klägerin nur noch im Homeoffice tätig werden musste. Eine solche Vereinbarung hat das LAG Köln nicht gesehen. Insbesondere habe die Klägerin nicht dargelegt, dass der Arbeitgeber mit seinem Einverständnis zur Arbeit im Homeoffice auch den rechtsverbindlichen Willen zum Ausdruck gebracht habe, auf die gesetzliche Befugnis zur einseitigen Festlegung des Arbeitsorts zu verzichten. Da es sich bei einer solchen Vereinbarung um eine Änderung des Arbeitsvertrags gehandelt hätte, war die Klägerin gehalten, das Vorliegen und den Inhalt einer solchen Vereinbarung darzulegen und ggf. zu beweisen. Damit war lediglich zu prüfen, ob die Weisung des Arbeitgebers, wieder im Betrieb tätig zu werden, billigem Ermessen entsprach. Hiervon ist das BAG unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ausgegangen. Denn es war nach seinen Feststellungen sinnvoll und auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin nicht unangemessen, sie aufzufordern, die vertraglich geschuldete Tätigkeit (wieder) am Betriebssitz zu verrichten. Wegen der Besonderheiten, die mit jeder Fallgestaltung verbunden sind, mag diese Entscheidung nicht verallgemeinerungsfähig sein. Dennoch aber ist es in der betrieblichen Praxis ohne weiteres denkbar, dass Vereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Arbeit im Homeoffice zu einem späteren Zeitpunkt zu vergleichbaren Diskussionen führen. Empfehlenswert ist es daher, solche Absprachen mit einer (schriftlichen) Klarstellung zu verknüpfen, dass darin keine Änderung des Arbeitsvertrags und des darin typischerweise enthaltenen Rechts des Arbeitgebers zu sehen ist, den Arbeitnehmer nach billigem Ermessen auch zur (weiteren) Arbeit im Betrieb aufzufordern. Unabhängig davon dürfte es geboten sein, entsprechende Regelungen zum Homeoffice mit weitergehenden Vorgaben zum Datenschutz, zum Arbeitsschutz und zum Arbeitszeitrecht zu verknüpfen. Entsprechendes gilt dann, wenn anstelle eines Homeoffices mobile Arbeitsplätze in Rede stehen. (Ga)
8.
Elektronische Korrespondenz durch Email und Messenger als Bestandteil der Privatsphäre
In seinem Urteil vom 12.1.201666 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) deutlich gemacht, dass Art. 8 Abs. 1 der Europäischen 66 61496/08, DÖV 2016, 350 – Bӑrbulescu.
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Elektronische Korrespondenz durch Email und Messenger als Bestandteil der Privatsphäre
Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht nur das Postgeheimnis schützt, wenn Korrespondenz durch Brief oder E-Mail geführt wird. Nach seiner Auffassung erfasst der durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Schutz auf Achtung der Korrespondenz jeder Person auch Kommunikation, die durch einen Messenger-Dienst (hier: Yahoo) erfolgt. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers ein Yahoo-Messenger-Konto eröffnet, um darüber dienstliche Kommunikation zu führen. Als er im Juli 2007 durch den Arbeitgeber informiert wurde, dass es entsprechende Verbindungsnachweise gäbe, nach denen der Messenger-Dienst auch zu Privatzwecken verwendet würde, was untersagt war, ist dies durch den Arbeitnehmer verneint worden. Der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer das Gegenteil durch Vorlage der gesamten Kommunikation aufzeigen konnte, entschloss sich daraufhin, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Kündigung war nach Auffassung der rumänischen Arbeitsgerichtsbarkeit wirksam. In seiner beim EGMR eingereichten Klage machte der Arbeitnehmer nunmehr geltend, dass die rumänischen Arbeitsgerichte bei ihrer Entscheidung der Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht gerecht geworden seien. Denn dieser verbiete jedwede Auswertung einer Privatnutzung auch solcher (elektronischen) Kommunikationsmittel, die auf Veranlassung des Arbeitgebers genutzt würden. Der EGMR ist diesen Ausführungen zwar insoweit gefolgt, als er einen Schutz der Messenger-Korrespondenz durch Art. 8 Abs. 1 EMRK für geboten gehalten hat. Denn auch bei dieser Form der Kommunikation bestehe für alle Beteiligten die Erwartung, dass der Gedankenaustausch vertraulich erfolge. Dies gelte umso mehr, wenn in diesem Zusammenhang private Nachrichten über eine Beziehung, die Gesundheit oder den Arbeitgeber ausgetauscht würden. Ungeachtet dessen sei nicht jede Beeinträchtigung der Privatsphäre durch Auswertung eines entsprechenden Accounts unzulässig. Vielmehr bedürfe es einer Interessenabwägung, die den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung trüge. Vorliegend sei dabei nicht nur zu berücksichtigen, dass die Nutzung des Kommunikationsmittels auf Veranlassung des Arbeitgebers ausschließlich zu dienstlichen Zwecken erfolgen sollte. Dass gleichwohl auch eine private Nutzung erfolgt war, durfte arbeitgeberseitig festgestellt und zum Anlass einer Kündigung genommen werden. Denn es spielte – so der EGMR – bei der diesbezüglichen Bewertung keine Rolle, welchen Inhalt die Privatkorrespondenz hatte. Entscheidend für die arbeitsrechtliche Bewertung war
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
lediglich, dass überhaupt – entgegen der arbeitgeberseitigen Vorgabe – der dienstliche Account auch zu privaten Zwecken genutzt wurde. Lässt man die nachfolgend behandelte Diskussion über eine Anwendbarkeit der Regelungen des TKK einmal unberücksichtigt, die ohnehin nur bei erlaubter Privatnutzung relevant wird, dürfte dieses Ergebnis auch bei einer Interessenabwägung im Rahmen von § 32 Abs. 1 BDSG erzielt werden. Denn auch hier kommt es darauf an, ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers anzunehmen, wenn dieser auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte für einen konkreten Missbrauch der dienstlichen Kommunikationsmittel eine offene oder verdeckte Überprüfung veranlasst. (Ga)
9.
Auswertungsmöglichkeit des Arbeitgebers bei erlaubter Privatnutzung von E-Mail und Internet
Abweichend von der „bloßen“ Interessenabwägung gemäß § 32 Abs. 1 BDSG, die bei der arbeitgeberseitigen Auswertung eines nur zur dienstlichen Nutzung überlassenen E-Mail- und Internet-Accounts greift, stehen bei vergleichbaren Fragen einer arbeitgeberseitigen Telekommunikationseinrichtung, die Arbeitnehmern auch zur privaten Nutzung überlassen wurde, auch die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in Rede. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob und inwieweit § 88 TKG dem Arbeitgeber verbietet, ohne eine gesonderte Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers den Verlauf und den Inhalt der Nutzung des jeweiligen Accounts zu überprüfen.
a)
Weites Verständnis von § 88 TKG
Nach § 88 Abs. 1 TKG unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war, dem Fernmeldegeheimnis. Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist jeder Diensteanbieter verpflichtet. Diese Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist (§ 88 Abs. 2 TKG). Besondere Bedeutung hat dabei der Umstand, dass es dem Diensteanbieter nach § 88 Abs. 3 TKG untersagt ist, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist danach nur zulässig, soweit das TKG oder
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Auswertungsmöglichkeit des Arbeitgebers bei erlaubter Privatnutzung von E-Mail
eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. Auf der Grundlage eines weiten Verständnisses der telekommunikationsrechtlichen Kennzeichnung eines Diensteanbieters wird in der Literatur davon ausgegangen, dass auch der Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern, denen er die Privatnutzung von Internet und E-Mail gestattet hat, an diese Schranken aus § 88 TKG gebunden ist67. Dieser Auffassung hatte sich auch die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode angeschlossen, als sie eine Ergänzung der Regelungen des BDSG zur Gewährleistung des Beschäftigtendatenschutzes vorgeschlagen hatte. Wörtlich führte sie insoweit zur Begründung ihres Vorschlags zum Umgang mit arbeitgeberseitig gestellten Telekommunikationseinrichtungen wie folgt aus: Die private Nutzung von dienstlich zur Verfügung gestellten Telekommunikationsmitteln ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Insofern verbleibt es bei der geltenden Rechtslage. Nach geltender Rechtslage wird ein Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten die private Nutzung von dienstlich zur Verfügung gestellten Telekommunikationsdiensten erlaubt, als Diensteanbieter im Sinne von § 3 Nummer 6 TKG angesehen. Für ihn gelten deshalb das Fernmeldegeheimnis und die Vorschriften des § 88 ff. TKG, die gemäß § 1 Absatz 3 BDSG den Regelungen des BDSG vorgehen. Sofern die private Nutzung von Telekommunikationsmitteln durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen geregelt werden soll, handelt es sich daher thematisch um einen Gegenstand des TKG und nicht des BDSG; § 32 l Absatz 5 steht dem nicht entgegen.68
b)
Abweichende Sichtweise der Landesarbeitsgerichte
Mit überzeugender Begründung hat das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 14.1.201669 nunmehr eine hiervon abweichende Auffassung vertreten. Danach kommt § 88 TKG gar nicht zur Anwendung, auch wenn durch den Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von E-Mail und Internet erlaubt wird. Das LAG Berlin-Brandenburg schließt sich damit vorangehenden Entscheidungen einzelner Landesarbeitsgerichte an70. 67 So Gola/Jaspers, BDSG, 2012 § 32 Rz. 18; Rudlowski, ZfA 2011, 287, 292; Säcker/Klesczewski, TKG § 88 Rz. 13, 19; Schmidt, BB 2009, 1295, 1297. 68 BT-Drucks. 17/4230 S. 43. 69 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 Rz. 116. 70 LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10, NZA-RR 2011, 342 Rz. 36; LAG Niedersachsen v. 31.5.2010 – 12 Sa 875/09, NZA-RR 2010, 406 Rz. 46.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
In dem der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 14.1.201671 zugrunde liegenden Fall ging es um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die der Arbeitgeber wegen einer exzessiven Privatnutzung des dienstlichen Internetanschlusses ausgesprochen hatte. In concreto standen knapp 40 Stunden der Privatnutzung innerhalb eines Zeitraums von 30 Arbeitstagen in Rede, die der Arbeitnehmer ausweislich der auf dem Server der Beklagten gespeicherten Daten auf verschiedenen Webseiten verbracht hatte. Der Arbeitnehmer wehrte sich nicht nur auf materiell-rechtlicher Ebene gegen die Kündigung. Er machte zusätzlich geltend, dass eine prozessuale Verwertung der auf dem Server gespeicherten Verbindungsdaten bereits wegen § 88 TKG nicht zulässig sei. Das LAG Berlin-Brandenburg ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Nach seinen Feststellungen war der Arbeitgeber bereits kein Diensteanbieter i. S. d. § 3 Ziff. 6 TKG. Danach ist Diensteanbieter jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich gestattet, die im Übrigen zu anderen (dienstlichen) Zwecken genutzten Telekommunikationseinrichtungen auch privat nutzen zu dürfen72. Denn es fehle an einem nachhaltigen Angebot von Telekommunikation für Dritte, die mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolge. Dass aber sei nach § 3 Nr. 10 TKG notwendig, um eine Kennzeichnung als Diensteanbieter vornehmen zu können73. Darüber hinaus müsse man den Arbeitnehmer der Sphäre des Arbeitgebers zuordnen, so dass er auch nicht als ein „Dritter“ im Zusammenhang mit der Erbringung von Telekommunikationsdiensten gekennzeichnet werden könne74. Unabhängig von dieser generellen Ablehnung einer Anwendbarkeit von § 88 TKG hat das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 14.1.201675 in Übereinstimmung mit einem früheren Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 16.2.201176 deutlich gemacht, dass § 88 TKG das Fernmeldegeheimnis i. S. d. Art. 10 Abs. 1 GG schütze, also die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs. Dieser Grundrechtsschutz erstrecke sich nicht auf die außer71 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 ff. 72 LAG Berlin-Brandenburg v. 14.1.2016 – 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 Rz. 116; LAG Niedersachsen v. 31.5.2010 – 12 Sa 875/09, NZA-RR 2010, 406 Rz. 36. 73 Ebenso LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 4 Sa 2133/10, NZA-RR 2011, 342 Rz. 37. 74 LAG Berlin-Brandenburg v. 14.1.2016 – 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 Rz. 116. 75 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 Rz. 116. 76 4 Sa 2132/10, NZA-RR 2011, 342 Rz. 39 f.
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Auswertungsmöglichkeit des Arbeitgebers bei erlaubter Privatnutzung von E-Mail
halb eines laufenden Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses ende insoweit in dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet sei77. Nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherte Verbindungsdaten würden deshalb nicht durch § 88 TKG geschützt78. Hiervon ist spätestens dann auszugehen, wenn die E-Mail für den Arbeitnehmer verfügbar ist, also von ihm durch Anwendung des entsprechenden Programms auch abgerufen werden kann. Nicht notwendig ist, dass das Abrufen als Vorgang bereits erfolgt ist79. Wenn man dieser Sichtweise folgt, stehen die Regelungen des TKG einer Auswertung auch solcher Verbindungsdaten und Inhalte nicht entgegen, die Telekommunikationseinrichtungen des Arbeitgebers betreffen, bei denen den Arbeitnehmer auch eine Privatnutzung erlaubt wurde. Allerdings ist auch diese Auswertung nicht schrankenlos zulässig. Vielmehr gebietet bereits das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, dass die Auswertung zur Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers auch angemessen ist. Dabei geht es allerdings nicht nur um Missbrauchsfälle, deren weitere Verfolgung an das Vorliegen konkreter Tatsachen als Verdachtsmomente geknüpft ist. Hier kann es dann um die Verwertung entsprechender Erkenntnisse zur Begründung einer Kündigung gehen80. Eine entsprechende Auswertung kann beispielsweise auch dann in Betracht kommen, wenn eine Verwertung dieser Daten durch den Arbeitnehmer als Folge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen ist81.
c)
Fazit
Auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des TKG sprechen die besseren Gründe für die einschränkende Interpretation, wie sie in den aktuellen 77 BVerfG v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07, NJW 2008, 882 Rz. 185. 78 BVerfG v. 3.3.2006 – 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 Rz. 73; LAG BerlinBrandenburg v. 14.1.2016 – 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 Rz. 116; LAG BerlinBrandenburg v. 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10, NZA-RR, 342 Rz. 39 f.; VGH Kassel v. 19.5.2009 – 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470. 79 Ebenso Spindler/Schuster/Eckhardt, § 88 TKG Rz. 32; Plath/Jenny, § 88 TKG Rz. 8. 80 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 14.1.2016 – 5 Sa 657/15, BB 2016, 891 ff.; LAG Niedersachsen v. 31.5.2010 – 12 Sa 875/09, NZA-RR 2010, 406 ff. 81 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10, NZA-RR, 342 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte erkennbar wird. Dies erlaubt in den Grenzen von § 32 BDSG die entsprechende Auswertung der arbeitgeberseitigen Telekommunikationseinrichtung. Selbst wenn man aber der hiervon abweichenden Auffassung folgen sollte, ist zu berücksichtigen, dass die Unzulässigkeit der Datengewinnung nicht notwendigerweise auch ein Verbot der Datenverwertung im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zur Folge hat. Vielmehr ist jeweils einzelfallbezogen zu überprüfen, ob das Ziel einer gerichtlichen Entscheidung, die den tatsächlichen Gegebenheiten umfassend Rechnung tragen kann, die mit der Auswertung auch der Privatnutzung verbundene Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigt. Im Zweifel kommt es dabei – vergleichbar mit den Überlegungen des EGMR in seinem Urteil vom 12.1.201682, auf das wir an anderer Stelle hingewiesen haben83 – darauf an, ob die prozessuale Auswertung allein den Umstand der Privatnutzung oder auch die Inhalte dieser Privatnutzung berücksichtigt. Losgelöst davon ist zu empfehlen, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen über die Nutzung entsprechender Telekommunikationseinrichtungen und/oder durch individuelle Einwilligungserklärungen sicherzustellen, dass jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen eine entsprechende Auswertung auch der Verbindungsdaten und Inhalte entsprechender Telekommunikationseinrichtungen erfolgen kann. Eine solche Handlungsoption muss der Arbeitgeber bereits aus Compliance-Gesichtspunkten sicherstellen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Verletzung von Rechtspflichten im Unternehmen weder bekannt, noch für die Zukunft ausgeschlossen werden kann. Einwilligung und Betriebsvereinbarung sind auch unter Berücksichtigung der Veränderungen durch die Datenschutz-Grundverordnung weiterhin geeignete Rechtsgrundlagen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zur E-Mail und Internetnutzung84. (Ga)
10. Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers Nach § 619 a BGB trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Arbeitnehmer vorwerfbar (fahrlässig oder vorsätzlich) seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig ist. Die ausschließlich für das Arbeitsrecht geltende 82 61496/08, DÖV 2016, 350 - Bӑrbulescu. 83 B. Gaul, AktuellAR 2016, 82 ff. 84 B. Gaul, AktuellAR 2016, 34 f.
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Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
Vorschrift ist durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.200185 in das BGB aufgenommen worden86. Sie belastet abweichend von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB den Arbeitgeber mit der Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die das Verschulden des Arbeitnehmers und den Grad des Verschuldens belegen sollen. Da § 619a BGB auf § 280 Abs. 1 BGB verweist, betrifft die Beweislastregelung nur Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, die sich unter § 280 BGB subsumieren lassen87. Aus der Genese des § 619 a BGB ist zu entnehmen, dass die für den Arbeitnehmer günstige Beweislastverteilung in Fällen gelten soll, die von der privilegierten Arbeitnehmerhaftung betroffen sind88. Es muss sich daher um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit des Arbeitnehmers handeln89. Darunter fallen solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet des Beschäftigten gehören, ausreichend ist, wenn er im wohl verstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird. Das Handeln ist betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte90. In diesen Fällen tritt nicht nur eine Umkehr der Beweislast für das Verschulden und den Grad des Verschuldens ein, sondern auch eine Einschränkung der Haftung des Arbeitnehmers. Nach den vom GS des BAG91 entwickelten Grundsätzen hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tra-
85 BGBl. I 2001, 3138. 86 Vgl. auch die Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 9.10.2001: BT-Drucks. 14/7052, 64, 204. 87 BAG v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05, NZA 2007, 462 Rz. 14: Das gilt grundsätzlich für sämtliche Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers. Ausführlich dazu ErfK/Preis, BGB § 619 a Rz. 2, 4 m. w. N. 88 So bereits ErfK/Preis, BGB § 619 a Rz. 3. 89 BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rz. 14; BAG GS v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 Rz. 42. 90 So BAG v. 19.3.2015 – 8 AZR 67/14, NZA 2015, 1057 Rz. 20 f.; BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rz. 14. 91 BAG GS v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 Rz. 12.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
gen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen92. In einer neueren Entscheidung vom 21.5.2015 musste der 8. Senat des BAG93 bei einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer das Verhältnis des mitwirkenden Verschuldens zur Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers klären. Der Fall betrifft einen Arbeitgeber, der in Höhe von 23.281,71 € Schadensersatz von seinem Arbeitnehmer beansprucht hat. Der beklagte Arbeitnehmer war seit 2001 gegen ein Monatsbruttoentgelt von ca. 4.500,- € bei der Beklagten als Sachbearbeiter im Bereich der Arbeitsvorbereitung tätig. Der Arbeitgeber produziert Autoteile und lässt diese teilweise nach entsprechenden Arbeitsplänen durch Heimarbeit fertigen. Dem Arbeitnehmer oblag für den Bereich der Heimarbeit die jeweils tatsächlich erforderliche Arbeitszeit nach arbeitswissenschaftlichen Methoden zu erfassen und für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Heimarbeiterinnen freizugeben. Bereits im Jahre 2007 gab es im November und Dezember gegenüber dem Arbeitnehmer durch seinen Vorgesetzten Beanstandungen wegen der Rückstände von abzuarbeitenden Vorgabezeiten. Ab Februar 2009 wurde der Kläger in mehreren Gesprächen auf fehlende und fehlerhafte Zeitvorgabeänderungen angesprochen und dieses Verhalten durch Abmahnung gerügt. Mit Schreiben vom 20.10.2009 hörte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer zu dem Vorwurf an, er habe Vorgabezeiten zu hoch angesetzt. Der hier vorliegende Rechtsstreit betraf zwei Arbeitgeberkündigungen, die rechtskräftig zugunsten des Arbeitnehmers entschieden worden sind. Im Wege der Widerklage hat die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Höhe von 23.281,71 € in Anspruch genommen und diesen mit überhöhte Personalkosten von 11.662,89 € und weiteren Kosten in Höhe von 11.618,82 € für die unnötige Anschaffung von zehn Maschinen begründet. Das LAG Bremen hat der Schadensersatzklage bezüglich der Personalkosten in Höhe von 11.662,89 € entsprochen und die Klage hinsichtlich der Maschinenkosten abgewiesen. Das BAG hat die Abweisung der Maschinenkosten bestätigt und wegen der Personalkosten den Rechtsstreit zurückverwiesen. Da die vom Arbeitgeber behauptete Schlechtleistung des Arbeitnehmers betrieblich veranlasst war, geht das BAG in Anwendung von § 619 a BGB davon aus, dass der Arbeitgeber für die als Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB geltend gemachten Personalkosten von 11.662,89 € die haftungsbegründenden Voraussetzungen, d. h. die Pflichtverletzung, aber auch 92 BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rz. 17. 93 8 AZR 116/14 und 8 AZR 867/13, NZA 2015, 1517.
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Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
das Verschulden des Arbeitnehmers, darlegen und beweisen muss. Dies war dem Arbeitgeber gelungen, weil der Arbeitnehmer teilweise kalkulatorische Werte und teilweise veraltete Werte beibehalten hatte, statt tatsächlich zutreffende – teils bereits von ihm ermittelte – kürzere Zeiten in das EDVSystem zu übernehmen und freizugeben. Damit hatte der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG zugleich hinreichend dargelegt, dass der Arbeitnehmer zumindest fahrlässig gehandelt hat und keine typischen und unvermeidbaren Fehler vorgelegen haben. In diesem Zusammenhang betont das BAG, dass die Pflichtverletzung oder der Fahrlässigkeitsvorwurf nicht dadurch ausgeräumt wird, dass möglicherweise der Vorgesetzte eine Pflichtverletzung kennt, gegebenenfalls hinnimmt oder sogar mitträgt. Da dem Kläger außerdem bekannt war, dass die im EDV-System freigegebenen Zeiten die Entgeltgrundlage im Bereich der Vormontage und Endmontage der Heimarbeitnehmer gewesen sind, lag damit auch die haftungsausfüllende Kausalität für den eingetretenen Schaden der Überzahlung vor. Bevor der Frage nachzugehen war, ob und in welchem Maße der Arbeitnehmer durch die im Arbeitsrecht geltende Haftungsprivilegierung zu entlasten war, hat das BAG zunächst beanstandet, dass sich das LAG Bremen trotz gegebener Veranlassung nicht mit der Frage eines möglichen Mitverschuldens des Arbeitgebers (§ 254 BGB), das von Amts wegen zu prüfen war, beschäftigt hat. Ein derartiges Mitverschulden konnte nämlich auf einem Organisationsdefizit bei dem Arbeitgeber, insbesondere mit Blick auf die Kontrollaufgaben des Vorgesetzten, beruhen. Der Vorgesetzte hatte nämlich davon abgesehen, trotz Kenntnis der Auffälligkeiten in der Vergangenheit zumindest stichprobenartige Kontrollen bei dem beklagten Arbeitnehmer durchzuführen94. Damit ist dem Arbeitgeber gemäß §§ 254 Abs. 2, 278 BGB analog ein pflichtwidriges Unterlassen von Hilfspersonen zuzurechnen95. Dabei trägt allerdings der Arbeitnehmer als Schädiger – wie das BAG in Übereinstimmung mit dem BGH betont – die Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände, d. h. auch für die Ursächlichkeit eines Mitverschuldens96. Kommt es wegen eines Mitverschuldens des Arbeitgebers nur zu einer anteiligen Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers, ist anschließend in Relation 94 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 116/14, NZA 2015, 1517 Rz. 46; BGH v. 27.11.2008 – VII ZR 206/06, NJW 2009, 582 Rz. 31. 95 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 116/14, NZA 2015, 1517 Rz. 46; BGH v. 17.11.2009 – VI ZR 58/08, NJW 2010, 927 Rz. 14. 96 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 116/14, NZA 2015, 1517 Rz. 47; BGH v. 30.9.2003 – XI ZR 232/02, NJW-RR 2004, 45 Rz. 27.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
dazu eine weitere Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung in analoger Anwendung von § 254 BGB vorzunehmen. Nach den vom Großen Senat des BAG97 entwickelten Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung haften Arbeitnehmer nur für vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang, während bei leichtester Fahrlässigkeit eine Haftung vollständig ausscheidet. Bei den sonstigen Graden der Fahrlässigkeit ist die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen durch eine Abwägung der Gesamtumstände vorzunehmen, wobei insbesondere der Schadensanlass, die Schadensfolgen, Billigkeit und Unzumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen können98. Die Berechnung des Schadens hat nach der Differenzmethode zu erfolgen99. Im Streitfall war nach Ansicht des BAG zusätzlich beim Schadensumfang zu berücksichtigen, dass bei der Ermittlung der Zeitvorgaben Differenzwerte von plus minus 5 % vom Arbeitgeber akzeptiert werden. Abgesehen von den rechtlichen Problemen, die mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer verbunden sind, zeigt auch der vorliegende Fall, dass zur Vermeidung einer Schadensteilung durch mitwirkendes Verschulden Überwachungsaufgaben von Vorgesetzten ernst genommen werden müssen und bei erkannten Beanstandungen nachhaltiger geprüft werden muss, ob diese vom Arbeitnehmer tatsächlich abgestellt worden sind. (Boe)
11.
Keine Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers bei Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 106 S. 1, 2 GewO). Grundsätzlich folgt aus diesen Regelungen die Berechtigung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu der Teilnahme an einem Personalgespräch aufzufordern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gespräch einer Erörterung von
97 BAG v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083 Rz. 12. 98 BAG v. 13.12.2012 – 8 AZR 432/11, NZA 2013, 622 Rz. 20. 99 BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, DB 2013, 2017 Rz. 20; BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 116/14, NZA 2015, 1517 Rz. 51.
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Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers bei Personalgespräch
Art, Ort oder Zeit der Tätigkeit dient. Darauf hat die Rechtsprechung bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen100. Mit Urteil vom 1.9.2015101 hat das LAG Nürnberg jetzt klargestellt, dass eine Verpflichtung zur Teilnahme an einem durch den Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch allerdings nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Folgerichtig sind auch etwaige Sanktionen des Arbeitgebers, die als Folge einer fehlenden Teilnahme beschlossen werden, unwirksam. Die durch den Arbeitgeber in dem der Entscheidung des LAG Nürnberg zugrunde liegenden Fall ausgesprochene Kündigung konnte deshalb keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken. In der Begründung seiner Entscheidung hat das LAG Nürnberg darauf verwiesen, dass während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Weisungen des Arbeitgebers, die die Arbeitsleistung betreffen, nicht in Betracht kommen. Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Gesundheitszustands in der Lage gewesen wäre, an dem arbeitgeberseitig gewünschten Gespräch teilzunehmen. Denn die Arbeitsunfähigkeit befreie ihn nicht nur von der Hauptleistungspflicht. Sie beseitige auch Nebenpflichten, deren Erfüllung dazu diene, der geschuldeten Arbeitsleistung ordnungsgemäß nachzukommen. Ausgehend davon, dass eine teilweise Arbeitsunfähigkeit durch die Rechtsprechung bislang abgelehnt wird, ist dieser Sichtweise zuzustimmen. Unabhängig davon dürfte es richtig sein, in der Aufforderung zur Teilnahme an einem Personalgespräch während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch einen Verstoß gegen den Grundsatz billigen Ermessens zu sehen. Auch dies steht der Wirksamkeit der Weisung nach § 106 S. 1, 2 GewO entgegen. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Teilnahme an einem Gespräch zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX auch während der Arbeitsunfähigkeit erfolgen kann. Denn auch hier gibt es keine Pflicht des Arbeitnehmers, dieser Einladung noch während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Folge zu leisten102. (Ga)
100 BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NJW 2009, 3115 Rz. 24. 101 7 Sa 592/14, AuR 2016, 81 (LS). 102 BAG v. 28.4.2011 – 8 AZR 515/10, NJW 2011, 2458 Rz. 36 ff.; HWK/Thies, SGB IX § 84 Rz. 12.
93
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
12. Wahrung einer (einfachen) tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung Bereits bei früherer Gelegenheit hatte das BAG deutlich gemacht, dass es für die fristgerechte Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist genügt, wenn die Klage bei Gericht eingereicht wurde. Sofern die Zustellung der Klageschrift demnächst erfolge, werde dies der jeweiligen Vertragspartei gemäß § 167 ZPO zugerechnet103. In seinem Urteil vom 16.3.2016104 hat das BAG deutlich gemacht, dass § 167 ZPO allerdings keine Anwendung findet, wenn eine Ausschlussfrist durch bloße (außergerichtliche) schriftliche Geltendmachung gewahrt werden kann. Hier müsse auch der Zugang der Klageschrift beim Anspruchsgegner innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist stattgefunden haben. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger von seinem Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013. Den Anspruch hatte er erstmals mit seiner bei Gericht am 18.12.2013 eingegangenen und dem beklagten Arbeitgeber am 7.1.2014 zugestellten Klage geltend gemacht. Mit der Begründung, dass in dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag eine Ausschlussfrist von sechs Monaten vorgesehen war, verweigerte der Arbeitgeber die Zahlung. Er machte geltend, dass es bei außergerichtlichen Fristen allein auf den tatsächlichen Zugang des Schreibens ankomme, mit dem die Geltendmachung erfolge. Entgegen der Entscheidungen der Vorinstanzen hat das BAG dieser Sichtweise des Arbeitgebers zugestimmt. Nach seiner Auffassung findet § 167 ZPO auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine außergerichtliche schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, keine Anwendung. Vielmehr habe sich der Gläubiger einer Forderung den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen. Die Zustellung der Klageschrift am 7.1.2014 war danach verspätet und die Klage abzuweisen. Diese Feststellungen des BAG machen noch einmal deutlich, wie hilfreich es ist, auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene Ausschlussfristen für die Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu vereinbaren. Selbst wenn jedenfalls bei solchen Fristen, die an die gerichtliche Geltendmachung geknüpft sind, § 167 ZPO weiterhin zur Anwendung kommt, kann in den übrigen Fallgestaltungen von dem Untergang einer For103 Vgl. BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 9. 104 4 AZR 421/15 n. v.
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Wahrung einer (einfachen) tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung
derung ausgegangen werden, falls diese nicht fristgerecht beim Arbeitgeber selbst geltend gemacht wird. Soweit es um die Geltendmachung von Ansprüchen geht, die von einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses abhängig sind, kann die entsprechende Geltendmachung allerdings auch durch die fristgerechte Erhebung einer Kündigungsschutzklage erfolgen105. (Ga)
105 BAG v. 24.6.2015 – 7 AZR 541/13, NZA 2015, 1511 Rz. 21; BAG v. 15.5.2012 – 7 AZR 6/11, NZA 2012, 1148 Rz. 15.
95
D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.
EFTA-Gerichtshof zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
Bei dem EFTA-Gerichtshof handelt es sich um einen supranationalen Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg für die EFTA-Staaten (European Free Trade Association) Norwegen, Island und Liechtenstein, die mit den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bilden, der den drei EFTA-Staaten die Teilnahme am Europäischen Binnenmarkt ermöglicht. Der Gemeinsame EWR-Ausschuss verfolgt ständig die Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des in Artikel 108 Abs. 2 genannten EFTA-Gerichtshofs. Zu diesem Zweck werden die Urteile dieser Gerichte dem Gemeinsamen EWR-Ausschuss übermittelt; dieser setzt sich dafür ein, dass die homogene Auslegung des Abkommens gewahrt bleibt (Art. 105 Abs. 2 EWRAbkommen). Gemäß Art. 108 Abs. 2 EWR-Abkommen ist der EFTAGerichtshof aufgrund einer besonderen Vereinbarung zwischen den EFTAStaaten hinsichtlich der Anwendung dieses Abkommens insbesondere zuständig für: a)
Klagen wegen des die EFTA-Staaten betreffenden Überwachungsverfahrens,
b)
Rechtsmittel gegen Entscheidungen der EFTA-Überwachungsbehörde in Wettbewerbssachen,
c)
die Beilegung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehr EFTA-Staaten.
Der aus drei Richtern bestehende EFTA-Gerichtshof entscheidet über das mit dem EU-Recht inhaltsgleiche EWR-Recht, wobei die vorbeschriebenen Homogenitätsregeln sicherstellen sollen, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Rechtsprechung des EFTAGerichtshof bei der Auslegung des Unionsrechts übereinstimmen. Das Berufungsgericht Eidsivating, Norwegen beantragte beim EFTAGerichtshof ein Gutachten in der Rechtssache Matja Kumba T. M’bye u. a. gegen Stiftelsen Fossumkollektivet zu folgenden Fragen: 1.
Verstößt eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 84 Stunden („7/7-Arbeitszeitmodell“) in einer Einrichtung für betreutes Wohnen gegen Artikel 6 der Arbeitszeitrichtlinie
97
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
2003/88/EG (vgl. auch Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie)? 2.
Steht eine nationale Bestimmung, nach der die Einwilligung eines Angestellten, mehr als 60 Stunden wöchentlich in einer Einrichtung für betreutes Wohnen zu arbeiten, nicht widerrufbar ist, im Einklang mit den Rechten von Angestellten nach Artikel 6 bzw. Artikel 22 der Arbeitszeitrichtlinie?
3.
Handelt es sich bei einer Entlassung infolge einer fehlenden Einwilligung, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, um eine Sanktion oder um einen „Nachteil“ im Sinne des Artikels 22 Absatz 1 Buchstaben a und b der Arbeitszeitrichtlinie?
Diese Fragen hat der EFTA-Gerichtshof 1unter dem 16.12.2015 wie folgt beantwortet:
1
98
1.
Eine Arbeitszeit von durchschnittlich 84 Wochenstunden in einem mit betreutem Wohnen verbundenen Pflegedienst (cohabitant care arrangement) ist mit Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG unter der Voraussetzung vereinbar, dass der Arbeitnehmer dieser Arbeit ausdrücklich, frei und individuell zugestimmt hat und die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden. Macht ein EFTA-Staat von der Ausnahmeregelung des Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie Gebrauch, muss der nationale Gesetzgeber auf das physische und psychische Wohlbefinden der Arbeitnehmer Rücksicht nehmen. In jedem Fall ist eine derartige Arbeitszeitvereinbarung nur mit Art. 3 und 5 der Richtlinie (tägliche und wöchentliche Ruhezeit) vereinbar, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 17 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3c, i erfüllt sind.
2.
Eine Bestimmung des nationalen Rechts, wonach eine Zustimmung des Arbeitnehmers, mehr als 60 Wochenstunden in einem Pflegedienst zu arbeiten, nicht mehr widerrufen werden kann, ist mit Art. 6 und Art. 22 der Richtlinie vereinbar, sofern die allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden.
Die Entscheidung ist nur in englischer Sprache im Internet unter dem AZ E-5/15 abrufbar.
EFTA-Gerichtshof zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
3.
Eine Änderungskündigung im Anschluss an eine Weigerung des Arbeitnehmers, einer Arbeitszeit von mehr als 48 Stunden im Verlaufe einer 7-tägigen Periode zuzustimmen, stellt keinen Nachteil im Sinne von Art. 22 (1) (b) der Richtlinie dar, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründen beruht, die von der Weigerung des Arbeitnehmers, derartige zusätzliche Arbeiten zu übernehmen, völlig unabhängig ist.
Der in Norwegen angesiedelte Fall betrifft Einrichtungen der Beklagten, die in der Rechtsform einer nicht auf Gewinn ausgerichteten Stiftung die Behandlung junger Menschen mit Drogen- und/oder Alkoholproblemen in der Weise betreibt, dass die Therapeuten mit den von ihnen betreuten Jugendlichen in einer Einrichtung zusammen leben. Die Therapeuten schlafen in Wohnungen auf dem Gelände der Einrichtung und stehen auch – soweit dies erforderlich ist – nachts zur Verfügung. Auf der Grundlage einer norwegischen Verordnung können Arbeitnehmer, die in Einrichtungen des betreuten Wohnens wohnen, mit ihrer Zustimmung länger als 60 Stunden wöchentlich arbeiten. Ursprünglich war die Arbeitszeit der Therapeuten in der Weise organisiert, dass sie im Rhythmus an drei Tagen mit einer anschließenden siebentägigen Freizeit und sodann an vier Tagen gefolgt von einer 7-tägigen Freizeit arbeiteten. Dabei belief sich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit auf 56 Stunden. Wegen finanzieller Verluste entschloss sich die Beklagte, die bisherige Arbeitszeitorganisation dahingehend zu ändern, dass auf eine siebentägige Arbeitszeit eine siebentägige Freizeit folgen sollte. Die wöchentliche Arbeitszeit verlängerte sich damit auf 84 Stunden. Dadurch verringerte sich die Zahl der Mitarbeiter von neun Mitarbeitern in drei Teams auf sechs Mitarbeiter in zwei Teams. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sollte mit einem Gehaltsanstieg und in jedem dritten Jahr mit einem bezahlten Zusatzurlaub von drei Monaten verbunden werden. Da die Kläger mit der ihnen vorgeschlagenen Änderung der Arbeitsbedingungen nicht einverstanden waren, hat die Beklagte diese zum Gegenstand einer Änderungskündigung gemacht, die gerichtlich angegriffen worden ist. Bis zur Beendigung des Streitverfahrens setzen die Kläger ihre Tätigkeit bei der Beklagten nach dem bisherigen Arbeitsrhythmus (3 - 7 und 4 - 7) fort. Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage der Arbeitnehmer entsprochen. Das Berufungsgericht hat die entsprechende Vorlage an den EFTA-Gerichtshof gerichtet. Ausgangspunkt zur Beantwortung der ersten Frage bildet nach Ansicht des EFTA-Gerichtshofs Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG. Danach haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Ar99
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
beitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Abweichend von dieser Regelung erlaubt Art. 22 der Richtlinie einem Mitgliedstaat die Abweichung von Art. 6 der Richtlinie, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und sich dieser hierzu bereit erklärt hat. Dabei geht der Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH 2 davon aus, dass die Überschreitung der in Art. 6 der Richtlinie vorgesehenen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden nur bei ausdrücklicher und freier Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers von Art. 22 der Richtlinie gebilligt wird. Danach genügt es auch nicht, dass der Arbeitsvertrag des Betroffenen auf einen Tarifvertrag verweist, der eine solche Überschreitung erlaubt, da es keineswegs sicher ist, dass der betroffene Arbeitnehmer beim Abschluss eines Vertrages solcherart von der Beschränkung der ihm durch die Richtlinie 2003/88/EG eingeräumten Rechte wusste. Es muss daher eine vom Arbeitnehmer persönlich auszuübende Zustimmung vorliegen. Der Gerichtshof konstatiert dabei des Weiteren, dass Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG zwar keine Begrenzung des Umfangs der Arbeitszeit aufweist, jedoch keine Abweichung von den Art. 3 und 5 der Richtlinie über die tägliche und wöchentliche Ruhezeit zulässt. Demgemäß ist eine mit Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgte Arbeitszeitvereinbarung auf der Grundlage von Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG nur dann mit Art. 3 und 5 der Richtlinie (tägliche und wöchentliche Ruhezeit) vereinbar, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 17 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 c, i der Richtlinie 2003/88/EG erfüllt sind. Angesichts dessen muss es sich um Tätigkeiten handeln, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet sein muss, und zwar insbesondere bei Aufnahme-, Behandlung- und/oder Pflegediensten von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Tätigkeiten von Ärzten in der Ausbildung, Heimen sowie Gefängnissen. Des Weiteren kann im Wege von Rechtsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen in diesem Fall (Art. 17 Abs. 3 c, i) von den Rechtsvorschriften über die Ruhezeit nur abgewichen werden, sofern die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten. Die Einrichtung der Beklagten kann dieser Ausnahmeregelung zuzuordnen sein, was jedoch – wie 2
EuGH v. 5.10.2004 – C-397/01, NZA 2004, 1145 Rz. 86 - Pfeiffer.
100
EFTA-Gerichtshof zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
der Gerichtshof betont – vom vorlegenden Gericht geprüft werden muss. Bejahendenfalls müsste das nationale Gericht auch der Frage nachgehen, ob die von der Beklagten vorgesehenen Arbeitsbedingungen bezüglich der Arbeitszeit die in Art. 17 Abs. 3 c, i der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Ruhezeiten ermöglicht, wobei der Ruhezeitcharakter, in dieser Zeit gegenüber dem Arbeitgeber keiner Verpflichtung zu unterliegen, gewahrt sein muss. Derartige Ruhezeiten müssen sich auch grundsätzlich unmittelbar an die Arbeitszeit anschließen. Allerdings will der Gerichtshof nicht ausschließen, dass die spezifische Situation der Pflege, die im Ergebnis das Umfeld eines Familienalltags schaffen soll, die Gewährung entsprechender Ruhezeiten nicht zulässt. Bezüglich der Beantwortung der zweiten Frage stellt der Gerichtshof zunächst klar, dass Art. 22 der Richtlinie keine Aussage darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer von seiner Einwilligung wieder abrücken kann. Der EuGH 3 hat sich in diesem Zusammenhang nur mit den Voraussetzungen einer wirksamen Zustimmung des Arbeitnehmers bezüglich einer über den Rahmen des Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG hinausgehenden Arbeitszeit befasst, sich jedoch bislang nicht dazu geäußert, ob der Arbeitnehmer – etwa wegen des Gesichtspunktes der Freiwilligkeit – seine Zustimmung widerrufen kann. Eine derartige Widerrufsmöglichkeit sieht § 7 Abs. 7 S. 2 ArbZG für den Fall der Arbeitszeitverlängerung ohne Zeitausgleich vor. Der Arbeitnehmer kann die erklärte Einwilligung mit der Arbeitszeitverlängerung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen. Der Gerichtshof geht davon aus, dass die Frage des Widerrufs der Einwilligung Sache des nationalen Rechts ist, das auch die Bedingungen für den Widerruf zu regeln hat. Dabei will der Gerichtshof nicht ausschließen, dass eine Versagung des Widerrufsrechts bei außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer möglich sein kann. Die dritte Frage, ob eine Kündigung, die wegen einer fehlenden Einwilligung, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten, einen Nachteil i. S. v. Art. 22 Abs. 1 a und b der Richtlinie 2003/88/EG darstellt, wird vom Gerichtshof zunächst uneingeschränkt bejaht. Gemäß Art. 22 Abs. 1 b der Richtlinie 2003/88/EG dürfen keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchstabe b genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten. Das schließt allerdings nach Ansicht 3
5.10.2004 – C 397/01, NZA 2004, 1145 - Pfeiffer.
101
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
des Gerichtshofs nicht aus, dass das nationale Recht wegen dringender betrieblicher Anforderungen als Folge finanzieller Verluste unabhängig von der Weigerung des Arbeitnehmers, zusätzliche Arbeiten zu verrichten, eine entsprechende Änderungskündigung des Arbeitgebers erlaubt, um über eine entsprechende Erhöhung der Arbeitszeit das Arbeitsverhältnis fortsetzen zu können. Ein Schaden für die Arbeitnehmer würde bei derartiger Situation nicht eintreten, wenn die Änderung der Arbeitszeitorganisation eine Antwort auf die schwierige finanzielle Lage des Arbeitgebers darstellt. Es ist allerdings Sache des den Streit der Parteien entscheidenden Gerichts, ob diese Voraussetzungen für eine Änderung der Arbeitsbedingungen vorliegen. Art. 22 Abs. 1 a und b der Richtlinie 2003/88/EG ist durch § 7 Abs. 7 S. 3 ArbZG in deutsches Recht umgesetzt worden. Der Arbeitgeber darf danach einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat. Eine Änderungskündigung des Arbeitgebers, die darauf hinausliefe, den Arbeitnehmer aus diesem Grunde zu benachteiligen, verstieße gegen dieses Benachteiligungsverbot und wäre von vornherein rechtsunwirksam. Überdies wird für das deutsche Arbeitszeitrecht die Übereinstimmung mit Unionsrecht dahin gehend bestätigt, dass die in § 7 Abs. 7 S. 2 ArbZG vorgesehene Widerrufsfrist von sechs Monaten nicht zu beanstanden ist. (Boe)
2.
Darlegungs- und Beweislast bei der Führung von Arbeitszeitkonten
a)
Ausgangssituation
Schwankende Arbeitsauslastungen machen die Flexibilisierung der regelmäßigen Arbeitszeit erforderlich. In der Regel wird die individuell geleistete Arbeit dabei aufgezeichnet und in Form eines Arbeitszeitkontos ausgewiesen. Insofern dokumentiert das Arbeitszeitkonto den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht. In Form eines Saldos lässt es erkennen, ob tatsächlich mehr oder weniger als arbeitsvertraglich geschuldet durch den Arbeitnehmer geleistet wurde. Unabhängig davon wird die Vergütung in der Regel nach Maßgabe der regelmäßigen Arbeitszeit ausgezahlt. Bestehen individual- oder kollektivrechtliche Regelungen, kraft derer der Arbeitgeber zur Führung eines Arbeitszeitkontos verpflichtet ist, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass dies entsprechend den vereinbarten Vorgaben erfolgt. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob das Arbeitszeitkonto den Vergü-
102
Darlegungs- und Beweislast bei der Führung von Arbeitszeitkonten
tungsanspruch des Arbeitnehmers, einen Anspruch auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses bestimmen soll 4. In seinem Urteil vom 23.9.2015 5 hat der 5. Senat des BAG deutlich gemacht, dass eine solche Ausweisung von Guthabenstunden auf einem Arbeitszeitkonto erhebliche Bedeutung für die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die Geltendmachung der sich aus diesem Guthaben ergebenden Vergütungsansprüche hat. Dies gilt selbst dann, wenn auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene für das Arbeitsverhältnis eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit vereinbart wurde. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war die Klägerin seit dem 1.6.2007 mit Sekretariats- und Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführung tätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer durch sie ausgesprochenen Kündigung am 31.12.2012. In dem ihrer Beschäftigung zugrundliegenden Arbeitsvertrag hatten die Parteien zuletzt eine monatliche Arbeitszeit von 173 Stunden vereinbart. Mehr- bzw. Minderstunden sollten über ein Zeitkonto abgerechnet werden. Darüber hinaus war eine Ausschlussfrist festgelegt worden, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden mussten. Ergänzend hierzu hatten die Parteien auf den Tarifvertrag für den Einzelhandel NRW in seiner jeweils geltenden Fassung verwiesen. Der Tarifvertrag sah nur einen Verfall etwaiger Ansprüche innerhalb von drei bzw. sechs Monaten vor. Für die Zeit vom 1.6.2007 bis zum 25.11.2008 händigte die Beklagte der Klägerin eine Aufstellung aus, in der Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit, die Gesamtstunden, die Pausen sowie die bezahlte Arbeitszeit ausgewiesen waren. Die Plus-Differenz zwischen geleisteten und vergüteten Stunden belief sich danach auf 414 Stunden. In der Folgezeit erfasste die Beklagte die Arbeitszeit der Klägerin nicht mehr und händigte ihr auch keine weiteren Berichte darüber aus. Die Klägerin führte allerdings in der Zeit ab dem 25.11.2008 eine eigene Arbeitszeitaufstellung, in der sie für jeden Arbeitstag die Regelarbeitszeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit und Pausenzeiten festgehalten sowie Mehr- und Minderarbeit fortlaufend saldiert hatte. Aus dieser Aufstellung ergaben sich für die Zeit vom 26.11.2008 bis zum 30.12.2011 eine Plusdifferenz von 643 Stunden und 10 Minuten sowie – ergänzend zu den Berichten der Beklagte – für den 30./31.8.2008 zusätzlich 1,5 Gutstunden. Diese Aufstellung legte die Klägerin der Beklagten nicht
4 5
Vgl. BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 670/11 n. v. Rz. 25 f. 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295.
103
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
vor. Vielmehr forderte sie die Beklagte auf, ihr eine Abrechnung des Arbeitszeitkontos zu übersenden. Als diese Aufforderung erfolglos blieb, machte sie nicht nur eine Bezahlung der durch die Beklagte ausgewiesenen 414 Stunden geltend. Sie verlangte darüber hinaus, dass ihr weitere 644 Stunden und 40 Minuten bezahlt würden, die sich aus ihren eigenen Arbeitszeitaufstellungen ergeben hatten. Die Beklagte lehnte dies ab. Sie machte nicht nur geltend, dass das Arbeitszeitkonto auf „Null“ gestellt worden sei. Vielmehr hätten die Parteien bereits kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart, dass Vertrauensarbeitszeit gelten solle. Insofern habe auch ein Arbeitszeitkonto nicht mehr geführt werden müssen. Im Übrigen seien Überstunden von ihr nicht angeordnet, gebilligt oder geduldet worden. Sie seien auch nicht zur Erledigung der Arbeit notwendig gewesen. Losgelöst davon seien etwaige Ansprüche verfallen und verjährt. Mit überzeugender Begründung hat das BAG die Zahlungsklage in Bezug auf die 414 Stunden für begründet gehalten, die Klage im Übrigen aber wegen des insoweit fehlenden Sachvortrags der Klägerin abgewiesen.
b)
Konsequenzen eines arbeitgeberseitigen Arbeitszeitkontos
Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs, der den arbeitgeberseitig aufgezeichneten 414 Stunden entsprach, hatte die Klägerin die Klage aus Sicht des BAG schlüssig begründet. Ausgangspunkt der entsprechenden Feststellung des BAG ist die Annahme, dass durch ein Arbeitszeitkonto dokumentiert wird, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss 6. Begehre der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, mache er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend 7. Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrücke, genüge für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet sei, dass der Ar-
6 7
BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 20; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 676/11, NZA 2012, 870 Rz. 20. BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 20; BAG v. 28.7.2010 – 5 AZR 521/09, NZA 2010, 1241 Rz. 13.
104
Darlegungs- und Beweislast bei der Führung von Arbeitszeitkonten
beitnehmer die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlege 8. Diese Voraussetzung hatte die Klägerin erfüllt. Denn sie hatte nicht nur dargelegt, dass arbeitsvertraglich die Führung eines Arbeitszeitkontos und die Abgeltung eines ggf. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Guthabens vereinbart worden war. Durch Vorlage der seitens der Beklagten erstellten Aufstellung konnte sie auch schlüssig darlegen, dass jedenfalls in der Zeit vom 1.6.2007 bis zum 25.11.2008 zu ihren Gunsten ein Saldo von 414 Stunden bestanden hatte. Dieser war nach den Regelungen des Arbeitsvertrags mit dem rechnerisch unstreitigen Stundensatz von 17,34 € (brutto) abzugelten. Angesichts dieses Vortrags hätte es der Beklagten oblegen, Tatsachen vorzutragen, die geeignet wären, den sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebenden und mit den der Klägerin ausgehändigten Aufstellungen auch streitlos gestellten Saldo zu entkräften. Dies aber war nicht erfolgt. Nach den Feststellungen des BAG stellen die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen dar. Vielmehr stellten diese Buchungen tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen dar. Der Arbeitnehmer, der Kenntnis von den Buchungen erhalte, könne nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eine deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses 9. Der Arbeitgeber stelle jedoch – so das BAG – mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos 10. Damit bringe er regelmäßig zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden. Wolle der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, obliege es ihm ausgehend von einer gestuften Darlegungslast, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. Erst dann obliege es dem Arbeitneh-
8
BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 20; BAG v. 28.7.2010 – 5 AZR 521/09, NZA 2110, 1241 Rz 13; BAG v. 13.3.2002 – 5 AZR 43/01, BD 2002, 2383. 9 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 23; BAG v. 19.3.2008 – 5 AZR 328/07, NZA 2008, 1135 Rz. 26. 10 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 23; BAG v. 28.7.2010 – 5 AZR 521/09, NZA 2010, 1241 Rz. 19.
105
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
mer vorzutragen, wann er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelte 11. Trage der Arbeitgeber hingegen nichts vor oder lasse er sich nicht substantiiert ein, gelte der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo als zugestanden. Von diesen Grundsätzen ausgehend war es richtig, einen entsprechenden Zahlungsanspruch anzuerkennen. Denn die Beklagte hatte nicht vorgetragen, aus welchen Gründen die der Klägerin ausgehändigten Aufstellungen nicht zutreffend sein sollten. Sie hatte ebenso wenig dargelegt, dass die Klägerin im Anschluss an den 25.11.2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als geschuldet gearbeitet hatte, so dass sich das Guthaben entsprechend reduziert hätte. Ob und inwieweit die Beklagte versäumt hatte, für das streitgegenständliche Guthaben Rückstellungen zu bilden, spielte für die arbeitsrechtliche Bewertung keine Rolle 12. Erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat der Umstand, dass die Ausweisung eines Guthabens durch den Arbeitgeber die weitere Geltendmachung eines entsprechenden Vergütungsanspruchs durch den Arbeitnehmer damit entbehrlich macht. Das BAG überträgt insoweit die zu einer vorbehaltlosen Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung entwickelten Grundsätze. Hiervon ausgehend ist es nicht erforderlich, dass der Zahlungsanspruch durch den Arbeitnehmer innerhalb individual- oder kollektivrechtlich vereinbarter Ausschlussfristen geltend gemacht wird. Nach Auffassung des BAG lebte die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Guthabens auch dann nicht wieder auf, als sich dieses entsprechend den arbeitsvertraglich getroffenen Regelungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelte 13. Hiervon ausgehend kann der Geltendmachung eines entsprechenden Vergütungsanspruchs nur die Verjährung oder eine Verwirkung entgegengehalten werden. Beide Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt.
c)
Bedeutung von Vertrauensarbeitszeit
Zu Recht hat es der 5. Senat des BAG abgelehnt, einen Vergütungsanspruch der Klägerin mit der Begründung abzulehnen, dass die Parteien „Vertrauensarbeitszeit“ vereinbart hätten. Vertrauensarbeitszeit bedeute – so das BAG – nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende 11 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 23; BAG v. 18.4.2012 – 5 AZR 248/11, NZA 2012, 998 Rz. 14 ff. 12 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 26. 13 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 34; BAG v. 28.7.2010 – 5 AZR 521/09, NZA 2010, 1241 Rz. 20.
106
Darlegungs- und Beweislast bei der Führung von Arbeitszeitkonten
der täglichen Arbeitszeit verzichte und darauf vertraue, dass der betreffende Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen werde 14. Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit stehe deshalb weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen, noch schließe sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus. Vielmehr hätte zwischen den Parteien ausdrücklich eine weitergehende Vereinbarung getroffen werden müssen, nach der auch eine etwaige Mehrarbeit im Rahmen dieser Vertrauensarbeitszeit nicht mehr gesondert vergütet wird. Eine solche Vereinbarung wäre allerdings insbesondere hinsichtlich ihrer Wirksamkeit an den Anforderungen der AGB-Kontrolle zu messen. Das hat das BAG in seinem Urteil vom 18.11.2015 15, auf das wir an anderer Stelle hingewiesen haben 16, zum Ausdruck gebracht.
d)
Konsequenzen einer arbeitnehmerseitigen Arbeitszeiterfassung
Diese Erleichterungen in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Geltung eines Vergütungsanspruchs kommen allerdings nicht zum Tragen, wenn arbeitgeberseitig kein Arbeitszeitkonto geführt wird. Dies gilt – so das BAG im Urteil vom 23.9.2015 17 – selbst dann, wenn die Führung des Arbeitszeitkontos durch den Arbeitgeber vertragswidrig unterlassen wird. Hiervon ausgehend genügt es für die schlüssige Darlegung eines Vergütungsanspruchs nicht, wenn durch den Arbeitnehmer substantiiert vorgetragen wird, wann die Mehrarbeit im Einzelnen geleistet wurde. Vielmehr setzt die Schlüssigkeit des Klägervortrags auch eine Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden voraus. Der Arbeitnehmer muss also – wie im Überstundenprozess – darlegen und ggf. auch beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder diesem zumindest zuzurechnen sind. Denn der Arbeitgeber muss sich – so das BAG – Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen; der Arbeitnehmer kann nicht
14 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 30; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 35; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223 Rz. 34. 15 5 AZR 751/13 n. v. 16 B. Gaul, AktuellAR 2016, 115 ff. 17 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 50.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen 18. Des Weiteren genügt der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruchende Arbeitnehmer seiner Darlegungslast nicht bereits dann, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereit gehalten hat. Er hat – so das BAG – darüber hinaus darzulegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien 19. Diesen Anforderungen genügte der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hatte zwar im Einzelnen dargelegt, an welchen Tagen sie von wann bis wann Arbeit geleistet haben wollte, nicht aber, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen wäre. Soweit die Klägerin geltend gemacht hatte, dass die ihr übertragenen Aufgaben auf Weisung des Geschäftsführers stets sofort zu bearbeiten gewesen seien, genügte dieser Pauschalvortrag nicht, die Erforderlichkeit der einzelnen Arbeitsstunden darzulegen. Denn nach Auffassung des BAG ergab sich daraus nicht, dass bestimmte angewiesene Arbeiten innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten waren. Allein die Anwesenheit der Klägerin im Betrieb habe im Übrigen keine Vermutung dafür begründet, dass Überstunden zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien 20. Für eine Duldung von Überstunden hätte die Klägerin vortragen müssen, dass sie diese Überstunden in Kenntnis der Beklagten erbracht hatte und diese keine Vorkehrungen getroffen hatte, solche Überstunden in der Zukunft zu unterbinden, sie also nicht gegen die Leistung von Überstunden eingeschritten wäre, sondern diese weiterhin entgegen genommen hätte 21. Zur Erfüllung dieser Darlegungslast müsse – so das BAG – der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber
18 BAG V, 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 43; BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 13. 19 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 44; BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 16 ff.; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 Rz. 31. 20 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 46; BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 17; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 Rz. 31. 21 BAG v. 6.5.1981 – 5 AZR 73/79 n. v.
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Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags
auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben solle und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen sei. Erst wenn dieser Umstand feststehe, sei es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen habe 22. Auch hierzu hatte die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen. Dass sie im Vorzimmer der Geschäftsführung tätig war, erlaubte es nicht, von einer Kenntnis der Geschäftsführung über den Inhalt und Umfang ihrer jeweils geleisteten Arbeit auszugehen. Eine solche Annahme scheiterte bereits an dem Umstand, dass die Geschäftsführer ihrerseits nicht ausnahmslos und ohne Unterbrechung in den durch die Klägerin als Überstunden aufgelisteten Zeiten im Büro anwesend waren.
e)
Fazit
Für die betriebliche Praxis hat die hier in Rede stehende Entscheidung ganz erhebliche Bedeutung. Sie zeigt, dass Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto nicht leichtfertig erfolgen sollten. Andernfalls dürfte es für den Arbeitgeber schwierig werden, entsprechende Vergütungsansprüche abzuwehren. Arbeitnehmerseitig wird man allerdings umgekehrt darauf zu achten haben, dass entsprechende Gutschriften zeitnah und vollständig vorgenommen werden. Andernfalls besteht nicht nur die Gefahr, dass die entsprechende Arbeitsleistung und ihre Anordnung, Billigung oder Duldung bzw. die Notwendigkeit zur Erledigung der geschuldeten Arbeit nicht ausreichend substantiiert dargelegt werden können. Vielmehr droht auch ein Verfall entsprechender Ansprüche, weil insoweit auch Ausschlussfristen zur Anwendung kommen. (Ga)
3.
Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags
Nachtarbeit i. S. des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) 23 ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst. Für den Gesetzgeber stand dabei außer Frage, dass Nachtarbeit zu erheblichen Störungen im Befinden des Nachtarbeitnehmers führen kann 24. Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Ge22 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 767/13, NZA 2016, 295 Rz. 48; BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 21. 23 Vom 6.6.1994 BGBl. I S. 1170 i. d. F. v. 20.4.2013 BGBl. I S. 868. Vgl. den Handlungsauftrag des BVerfG v. 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, NZA 1992, 270. 24 Vgl. BT-Drucks. 12/5888 S. 25. Siehe auch Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über be-
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
setzes sind Arbeitnehmer, die auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten (§ 2 Abs. 3 bis 5 ArbZG). Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen (§ 6 Abs. 1 ArbZG). Damit will der Gesetzgeber besondere Vorkehrungen zum Schutze der Arbeitnehmer bei Nachtarbeit treffen, die in weiteren Besonderheiten der Nachtarbeit ihren Niederschlag gefunden haben. So sieht der Gesetzgeber u. a. in § 6 Abs. 2 ArbZG abweichend von § 3 ArbZG vor, dass bei einer Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über acht Stunden hinaus der Verteilungszeitraum nicht ein halbes Jahr, sondern lediglich vier Wochen beträgt. In § 6 Abs. 3 ArbZG wird für Nachtarbeitnehmer ein Anspruch auf unentgeltliche Untersuchungen ihres Gesundheitszustandes in regelmäßigen Zeitabständen festgelegt, so dass im Falle ärztlich bescheinigter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ein Umsetzungsanspruch auf einen für sie geeigneten Tagesarbeitsplatz vorgesehen wird, was auch dann gilt, wenn die Nachtarbeitszeit mit bestimmten familiären Pflichten kollidiert (§ 6 Abs. 4 ArbZG). In § 6 Abs. 5 ArbZG wird zwingend 25 geregelt, dass der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren hat, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen. Nach der Gesetzesbegründung 26 sollte mit dieser Regelung Nachtarbeitnehmern ein Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen gewährt werden, ohne dass der Gesetzgeber Vorgaben zum Umfang des Ausgleichs machen wollte. Dabei stellt der Gesetzgeber beide Alternativen, nämlich den bezahlten Freizeitausgleich und den Nachtarbeitszuschlag, nicht in ein Rangverhältnis, sondern begründet eine Wahlschuld des Arbeitgebers 27. Soweit kein bezahlter Freizeitausgleich gewährt wird, sondern stattdessen ein finanzieller Ausgleich, soll auch dieser zumindest mittelbar dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dienen, weil die Nachtarbeit für den Arbeitgeber wirtschaftlich aufwendiger und damit weniger attraktiv ist 28. Außerdem sollte die Rege-
25 26 27 28
stimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und BAG v. 11.12.2013 – 10 AZR 736/12, NZA 2014, 669 Rz. 19. BAG v. 15.7.2009 – 5 AZR 867/08, AP Nr. 10 zu § 6 ArbZG Rz. 17. BT-Drucks. 12/5888 S. 26. BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, BB 2016, 563 Rz. 53. BAG v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, NZA 2005, 884 Rz. 32; BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, BB 2016, 563 Rz. 18.
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Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags
lung unter dem Vorbehalt stehen, dass nicht aufgrund tarifvertraglicher Regelungen bereits ein Ausgleich erfolgt. So geht auch das BAG 29 in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 6 Abs. 5 ArbZG die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien überlässt und nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch schafft. Mangels Vorliegens einer tarifvertraglichen Regelung kann der in § 6 Abs. 5 ArbZG nur allgemein vorgegebene Anspruch auf angemessenen Ausgleich durch einzelvertragliche Regelung der Arbeitsvertragsparteien näher ausgestaltet werden 30. Dem Arbeitgeber steht kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zu 31. Allerdings muss die vertragliche Gestaltung den Ausgleichszweck hinreichend erkennen lassen und die Regelung muss entweder in der Gewährung einer angemessenen Zahl bezahlter freier Tage und/oder einem angemessenen Zuschlag auf das für die Nachtarbeit zustehende Bruttoarbeitsentgelt bestehen. Sie kann insbesondere in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, die die besonderen gesetzlichen Anforderungen der §§ 305 ff. BGB einzuhalten haben, getroffen werden 32. Liegt keine abschließende tarifliche Regelung vor, hat der Betriebsrat bei der Ausgestaltung des vom Arbeitgeber gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG geschuldeten Ausgleichs für Nachtarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen 33. Diese Mitbestimmung betrifft die Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob ein Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG durch bezahlte freie Tage oder durch einen angemessenen Entgeltzuschlag zu gewähren ist. Die Frage der Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags bei dauerhafter Nachtarbeit war Gegenstand der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 9.12.2015 34. Der Fall betraf einen Lkw-Fahrer im Linientransport, der überwiegend in der Zeit zwischen 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr tätig war. Die nicht tarifgebundene Beklagte, die Logistik- und Paketdienstleistungen erbringt, zahlte dem Kläger für die Zeit von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr zum Bruttostundenlohn einen Nachtarbeitszuschlag, der 20 % des Bruttostundenlohns von 15,90 € betrug. Dieser Bruttostundenlohn lag über der Vergütung des ein29 Nur BAG v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, NZA 2005, 884 Rz. 33; BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 369/10, NZA-RR 2011, 581 Rz. 18; BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, BB 2016, 563 Rz. 15. 30 BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, BB 2016, 563 Rz. 19 m. w. N. 31 So aber noch BAG v. 24.2.1999 – 4 AZR 62/98, NZA 1999, 995 Rz. 44. 32 BAG v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, NZA 2005, 884. 33 BAG v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, NZA 2005, 884 Rz. 31; BAG v. 17.1.2012 – 1 ABR 62/10, NZA 2012, 513 Rz. 14. 34 10 AZR 423/14 und 10 AZR 156/15, BB 2016, 563.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
schlägigen Tarifvertrags. Der Kläger machte geltend, ihm müsse ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % seines Bruttostundenlohns oder eine entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage von der Beklagten gewährt werden. Die Beklagte berief sich darauf, dass sie bereits einen deutlich übertariflichen Stundenlohn gewähre und darüber hinaus der Nachtarbeitszuschlag bereits ab 21:00 Uhr an den Kläger gezahlt werde. Das BAG hat dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen, wonach die Beklagte verpflichtet ist, für geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag von 30 % des Bruttostundenlohns für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder für jeweils 90 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden je zwei bezahlte freie Tage zu gewähren. Rechtsgrundlage für diese Feststellung bildet § 6 Abs. 5 ArbZG, wobei der Arbeitgeber ein Wahlrecht hat, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Damit konkretisiert sich die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) auf eine der alternativ geschuldeten Leistungen, sobald der Arbeitgeber das ihm zustehende Wahlrecht ausgeübt hat 35. Soweit es um die Höhe des Nachtarbeitszuschlags geht, knüpft das BAG an die bisherige Rechtsprechung an, wonach ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit i. S. v. § 6 Abs. 5 ArbZG darstellt 36. Dies folgt daraus, dass sich die Alternativleistungen wegen ihrer Gleichwertigkeit ihrem Wert nach grundsätzlich zu entsprechen haben 37, wobei der Arbeitgeber die jeweiligen Freistellungen auch während der Tagschicht gewähren kann. Das BAG weist ergänzend in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, ob dieser Ausgleich nach Prozentsätzen bestimmt wird, ob feste Euro-Beträge für Stunden oder Schichten gezahlt werden oder sich der Freizeitausgleich in anderer Weise errechnet. Entscheidend ist vielmehr, dass sich ein Wert im Verhältnis zu der für die Nachtarbeit i. S. v. § 2 Abs. 4 ArbZG gezahlten Bruttovergütung bestimmen lässt, der auf seine Angemes-
35 BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 369/10, NZA-RR 2011, 581 Rz. 53. 36 Vgl. nur BAG v. 11.2.2009 – 5 AZR 148/08, AP Nr. 9 zu § 6 ArbZG Rz. 12; BAG v. 16.4.2014 – 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277 Rz. 51 m. w. N.; BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, BB 2016, 563 Rz. 15. 37 BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 422/04, NZA 2006, 494 Rz. 22; BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, BB 2016, 563 Rz. 20.
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Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags
senheit i. S. v. § 6 Abs. 5 ArbZG überprüft werden kann und dieser Prüfung standhält. Ein Wert von 25 % ist nach Ansicht des BAG typischerweise dann angemessen, wenn ein Arbeitnehmer „Nachtarbeitnehmer“ i. S. v. § 2 Abs. 5 ArbZG ist, also im gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang von 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leistet oder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht leistet und während dieser Zeit die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, ohne dass besondere Umstände vorliegen, die Anlass für eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des Ausgleichsanspruchs bieten würden. Dabei verweist das BAG auf § 3b Abs. 1 Nr. 1 EStG, wonach eine Steuerfreiheit für Nachtzuschläge in Höhe von 25 % vorgesehen ist und daraus auf die Angemessenheit dieser Größenordnung geschlossen werden kann. Geht es jedoch nicht um den vorbeschriebenen typischen Nachtarbeitnehmer, kann nach Auffassung des BAG eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des regelmäßig angemessenen Werts von 25 % geboten sein, was etwa dann der Fall ist, wenn ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag bzw. nach entsprechender Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber dauerhafte Nachtarbeit leisten muss (Dauernachtarbeit). In diesem Fall hält das BAG regelmäßig einen Nachtarbeitszuschlag i. H. v. 30 % auf den Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl bezahlter freier Tage für angemessen. Ausschlaggebend ist dabei die Erwägung des BAG, dass sich nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen die Belastung des Arbeitnehmers mit dem Umfang der geleisteten Nachtarbeit erhöht. Davon geht auch das ArbZG aus, wonach der Schutz für Nachtarbeitnehmer bereits einsetzt, wenn diese an 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leisten oder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu erbringen haben. Auf der anderen Seite kann sich der normale Ausgleich von 25 % verringern, weil etwa in die Zeit der Nachtarbeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt38, oder es sich um Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist 39. In diesem Zusammenhang kann auch – wie das BAG ausführt – nach der Art der Arbeitsleistung zu beurteilen sein, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen oder in einem solchen Fall nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann. 38 BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 369/10, NZA-RR 2011, 581 Rz. 25. 39 BAG v. 15.7.2009 – 5 AZR 867/08, AP Nr. 10 zu § 6 ArbZG Rz. 21.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Letzteres kommt nur für Fälle in Betracht, bei denen die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist. Auch in einem solchen Fall ist nach Ansicht des BAG ein Zuschlag von 10 % regelmäßig die Untergrenze dessen, was als angemessen angesehen werden kann. Rein wirtschaftliche Erwägungen reichen indes nicht aus, um eine Abweichung vom Regelwert nach unten zu begründen. Im Hinblick auf die Wertfrage des Zuschlags diskutiert abschließend das BAG, ob eine Anlehnung an tarifvertragliche Regelung geboten sein kann, verwirft jedoch diese Erwägung unter Hinweis darauf, dass tarifvertragliche Regelungen typischerweise Teile eines Gesamtpakets darstellen, so dass die Höhe einer einzelnen Leistung für die Beurteilung der Angemessenheit i. S. von § 6 Abs. 5 ArbZG nur eine begrenzte Aussagekraft besitzt. In Anbetracht dieser allgemeinen Erwägungen geht das BAG im Streitfall davon aus, dass der Kläger Dauernachtarbeit leistet und daher ein Zuschlag von 30 % auf den Bruttostundenlohn gerechtfertigt ist. Das BAG sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Belastung des Klägers geringer sei als diejenige eines anderen Arbeitnehmers, der Dauernachtarbeit leistet. Ebenso wenig handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine Arbeitsleistung, die zwingend in der Nacht abgewickelt werden muss und aus diesem Grunde der mit dem Zuschlag verfolgte Zweck, die Nachtarbeit im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers zu verteuern, nicht zum Tragen kommt. Das BAG verneint in diesem Zusammenhang einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil ein derartiger Eingriff durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Dabei lässt das BAG unberücksichtigt, dass die Beklagte dem Kläger einen übertariflichen Lohn gezahlt hat, weil Ausgangspunkt für den Zuschlag der jeweilige Bruttostundenlohn ist. Ebenso wenig kann die Beklagte den für die Zeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr gezahlten Zuschlag von 20 % des Bruttostundenlohns auf die Zeiten der Nachtarbeit umlegen oder anrechnen, weil bezüglich dieser Zuschläge ein hinreichender Bezug zur Nachtarbeit fehlt. Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass dem Arbeitgeber das Wahlrecht nach § 6 Abs. 5 ArbZG grundsätzlich für jede Entgeltzahlungsperiode, typischerweise also kalendermonatlich neu zusteht, wobei das Wahlrecht der Disposition der Arbeitsvertragsparteien unterliegt, so dass sie sich dauerhaft auf eine Alternative des Ausgleichs festlegen können. Da das Wahlrecht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt,
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AGB-Kontrolle einer Pauschalvergütung von Überstunden und Sonderformen der Arbeit
können sich die Alternative und die Frage des Wechsels aus einer kollektivrechtlichen Regelung ergeben. Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung von weiterführender Bedeutung, weil das BAG die Grundsätze umschreibt, die den Maßstab für die Angemessenheit des Zuschlags für Nachtarbeit abgeben. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass gerade für die Nachtarbeitsstunden zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr die Qualität des Nachtarbeitszuschlag erkennbar ist und sich insoweit vom eigentlichen Bruttostundenlohn abhebt. (Boe)
4.
AGB-Kontrolle einer Pauschalvergütung von Überstunden und Sonderformen der Arbeit
Bereits bei früherer Gelegenheit hatte das BAG deutlich gemacht, dass eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden im Rahmen eines Formulararbeitsvertrags nur dann den gesetzlichen Erfordernissen der Transparenz aus § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB Rechnung trägt, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden solle. Der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukomme“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müsse 40. Mit Urteil vom 18.11.2015 41 hat der 5. Senat des BAG diese Bewertung bestätigt und auf entsprechende Vereinbarungen über eine Pauschalvergütung zu Sonderformen der Arbeit wie Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit übertragen. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Fahrer für den Abschleppdienst und Pannenhelfer eines Kleinunternehmens in MecklenburgVorpommern beschäftigt. Im Rahmen einer 40-Stunden-Woche sollte er 1.000,- € (netto) pro Monat verdienen. Dabei hatten die Parteien auszugsweise im Formulararbeitsvertrag vom 24.11.2009 wie folgt vereinbart: §2 Arbeitsentgelt 1.
Der Arbeitnehmer erhält eine Nettovergütung in Höhe von 1.000,00 € monatlich, in der bereits 30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit) enthalten sind. Not- und Bereitschaftsdienst wird nicht gesondert vergütet.
40 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 Rz. 21. 41 5 AZR 751/13 n. v. Rz. 23.
115
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Außerdem erhält der Arbeitnehmer eine Zulage für zusätzliche Einsätze, während der Bereitschaftszeit:
2.
- Pannenhilfe, PKW
10,00 €/Brutto/Auftrag
- Abschleppen PKW
10,00 €/Brutto/Stunde
Die Zulage ist jederzeit frei widerruflich und kann bei Tariflohnund Ortsklassenänderungen aufgerechnet werden … §9 Besondere Vereinbarungen
1.
Der unterzeichnende Arbeitnehmer erklärt sich unwiderruflich bereit, im Wechsel mit den anderen Kollegen der Werkstatt die RufBereitschaft und den damit anfallenden Notdienst aufrecht zu erhalten. …
7.
Für die Übernahme der Ruf-Bereitschaft wird ein PauschalEntgelt gezahlt, dessen Höhe frei vom Arbeitgeber festgesetzt wird. Zur Frage des Rechtsanspruchs einer solchen Vergütung wird auf § 2 Abs. 2 dieses Vertrags verwiesen.
8.
Auf Verlangen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers müssen angefallene Überstunden und deren Zuschläge als Freizeit genommen werden (siehe § 3 des Manteltarifvertrages). Eine abweichende Regelung muss schriftlich vereinbart werden. … § 16 Zusatzvereinbarungen
Es wird weiterhin vereinbart, dass der Arbeitnehmer jede zweite Woche den Nachtbereitschafts-Notdienst übernimmt. Ist genügend anderes einsatzfähiges Personal vorhanden, verringert sich diese Einsatzzeit entsprechend.
Während seiner Normalarbeitszeit fuhr der Kläger in der Regel zwei bis drei Einsätze arbeitstäglich, bei schlechten Witterungsverhältnissen öfter. Darüber hinaus wurde der Kläger für Bereitschaften eingeteilt, während derer er auf Anruf Pannenhilfe leisten musste. In welchem Umfang der Kläger dabei Vollarbeit verrichtete, ist streitig geblieben. Im Rahmen der hier in Rede stehenden Klage hatte der Kläger zwar geltend gemacht, das die vereinbarte Vergütung in Höhe von 1.000,00 € (netto) pro Monat für die Normalarbeitszeit zwar nicht zu beanstanden sei. Unzulässig sei aber, dass keine gesonderte Vergütung für die Bereitschaften erfolge. Ausgehend davon, dass er im Beschäftigungszeitraum 516 Stunden „Ein116
AGB-Kontrolle einer Pauschalvergütung von Überstunden und Sonderformen der Arbeit
satzzeit“ geleistet hatte, sollte ihm die Beklagte unter Abzug der gezahlten 27.000,00 € (netto) insgesamt weitere 55.768,00 € (brutto) bezahlen. Während die beiden Vorinstanzen nur einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 2.000,00 € (netto) für gerechtfertigt hielten, hat das BAG die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung hat der Kläger Anspruch auf eine gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften. Allerdings konnte auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht entschieden werden, in welcher Höhe die Klage insoweit begründet war. Zunächst einmal hat das BAG dabei deutlich gemacht, dass eine sittengemäße Vergütung für die in der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit nicht dadurch das Makel der Sittenwidrigkeit erhalte, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Verkennung der Rechtslage Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit vorenthalte. Vielmehr sehe die Rechtsordnung in einem solchen Fall einen Anspruch auf – zusätzliche – Vergütung geleisteter Mehr- und Sonderarbeit vor 42. Zu Recht ist das BAG indes davon ausgegangen, dass der arbeitsvertraglich vorgesehene teilweise Ausschluss einer – gesonderten – Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit den zu § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entwickelten Grundsätzen nicht genügte. Dies betraf nicht nur § 2 Nr. 1 S. 1 des Arbeitsvertrags, nach dem das Monatsentgelt in Höhe von 1.000,- € (netto) bereits eine Vergütung für „30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit)“ enthalten sollte. Auch § 2 Nr. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags war insoweit betroffen, nach dem „Not- und Bereitschaftsdienst“ nicht gesondert vergütet werden sollte. Beide Klauseln waren nach den Feststellungen des BAG nicht klar und verständlich. Denn der Arbeitnehmer könne § 2 Nr. 1 S. 1 des Arbeitsvertrags nicht entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang er bei „30 Einsätzen/Monat“ zusätzlich über die Normalarbeitszeit hinaus Vollarbeit leisten müsse. § 2 Nr. 1 S. 2 des Arbeitsvertrags lasse den Arbeitnehmer zwar wissen, dass ein „Not- und Bereitschaftsdienst“ nur insoweit gesondert vergütet werden sollte, als er ab dem 31. Einsatz im Monat die in § 2 Nr. 1 S. 3 des Arbeitsvertrags vorgesehene „Zulage“ erhalte. Unklar blieb aber, in welchem zeitlichen Umfang er in der Abrechnungsperiode „Monat“ außerhalb der Normalarbeitszeit Vollarbeit leisten oder sich dafür bereit halten müsse,
42 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13 n. v. Rz. 15.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
um in den Genuss der Vergütung nach § 2 Nr. 1 S. 3 des Arbeitsvertrags zu kommen. Soweit in § 9 des Arbeitsvertrags eine ergänzende Verpflichtung zur Übernahme von Ruf-Bereitschaften vorgesehen war, für deren Übernahme ein „Pauschal-Entgelt“ gezahlt werden sollte, blieb unklar, wie diese Tätigkeit zu „Not- und Bereitschaftsdiensten“ abzugrenzen war. Unklar war auch, welche Überstunden von dem in § 9 Nr. 8 des Arbeitsvertrags vorgesehenen Freizeitausgleich betroffen sein sollten. Nach Auffassung des BAG ergab sich bereits aus dem Arbeitsvertrag, allerdings im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung, ein Anspruch des Klägers auf eine gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften. Insofern war auch ein Rückgriff auf § 612 Abs. 1 BGB nicht erforderlich. Denn der Arbeitsvertrag ließ – so das BAG – bereits erkennen, dass die Parteien die durch den Kläger zu leistenden Bereitschaften nicht in Gänze ohne Entgelt belassen wollten. Vielmehr sollte dafür eine Vergütung gezahlt werden, allerdings weniger, als dies nach dem Arbeitsvertrag für Vollarbeit vorgesehen war. Da dieses Regelungskonzept im Formulararbeitsvertrag planwidrig nicht zur Umsetzung gekommen war, obliegt es dem Arbeitsgericht, unter Berücksichtigung der zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Grundsätze eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Diese habe sich – so das BAG – nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren. Maßgeblich sei, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Parteien vereinbart hätten 43. Dies folgt schlussendlich aus den gesetzlichen Vorschriften, die als Folge einer Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag enthaltenen Ausschlussregelungen zur Anwendung kommen (§ 306 Abs. 2 BGB). Hiervon ausgehend obliegt es nunmehr dem LAG Mecklenburg-Vorpommern, nach Gewährung rechtlichen Gehörs zu ermitteln, wie die Parteien die Vergütungsregelung für zu leistende Bereitschaften redlicher Weise vervollständigt hätten, wäre ihnen die Lückenhaftigkeit der getroffenen Regelung bewusst gewesen 44: Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass entsprechende Pauschalregelungen nur wirksam sind, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss die für die außerhalb der Normalarbeit geleistete Tätigkeit ver43 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13 n. v. Rz. 29; BAG v. 25.6.2015 – 6 AZR 383/14, NZA-RR 2015, 649 Rz. 39. 44 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13 n. v. Rz. 30.
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Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay)
sprochene Vergütung klar von dem Entgelt für die Normalarbeit abgegrenzt werden. Andernfalls wäre nicht erkennbar, welcher Teil der vereinbarten Vergütung die Normalarbeit und welcher Teil die gesonderte Tätigkeit des Arbeitnehmers betrifft. Ergänzend hierzu muss bereits im Arbeitsvertrag festgelegt werden, welcher Umfang der außerhalb der Normalarbeit zu leistenden Tätigkeit durch den Pauschalbertrag abgegolten sein soll. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Arbeitnehmer erkennen, welche Gegenleistung maximal erbracht werden muss, um die im Arbeitsvertrag versprochene Vergütung zu erhalten. Nur bei einer solchen Zuordnung wäre es im Übrigen möglich, einer Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns und sonstiger Schranken für die Entgelthöhe (z. B. § 138 BGB) festzustellen. Will der Arbeitgeber solche Klarstellungen hinsichtlich des Umfangs der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung vermeiden und nimmt er deshalb auch die Unwirksamkeit entsprechender Pauschalabreden hin, empfiehlt es sich jedenfalls, diese mit einer (wirksamen) Ausschlussfrist zu versehen. Damit bleibt das wirtschaftliche Risiko auf die Zeiträume begrenzt, innerhalb derer etwaige Zahlungsansprüche geltend gemacht werden müssen. (Ga)
5.
Arbeitnehmer: Praktische Anforderungen an die Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay)
Gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Auch wenn damit ein Anspruch auf Equal-Treatment bestimmt wird, der alle wesentlichen Arbeitsbedingungen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. f) Richtlinie 2008/104/EG erfasst 45, steht in der betrieblichen Praxis doch der damit verbundene Anspruch auf Equal-Pay im Vordergrund. Dabei werden Geld- und Sachleistungen gleichermaßen erfasst. Abweichungen hiervon sind nach der derzeit noch geltenden Rechtslage allerdings durch einen Tarifvertrag zulässig, der mit Wirkung für das Leiharbeitsverhältnis die wesentlichen Arbeitsbedingungen abweichend bestimmt, sofern dabei nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3 a Abs. 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschritten werden.
45 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 23; BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850 Rz. 25 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Daran wird sich auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen im Bereich des AÜG, die zum 1.1.2017 geplant sind 46, nichts ändern. Denn die entsprechende Verpflichtung wird in § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG übernommen. Allerdings wird dort die Vermutung festgeschrieben, dass eine entsprechende Gleichstellung vorliegt, wenn der Leiharbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt erhält. Abweichungen sind nach § 8 Abs. 4 AÜG allerdings grundsätzlich auch durch Tarifvertrag nur noch für längstens 15 Monate zulässig. Danach muss mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht werden, dass in einem Tarifvertrag nach § 8 Abs. 2 AÜG als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist. Fehlt dieser Tarifvertrag, bleibt es also beim Arbeitsentgelt bei der uneingeschränkten Gleichstellungsverpflichtung, die sämtliche Geldoder Sachleistungen einbezieht, die vergleichbaren Arbeitnehmern auf individual- und kollektivrechtlicher Ebene beim Entleiher gewährt werden. Wenn und soweit keine wirksamen tarifvertraglichen Regelungen zur Abweichung bzw. Konkretisierung des Equal-Pay-Grundsatzes vorliegen, ist zur Ermittlung der Höhe des Gleichstellungsanspruchs ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Dabei kann an die Grundsätze angeknüpft werden, die das BAG jetzt noch einmal im Urteil vom 21.10.2015 47 konkretisiert hat. Dabei sind das im Betrieb des Entleihers einem Stammarbeitnehmer gewährte Vergleichsentgelt und das dem Leiharbeitnehmer vom Verleiher gezahlte Entgelt miteinander zu saldieren. Wichtig ist allerdings, dass die Höhe dieser Differenzvergütung für jeden Überlassungszeitraum getrennt zu ermitteln ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass außerhalb der Überlassungszeiträume auch kein Anspruch auf Equal-Pay bzw. Equal-Treatment gegeben ist. Ändert sich die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers beim Entleiher, muss auch dies mit Blick auf die Kennzeichnung der vergleichbaren Stammarbeitnehmer berücksichtigt werden 48. Maßgeblich für die Bestimmung des Vergleichsentgelts sind nicht die zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vereinbarten Vertragsbedingungen. Auch spielt es keine Rolle, für welche Tätigkeit der Leiharbeitnehmer durch den Verleiher eingestellt wurde. Vielmehr ist auf die Arbeits-
46 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2016, 1 ff. 47 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 13 ff. 48 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 13 f.; BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 667/12 n. v. Rz. 12.
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Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay)
bedingungen abzustellen, die für den Leiharbeitnehmer gelten würden, wenn dieser durch den Entleiher unmittelbar für den Arbeitsplatz, auf dem dort die Tätigkeit verrichtet wurde, eingestellt worden wäre. Das folgt – wie das BAG deutlich macht – auch aus Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG. Denn die Richtlinie stelle, indem sie auf „den gleichen Arbeitsplatz“ Bezug nehme, auf die Art der vom Leiharbeitnehmer beim Entleiher ausgeübten Tätigkeit ab. Mangels abweichender nationaler Regelungen komme es daher für die Bestimmung des Vergleichsentgelts zunächst allein auf diese Tätigkeit an. Nichts anderes gelte, wenn der Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftige. Auch in diesem Fall sei das Vergleichsentgelt tätigkeitsbezogen zu bestimmen. Insofern sei unabhängig davon, ob der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema anwende, in das der Leiharbeitnehmer fiktiv eingruppiert werden könne, das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. Neben der konkreten Tätigkeit sind weitere Merkmale, wie z. B. die formale Qualifikation, die Kompetenz oder die Berufserfahrung des Leiharbeitnehmers nur dann von Bedeutung, wenn der Entleiher diese auch bei der Ermittlung und Bemessung der Vergütung von Stammarbeitnehmern als vergütungsrelevant berücksichtigen würde 49. Die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Anspruchs trägt der Arbeitnehmer. Hierzu gehört neben dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer auch die Darlegung des Gesamtvergleichs und die Berechnung der Differenzvergütung 50. Wie das BAG in seinem Urteil vom 21.10.2015 51 deutlich gemacht hat, kann der Leiharbeitnehmer seiner Darlegungslast zwar zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft des Verleihers beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die ordnungsgemäße Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt sei das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen solle, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen. Folgerichtig wird auch § 13 AÜG durch die gesetzliche
49 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 26; BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 1047/12, NZA 2014, 915 Rz. 44; Thüsing/Mengel, AÜG § 9 Rz. 24; HWK/Kalb, AÜG § 3 Rz. 32. 50 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 13 f.; BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2014, 313 Rz. 27. 51 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 16 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Änderung zum 1.1.2017 nur insoweit modifiziert, als sich die Bezugnahmen auf denkbare Abweichungen durch Tarifvertrag ändern. Voraussetzung für eine entsprechende Verwertbarkeit dieser Auskunft ist allerdings, dass sie substantiiert die Entgeltbestandteile eines Stammarbeitnehmers des Entleihers erkennen lässt, der während des streitgegenständlichen Überlassungszeitraums auf dem gleichen bzw. vergleichbaren Arbeitsplatz beschäftigt war. War der Leiharbeitnehmer in unterschiedlichen Betrieben bzw. auf unterschiedlichen Arbeitsplätzen im Einsatz, ist eine entsprechend differenzierte Auskunft des Entleihers erforderlich, um die Darlegungserfordernisse zu erfüllen. Fehlt eine entsprechende – ausreichende – Auskunft nach § 13 AÜG, muss der Arbeitnehmer zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Entgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen, soweit diese sich nicht aus der Auskunft ergeben 52. Dabei kann der Leiharbeitnehmer für die Darlegung des durch den Verleiher gewährten Entgelts auch etwaige Lohnabrechnungen nutzbar machen. Voraussetzung ist aber auch insoweit, dass diese den verschiedenen Überlassungszeiträumen der jeweils streitgegenständlichen Entleiher zugeordnet werden können. Insbesondere müssen also die Arbeitsleistung und die hierfür jeweils gezahlte Vergütung diesen Zeiträumen bereits mit Hilfe der Abrechnung zugeordnet werden können. Ist dies nicht möglich, muss der Leiharbeitnehmer selbst den entsprechenden Sachvortrag leisten. Da der Leiharbeitnehmer in dem der Entscheidung vom 21.10.2015 53 zugrunde liegenden Fall nicht ausreichend vorgetragen hatte, ist die Klage abgewiesen worden. Dies macht deutlich, dass für Leiharbeitnehmer hohe Hürden bestehen, wenn aus einer geltend gemachten Missachtung des Grundsatzes auf Equal-Pay konkrete Zahlungsansprüche gegenüber dem Verleiher abgeleitet werden sollen. Hinzu kommt, dass diesbezüglich auch Ausschlussfristen bzw. Verjährungsregelungen greifen. (Ga)
6.
Anrechnungsfähige Entgeltbestandteile beim Mindestlohn
Bereits in der Vergangenheit haben wir uns mit der Frage befasst, welche Entgeltbestandteile auf den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG zur An-
52 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 20; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782 Rz. 23. 53 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 Rz. 12 ff.
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Anrechnungsfähige Entgeltbestandteile beim Mindestlohn
rechnung kommen 54. Problematisch daran ist, dass der Gesetzgeber auf eine weitergehende Kennzeichnung der Entgeltbestandteile verzichtet hat. § 1 MiLoG regelt nur, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber hat. Dabei wird die Höhe des Mindestlohns mit 8,50 € (brutto) je Zeitstunde bestimmt. Dass es sich dabei um eine arbeitsleistungsbezogene Vergütung handelt, lassen allenfalls mittelbar die Regelungen zur Fälligkeit in § 2 Abs. 1 MiLoG erkennen. Danach ist der Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Mit Urteil vom 25.5.2016 55 liegt die erste Entscheidung des BAG zum MiLoG vor. Darüber hinaus hat der 5. Senat des BAG mit Urteil vom 18.11.2015 56 Feststellungen zu den anrechnungsfähigen Entgeltbestandteilen beim Mindestlohn der Pflegebranche getroffen. Daran wird man auch in Bezug auf die Auslegung und Anwendung von §§ 1, 2 MiLoG anknüpfen können.
a)
Anrechnung bei zeitratierlicher Auszahlung von Jahressonderzahlungen
In seinem Urteil vom 25.5.2016 57 hat das BAG zu Recht klargestellt, dass der gesetzliche Anspruch auf den Mindestlohn nach §§ 1, 2 MiLoG durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis als Gegenleistung für Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen erfüllt werden, soweit sie beim Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Ausgenommen würden nur solche Zahlungen, die ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werden oder eine besondere (gesetzliche) Zweckbestimmung verfolgten. Hiervon ausgehend hat das BAG das Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den gesetzlichen Monatslohn angerechnet, nachdem der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat im Dezember 2014 vereinbart hatte, diese Zahlungen zeitratierlich und ohne jeden Vorbehalt zu 1/12 mit dem Monatsgehalt auszuzahlen. Unter Einbeziehung dieser Zahlungen sei der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Klägerin für den Zeitraum von Januar bis November 2015 erfüllt. In Übereinstimmung mit
54 55 56 57
B. Gaul, AktuellAR 2014, 273 ff.; 2015, 108 ff., 439 ff. 5 AZR 135/16 n. v. 5 AZR 761/13 n. v. 5 AZR 135/16 n. v.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
den Feststellungen des LAG Berlin-Brandenburg ist die Klage deshalb abgewiesen worden.
b)
Anrechnung von leistungs- und erfolgsbezogenen Zahlungen in Bezug auf den Mindestlohn der Pflegebranche
In dem der Entscheidung vom 18.11.2015 58 zugrunde liegenden Fall war die Klägerin im Rahmen von 24-Stunden-Diensten bei Pflegepatienten eingesetzt. Ihre monatliche Arbeitszeit von 182 Stunden wurde dabei über ein quartalsweise geführtes Arbeitszeitkonto abgerechnet. Ergänzend hierzu hatten die Parteien wie folgt vereinbart: 2. Sofern dem Arbeitnehmer bei einem Pflegebedürftigen eine „Rundum-Pflege“ vor Ort obliegt, wird diese Tätigkeit auf dem Arbeitszeitkonto je Arbeitstag mit 8 Stunden zuzüglich einer „Pauschale Ruf-Bereitschaft“ mit einem zusätzlichen Betrag von 3,25 Stunden entlastet. Mit dieser Entlastung um weitere 3,25 Stunden je Arbeitstag werden Arbeitsbereitschaftsdienst, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft - einschließlich ggf. dabei geleisteter Arbeit – abgegolten. 3. Außerdem erhält der Arbeitnehmer bei einer „Rund-um-Pflege“ vor Ort einen (Nacht-)Zuschlag in Höhe von pauschal € 6,40 (brutto). Mit diesem weiteren zusätzlichen Entgelt werden geleistete Arbeitsbereitschaftsdienst, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft - einschließlich ggf. dabei geleisteter Arbeit – vergütet.
Ergänzend hierzu waren im Arbeitsvertrag die Zahlung einer Prämie in Höhe von 300,- € (brutto) nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens einem Jahr sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vorgesehen. In seiner Entscheidung stellte der 5. Senat des BAG zunächst einmal klar, dass bei der ambulanten Pflege „Rund-um-die-Uhr“ das Mindestentgelt nach der PflegeArbbV geschuldet wird, wenn die Vollarbeit in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XI die hauswirtschaftliche Versorgung in den Bereichen des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI überwiegt und die Pflegekraft sich im Übrigen beim Pflegebedürftigen bereit halten muss, bei Bedarf weitere Pflegeleistungen in der Grundpflege zu erbringen. Entscheidend für die Kennzeichnung einer Tätigkeit im Anwendungsbereich der PflegeArbbV ist damit die überwiegende (aktive) Tätigkeit. Weitergehend
58 5 AZR 761/13 n. v.
124
Anrechnungsfähige Entgeltbestandteile beim Mindestlohn
verrichtete Bereitschaftsdienste sind für die Kennzeichnung der Arbeit nicht entscheidend. Hiervon ausgehend konnte die Klägerin für die Zeit ihrer Tätigkeit das Mindestentgelt nach der PflegeArbbV verlangen. Dieses Entgelt war auch in Zeiten maßgeblich, während derer Entgeltfortzahlungsansprüche wegen Krankheit bestanden. Dabei war zwar für den Zeitfaktor die Zeitspanne maßgeblich, die die Klägerin ohne ihre Krankheit tatsächlich im Einsatz gewesen wäre. Aus dem Grundsatz der Entgeltfortzahlung ergibt sich aber, dass sich die Höhe des in dieser Zeit zu zahlenden Entgelts (Geldfaktor) nach dem Mindestentgelt in § 2 PflegeArbbV bestimmte. Dieser Mindestentgeltanspruch der Klägerin war durch die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags nicht erfüllt worden. In Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung zu §§ 1, 2 MiLoG geht das BAG im Urteil vom 18.11.2015 59 davon aus, das der damit verbundene Zweck, nämlich einen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastung zu gewähren, einer Anrechnung entgegensteht. In dieser Weise hatte das BAG im Urteil vom 16.4.2014 60 auch zum Mindestlohntarifvertrag für die Abfallwirtschaft entschieden. In Übereinstimmung mit der diesseits vertretenen Auffassung zu §§ 1, 2 MiLoG - abweichend allerdings zu der wohl herrschenden Meinung – hat das BAG indes angenommen, dass Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit auf das Mindestentgelt anzurechnen seien. Derartige Zuschläge seien Arbeitsentgelt und erfüllten die Zwecke der PflegeArbbV. § 2 PflegeArbbV lege das Mindestentgelt unabhängig von der Anzahl der zu leistenden Stunden und unabhängig von den Tagen fest, an denen die Arbeitsleistung zu erbringen sei. Die Norm nehme damit keine Rücksicht darauf, ob übermäßig lange Arbeit oder Arbeit an Sonn- und Feiertagen für die Beschäftigten mit besonderen Erschwernissen verbunden sei. Einen gesonderten Zuschlag für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit sehe die PflegeArbbV ebenso wenig wie das ArbZG vor 61. Mit vergleichbarer Begründung hält das BAG auch die Prämie in Höhe von 300,- € (brutto) für anrechenbar auf den Mindestentgeltanspruch im Monat der Auszahlung, bei einem „Überschuss“ auch im Folgemonat, in dem das Mindestentgelt fällig werde. Denn die Prämie sei nach dem Arbeitsvertrag der Parteien Teil der Vergütung für die geleistete Arbeit und erfülle die Zwe-
59 5 AZR 761/13 n. v. Rz. 22 f. 60 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277 Rz. 50 ff. 61 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 761/13 n. v. Rz. 24.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
cke der PflegeArbbV, welche ihrerseits die Anrechnung von Prämien auf das Mindestentgelt nicht ausschließe 62. Abgelehnt hat es das BAG allerdings, Arbeitgeberbeiträge zu vermögenswirksamen Leistungen auf das Mindestentgelt anzurechnen. Wegen der erheblichen Bindungsdauer der angelegten Gelder fehle es an aktuellen Vorteilen für die Beschäftigten. Vermögenswirksame Leistungen dienten der langfristigen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und seien keine unmittelbare Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Sie seien damit nicht geeignet, die Zwecke der PflegeArbbV zu erfüllen. Gleiches gelte auch für die Erstattung von Fahrtkosten, wenn es sich dabei um echten Aufwendungsersatz handele. Etwas anderes gelte allenfalls dann, wenn es sich bei einem solchen Aufwendungsersatz um „verschleiertes Arbeitsentgelt“ handele, das auch nach steuerrechtlichen Kriterien dem Arbeitnehmer nur brutto gezahlt werden könne 63. Der durch das BAG vorgenommenen Differenzierung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Da die PflegeArbbV in gleicher Weise wie §§ 1, 2 MiLoG nur zum Ausdruck bringt, dass eine Mindestvergütung für die geleistete Arbeit gezahlt werden muss, lassen sich mit den hier erkennbaren Überlegungen auch entsprechende Anrechnungsentscheidungen im Rahmen von §§ 1, 2 MiLoG rechtfertigen. Dies widerspricht der wohl ganz herrschenden Meinung zu §§ 1, 2 MiLoG, die sich bei der abweichenden Auffassung allerdings von einer Sichtweise der Bundesregierung hat leiten lassen, die die Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung zur Entsenderichtlinie verkannt hatte 64. Ungeachtet dessen sei der betrieblichen Praxis empfohlen, dort, wo es möglich ist, Zuschläge und Sonderzahlungen in das fortlaufend gezahlte Arbeitsentgelt einzubinden. Das entspricht den Feststellungen des BAG im eingangs genannten Urteil des BAG v. 25.5.2016 65 und vermeidet entsprechende Auseinandersetzungen über die Anrechenbarkeit entsprechender Leistungen. (Ga)
62 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 761/13 n. v. Rz. 26. 63 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 761/13 n. v. Rz. 25, 27; BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 500/14 n. v. Rz. 39; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, NZA 2013, 1226 Rz. 34 ff. 64 Eingehend B. Gaul, AktuellAR 2014, 34 f., 273 ff.; 2015, 108 ff., 439 ff. 65 5 AZR 135/16 n. v.
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Übertragung, Abgeltung und Vererblichkeit von Urlaubsansprüchen
7.
Übertragung, Abgeltung und Vererblichkeit von Urlaubsansprüchen nach langandauernder Erkrankung
Es entsprach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BAG 66, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet wird. Ausgangspunkt bildete dabei die Erwägung, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers darauf gerichtet ist, seine Arbeitspflichten für die Dauer des Urlaubs zu beseitigen. Solche Pflichten können nach dem Tod des Arbeitnehmers nicht mehr entstehen, so dass auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach dem BUrlG als Surrogat des Naturalurlaubsanspruchs mit dem Tod des Arbeitnehmers entfällt. So hat der 9. Senat des BAG veranlasst durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schultz-Hoff 67 trotz Aufgabe der Surrogationstheorie 68, die von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis ausging, in einer Entscheidung vom 20.9.2011 69 die Auffassung vertreten, dass im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Tod des Arbeitnehmers zugleich der Urlaubsanspruch erlischt und sich nicht in einen Urlaubsabgeltungsanspruch im Sinne von § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln kann. Dies begründete das BAG damit, dass gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr bereits der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs geführt habe und damit die in § 7 Abs. 4 BUrlG als Tatbestandsmerkmal vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht vorliege. Der mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehende Urlaubsanspruch könne sich nicht zeitgleich in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Anspruchsuntergang und gleichzeitige Umwandlung des Anspruchs schlössen sich aus 70. Eine Vorlage an den EuGH (Art. 267 AEUV) hielt das BAG nicht für erforderlich, weil die von ihm entwickelten Grundsätze im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie
66 BAG v. 26.4.1990 – 8 AZR 517/89, NZA 1990, 940 Rz. 16; BAG v. 23.6.1992 – 9 AZR 111/91, NZA 1992, 1088 Rz. 10; BAG v. 20.1.1998 – 9 AZR 601/96 n. v. Rz. 17; BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326 Rz. 14. 67 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 Rz. 42 ff. – SchultzHoff. 68 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 44 ff.; BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 Rz. 70. 69 9 AZR 416/10, NZA 2012, 162 Rz. 14. 70 BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 162 Rz. 22.
127
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung stünden 71. Zwischenzeitlich hat der EuGH in der Entscheidung Bollacke vom 12.6.2014 72 darauf erkannt, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Eine solche Abgeltung kann nicht davon abhängen, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat. „Denn zum einen stellt der Anspruch auf Jahresurlaub nur einen der beiden Aspekte eines wesentlichen Grundsatzes des Sozialrechts der Union dar, der auch den Anspruch auf Bezahlung umfasst, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Zum anderen erweist sich ein finanzieller Ausgleich, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers geendet hat, als unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen, der dem Arbeitnehmer nach der Richtlinie 2003/88 zusteht. Würde nämlich die Pflicht zur Auszahlung von Jahresurlaubsansprüchen mit der durch den Tod des Arbeitnehmers bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses enden, so hätte dieser Umstand zur Folge, dass ein unwägbares, weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber beherrschbares Vorkommnis rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub selbst, wie er in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verankert ist, führen würde.“ Nunmehr war der 9. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 22.9.2015 73 erneut mit der Frage befasst, ob der bereits entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch mit dem Tode des Arbeitnehmers untergeht oder vererbbar ist. Überdies ging es darum, ob im Falle der Übertragung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres (15-Monatsfrist) der Urlaubsanspruch bereits tageweise vorher untergeht. Der Fall betraf einen im Angestelltenverhältnis stehenden schwerbehinderten Lehrer im öffentlichen Dienst, der seit dem 9.1.2008 arbeitsunfähig erkrankt war. Ab Mai 2009 erhielt der Arbeitnehmer eine befristete Erwerbsminderungsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die ab März 2011 in eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung umgewandelt wur71 ABlEU L 299 v. 18.11.2003 S. 9. 72 C-118/13, NZA 2014, 651 Rz. 30 – Bollacke. 73 9 AZR 170/14, NZA 2016, 37.
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Übertragung, Abgeltung und Vererblichkeit von Urlaubsansprüchen
de. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete daraufhin am 17.3.2011. Der für das Arbeitsverhältnis einschlägige Tarifvertrag sah vor, dass sich im Falle das Arbeitsverhältnis ruht, die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um 1/12 vermindert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.3.2011 forderte der Lehrer von dem Beklagten eine Urlaubsabgeltung für die Jahre 2008 bis 2011. Nachdem der Beklagte insgesamt 40 Urlaubstage des Lehrers abgegolten hatte, verlangte dieser mit der dem Beklagten am 25.7.2011 zugestellten Klage noch die Abgeltung von weiteren 25 Urlaubstagen aus dem Jahre 2009, der sich aus dem gesetzlichen Urlaub einschließlich des Urlaubs für Schwerbehinderte zusammensetzte. Nach dem Tode des Klägers am 15.5.2013 setzten die Erben den Rechtsstreit gegen den Beklagten fort. Der Beklagte verteidigte sich unter anderem damit, der Arbeitnehmer hätte vom 18. bis 31.3.2011 nur noch 10 Tage Urlaub in Anspruch nehmen können. Im Übrigen sei die Urlaubsabgeltung nicht vererbbar. Zunächst geht das BAG davon aus, dass dem Erblasser bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17.3.2011 aus dem Urlaubsjahr 2009 noch 25 Urlaubstage (§ 3 BUrlG, § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX) zustanden. Der gesetzliche Urlaubsanspruch im Umfang von 25 Arbeitstagen ist zu Beginn des Jahres 2009 unabhängig davon entstanden, dass der Erblasser seit dem 9.1.2008 krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Auch der Bezug der Erwerbsminderungsrente ab Mai 2009 war für den Fortbestand des Urlaubsanspruchs unerheblich. Der gesetzliche Erholungsurlaub (§§ 1, 3 BUrlG) und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub (§ 125 Abs. 1 SGB IX) setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und dieser Umstand nach einer tariflichen Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat. Insofern bestätigt das BAG seine frühere Rechtsprechung 74. In unionskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG knüpft das BAG an seine bisherige Rechtsprechung an 75, wonach der gesetzliche Urlaubsanspruch des verstorbenen Arbeitnehmers aus dem Jahre 2009 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 17.3.2011 noch nicht verfallen war, weil gesetzliche Urlaubsansprüche arbeitsunfähiger Arbeitnehmer erst
74 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 Rz. 8 f. 75 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216.
129
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres untergehen, in dem sie entstanden sind 76. Dem Argument des Beklagten, der Urlaub des Erblassers aus dem Jahre 2009 sei bereits tageweise vor dem 31.3.2011 untergegangen, begegnet das BAG mit dem Hinweis auf die vollständige Aufgabe der Surrogationstheorie, wonach krankheitsbedingt arbeitsunfähige und aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer nicht besserzustellen waren als im Arbeitsverhältnis verbleibende arbeitsunfähige Arbeitnehmer 77. Wenn auch die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf urlaubsrechtliche Vorschriften zurückgeht, ist er nach der Neuorientierung durch die Aufgabe der Surrogationstheorie ein reiner Geldanspruch, der sich in rechtlicher Hinsicht nicht mehr von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber unterscheidet 78. Das BAG weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH 79 erweiterte Übertragungszeitraum im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers verkürzt wird, wenn ein sukzessiver Untergang des Urlaubsanspruchs vor Ablauf des Übertragungszeitraums einträte. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist auch mit dem Tod des Erblassers gemäß § 1922 BGB auf die Erben (Erbengemeinschaft) übergegangen. Dies ist die Konsequenz der Einordnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs als reiner Geldanspruch, weil dieser mit der Aufgabe der Surrogationstheorie nach Ansicht des BAG weder von der Erfüllbarkeit noch Durchsetzbarkeit des Urlaubsanspruchs abhängt noch mit dem Tod des Arbeitnehmers untergeht. Die Entscheidung des BAG bringt zwei für die betriebliche Praxis wichtige Klarstellungen: Zum einen hat die unionskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG zur Folge, dass der 15-monatige Übertragungszeitraum des Urlaubsanspruchs bis zum 31. März voll ausgeschöpft werden kann und nicht verkürzt wird. Damit ist die Konsequenz verbunden, dass der Arbeitnehmer spätestens am 31. März des übernächsten Kalenderjahres den vollen übertragenen Urlaub noch antreten kann. Des Weiteren bejaht das BAG die Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs als reinen Geldanspruch. Allerdings ist nicht klar, ob das BAG seine bisherige Rechtsprechung 80 aufgibt, wonach kein Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht, wenn der Arbeitnehmer
76 EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 Rz. 44 - KHS. 77 Vgl. zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit: BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 747/14 n. v.; BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 507/14, NZA-RR 2016, 235. 78 BAG v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989 Rz. 18. 79 EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 - KHS. 80 BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 162 Rz. 14.
130
Berechnung der Urlaubstage bei Schichtarbeit
noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstirbt. Im Streitfall war der Urlaubsabgeltungsanspruch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Person des Erblassers entstanden und von ihm geltend gemacht worden. Angesichts der Rechtsprechung des EuGH in der Entscheidung Bollacke vom 12.6.2014 81 dürfte allerdings nicht zweifelhaft sein, dass es für den Urlaubsabgeltungsanspruch und seine Vererbbarkeit nicht darauf ankommen kann, ob der Arbeitnehmer noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses oder nach seiner Beendigung verstirbt. (Boe)
8.
Berechnung der Urlaubstage bei Schichtarbeit
In der Tarifpraxis ist es durchaus üblich, in der Fünf-Tage-Woche einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen und damit eine Urlaubsdauer von sechs Wochen vorzusehen mit der Maßgabe, dass bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf mehr oder weniger Tage sich die Anzahl der Urlaubstage erhöht oder vermindert 82. Arbeitet der Arbeitnehmer in drei Schichten, bei denen sich die Nachtschicht über zwei Tage erstreckt, sind die Urlaubstage in Arbeitstage umzurechnen, soweit der Tarifvertrag das sogenannte Tagesprinzip vorschreibt. Bei derartiger Sachlage ist für den Umfang des Urlaubsanspruchs jeder Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, zu berücksichtigen. Erstreckt sich daher eine Nachtschicht über zwei Kalendertage, so ist diese Schicht als zwei Tage zu rechnen 83. Andererseits verringern Freischichttage, an denen der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit verpflichtet ist, rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht 84. Für die Umrechnung ist grundsätzlich auf Arbeitstage abzustellen, wenn der einschlägige Tarifvertrag den Urlaub nach Tagen bemisst. Die Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht ist mit der Anzahl der Urlaubstage ins Verhältnis zu setzen 85. In der Entscheidung vom 21.7.2015 war der 9. Senat des BAG 86 erneut mit der Frage befasst, wie sich die Anzahl der Urlaubstage berechnet, wenn der Arbeitnehmer in Wechselschicht und damit auch in Nachtschicht arbeiten muss. Der Fall betraf einen Kläger, der seine Arbeitsleistung in einem vollkontinuierlichen Wechselschichtmodell erbringt, das unabhängig von Wo81 C-118/13, NZA 2014, 651 - Bollacke. 82 Vgl. etwa § 26 Abs. 1 TVöD: BAG v.15 3.2011 – 9 AZR 799/09, DB 2011, 1814 Rz. 23. 83 BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 145/14, ZTR 2016, 23 Rz. 11. 84 BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 468/02, EzA § 4 TVG Chemische Industrie Nr. 6 Rz. 79. 85 BAG v. 15.3.2011 – 9 AZR 799/09, DB 2011, 1814 Rz. 25. 86 9 AZR 145/14, ZTR 2016, 23.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
chenenden und Feiertagen jeweils in Folge zwei Früh-, zwei Spät-, zwei Nachtschichten und schließlich 72 Stunden ohne Arbeitsleistung vorsieht. Die Frühschichten dauern von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr, die Spätschichten von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr desselben und die Nachtschichten von 22:00 Uhr des einen bis 6:00 Uhr des nächsten Tages. Im einschlägigen Tarifvertrag ist vorgesehen: Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch 30 Arbeitstage. Bei anderer Verteilung der Arbeitszeit in der Kalenderwoche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend.
Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, er habe Anspruch auf jährlich 33 Urlaubstage, während die Beklagte der Auffassung war, ihm stünden lediglich 28 Arbeitstage zu, da er seine Arbeitsleistung an durchschnittlich 4,67 Tagen in der Woche erbringe, weil jede Schicht als ein Arbeitstag zu werten sei, unabhängig davon, ob sich die Schicht über zwei Kalendertage erstrecke. Das BAG 87 hat dem Arbeitnehmer die von ihm verlangten 33 Arbeitstage Urlaub zugebilligt. Dabei ist das BAG unter Berücksichtigung des im Tarifvertrag vorgesehenen Tagesprinzips davon ausgegangen, dass jeder Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, unabhängig davon zu berücksichtigen ist, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einer tageübergreifenden Nachtschicht einsetzt. Dementsprechend war eine Nachtschicht, die sich über zwei Kalendertage erstreckt, als zwei Tage zu rechnen. Sieht der Tarifvertrag Arbeitstage als Maß des Urlaubsumfangs vor, kann der Arbeitgeber Urlaub nur für solche Tage gewähren, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der Verteilung seiner Arbeitszeit hätte arbeiten müssen 88. Soweit der Tarifvertrag vorschreibt, dass jeder Arbeitnehmer ungeachtet der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage die Urlaubstage erhält, die zur gleichen Dauer eines zusammenhängenden Urlaubs erforderlich sind, setzt die Gleichwertigkeit des Urlaubsanspruchs nach überzeugender Auffassung des BAG voraus, dass diese durch eine Vermehrung bzw. Verminderung der Anzahl der Urlaubstage für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung abweichend vom Regelfall nicht in einer Fünftagewoche erbringen, erreicht wird. Dies hat zur Konsequenz, dass ein Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung regelmäßig an mehr als fünf Kalendertagen in der Woche erbringt, auch mehr Urlaubstage in Anspruch nehmen muss, um wie ein
87 21.7.2015 – 9 AZR 145/14, ZTR 2016, 23. 88 So bereits BAG v. 15.3.2011 – 9 AZR 799/09, DB 2011, 1814 Rz. 20.
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Übertragung und Verfall von Urlaubszeit bei Mutterschutz und Elternzeit
Arbeitnehmer in der Fünftagewoche sechs Wochen lang zusammenhängend der Arbeit urlaubsbedingt fernbleiben zu können. Zur Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer nimmt das BAG eine Umrechnung nach folgender Berechnungsmethode vor: Es werden jahresbezogen die für den Arbeitnehmer mit abweichender Arbeitszeit maßgebliche Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der in der Fünftagewoche geltenden Anzahl der Arbeitstage zueinander ins Verhältnis gesetzt. Da 52 Wochen nur 364 Tage ergeben, das Jahr aber nach § 191 BGB mit 365 Tagen anzusetzen ist, kommt jeweils noch der Wert für einen einzigen Tag hinzu. Die Zahl der möglichen Arbeitstage pro Jahr beträgt 261 (52 x 5 + 1) 89. Die danach maßgebliche Umrechnungsformel lautet: Urlaubstage x Arbeitstage bei abweichender Verteilung Arbeitstage im Jahr bei einer Fünftagewoche
Bezogen auf den Streitfall ergaben sich durch den Schichtrhythmus des Klägers insgesamt 284 Arbeitstage, die mit der festgelegten Anzahl von 30 Urlaubstagen zu multiplizieren waren. Das Ergebnis war durch 261 Arbeitstage (Divisor) zu teilen, so dass dem Kläger 32,64 Arbeitstage Urlaub zustanden, die auf 33 Arbeitstage aufzurunden waren. Diese Aufrundung war nach Ansicht des BAG dem Tarifvertrag geschuldet, der einen Urlaubsanspruch in ganzen Tagen vorsieht. Diese Rechtsprechung des BAG ist für alle Unternehmen von Bedeutung, bei denen Nachtschichten gefahren werden, weil sich die auf zwei Tage verteilte Schichtarbeit auch urlaubsrechtlich in der Weise auswirkt, dass Arbeitnehmer mit Nachschichtarbeit bei einer zusammenhängenden Urlaubserteilung im Interesse der Gleichwertigkeit des Urlaubsanspruchs gegenüber Arbeitnehmern mit Normalarbeitszeit ohne Nachtschicht eine längere Freistellung benötigen, um den vierwöchigen gesetzlichen Urlaub oder einen etwa sechswöchigen Tarifurlaub nehmen zu können. (Boe)
9.
Übertragung und Verfall von Urlaubszeit bei Mutterschutz und Elternzeit
Hat eine Arbeitnehmerin ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten, so kann sie nach Ablauf der Fristen
89 BAG v. 5.11.2002 – 9 AZR 470/01, AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie. Anders noch BAG v. 30.10.2001 – 9 AZR 315/00 n. v., das bei 52 Wochen nur 260 Tage ansetzen wollte.
133
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen (§ 17 S. 2 MuSchG). Entsprechendes gilt für die Elternzeit. Hier hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten hat (§ 17 Abs. 2 BEEG). In seinem Urteil vom 15.12.2015 90 hat der 9. Senat des BAG deutlich gemacht, dass diese gesetzlichen Regelungen keine Verlängerung des in § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG Übertragungszeitraums bis zum Ablauf des nächsten auf die Beendigung der Beschäftigungsverbote/der Elternzeit folgenden Jahres bewirken. Vielmehr befreien sie die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer von der Notwendigkeit, den Urlaubsanspruch in dem Jahr in Anspruch zu nehmen, in dem er entstanden ist. Darüber hinaus berechtigen sie die Betroffenen, den Urlaub innerhalb des laufenden oder des nächsten Urlaubsjahres nach dem Beschäftigungsverbot bzw. der Elternzeit zu nehmen. Das nächste Kalenderjahr (Folgejahr) ist dann das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr 91. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin im Jahre 2011 keinen Erholungsurlaub genommen. Im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit unterlag sie von April 2011 bis zum 31.12.2011 Beschäftigungsverboten nach §§ 3 Abs. 1, 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG. Im Anschluss an das Beschäftigungsverbot nach § 6 Abs. 1 MuSchG beanspruchte die Klägerin bis zum 10.12.2012 Elternzeit. Danach war sie jedenfalls bis zum 31.12.2013 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem das Arbeitsverhältnis am 8.1.2014 endete, stritten die Parteien darüber, ob der Anspruch auf Erholungsurlaub für 2011 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten war. Die Beklagte lehnte eine entsprechende Zahlung in Höhe von 3.713,26 € (brutto) mit der Begründung ab, dass der Urlaub gemäß §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG nur bis zum 31.12.2013 übertragen worden sei. Eine weitere Übertragung des Urlaubs aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei nicht erfolgt. Jedenfalls aber könne sie nur eine Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Tagen verlangen. Dies folge auch aus Ziff. 3 ihres Anstellungsvertrags, durch den ein eigenständiges Fristenregime für den Urlaubsanspruch und seine Übertragung vereinbart worden sei. Ziff. 3 des Anstellungsvertrags lautete wie folgt:
90 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433. 91 BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433 Rz. 19 ff.
134
Übertragung und Verfall von Urlaubszeit bei Mutterschutz und Elternzeit
Urlaub Die Mitarbeiterin hat Anspruch auf bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Der Urlaub soll der Erholung dienen und im Laufe des Kalenderjahres genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs über den 31. Dezember eines Jahres hinaus bedarf der Zustimmung des Betriebsleiters, im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
Mit überzeugender Begründung hat das BAG die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Die Beklagte war nach § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet, 30 Urlaubstage der Klägerin aus dem Jahre 2011 mit 3.713,26 € (brutto) abzugelten. Zunächst einmal war der Anspruch auf Erholungsurlaub im Jahre 2011 trotz der zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit und der anschließenden Beschäftigungsverbote entstanden. Er hing allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab. Das bestätigt auch § 17 S. 1 MuSchG, wonach für den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer die Ausfallzeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten gelten 92. Dieser Urlaubsanspruch war gemäß § 17 S. 2 MuSchG zunächst einmal auf die Zeit nach der Beendigung der Beschäftigungsverbote zu übertragen. Unerheblich dabei war, ob es sich insoweit um ein generelles Beschäftigungsverbot nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG oder um ein individuelles Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG handelte 93. Da sich unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Beschäftigungsverbots nach § 6 Abs. 1 MuSchG die Elternzeit anschloss, richtete sich die weitere Übertragung nach § 17 Abs. 2 BEEG. Nach den Feststellungen des BAG wird von dieser Regelung auch der Urlaub erfasst, der wegen eines Beschäftigungsverbots bis zum Beginn der Elternzeit nicht genommen werden konnte. Auch bei einem solchen Urlaub handele es sich um Urlaub, den eine Arbeitnehmerin vor Beginn der Elternzeit nicht erhalten habe. Werde von einer Arbeitnehmerin unmittelbar im Anschluss an das Beschäftigungsverbot nach § 6 Abs. 1 MuSchG Elternzeit nach § 15 BEEG in Anspruch genommen, richte sich mit Beginn der Elternzeit das Fristenregime für den nicht genommenen Erholungsurlaub allein nach § 17 Abs. 2 BEEG, auch wenn 92 BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433 Rz. 11; BAG v. 6.5.2014 – 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959 Rz. 11. 93 BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433 Rz. 14; HWK/Hergenröder, MuSchG § 17 Rz. 2.
135
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
der insoweit in Rede stehende Urlaub bereits nach § 17 S. 2 MuSchG „übertragen“ worden sei 94. § 17 Abs. 2 BEEG verdränge insoweit als speziellere Regelung § 17 S. 2 MuSchG. Hiervon ausgehend konnte die Klägerin den Urlaub aus dem Jahre 2011 grundsätzlich noch in der Zeit vom 10.12.2012 bis zum 31.12.2013 beanspruchen. Entgegen der Auffassung der Beklagten verfiel der Urlaubsanspruch nicht am 31.12.2013. Denn die Klägerin war durch ihre vom 10.12.2012 bis zum 31.12.2013 bestehende Arbeitsunfähigkeit gehindert, den Erholungsurlaub zu nehmen. Da insoweit Gründe in der Person des Arbeitnehmers der Inanspruchnahme entgegenstanden, war von einer Übertragung gemäß § 7 Abs. 3 S. 2, 3 BUrlG auszugehen. Jedenfalls bis zum 31.3.2014 hätte die Klägerin damit den Urlaub in Anspruch nehmen können, so dass er als Folge einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 8.1.2014 abzugelten gewesen war (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Zur Begründung dieser Annahme verweist der 9. Senat des BAG nicht nur auf den Wortlaut von §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG. Dort sei keine Verlängerung des dreimonatigen Übertragungszeitraums des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG geregelt. Vielmehr bestimmten §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG, dass der Urlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beansprucht werden könne. Darin liege eine von § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG abweichende Regelung in Bezug auf den Zeitraum, der dem Arbeitnehmer für eine Erfüllung des Erholungsurlaubs zur Verfügung stehe. Diese Interpretation berücksichtigte auch den Zweck von §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG. Denn die betroffenen Arbeitnehmer sollten – so das BAG – die Möglichkeit haben, ebenso wie andere Arbeitnehmer, ihren Urlaub zumindest auf ein Kalenderjahr zu verteilen. Das „nächste Urlaubsjahr“ i. S. beider Vorschriften sei damit kein – im Vergleich zur Regelung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG – verlängerter Übertragungszeitraum, sondern ein eigenständiges Urlaubsjahr i. S. d. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG. Zwingend ist diese Auslegung indes nicht. Denn wenn man einerseits annimmt, dass durch §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG ein von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung zur Erfüllung und Übertragung des Urlaubsanspruchs getroffen wurde, kann daraus auch der Rückschluss gezogen werden, dass § 7 Abs. 3 S. 2, 3 BUrlG nicht zur Anwendung kommen, falls der Erholungsurlaub im Folgejahr – gleich aus welchen Gründen – nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Ausnahme würde man in solchen Fällen aus
94 BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433 Rz. 17; Neumann/Fenski/Kühn, MuSchG § 17 Rz. 4 ff.
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Übertragung und Verfall von Urlaubszeit bei Mutterschutz und Elternzeit
unionsrechtlichen Gründen allein dann machen müssen, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person an einer Inanspruchnahme im Folgejahr gehindert wurde. Denn hier folgt aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Rechtsfolgen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, dass eine Übertragung jedenfalls bis zum 31.3. des auf das Folgejahr folgenden Kalenderjahres erfolgen muss. Andernfalls wäre der 15-Monats-Zeitraum, der für eine spätere Inanspruchnahme eingeräumt werden muss 95 nicht gewahrt. Darauf weist auch das BAG im Urteil vom 15.12.2015 96 hin, dort aber als ergänzende Rechtfertigung seiner Annahme, eine Übertragung gemäß § 7 Abs. 3 S. 2, 3 BUrlG in das dem Folgejahr folgende Kalenderjahr generell zuzulassen. Richtigerweise hat es das BAG abgelehnt, aus den im Anstellungsvertrag getroffenen Regelungen eine Einschränkung der Übertragung des Urlaubs abzuleiten. Soweit der Arbeitsvertrag die Übertragung des Urlaubs von einer Zustimmung des Betriebsleiters abhängig machte, stand dies bereits im Widerspruch zu § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG. Danach vollzieht sich die Übertragung kraft Gesetzes, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Eine Zustimmung des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG, 134 BGB nichtig. Soweit die Beklagte von der vertraglichen Einschränkung jedenfalls für den übergesetzlichen Mehrurlaub Gebrauch machen wollte, hat das BAG zwar anerkannt, dass durch Arbeitsvertrag grundsätzlich vom Gesetz abweichende Regelungen getroffen werden können. Dies gelte auch für die Übertragung nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Die in Ziff. 3 des hier in Rede stehenden Arbeitsvertrags getroffene Regelung benachteilige die Klägerin allerdings unangemessen und sei nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie nicht zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub differenziere, sondern die Übertragung des Urlaubs ausnahmslos an die Zustimmung des Betriebsleiters der Beklagten geknüpft habe 97. Auch wenn die Interpretation der Rechtsfolgen einer Übertragung aus §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG hinsichtlich einer weiteren Anwendbarkeit von § 7 Abs. 3 S. 2, 3 BUrlG nicht zwingend erscheint, ist mit der Entscheidung des BAG für die betriebliche Praxis doch eine wichtige Klarstellung er95 Vgl. EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 - KHS; BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 Rz. 32. 96 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433 Rz. 23. 97 BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433 Rz. 26; BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827 Rz. 20.
137
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
folgt. Sie erleichtert die weitere Anwendung auch insoweit, als der nach §§ 17 S. 2 MuSchG, 17 Abs. 2 BEEG übertragene Urlaub dem Folgejahr wie Urlaub zuzuschlagen ist, der nach allgemeinen Grundsätzen im Folgejahr entstanden ist. Auf diesen Gesamturlaub findet dann § 7 Abs. 3 BUrlG Anwendung, was den Zeitraum seiner Inanspruchnahme und die Möglichkeiten seiner Übertragung betrifft. Wenn hiervon in Bezug auf den vertraglichen Mehrurlaub abweichende Regelungen getroffen werden sollen, müssen diese Regelungen ausdrücklich auf den Mehrurlaub beschränkt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Regelungen Gegenstand arbeitsvertraglicher Vereinbarungen sind. Andernfalls besteht die Gefahr, dass solche Einschränkungen unangemessen – möglicherweise sogar intransparent – und deshalb unwirksam sind (§ 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB). (Ga)
138
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Berufsausbildungsverhältnis: Keine Anrechnung eines Praktikums auf die Probezeit
Nach § 20 BBiG beginnt das Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit. Sie muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. Die Vereinbarung einer Probezeit gemäß § 20 S. 1 BBiG stellt zwingendes Recht dar und unterliegt als solche auch keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB 1. Zunächst schränkt § 20 BBiG von vornherein die Ausübung privater Gestaltungsmacht durch den Ausbildenden ein, indem ihm das Gesetz vorschreibt, dass eine Probezeit zu vereinbaren ist. Eine abweichende Regelung, die von jeder Probezeit absieht, ist gemäß § 25 BBiG unwirksam. Des Weiteren unterliegen jedoch auch normausfüllende (rechtsergänzende) Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Indem der Ausbildende von einer gesetzlich vorgesehenen rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeit der Dauer der Probezeit Gebrauch machen kann, wird die gesetzliche Regelung des § 20 BBiG i. S. v. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ergänzt 2. Da der Gesetzgeber beiden Vertragspartnern und damit gleichermaßen dem Auszubildenden ausreichend Gelegenheit einräumen will, die für das Ausbildungsverhältnis im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen, hat der Gesetzgeber im Interesse beider Parteien für diese Prüfung einen Zeitrahmen von einem bis zu vier Monaten als angemessen angesehen 3. Angesichts dieser Intention der Dauer der Probezeit ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Ausbildende die gesetzliche Höchstdauer der Probezeit durch eine AGBKlausel ausschöpft 4, weil damit auch dem Auszubildenden ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, sich für oder gegen das gewählte Ausbildungsverhältnis zu entscheiden. Sowohl Auszubildender als auch Ausbildender können während der Probezeit das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (§ 22 Abs. 1 BBiG). Der Zugang der Kündigung kann auch noch am letzten Tag der Probezeit ge-
1 2 3 4
BAG v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04, NZA 2005, 578 Rz. 13; BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737 Rz. 16. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737 Rz. 19 ff., 37 unter Aufgabe von BAG v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04, NZA 2005, 578 Rz. 13. BT-Drucks. 15/4752 S. 35. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737 Rz. 40.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
schehen, wobei allerdings bei einem minderjährigen Auszubildenden die Kündigung rechtzeitig gegenüber den gesetzlichen Vertretern erklärt werden muss 5. Die Kündigung bedarf der Schriftform (§ 22 Abs. 3 BBiG), jedoch im Gegensatz zur Kündigung nach Ablauf der Probezeit keiner Begründung. In der Entscheidung des 6. Senats des BAG vom 19.11.2015 6 ging es um die Frage, ob ein vorangegangenes Praktikum auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis angerechnet werden kann. Der volljährige Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Die Ausbildung konnte jedoch erst zum 1.8.2013 beginnen. Zur Überbrückung dieser Zeit schlossen die Parteien einen Praktikantenvertrag mit einer Laufzeit bis zum 31.7.2013. Auf der Grundlage des gesondert abgeschlossenen Berufsausbildungsvertrags begann ab 1.8.2013 die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten. Mit Schreiben vom 29.10.2013, das der Kläger am gleichen Tage erhielt, kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis zum 29.10.2013. Der Kläger hielt die Kündigung für rechtsunwirksam, weil sie erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden sei. Dies folge daraus, dass das vorausgegangene Praktikum auf die Probezeit angerechnet werden müsse. Außerdem berief sich der Kläger auf die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Die Vorinstanzen haben die Klage des Klägers abgewiesen. Das BAG hat diese Klageabweisung bestätigt. Das BAG geht zunächst davon aus, dass ein Berufsausbildungsverhältnis zwingend mit der Probezeit nach § 20 S. 1 BBiG zu beginnen hat, wobei das Gesetz eine Anrechnung von Zeiten, in denen zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden bereits ein anderes Vertragsverhältnis bestand, nicht vorsieht. Diese Schlussfolgerung zieht das BAG zu Recht daraus, dass andere Vertragsverhältnisse von dem spezifischen Pflichtenkatalog nach §§ 13, 14 BBiG abweichen und der Auszubildende im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer oder einem Praktikanten keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts schuldet, sich vielmehr nach § 13 S. 1 BBiG zu bemühen hat, die beruflichen Handlungsfähigkeiten zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich sind 7. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 26 BBiG, der sich auf Personen bezieht, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, wie dies bei Anlernlingen, Volontären oder Praktikanten der Fall
5 6 7
BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495 Rz. 18. 6 AZR 844/14, NZA 2016, 228. So bereits BAG v. 12. 2. 2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737 Rz. 35.
140
Keine Anrechnung eines Praktikums auf die Probezeit
ist 8. Für Praktikanten gilt weder die Pflicht zur Teilnahme am Berufsschulunterricht noch an Prüfungen, sie werden regelmäßig beschäftigt, um sich die zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen 9. In diesem Zusammenhang verweist das BAG darauf, dass sich an der Unterscheidung von Berufsausbildungsverhältnis und Praktikum nichts dadurch geändert hat, dass nunmehr § 22 Abs. 1 S. 3 MiLoG eine Legaldefinition der Praktikantenstellung enthält 10. In § 22 Abs. 3 MiLoG wird klargestellt, dass Praktikantin oder Praktikant ist, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Anschließend untersucht das BAG, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Dauer der Probezeit unter dem Gesichtspunkt der AGB-Kontrolle (§§ 307 ff. BGB) rechtlich zu beanstanden ist. Da sich regelmäßig die Regelung der Probezeit in einem Formularausbildungsvertrag des Ausbildenden befindet, unterliegt die im Gesetz nur rahmenmäßig vorgegebene Dauer der Probezeit einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Insoweit schließt sich das BAG seiner bisherigen Rechtsprechung 11 an, wonach dem gesetzlichen Schutzanliegen und den Interessen des Auszubildenden grundsätzlich auch bei einer 4-monatigen Probezeit noch in vollem Umfang Rechnung getragen wird, so dass sie grundsätzlich nicht als unangemessen i. S. v. § 307 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB qualifiziert werden kann. Da die Kündigung dem Kläger noch am letzten Tag der Probezeit zugegangen war, hat sie das Ausbildungsverhältnis mit diesem Tage noch während der Probezeit beendet, wobei die gesetzliche Höchstdauer der Probezeit hinter der höchst zulässigen Probezeit um einen Monat zurückblieb. Die Kündigung der Beklagten scheiterte auch nicht an einer mangelhaften Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Im vorliegenden Fall hatte sich die Beklagte im Anhörungsschreiben zur Begründung der beab8 BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 120/11, NZA 2014, 31 Rz. 12. 9 So BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 78/14, AP Nr. 1 zu § 26 BBiG Rz. 18. 10 Vgl. dazu auch BT-Drucks. 18/2010 S. 24: Die Definition orientiert sich an Erwägungsgrund 27 der Empfehlung des Rates der Europäischen Union v. 10.3.2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika. 11 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737 Rz. 40.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
sichtigten Kündigung gegenüber dem Betriebsrat darauf berufen, dass der Kläger den Erwartungen der Beklagten aufgrund fehlender Eigeninitiative nicht entsprochen habe. Eine nähere Erläuterung dieser Bewertung durch entsprechende Tatsachen oder Umstände war seitens der Beklagten nicht erfolgt. Das BAG geht in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen auch in diesem Punkt davon aus, dass der Betriebsrat i. S. v. § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG hinreichend über die Gründe der beabsichtigten Kündigung unterrichtet worden ist. In Anwendung des Grundsatzes der subjektiven Determination ist die Substantiierungspflicht bei der Anhörung des Betriebsrats wie bei einer Kündigung in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG im Falle einer Kündigung während der Probezeit nach § 22 Abs. 1 BBiG allein an den Umständen zu messen, aus denen der Ausbildende subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Dabei differenziert das BAG danach, ob eine Kündigung auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden soll oder auf einem personenbezogenen Werturteil beruht, das sich in vielen Fällen nicht näher durch Tatsachen belegen lässt. Letzteren falls reicht für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats die Mitteilung allein des Werturteils aus, ohne dass dieses subjektive Werturteil nach Zeit, Ort und Umständen näher konkretisiert oder begründet werden muss. Der Ausbildende genügt einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats allein damit, dass er das Werturteil selbst als das Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt 12. Stützt hingegen der Ausbildende die Kündigung während der Probezeit auf substantiierbare Tatsachen, ist die Anhörung nach § 102 BetrVG nur ordnungsgemäß, wenn dem Betriebsrat die zugrunde liegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. Nach Maßgabe dieser allgemeinen Grundsätze war daher die Anhörung des Betriebsrats im Streitfall nicht zu beanstanden, weil die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber nicht erläutern musste, welche Umstände oder Gegebenheiten das Werturteil begründet haben, dass der Kläger den Erwartungen der Beklagten nicht entsprochen hat. (Boe)
2.
Zurückweisung einer Kündigung trotz früher vorgelegter Vollmachtsurkunde
Gerade bei außerordentlichen Kündigungen, deren Wirksamkeit von der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB abhängig ist, stellt sich die wirksame Vertretung des Arbeitgebers häufig als ein praktisches 12 Vgl. bereits BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412 Rz. 22.
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Zurückweisung einer Kündigung trotz früher vorgelegter Vollmachtsurkunde
Problem dar. Dabei geht es weniger um die materiell-rechtliche Befugnis, im Namen des Arbeitgebers die Kündigung von Arbeitsverhältnissen erklären zu dürfen. Die Wirksamkeit von Kündigungen scheitert häufig an § 174 BGB. Danach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, dass ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Insofern ist es wichtig, dem Arbeitnehmer als Adressaten der Kündigung auch einen entsprechenden Nachweis der Vertretungsbefugnis verfügbar zu machen. Geschieht dies nicht im Zusammenhang mit der Kündigung, ist die Zurückweisung nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf andere Weise von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. In seinem Urteil vom 24.9.2015 13 hat der 6. Senat des BAG darauf verwiesen, dass bei einseitigen Rechtsgeschäften die Vollmachtsurkunde vom Vertreter zum Nachweis i. S. d. § 174 S. 1 BGB grundsätzlich bei jedem neuen Rechtsgeschäft vorgelegt werden muss. Derjenige, dem gegenüber ein einseitiges Rechtsgeschäft vorgenommen werde, sei daran nur passiv als Adressat beteiligt. § 174 BGB soll deshalb zu seinen Gunsten klare Verhältnisse schaffen. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung solle nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende habe und ob er bevollmächtigt sei, das Rechtsgeschäft vorzunehmen. Habe ihm der Vertretene keine Gewissheit verschafft, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt sei und sich der Vertretene dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen müsse, könne der Erklärungsempfänger deshalb die einseitige Willenserklärung zurückweisen. Dass für ein früheres einseitiges Rechtsgeschäft bereits eine erforderliche Vollmacht vorgelegt worden sei, genüge für den Nachweis i. S. d. § 174 S. 1 BGB grundsätzlich nicht. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Chief Restructuring Officer (CRO), der im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens nach Chapter 11 des Bankruptcy Code des Staates New York vom 17.10.2005 über das Vermögen einer Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in den USA eingesetzt worden war, das Arbeitsverhältnis mit der in Frankfurt als Rechtsanwältin beschäftigten Klägerin kündigen wollen. Zu diesem Zweck war zunächst einmal beschlossen worden, den Standort in Frankfurt, für den die Klägerin eingestellt war, zu schließen. Im Anschluss daran war das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch den Prozessbevollmächtigten gekündigt worden. Der Kündigung war eine Originalvollmacht der Rechtsanwaltskanzlei, die durch den
13 6 AZR 492/14, NZA 2016, 102 Rz. 22 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
CRO unterzeichnet war, beigefügt. Auszugsweise lautete diese Vollmacht wie folgt: D LLP, vertreten durch den Chief Restructuring Officer M., bevollmächtigt hiermit T und Partner das Anstellungsverhältnis mit Frau F. sowohl ordentlich als auch außerordentlich zu kündigen und einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Die Vollmacht umfasst auch die Befugnis, im Namen von D LLP alle sonstigen Handlungen vorzunehmen bzw. Erklärungen abzugeben und entgegen zu nehmen, welche anlässlich der Kündigung des Anstellungsvertrages noch erforderlich werden. …
Weil die Klägerin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schwanger war, konnte mit dieser Erklärung keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt werden. Nachdem die zuständige Behörde die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte die Schuldnerin über ihren Prozessbevollmächtigten das Arbeitsverhältnis dann aber erneut. In dem Kündigungsschreiben, dem keine weitere Vollmachtsurkunde beigefügt war, hieß es u. a.: Wir hatten Ihnen bereits ausweislich der als Anlage 2 dem Schreiben vom 20.6.2012 beigefügten Originalvollmacht vom 19.6.2012 nachgewiesen, dass uns die Firma D LLP … bevollmächtigt hat, das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis durch Kündigung zu beenden.
Die Klägerin wies die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht unverzüglich gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zurück. Im Rahmen des insoweit anhängigen Kündigungsschutzverfahrens musste deshalb entschieden werden, ob die Kündigung bereits als Folge dieser Zurückweisung unwirksam war. Das BAG ist von einer Wirksamkeit der Kündigung ausgegangen und hat mit überzeugender Begründung eine Rechtfertigung für die Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB abgelehnt. In den Gründen seiner Entscheidung hat es zunächst einmal darauf verwiesen, dass § 174 BGB auf die Kündigung Anwendung fand. Dies folge zwar nicht aus den Grundsätzen zum Vollmachts- bzw. Formstatut, die sich nicht auf die von § 174 BGB geregelte Frage bezögen, ob der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung davon ausgehen könne, dass diese dem vorgeblich Vertretenen auch zugerechnet werden könne 14. Vielmehr falle § 174 14 BAG v. 24.9.2015 – 6 AZR 492/14, NZA 2016, 102 Rz. 18 f.; Ostendorf, RIW 2014, 93, 95.
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Zurückweisung einer Kündigung trotz früher vorgelegter Vollmachtsurkunde
BGB kollisionsrechtlich in den Anwendungsbereich des Vertragsstatuts. Da deutsches Recht vorliegend Arbeitsvertragsstatut sei, finde über das Vertragsstatut § 174 BGB auch dann Anwendung, wenn weder das Vollmachtsnoch das Formstatut einschlägig seien 15. Entgegen der Annahme der Klägerin steht § 174 S. 2 BGB einer Zurückweisung allerdings nicht nur dann entgegen, wenn der Empfänger einer Kündigung objektiv keine begründeten Zweifel daran haben kann, dass keine Änderung der tatsächlichen Umstände erfolgt sei. Die von § 174 BGB angestrebte Gewissheit für den Erklärungsempfänger könne alternativ durch die Vorlage einer Vollmachtsurkunde (§ 174 S. 1 BGB) oder das Inkenntnissetzen von der Bevollmächtigung (§ 174 S. 2 BGB) bewirkt werden. § 174 BGB schütze den Empfänger nicht davor, dass er der Mitteilung über die Vertretungsverhältnisse keinen Glauben schenke. Er wolle ihm nur die Nachforschungen darüber ersparen. Habe er Zweifel, ob (noch) Vertretungsmacht bestehe, könne er dies nach § 180 BGB rügen 16. Von diesen Grundsätzen ausgehend nimmt das BAG an, dass der Erklärungsempfänger i. S. d. § 174 S. 2 BGB von der Bevollmächtigung auch dann in Kenntnis gesetzt wird, wenn die früher vorgelegte, den Anforderungen des § 174 S. 1 BGB genügende Vollmacht sich auf das später vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft erstreckt. Für das Inkenntnissetzen nach § 174 S. 2 BGB sei keine Form vorgeschrieben. Es genüge eine Mitteilung des Vollmachtgebers, die sich zumindest auch an den (späteren) Empfänger der einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung richte. Das Inkenntnissetzen könne daher auch durch die Vollmachtsurkunde erfolgen, die einem früheren einseitigen Rechtsgeschäft beigefügt war, wenn daraus für den Empfänger deutlich werde, dass sich die Vollmacht auch auf das spätere (einseitige) Rechtsgeschäft erstrecke 17. Denn damit habe der Vertretene für den Empfänger erkennbar gemacht dass er auch erst später notwendig werdende einseitige Rechtsgeschäfte, die der Bevollmächtigte für ihn vornehme, gegen bzw. für sich gelten lassen wolle. Etwas anderes könne nur dann angenommen werden, wenn die Vollmacht nur für eine bestimmte, zugleich mit der Vorlage der Vollmacht erklärte Kündigung erteilt oder dem (späte-
15 BAG v. 24.9.2015 – 6 AZR 492/14, NZA 2016, 102 Rz. 20; Ostendorf, RIW 2014, 93, 95. 16 BAG v. 24.9.2015 – 6 AZR 492/14, NZA 2016, 102 Rz. 25; BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159 Rz. 19. 17 BAG v. 24.9.2015 – 6 AZR 492/14, NZA 2016, 102 Rz. 27; BAG v. 10.8.1977 – 5 AZR 394/76, DB 1978, 167.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
ren) Erklärungsempfänger vom Vollmachtgeber das Erlöschen der Vollmacht angezeigt werde 18. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Der betrieblichen Praxis ist allerdings zu empfehlen, die Befugnis zur Vertretung des Arbeitgebers bei Ausspruch weiterer Kündigungen in einer Originalvollmacht deutlicher zum Ausdruck zu bringen, als dies in dem hier in Rede stehenden Fall geschehen war. Denn im Zweifel war diese Befugnis nur aus den Feststellungen abzuleiten, dass die Vollmacht auch die Befugnis umfassen sollte, im Namen des Arbeitgebers „alle sonstigen Handlungen vorzunehmen bzw. Erklärungen abzugeben …, welche anlässlich der Kündigung des Anstellungsvertrages noch erforderlich werden.“ Besser wäre es, in der Originalvollmacht dem Vertreter abstrakt-generell und zeitlich unbefristet die Befugnis zuzuerkennen, den Arbeitgeber bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu vertreten. Vorsorglich sollte dies auch als Alleinvertretungsbefugnis erteilt werden. Etwaige Schranken, die durch den Vertreter beachtet werden sollen, können im Innenverhältnis durch Vereinbarung oder Weisung des Arbeitgebers bestimmt werden. (Ga)
3.
Das Bestimmtheitserfordernis bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung
Bereits in seinem Urteil vom 10.4.2014 19 hat das BAG deutlich gemacht, dass eine nur „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung ausreichend erkennen lässt, dass ggf. auch durch diese Erklärung das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Der Zusatz mache lediglich deutlich, dass der Arbeitgeber sich in erster Linie auf einen anderen Änderungstatbestand berufe, auf dessen Rechtswirkungen er nicht verzichten wolle. Die „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung stehe deshalb unter einer – zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung i. S. d. § 158 Abs. 2 BGB. Ihre Wirkung endige, wenn feststehe, dass das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden sei. Losgelöst davon besteht die Notwendigkeit, dass die Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung so bestimmt ist, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss – so das BAG – erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Schon deshalb muss sich aus der Kündigungserklärung oder den Umständen ergeben, ob eine 18 BAG v. 24.9.2015 – 6 AZR 492/14, NZA 2016, 102 Rz. 28. 19 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162.
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Das Bestimmtheitserfordernis bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung
fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist. Bei einer ordentlichen Kündigung genügt regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Fehlt dies, ist die Kündigung unwirksam. Denn eine Kündigung ist – so das BAG – nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll 20. Darauf hat das BAG im Urteil vom 20.1.2016 21 noch einmal hingewiesen. Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgabe bleibt es allerdings zulässig, eine Kündigung zum „nächstzulässigen“ Termin zu erklären. Eine solche Festlegung des Beendigungstermins wird dann relevant, wenn arbeitgeberseitig Zweifel über die für das Arbeitsverhältnis geltende Kündigungsfrist besteht. Wie das BAG im Urteil vom 20.1.2016 22 deutlich gemacht hat, setzt eine solche Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ indes voraus, dass dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Eine solche Kündigung sei typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen wollte, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tariflichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühest möglicher Beendigungstermin ergebe. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin sei damit objektiv eindeutig bestimmbar. Das gelte jedenfalls dann, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar sei und nicht umfassende, tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordere. Dabei könne sich die Ermittlung der maßgeblichen Kündigungsfrist aus Angaben im Kündigungsschreiben oder aus einer vertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelung ergeben. Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG frühere Feststellungen. So hatte der 5. Senat des BAG im Urteil vom 15.5. 2013 23 klargestellt, dass das Bestimmtheitsgebot nicht verletzt sei, wenn unstreitig (nur) die gesetzlichen Kündigungsfristen Anwendung fänden und sich der Arbeitnehmer anhand von § 622 Abs. 2 S. 1 BGB die maßgebliche Kündigungsfrist in einem einfachen Rechenschritt selbst errechnen könne. 20 BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162 Rz. 18; BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137 Rz. 15. 21 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117 Rz. 15. 22 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117 Rz. 16. 23 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076 Rz. 20.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
In dem zugrunde liegenden Fall hat der Arbeitgeber nur erklärt, dass er „fristgemäß zum 30.9.2009“ kündige. Vergleichbar damit hatte das BAG im Urteil vom 20.6.2013 24 ausrechnen lassen, wenn der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschreibens auf die gesetzliche Regelung verweise und der Arbeitnehmer dadurch unschwer ermitteln könne, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden solle. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Insolvenzverwalter eine Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ausgesprochen und im Kündigungsschreiben auf die für das Arbeitsverhältnis nach §§ 623 BGB, 113 InsO geltenden Kündigungsfristen verwiesen. Dieser Hinweis auf die für die Berechnung einer Kündigungsfrist maßgeblichen Vorschriften hält das BAG nur dann nicht für erforderlich, wenn die ordentliche Kündigung nur hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung erklärt werde. Denn in diesem Fall bestehe für den Kündigungsempfänger keine Unklarheit darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach der Vorstellung des Kündigenden enden solle. Denn diese Beendigung solle offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung stattfinden. Hier komme es deshalb nicht mehr darauf an, ob der Kündigungsempfänger ohne Schwierigkeiten in der Lage sei, die Kündigungsfrist für die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zu ermitteln. Andernfalls bestünde auch ein Wertungswiderspruch zu den Möglichkeiten einer Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche (fristgemäße) Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Den Feststellungen des BAG ist zuzustimmen. Sie entsprechen Bewertungen, die bereits im Urteil vom 23.5.2013 25 vorgenommen wurden. Um dem Risiko einer Änderung dieser Sichtweise vorzubeugen, sei der Praxis allerdings gleichwohl empfohlen, auch bei der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses Hinweise auf die hierfür geltende Frist in das Kündigungsschreiben einzubinden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine eigenständige Erklärung ist, die ihrerseits unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebots zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll. (Ga)
24 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137 Rz. 15. 25 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197 Rz. 46 ff.
148
Weitere Klarstellungen zu den Erfordernissen einer Massenentlassungsanzeige
4.
Weitere Klarstellungen zu den Erfordernissen einer Massenentlassungsanzeige
In seinem Urteil vom 20.1.2016 26 hat der 6. Senat des BAG für die betriebliche Praxis wichtige Klarstellungen in Bezug auf die Erforderlichkeit einer (erneuten) Massenentlassungsanzeige bei Nachkündigungen getroffen. Darüber hinaus hat das BAG wichtige Feststellungen mit Blick auf die Frage getroffen, in welcher Weise die Einhaltung der Handlungserfordernisse aus § 17 KSchG im Vorfeld einer Massenentlassung wechselseitig zum Gegenstand des Sachvortrags im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens gemacht werden kann. Auch darauf wird man sich zukünftig einstellen müssen.
a)
Berechnung der 30-Tages-Frist
Gemäß § 17 Abs. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Massenentlassungsanzeige vorzunehmen, wenn durch Entlassungen die dort genannten Schwellenwerte innerhalb von 30 Kalendertagen überschritten werden. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem durch ein Handeln des Arbeitgebers und/oder Arbeitnehmers die spätere Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgelöst wird. Beim Aufhebungsvertrag ist also die wechselseitige Vertragsunterzeichnung maßgeblich. Beim Ausspruch einer Kündigung kommt es auf ihren Zugang beim jeweiligen Vertragspartner an. Darauf hat bereits der EuGH in seinem Urteil vom 27.1.2005 27 hingewiesen. Zu Recht geht das BAG davon aus, dass auf dieser Grundlage alle nach § 17 Abs. 1 KSchG maßgeblichen Entlassungstatbestände, die innerhalb von 30 Kalendertagen erfolgen, zusammengezählt werden müssen. Dies gelte auch dann, wenn sie auf einem neuen, eigenständigen Kündigungsentschluss beruhten 28. Wichtig ist aber, dass es dabei keine feststehenden 30-TagesZeiträume gibt, die im Anschluss an die erste Entlassung für die nachfolgende Zeit bestimmt werden können. Vielmehr sind alle Kündigungserklärungen, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach einer Kündigung erfolgen, mit dieser zusammenzuzählen. Entsprechendes gilt dann, wenn in diesen Zeiten Aufhebungsverträge abgeschlossen werden. Konsequenz dieser Betrachtungsweise ist, dass man faktisch einen 60Tages-Zeitraum im Auge behalten muss, innerhalb dessen vor oder nach ei26 6 AZR 601/14 n. v. 27 C-188/03, NZA 2005, 213 – Junk. 28 BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14 n. v. Rz. 25; BAG v. 25.4.2013 – 6 AZR 49/12 n. v. Rz. 154 f.
149
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
ner Entlassung weitere Entlassungen durch den Arbeitgeber veranlasst werden, durch die der Stellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten wird. Denkbar ist, dass dabei für jeden Kalendertag, an dem Entlassungen erfolgen, unterschiedliche und zum Teil überschneidende Zeiträume bestimmt werden. Jede einzelne Kündigung ist daraufhin zu überprüfen, ob sie – gemeinsam mit weiteren Entlassungen – den Tatbestand einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt.
b)
Verbrauch der Massenentlassungsanzeige durch Kündigung
Hat der Arbeitgeber im Anschluss an eine Massenentlassungsanzeige die Kündigung ausgesprochen bzw. den Aufhebungsvertrag unterzeichnet, erfüllt er damit im Hinblick auf diese Entlassung seine Anforderungen aus § 17 Abs. 1, 3 KSchG. Mit Urteil vom 20.1.2016 29 stellt das BAG indes klar, dass die Anzeige der Massenentlassung mit der anschließenden Vornahme der angezeigten Entlassungen „verbraucht“ wird. Kommt es nach diesen Entlassungen zu weiteren Entlassungen, die – ggf. unter Einbindung dieser Entlassungen – als Teil einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 KSchG qualifiziert werden müssen, setzt dies vor ihrer Vornahme eine erneute Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, 3 KSchG voraus. Dies gilt selbst dann, wenn die Kündigung aus den gleichen Gründen erfolgt und die gleichen Arbeitnehmer betrifft, wie die Entlassung, für die bereits eine Massenentlassungsanzeige erfolgt ist. Das BAG rechtfertigt diesen Verbrauch der Massenentlassungsanzeige vor allem mit dem Sinn und Zweck der Anzeigepflicht. Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben sei es Hauptziel der Anzeigepflicht, die sozialökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen aufzufangen, in dem die Arbeitsverwaltung in die Lage versetzt werde, Maßnahmen einzuleiten, die die Belastungen des Arbeitsmarkts vermieden oder zumindest verzögerten, die Folgen der Entlassungen für die Betroffenen milderten und für deren anderweitige Beschäftigung sorgten. Hiervon ausgehend sei eine erneute Anzeige nicht nur erforderlich, wenn die Nachkündigung im Zusammenhang mit einer weiteren Massenentlassung, etwa einer zweiten Kündigungswelle, erfolge. § 17 Abs. 1 KSchG verpflichte den Arbeitgeber bei richtlinienkonformen Verständnis dazu, die Anzeige vor der „beabsichtigten“ Entlassung, d. h. der Kündigungserklärung, zu erstatten. Die Kündigung könne daher erst erklärt werden, wenn die Massenentlassungsanzeige erfolgt sei. Darum müsse vor jeder Kündigungserklärung, die Teil einer Massenentlassung sei, für alle von dieser Entlassung erfassten Arbeitnehmer 29 6 AZR 601/14 n. v. Rz. 26.
150
Weitere Klarstellungen zu den Erfordernissen einer Massenentlassungsanzeige
eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit erfolgen. Insoweit stelle auch die (Nach)Kündigung eines einzelnen Arbeitnehmers einen anzeigepflichtigen Tatbestand dar 30.
c)
Erneute Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG bei Nachkündigung?
Bedauerlicherweise musste sich der 6. Senat des BAG in der vorstehend genannten Entscheidung nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Arbeitgeber bei einer bloßen Nachkündigung, die eine erneute Massenentlassungsanzeige notwendig macht, auch den zuständigen Betriebsrat erneut gemäߧ 17 Abs. 2 KSchG beteiligen muss. Folgt man allein den Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Gebot der (anwaltlichen) Sorgfalt, wird man von dem Erfordernis einer solchen Beteiligung ausgehen müssen. Dies gilt unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Regelung jedenfalls dann, wenn der Nachkündigung (auch) andere Gründe zugrunde liegen. Denn dann macht es nicht nur Sinn, den Betriebsrat über diese neue Sachlage gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG in Kenntnis zu setzen. Ebenso wichtig dürfte es sein, dem Betriebsrat im Hinblick auf diesen neuen Sachverhalt die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG darüber zu beraten, ob und inwieweit etwaige Entlassungen vermieden und/oder deren Folgen gemildert werden können. Dieser Zweck dürfte leerlaufen, wenn im Hinblick auf den Grund der erneuten Entlassung bereits eine Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG erfolgt ist und – was der Regelfall sein dürfte – auch Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen abgeschlossen wurden. Hier ist der Zweck einer Beteiligung des Betriebsrats bereits erfüllt. Es wäre Förmelei, bei gleicher Ausgangslage noch einmal eine identische Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG vorzunehmen und im Anschluss daran erneut darüber zu beraten. Denn schlussendlich haben sich die Parteien bereits im Rahmen der vorangehenden Konsultation geeinigt oder die fehlende Möglichkeit einer Einigung festgestellt. Ob das BAG diese Sachlage identisch bewertet, lässt sich dem Urteil vom 20.1.2016 31 indes nicht entnehmen.
30 BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14 n. v. Rz. 27 f. 31 6 AZR 601/14 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
d)
Rüge der Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Massenentlassung im Kündigungsschutzprozess
Im Rahmen der vorstehend genannten Entscheidung musste sich das BAG auch mit der Frage befassen, wie etwaige Fehler bei der Erfüllung der aus § 17 KSchG folgenden Handlungspflichten des Arbeitgebers im Vorfeld einer Kündigung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses geltend gemacht werden können. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit einer Betriebsstilllegung nach ordnungsgemäßer Massenentlassungsanzeige gegenüber 218 Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Diese Kündigungen wurden Anfang April 2013 zugestellt. Nur wenige Tage später teilte er dem Kläger wie folgt mit: … ich habe Ihnen mit Schreiben vom 09.04.2013 eine Kündigung ausgesprochen. Leider wurde dabei die Kündigungsfrist falsch berechnet. Bitte betrachten Sie dieses Kündigungsschreiben daher als gegenstandslos. Sie erhalten in der Anlage ein neues Kündigungsschreiben mit der richtigen Kündigungsfrist gemäß § 113 InsO.
Mit dem beigefügten Kündigungsschreiben sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.7.2013 beendet werden. Die vorangehende Kündigung war zum 30.6.2013 erfolgt. Mit der Kündigungsschutzklage machte der Kläger geltend, dass die Kündigung wegen „Mängeln im Verfahren nach § 17 KSchG“ unwirksam sei. Dabei hatte er erstinstanzlich nur Mängel des Anzeigeverfahrens gerügt. Insbesondere hatte er ausgeführt, dass die zweite Kündigung nicht mehr von der Massenentlassungsanzeige, die vor der ersten Kündigung erfolgt war, gedeckt sei. Erst in der Berufungsinstanz hatte er sodann geltend gemacht, dass der Anzeige keine Stellungnahme der Personalvertretung beigefügt worden sei. Aufgrund dieses unterschiedlichen Sachvortrags in beiden Tatsacheninstanzen musste sich der 6. Senat des BAG mit den Rechtsfolgen des § 6 KSchG auseinandersetzen. Danach besteht für den Arbeitnehmer zwar die Möglichkeit, auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist noch Gründe in den Prozess einzuführen, die die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben. Diese Rügemöglichkeit besteht allerdings nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, um dem Arbeitgeber alsbald Klarheit über den Bestand oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verschaffen. Unwirksamkeitsgründe, die nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhand152
Weitere Klarstellungen zu den Erfordernissen einer Massenentlassungsanzeige
lung in erster Instanz in den Prozess eingeführt werden, sind grundsätzlich ausgeschlossen 32. Erhebliche Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang aber der Umstand, dass der in § 17 KSchG geregelte Kündigungsschutz bei Massenentlassungen aus Sicht des BAG in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterfällt, nämlich einerseits die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Beteiligung des Betriebsrats und andererseits die in § 17 Abs. 1, 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit. Dieser Anzeigepflicht ist dann auch die Notwendigkeit zuzuordnen, der Anzeige eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen. Nach Auffassung des 6. Senats des BAG steht das Konsultationsverfahren selbständig neben dem Anzeigeverfahren. Beide Verfahren dienten in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels. Im Konsultationsverfahren sollte der Betriebsrat konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder jedenfalls zu beschränken. Erfolge gleichwohl eine Massenentlassung, solle die Agentur für Arbeit durch die Anzeige der Massenentlassung in die Lage versetzt werden, Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Aufschub von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten, die Folgen der Entlassungen für die Betroffenen zu mildern und für deren anderweitige Beschäftigung zu sorgen 33. Hiervon ausgehend stellte jedes dieser beiden Verfahren ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar. § 17 Abs. 2 KSchG einerseits und § 17 Abs. 1, 3 KSchG andererseits seien deshalb zwei unterschiedliche Verbotsgesetze, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Anforderungen jeweils unabhängig voneinander zur Unwirksamkeit der Kündigung führten. Aus dieser Unterscheidung der beiden Handlungserfordernisse folgt in Bezug auf die Präklusionswirkung des § 6 S. 1 KSchG, dass es nicht genügt, erstinstanzlich Mängel aus dem einen Verfahren zu rügen, wenn im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses in zweiter Instanz schlussendlich auch etwaige Mängel im Rahmen des weiteren Verfahrens behandelt werden sollen. Vielmehr sei erforderlich, dass der Arbeitnehmer bereits in der ersten In-
32 BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14 n. v. Rz. 14; BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 13. 33 BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14 n. v. Rz. 15; BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 60.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
stanz Mängel rüge, die sich eindeutig erkennbar dem Verfahren hinsichtlich der Anzeigepflicht und/oder dem Konsultationsverfahren zuordnen ließen. Wenn Mängel eines der beiden Verfahren in der ersten Instanz nicht geltend gemacht werden, sei der Arbeitnehmer in der zweiten Instanz bei ordnungsgemäß erteiltem Hinweis durch § 6 S. 1 KSchG präkludiert 34. Wann von einer ordnungsgemäßen Rüge etwaiger Fehler in einem der beiden Verfahren auszugehen ist, hat das BAG offengelassen. Insbesondere hat es sich nicht mehr mit der Frage auseinandergesetzt, ob es insoweit genügt, einen möglichen Unwirksamkeitsgrund erstinstanzlich pauschal anzusprechen und sich der Arbeitgeber bereits deswegen umfassend darauf einstellen muss, zu allen insoweit in Betracht kommenden Gesichtspunkten dieses Verfahrens vortragen zu müssen oder ob er sich jedenfalls dann darauf einrichten darf, mit einem erstinstanzlich gerügten Unwirksamkeitsgrund in der Berufungsinstanz nicht mehr konfrontiert zu werden, wenn er diesem Grund mit schlüssigem Tatsachenvortrag entgegengetreten ist und den der Arbeitnehmer nicht bestritten hat. Vorsorglich wird man deshalb in der betrieblichen Praxis zu allen Punkten des jeweiligen Verfahrens vortragen müssen, wenn diesbezüglich in erster Instanz eine Rüge durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. (Ga)
5.
Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der – ggf. fiktiven – Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach gefestigter Spruchpraxis des BAG 35 ist dabei zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. In einem zweiten Schritt bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist dabei die ordentliche 34 BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14 n. v. Rz. 16; BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150 Rz. 57. 35 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 19; BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353 Rz. 19; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 20.
154
Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung
Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen 36. Ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiter zu beschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt 37. Bei der abschließenden Interessenabwägung ist in einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiegt. Dabei sind nach der Rechtsprechung des BAG 38 regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen. Überdies müssen dem Arbeitgeber nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sein, die etwa in Gestalt einer Abmahnung, Versetzung, ordentlichen Kündigung geeignet wären, die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses zu erreichen 39. Es entspricht auch der Rechtsprechung des BAG 40, dass eine beharrliche Arbeitsverweigerung, die vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer die ihm angewiesene Arbeit bewusst und nachdrücklich nicht leisten will, „an sich“ und damit typischerweise als geeignet angesehen wird, einen wichtigen Kündigungsgrund für den Arbeitgeber zu bilden. Maßgebend für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage, so dass der Arbeitnehmer, der die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme verweigert, er handele rechtmäßig, grundsätzlich selbst das Risiko
36 BAG v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798 Rz. 48; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 20. 37 So bereits BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797 Rz. 30: Tarifvertragliche Unkündbarkeit; BAG v. 24.2.2011 – 2 AZR 636/09, NZA 2011, 1087 Rz. 42. 38 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353 Rz. 52; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, NZA 2015, 294 Rz. 21; BAG v. 22.10. 2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 46. 39 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353 Rz. 47; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, NZA 2015, 294 Rz. 23; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 46. 40 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 19; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 41 Rz. 21 f.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
zu tragen hat, falls sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist 41. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum des Arbeitnehmers ist nur dann anzunehmen, wenn er nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte 42. Da es sich bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung um einen sogenannten Dauertatbestand handelt, der sich fortlaufend neu verwirklicht, beginnt die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB erst dann anzulaufen, wenn die geschuldete Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer wieder erbracht wird 43. In der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 22.10.2015 44 ging es um die außerordentliche fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung, der sich damit verteidigte, ihm stünde ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB gegenüber dem Arbeitgeber zu. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann (Ausschluss der Leistungspflicht). In diesem Fall ist dem Arbeitnehmer die Erbringung der Leistung zwar tatsächlich möglich, so dass kein Fall von § 275 Abs. 1 BGB vorliegt, jedoch unzumutbar (subjektives Leistungshindernis). Überdies kann einem Arbeitnehmer das Recht zustehen, nach § 273 Abs. 1 BGB seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. Der Fall betraf einen 1961 geborenen Kläger, der seit 1989 zuletzt als ITSpezialist bei der Beklagten beschäftigt war. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit lag bei 35 Stunden. Auf der Grundlage eines für ihn geltenden Manteltarifvertrags war er verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grunde kündbar. Zwischen den Parteien gab es mehrfach Unstimmigkeiten über die Aufgabenzuteilung und das Fortkommen des Klägers. In einer E-Mail vom 30.3.2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen und sein Aschenputtel-Dasein zu beenden. Ab Oktober 2009 wurden ihm die Tätigkeit eines IT-Chefarchitekten und die Leitung eines
41 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 32. 42 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 34; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 43. 43 BAG v. 13.5.2004 – 2 AZR 36/04, NZA 2004, 1271 Rz. 20; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 45. 44 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417.
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Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung
Projekts übertragen, das im September 2011 beendet war. Bereits im Mai 2011 wurde ihm mit seinem Einverständnis die Aufgabe eines BlueprintVorfilterers und im Februar 2012 die Aufgabe eines TRM-Koordinators übertragen. Diese Tätigkeiten lasteten den Kläger nur für drei bis vier Stunden pro Woche aus. Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt „SharePoint“ tätig zu werden, lehnte er ab. Per E-Mail vom 10.9.2012 richtete der Kläger eine Petition an die Personalleitung der Beklagten, in der er sich über eine Entwicklungsblockade und ein groß angelegtes Mobbing der Beklagten beschwerte. In einer weiteren Mail vom 20.9.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es unzumutbar und unmöglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab dem 1.10.2012 werde er von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 28.9.2012 die Vorwürfe zurück und drohte dem Kläger arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung an, wenn er seiner Arbeit fernbleiben sollte. Ab dem 1.10.2012 erschien der Kläger nicht mehr zur Arbeit. Es entspann sich eine Schrift- und E-Mail-Korrespondenz zwischen den Parteien, in der die Beklagte den Kläger zwei Mal abmahnte und ihn vergeblich noch drei weitere Male zu einem Personalgespräch einlud. Mit Schreiben vom 17.10.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine letztmalige Abmahnung. Nachdem auch diese vergeblich war, kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 26.10.2012 das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist bis zum 31.5.2013. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage war vor dem LAG München (28.5.2014) erfolgreich. Das BAG hat die Klage abgewiesen. In Anwendung der für § 626 Abs. 1 BGB entwickelten allgemeinen Grundsätze bejaht das BAG zunächst das Vorliegen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung des Klägers und damit den für eine außerordentliche Kündigung erforderlichen wichtigen Grund „an sich“. Im Zentrum dieser Aussage stand die Frage, ob der Kläger berechtigt war, seine Arbeitsleistung gemäß § 275 Abs. 3 BGB zu verweigern, weil sie ihm nicht zugemutet werden konnte. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Schuldner mit der Leistungserbringung Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden 45 oder ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt 46. Es spricht vieles dafür, dass ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB nur in besonders gelagerten 45 BT-Drucks. 14/6040 S. 130 und BAG v. 12.12.1982 – 2 AZR 282/82, NJW 1983, 2782 Rz. 53: Türkische Arbeitnehmer, die den verkürzten Wehrdienst von zwei Monaten in der Türkei antreten müssen, befinden sich in einer unverschuldeten Kollision zwischen der Arbeits- und der Wehrpflicht. 46 So BAG v. 22.10. 2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 Rz. 26.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Ausnahmefällen anzunehmen ist, so dass an die persönliche Unzumutbarkeit strenge Maßstäbe anzulegen sind. Offengelassen hat das BAG in diesem Zusammenhang, ob im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers die Leistungsbefreiung automatisch nach § 275 Abs. 1 BGB eintritt oder der Arbeitnehmer erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch machen muss 47, weil sich der Kläger nicht auf eine bestehende oder zu erwartende Arbeitsunfähigkeit berufen hatte. Das BAG verneint im Streitfall die vom Kläger reklamierte Unzumutbarkeit der weiteren Leistungserbringung für die Beklagte und weist darauf hin, dass kein Eingriff in Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder negativ beurteilt wird. Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn auf Seiten des Arbeitgebers eine entsprechende Systematik oder Zielrichtung auszumachen ist. Die Unzumutbarkeit ist auch dann zu verneinen, wenn zwischen den Parteien Konflikte über die Qualität der Arbeitsleistung und der Arbeitsergebnisse, wie sie im Arbeitsleben üblich sind, ausgetragen werden. Ebenso ist zu entscheiden, wenn dem Arbeitnehmer keine Beförderung zuteilwird und ein ehemaliger Kollege die Vorgesetztenfunktion übertragen erhält. Das BAG hat die Unzumutbarkeit auch im Hinblick darauf verneint, dass der Kläger nur partiell während der Arbeitszeit ausgelastet war, weil dieser den Einsatz in einem ihm angebotenen weiteren Projekt abgelehnt hatte. In diesem Zusammenhang geht das BAG auch der Frage nach, ob der Kläger in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB seine Arbeitsleistung einstellen durfte. Zunächst fehlte es hierfür an einer entsprechenden Erklärung des Klägers. Ungeachtet dessen wäre Voraussetzung gewesen, dass die Beklagte ihre aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Hauptoder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt hätte und ein entsprechender Erfüllungsanspruch des Klägers bestünde. Dies war nicht der Fall, so dass schon deswegen eine Anwendung von § 273 Abs. 1 BGB zugunsten des Klägers entfiel. Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass den Arbeitnehmer nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts eine Hinweispflicht gegenüber dem Arbeitgeber trifft, wonach der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen muss, er werde das Zurückbehaltungsrecht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen, um Letzterem die Möglichkeit zu eröffnen, den Anspruch des Arbeitnehmers zu prü47 Vgl. dazu Gotthardt/Greiner, DB 2002, 2049, 2107; MüKoBGB/Ernst § 275 Rz. 118.
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Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung
fen und gegebenenfalls zu erfüllen. Im Streitfall waren derartige Ansprüche des Klägers nicht auszumachen. Ausführlich diskutiert das BAG anschließend die Frage, ob sich der Kläger möglicherweise in einem entschuldbaren Rechtsirrtum bezüglich der Zurückbehaltung seiner Arbeitsleistung befunden hat. Dabei stellt das BAG völlig zu Recht heraus, dass für das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen sind, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die betreffende Partei nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung mit einem Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte 48. Hier hatte der Kläger das Risiko seines vielleicht möglichen Rechtsirrtums zu tragen, so dass er sich darauf nicht mit Erfolg zu berufen vermochte. Damit war der Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses „an sich“ gegeben, so dass aufgrund einer abschließenden Interessenabwägung das sofortige Beendigungsinteresse der Beklagten dem Bestandsschutzinteresse des Klägers gegenüberzustellen und abzuwägen war. Bei dieser Abwägung stuft das BAG die Pflichtverletzung des Klägers als schwerwiegend ein, weil er es der Beklagten unmöglich gemacht hat, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu planen. Auch das Verschulden des Klägers wird vom BAG als erheblich gewichtet, zumal er durch die Arbeitsverweigerung die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung bewusst in Kauf genommen hatte. Ebenso wenig kam nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen eine mildere Reaktion des Arbeitgebers in Betracht, weil der Kläger unter keinen Umständen bereit war, den Arbeitsvertrag zukünftig zu erfüllen. Da im Streitfall eine dauerhafte Arbeitsverweigerung vorlag, war auch die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB seitens der Beklagten gewahrt worden. Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung des BAG insofern aufschlussreich, als sie den Unzumutbarkeitsbegriff aus § 275 Abs. 3 BGB näher konkretisiert und verdeutlicht, dass eine normale Kritik an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bis hin zu einer negativen Beurteilung seines Verhaltens ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des Arbeitnehmers ebenso wenig geeignet sein kann, ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht zu begründen, wie dies bei üblichen Konflikten im Arbeitsleben, die sich auf die Qualität der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beziehen, der Fall ist. Außerdem bestätigt das BAG seine frühere Rechtsprechung, dass an einen
48 So bereits BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533 Rz. 34.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
unverschuldeten Rechtsirrtum des Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung verweigern zu dürfen, strenge Anforderungen zu stellen sind. (Boe)
6.
Änderungskündigung bei krankheitsbedingter Leistungsminderung
Nach den Feststellungen im Orientierungssatz zum Urteil des BAG v. 22.10.2015 49 kann eine ordentliche Änderungskündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers krankheitsbedingt gemindert ist und seine verbliebene Arbeitsleistung die berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreitet, dass diesem ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar ist. Dafür bedarf es einer gravierenden Störung des Äquivalenzgefüges. Eine lediglich geringfügige – qualitative oder quantitative – Minderleistung reicht nicht aus. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung. Der Kläger war bei der Beklagten, die eine Spielbank betrieb, seit 1980 als Croupier tätig. Er war mit einem Grad der Behinderung von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Nach den Regelungen des für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Troncund Gehaltstarifvertrags wurden verschiedenen Gruppen unterschieden. Der Croupier-Anfänger I bis III wird am Spieltisch eingearbeitet. Der Croupier III bis X arbeitet am Spieltisch und kann bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden. Der Croupier I und II arbeitet am Spieltisch bei allen angebotenen Spielen und kann zur Aufsicht am Spieltisch und bei entsprechender Eignung vorübergehend in der Kasse eingesetzt werden. Bereits zum 1.4.1991 war der Kläger in die Croupierstufe I „übernommen“ worden. In der Folgezeit teilte er der Beklagten indes mit, er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, in stehender Position am Tisch des American Roulette zu arbeiten. Daraufhin wurde er – über Jahre hinweg – nicht bei diesem Spiel eingesetzt. In einem ärztlichen Attest vom 11.10.2010, das er der Beklagten auf Bitte vorlegte, hieß es: O. g. Patient ist nicht in der Lage aufgrund der anerkannten Behinderung in stehender Position am American Roulette/Roulite Tisch bis auf weiteres zu arbeiten. 49 2 AZR 550/14 n. v.
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Änderungskündigung bei krankheitsbedingter Leistungsminderung
Nach Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung mit dem Ziel aus, ihn zukünftig nur noch als Croupier III zu beschäftigen und die Vergütung entsprechend herabzusetzen. Der Kläger nahm das Angebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an, erhob allerdings Kündigungsschutzklage und machte geltend, dass er lediglich vorübergehend nicht in der Lage gewesen sei, im Stehen am Tisch des American Roulette zu arbeiten. Im Übrigen habe seine Tätigkeit jederzeit den Anforderungen der Croupierstufe I entsprochen. Entgegen den Feststellungen der Vorinstanzen hat das BAG die Klage für begründet gehalten. Ausgangspunkt waren dabei die Anforderungen an eine soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung aus §§ 1, 2 KSchG. Danach ist eine Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich das Änderungsangebot des Arbeitgebers darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren müsse, sei – so das BAG – nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beurteilen. Die Änderungen müssten geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssten für alle angebotenen Vertragsänderungen vorliegen. Keine von ihnen dürfe sich weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziel erforderlich sei 50. Eine entsprechende Änderung der Vertragsbedingungen kann – so das BAG – auch durch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung bedingt sein. In einem solchen Fall sei ihre soziale Rechtfertigung – wie bei einer Änderungskündigung – in drei Stufen zu prüfen. In einer ersten Stufe sei zunächst einmal eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Daran anknüpfend müssten die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit auf der zweiten Stufe zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Lägen diese im wirtschaftlichen Bereich, komme es darauf an, ob die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreite, dass ihm das Festhalten am bisherigen Arbeitsvertrag unzumutbar werde; eine lediglich geringfügige - qualitative oder quantitative – Minderleistung reiche dafür nicht 50 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 550/14 n. v. Rz. 23; BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, NZA 2014, 653 Rz. 24.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
aus. Im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung sei sodann auf der dritten Stufe zu prüfen, ob die erheblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führten. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betrieblichen Ursachen beruhten. Ferner sei auf das Alter des Arbeitnehmers und darauf Bedacht zu nehmen, wie lange das Arbeitsverhältnis bis dahin ungestört verlaufen sei 51. Hiervon ausgehend hat das BAG zwar zunächst einmal das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose geprüft, schlussendlich aber offen gelassen. Denn auch bei einer Dauerhaftigkeit der Leistungseinschränkung sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen auszugehen, die auf der zweiten Stufe einer Rechtfertigung der krankheitsbedingten Änderungskündigung vorliegen müsse. Eine solche Beeinträchtigung war aus Sicht des BAG nicht bereits dadurch begründet, dass der Kläger einen Teil der Tätigkeit eines Croupier I und II nicht mehr erfüllen könne. Dies gelte selbst dann, wenn diese Beeinträchtigung zumindest für die nächsten 24 Monate bestehe. Denn die in Rede stehende Beeinträchtigung hindere ihn lediglich, in der gesamten Bandbreite der von einem Croupier I zu betreuenden Spiele eingesetzt zu werden. Lediglich das Spiel American Roulette könne von ihm nicht mehr betreut werden. Im Rahmen aller übrigen Spiele könne der Kläger entsprechend den arbeitgeberseitigen Vorgaben eingesetzt werden. Mit dieser Sichtweise knüpft das BAG an seine Feststellungen im Urteil vom 9.4.2014 52 an, in dem es eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit einer Krankenschwester abgelehnt hatte, die als Folge einer medikamentösen Behandlung auf absehbare Zeit nicht mehr im Rahmen der Nachtschicht tätig werden konnte. Wir hatten auf diese Entscheidung hingewiesen 53. Denn auch hier hat es das BAG für ausreichend gehalten, dass die Krankenschwester sämtliche Tätigkeiten – nur nicht mehr während der Nacht – ausführen konnte. Damit sei sie arbeitsfähig. Dem Arbeitgeber obliege es, bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gemäß § 106 S. 1 GewO nach billigem Ermessen auf diese Einschränkung der Arbeitnehmerin Rücksicht zu nehmen.
51 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 550/14 n. v. Rz. 24; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 13, 52; BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089 Rz. 20. 52 BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, NJW 2014, 2302. 53 B. Gaul, AktuellAR 2015, 127 ff.
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Änderungskündigung bei krankheitsbedingter Leistungsminderung
Aus Sicht des BAG folgt eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen auch nicht daraus, dass die Einsatzbeschränkung des Klägers womöglich einen verstärkten Einsatz der übrigen Mitarbeiter beim American Roulette zur Folge hatte 54. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche konkrete, auf Dauer unzumutbare Mehrbelastung sich daraus im Vergleich zum Einsatz bei anderen Spielen, etwa Black Jack oder Poker ergeben solle. Ebenso wenig habe sie dargelegt, dass infolge der verstärkten Heranziehung anderer Mitarbeiter zum Spiel American Roulette eine konkrete Störung des Betriebsfriedens eingetreten sei. Auch auf sonstige schutzwürdige Belange anderer Arbeitnehmer, denen sie im Rahmen einer Ausübung ihres Direktionsrechts hätte Rechnung tragen müssen, hatte sie sich nicht berufen. Dass sie in ihrer Planungs- und Organisationsfreiheit eingeschränkt werde, war für den 2. Senat des BAG nicht ausreichend, um von einer Unzumutbarkeit der Einschränkung des Direktionsrechts auszugehen. Entscheidend für das BAG war schlussendlich, dass der Kläger durch seine körperliche Beeinträchtigung nicht außer Stande gesetzt wurde, überhaupt eine der charakteristischen Tätigkeiten ohne Einschränkung zu verrichten. Seine Leistungsminderung wirkte sich daher nur auf eine der Aufgaben aus, die ihm im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts zugewiesen werden konnten. Da er mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen an einer Vielzahl von angebotenen Spielen weiterhin tätig werden konnte und nicht erkennbar war, dass er damit hinter der „Normalleistung“ eines uneingeschränkt einsatzfähigen Croupiers I mehr als nur geringfügig zurückgeblieben wäre, konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die seinerseits erbrachte Arbeitsleistung die berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschritten hätte, das dem Arbeitgeber das Festhalten an den bisherigen Vertragsbedingungen unzumutbar würde. Für die betriebliche Praxis hat diese Sichtweise des BAG ganz erhebliche Bedeutung. Sie bewirkt nämlich, dass der Arbeitgeber Leistungsminderungen immer dann hinzunehmen hat, wenn es im Rahmen der dem Arbeitnehmer auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts zuzuweisenden Tätigkeiten noch Aufgaben bzw. Arbeitsplätze gibt, auf denen sich diese Leistungsminderung nicht bemerkbar macht. Unerheblich dabei ist, ob es sich um eine krankheitsbedingte oder eine altersbedingte Einschränkung oder um eine Behinderung handelt. Lediglich dann, wenn keine der dem Arbeitnehmer ohne Änderung des Arbeitsvertrags zuzuweisenden Tätigkeiten 54 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 550/14 n. v. Rz. 56; BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089 Rz. 22.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
als Folge der Leistungsminderung uneingeschränkt erfüllt werden können, ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, die verbleibende Teilleistung entgegenzunehmen. Hier kann sich aus der Dauer und dem Umfang der Einschränkung auch die Berechtigung ergeben, eine leistungsbedingte Änderungskündigung auszusprechen. Besonderheiten gelten nach §§ 81 Abs. 4 SGB IX, 241 Abs. 2 BGB, 8 Abs. 1 AGG nur insoweit, als Arbeitnehmer mit einer Behinderung in Rede stehen. Denn hier bestehen zusätzliche Handlungserfordernisse des Arbeitgebers, um den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, die geschuldete Tätigkeit zu erfüllen. Darüber hinaus kann es dem Arbeitgeber sogar zumutbar sein, ausnahmsweise nur eine Teilleistung entgegenzunehmen. Insbesondere in Produktionsbereichen kann dies zukünftig zu erheblichen Beeinträchtigungen in Bezug auf die Personaleinsatzplanung führen. Hier mag es in den ersten Fallgestaltungen, in denen Arbeitnehmer entsprechende Einschränkungen geltend machen, noch möglich sein, die Disposition unter Berücksichtigung der übrigen Arbeitnehmer so wahrzunehmen, dass die Aufgaben des betroffenen Bereichs ordnungsgemäß erfüllt werden können. Denkbar ist aber, dass die Zunahme der leistungsgemindert einsetzbaren Arbeitnehmer zur Folge hat, dass irgendwann „das Fass überläuft“ und auch unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen ohne entsprechende Einschränkungen kein ordnungsgemäßer Betriebsablauf mehr gewährleistet ist. Diese Situation kann den Arbeitgeber dann berechtigen, leistungsbedingte Änderungs- oder Beendigungskündigungen auszusprechen. Eine Sozialauswahl ist dabei nicht erforderlich. Voraussetzung ist aber, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur weiten Beschäftigung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer ohne Änderung ihres Arbeitsvertrags ergriffen wurden. Darüber hinaus dürfte es erforderlich sein, die daraus folgende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen über einen längeren Zeitraum in der Vergangenheit zu dokumentieren, um die Prognose weiterer Beeinträchtigungen in der Zukunft substantiiert darlegen und ggf. beweisen zu können. (Ga)
7.
Nachträgliche Begründung einer ordentlichen (Verdachts-)Kündigung
a)
Allgemeine Voraussetzungen der verhaltensbedingten Verdachtskündigung
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“,
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Nachträgliche Begründung einer ordentlichen (Verdachts-)Kündigung
wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich – in der Regel schuldhaft – verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann könne dem Risiko künftiger Störungen nur durch die – fristgemäße – Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Unerheblich dabei ist, ob es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht oder die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht handelt. Voraussetzung ist allerdings, dass dem Arbeitgeber keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Dabei geht es vor allem um eine Versetzung oder eine Abmahnung des Arbeitnehmers 55. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann – so zuletzt das BAG im Urteil vom 18.6.2015 56 – eine Kündigung i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar 57. Voraussetzung einer solchen Verdachtskündigung ist, dass starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente gegeben sind, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss dabei auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Er muss – so das BAG – ferner dringend sein. Es muss deshalb eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus 58. Eine solche Verdachtskündigung kann auch als ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Das verlangt aber, wie das BAG noch einmal klargestellt hat, dass Tatsachen vorliegen, die zugleich auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt nicht nur für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. Er muss auch bei der or-
55 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 19; BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197 Rz. 13. 56 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 20 ff. 57 Ebenso BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 16. 58 So BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 21; BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2013, 1416 Rz. 20 f.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
dentlichen Kündigung „gleichermaßen erdrückend“ sein. Auch die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung muss den Maßstäben Rechnung tragen, wie sie zu § 626 Abs. 1 BGB entwickelt wurden. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie also zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, wäre es erwiesen, sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte 59. Grundsätzlich liegt eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor, die auch zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider handelt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden 60. Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nach den Feststellungen des BAG nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB zu qualifizieren sein 61.
b)
Nachträgliche Berücksichtigung von Kündigungsgründen
In seinem Urteil vom 18.6.2015 62 hat sich das BAG noch einmal intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber berechtigt ist, im Anschluss an den Ausspruch einer Kündigung noch weitere Gründe zu ihrer Rechtfertigung heranzuziehen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber, der Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material vertrieb, den Leiter des Verkaufsbüros mit Schreiben vom 9.3.2011 ordentlich zum 31.12.2011 gekündigt. Die Kündigung rechtfertigte die Beklagte zunächst einmal damit, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Auftrag eines Großkunden Baumaterialien eines Herstellers aus Rumänien geordert hatte. Von diesen sogenannten Zwischenlagen bestellte er 80.000 Stück, obgleich sie für eine Verwendung in Deutschland zum Zeitpunkt der Bestellung nicht zugelassen oder
59 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 22; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 32. 60 BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 193/07, NZA 2009, 671 Rz. 35. 61 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 25; BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258 Rz. 20. 62 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 43 ff.
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Nachträgliche Begründung einer ordentlichen (Verdachts-)Kündigung
zertifiziert waren. Hinzu kam, dass die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten – und bereits zertifizierten – Zwischenlagen gewesen waren. Unstreitig wurden von diesen Zwischenlagen 20.000 Stück geliefert. Ob die verbleibenden 60.000 Zwischenlagen geliefert worden waren, blieb zwischen den Parteien ungeklärt. Unstreitig hatte die Beklagte für diese Zwischenlagen allerdings nach Freigabe durch das Büro des Klägers einen Gesamtpreis in Höhe von 74.000, - € bezahlt. Die Beklagte hat das Verhalten des Klägers, der hierzu angehört worden war, als Untreue angesehen. Jedenfalls ergebe sich aus dem Umstand, dass nicht zertifizierte Zwischenlagen bestellt und nur zum Teil geliefert worden seien, der Verdacht, dass ihre Vermögensinteressen in einer besonders schweren Weise missachtet worden seien. Mit diesem Vorwurf konnte die Beklagte im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses allerdings nicht durchdringen. Denn auch nach Auffassung des BAG hatte die Beklagte sich nicht ausreichend mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt, dass die georderten Zwischenlagen – wie von ihm behauptet – bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für den Kunden gelagert worden seien. Darüber hinaus hatte sie sich nicht substantiiert mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, dass diesem durch den rumänischen Lieferanten eine baldige Zertifizierung und die daraus folgende Verwertbarkeit in Deutschland zugesichert worden sei. Hier hätte die Beklagte weitere Nachforschungen anstellen und ihrerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vortragen und Beweis für sein Nichtvorliegen antreten müssen. Denn es obliegt – so das BAG – dem Arbeitgeber, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen 63. Abweichend von der durch das LAG Bremen vorgenommenen Bewertung hat es der 2. Senat des BAG im Urteil vom 18.6.2015 64 allerdings für zulässig gehalten, weitere Gründe, die der Beklagten erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden waren, zu ihrer Rechtfertigung heranzuziehen. Konkret ging es bei diesen Vorwürfen darum, dass der Kläger an wettbewerbswidrigen Absprachen mehrerer Unternehmen im Bereich des Verkaufs von Schienen beteiligt gewesen sein sollte, die das Bundeskartellamt zu Bußgeldern in einer Gesamthöhe von 192 Mio € veranlasst hatten. In einem der Bescheide war der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros als mutmaßlicher Beteiligter namentlich genannt worden. Die 63 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 28 ff.; BAG v. 18.9.2008 – 2 AZR 1039/06, DB 2009, 964 Rz. 33. 64 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 43 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Staatsanwaltschaft Bochum führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen durch. Zu Recht hat der 2. Senat des BAG zwar deutlich gemacht, dass die namentliche Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts nur eine verdachtsverstärkende Bedeutung hat. Grundlage für die tatbestandliche Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Verdachtskündigung können allenfalls die tatsächlichen Ergebnisse des kartellamtlichen Verfahrens sein. Hierzu hatte die Beklagte allerdings bislang nicht ausreichend vorgetragen. Vielmehr war nach dem wechselseitigen Vortrag beider Parteien unklar geblieben, ob und inwieweit der Kläger insbesondere an Besprechungsterminen der an dem Kartell beteiligten Unternehmen teilgenommen hatte, um seinerseits kartellrechtswidrige Absprachen zu treffen. Das BAG hat die Entscheidung des LAG Bremen deshalb aufgehoben und zur weitergehenden Sachaufklärung zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen hat das BAG indes deutlich gemacht, dass in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung sind. Vielmehr könnten ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt würden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben wären. Dies gelte auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen – neuen – Kündigungsvorwurfs begründeten 65. Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankomme und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet sei, ergäben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen. Auch stehe § 626 Abs. 2 BGB diesem Nachschieben nicht entgegen 66. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen bestehe 67. Eine Einschränkung kann sich allerdings dann ergeben, wenn nach § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats erforderlich war. Dieses Erfordernis steht – so das BAG – der Möglichkeit
65 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 46; BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429 Rz. 21. 66 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 46; BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2013, 1416 Rz. 33. 67 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 46; BAG v. 18.1.1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486.
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Nachträgliche Begründung einer ordentlichen (Verdachts-)Kündigung
entgegen, Kündigungsgründe nachzuschieben, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren. Denn es widerspräche dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst hatten, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte 68. Ein Nachschieben von Kündigungsgründen ist deshalb nur dann zulässig, wenn diese dem Arbeitgeber erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt werden und der Betriebsrat hierzu – in analoger Anwendung von § 102 BetrVG – angehört wurde 69. Bei der Frage, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, knüpft das BAG an § 626 Abs. 2 BGB an. Maßgeblich ist daher der Wissenstand des Kündigungsberechtigten. Hiervon ausgehend ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen nur dann ausgeschlossen, wenn der Kündigungsberechtigte, positive und vollständige Kenntnis dieser für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hatte. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlichen oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich 70. Darauf hat das BAG im Urteil vom 18.6.2015 71 noch einmal hingewiesen. Sind für den Arbeitgeber indes mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich bereits die Kenntnis eines dieser Gesamtvertreter 72. Diesen Grundsatz hatte die Rechtsprechung bereits zu § 626 Abs. 2 BGB aufgestellt 73. Entsprechendes wird man dann annehmen müssen, wenn außerhalb des zur Vertretung des Arbeitgebers berechtigten Organs Personen den Arbeitgeber beim Ausspruch einer Kündigung vertreten können. Hier ist auf die Kenntnis einzelner Personen abzustellen, selbst wenn diese nur gemeinsam mit anderen Personen und/oder einem Organmitglied zur Gesamtvertretung berechtigt sind. Von diesen Grundsätzen geht das BAG regelmäßig auch dann aus, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber verletzt hat. Der Arbeit-
68 BAG v. 16.12.2010 – 2 AZR 576/09 n. v. Rz. 11. 69 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 47; BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2013, 1416 Rz. 32. 70 BAG v. 5.5.1977 – 2 AZR 297/76, NJW 1978, 723. 71 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 48. 72 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 48. 73 BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348 Rz. 53.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
geber muss sich also ein etwaiges Fehlverhalten des Vertreters bei der Berücksichtigung persönlicher Kenntnisse zu einem Kündigungsgrund zurechnen lassen, selbst wenn der Arbeitgeber damit gehindert ist, diese Gründe für eine spätere Rechtfertigung der Kündigung heranzuziehen. In seinem Urteil vom 18.6.2015 74 macht das BAG allerdings dann eine Ausnahme, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter des Arbeitgebers im kollusiven Zusammenwirken mit dem von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat. Wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt sei und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste, könne dem Arbeitgeber dieses subjektive Wissen des dolosen Vertreters nicht zugerechnet werden. In solchen Fällen sei es auch unter Berücksichtigung von § 102 BetrVG gerechtfertigt, dem Arbeitgeber das Wissen erst dann zuzurechnen, wenn ein unverstrickter (undoloser) Vertreter Kenntnis von diesen eine Kündigung rechtfertigenden Tatsachen erlangt habe. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats würden dadurch auch nicht ausgehölt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in dem Prozess ohnehin nach § 102 BetrVG angehört werden müsse. Der Bewertung durch das BAG ist zuzustimmen. Sie zwingt die Arbeitgeberseite einerseits, Erkenntnisprozesse im Vorfeld einer Kündigung so auszugestalten, dass bereits das singuläre Wissen eines einzelnen zur Kündigung von Arbeitnehmern berechtigten Vertreters als Beginn für die ZweiWochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB berücksichtigt wird. Das verschafft auch dem von einer Kündigung bedrohten Arbeitnehmer frühzeitig Gewissheit darüber, ob eine außerordentliche (fristlose) Beendigung des Arbeitsverhältnisses droht. Andererseits aber wird der Arbeitgeber davor geschützt, dass kollusives Zusammenwirken einzelner Arbeitnehmer mit einer zur Kündigung berechtigten Person auch ohne Kenntnis der in diesen Sachverhalt nicht eingebundenen Arbeitgebervertreter den Ablauf der ZweiWochen-Frist zur Folge haben kann. Dies würde in solchen Fällen, in denen eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist, jedweder Kündigung des Arbeitsverhältnisses entgegenstehen. Vielmehr ist auf die Kenntnis unbeteiligter Vertreter des Arbeitgebers abzustellen und in Bezug auf diesen Personenkreis dann aber sehr genau die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sicherzustellen. (Ga)
74 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287 Rz. 49 f.
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Kein Wiedereinstellungsanspruch nach rechtswidriger Kündigung aus Art. 8 EMRK
8.
Kein Wiedereinstellungsanspruch nach rechtswidriger Kündigung aus Art. 8 EMRK
Der Wiedereinstellungsanspruch spielt in der Rechtsprechung des BAG 75 vor allem eine Rolle, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch eine wirksame betriebsbedingte Kündigung beendet hat. Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z. B. wegen einer Betriebsstilllegung) nicht mehr weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist als falsch (z. B. weil es noch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Disposition getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Ein solcher Wiedereinstellungsanspruch stellt nach der Rechtsprechung des BAG ein notwendiges Korrektiv dafür dar, dass diese allein aus Gründen der Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Klarheit bei der Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstellt und schon eine Kündigung aufgrund einer Prognoseentscheidung (z. B. wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung) zulässt, obwohl der Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem die Arbeitnehmer durch § 1 KSchG geschützt werden sollen, erst mit der Entlassung, also dem Ablauf der Kündigungsfrist, eintritt. Grundsätzlich wird die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers durch einen Wiedereinstellungsanspruch jedoch nicht eingeschränkt, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Betrieb eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entsteht 76, weil der Wiedereinstellungsanspruch aus einer den Arbeitgeber treffenden Nebenpflicht herzuleiten ist, die ursprünglich aus § 242 BGB 77, nunmehr jedoch richtigerweise aus § 241 Abs. 2 BGB folgt. Ein Wiedereinstellungsanspruch
75 BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757 Rz. 26 f.; BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097 Rz. 23; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357 Rz. 21; BAG v. 15.12. 2011 – 8 AZR 197/11, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 130 Rz. 37; Aszmons/Beck, NZA 2015, 1098; Boewer, NZA 1999, 1121 ff. und 1177 ff. 76 BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757 Rz. 34; BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097 Rz. 29. Ausnahmsweise lässt das BAG auch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist einen Wiedereinstellungsanspruch zu: BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357 Rz. 19. 77 BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757 Rz. 29; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357 Rz. 21.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
aus einer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachwirkenden Interessenwahrnehmungspflicht des Arbeitgebers kommt nicht in Betracht. Ebenso wenig besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung nach Ablauf eines wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses, wenn sich entgegen der ursprünglichen Prognose auf Grund neuer Umstände eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung ergibt 78. Ob ein Wiedereinstellungsanspruch eines wirksam gekündigten Arbeitnehmers aus einem Verstoß gegen die EMRK hergeleitet werden kann, war Gegenstand einer Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 20.10.2015 79. Der Kläger verlangte von der Beklagten seine Wiedereinstellung und Beschäftigung als Kirchenmusiker. Ihm war von der beklagten katholischen Kirchengemeinde gekündigt worden, weil er gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und damit seine Loyalitätsobliegenheiten grob verletzt hatte. Das LAG Düsseldorf wies die Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 3.2.2000 ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers blieb erfolglos. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung an. Am 11.1.2003 erhob der Kläger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit Urteil vom 23.9.2010 stellte der Gerichtshof einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) 80 fest. Mit Urteil vom 28.6.2012 erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 81 dem Kläger gemäß Art. 41 EMRK eine Entschädigung in Höhe von 40.000,- € zu. Im Oktober 2010 erhob der Kläger beim LAG Düsseldorf 82 Restitutionsklage, die durch Urteil vom 4.5.2011 als unzulässig verworfen wurde. Das BAG 83 wies die Revision des Klägers zurück. Gegen diese Entscheidung liegt eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG vor 84. Im aktuellen Streitfall möchte der Kläger seine Wiedereinstellung bei der Beklagten durchsetzen und hat diesen Anspruch aus einer konventionsfreundlichen Auslegung (Wiedereinstellungsanspruch sui generis) der EMRK hergeleitet. 78 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896 Rz. 20. Dies gilt auch für Betriebsratsmitglieder: BAG v. 25.6.2014 – 7 AZR 847/12, DB 2014, 2416 Rz. 16. 79 9 AZR 743/14, NZA 2016, 299; vgl. dazu auch Buchholtz, NJW 2016, 1038. 80 Beschwerde – Nr. 1620/03 (Schüth gegen Deutschland). 81 Beschwerde – Nr. 1620/03. 82 4.5.2011 – 7 Sa 1427/10 n. v. 83 22.11.2012 – 2 AZR 570/11, NZA-RR 2014, 91. 84 Vgl. dazu bereits den Nichtannahmebeschluss des BVerfG v. 19.5.2015 – 2 BvR 1170/14, NJW-RR 2016, 63; vorgehend BGH v. 19.3.2014 – XII ZB 511/13, NJW-RR 2014, 577 ff.
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Kein Wiedereinstellungsanspruch nach rechtswidriger Kündigung aus Art. 8 EMRK
In Übereinstimmung mit den Urteilen der Vorinstanzen hat das BAG 85 einen Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung verneint. Ein solcher Anspruch lässt sich nicht unmittelbar aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) herleiten. Die EMRK, die im Rang eines Bundesgesetzes steht, wirkt sich zwar hinsichtlich ihrer Gewährleistungen auf die Auslegung der Grundrechte und des nationalen Rechts als Auslegungshilfe aus 86, führt indes nicht dazu, dass grundrechtsgeschützte Positionen eingeschränkt werden. Diese Konsequenz träte nach Ansicht des BAG ein, wenn trotz eines rechtskräftigen klageabweisenden Urteils im Kündigungsschutzverfahren bei einer Konventionsverletzung ein Eingriff in die Vertragsabschlussfreiheit des Arbeitgebers – hier aus Art. 12 Abs. 1 GG 87 – in Gestalt der Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs möglich wäre. Dabei stützt das BAG seine Ansicht zusätzlich auf § 15 Abs. 6 AGG, wonach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG gerade keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt. Darin sieht das BAG eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, wonach der Arbeitgeber selbst bei massivsten Diskriminierungen nicht gezwungen werden soll, ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Überzeugend argumentiert das BAG gegen den Wiedereinstellungsanspruch auch mit der Beeinträchtigung der materiellen Rechtskraft des die Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils. Diese Bewertung steht allerdings im Widerspruch zu der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 22.11.2012 88 über die erfolglose Restitutionsklage des Klägers, der ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass einem Wiedereinstellungsbegehren des Klägers die materielle Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung im Kündigungschutzprozess nicht entgegensteht und damit den Kläger geradezu ermuntert hat, den Wiedereinstellungsprozess zu führen. Dieses Ergebnis entspricht auch der gesetzlichen Intention des § 580 Nr. 8 ZPO, wonach die Restitutionsklage stattfindet, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Mit dieser Vorschrift wird die in Art. 46 EMRK vorgesehene Verbindlichkeit und Durchführungspflicht der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschen85 20.10. 2015 – 9 AZR 743/14, NZA 2016, 299 Rz. 12. 86 So BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387 Rz. 128. 87 Insofern verdient Art. 12 Abs. 1 GG im Bereich der beruflichen Betätigung Vorrang vor der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfG v. 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, NJW 2011, 1339 ff. Rz. 32. 88 2 AZR 570/11, NZA-RR 2014, 91 Rz. 40.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
rechte ohne Bindung des beklagten Staats an ein bestimmtes Mittel umgesetzt, wobei diese Umsetzung gerade keine automatische Beseitigung der rechtskräftigen Entscheidung auslöst, sondern im Zivilprozess durch die Wiederaufnahme des bereits abgeschlossenen Verfahrens vorgenommen wird 89. Bereits damit hat der Gesetzgeber die dem Kläger zustehende Reaktion abschließend umschrieben, so dass es eigentlich des Begründungsaufwandes des BAG zur Ablehnung eines Wiedereinstellungsanspruchs nicht bedurft hätte. Die vom BAG gelieferte Begründung war jedoch dem Umstand geschuldet, dass sich der Kläger noch nicht auf § 580 Nr. 8 ZPO berufen konnte. Die Wiedergutmachung einer Konventionsverletzung ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers. Bis zu einer entsprechenden gesetzgeberischen Maßnahme des Konventionsstaats musste sich der Beschwerdeführer mit einem Entschädigungsanspruch gemäß Art. 41 EMRK begnügen, was unter Umständen keine ausreichende Behebung der Rechtsverletzung darstellt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich ungeachtet einer Entschädigung aus Art. 41 EMRK für den Weg der Restitutionsklage (restitutio in integrum) entschieden. Daher konnte auch vor Inkrafttreten des § 580 Nr. 8 ZPO eine festgestellte Konventionsverletzung entgegen der Auffassung des 2. Senats des BAG 90 keinen Wiedereinstellungsanspruch generieren, um eine Verletzung der Konvention zu beseitigen, weil dieser Vorschlag einem nicht begründbaren Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung gleichkam. Insofern hat der 9. Senat des BAG kein Wort über die Entscheidung des 2. Senats des BAG verloren. Als Resümee für die betriebliche Praxis ist durch die Einfügung der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO nunmehr abschließend klargestellt, dass ein Arbeitnehmer, dessen Rechte aus der EGMR durch ein klageabweisendes Urteil im Kündigungsschutzprozess verletzt worden sind, nur über diesen Weg, nicht aber über einen Wiedereinstellungsanspruch eine Restitution erreichen kann, wenn das Urteil auf dieser Verletzung beruht. (Boe)
9.
Altersdiskriminierung durch Vorruhestandsmodelle für ältere Führungskräfte
§§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG verbieten eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung von Arbeitnehmern wegen des Alters. Ausgenommen hiervon sind lediglich die in §§ 8,10 AGG genannten Tatbestände. Missachtet der Arbeitgeber diese Schranken schuldhaft, ist er verpflichtet, dem Arbeitnehmer den
89 Vgl. dazu BT-Drucks. 16/3038 S. 39. 90 BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 570/11, NZA-RR 2014, 91 Rz. 40.
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Altersdiskriminierung durch Vorruhestandsmodelle für ältere Führungskräfte
hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 15 Abs. 1 AGG). Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte darüber hinaus eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Abs. 2 AGG). Voraussetzung ist, dass dieser Anspruch unter Berücksichtigung unionsrechtskonformer Einschränkungen der gesetzlichen Vorgaben fristgerecht geltend gemacht wird (§§ 15 Abs. 4 AGG, 61 b ArbGG). Bei der Geltendmachung entsprechender Ansprüche kommt es nicht darauf an, ob die Benachteiligung durch individual- oder kollektivrechtliche Maßnahmen des Arbeitgebers ausgelöst wurde. Damit werden insbesondere auch solche Formen der Benachteiligung einbezogen, die durch den Arbeitgeber auf individualrechtlicher Ebene bewirkt werden. Eine entsprechende Klage auf Schadensersatz und Entschädigung lag dem Urteil des BAG vom 17.3.2016 91 zugrunde. Der im Oktober 1952 geborene Kläger war in der Zeit vom August 1985 bis Oktober 2012 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, zuletzt als Verkaufsleiter PKW in einer der Niederlassungen beschäftigt. Als Verkaufsleiter gehörte er dem Kreis der leitenden Führungskräfte an. Nach den im Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen sollte das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres beendet werden. Im Jahre 2003 führte die Beklagte das Konzept „60+“ für leitende Führungskräfte ein, das die Möglichkeit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahres u. a. gegen Zahlung einer Kapitalbetrages vorsah. Im Juli 2003 unterbreitete sie dem Kläger ein entsprechendes Angebot, das dieser im Dezember 2005 auch annahm. Im Jahre 2012 wurde dann das Konzept „60+“ durch das Konzept „62+“ ersetzt. Alle leitenden Führungskräfte, die einen Vertrag auf der Grundlage des Konzepts „60+“ hatten und im Jahre 2012 das 57. Lebensjahr vollendeten, erhielten deshalb ab November 2012 ein Angebot, einen Vertrag auf der Grundlage des neuen Konzepts abzuschließen. Der Kläger erhielt kein entsprechendes Angebot. Sein Arbeitsvertrag war gegen Zahlung eines Kapitalbetrags in Höhe von 123.120,00 € bereits am 31.10.2012 beendet worden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger nicht mit einer Entfristungsklage angegriffen. Ungeachtet dessen hat sich der Kläger durch die Beklagte wegen seines Alters benachteiligt gesehen. Zur Begründung hat er nicht nur auf die Vereinbarung über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 60. Lebensjahres verwiesen. Nach seiner Auffassung lag eine entspre91 8 AZR 677/14 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
chende Diskriminierung wegen seines Alters auch darin, dass ihm keine Umstellung des Arbeitsverhältnisses auf das Konzept „62+“ angeboten worden war. Die Beklagte sei deshalb nach § 15 Abs. 1 AGG nicht nur verpflichtet, dem Kläger den aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen. Vielmehr machte er auch die Zahlung einer Entschädigung i. S. d. § 15 Abs. 2 AGG geltend, die aus seiner Sicht 80.855,39 € betragen sollte. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch der 8. Senat des BAG die Klage für unbegründet gehalten. Nach seinen Feststellungen scheiterten die Ansprüche des Klägers bereits daran, dass er durch die Beklagte keine weniger günstige Behandlung erfahren hatte, als alle anderen Personen in vergleichbarer Situation erfahren hatten oder erfahren würden (§ 3 Abs. 1 AGG). Dies gelte zunächst, soweit die Beklagte dem Kläger ein Vertragsangebot nach dem Konzept „60+“ unterbreitet habe, das vom Kläger angenommen worden war. Sofern in die Vergleichsbetrachtung nur die anderen leitenden Führungskräfte einbezogen wurden, lag keine Ungleichbehandlung vor. Sofern die maßgebliche Vergleichsgruppe die Gruppe der Mitarbeiter unterhalb der Ebene der leitenden Führungskräfte sein sollte, wurde der Kläger nicht ungünstiger als diese behandelt. Vielmehr wurde ihm durch das Angebot der Beklagten lediglich eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet, wobei er frei darüber entscheiden konnte, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollte. Im Hinblick auf die ihm nicht angebotene Umstellung seines Arbeitsvertrags auf das Konzept „62+“ ist der Kläger mit den Arbeitnehmern, die dieses Angebot im November/Dezember 2012 erhalten haben, bereits deshalb nicht vergleichbar gewesen, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden war. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie trägt schlussendlich auch dem Grundsatz Rechnung, dass die Benachteiligung eines Arbeitnehmers nicht darin liegen kann, einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen. Es entspricht den Grundsätzen der Vertragsfreiheit, eine arbeitsvertragliche Beziehung fortzusetzen. Dies gilt für die Arbeitgeberund Arbeitnehmerseite gleichermaßen. Solange der Vertragsabschluss selbst bzw. die Verweigerung eines solchen Abschlusses nicht mit Nachteilen verknüpft ist, kann das „Ob“ einer solchen Vereinbarung nicht als altersbezogene Diskriminierung qualifiziert werden. Eine solche Benachteiligung i. S. d. § 3 Abs. 1, 2 AGG kann erst dann vorliegen, wenn nach Abschluss einer solchen Vereinbarung unter Berücksichtigung des Lebensalters Benachteiligungen erfolgen, die nicht durch §§ 8, 10 AGG gerechtfertigt sind.
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Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Berechtigterweise konnte das BAG in seinem Urteil auch offen lassen, ob der Kläger jedenfalls von der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen war, weil er auf die Möglichkeit einer Entfristungsklage gemäß § 17 TzBfG verzichtet hatte. Richtigerweise würde man nach den allgemeinen Grundsätzen zum anspruchsausschließenden Mitverschulden annehmen müssen, dass der Arbeitnehmer dieses Mittel hätte vorrangig ergreifen müssen. In diesem Fall hätte sich der Schadenersatzanspruch auch auf die Prozesskosten beschränkt, unterstellt, in dem hier in Rede stehenden Vorruhestandsprogramm wäre doch eine Diskriminierung wegen des Alters zum Ausdruck gekommen. Wichtig ist diese Klarstellung für die Praxis insoweit, als es immer wieder Überlegungen gibt, eine bestimmte Gruppe älterer Arbeitnehmer mit konkreten Angeboten zu versehen, die eine vorzeitige Vertragsbeendigung attraktiv machen. Die vorstehend behandelte Entscheidung des BAG zeigt, dass die darin liegende Option jedenfalls für solche Arbeitnehmer, die hiervon Gebrauch machen, nicht als Benachteiligung qualifiziert werden kann. Richtigerweise liegt eine solche Benachteiligung allerdings auch nicht darin, dass jüngere Arbeitnehmer von einem solchen Angebot ausgegrenzt werden. Die insoweit vorliegende Begünstigung rentennaher Jahrgänge entspricht schlussendlich auch der Bewertung, die im Altersteilzeitgesetz zum Ausdruck kommt. Vorsorglich sollte bei entsprechenden Programmen allerdings nicht an das Lebensalter, sondern eine maximale Zeitspanne bis zum Bezug der gesetzlichen Altersrente angeknüpft werden. Dabei kann auch die Altersrente wegen Schwerbehinderung einbezogen werden, weil auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer keine Verpflichtung besteht, entsprechende Angebote anzunehmen. Wichtig ist nur, dass auch schwerbehinderte Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, innerhalb solcher Programme das Arbeitsverhältnis bis zu einem Zeitpunkt fortzusetzen, an dem sie Altersrente ohne Rücksicht auf ihre Schwerbehinderung erhalten. Wir haben auf die damit zusammenhängende Problematik an anderer Stelle verwiesen 92. (Ga)
10. Schriftformerfordernis bei der durch Aufhebungsoder Abwicklungsvertrag eröffneten Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; 92 B. Gaul, AktuellAR 2016, 277 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
die elektronische Form ist ausgeschlossen. Da das Schriftformerfordernis konstitutive Bedeutung hat 93, handelt es sich um zwingendes Recht, das durch Individual- und Kollektivvereinbarung nicht abbedungen werden kann 94. Die Schriftform wird gemäß § 126 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde durch den Aussteller eigenhändig mittels Namensunterschrift oder notariell beglaubigtem Handzeichens unterzeichnet wird. Dies macht den Aussteller der Urkunde erkennbar und stellt eine unzweideutige Verbindung zwischen der Urkunde und dem Aussteller her (Identitätsfunktion). Außerdem wird – so das BAG – durch die Verbindung zwischen Unterschrift und Erklärungstext gewährleistet, dass die Erklärung inhaltlich vom Unterzeichner herrührt (Echtheitsfunktion). Schließlich erhält der Empfänger der Erklärung die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist (Verifikationsfunktion). Abschließend ist das Schriftformerfordernis auch darauf gerichtet, für den Erklärenden eine Warnfunktion zu entfalten 95. In seinem Urteil vom 17.12.2015 96 hat das BAG klargestellt, dass dieses Schriftformerfordernis auch für die in einem Abwicklungsvertrag eröffnete Möglichkeit der Erklärung eines vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers zur Anwendung kommt. Gleiches gilt dann, wenn dem Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag die Möglichkeit eröffnet wird, durch einseitige Erklärung aus dem Arbeitsverhältnis vor dem eigentlich vereinbarten Beendigungstermin auszuscheiden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch Schreiben vom 26.8.2013 zum 28.2.2014 gekündigt. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Kündigungsschutzverfahrens schlossen die Parteien am 2.10.2013 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund der streitgegenständlichen Kündigung mit Ablauf des 28.2.2014 enden sollte. Mit Wirkung ab dem 1.11.2013 wurde die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Gehalts freigestellt. § 4 des Vergleichs lautete wie folgt:
93 Vgl. BT-Drucks. 14/626 S. 11. 94 BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 Rz. 28; HWK/Bittner, BGB § 623 Rz. 39. 95 BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 Rz. 27; BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466 Rz. 21; BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, NZA 2007, 377 Rz. 72. 96 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361.
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Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Beklagte räumt der Klägerin das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein. Die Klägerin wird ihr vorzeitiges Ausscheiden mit einer Ankündigungsfrist von drei Tagen schriftlich gegenüber der Beklagten anzeigen. Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet sich die Beklagte, für jeden Kalendertag vorzeitigen Ausscheidens eine Sozialabfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 70,00 € (brutto) je Kalendertag an die Klägerin zu bezahlen.
Durch Schreiben vom 26.11.2013, das der Beklagten per Telefax übermittelt wurde, teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit, dass die Klägerin zum 30.11.2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Sie habe zum 1.12.2013 eine andere Arbeitsstelle gefunden. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 30.12.2013 fristlos. Die Klägerin wandte sich hiergegen wiederum mit einer Kündigungsschutzklage. Gleichzeitig begehrte sie festzustellen, dass sie durch die mit Telefaxschreiben vom 26.11.2013 erfolgte Ankündigung bereits zum 30.11.2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war. Mit überzeugender Begründung hat das BAG die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt, nach der das Arbeitsverhältnis durch das Telefax vom 26.11.2013 nicht wirksam zum 30.11.2013 beendet wurde. Da das Arbeitsgericht bereits die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt hatte, war von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 28.2.2014 auszugehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte ursprünglich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Zunächst einmal hat der 6. Senat des BAG deutlich gemacht, dass es für die Anwendbarkeit von § 623 BGB unerheblich sei, ob der Begriff der Kündigung im Zusammenhang mit der einseitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erklärt werde. Entscheidend sei, dass der Kündigende eindeutig seinen Willen kundgebe, das Arbeitsverhältnis einseitig lösen zu wollen. Hiervon ausgehend wurde auch die hier im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Anzeige des vorzeitigen Ausscheidens in den Anwendungsbereich des § 623 BGB einbezogen. Denn bei dieser Erklärung handelte es sich nicht nur um eine Wissenserklärung, durch die der Vertragspartner über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert werden sollte. Vielmehr handelte es sich um eine Erklärung, die als Folge ihrer Gestaltungswirkung eine vor-
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
zeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken sollte. Ohne diese Anzeige sollte die Beendigung erst am 28.2.2014 eintreten 97. Dass die Erklärung der Klägerin innerhalb von nur drei Kalendertagen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken sollte, war aus Sicht des BAG zwar zulässig. Insbesondere stand § 622 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 BGB dem nicht entgegen. Grundsätzlich könne die Grundkündigungsfrist aber nicht von vier Wochen außerhalb der in § 622 Abs. 3, Abs. 5 S. 1 BGB vorgesehenen Ausnahmen durch individuelle Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien nicht verkürzt werden. Bei einer Regelung der vorzeitigen Beendigung gegen Abfindungszahlung in einem Abwicklungsvertrag sei die Beschränkung des § 622 Abs. 5 S. 1 BGB allerdings teleologisch zu reduzieren. Denn bei einer solchen Konstellation sei ein Schutz der Arbeitsvertragsparteien nicht erforderlich. Darüber hinaus entspreche eine solche Beendigungsmöglichkeit auch dem Rechtsgedanken des § 12 S. 1 KSchG. Danach hat der Arbeitnehmer das Recht zur Verweigerung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Fall einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn er inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist 98. Voraussetzung für die Wirksamkeit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kläger wäre aber gewesen, dass ihre Anzeige der Beklagten in Schriftform zugegangen wäre. Dieses Formerfordernis war durch das Telefaxschreiben vom 26.11.2013 nicht gewahrt. Denn diese Form der Kündigung entspricht nicht den Anforderungen der §§ 126, 623 BGB und war deshalb nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Zu Recht lehnt es das BAG ab, die für das Prozessrecht und die Geltendmachung einer tariflichen Ausschlussfrist 99 entwickelten Ausnahmen auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu übertragen 100. Die Entscheidung hat für die betriebliche Praxis erheblich Bedeutung. Sie bestätigt auf der einen Seite, dass in Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen Regelungen getroffen werden können, nach denen es dem Arbeitnehmer gestattet wird, durch einseitige Erklärung dem Arbeitgeber gegenüber eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bewirken. Typischerweise ist dies mit der Zahlung einer Abfindung verbunden, die ganz oder teilweise die durch die vorzeitige Vertragsbeendigung eingesparten Vergü97 BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 Rz. 31, 42; BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, NZA 2007, 377 Rz. 28. 98 BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 Rz. 36 ff. 99 Vgl. nur BAG v. 11.10.2000 – 5 AZR 313/99, NZA 2001, 231. 100 BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361 Rz. 46 ff.
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Wegfall der prozessbeendenden Wirkung eines Prozessvergleichs
tungsansprüche zur Auszahlung bringt. Dafür kann auch eine kurze Frist vereinbart werden. Denkbar wäre sogar, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einer sofortigen Vertragsbeendigung zuzugestehen. Auf der anderen Seite müssen beide Parteien aber darauf achten, dass eine entsprechende Erklärung den Schriftformerfordernissen des § 126 BGB Rechnung trägt. Dieses Schriftformerfordernis kann auch durch Vereinbarung nicht verändert werden. Insoweit wäre es unzulässig, eine vorzeitige Beendigung auch durch Telefax, E-Mail oder mündliche Erklärung zuzulassen. (Ga)
11.
Wegfall der prozessbeendenden Wirkung eines Prozessvergleichs
In der betrieblichen Praxis besteht in der Regel die Erwartung, dass mit Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs die Auseinandersetzung mit einem Arbeitnehmer beendet ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung festgestellt wird. Entsprechendes gilt dann, wenn vergleichbare Regelungen im Rahmen eines Aufhebungsvertrags abgeschlossen werden. Das Urteil des BAG vom 24.9.2015 101 macht deutlich, dass diese Erwartung nicht immer erfüllt wird. Denn die prozessbeendende Wirkung eines Vergleichs kann nicht nur dann entfallen, wenn seiner Wirksamkeit von Anfang an prozessuale und/oder materiell-rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Denkbar ist auch, dass ein anfänglich wirksamer Vergleich durch später eintretende Tatsachen und/oder Rechtshandlungen beseitigt wird. Das gleiche gilt für die Wirkung eines Aufhebungsvertrags. In allen Fällen kann dies zur Folge haben, dass nicht nur eine prozessuale Auseinandersetzung fortgeführt werden muss. Denkbar ist auch, dass als Konsequenz dieser Fortführung schlussendlich auch von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall war der Kläger durch Schreiben vom 20.9.2011 mit Wirkung zum 30.11.2011 betriebsbedingt gekündigt worden. Im Rahmen des daraufhin durchgeführten Kündigungsschutzverfahrens hatten die Prozessparteien zur Erledigung des Rechtsstreits am 15.2.2012 einen Vergleich geschlossen. Danach bestand zwischen ihnen Einigkeit darüber, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung zum Ablauf des 30.11.2011 sein Ende gefunden habe. Darüber hinaus verpflichtete sich der Arbeitgeber und spätere Insolvenzschuldner, 101 2 AZR 716/14 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 3.120,00 € (brutto) zu zahlen, ein Zeugnis mit einer „guten“ Bewertung in Bezug auf Führung und Leistung zu erteilen und dem Kläger eine ERP-Entwicklerlizenz zurück zu übertragen. Diese Lizenz, die das Erstellen von Software-Lösungen auf der Basis einer Grundsoftware des Lizenzgebers ermöglicht, hatte der Kläger dem Arbeitgeber im Rahmen seiner Beschäftigung im Jahre 2005 übertragen. Im Nachgang zu diesem Vergleichsabschluss zahlte der Arbeitgeber zwar die vereinbarte Abfindung und erteilte das zugesagte Zeugnis. Vergeblich forderte der Kläger den Arbeitgeber allerdings auf, ihm auch die Entwicklerlizenz zurück zu übertragen. Der Arbeitgeber berief sich darauf, er könne die Forderung nicht (mehr) erfüllen. Die ehemalige Prokuristin habe den Vertrag mit dem Lizenzgeber bereits im Spätsommer 2011 gekündigt, was der am Vergleichsabschluss beteiligte Geschäftsführer nicht gewusst habe. Der Kläger war mit diesem Ergebnis nicht zufrieden. Er erklärte daraufhin durch Schreiben vom 11.3.2013 den Rücktritt vom Vergleich und begehrte bei dem Gericht, vor dem der streitgegenständliche Vergleich abgeschlossen worden war, unter Bezugnahme auf das entsprechende Verfahren die Feststellung, dass das gerichtliche Verfahren nicht beendet sei. Hiervon ausgehend sollte das Gericht darüber hinaus feststellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die schriftliche Kündigung vom 20.9.2011 beendet worden war und er vom gleichen Tage an zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen war. Entgegen der Auffassung des LAG Niedersachsen hält es das BAG durchaus für möglich, dass der Vergleich vom 15.2.2012 von Anfang an unwirksam war oder durch Rücktritt des Klägers entfallen ist. Grundlage für eine anfängliche Unwirksamkeit des Vergleichs könnte aus Sicht des BAG § 779 Abs. 1 BGB sein. Danach ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach seinem Inhalt als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Voraussetzung ist damit, dass sich der Irrtum der Parteien auf einen streitausschließenden Umstand bezieht. Eine Unwirksamkeit der in Bezug auf die Rückübertragung der ERPEntwicklerlizenz im Vergleich getroffenen Vereinbarung kommt demzufolge dann in Betracht, wenn ein Streit zwischen den Parteien über die Rückübertragung dieser Lizenz nicht entstanden wäre, sofern die damaligen Parteien die wahre Situation betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ der Lizenz gekannt hätten 102. 102 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 716/14 n. v. Rz. 22.
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Wegfall der prozessbeendenden Wirkung eines Prozessvergleichs
Ob diese Voraussetzungen erfüllt waren und ob die daraus folgende Unwirksamkeit eines Teils der im Vergleich getroffenen Regelungen auch die Unwirksamkeit des Gesamtvergleichs zur Folge hätte, hat das BAG indes offengelassen. Hintergrund dieser Vorgehensweise war der Umstand, dass der 2. Senat des BAG auf der Grundlage der tatrichterlich getroffenen Feststellungen – entgegen der Auffassung der Berufungsinstanz – auch einen wirksamen Rücktritt des Klägers vom Prozessvergleich für möglich gehalten hat. Ein solcher Rücktritt von einem zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits geschlossenen Vergleichs führe dazu, dass auch dessen prozessbeendende Wirkung entfalle. Andernfalls wäre – so das BAG – die Aufhebung des durch die einvernehmliche Prozessbeendigung bewirkten Eintritts der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG nicht möglich 103. Im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Rücktritts hat das BAG zunächst einmal klar gestellt, dass der streitgegenständliche Prozessvergleich als gegenseitiger Vertrag i. S. d. §§ 320 ff. BGB zu qualifizieren war. Eine solche Kennzeichnung ergab sich zwar nicht bereits daraus, dass die Vereinbarung als Vergleich auf gegenseitigem Nachgeben beruhte. Die damit verbundene Aufgabe wechselseitiger Rechtsstandpunkte erzeuge noch keine Leistungspflichten und stelle deshalb selbst keine „Leistung“ im schuldrechtlichen Sinne dar. Entscheidend sei stattdessen der jeweilige Vergleichsinhalt. Zum gegenseitigen Vertrag werde ein Vergleich deshalb dann, wenn in ihm ein synallagmatischer Leistungsaustausch geregelt sei. Es müssten also entweder beiderseitige Leistungspflichten neu begründet werden 104 oder es müsse zumindest eine Partei durch den Vergleich eine Leistung unmittelbar erbringen, wofür sich die andere Partei zu einer Gegenleistung verpflichte 105. Von einer solchen Gegenseitigkeit war aus Sicht des BAG vorliegend auszugehen. Denn der Kläger hatte dem späteren Insolvenzschuldner dadurch einen Vorteil zugewendet, dass er sich mit ihm auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung und auf eine Beendigung des Rechtsstreits geeinigt hatte. Diese Abrede führte zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG. Zum Ausgleich dafür hatte sich der Arbeitgeber verpflichtet, dem Kläger eine Abfindung zu zahlen.
103 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 716/14 n. v. Rz. 26. 104 So Hofstetter, BB 1963, 1459, 1460. 105 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 716/14 n. v. Rz. 30 f.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Ohne Rücksicht darauf, ob auch die zur Rückübertragung der ERPEntwicklerlizenz getroffene Regelung in das Gegenseitigkeitsverhältnis einzubeziehen war, hatte die Nichterfüllung dieser Verpflichtung durch den Arbeitgeber die Entstehung eines Rücktrittsrechts des Klägers zur Folge. Sofern die Verpflichtung zur Rückübertragung im Gegenseitigkeitsverhältnis stand, entstand das Rücktrittsrecht gemäß § 326 Abs. 5 BGB bereits dadurch, dass es dem Arbeitgeber gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich war, seine Leistungspflicht zu erfüllen. Sollte die Verpflichtung des Arbeitgebers nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis bestanden haben oder sollte ihm die Erfüllung nicht i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich gewesen sein, kommt nach den Feststellungen des BAG ein Rücktrittsrecht des Klägers nach § 323 Abs. 1 BGB in Betracht. Denn der Arbeitgeber hätte in diesem Fall nicht geleistet. Sofern nicht eine Fristsetzung durch den Kläger entbehrlich gewesen sein sollte, weil die Verweigerung der Leistung i. S. d. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits ernsthaft und endgültig war, wären allerdings Feststellungen dafür zu treffen, ob der Kläger der Arbeitgeberin i. S. d. § 323 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hatte. Dieses Rücktrittsrecht war auch nicht durch eine Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen. Eine solche Vereinbarung hätte sich unmittelbar aus den Regelungen im Vergleichstext ergeben müssen 106. Daran fehlte es. Im Übrigen rechtfertigten die Interessenlage in einem Kündigungsschutzprozess und die Möglichkeit, den Widerruf des Vergleichs vorzubereiten, aus Sicht des BAG für sich genommen noch nicht die Annahme, die Parteien wollten auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausschließen. Richtigerweise hat das BAG auch einen gesetzlichen Ausschluss des Rücktrittsrechts abgelehnt. Für § 323 Abs. 5 S. 1 BGB fehlte es an der Teilbarkeit der durch den Kläger zu erbringenden Gegenleistung. Denn die seinerseits vorgenommene Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war unteilbar. Für einen Ausschluss des Rücktritts gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB fehlte es an einer Schlechtleistung des Arbeitgebers. Dieser hatte einen Teil der nach dem Vergleich geschuldeten Leistung gar nicht erfüllt, was nicht mit einer Schlechtleistung gleichgesetzt werden konnte. Da auch die Voraussetzungen für ein gesetzliches Rücktrittsrecht analog § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, wie es ein Teil der Literatur entwickelt hat, nicht gegeben waren, musste das BAG von der Notwendigkeit ausgehen, tatrichterlich die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen des Rücktrittsrechts aufzuklären 107.
106 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 716/14 n. v. Rz. 37; Besgen/Velten, NZA-RR 2010, 561, 562. 107 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 716/14 n. v. Rz. 38 ff.
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Wirksamkeit eines Klageverzichts in vorformulierter Abwicklungsvereinbarung
Für die betriebliche Praxis folgt daraus, dass sehr sorgfältig darauf geachtet werden muss, dass die in einem Vergleich enthaltenen Verpflichtungen beiderseits auch erfüllt werden können. Entsprechendes gilt für Zusagen, die in einem Aufhebungsvertrag gemacht werden. Andernfalls besteht das Risiko, das die streitbeendende Wirkung solcher Vereinbarungen durch einen späteren Rücktritt wieder beseitigt wird. Dieses Risiko könnte nur dadurch ausgeschlossen werden, dass ausdrücklich ein solches Rücktrittsrecht durch Vereinbarung ausgeschlossen wird. Ein solcher Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittrechts ist wirksam, muss aber – wenn es in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist – den allgemeinen Grundsätzen der AGBKontrolle genügen. (Ga)
12. Wirksamkeit eines Klageverzichts in vorformulierter Abwicklungsvereinbarung Bereits bei früherer Gelegenheit hatte das BAG deutlich gemacht, dass auch Vereinbarungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen und die hierfür geltenden Bedingungen einer AGB-Kontrolle unterworfen sind. Dies gilt nicht nur für Standardvereinbarungen, die in diesem Zusammenhang Verwendung finden. Da Verträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber in Bezug auf das Arbeitsverhältnis als Verbraucherverträge i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB zu qualifizieren sind, gilt dies auch für solche Verträge, die durch den Arbeitgeber vorformuliert wurden und nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte 108. Wir hatten an anderer Stelle darauf verwiesen 109 Hiervon ausgehend ist auch eine Vereinbarung, durch die der Arbeitnehmer vor Ablauf von drei Wochen nach Zugang einer Kündigung formularmäßig auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet, einer AGBKontrolle unterworfen. Dabei geht es vor allem um die Angemessenheit gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Da in einer entsprechenden Vereinbarung die Befugnis zur Klageerhebung nach §§ 4, 7 KSchG beseitigt wird, steht auch § 307 Abs. 3 S. 1 BGB einer solchen Inhaltskontrolle nicht entgegen. Diese Grundsätze hat das BAG jetzt noch einmal im Urteil vom 24.9.2015 110 bestätigt. Dabei hat es noch einmal deutlich gemacht, dass ein solcher Ver108 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351 Rz. 13 f.; BAG v. 13.2.2013 – 5 AZR 2/12, NZA 2013, 1024 Rz. 14. 109 B. Gaul, AktuellAR 2016, 61 ff. 110 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351 ff. Rz. 15 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
zicht innerhalb der ersten drei Wochen als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers anzusehen ist, wenn er ohne eine kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers erfolgt 111. Dabei liegt – so das BAG – eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer in einer vorformulierten Erklärung ohne jede Gegenleistung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet hat. Eine unangemessene Benachteiligung ist aus Sicht des 2. Senats des BAG mit einem solchen Verzicht auch dann verbunden, wenn der Arbeitnehmer für seinen Verzicht keine angemessene Kompensation erhält 112. Wenn die unangemessene Benachteiligung ausgeschlossen sein soll, muss dem Arbeitnehmer im Zusammenhang und zugleich als Gegenleistung für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ein Vorteil gewährt werden. Er muss – so das BAG – außerdem von einem solchen Gewicht sein, das er einen angemessenen Ausgleich für die Benachteiligung darstellt. Insofern bedürfe es einer Abwägung zwischen dem vereinbarten Nachteil einerseits und dem gewährten Vorteil andererseits 113. Dies entspricht auch der sonstigen Vorgehensweise zur Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung. Denn die entsprechende Prüfung ist – so das BAG – auf die Frage gerichtet, ob der Verwender durch seine Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Dabei kommt es nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls an. Vielmehr ist auch die Angemessenheit einer Kompensation des Klageverzichts grundsätzlich nach einem generellen und typisierenden Maßstab zu prüfen. Allerdings sind dabei – wenn ein Verbrauchervertrag in Rede steht – die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Diese Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts waren in dem der Entscheidung des BAG vom 24.9.2015 114 zugrunde liegenden Fall nicht gegeben. Dort hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unmittelbar im Zusammenhang mit der Kündigung zugleich den Entwurf einer Abwicklungsvereinbarung übergeben. Sie wurde unmittelbar von beiden Seiten unterschrieben und lautete auszugsweise wie folgt:
111 So bereits BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350 Rz. 22, 24; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 Rz. 37. 112 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351 Rz. 16. 113 Abl. Worzalla, ASAE 2009, 31, 34. 114 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351 Rz. 20 ff.
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Wirksamkeit eines Klageverzichts in vorformulierter Abwicklungsvereinbarung
Arbeitgeberin und Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche und fristgemäße Kündigung vom 28.2.2013 aus betrieblichen Gründen zum 30.6.2013 sein Ende finden wird. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, dem Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist ein qualifiziertes Endzeugnis mit guter Leistungsund Führungsbewertung zu erteilen. Der Arbeitnehmer bestätigt, dass er diese Erklärung freiwillig unter reiflicher Überlegung geschlossen hat. Er verzichtet hiermit ausdrücklich auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage. Die Arbeitgeberin weist darauf hin, dass sie über etwaige Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld nicht belehrt hat und hierüber nur die für den Arbeitnehmer zuständige Arbeitsagentur Auskunft erteilen kann. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund – ob bekannt oder unbekannt – erledigt. …
Als der Kläger trotz des Abschlusses dieser Vereinbarung Kündigungsschutzklage erhob, musste geklärt werden, ob dieser Klage die zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffene Vereinbarung entgegen stand. Mit überzeugender Begründung hat das BAG dies verneint, weil die Vereinbarung als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers anzusehen und deshalb nach §§ 306, 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam war. Bei der Begründung dieses Ergebnisses hat der 2. Senat des BAG darauf hingewiesen, dass auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Kläger ein „gutes Zeugnis“ zu erteilen, nicht als eine solche Gegenleistung zu qualifizieren sei. Denn der Arbeitgeber habe damit nur eine Verpflichtung wiedergegeben, die bereits aus § 109 Abs. 1 S. 1, 3 GewO folge. Dies gelte selbst dann, wenn im Rahmen der Abwicklungsvereinbarung die Ausstellung eines „überdurchschnittlichen“ Zeugnisses vereinbart werde. Dabei könne im Übrigen unterstellt werden, dass sich der Arbeitgeber nur rechtmäßig verhalten wolle, die im Abwicklungsvertrag vereinbarte Bewertung also den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Unabhängig davon erscheine – so das BAG – die Eingehung einer Verpflichtung, nach der ein objektiv unzutreffendes, „zu gutes“ Zeugnis erteilt werde, rechtlich zumindest bedenklich und stellte aus diesem Grund jedenfalls keinen angemessenen Vorteil für den Arbeitnehmer dar.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Hiervon ausgehend dürfte es in der betrieblichen Praxis erforderlich sein, die Zahlung einer Abfindung zuzusagen, wenn wirksam innerhalb der DreiWochen-Frist der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage formularmäßig vereinbart werden soll. Alternativ hierzu dürfte es denkbar sein, als Gegenleistung für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu verzichten. Voraussetzung für die Angemessenheit einer solchen Zusage ist aber, dass hier für den Arbeitnehmer tatsächlich ein konkretes Risiko solcher Ansprüche des Arbeitgebers bestanden hat. Vorsorglich sollte der entsprechende Verzicht dann allerdings auch ausdrücklich in der Ausgleichsklausel erkennbar gemacht werden. (Ga)
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F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Altersdiskriminierung durch Ausgrenzung von Beschäftigungsjahren vor Vollendung des 25. Lebensjahres?
Gegenstand einer Entscheidung des LAG Nürnberg vom 14.2.2014 1 war die Frage, ob die Bestimmung in einer Versorgungsordnung, wonach sich Betriebszugehörigkeitszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres nicht rentenerhöhend auswirken sollten, gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Alters verstößt. In der Versorgungsordnung der Beklagten, die den Mitarbeitern eine betriebliche Altersrente gewährt, war unter anderem vorgesehen, dass Dienstzeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres und nach Erreichung des gesetzlichen Renteneintrittsalters nicht anrechenbar sind. Einen Anspruch auf Betriebsrente sollten solche Mitarbeiter des Betriebs haben, welche erstens das 30. Lebensjahr vollendet haben und zweitens mindestens auf fünf Dienstjahre bei der Beklagten zurückblicken können. Bei einer maximal anrechenbaren Dienstzeit von 42 Jahren (bis zum 67. Lebensjahr) erwarb der Arbeitnehmer nach der Pensionsordnung pro Dienstjahr eine Pension in Höhe von 8,50 €. Der Kläger war bei der Beklagten vom 2.4.1996 bis zum 30.11.2010 in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt. Vor seinem Ausscheiden teilte ihm die Beklagte mit, dass ihm nach der im Zeitpunkt des Ausscheidens geltenden Versorgungsregelung ohne das vorzeitige Ausscheiden ein Leistungsanspruch in Höhe von monatlich 357,- € zustehen würde, welcher Betrag sich infolge des vorzeitigen Ausscheidens zeitanteilig im Verhältnis zur tatsächlichen Betriebszugehörigkeit auf 117,38 € reduziere. Dabei hatte die Beklagte die tatsächlich erreichte Betriebszugehörigkeit des Klägers seit dem 2.4.1996 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2010 mit 5.356 Tagen ermittelt und diese mit der möglichen Betriebszugehörigkeit von 16.290 Tagen (bis zum 67. Lebensjahr 2) ins Verhältnis gesetzt. Der daraus gebildete Quotient von 33 % bildete die Berechnungsgrundlage (m/n-Faktor) für die Bestimmung des vom Kläger erdienten Teilbetrags der 1 2
8 Sa 303/13 n. v. Nach § 35 S. 1 SGB VI i. d. F. des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes v. 20.4.2007, BGBl. I. S. 554 wird die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahrgänge ab 1964 mit 67 Jahren erreicht. Vgl. dazu BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, BB 2016, 691 Rz. 16; BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 25.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Rente. Bei von ihm erreichbaren 42 Dienstjahren multipliziert mit 8,50 € hätte die Vollrente 357,- € betragen. Davon hatte der Kläger 33 % erworben, die von der Beklagten mit 117,38 € (richtig 117,81 €) errechnet wurden (§ 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG). Der Kläger beanspruchte von der Beklagten eine um 8,38 € höhere Betriebsrente und berief sich zur Begründung darauf, dass die vor Vollendung des 25. Lebensjahres absolvierten Dienstjahre wegen des Verbots der Altersdiskriminierung nicht unberücksichtigt bleiben dürften, so dass bei der Berechnung der fiktiven Vollrente nicht mit dem Faktor 42 Dienstjahre, sondern mit dem Faktor 45 Dienstjahre (= 382,50 €) gerechnet werden müsse, so dass sich zu seinen Gunsten eine Anwartschaft in Höhe von 125,76 € pro Monat (richtig 126,23 €) ergäbe. Das LAG Nürnberg hat in Übereinstimmung mit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Klage für unbegründet erachtet und im Hinblick auf § 10 S. 3 Nr. 4 AGG die Nichtberücksichtigung von Dienstzeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der anrechenbaren Dienstjahre in der Altersversorgung der Beklagten als gerechtfertigt angesehen. Dabei ist das LAG Nürnberg von der Erwägung ausgegangen, dass die Formulierung des Rechtfertigungsgrundes aus § 10 S. 3 Nr. 4 AGG der rechtlichen Struktur nach im Wesentlichen der mittelbaren Benachteiligung entspräche und deshalb bezüglich der Kontrollintensität ein vergleichbarer Maßstab anzulegen sei. Die Altersversorgungsregelung der Beklagten sei durch das rechtmäßige Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung gedeckt und das Mittel, die Zahl der anrechenbaren Dienstjahre auf 42 zu begrenzen, angemessen, weil damit für den Arbeitgeber die zu erbringenden Versorgungsleistungen hinreichend sicher kalkulierbar seien. Jedenfalls im Ergebnis ist dieser Entscheidung des LAG Nürnberg beizutreten. Zunächst war im Streitfall davon auszugehen, dass das AGG trotz der in § 2 Abs. 2 S. 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung anwendbar ist, soweit das BetrAVG keine Sonderregelungen aufweist 3. Da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG am 18.8.2006 4 noch in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten befand, fällt das Rechtsverhältnis außerdem auch zeitlich unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes.
3 4
Nur BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 Rz. 98 m. w. N. Art. 4 S. 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006 – BGBl. I S. 1897.
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Altersdiskriminierung durch Ausgrenzung von Beschäftigungsjahren
Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligt werden, wozu auch das Benachteiligungsverbot wegen des Alters gehört. Dabei ist von einer unmittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG auszugehen, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam 5. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Auffassung des LAG Nürnberg nicht von einer mittelbaren, sondern von einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von §§ 1,3 Abs. 1 S. 1, 7 AGG auszugehen, weil Arbeitnehmer nach der Versorgungsordnung der Beklagten wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung erfahren, indem Dienstzeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der für die Altersversorgung maßgebenden Dienstjahre unberücksichtigt bleiben. Damit stellt sich die Frage, ob die Ungleichbehandlung infolge der Nichtberücksichtigung der Dienstzeiten vor dem 25. Lebensjahr durch § 10 AGG eine sachliche Rechtfertigung erfährt. Nach § 10 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 S. 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Dabei enthält § 10 S. 3 AGG eine Aufzählung von Tatbeständen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dazu gehört § 10 S. 3 Nr. 4 AGG, wonach die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität ermöglicht wird. Mit dieser Regelung wird Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt 6. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente 5 6
BAG v. 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, NZA 2014, 848 Rz. 20. BAG v. 18.3.2014 – 3 AZR 69/12, NZA 2014, 606 Rz. 20 f.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
oder von Leistungen bei Invalidität keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt 7. Damit wird gleichzeitig eine Ausnahme von dem in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG geregelten Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung wegen des Alters vorgesehen, wonach Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind 8. Die in der Versorgungsordnung der Beklagten vorgesehene Nichtberücksichtigung der Dienstzeiten vor dem 25. Lebensjahr ist nach § 10 S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit oder den Bezug von Altersrente stellt nach dem Tatbestand dieser Norm ein legitimes Mittel dar, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen. Die Förderung der betrieblichen Altersversorgung durch den Gesetzgeber stellt ein legitimes Ziel i. S. d. § 10 S. 1 AGG dar 9. Dabei soll das Mittel der Festsetzung von Altersgrenzen Hindernisse beseitigen, die dieses Ziel beeinträchtigen könnten. Die Bereitschaft des Arbeitgebers, auf freiwilliger Basis eine Altersversorgung zu gewähren, soll dadurch gefördert werden, dass er eine ausreichende Gestaltungsfreiheit behält, die es ihm erlaubt, die Voraussetzungen, aber auch den Dotierungsrahmen des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Aufwands der Altersversorgung, bestimmen zu dürfen. Diesem Anliegen dient § 10 S. 3 Nr. 4 AGG. Allerdings muss die konkret vom Arbeitgeber festgelegte Altersgrenze nach § 10 S. 2 AGG in Relation zur Zweckdetermination der Altersversorgung angemessen sein und damit die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer als Voraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung respektieren. Dabei ist neben dem Versorgungs- auch der Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen 10.
7
Vgl. dazu EuGH v. 26.9.2013 – C-546/11, NVwZ 2013, 1401 Rz. 7 - Dansk Jurist; EuGH v. 26.9.2013 – C-476/11, BetrAV 2013, 628 Rz. 7 - HK Danmark. 8 Grundsätzlich dazu EuGH v. 5.3.2009 – C-388/07, NZA 2009, 305 Rz. 3 - Age Concern. 9 Nur BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 100/11, NZA 2013, 733 Rz. 30. 10 BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 100/11, NZA 2013, 733 Rz. 32 m. w. N.
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Altersdiskriminierung durch Ausgrenzung von Beschäftigungsjahren
Danach werden die Interessen der Arbeitnehmer, deren Betriebszugehörigkeit vor dem 25. Lebensjahr als Dienstzeit zur Erlangung einer Altersversorgung unberücksichtigt bleibt, nicht unangemessen beeinträchtigt. Nach der hier maßgebenden Versorgungsordnung konnte der Arbeitnehmer für maximal 42 Dienstjahre jährlich gleichgroße Versorgungsbausteine erwerben, wenn er bis zur Vollendung des 67. Lebensjahrs, d. h. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, bei der Beklagten arbeitete. In Relation dazu erhält ein Arbeitnehmer, der vor Vollendung des 25. Lebensjahres in die Dienste der Beklagten getreten ist, für diese Zeit der von ihm geleisteten Betriebstreue keine betriebliche Altersversorgung. Diese Zeit ist jedoch in Relation zur Gesamtzeit des Erwerbslebens des Arbeitnehmers zwischen dem 25. und 67. Lebensjahr von deutlich geringerer Bedeutung, wenn man davon ausgeht, dass ein Arbeitnehmer bereits mit 18 Jahren in das Erwerbsleben eintritt, zumal in Relation dazu 42 Jahre der Betriebszugehörigkeit und damit der weitaus überwiegende Teil des Erwerbslebens bei der Beklagten rentensteigernd sind. Auch die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen (§ 1 b Abs. 1 BetrAVG) erhalten die Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nur unter der Prämisse, dass das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 25. Lebensjahres endet, so dass der bis dahin erbrachte Teil der Betriebstreue ohne Versorgungsentgelt bleibt, wenn der Arbeitnehmer vorher aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG nicht an das Alter, sondern an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpft und damit der Unverfallbarkeitsfaktor bei der Bestimmung der unverfallbaren Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ungünstiger ausfällt, wenn Zeiten der Betriebszugehörigkeit nicht an der Altersversorgung teilnehmen 11. Nach dem Versorgungssystem der Beklagten würde daher ein Arbeitnehmer, der erst nach dem 25. Lebensjahr sein Arbeitsverhältnis aufgenommen hat, bei einem Ausscheiden nach gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit ein höheres Rentenanwartschaftsrecht erreichen als ein Arbeitnehmer, der bereits vor dem 25. Lebensjahr mit seiner Tätigkeit begonnen hat.
11 Zur Übereinstimmung des § 2 Abs. 1 BetrAVG mit Unionsrecht: BAG v. 19.7.2011 – 3 AZR 434/09, NZA 2012, 155 Rz. 52. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des BVerfG v. 29.5.2012 – 1 BvR 3201/11, NZA 2013, 164 Rz. nicht zur Entscheidung angenommen. BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 634/10, NZA 2013, 564 Rz. 25; vgl. auch Preis, BetrAV 2010, 513 ff.; Diller, NZA 2011, 725 mit Berechnungsbeispielen.
193
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Bedauerlicherweise hat der 3. Senat des BAG 12 keine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Revision des Klägers wurde aus prozessualen Gründen zurückgewiesen. (Boe)
2.
Sachlich-proportionale Gründe zur Ablösung einer Versorgungsordnung
In jüngerer Vergangenheit hatte sich der 3. Senat des BAG wiederholt mit dem Problem zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen betriebliche Altersversorgungssysteme abgeändert werden dürfen. Veranlasst sind derartige Veränderungen der Versorgungsordnungen nicht selten durch wirtschaftliche Schwierigkeiten, die den Arbeitgeber nicht nur zur Schließung des betrieblichen Versorgungswerks veranlassen, sondern auch Anpassungen von Versorgungszusagen zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich werden lassen. Die Möglichkeit der Abänderung richtet sich jeweils nach dem Geltungsgrund der Versorgungszusage. Regeln mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen die Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer, so gilt zwar das Ablösungsprinzip, jedoch mit der Maßgabe, dass bei Einschnitten in Betriebsrentenanwartschaften die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten sind. Wenn auch die betriebliche Altersversorgung – von der Entgeltumwandlung abgesehen – eine freiwillige soziale Leistung des Arbeitgebers darstellt, hat sie für den Versorgungsempfänger eine große Bedeutung, weil die Versorgungsleistungen zugleich eine Vergütungsqualität für bereits geleistete Arbeit aufweisen. Das BAG hat bereits in der Grundsatzentscheidung vom 17.4.1985 13 auf den Versorgungs- als auch Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung hingewiesen und dabei die zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit in der Weise präzisiert, dass den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberstehen müssen. Im Lichte dieser Bewertung hat das BAG 14 in ständiger Spruchpraxis ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt: Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann nur in 12 23.2.2016 – 3 AZR 230/14 n. v. 13 AZR 72/83, NZA 1986, 57 Rz. 45; BAG v. 9.12.2008 – 3 AZR 384/07, NZA 2009, 1341 Rz. 30; BAG v. 11.9.1990 – 3 AZR 380/89, NZA 1991, 176 Rz. 23. 14 BAG v. 21.10.2014 – 3 AZR 1027/12, NZA-RR 2015, 90 Rz. 16; BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 705/10, NZA-RR 2013, 376 Rz. 20 ff.
194
Sachlich-proportionale Gründe zur Ablösung einer Versorgungsordnung
seltenen Ausnahmefällen eingeschränkt oder entzogen werden. Der Eingriff setzt dabei zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich – wie zum Beispiel bei endgehaltsbezogenen Zusagen – dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden, wobei die zu § 16 BetrAVG vom BAG entwickelten Grundsätze, bei deren Erfüllung eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten verweigert werden kann, als Orientierungsmaßstab dienen können. Eine solche Dynamik ist im Zeitpunkt der Veränderung einer Versorgungszusage bereits im Umfang der bis dahin geleisteten Betriebszugehörigkeit anteilig erdient, weil der Arbeitnehmer insoweit die von ihm geforderte Gegenleistung bereits teilweise erbracht hat. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen hingegen sachlich-proportionale Gründe. Nach der jüngsten, neu konturierten Rechtsprechung des BAG 15 liegen sachliche Gründe, die einen Eingriff auf der dritten Besitzstandsstufe erlauben, vor, wenn sie nachvollziehbar, anerkennenswert und damit willkürfrei sind. Diese können auf einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung oder einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens beruhen. Macht der Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten geltend, kommt es grundsätzlich auf die wirtschaftliche Entwicklung des Versorgungsschuldners selbst an. Ist dieser in einen Konzern eingebunden, können auch wirtschaftliche Schwierigkeiten im Konzern zu Eingriffen in die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse der Altersversorgung berechtigen. Dies kann vor allem dann relevant werden, wenn sämtliche Gesellschaftsanteile des Versorgungsschuldners und anderer Konzerngesellschaften in der Hand einer Führungsgesellschaft liegen und die Geschäftspolitik dieser Gesellschaft auf die Bedürfnisse des Konzerns ausgerichtet ist. 16 Beruft sich der Versorgungsschuldner auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, müssen die sachlichen Gründe nicht das Gewicht eines triftigen Grundes aufweisen, der eine langfristig unzureichende Eigenkapitalverzinsung oder eine langfristige Substanzgefährdung voraussetzt. Ausreichend ist vielmehr, ob wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren darf. Überdies müssen die Gründe für den Eingriff in dienstzeitabhängige Zuwächse der Altersversorgung proportional sein, was gleichbedeutend damit ist, dass der Eingriff in die betriebliche Altersversorgung nicht weiter gehen 15 Etwa BAG v. 16.6.2015 – 3 AZR 390/13 n. v. Rz. 29 f.; BAG v. 9.12.2014 – 3 AZR 323/13, NZA 2015, 1198 Rz. 29 f. 16 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 390/14, BB 2016, 442 Rz. 26.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
darf, als ein vernünftiger Unternehmer dies zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Ausreichend ist hierfür nach der Rechtsprechung des BAG 17, dass sich der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk in ein auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtetes plausibles Gesamtkonzept einfügt. An diesen Vorgaben wird auch die Darlegungs- und Beweislast des Versorgungsschuldners gemessen: Dieser hat nicht nur darzulegen, welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten bestehen, welche Kosteneinsparungsmaßnahmen aus der Sicht eines vernünftigen Unternehmers geboten waren und wie das notwendige Einsparvolumen ermittelt wurde. Der Versorgungsschuldner hat ferner das von ihm zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtete Gesamtkonzept darzustellen und sämtliche Maßnahmen zu erläutern, die zur Kosteneinsparung getroffen wurden. Schließlich muss der Versorgungsschuldner dartun, inwieweit die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zur Kosteneinsparung beiträgt und nach welchen Kriterien das prognostizierte Einsparvolumen ermittelt wurde. In der Entscheidung vom 10.11.2015 war der 3. Senat des BAG 18 erneut mit der Bewertung sachlich-proportionaler Gründe zur Ablösung einer Versorgungsordnung unter dem Gesichtspunkt befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen auch eine Fehlentwicklung in der betrieblichen Altersversorgung einen sachlichen Grund zu ihrer Ablösung darstellen kann. Der Fall betrifft eine Klägerin, die nach einer mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Ruhegeldordnung über eine Gesamtversorgung aus dem Jahre 1986 nach Erfüllung der Wartezeit ein Ruhegeld von 35 v. H. des ruhegehaltsfähigen Einkommens und mit weiterer Dauer der Betriebszugehörigkeit ein Ruhegeld bis zum Höchstsatz von 75 v. H. des zuletzt bezogenen monatlichen ruhegeldfähigen Einkommens unter Anrechnung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen konnte. Nachdem die beklagte Versorgungsschuldnerin wegen ihrer angespannten wirtschaftlichen Lage sämtliche Regelwerke über die betriebliche Altersversorgung gegenüber dem Gesamtbetriebsrat gekündigt hatte, schloss sie mit dem Gesamtbetriebsrat am 26.11.2004 eine Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung. Darin wurden die Anwartschaften nach der ursprünglichen Ruhegeldordnung von der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung 17 BAG v. 16.6.2015 – 3 AZR 390/13 n. v. Rz. 37; BAG v. 12.11.2013 – 3 AZR 510/12, AP Nr. 64 zu § 1 BetrAVG Ablösung Rz. 53; BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 705/10, NZA-RR 2013, 376 Rz. 42. 18 3 AZR 390/14, BB 2016, 442.
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Sachlich-proportionale Gründe zur Ablösung einer Versorgungsordnung
abgekoppelt. Außerdem wurde zum Zeitpunkt des 31.12.2004 die im Alter von 65 erreichbare Gesamtversorgung nach der früheren Versorgungsordnung ermittelt und als Prozentsatz festgeschrieben, der bei der Klägerin 21,85 % des Vollzeiteinkommens ausmachte. Zur Ermittlung dieses sog. „festgeschriebenen Versorgungsprozentsatzes“ hat die Beklagte die von der Klägerin bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Gesamtversorgung von 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens angesetzt und aus dem von der Klägerin im Dezember 2004 bezogenen ruhegeldfähigen Einkommen i. H. v. 3.432,83 € monatlich eine Obergrenze für die Gesamtversorgung i. H. v. 2.574,62 € (75 %) errechnet. Von diesem Betrag hat sie die hochgerechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. 1.824,63 € in Abzug gebracht und damit ein erreichbares Ruhegeld i. H. v. 749,99 € ermittelt. Diesen Wert hat sie ins Verhältnis zum ruhegeldfähigen Einkommen i. H. v. 3.432,83 € gesetzt und dadurch den „festgeschriebenen Versorgungsprozentsatz“ von 21,85 % errechnet. Für den Fall, dass die Ablösung zu einem Eingriff in die erdiente Dynamik führen sollte, wurde von der Beklagten anerkannt, dass der Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls jedenfalls der dynamische Mindestbesitzstand gemäß der tatsächlichen Entwicklung ihres ruhegeldfähigen Einkommens sowie gemäß der tatsächlichen Entwicklung ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit zwischen dem Neuordnungsstichtag und dem Versorgungsfall (per 31.12.2004) zustehen sollte. Die Parteien stritten in der Revision nur noch darüber, ob die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung lediglich in dienstzeitabhängige Zuwächse eingriff und dafür sachlich-proportionale Gründe vorlagen. Der Klägerin ging es um die Feststellung, dass der entsprechend der zurückgelegten Beschäftigungsdauer erdiente Versorgungsanspruch auf der Grundlage der bisherigen Versorgungsordnung von 1986 erhalten blieb. Die beklagte Versorgungsschuldnerin berief sich neben wirtschaftlichen Gründen darauf, dass das Niveau der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgegangen und deshalb auch eine Fehlentwicklung im Versorgungswerk eingetreten sei. Das LAG Baden-Württemberg hat dem Antrag der Klägerin entsprochen. Das BAG hat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil dieses hinsichtlich der wirtschaftlichen Aspekte verkannt hatte, dass Eingriffe in bestehende Versorgungsanwartschaften und damit einhergehende Änderungen der Versorgungsordnungen unmittelbar den Rückstellungsbedarf verringern und damit nicht erst beim Eintritt des Versorgungsfalls entlastend wirken. Überdies hat das BAG in diesem Zusammenhang klargestellt, dass von einer Fehlentwicklung in der 197
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
betrieblichen Altersversorgung als Sachgrund für deren Ablösung ausgegangen werden kann, wenn eine erhebliche, zum Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungswerks unvorhersehbare Mehrbelastung eingetreten ist, die auf Änderungen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung oder im Steuerrecht beruht. Dabei hat die Ermittlung des Anstiegs der Kosten anhand eines Barwertvergleichs zu erfolgen, der bezogen auf den Ablösestichtag einerseits und den Tag der Schaffung des Versorgungswerks andererseits vorzunehmen ist. Unter dem Rentenbarwert sind die auf den Ablösestichtag bezogenen Verpflichtungen des Unternehmens zur Erfüllung der zugesagten Pensionsleistungen zu verstehen. Für die Durchführung des Barwertvergleichs sind die Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend, wobei die Gesamtheit der anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer, denen zum Ablösestichtag eine Versorgung nach den Regeln zugesagt war, die verändert werden sollen, einzubeziehen ist. Rechtstechnisch ist für den Vergleich der aktuelle Barwert, d. h. der Barwert der Pensionsverpflichtungen aus dem anzupassenden Versorgungswerk nach der sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Rechtslage zum Ablösestichtag, dem Ausgangsbarwert, d. h. dem Barwert der Pensionsverpflichtungen aus dem Versorgungswerk nach der bei dessen Schaffung maßgeblichen Rechtslage, gegenüberzustellen 19. Bezüglich der Proportionalität ist dabei zu berücksichtigen, dass nach der Neuregelung des Versorgungswerks der Gesamtbarwert für die betriebliche Altersversorgung bezogen auf den einzubeziehenden Personenkreis nicht geringer sein darf, als bei dessen Schaffung 20. Der betrieblichen Praxis wird mit dieser Entscheidung erneut vor Augen geführt, dass Betriebsrenten im Rahmen einer Gesamtversorgung für den Arbeitgeber mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind, die von der Entwicklung der Sozialgesetzgebung oder Steuergesetzgebung abhängen können, die sich zulasten des Arbeitgebers verändern kann. Dabei ist im Hinblick auf die Möglichkeit der Ablösung derartiger Zusagen zu berücksichtigen, dass die Veränderung der Bemessungsgrundlagen im Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht bei einer Gesamtversorgungszusage vom Arbeitgeber als Risiko übernommen wird. Welche Grenzen einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung dabei überschritten sein müssen, um einen Eingriff in noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse zu erlauben, lässt das BAG in der vorstehenden Entscheidung unbeantwortet, wenn es auf eine erhebliche, zum Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungswerks unvorhersehbare Belastung abhebt. (Boe)
19 BAG v. 19.2.2008 – 3 AZR 290/06, NZA-RR 2008, 600 Rz. 30. 20 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 390/14, BB 2016, 442 Rz. 39.
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Entscheidungen im Versorgungsausgleichsverfahren
3.
Bindungswirkung familiengerichtlicher Entscheidungen im Versorgungsausgleichsverfahren für die Höhe eines Betriebsrentenanspruchs
In § 1587 BGB ist vorgesehen, dass zwischen den geschiedenen Ehegatten nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes ein Ausgleich aus der betrieblichen Altersversorgung stattfindet. Damit verweist das BGB in deklaratorischer Weise auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) vom 3.4.2009 21. Gemäß § 1 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich zwischen Ehegatten und gegebenenfalls zwischen Lebenspartnern (§ 20 Abs. 1 LPartG) im Falle der Auflösung der Ehe durch Scheidung (Auflösung der Lebenspartnerschaft) statt. Im Versorgungsausgleich sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Ausgleichspflichtige Person ist diejenige, die einen Ehezeitanteil erworben hat. Der ausgleichsberechtigten Person steht die Hälfte des Werts des jeweiligen Ehezeitanteils (Ausgleichswert) zu. Damit wird das Grundprinzip des Versorgungsausgleichs umschrieben. Versorgungen werden nur ausgeglichen, wenn und soweit sie in der Ehe erworben worden sind. Nach dem Halbteilungsprinzip erfolgt eine gleichmäßige Teilhabe der Eheleute am ehezeitlichen Vorsorgevermögen. Zu den auszugleichenden Anrechten zählt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes, das unabhängig von der Leistungsform auszugleichen ist. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet das BetrAVG, das die Organisation der betrieblichen Altersversorgung in den Formen der unmittelbaren (Direktzusage, Unterstützungskasse) oder mittelbaren Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfond) eröffnet. Allerdings unterliegen auch Kapitalleistungen dem Versorgungsausgleich. Die Ehezeit im Sinne des VersAusglG beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist. Sie endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG: Legaldefinition der Ehezeit). In den Versorgungsausgleich sind alle Anrechte einzubeziehen, die in der Ehezeit erworben wurden (§ 3 Abs. 2 VersAusglG). Daher bleiben alle Wertsteigerungen dieses Anrechts außer Betracht, die auf einer auf nachehezeitlichen und individuellen Umständen
21 BGBl. I 2009, 700 zuletzt geändert durch Art. 25 des Jahressteuergesetzes 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. In Kraft seit dem 1.9.2009.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
basierenden Verbesserung der Versorgungszusage beruhen 22. Gemäß § 3 Abs. 3 VersAusglG findet bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren kein Versorgungsausgleich statt, wenn nicht einer der beiden Ehegatten einen solchen beantragt. Anrechte sind in der Regel gemäß § 9 Abs. 2 VersAusglG nach den §§ 10 bis 13 VersAusglG intern zu teilen, worunter zu verstehen ist, dass jeder Ehegatte die Hälfte des auszugleichenden Anrechts bei dem jeweiligen Versorgungsträger (Halbteilungsgrundsatz) zugewiesen erhält (interne Teilung: § 10 Abs. 1 VersAusglG). Die externe Teilung (Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei einem anderen Versorgungsträger: § 14 Abs. 1 VersAusglG) ist hingegen nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 VersAusglG möglich. Die interne Teilung muss die gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten sicherstellen (§ 11 Abs. 1 S. 1 VersAusglG). Gilt für das auszugleichende Anrecht das Betriebsrentengesetz, so erlangt gemäß der speziellen Regelung des § 12 VersAusglG die ausgleichsberechtigte Person mit der Übertragung des Anrechts die Stellung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers im Sinne des Betriebsrentengesetzes. Dies gilt etwa für die Insolvenzsicherung der §§ 7 ff. BetrAVG, für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersversorgung nach § 6 BetrAVG wie für die Anpassungsregelung des § 16 BetrAVG 23. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erwirbt damit einen eigenen Anspruch gegen den Versorgungsträger. Zugleich wird der Versorgungsanspruch des ausgleichspflichtigen Ehegatten gegenüber dem Versorgungsträger entsprechend gekürzt. Diese Rechtsfolge der internen Teilung von Betriebsrenten hat zur Folge, dass bereits die Unverfallbarkeit des auszugleichenden betrieblichen Anrechts eingetreten sein muss (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) 24. Ist dies noch nicht der Fall, so gilt § 19 Abs. 1 VersAusglG, wonach insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Bei mangelnder Ausgleichsreife können sich Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß § 19 Abs. 4 VersAusglG i. V. m. §§ 20 ff. VersAusglG als schuldrechtlicher Ausgleich in Gestalt einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente (§ 20 Abs. 1 VersAusglG) oder einer Abfindung (§ 23 VersAusglG) ergeben, der sich gegen die ausgleichspflichtige Person richtet. Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist. Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der 22 BGH v. 9.12.2015 – XII ZB 586/13, NJW 2016, 1315 Rz. 18; BGH v. 24.6.2009 – XII ZB 160/07, NJW 2009, 3434 Rz. 27 ff.; BGH v. 11.6.2008 – XII ZB 154/07, NJW 2008, 3283 Rz. 13 f. 23 BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 172/11, NJW 2012, 1281 Rz. 55. 24 Vgl. dazu NK-BGB/Götsche, VersAusglG § 12 Rz. 2, 10 ff.
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Entscheidungen im Versorgungsausgleichsverfahren
Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert ist 25. Lediglich der Teil der Versorgung, der keiner Veränderung mehr unterliegt, kann in dem Wertausgleich bei der Scheidung berücksichtigt werden, was etwa auch dann der Fall ist, wenn eine hinreichend verfestigte Mindestrente zugesagt ist 26. Eine Anwartschaft im Sinne des VersAusglG liegt auch dann vor, wenn am Ende der Ehezeit eine für das Anrecht maßgebliche Wartezeit noch nicht erfüllt ist (§ 2 Abs. 3 VersAusglG). Gemäß § 5 Abs. 1 VersAusglG hat der Versorgungsträger den Ehezeitanteil des Anrechts in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße zu berechnen und dem Familiengericht einen Vorschlag für die Bestimmung des Ausgleichswerts zu unterbreiten (§ 5 Abs. 3 VersAusglG). Ergänzend sind hierfür die allgemeinen Wertermittlungsvorschriften der §§ 39 ff. VersAusglG sowie als Sondervorschrift § 45 VersAusglG für Anrechte nach dem BetrAVG heranzuziehen. Bei einem Anrecht im Sinne des BetrAVG ist der Wert des Anrechts als Rentenbetrag nach § 2 BetrAVG oder der Kapitalwert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG maßgeblich. Hierbei ist anzunehmen, dass die Betriebszugehörigkeit der ausgleichspflichtigen Person spätestens zum Ehezeitende beendet ist (§ 45 Abs. 1 VersAusglG). Der Wert des Ehezeitanteils ist nach den Grundsätzen der unmittelbaren Bewertung zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, so ist eine zeitratierliche Bewertung durchzuführen. Hierzu ist der nach § 45 Abs. 1 VersAusglG ermittelte Wert des Anrechts mit dem Quotienten zu multiplizieren, der aus der ehezeitlichen Betriebszugehörigkeit und der gesamten Betriebszugehörigkeit bis zum Ehezeitende zu bilden ist (§ 45 Abs. 2 VersAusglG). Gemäß § 13 VersAusglG kann der Versorgungsträger die bei der internen Teilung nach §§ 10 ff. VersAusglG entstehenden Kosten jeweils hälftig mit den Anrechten beider Ehegatten verrechnen, soweit sie angemessen sind. Damit soll sichergestellt werden, dass der organisatorische Mehraufwand der Versorgungsträger vergütet wird, der durch die interne Teilung entsteht 27. Gegen eine Pauschalierung der Teilungskosten bestehen keine Bedenken, wobei das Familiengericht eine Angemessenheitsprüfung vorzu-
25 So BGH v. 17.4.2013 – XII ZB 371/12, NJW-RR 2013, 1089 Rz. 9. 26 BGH v. 17.4.2013 – XII ZB 371/12, NJW-RR 2013, 1089 Rz. 12; NK-BGB/Götsche, VersAusglG § 19 Rz. 16. 27 BT-Drucks. 16/10144 S. 57. Näher dazu: BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 172/11, NJW 2012, 1281 Rz. 36.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
nehmen hat und den Versorgungsträger nach § 220 Abs. 4 S. 2 FamFG auffordern kann, die Einzelheiten der Berechnung näher zu erläutern 28. Die Regelung des § 5 VersAusglG korrespondiert mit § 220 Abs. 4 FamFG 29, wonach der Versorgungsträger verpflichtet ist, die nach § 5 des VersAusglG benötigten Werte einschließlich einer übersichtlichen und nachvollziehbaren Berechnung sowie der für die Teilung maßgeblichen Regelungen mitzuteilen. Das Gericht kann den Versorgungsträger von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten auffordern, die Einzelheiten der Wertermittlung zu erläutern. Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung des Ehezeitanteils ist dabei das Ende der Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG). Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich obliegt allerdings dem Familiengericht 30. In einer Grundsatzentscheidung vom 10.11.2015 hatte sich der Ruhegeldsenat des BAG 31 mit der Frage zu befassen, ob eine Präjudizialität einer rechtskräftigen familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich in einem nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem am Versorgungsausgleichsverfahren beteiligten Versorgungsträger bezüglich der Höhe des sich hieraus ergebenden Kürzungsbetrags der Versorgung besteht oder eine fehlerhaft berechnete Betriebsrente im arbeitsgerichtlichen Verfahren korrigiert werden kann. Der Kläger war von März 1963 bis Juli 2002 beim Fernsehen beschäftigt und bezieht seit dem 1.12.2004 von dem Beklagten – der Pensionskasse des Fernsehens – eine Altersrente. Seine Ehe wurde im Januar 1991 geschieden. Im April 2011 leitete die frühere Ehefrau des Klägers ein Verfahren zur Abänderung des Versorgungsausgleichs vor dem Amtsgericht Mainz ein, an dem auch der Beklagte beteiligt wurde. Dieser unterbreitete dem Amtsgericht gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG einen Vorschlag für die Bestimmung der Hälfte des Wertes des Ehezeitanteils des Klägers. Dabei errechnete er unter Verwendung der nach seinem Technischen Geschäftsplan für den Kläger maßgeblichen alters– und geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren zunächst die Höhe des Deckungskapitals für das in der Ehezeit erworben Anrecht des
28 BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 172/11, NJW 2012, 1281 Rz. 53. 29 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008 BGBl. I 2008, 2586 f. zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der ZPO und kostenrechtlicher Vorschriften v. 20.11.2015 BGBl. I 2015, 2018. 30 Vgl. dazu BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 178/12, NJW 2014, 3447 Rz. 17. 31 3 AZR 813/14, NZA 2016, 304.
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Entscheidungen im Versorgungsausgleichsverfahren
Klägers in Höhe von 14.621,76 € jährlich. Nach Abzug der Teilungskosten ermittelte er dann mithilfe der für den Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau nach dem Technischen Geschäftsplan maßgeblichen unterschiedlichen Barwertfaktoren einen sogenannten berechneten Ehezeitanteil in Höhe von 12.542,69 € jährlich. Hieraus ergab sich ein Ausgleichswert in Höhe von 6.271,35 € und damit eine monatliche Rente für die geschiedene Ehefrau des Klägers in Höhe von 522,61 €. Das Amtsgericht Mainz übertrug durch rechtskräftigen Beschluss vom 28.11.2011 im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts des Klägers bei dem Beklagten zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau ein Anrecht in Höhe von monatlich 522,61 €. Die für den Kläger maßgeblichen „Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Pensionskasse“ enthalten in § 20 u. a. folgende Regelung: 3. Für die interne Teilung bleiben die allgemeinen Leistungsbegrenzungen nach § 19 unberücksichtigt, d. h. es wird von den Versorgungsleistungen ausgegangen, die nach dem Versorgungstarifvertrag für die ausgleichspflichtige Person insgesamt vorgesehen sind. Von diesen Versorgungsleistungen wird höchstens der Teil berücksichtigt, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Dienstzeit beim F zu der Zeit vom Beginn des Dienstverhältnisses bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze gemäß § 35 i. V. m. § 235 SGB VI in der Fassung vom 20.04.2007 … entspricht (maximal auszugleichendes Anrecht); an die Stelle der Regelaltersgrenze tritt der Rentenbeginn, wenn die ausgleichspflichtige Person bereits Versorgungsleistungen bezieht. Der in die interne Teilung tatsächlich einzubeziehende Teil der Versorgungsleistungen der ausgleichspflichtigen Person richtet sich nach der gerichtlichen Entscheidung. Für die interne Teilung ist das zum Ende der Ehezeit verfügbare ehezeitbezogene Deckungskapital, abzüglich einer Verwaltungskostenpauschale von max. 3 v. H., maßgeblich. Für die ausgleichsberechtigte und ausgleichspflichtige Person ergeben sich gleich hohe intern geteilte Versorgungsleistungen, wobei dann die Versorgungsleistungen der ausgleichsberechtigten Person gemäß den Bestimmungen des Technischen Geschäftsplans erhöht werden. ... Das intern zu teilende ehezeitbezogene Deckungskapital ergibt sich nach den Grundsätzen des Technischen Geschäftsplanes der Pensionskasse.
Der Beklagte kürzte infolge des Versorgungsausgleichs vom 28.11.2011 ab dem 1.3.2012 den Pensionskassenanteil der Altersrente des Klägers um monatlich 695,87 €. Nach Ansicht des Klägers durfte die Beklagte seine Alters-
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
rente nur um 522,61 € kürzen, so dass ihm eine um monatlich 173,26 € höhere Altersrente zustünde. Das BAG hat die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und dem Beklagten konzediert, infolge des Versorgungsausgleichs des Familiengerichts die Altersrente des Klägers um monatlich 695,87 € kürzen zu dürfen. Dabei hat sich das BAG von der Erwägung leiten lassen, dass das Familiengericht nach § 1 Abs. 1 VersAusglG die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen hat und im Fall der internen Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG der ausgleichspflichtigen Person durch einen richterlichen Gestaltungsakt zu übertragen ist 32. Der Vollzug der internen Teilung im Einzelnen richtet sich dann grundsätzlich nach den Versorgungsbestimmungen des Versorgungsträgers. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH 33 geht das BAG davon aus, dass mit der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung der übertragene Teil des Anrechts in Höhe des auf den Bewertungsstichtag – dem Ende der Ehezeit – bezogenen Ausgleichswerts unmittelbar auf die ausgleichsberechtigte Person übergeht, so dass dadurch ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person und der ausgleichsberechtigten Person entsteht. Zugleich ist mit der gerichtlichen Entscheidung eine Kürzung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person verbunden. Da sich der Vollzug der internen Regelung gemäß § 10 Abs. 3 VersAusglG nach den für das betreffende Versorgungssystem geltenden Vorgaben richtet, sind diese vom Familiengericht daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Gesetzesrecht und damit auch mit Unionsrecht übereinstimmen 34, wenn es etwa darum geht, ob bei der Berechnung des für die Höhe des zu übertragenden Anrechts maßgeblichen Ausgleichswerts nur geschlechtsneutrale Barwertfaktoren verwendet werden dürfen 35. Hat das Familiengericht auf der Grundlage der von ihm herangezogenen Teilungsordnung des Versorgungsträgers eine rechtskräftige Entscheidung über die interne Teilung nach § 10 VersAusglG getroffen, so entfaltet diese
32 BT-Drucks. 16/10144 S. 54; BGH v. 25.6.2014 – XII ZB 568/10, NJW 2014, 2728 Rz. 17; BGH v. 26.1.2011 – XII ZB 504/10, NJW 2011, 1139 Rz. 23. 33 BGH v. 26.1.2011 – XII ZB 504/10, NJW 2011, 1139 Rz. 24. 34 BGH v. 25.2.2015 – XII ZB 364/14, NJW-RR 2015, 577 Rz. 11. 35 Dazu OLG Celle v. 24.10.2013 – 10 UF 195/12, FamRZ 2014, 305 Rz. 29. Anhängig beim BGH, Az: XII ZB 663/13.
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Entscheidungen im Versorgungsausgleichsverfahren
Entscheidung über die Höhe des sich hieraus ergebenden Kürzungsbetrags der Versorgung nach Ansicht des BAG in einem nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit zwischen dem ausgleichspflichtigen Ehegatten und dem gemäß § 219 Nr. 2 FamFG am Versorgungsausgleichsverfahren beteiligten Versorgungsträger Bindungswirkung. Dabei erfasst die Präjudizialität der Entscheidung im Verfahren über den Versorgungsausgleich auch den Berechnungsweg, den das Familiengericht bei der Durchführung der internen Teilung auf der Basis der von ihm angewandten Teilungsordnung zugrunde gelegt hat. Zur Begründung dieser erweiterten Bindungswirkung für alle gemäß § 219 Nr. 2 FamFG Beteiligten des Versorgungsausgleichsverfahrens verweist das BAG vor allem darauf, dass nur auf diesem Wege Widersprüche zwischen den familiengerichtlichen Entscheidungen über den Versorgungsausgleich und etwaigen von den Gerichten für Arbeitssachen zu treffenden Entscheidungen über die Folgen des Versorgungsausgleichs vermieden werden können. In Anbetracht dieser Erwägungen musste der Kläger im Streitfall hinnehmen, dass seine Altersrente um 695,87 € gekürzt wurde, weil durch den Beschluss des Familiengerichts ein Anrecht an seinen in der Ehezeit erworbenen Versorgungsrechten bei dem Beklagten in Höhe von 522,61 € übertragen worden war. Damit ergaben sich für den Kläger und seine frühere Ehefrau gleich hohe Versorgungsleistungen in Höhe einer monatlichen Rente von 522,61 €. Da sich der vom Kläger in der Ehezeit erworbene Anteil seiner Versorgungsrechte bei dem Beklagten vor der internen Teilung auf 14.621,76 € jährlich, d. h. auf 1.218,48 € monatlich belief, war der Kürzungsbetrag mit 695,87 € (1.218,48 € – 522,61 € = 695,87 €) zu berechnen. Der Kläger konnte wegen der Bindungswirkung der Entscheidung des Familiengerichts auch kein Gehör damit finden, dass die vom Familiengericht angewandte Teilungsordnung des Beklagten eine etwaige Diskriminierung wegen des Geschlechts, die sich aus der Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren ergäbe, beinhaltete. Der Kläger hätte diesen Einwand nach dem Vorhergesagten im Versorgungsausgleichsverfahren geltend machen müssen. Die Konsequenz dieser Entscheidung für die betriebliche Praxis liegt darin, dass die Entscheidung über den Versorgungsausgleich abschließend von den Familiengerichten getroffen wird, wobei nicht nur eine Bindungswirkung für die Arbeitsgerichte bezüglich eines sich anschließenden Verfahrens zwischen den versorgungsberechtigten früheren Ehegatten und dem Arbeitgeber bzw. dem Versorgungsträger bezüglich des auszugleichenden Versorgungsanspruchs eintritt, sondern auch der Berechnungsweg, den das Familiengericht auf der Grundlage der von ihm angewandten Teilungsordnung zugrun205
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
de gelegt hat, in die Bindungswirkung einbezogen wird. Dies gilt auch, wenn der Vollzug der internen Teilung korrekturbedürftig ist, so dass die Beteiligten nur im Verfahren vor dem Familiengericht ihre Rechtsposition wahrnehmen können. (Boe)
4.
Betriebsrenten: Festlegung des Anpassungsstichtags
Die betriebliche Altersversorgung dient nicht nur der Versorgung 36 der aus Alters- oder Invaliditätsgründen in den Ruhestand getretenen Arbeitnehmer oder deren Hinterbliebenen. Vorrangig stellt sie auch eine Entgeltleistung 37 des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte und zu erbringende Betriebszugehörigkeit und Betriebstreue 38 dar. Ausdruck der Entgeltlichkeit des Ruhegeldes ist die Anpassungspflicht des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Insofern ist für die Anpassungsprüfung nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber eine unmittelbare oder mittelbare Versorgungszusage gemacht hat, bei der seine Gegenleistung durch Leistung einer Versorgungseinrichtung erfüllt wird 39. Dabei gilt die Verpflichtung zur Anpassung als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum (§ 16 Abs. 2 BetrAVG). Da der Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalles die für die Ausgangsrente entsprechende Arbeitsleistung insgesamt erbracht hat, soll sie vor einer automatischen Auszehrung infolge des Kaufpreisverlustes (Ausgleich des Geldwertverfalls) geschützt werden.
36 Zum Versorgungscharakter: BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 711/08, NZA 2011, 595 Rz. 20: Zur Orientierung der Betriebsrenten an die Einkommensentwicklung der aktiv Beschäftigten. 37 Zum Entgeltcharakter: BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 100/11, NZA 2013, 733 Rz. 32; BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 634/10, NZA 2013, 564 Rz. 37; BAG v. 5.9.1989 – 3 AZR 575/88, NZA 1990, 271 Rz. 13. Vgl. auch BGH v. 20.9.2006 – IV ZR 304/04, NJW 2006, 3774, 3776 Rz. 18; BVerfG v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, NJW 2010, 1439 Rz. 107. 38 ErfK/Steinmeyer, Vorbemerkung BetrAVG Rz. 6: Gegenleistung für die Gesamtheit der erbrachten Arbeitsleistung. Vgl. auch Schlewing, NZA Beil. 2014 S. 127. 39 BAG v. 12.6.2007 – 3 AZR 186/06, NZA-RR 2008, 537 Rz. 22.
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Betriebsrenten: Festlegung des Anpassungsstichtags
Grundsätzlich hat der versorgungspflichtige Arbeitgeber die Anpassungsprüfung in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn vorzunehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG 40 zwingt der grundsätzlich unabdingbare 41 gesetzlich vorgegebene DreiJahres-Rhythmus nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Dem Arbeitgeber ist gestattet, die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin vornehmen zu dürfen. Diese Bündelung vermeidet einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand des Arbeitgebers und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Rhythmus allerdings stringent eingehalten werden. Zudem darf sich nach dieser Rechtsprechung des BAG 42 durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassungsprüfung um nicht mehr als sechs Monate verzögern. Eine weitere Verzögerung der Anpassung steht nicht zur Disposition des Versorgungsempfängers, so dass eine Überschreitung der Anpassungsfrist von sechs Monaten dazu führt, dass die erste Anpassungsprüfung bereits vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist zu dem dann maßgebenden einheitlichen Jahrestermin stattfinden muss. Würde etwa ein Arbeitnehmer seit dem 1.3.2012 eine Betriebsrente beziehen und der Arbeitgeber für die Versorgungsempfänger die Anpassungsprüfung gebündelt zum 1. Januar eines Jahres vornehmen, dann würde die erste Anpassungsprüfung nicht erst zum 1. Januar 2016, sondern bereits zum 1. Januar 2015 erfolgen müssen und von dieser Anpassungsprüfung an alle drei Jahre zum 1. Januar. Da gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann, soweit dies nicht für einzelne Bestimmungen durch Tarifvertrag 43 geschieht, können die Arbeitsvertragsparteien weder auf vertraglicher Basis noch die Betriebspartner auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung eine über die Rechtsprechung des BAG hinausgehende Verzögerung der Anpassungsprüfung festlegen 44. Konsequenterweise wird daher vom BAG eine Anpas-
40 Vgl. BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, NZA 2012, 1291 Rz. 18; BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 754/08, NZA-RR 2011, 593 Rz. 49 m. w. N. 41 BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR 464/11, NZA 2012, 1291 Rz. 13. 42 BAG v. 11.11.2014 – 3 AZR 117/13, NZA 2015, 1076 Rz. 13 m. w. N. 43 Vgl. dazu BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 Rz. 41. 44 BAG v. 11.11.2014 – 3 AZR 117/13, NZA 2015, 1076 Rz. 14 m. w. N.
207
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
sungsklage des Betriebsrentners, die auf den unrichtigen Zeitpunkt der Anpassungsprüfung bezogen erhoben wird, als unbegründet abgewiesen 45. In der Entscheidung vom 8.12.2015 46 hatte der 3. Senat des BAG erneut der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen mit einer Verschiebung des gesetzlich vorgeschriebenen Drei-Jahres-Rhythmus des § 16 Abs. 1 BetrAVG verbunden sind und inwieweit der Anpassungsprüfungsstichtag zur Disposition des Versorgungsempfängers steht. Der Fall betrifft eine Klägerin, die seit dem 1.2.2003 eine Betriebsrente von monatlich 616,61 € bezieht. Die Beklagte führt die in ihrem Unternehmen anfallenden Anpassungsprüfungen nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG jeweils gebündelt zum 1. Januar eines Jahres durch. Am 13.11.2007 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass eine Anpassung ihrer Betriebsrente zum 1.1.2007 aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben müsse. Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Anpassung ihrer Betriebsrente zum 1.1.2010 an den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufpreisverlust begehrt, den sie mit 11,83 % beziffert hat. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, aus wirtschaftlichen Gründen keine Anpassung vornehmen zu müssen. Während das Arbeitsgericht der Klage entsprochen hat, ist sie vom LAG Hessen unter Hinweis auf die wirtschaftliche Situation bei der Beklagten abgewiesen worden. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg. Zunächst definiert das BAG den Streitgegenstand des Verfahrens, der sich ausschließlich auf die Anpassung der Betriebsrente der Klägerin zum 1.1.2010 bezieht. Nur zu diesem Anpassungsprüfungsstichtag sollte die Betriebsrente entsprechend dem eingetretenen Kaufpreisverlust angehoben werden. Diese Konkretisierung des Streitgegenstandes erwies sich deshalb als erforderlich, weil das LAG das Klagebegehren der Klägerin dahingehend ausgelegt hatte, dass sie eine Anpassung der Betriebsrente sowohl zum 1.1.2009 als auch zum 1.1.2012 verlangt hat. Insoweit hat das LAG über einen anderen Streitgegenstand entschieden und damit gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Danach ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht verlangt ist. Gegen diesen Grundsatz wird nicht nur verstoßen, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, was sie nicht beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein nicht zur Entscheidung gestellter Anspruch aberkannt wird 47. Das BAG hat sich gleichwohl im Ergebnis der Entscheidung des LAG Hessen angeschlossen, weil die Klägerin zum 1.1.2010 von vornherein keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Anpassung der Betriebsrente hatte. Die 45 BAG v. 11.11.2014 – 3 AZR 117/13, NZA 2015, 1076 Rz. 17 f. m. w. N. 46 3 AZR 475/14, BB 2016, 767. 47 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, 1388 Rz. 21.
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Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersgrenze
Beklagte war nämlich nicht verpflichtet, zu diesem Zeitpunkt eine Anpassungsprüfung der Betriebsrente an den Kaufpreisverlust vorzunehmen. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung geht der Ruhegeldsenat zunächst davon aus, dass der Drei-Jahres-Rhythmus der Anpassungsverpflichtung des Arbeitgebers aus § 16 Abs. 1 BetrAVG, der sich grundsätzlich nach dem individuellen Leistungsbeginn der Betriebsrentenzahlung richtet, vom Arbeitgeber aus Vereinfachungsgründen für alle anfallenden Prüfungstermine zu einem bestimmten Zeitpunkt des Kalenderjahres gebündelt werden darf. Hier hatte die Beklagte alle anfallenden Prüfungstermine auf den 1. Januar eines Jahres gebündelt. Da sich jedoch durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögern darf 48, hätte im Streitfall die erste Anpassungsprüfung ausgehend vom Rentenbeginn der Klägerin am 1.2.2003 bereits am 1.1.2006 und sodann am 1.1.2009 erfolgen müssen. Demgegenüber hatte die Beklagte die erste Anpassungsprüfung verspätet durch Überschreitung der Sechsmonatsfrist erst zum 1.1.2007 vorgenommen. Das BAG betont in dieser Entscheidung erneut, dass der Anpassungsstichtag nicht zur Disposition des Versorgungsempfängers steht und damit eine Abweichung von der bereits vom BAG zugelassenen Bündelung der Prüfungstermine ausscheidet (§ 17 Abs. 3 BetrAVG). Ebenso wenig kann das Gebot von Treu und Glauben eine derartige Abweichung erlauben, zumal es dem Arbeitnehmer möglich ist, sein Anpassungsverlangen auf den richtigen Anpassungsstichtag zu beziehen. Damit erwies sich die Klage von vornherein als unschlüssig, weil der von der Klägerin gewählte Anpassungsstichtag keine Anpassungspflicht der Beklagten auslösen konnte. (Boe)
5.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersgrenze
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH 49 hat sich das BAG bereits in der Vergangenheit mehrfach mit der Frage befasst, ob eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente wirksam vereinbart werden kann 50. Mit Blick auf tarifvertragliche Regelungen hatte die Rechtsprechung
48 BAG v. 11.11.2014 – 3 AZR 117/13, NZA 2015, 1076 Rz. 13. 49 Vgl. EuGH v. 3.7.2014 – C-524/13, NZG 2014, 959 – Braun; EuGH v. 10.12.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt. 50 Vgl. BAG v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586; BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
eine solche Vereinbarung für wirksam gehalten und mit überzeugender Begründung eine unzulässige Altersdiskriminierung abgelehnt. Auf der Grundlage dieser Überlegungen hat das BAG in seinen Urteilen vom 13.10.2015 51, vom 4.11.2015 52 und vom 9.12.2015 53 nunmehr weiterführende Feststellungen für Altersgrenzenvereinbarungen in Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen getroffen. Die Praxis sollte sicherstellen, dass individual- und kollektivrechtliche Vereinbarungen diesen Vorgaben der Rechtsprechung Rechnung tragen.
a)
Arbeitsvertragliche Altersgrenze mit Vollendung des Regelrentenalters
Mit Urteil vom 13.10.2015 54 hat das BAG zunächst einmal die Wirksamkeit einer einzelvertraglich vereinbarten Altersgrenze, die mit Vollendung des Regelrentenalters zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, bestätigt. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien in dem Arbeitsvertrag des Klägers 1998 wie folgt vereinbart: Das Anstellungsverhältnis endet mit Vollendung des 65. Lebensjahres, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Mit der fristgerecht beim ArbG erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die mit vorstehender Klausel vereinbarte Befristung seines Arbeitsverhältnisses keine Beendigung zum 30.11.2012 bewirkt hatte, obgleich er ab 1.12.2012 Regelaltersrente bezog. Nach seiner Auffassung sei die Altersgrenze nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie an die Vollendung des 65. Lebensjahres anknüpfe. Ein Bezug zur Regelaltersgrenze sei dabei nicht erkennbar. Dies gelte umso mehr, als bei Vertragsabschluss nicht absehbar gewesen sei, ob er durch eine gesetzliche Rente wirtschaftlich abgesichert sein werde. Das BAG ist dieser Sichtweise nicht gefolgt. Zunächst einmal hat es dabei deutlich gemacht, dass im Wege der Auslegung davon ausgegangen werden müsse, dass das Merkmal „Vollendung des 65. Lebensjahres“ als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen sei, in dem der Kläger nach seinem Lebensalter zum Bezug einer Regelaltersrente berechtigt sei. Insoweit gäbe es
51 52 53 54
1 AZR 853/13, NZA 2016, 54. 7 AZR 851/13 n. v. 7 AZR 68/14 n. v. 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 13.
210
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersgrenze
auch keine Unklarheit, die gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu einem anderen Auslegungsergebnis führen könnte. Dies gelte selbst dann, wenn bei Vertragsabschluss nicht über die Altersgrenze und ihren Bezug zur Regelaltersrente gesprochen worden sei. Eine entsprechende Klausel sei üblich, nicht überraschend i. S. d. § 305 c Abs. 1 BGB und in ihrer Wirkungsweise auch transparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) 55. In Übereinstimmung mit seiner Rechtsprechung zu tarifvertraglichen Altersgrenzen hat das BAG darüber hinaus angenommen, dass eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenze in der Regel sachlich gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sei. Darin liege auch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Zwar könne angenommen werden, dass der Arbeitnehmer mit seinem Wunsche auf dauerhafter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die gesetzliche Regelaltersgrenze hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen verfolge. Allerdings handele es sich um Fortsetzungsverlangen eines durch eine Altersrente abgesicherten Arbeitnehmers, der bereits ein langes Berufsleben hinter sich habe und dessen Interesse an der Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit nur noch für eine begrenzte Zeit bestehe. Hinzu komme, dass der Arbeitnehmer auch typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber Vorteile hatte, weil dadurch seine Einstellungs- und Aufstiegschancen verbessert worden seien. Insofern stehe den Interessen des Arbeitnehmers das Bedürfnis des Arbeitgebers an einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung gegenüber. Dieses Interesse habe Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers, wenn dieser durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente abgesichert sei, ohne dass eine individuelle Konkretisierung dieser wirtschaftlichen Absicherung erfolgen müsse 56. Dieser Bewertung, die das BAG auf der Grundlage der in der Vergangenheit geltenden Befristungsrechtsprechung entwickelt hat, ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie kann ohne weiteres auch im Rahmen von §§ 14 Abs. 1 TzBfG, 10 AGG i. V. mit der Richtlinie 2000/78/EG zur Anwendung kommen.
55 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14 n. v. Rz. 29 ff. 56 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14 n. v. Rz. 26.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
b)
Regelaltersgrenze durch Betriebsvereinbarung
Die vorstehenden Grundsätze hat das BAG mit Urteil vom 13.10.2015 57 auf entsprechende Regelungen in Betriebsvereinbarungen übertragen. Danach können auch Betriebsvereinbarungen einer auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenze bestimmen. Voraussetzung sei lediglich, dass die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG beachte und die konkret getroffene Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Darin sei weder ein Verstoß gegen § 14 TzBfG noch §§ 75 Abs. 1 BetrVG, 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 AGG zu sehen. Voraussetzung einer wirksamen Regelung durch Betriebsvereinbarung ist allerdings auch, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Arbeitnehmer das für den Bezug einer Regelaltersrente erforderliche Lebensjahr vollendet hat und die Altersrente auch konkret beanspruchen kann. Soweit die Betriebsvereinbarung auf die „Vollendung des 65. Lebensjahres“ abstellt, ist dies – so das BAG – so zu verstehen, dass damit das Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente gemeint ist. Für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, ist damit auf das höhere Eintrittsalter für den Bezug einer Regelaltersrente abzustellen 58. Eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB kommt für eine entsprechende Betriebsvereinbarung nicht in Betracht. Das folgt bereits aus § 310 Abs. 4 S. 1 BGB. Unerheblich dabei ist, ob in der Betriebsvereinbarung Angelegenheiten der erzwingbaren oder freiwilligen Mitbestimmung geregelt sind. Betriebsvereinbarungen werden kraft Gesetzes ohne Rücksicht auf ihren Reglungsgegenstand von der für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Inhaltskontrolle ausgenommen 59.
c)
Altersgrenze vor Vollendung des Regelrentenalters
Gemäß § 41 S. 2 SGB VI gilt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt ab-
57 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 13 ff. 58 BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 21 ff., 25. 59 BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 31.
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Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersgrenze
geschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt wurde. In seinem Urteil vom 4.11.2015 60 bestätigt der 7. Senat des BAG noch einmal, dass diese Regelung in § 41 S. 2 SGB VI nur für einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenzen vor Vollendung des Regelrentenalters gilt 61. Darüber hinaus betrifft sie nur solche Altersgrenzenklauseln, die bereits dann zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters zu beantragen. Eine solche Handlungsoption soll nur dann zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, wenn sie durch den Arbeitnehmer in den letzten drei Jahren vor Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart oder gegenüber dem Arbeitgeber bestätigt wurde. Fehlt eine solche Zustimmung des Arbeitnehmers, soll allein die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen 62. Ohne Rücksicht auf das Erfordernis einer solchen Zustimmung in den letzten drei Jahren vor Erreichen der Regelaltersgrenze ist es allerdings möglich, eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich vor Erreichen der Regelaltersgrenze Altersrente in Anspruch nimmt. Denn hier kann der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob er die Voraussetzungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der Regelaltersgrenze durch einen Rentenantrag herbeiführt. Eine solche Regelung, die individual- oder kollektivrechtlich getroffen werden kann, zwingt – so das BAG – den Arbeitnehmer nicht zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, sondern nimmt ihm nur die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und gleichzeitig Altersruhegeld zu beziehen 63. Im Hinblick darauf ist es in der betrieblichen Praxis wichtig, bei der Formulierung entsprechender Altersgrenzenklauseln sorgfältig darauf zu achten, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht bereits an die Möglichkeit des vorzeitigen Bezugs einer gesetzlichen Altersrente, sondern an den tatsächlichen Bezug der gesetzlichen Altersrente geknüpft wird. Darüber hinaus ist die in §§ 15 Abs. 2, 21 TzBfG getroffene Vorgabe zu beachten. Danach endet das Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeit60 61 62 63
7 AZR 851/13 n. v. Rz. 31. Ebenso bereits BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 Rz. 40. BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 851/13 n. v. Rz. 31. BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 851/13 n. v. Rz. 31; BAG v. 1.12.1993 – 7 AZR 428/93, NJW 1994, 387, Rz. 44.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
nehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Dies gilt auch dann, wenn die Bedingung – hier der tatsächliche Bezug der gesetzlichen Altersrente – bereits vor dem Ende des Zwei-WochenZeitraums eingetreten ist. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber abredewidrig über den Rentenantrag und den tatsächlichen Bezug der gesetzlichen Altersrente nicht in Anspruch gesetzt hat. Eine solche Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht kann allenfalls Anlass zu Schadenersatzansprüchen sein, wenn arbeitgeberseitig als Folge der weiteren Beschäftigung des Arbeitnehmers tatsächlich ein Schaden entstanden ist. (Ga)
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G. Tarifrecht 1.
Tarifzuständigkeiten der DGB-Gewerkschaften im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung
Bereits am 16.1.20141 hatte das LAG Hessen festgestellt, dass die Gewerkschaft ver.di nach ihrer Satzung zuständig war, am 20.7.2003, am 22.12.2004 und am 30.5.2006 verschiedene Tarifverträge abzuschließen, die im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung für die Arbeitsverhältnisse zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern gelten sollten. Weitergehende Anträge, die sich mit einer entsprechenden Tarifzuständigkeit der IG BCE, NGG, GEW, IG Bau, TransNet und der GdP in ihrer Verbundenheit als Tarifvertragsparteien in der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit richteten, waren wegen fehlender Zulässigkeit zurückgewiesen worden. Im Rahmen der Rechtsbeschwerdeinstanz hat das BAG keine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Rechtsbeschwerde ist aus prozessualen Gründen zurückgewiesen worden. Bemerkenswert daran ist, dass das BAG in seiner Entscheidung erhebliche Kritik an die dem Verfahren zugrunde liegenden Aussetzungsbeschluss des ArbG Nürnberg und dem nachfolgenden Inhalt der Entscheidung des LAG Hessen geäußert hat. Nach seiner Auffassung war der Aussetzungsbeschluss in Bezug auf einen Teil der streitgegenständlichen Tarifverträge und die Gewerkschaft TransNet unbegründet, wenn man berücksichtige, dass der erstinstanzlich anhängige Auskunftsanspruch bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Hauptanspruchs ausreichen lasse, im Übrigen aber auch schlecht begründet. Es lasse sich nicht einmal erkennen, welche Vorfrage für die Aussetzung maßgeblich sei. Hinzu komme, dass das LAG Hessen über die Frage der Tarifzuständigkeit entschieden habe, obwohl streitgegenständlich die Frage der Gewerkschaftseigenschaft gewesen sei. Unabhängig von dieser Kritik hat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde allerdings zur Folge, dass die Entscheidung des LAG Hessen, selbst wenn sie den eigentlichen Streitgegenstand verfehlt, mit dem Inhalt ihres Tenors rechtskräftig ist. Damit wird man ohne Rücksicht auf sonstige Verfahren, die in Bezug auf die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften in Bezug auf die Zeitarbeit und/oder ihre Gewerkschaftseigenschaft davon ausgehen können, dass ver.di für die Zeit seit dem 20.7.2003 nach ihrer Satzung die Zu1
9 TaBV 127/13 n. v.
215
Tarifrecht
ständigkeit für den Abschluss von Tarifverträgen im Bereich der Zeitarbeit besitzt. Damit kann durch eine gesetzliche oder arbeitsvertragliche Bindung an diese Tarifverträge wirksam vom Equal-Treatment-Gebot abgewichen werden. Ob und inwieweit dies auch für die übrigen DGB-Gewerkschaften gilt, wenn diese innerhalb ihres eigenen Organisationsbereichs Tarifverträge auch mit Wirkung für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung abschließen, bleibt nach wie vor umstritten. Ganz überwiegend fehlen diesbezügliche (rechtskräftige) Entscheidungen, auf die sich in der betrieblichen Praxis gestützt werden kann. Wir hatten über die entsprechende Diskussion bereits bei früherer Gelegenheit berichtet2. Gerade weil die wirksame Abweichung vom Equal-Treatment- bzw. Equal-Pay-Gebot auch nach Wirksamwerden der Änderungen im AÜG3 immer wichtiger wäre, wäre es indes wünschenswert, wenn die zum Teil noch notwendigen Klarstellungen in den Satzungen einzelner Gewerkschaften erfolgen. (Ga)
2.
Fluglotsenstreik: Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften
Bereits im Herbst hatten wir über die Urteile des BAG vom 25.8.20154 berichtet5. Mit diesen Entscheidungen hatte der 1. Senat des BAG einen Schadenersatzanspruch der von einem rechtswidrigen Streik der Fluglotsen betroffenen Fluggesellschaften abgelehnt. Ausgangspunkt der vorstehend genannten Entscheidungen war der Arbeitskampf von 23 Fluglotsen, die den Flughafen Stuttgart zu einem Tarifabschluss zwingen wollten. Der hierzu eingeleitete Arbeitskampf verlief aber zunächst einmal ohne Erfolg, weil es dem Flughafen gelang, die im Bereich der Vorfeldkontrolle eingesetzten Arbeitnehmer durch eigene Arbeitnehmer und Fremdpersonal zu ersetzen. Die GdF, die den Arbeitskampf organisierte, entschloss sich daraufhin, einen Unterstützungsstreik bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) durchzuführen. Diese beschäftigte am Flughafen Stuttgart im Tower zwanzig Fluglotsen. Mit Ausnahme der für Arbeiten nach einer Notdienstvereinbarung eingeteilten Fluglotsen legten diese daraufhin am 6.4.2009 um 16.00 Uhr die Arbeit nieder. Der Streik wurde erst
2 3 4 5
B. Gaul, AktuellAR 2000, 178 ff.; 2013, 182 ff. Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2016, 1 ff. 1 AZR 754/13, NZA 2016, 47; BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 875/13, NZA 2016, 179. B. Gaul, AktuellAR 2015, 556 ff.
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Fluglotsenstreik: Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften
auf der Grundlage einer Verbotsverfügung des ArbG Frankfurt/Main gegen 21.09 Uhr abgebrochen. Betroffene dieses Streiks waren zwangsläufig nicht nur die DFS und – mittelbar – der Stuttgarter Flughafen. Vielmehr mussten auch die Fluggesellschaften hinnehmen, dass eine Reihe von Flügen ausfiel, verspätet war oder auf andere Flughäfen umgeleitet werden musste. Da das ArbG Frankfurt/Main die Beendigung des Arbeitskampfes mit der Rechtswidrigkeit der Streikmaßnahme begründet hatte, entschloss sich die Fluggesellschaft, die GdF auf Ersatz des ihnen durch den Arbeitskampf entstandenen Schadens zu verklagen. Bereits bei früherer Gelegenheit hatte das BAG deutlich gemacht, dass der von einem rechtswidrigen Arbeitskampf betroffene Arbeitgeber bei schuldhaftem Verhalten der Gewerkschaft Schadenersatzansprüche geltend machen kann6. In den jetzt vorliegenden Entscheidungen vom 25.8.20157 macht das BAG indes deutlich, dass die (nur) mittelbare Betroffenheit eines Unternehmens von den Folgen eines rechtswidrigen Arbeitskampfs entsprechende Schadenersatzansprüche nicht begründet. Dies gilt selbst dann, wenn der Gewerkschaft schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann. Zunächst einmal hat es das BAG abgelehnt, in der Beeinträchtigung des Flugverkehrs eine Eigentumsverletzung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB zu sehen. Zwar könne eine solche Eigentumsverletzung auch darin liegen, dass die bestimmungsgemäße Verwendung der betreffenden Sache nicht nur unerheblich beeinträchtigt werde. Voraussetzung sei aber stets, dass die Beeinträchtigung ihren Grund in einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache selbst habe, wobei diese tatsächlicher oder – wie im Falle eines Nutzungsverbots – rechtlicher Natur sein könne. Dafür reiche es aber nicht, wenn – wie dies hier der Fall gewesen sei – ein Transportmittel unter Beibehaltung seiner Bewegungsmöglichkeit nur wenige Stunden an einer konkret geplanten Fahrt gehindert und dadurch lediglich seine wirtschaftliche Nutzung vorübergehend eingeengt werde8. Grundsätzlich kann auch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auslösen. Denn auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb gehört zu den „sonstigen Rechten“. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung des
6 7 8
BAG v. 19.6.2012 – 1 AZR 775/10, NZA 2012, 1372. 1 AZR 754/13, NZA 2014, 47; BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 875/13, NZA 2016, 179. BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2014, 47 Rz. 27; BAG v. 11.1.2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673.
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Tarifrecht
Betriebs gerichtet und umfasst alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehende Einheit ausmacht9. Entscheidende Bedeutung für die klageabweisende Entscheidung des BAG in den hier in Rede stehenden Fallgestaltungen hatte aber, dass nicht jedwede Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs entsprechende Ersatz- oder Abwehransprüche seines Inhabers auslösen kann. Da der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen – dem allgemeinen Deliktsrecht fremden – Vermögensschutz bezwecke, bedürfe es – so das BAG – einer sachgerechten Eingrenzung des Haftungstatbestandes. Dem diene das Erfordernis eines unmittelbaren Eingriffs. Es schließe aus, dass die Inhaber von Gewerbebetrieben gegenüber anderen von einem schadensstiftenden Ereignis Betroffenen in einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Weise privilegiert würden. Ein unmittelbarer Eingriff in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb sei nur bei Maßnahmen gegeben, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen seien, und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter beträfen. Solche Eingriffe müssten ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein. Die bloße Kenntnis einer „Streuwirkung“ der Verletzungshandlung auf (Dritt-)Unternehmen lasse aber nicht zwingend den Schluss auf die Unmittelbarkeit eines Eingriffs in deren Betrieb zu10. Hiervon ausgehend hat der 1. Senat des BAG einen unmittelbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Fluggesellschaften abgelehnt. Denn aus seiner Sicht fehlt es an einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein könnte, diese aber nach den das Haftungsrecht prägenden Zurechnungsgrundsätzen entschädigungslos hinnehmen müsse. Hiervon sei insbesondere bei Nutzungsbeschränkungen oder –störungen von nicht ausschließlich dem geschädigten Gewerbebetrieb zustehenden Transport- und Versorgungswegen in der Regel auszugehen. Von den abstrakt-generellen Grundsätzen ausgehend ist der Sichtweise des 1. Senats des BAG zuzustimmen. Dies rechtfertigt auch, bei der Festlegung der Zielsetzung einer Streikmaßnahme den Streikaufruf der Gewerkschaft 9
BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2014, 47 Rz. 35; BAG v. 22.9.2009 – 1 AZR 972/08, NZA 2009, 1347 Rz. 21. 10 BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2014, 47 Rz. 36 f.; BGH v. 9.12.2014 – VI ZR 155/14, NJW 2015, 1174 Rz. 20; BAG v. 8.1.1981 – III ZR 125/79, NJW 1981, 2416.
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Fluglotsenstreik: Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften
heranzuziehen. Daraus ergab sich im vorliegenden Fall, dass sich der Streik der DFG nicht gegen die Fluggesellschaften, sondern – in Form eines Unterstützungsstreiks – gegen die DFS richtete. Durch eine Arbeitsniederlegung der im Tower des Flughafens Stuttgart beschäftigten Fluglotsen sollte auf die DFS eingewirkt werden, um den Druck auf die Flughafengesellschaft zu verstärken und den gegen dieses Unternehmen geführten Hauptarbeitskampf zu beeinflussen. Bei einer derartigen Betrachtungsweise dürfte das BAG allerdings auch im Auge gehabt haben, dass eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Gesichtspunkte eine Gewerkschaft insbesondere dann, wenn Infrastruktureinrichtungen von Arbeitskampfmaßnahmen betroffen sind, einem erheblichen Haftungsrisiko aussetzen würde. Bei seiner klageabweisenden Entscheidung hat das BAG allerdings die Augen davor geschlossen, dass die Gewerkschaft „sehenden Auges“ durch den Arbeitskampf eine Stilllegung des Flughafens bewirkt hatte. Das nimmt einer Anwendung der abstrakt-generellen Grundsätze die Überzeugungskraft. Denn die Folge der Arbeitskampfmaßnahme, die durch Notdienstvereinbarungen nur zum Teil eingeschränkt werden konnte, dürfte durch die Gewerkschaft nicht nur billigend in Kauf genommen worden sein. Diese Form der Beeinträchtigung der Fluggesellschaften dürfte das angestrebte Ziel des Streiks gewesen sein, weil nur so tatsächlich der notwendige Druck im Hauptarbeitskampf erreicht wurde. Wenn man sich insoweit vor Augen führt, dass diese Stilllegung des Flughafens insbesondere die Fluggesellschaften trifft, ist es wohl nur bei einer sehr begrenzten Auswertung des Sachverhalts vertretbar, hier nur von mittelbar betroffenen Unternehmen zu sprechen. Insbesondere überzeugt es nicht, hier sogar nur von einer „Reflexwirkung“ zu sprechen und die Handlungsgerichtetheit der Arbeitskampfmaßnahme in Bezug auf diese Folge des Arbeitskampfs abzulehnen11. So darf man sich allein durch eine geschickte Formulierung des Streikbeschlusses als Arbeitsgericht nicht leiten lassen. Abschließend bleibt damit festzuhalten, dass die aktuelle Rechtsprechung nur einen sehr eingeschränkten Schutz der von rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft betroffenen Unternehmen bewirkt. Konsequenzen hat dies insbesondere für Streikmaßnahmen, die im Bereich des Personen- und Gütertransports, der Energieversorgung oder sonstiger Infrastruktureinrichtungen organisiert werden. Leider hat hier auch die gesetzliche Neuregelung der Tarifeinheit durch § 4 a TVG keine Besserung ge-
11 So aber BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13, NZA 2014, 47 Rz. 42, 44.
219
Tarifrecht
schaffen. Damit obliegt es wieder einmal den Arbeitsgerichten, solche Folgen eines Arbeitskampfes jedenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit Hilfe einstweiliger Verfügungsverfahren zu berücksichtigen. (Ga)
3.
Vorabentscheidungsersuchen zur Wirkungsweise dynamischer Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang
Bereits im Herbst hatten wir darauf hingewiesen, dass der 4. Senat des BAG durch Urteil vom 7.6.201512 den EuGH gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung in Bezug auf die Frage angerufen hat, ob die bisherige Rechtsprechung zur Wirkungsweise einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang mit Art. 16 GRC bzw. der Richtlinie 2001/23/EG vereinbar ist13. Inzwischen liegt die vollständige Ausfertigung dieser Entscheidung vor. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Hausarbeiter/Gärtner in einem Krankenhaus beschäftigt. Nachdem der Kreis O, eine kommunale Gebietskörperschaft, das Krankenhaus 1995 auf eine privatrechtlich organisierte GmbH übertragen hatte, ging der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, 1997 auf die K GmbH über. Obwohl die K nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband war, vereinbarte sie mit dem Kläger vertraglich, dass sich das Arbeitsverhältnis – wie zuvor auch – nach dem für den Öffentlichen Dienst geschlossenen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe (BMT-G II) und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen richten sollte. Zum 1.7.2008 ging der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, sodann von der K auf eine andere Konzerngesellschaft, die A GmbH (die Beklagte), über. Auch die A GmbH war und ist nicht durch die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an den BMT-G II und den diesen seit dem 1.10.2005 ersetzenden Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) und den hierzu vereinbarten Überleitungstarifvertrag (TVÜ-VKA) gebunden. Mit der jetzt beim BAG anhängigen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass auf sein Arbeitsverhältnis (weiterhin) die Vorschriften des TVöD und der diesen ergänzenden Tarifverträge sowie des TVÜ-VKA in ihren je12 4 AZR 61/14 (A), NZA 2016, 373. 13 B. Gaul, AktuellAR 2015, 559 ff.
220
Wirkungsweise dynamischer Bezugnahmeklauseln beim Betriebsübergang
weils gültigen Fassungen, also dynamisch, Anwendung finden. Die Beklagte lehnte dies ab. Sie war der Auffassung, dass die Annahme einer dynamischen Bindung an die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes ohne eine eigene (gesetzliche) Bindung an diese Tarifverträge im Anschluss an einen Betriebsübergang im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 GRC und der Richtlinie 2001/23/EG stehe. Auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung hält das BAG die vom Kläger begehrte Feststellung für gerechtfertigt14. Das hat der 4. Senat des BAG in der Begründung seines Vorabentscheidungsersuchens noch einmal deutlich gemacht. Nach seiner auch im Leitsatz erkennbaren Feststellung ist der Betriebserwerber nach einem Betriebsübergang an die von einem nicht tarifgebundenen Betriebsveräußerer vereinbarte dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag unverändert gebunden. Diese Dynamik entfalle nicht, wenn der Betriebserwerber nicht durch die Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Koalition gebunden sei und deshalb auf die künftigen Tarifverhandlungen keinen Einfluss nehmen könne. Aus Sicht des 4. Senats des BAG steht diese Auslegung und Anwendung von § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auch nicht im Widerspruch zur Richtlinie 2001/23/EG. Vielmehr gehörten die durch den übertragenen Rechtsträger getroffenen Vereinbarungen zum Bestand der auf den Erwerber übergehenden „Rechte und Pflichten“ aus dem Arbeitsvertrag nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/23/EG. Da der Erwerber diese Vereinbarung in gleicher Weise wie der Veräußerer durch Kündigung oder Vereinbarung ändern könne, läge in dem unveränderten Eintritt des Erwerbers in die arbeitsvertragliche Zusage auch eine Aufrechterhaltung des bis zum Betriebsübergang bestehenden Schutzniveaus. Ausgehend davon, dass der EuGH mit seinen Entscheidungen vom 18.7.201315 und vom 11.9.201416 auch unter Berücksichtigung der durch Art. 16 GRC geschützten Interessen der beteiligten Unternehmen keine hiervon abweichende Einschränkung des Schutzniveaus vornehmen wollte, sei deshalb auch eine Übernahme dieser Rechtsposition durch den Erwerber gerechtfertigt17. Von dieser Annahme ausgehend wird der EuGH durch das BAG um die Beantwortung folgender Frage ersucht:
14 15 16 17
Zust. Sagan, Zesar 2016, 116, 118 ff. C-426/11, NZA 2013, 835 Rz. 25 – Alemo Herron. C-328/13, NZA 2014, 1092 Rz. 29 – Österreichischer Gewerkschaftsbund. BAG v. 17.6.2015 – 4 AZR 61/14 (A), NZA 2016, 373 Rz. 32 ff., 38.
221
Tarifrecht
Steht Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG … einer nationalen Regelung entgegen, die vorsieht, dass im Falle eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs alle zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer privatautonom und individuell im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen auf den Erwerber unverändert übergehen, so als hätte er sie selbst mit dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbart, wenn das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht?
Eine entsprechende Frage wird in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Art. 16 GRC gestellt. Soweit im Zusammenhang mit diesen Fragen auf die Möglichkeit einer einseitigen und/oder einvernehmlichen Änderung hingewiesen wird, ist dies zwar abstrakt-generell zutreffend. Allerdings bleibt dabei unerwähnt, dass die einseitige Änderung der in einem Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel, von der das BAG als Gestaltungsmöglichkeit spricht, jedenfalls im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes an §§ 1, 2 KSchG scheitern dürfte. Diese Schranke galt allerdings bereits für den übertragenen Rechtsträger, falls dieser trotz Fehlens einer eigenen Tarifbindung eine dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag vereinbart hatte. Für den Fall, dass der EuGH eine unveränderte Fortgeltung der dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Anschluss an einen Betriebsübergang für unzulässig hält, soll im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens klargestellt werden, ob der Betriebs- und Unternehmensübergang allein eine Rechtfertigung für eine entsprechende Anpassung bieten kann. Dabei soll der EuGH aber nicht nur berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Vereinbarung durch den übertragenden Rechtsträger trotz Fehlens einer eigenen Tarifbindung getroffen wurde. Insofern liegt also keine Gleichstellungsabrede vor. Darüber hinaus soll der Umstand berücksichtigt werden, dass der zuletzt vorgenommene Übertragungsvorgang, der Anlass für die Feststellungsklage war, innerhalb eines Konzerns erfolgt ist. Insofern soll durch den EuGH klargestellt werden, ob die erleichterte Möglichkeit einer etwaigen Anpassung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme eingeschränkt werden muss, wenn der jeweils in Rede stehende Übertragungsvorgang zwischen Unternehmen erfolgt, die in einer Konzernbindung stehen. Abzuwarten bleibt, wie der EuGH die aufgeworfenen Fragen beantwortet. Eine erste Sichtweise des Generalanwalts liegt bislang noch nicht vor. Für die betriebliche Praxis hätte eine solche Klarstellung ganz erhebliche Bedeutung. Sie würde nämlich nicht nur die materiell-rechtlichen Folgen 222
Anspruch auf tarifliche Leistungen ohne gesetzliche Tarifbindung
von Übertragungsvorgängen im Anwendungsbereich von § 613 a BGB bestimmen. Mit einer Entscheidung des EuGH wäre auch klargestellt, wie die rechtlichen Folgen eines solchen Übertragungsvorgangs im Rahmen eines Unterrichtungsschreibens nach § 613 a Abs. 5 BGB dargestellt werden können. Hier besteht derzeit ganz erhebliche Rechtsunsicherheit. Wichtig ist allerdings, dass die durch den EuGH ersuchte Vorabentscheidung im Grunde nur die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag durch einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber betrifft. Ob seine Feststellungen in entsprechender Weise auf Bezugnahmeklauseln übertragbar sind, die – i. S. einer Gleichstellung – durch tarifgebundene Arbeitgeber erfolgen, erscheint fraglich. Denn in diesen – abweichenden – Fällen wird man bei der Auslegung des Arbeitsvertrags und der Anwendung von § 613 a BGB auch den Grundsatz der Koalitionsfreiheit berücksichtigen müssen. Schließlich war dieser in positiver Hinsicht der Grund für die Aufnahme einer entsprechenden Bezugnahmeklausel in den ursprünglichen Arbeitsvertrag. Der Wechsel von einer dynamischen zur statischen Bezugnahme würde damit auch der Entscheidung entsprechen, diese Tarifbindung jedenfalls in Bezug auf ihre dynamische Wirkung zu beenden. Dieses besondere Interesse bei einer sog. Gleichstellungsabrede18 können in dem hier zu entscheidenden Fall weder BAG noch EuGH berücksichtigen. (Ga)
4.
Anspruch auf tarifliche Leistungen ohne gesetzliche Tarifbindung
Wie bereits das vorstehend behandelte Urteil des BAG vom 17.6.201519 zur Vorabentscheidung des EuGH deutlich gemacht hat, können sich arbeitnehmerseitige Ansprüche auf Leistungen eines Tarifvertrags auch außerhalb einer gesetzlichen Tarifbindung ergeben. Grundlage hierfür sind vor allem entsprechende Bezugnahmen im Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus betrieblicher Übung, die durch sonstiges Verhalten des Arbeitgebers entstehen können. Die nachfolgend dargestellten Entscheidungen machen deutlich, dass hier jeweils eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts geboten ist.
18 Vgl. hierzu BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13 n. v. Rz. 29. 19 4 AZR 61/14(A), NZA 2016, 373 ff.
223
Tarifrecht
a)
Anspruch auf betriebliche Übung durch mehrfache Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen
Nach ständiger Rechtsprechung entsteht ein individualrechtlicher Anspruch aus betrieblicher Übung, wenn der Arbeitgeber in einem sonst vertraglich nicht geregelten Bereich wiederholt und ohne Vorbehalt Leistungen erbringt, die nach den Umständen ihrer Gewährung bei den begünstigten Arbeitnehmern das berechtigte Vertrauen entstehen lassen, solche Leistungen auch in der Zukunft zu erhalten. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen werde (§ 151 BGB), vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen erwachsen würden. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs sei dabei, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste oder durfte. Dabei komme es – so das BAG – nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt habe. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setze ein, wenn der Erklärende aus Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert habe20. Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das BAG mit Urteil vom 24.2.201621 das Vorliegen einer betrieblichen Übung auch dann abgelehnt, wenn der Arbeitgeber – ohne das Vorliegen sonstiger (vertrauensbegründender) Maßnahmen – mehrfach und vorbehaltlos Tarifentgelterhöhungen weitergibt, obwohl keine gesetzliche Tarifbindung gegeben ist. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte im Zusammenhang mit einer Privatisierung eine Klinik für Rheumatologie übernommen. Gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB war sie auch in die Arbeitsverträge der in dieser Klinik beschäftigten Arbeitnehmer eingetreten. Davon war auch die Klägerin betroffen, deren bereits 1995 abgeschlossener Arbeitsvertrag folgende Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes enthielt: Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BundesangestelltenTarifvertrag (BAT) sowie den jeweils ergänzenden, ändernden, ersetzenden und sonstigen für die Art der Tätigkeit des Beschäftigten einschlägigen Tarifvereinbarungen. 20 BAG v. 23.3.2011 – 4 AZR 268/09, AP Nr. 101 zu § 77 BetrVG 1972 Rz. 59 f.; BAG v. 17.3.2010 – 5 AZR 317/09, DB 2010, 1406 Rz. 20. 21 4 AZR 990/13 n. v. Rz. 17 ff., 21 ff.
224
Anspruch auf tarifliche Leistungen ohne gesetzliche Tarifbindung
In Übereinstimmung mit dem dynamischen Wortlaut dieser arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel gab die Beklagte die Tarifentgelterhöhungen der Jahre 1999 bis 2004 weiter. Jeweils mit Wirksamwerden der entsprechenden Tarifverträge passte sie das Arbeitsentgelt der Klägerin an, ohne diese Verhaltensweise mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verbinden. Erst im Jahre 2005 entschloss sie sich, auf eine erneute Tarifentgelterhöhung zu verzichten. Die Klägerin nahm dies zum Anlass, nicht nur die daraus folgende Entgeltdifferenz einzuklagen. Ergänzend hierzu begehrte sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, auch in der Zukunft ihr Entgelt nach Maßgabe der jeweils gültigen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anzupassen. Der 4. Senat des BAG hat die stattgebende Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dabei hat das BAG zunächst einmal das Bestehen einer arbeitsvertraglichen Zusage auf eine dynamische Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes abgelehnt. Richtig war zwar, dass nach dem Wortlaut der im Arbeitsvertrag enthaltenen Klausel von einer solchen Verpflichtung der Beklagten auszugehen war. Denn sie war durch rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang in diesen Arbeitsvertrag eingetreten (§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB). In Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung hat der 4. Senat des BAG bei der Auslegung und Anwendung der entsprechenden Bezugnahmeklausel allerdings seine Grundsätze zum Vertrauensschutz für „Altverträge“ angewendet. Danach war vorliegend von einer Gleichstellungsabrede auszugehen, mit der eine Bindung an den jeweils gültigen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes nur solange bewirkt werden sollte, als der Arbeitgeber selbst – in Übereinstimmung mit der Situation bei Abschluss des Arbeitsvertrags – kraft Gesetzes an diesen Tarifvertrag gebunden war. Da diese gesetzliche Tarifbindung mit dem Übergang des Betriebs auf die Beklagte endete, hatte dies auch eine Beendigung der dynamischen Tarifbindung zur Folge. Von diesem Zeitpunkt an konnte der Arbeitsvertrag – abweichend von seinem Wortlaut – nur noch eine statische Bindung an die bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes begründen22. Ob und inwieweit es unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden kann, bei Neuverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 vereinbart wurden, hiervon abweichend von einer weiterhin dynamischen Bindung an den jeweils gültigen Tarifvertrag auszugehen, war durch das BAG nicht zu entscheiden. Hier kann möglicherweise die EuGH-
22 BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13 n. v. Rz. 29.
225
Tarifrecht
Entscheidung, durch die das Vorabentscheidungsersuchen des BAG vom 17.6.201523 beantwortet wird24, klarstellende Hinweise geben. Im vorliegenden Fall war damit entscheidend, ob die Beklagte durch die mehrfache Weitergabe der Tarifgelderhöhungen einen Anspruch aus betrieblicher Übung begründet hatte. Ein solcher Anspruch ist durch das BAG im Urteil vom 24.2.201625 abgelehnt worden. In der Begründung dieser klageabweisenden Entscheidung hat das BAG darauf verwiesen, dass regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts entstehe, wenn der Arbeitgeber ohne gesetzliche Tarifbindung Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet anhebe. Etwas anders gelte nur dann, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprächen, dass er die Erhöhungen – auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung künftig – also auf Dauer – übernehmen wolle26. Ohne solche Hinweise sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, auch künftige Tarifentgelterhöhungen weiterzugeben. Nach Auffassung des BAG wolle sich ein tarifgebundener Arbeitgeber grundsätzlich nicht auch für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies sei gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts seinem Arbeitgeberverband. Schließlich wolle sich ein tarifgebundener Arbeitgeber, der die Tarifentgelterhöhungen – ungeachtet der Tarifgebundenheit des einzelnen Arbeitnehmers – an alle Arbeitnehmer weitergebe, auch insoweit für die Arbeitnehmer erkennbar im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit einer Kündigung des Tarifvertrags oder eines Verbandsaustritts dauerhaft (vertraglich) binden27. Da die Beklagte auf weitergehende Erklärungen anlässlich der Tariflohnerhöhungen verzichtet hatte, musste von diesen Grundsätzen ausgehend eine betriebliche Übung abgelehnt werden. Denn es fehlte an den erforderlichen – über die bloße Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen hinausgehenden – Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für die Klägerin erkennbar der Wille ergeben hätte, sie wolle auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien jeweils ausgehandelten Erhöhungen ohne Weiteres überneh23 24 25 26
4 AZR 61/14 (A), NZA 2016, 373. Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2016, 220 ff. 4 AZR 990/13 n. v. Rz. 21 ff. Ebenso bereits BAG v. 23.3.2011 – 4 AZR 268/09, AP Nr. 101 zu § 77 BetrVG 1972 Rz. 61; BAG v. 19.10.2011 – 5 AZR 359/10, NZA-RR 2012, 344 Rz. 14. 27 BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13 n. v. Rz. 23; BAG v. 19.10.2011 – 5 AZR 359/10, NZA-RR 2012, 344 Rz. 16.
226
Anspruch auf tarifliche Leistungen ohne gesetzliche Tarifbindung
men. Nicht erforderlich war, den fehlenden Wunsch nach einer entsprechenden Dynamisierung auch den Arbeitnehmern gegenüber ausdrücklich erkennbar zu machen. Für die Arbeitgeberseite ist diese Rechtsprechung überaus vorteilhaft. Ungeachtet dessen sei der Betriebspraxis empfohlen, bei der Weitergabe etwaiger Tarifentgelterhöhungen nicht nur auf die Freiwilligkeit dieser Maßnahme hinzuweisen. Vielmehr sollte gegenüber den Arbeitnehmern auch in dokumentierter Weise deutlich gemacht werden, dass die jeweilige Entscheidung keine Bindungswirkung für die Zukunft besitzt.
b)
Anspruch auf ergänzende Leistungen zum Tarifvertrag nach Erweiterung des Tarifvertrags auf entsprechende Leistungen
Diese erkennbare Zurückhaltung des BAG bei der Anerkennung einer betrieblichen Übung, durch die Ansprüche auf tarifliche Leistungen begründet werden sollen, hat das BAG auch dann zum Ausdruck gebracht, wenn durch den Arbeitgeber ergänzend zu den im Tarifvertrag vorgesehenen Leistungen weitergehende Begünstigungen gewährt werden. Werde der Tarifvertrag geändert und enthalte seine Neufassung Ansprüche, die bislang außerhalb des Tarifvertrags durch den Arbeitgeber auf freiwilliger Basis eingeräumt wurden, könne dies weiteren Ansprüchen der Arbeitnehmer auf diese Leistungen entgegenstehen28. In dem der Entscheidung des BAG vom 17.11.201529 zugrunde liegenden Fall hatte der Tarifvertrag ursprünglich eine Zahlung von 310,- € (brutto) vorgesehen, wenn Arbeitnehmer ihr 25-jähriges Betriebsjubiläum erreicht hatten. Ergänzend hierzu hatte der Arbeitgeber bereits seit 1985 weitere vier Tage Urlaub gewährt, wenn solche Jubiläen erreicht wurden. Nachdem der neue Tarifvertrag das Jubiläumsgeld gestrichen und durch einen Sonderurlaub von fünf Tagen ersetzt hatte, war umstritten, ob der Arbeitgeber als Folge seiner früheren Verhaltensweise neben dem Tarifvertrag für den Sonderurlaub weitere vier Tage Urlaub wegen eines solchen Jubiläums gewähren musste. Das BAG hat einen solchen Anspruch abgelehnt. Aus seiner Sicht waren keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit den Sonderurlaub mit dem Willen gewährt hatte, daran auch festzuhalten, wenn eine entsprechende Leistung in den Tarifvertrag übernommen würde. 28 BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 547/14, NZA 2016, 308 Rz. 17. 29 9 AZR 547/14, NZA 2016, 308.
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Tarifrecht
Aus Sicht des BAG wäre von einem entsprechenden Bindungswillen der Beklagten auszugehen, wenn diese stets – also auch nach Anhebung der Jubiläumsleistungen des Tarifvertrags – unverändert an der Gewährung des Sonderurlaubs festgehalten hätte. Dies aber war nicht der Fall. Insofern sei die Situation vergleichbar mit der Frage, ob der tatsächlichen Erbringung von Leistungen aus einem bestimmten Tarifvertrag der Wille des Arbeitgebers entnommen werden könne, sich auch an zukünftig geänderte Tarifverträge binden zu wollen. Ein solcher Bindungswille sei grundsätzlich abzulehnen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass auch aus der wiederholten Gewährung von Jubiläumsurlaub zusätzlich zum tariflichen Jubiläumsgeld in der Vergangenheit nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers entnommen werden konnte, Jubiläumsurlaub auch dann zusätzlich zur tariflichen Jubiläumsleistung zu gewähren, wenn diese dahingehend geändert wurde, dass – statt der Geldleistung – eine größere Anzahl von Urlaubstagen aus Anlass des Jubiläums zu leisten sei30. Das durch den 9. Senat des BAG gewonnene Ergebnis setzt zwar konsequent die zurückhaltende Rechtsprechung des 4. Senats des BAG um. Gleichwohl sei aber der betrieblichen Praxis empfohlen, auch bei solchen Leistungen außerhalb bestehender Tarifverträge mit klar erkennbaren und nachweisbaren Freiwilligkeitsvorbehalten zu arbeiten, um weitergehende Ansprüche aus betrieblicher Übung auszuschließen.
c)
Anspruch auf Tariflohnerhöhung bei arbeitsvertraglicher Zusage
Die ergänzend hierzu vorliegende Entscheidung des LAG Köln vom 13.7.201531 macht deutlich, dass auch ohne die Anerkennung einer betrieblichen Übung ein Anspruch auf Weitergabe einer Tariflohnerhöhung bestehen kann, wenn die Praxis einer regelmäßigen Weitergabe von Tariflohnerhöhungen durch eine Vertragsgestaltung ergänzt wird, bei der – trotz fehlender gesetzlicher Tarifbindung – auf den (jeweils gültigen) Tarifvertrag verwiesen wird. In dem zugrunde liegenden Fall enthielt der Arbeitsvertrag, den der Arbeitgeber trotz fehlender Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband verwendete, nicht nur Hinweise auf ein „Tarifentgelt“ und die Eingruppierung in eine tarifvertragliche Entgeltgruppe. Ergänzend hierzu war in Bezug auf die Vergütung wie folgt vereinbart worden: 2. Vergütung
30 BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 547/14, NZA 2016, 308 Rz. 15. 31 2 Sa 437/15, AE 2016, 16.
228
Anspruch auf tarifliche Leistungen ohne gesetzliche Tarifbindung
Die arbeitsvertraglich vorgesehene Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt vorbehaltlich einer späteren Überprüfung. Sollte sich hierbei eine fehlerhafte Eingruppierung herausstellen, erklärt sich der Mitarbeiter hiermit einverstanden, dass mit Wirkung ab dem auf die Feststellung folgenden Monats eine Neugruppierung herbeigeführt wird. Über-/Unterzahlungen werden mit der nächsten Vergütungsabrechnung verrechnet, wobei auf die sozialen Belange des Mitarbeiters Rücksicht zu nehmen ist und ggf. Überzahlungen auf mehrere Monate zu verteilen sind. … Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass, auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden. … 13. Schlussbestimmung Ergänzend gelten die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, ebenso wie die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen.
Anlass für diese Bezugnahme auf den Tarifvertrag des Einzelhandels war die dort ursprünglich einmal bestehende Allgemeinverbindlichkeit. Auch ohne Allgemeinverbindlichkeit hatte die Beklagte allerdings Tarifvertragsänderungen jeweils im Arbeitsverhältnis umgesetzt, was das LAG Köln auch unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Regelungen veranlasste, von der vertraglichen Zusage einer dynamischen Bindung an diese Tarifverträge auszugehen. Grundlage der entsprechenden Feststellung war eine Auslegung des Arbeitsvertrags, bei der maßgeblich auf die zahlreichen Bezugnahmen auf den Arbeitsvertrag abgestellt wurde. Da diese jeweils von „tarifvertraglichen Regelungen“ und einem „Tariflohn“ sprachen, erscheint es nachvollziehbar, dies unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts (§§ 133, 147 BGB) als Bindung an den jeweils gültigen Tarifvertrag zu verstehen. Schließlich wäre auch nur bei einer automatischen Tariflohnerhöhung eine Anrechnung solcher Tariflohnerhöhungen möglich gewesen, von der im Arbeitsvertrag in Bezug auf die übertariflichen Zulagen gesprochen wurde. Eine abschließende Entscheidung über das Auslegungsergebnis konnte das LAG Köln dabei allerdings offen lassen. Denn auch unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB war im Zweifel von einer dynamischen Bindung an den jeweils gültigen Tarifvertrag des Einzelhandels auszugehen. Die Entscheidung macht noch einmal deutlich, dass die Gefahr einer dynamischen Bindung an den jeweils gültigen Tarifvertrag nicht nur bei der Aus229
Tarifrecht
gestaltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln zu berücksichtigen ist. Hier kann durch Verwendung einer großen dynamischen Klausel einer solchen Gefahr entgegnet werden. Wichtig allerdings ist, dass auch für die übrigen Regelungen des Arbeitsvertrags, in denen – z. B. wegen des Urlaubs, der Entgeltfortzahlung oder der Vergütung – auf einen Tarifvertrag verwiesen wird, jeweils als Grundlage die an anderer Stelle im Arbeitsvertrag genannte Bezugnahmeklausel genannt wird. Denn wenn diese im Anschluss an eine Änderung und/oder Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers zu einer nur noch statischen Bindung an die früheren Tarifverträge führt, schließt dies auch eine Dynamik der sonstigen Bezugnahmen auf einen Tarifvertrag in den übrigen Regelungen des Arbeitsvertrags aus. (Ga)
5.
Altersdiskriminierung bei tarifvertraglicher Einkommenssicherung nach Tätigkeitsänderung
Eine Reihe von Tarifverträgen enthalten Regelungen zur Verdienstsicherung, die bei einer personenbedingten Änderung der individuellen Tätigkeit zur Anwendung kommen sollen. Mit diesen Regelungen wird sichergestellt, dass das bisherigen Tarifentgelt – dauerhaft oder vorübergehend – weiter bezahlt wird, obgleich der Arbeitnehmer nach dem Wechsel in eine leidensgerechte Tätigkeit an sich in eine geringere Entgeltgruppe eingruppiert wird. Vergleichbare Regelungen werden auf kollektivrechtlicher Ebene getroffen, wenn Arbeitnehmer als Folge einer Restrukturierung nicht mehr in ihren bisherigen Tätigkeiten beschäftigt werden können und als Folge einer Tarifautomatik in der neuen Tätigkeit an sich nur eine geringere Vergütung gezahlt werden muss. Außerhalb von Tarifverträgen finden sich entsprechende Regelungen zur Entgeltsicherung deshalb auch in Sozialplänen. In seinem Urteil vom 18.2.201632 hat der 6. Senat des BAG deutlich gemacht, dass entsprechende Regelungen altersdiskriminierende Wirkung haben können, falls ihre Anwendung (auch) an das Lebensalter der von solchen Veränderungen betroffenen Arbeitnehmer geknüpft ist. Gegenstand der Entscheidung des BAG war § 6 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18.7.2001. Dieser enthielt eine Einkommenssicherung in Form einer persönlichen Zulage, falls Arbeitnehmer im Anschluss an eine Restrukturierungsmaßnahme nur noch mit einer geringwertigeren Tätigkeit beschäftigt werden konnten. Zur Dynamisierung der
32 6 AZR 700/14 n. v.
230
Altersdiskriminierung bei tarifvertraglicher Einkommenssicherung
persönlichen Zulage war sodann in § 6 Abs. 3 TV UmBw auszugsweise bestimmt worden: Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Abs. 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Abs. 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die a)
eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,
b) noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um ein Drittel des Erhöhungsbetrages. … Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte a)
das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,
b) eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder c)
zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Abs. 1 bereits aufgrund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag, … eine Vergütungs-, Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat. …
Im Anschluss an den 1.1.2008 kürzte die Beklagte die persönliche Zulage der Klägerin bei jeder allgemeinen Gelderhöhung um ein Drittel des sich daraus ergebenden Gesamtsteigerungsbetrags. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Klägerin zwar eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt habe, aber das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet sei. Damit falle sie noch nicht unter die im Tarifvertrag enthaltene Ausnahmeregelung, nach der jede Verringerung im Zusammenhang mit Entgelterhöhungen unterbleiben sollte. Der 6. Senat des BAG hält diese Differenzierung für unzulässig. Nach seiner Auffassung führt die Anrechnung von Einkommenserhöhungen auf die Einkommenssicherungszulage nach § 6 TV UmBw zu einer unmittelbaren Benachteiligung jüngerer gegenüber älteren Beschäftigten, soweit bei einer Beschäftigungszeit von weniger als 25 Jahren nach der Vollendung des 55. Lebensjahres differenziert werde. Ein legitimes Ziel i. S. d. § 10 AGG, das eine derartige Benachteiligung rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich33.
33 Vgl. bereits BAG v. 15.11.2012 – 6 AZR 359/11, NZA 2013, 629.
231
Tarifrecht
Nach Auffassung des BAG fehlt ein legitimes Ziel i. S. d. § 10 AGG, das eine derartige (unmittelbare) Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigen könnte. Zwar könne der von der Revision angeführte Ausgleich schlechterer Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt ein legitimes sozialpolitisches Ziel sein. Da § 6 TV UmBw die Beschäftigten aber nicht vor einem Verlust des Arbeitsplatzes schützen solle, könnte diese Differenzierung in Bezug auf die Situation am Arbeitsmarkt keine Rechtfertigung für die Entgeltdifferenzierung bieten. Darauf hatte der 6. Senat des BAG bereits im Urteil vom 15.11.201234 hingewiesen. Folgerichtig könne auch nicht auf § 10 S. 3 Nr. 6 AGG zurückgegriffen werden, der eine Berücksichtigung des Lebensalters bei der Festsetzung von Sozialplanabfindungen wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann35. Rechtsfolge einer fehlenden Rechtfertigung der streitgegenständlichen Differenzierung ist zunächst einmal, dass die Vereinbarung, soweit sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstößt, nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist. Dies gilt auch bei Regelungen eines Tarifvertrags36. Für die Vergangenheit hat dies – so das BAG – einen Anspruch auf „Anpassung nach oben“ zur Folge. Der Arbeitnehmer kann also verlangen, dass er die ihm auf der Grundlage des Tarifvertrags bislang vorenthaltenen Leistungen erhält37. Dass dies mit einer finanziellen Mehrbelastung des Arbeitgebers verbunden ist, muss hingenommen werden, wenn – was hier der Fall ist – die Diskriminierung auf andere Weise mit Blick auf die Vergangenheit nicht beseitigt werden kann38. Dieser Mechanismus findet keine Anwendung mit Blick auf die Zukunft. Hier ist die „Anpassung nach oben“ nicht die einzig mögliche Folge. Vielmehr können die Tarifvertragsparteien noch dadurch reagieren, dass die grundsätzlich begünstigten Arbeitnehmer zum Ausgleich der hier in Rede stehenden Mehrbelastung eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition hinnehmen müssen. Diese Entscheidung kann allerdings nicht im Wege einer Gerichtsentscheidung getroffen werden. Vielmehr verlangt die Tarifautonomie, dass eine entsprechende Korrektur durch die Tarifvertragsparteien selbst vorgenommen wird.
34 6 AZR 359/11, NZA 2013, 629 Rz. 29 ff., 35. 35 BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 700/14 n. v. Rz. 21 f. 36 BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 700/14 n. v. Rz. 27; BAG v. 14.1.2015 – 7 AZR 880/13 n. v. Rz. 36. 37 BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 700/14 n. v. Rz. 30. 38 BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 700/14 n. v. Rz. 31 f.
232
Altersdiskriminierung bei tarifvertraglicher Einkommenssicherung
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Wichtig ist daran nicht nur, dass schlussendlich die hier in Rede stehende Einkommenssicherung generell wohl nicht mehr mit altersbezogenen Merkmalen verknüpft werden kann. Dieses Kriterium darf allenfalls Leistungen wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses Berücksichtigung finden, weil sich dort – nach Beendigung des Arbeitsvertrags – das Lebensalter auswirken kann. Bei Regelungen zur Entgeltfindung im fortbestehenden Arbeitsvertrag ist das nicht der Fall. Unerheblich dabei ist, ob es sich um einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung bzw. einen Sozialplan handelt. Wichtig ist darüber hinaus, dass die typischerweise geltend gemachte „Anpassung nach oben“ auch bei Regelungen auf betrieblicher Ebene im Zweifel nur für die Vergangenheit durchsetzbar ist. Für die Zukunft wird man auch hier zu überprüfen haben, ob nicht durch die betrieblichen Sozialpartner zur Beseitigung der Diskriminierung eine hiervon abweichende und kostenneutrale Regelung getroffen werden könnte. Ist dies der Fall, wird man von diesem Vorrang der Autonomie der Betriebsparteien auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 9 Abs. 3 GG ausgehen müssen. (Ga)
233
H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.
Kein allgemeiner Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers aus § 75 Abs. 1 BetrVG
Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hat der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 BetrVG vorgesehen, dass der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen kann, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Ein grober Verstoß des Arbeitgebers ist bei einer objektiv erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverletzung zu bejahen 1, wobei es auf ein Verschulden des Arbeitgebers nicht ankommt. Auch eine einmalige Verletzung der Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz kann, wenn sie nur schwerwiegend genug ist 2, einen Unterlassungsanspruch auslösen. Allerdings kann ein grober Verstoß des Arbeitgebers zu verneinen sein, wenn er seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt 3. Eine grobe Pflichtverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr 4, die nicht bereits durch die Zusicherung künftigen betriebsverfassungsgerechten Verhaltens beseitigt wird, sondern nur dann, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen 5 ist Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung. Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer bereits erfolgten Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) 6. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen (§ 23 Abs. 3 S. 2 BetrVG), das auf höchstens 10.000,- € begrenzt ist (§ 23 Abs. 3 S. 5 BetrVG).
1 2 3 4 5 6
BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 77/10, NZA-RR 2012, 359 Rz. 15. BAG v. 18.3.2014 – 1 ABR 77/12, NZA 2014, 987 Rz. 18. BAG v. 19.1.2010 – 1 ABR 55/08, NZA 2010, 659 Rz. 28. BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 77/10, NZA-RR 2012, 359 Rz. 15. Vgl. auch § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. BAG v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NZA 2015, 306 Rz. 39.
235
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Unabhängig von § 23 Abs. 3 BetrVG hat die Rechtsprechung des BAG 7 einen allgemeinen Unterlassungsanspruch bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine aus § 87 BetrVG herzuleitenden Mitbestimmungsrechte entwickelt, der keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers voraussetzt und auf die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands gerichtet ist. Diesen allgemeinen Unterlassungsanspruch hat das BAG aus dem allgemeinen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit als Nebenpflicht (§ 2 Abs. 1 BetrVG) abgeleitet, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats entgegensteht. Zusätzlich hat der Betriebsrat einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf Durchführung einer mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 1 BetrVG. Dieser Durchführungsanspruch kann auch Gegenstand eines Unterlassungsantrags sein 8. Allerdings kann der Betriebsrat dabei keine individualrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer klageweise gegen den Arbeitgeber verfolgen, so dass der Individualrechtsschutz damit nicht auf das Verhältnis Betriebsrat/Arbeitgeber verlagert werden darf. Problematisch und umstritten ist, ob sich auch aus § 75 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des Betriebsrats gegen Arbeitgeber herleiten lassen 9. Jedenfalls aus § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG folgt nach Ansicht des 1. Senats des BAG 10 kein Anspruch des Betriebsrats, vom Arbeitgeber zu verlangen, persönlichkeitsverletzende Maßnahmen gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern zu unterlassen. Entscheidend dafür war, dass diese Vorschrift die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien beschränkt, jedoch keine wechselseitigen Rechte und Pflichten bei jeweils einseitigen Maßnahmen auslöst. Mit der Frage, ob sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber begründen lässt, hatte sich das LAG
7
Grundlegend BAG v. 3.5.1994 – 1 ABR 24/93, NZA 1995, 40 Rz. 23 ff. unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 77/10, NZA-RR 2012, 359 Rz. 9; BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818 Rz. 13; BAG v. 22.2.1983 – 1 ABR 27/81, NJW 1984, 196 Rz. 30. 8 BAG v. 18.1.2005 – 3 ABR 21/04, NZA 2006, 167 Rz. 32; ausführlich dazu HWK/Gaul BetrVG § 77 Rz. 6 m. w. N. 9 Bejahend Fitting, BetrVG § 75 Rz. 178; Wiese, NZA 2006, 1, 4 i. H. a. § 75 Abs. 1 BetrVG; LAG Nürnberg v. 31.8.2005 – 6 TaBV 41/05, NZA-RR 2006, 137 Rz. 25; ErfK/Kania, BetrVG § 75 Rz. 13 i. H. a. Abs. 1; a. A. HWK/Reichold, BetrVG § 75 Rz. 1. 10 28.5.2002 – 1 ABR 32/ 01, NZA 2003, 166 Rz. 43.
236
Kein allgemeiner Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Betriebsrats
Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung vom 20.8.2015 11 zu beschäftigen. Es geht um eine Arbeitgeberin, die in Berlin ein Kranken- und Altenpflegeheim mit mehr als 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betreibt. Es besteht ein neunköpfiger Betriebsrat. Neben dem pflegerischen (ergotherapeutischen) Personal beschäftigt die Arbeitgeberin 12 zusätzliche Betreuungskräfte, die nach § 87 b SGB XI durch die Pflegekassen über zweckgebundene Vergütungszuschläge finanziert werden. Deren Aufgabe besteht darin, die Pflegebedürftigen zu Alltagsaktivitäten zu motivieren und sie dabei zu betreuen und zu begleiten. Während die Arbeitgeberin dem Pflegepersonal 29 Arbeitstage Urlaub gewährt, erhalten die Betreuungskräfte nur 26 Arbeitstage Urlaub pro Jahr. Die Arbeitgeberin beschäftigte in der Vergangenheit drei bis vier geringfügig Beschäftigte (§ 8 SGB IV). Zum Zeitpunkt der Entscheidung des LAG gab es noch einen geringfügig Beschäftigten bei der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin zahlt den Arbeitnehmern, nicht aber den geringfügig Beschäftigten, Sonntagszuschläge in Höhe von 3,- € brutto und Feiertagszuschläge in Höhe von 4,- € brutto die Stunde. Der Betriebsrat war der Meinung, dass den zusätzlichen Betreuungskräften der gleiche Urlaub wie dem pflegerischen Personal zustehen müsste und der Arbeitgeber die entsprechenden Zuschläge auch an die geringfügig Beschäftigten zu zahlen habe. In dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat zuletzt vor dem LAG beantragt, 1. Der Arbeitgeberin aufzugeben, den bei ihr tätigen geringfügig Beschäftigten i. S. d. § 8 SGB IV bei Leistung von Sonntagsarbeit einen Zuschlag von 3,00 Euro brutto pro Stunde und bei Leistung von Feiertagsarbeit einen Zuschlag von 4,00 Euro brutto pro Stunde zu zahlen; hilfsweise der Arbeitgeberin zu untersagen, geringfügig Beschäftigte i. S. d. § 8 SGB IV dadurch zu benachteiligen, dass sie diesen bei Leistung von Sonntagsarbeit keinen Zuschlag von 3,00 Euro brutto pro Stunde und bei Leistung von Feiertagsarbeit keinen Zuschlag von 4,00 Euro brutto pro Stunde zahlt; 2. der Arbeitgeberin aufzugeben, den bei ihr beschäftigten zusätzlichen Betreuungskräften i. S. d. § 87 b SGB XI 29 Arbeitstage Urlaub pro Jahr zu gewähren; hilfsweise
11 21 TaBV 336/15, NZA-RR 2016, 74.
237
Betriebsverfassung und Mitbestimmung der Arbeitgeberin zu untersagen, ihre zusätzlichen Betreuungskräfte i. S. d. § 87 b SGB XI dadurch zu benachteiligen, dass sie diesen weniger als 29 Urlaubstage pro Jahr gewährt; 3. für den Fall, dass und soweit den Hilfsanträgen stattgegeben wird, der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.
Während das ArbG Berlin 12 den Hauptanträgen des Betriebsrats entsprochen hat, sind die Anträge unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung vom LAG Berlin-Brandenburg abgewiesen worden. In prozessualer Hinsicht geht das LAG Berlin-Brandenburg zunächst davon aus, dass für die geltend gemachten Anträge des Betriebsrats eine Antragsbefugnis i. S. v. § 81 Abs. 1 ArbGG besteht, weil der Betriebsrat seine Ansprüche auf § 75 Abs. 1 BetrVG stützt und damit eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition in Anspruch nimmt. Ob dem Antragsteller das Recht tatsächlich zusteht, sei erst eine Frage der Begründetheit. Es ist durchaus zweifelhaft, ob diese Bewertung für die Antragsbefugnis aus § 81 Abs. 1 ArbGG ausreichend ist. Das Antragsziel des Betriebsrats ist zweifelsfrei darauf gerichtet, für den von ihm benannten Personenkreis Zahlungsansprüche bzw. Urlaubsansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis nur dann gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann, er damit eigene Rechte verfolgt 13, nicht aber mögliche Rechte Dritter. Was die Begründetheit der vom Betriebsrat geltend gemachten Anträge anbelangt, stellt das LAG Berlin-Brandenburg zu Recht fest, dass es nicht um einen Antrag aus § 23 Abs. 3 BetrVG, aber auch nicht um einen solchen wegen einer Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 BetrVG geht, der bezüglich der vom Arbeitgeber gezahlten Zuschläge denkbar gewesen wäre (§ 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 BetrVG). Der Betriebsrat berief sich vielmehr auf § 75 Abs. 1 BetrVG als Anspruchsgrundlage, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen haben, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Entgegen einer teilweise anderslautenden Auffassung in der Literatur 14 gelangt das LAG Sachsen zu dem Ergebnis, dass sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG 12 17.9.2014 – 12 BV 3664/13 n. v. 13 BAG v. 9.9.2015 – 7 ABR 69/13, NZA 2016, 57 Rz. 16; BAG v. 17.2.2015 – 1 ABR 41/13 n. v. Rz. 16. 14 Fitting, BetrVG § 75 Rz. 178; Wiese, NZA 2006, 1, 4; ErfK/Kania, BetrVG § 75 Rz. 13.
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Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern
kein Anspruch des Betriebsrats auf Beseitigung oder Unterlassung gleichheitswidriger oder diskriminierender Maßnahmen des Arbeitgebers herleiten lässt 15, weil dem Betriebsrat auf der Grundlage dieser Vorschrift eine Überwachungsaufgabe zukommt. § 75 Abs. 1 BetrVG begründet jedoch nach zutreffender Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg weder ein Mitbestimmungsrecht noch verleiht diese Vorschrift dem Betriebsrat die Befugnis, individuelle Interessen der Arbeitnehmer an deren Stelle gegenüber dem Arbeitgeber wahrzunehmen und durchzusetzen. Im Ergebnis zieht das LAG Berlin-Brandenburg damit eine Parallele zu § 80 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wonach sich die Schutzfunktion des Betriebsrats zugunsten der Arbeitnehmer auf die Überwachung beschränkt, eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Durchführung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie des Diskriminierungsverbots von Teilzeitkräften (§ 4 Abs. 1 TzBfG) beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen 16. Ein Unterlassungsanspruch folgt hieraus nicht 17. Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Rechtsbeschwerde an das BAG zugelassen. Sie ist unter dem Aktenzeichen 1 ABR 55/15 eingelegt. (Boe)
2.
Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern
Soweit sich in Unternehmen Betriebsräte konstituiert haben, müssen sich die Arbeitgeber in der Regel früher oder später mit dem Problemfeld Begünstigung bzw. Benachteiligung von Betriebsräten auseinandersetzen. Häufig stellt sich die Frage im Rahmen der laufenden Anpassung einer Vergütung und/oder der Einbindung von Betriebsratsmitgliedern in die Gewährung sonstiger Leistungen.
a)
Ausgangssituation
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber die Kosten und den Sachaufwand des Betriebsrats und seiner Mitglieder tragen (§ 40 BetrVG). Unabhängig davon ist er durch § 37 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, sicherzustellen, dass Mitglieder des Betriebsrats ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden. Darüber hinausgehende (finanzielle) Zuwendungen an den Betriebsrat oder seine Mitglieder, die wegen der Wahrneh15 LAG Sachsen v. 17.9.2010 – 3 TaBV 2/10, NZA-RR 2011, 72 Rz. 55 f. 16 BAG v. 18.5.2010 – 1 ABR 6/09, NZA 2010, 1433 Rz. 21. 17 BAG v. 17.5.2011 – 1 ABR 121/09, AiB 2012, 538 Rz. 18; BAG v. 18.5.2010 – 1 ABR 6/09, NZA 2010, 1433 Rz. 21.
239
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
mung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben gewährt würden, sind jedoch unzulässig. Dies gilt auch für jedes mittelbare oder versteckte Entgelt, also jede Zuwendung eines geldwerten Vorteils. Allein wegen der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben darf deshalb auch das Arbeitsentgelt nicht erhöht werden, so dass mehr als bisher gezahlt wird oder als Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung erhalten. Dabei liegt oftmals nur ein schmaler Grat zwischen Begünstigung und Benachteiligung, denn trotz der genannten Einschränkungen ist eine Erhöhung der Vergütung unter dem Gesichtspunkt der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung eines vergleichbaren Arbeitnehmers nicht nur möglich (§ 37 Abs. 4 BetrVG), sondern auch geboten. Andernfalls läge eine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung wegen der Arbeit als Betriebsratsmitglied vor. Diese grundlegenden Überlegungen zu §§ 37 Abs. 4, 38 Abs. 3 BetrVG sind durch höchstrichterliche Rechtsprechung gefestigt und zuletzt durch Urteile des BAG vom 4.11.2015 18 und vom 10.11.2015 19 nochmals bestätigt worden. In ihren Entscheidungen führen die beiden Senate übereinstimmend aus, dass die Regelungen Betriebsratsmitglieder vor beruflicher und/oder wirtschaftlicher Benachteiligung aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit schützen sollen. Erfasst werden neben dem Entgelt auch Zuwendungen und die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Bezugspunkt ist dabei nach ständiger Rechtsprechung die betriebsübliche berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Wahl eine im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben. Eine „betriebsübliche berufliche Entwicklung“ i. S. d. § 37 Abs. 4 BetrVG entsteht aus einem gleichförmigen Verhalten des Arbeitgebers und einer bestimmten Regel, wobei maßgebend die Entwicklung ist, die bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit Arbeitnehmer mit vergleichbarer fachlicher und persönlicher Qualifikation bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Dies schließt auch Beförderungen ein. Solche Beförderungen müssen aber so typisch sein, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, d. h. wenigstens in der überwiegenden Mehrzahl der vergleichbaren Fälle, mit einem derartigen Aufstieg gerechnet werden
18 7 AZR 972/13 n. v. 19 3 AZR 574/14, ZTR 2016, 225.
240
Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern
kann 20. Nach den betrieblichen Gepflogenheiten müsste also auch das Betriebsratsmitglied zur Beförderung angestanden oder wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebes einen derartigen Aufstieg erreicht haben 21. Diese Voraussetzungen sind auch durch die Instanzengerichte unbestritten. So hat das ArbG Berlin 22 unter Anwendung der höchstrichterlichen Grundsätze dem Klagebegehren eines Betriebsratsmitgliedes einer Unternehmensund Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Anpassung seiner Vergütung entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer vollumfänglich stattgegeben.
b)
Bedeutung privater Fortbildungsmaßnahmen
Die in der Rechtsprechung vorausgesetzte Vergleichbarkeit zum Zeitpunkt des Amtsantritts ist jedoch nicht unabänderlich. Vielmehr kann diese durch individuelle Qualifizierungsmaßnahmen, die der (ursprünglich) vergleichbare Arbeitnehmer außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit durchläuft, verloren gehen, da bei einer privaten Qualifizierungsmaßnahme gerade kein typischer Geschehensablauf gegeben sei 23. Eine solche private Qualifizierungsmaßnahme ist aber nicht schon deshalb anzunehmen, weil die Maßnahme außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wird. Ist die Qualifizierung Ausdruck „systematisch geweckter Motivationsanreize“ des Arbeitgebers, ist diese einer betrieblichen Fort- und Weiterbildung jedenfalls gleichzustellen und somit letztlich selbst Ausdruck einer betriebsüblichen Entwicklung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber derartige private Qualifizierungsmaßnahmen unterstützt, z. B. durch bezahlte Freistellung während der Prüfungsphase oder finanzielle Unterstützung bei der Ausbildungsliteratur 24. In diesen Fällen bleibt der sich fortbildende Arbeitnehmer auch dann vergleichbar, wenn das Betriebsratsmitglied die Qualifizierungsmaßnahme nicht erfolgreich beendet. Einen solchen Ausdruck betriebsüblicher Entwicklung hat das ArbG Berlin in dem zu entscheidenden Fall für das Wirtschaftsprüfer-Examen angenommen. Die Unternehmens- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der der Kläger angestellt war, bot diese Qualifizierung zwar nicht im eigenen Hause an. Man antwortete aber, dass die Mitarbeiter die in den jeweiligen Ge20 21 22 23 24
BAG v. 10.11.2015 - 3 AZR 574/14, ZTR 2016, 225 Rz. 42. BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 208/04, AuA 2005, 436 Rz. 21. ArbG Berlin v. 12.8.2015 – 28 Ca 18725/14 n. v. ArbG Berlin v. 12.8.2015 – 28 Ca 18725/14 n. v. Rz. 60. ArbG Berlin v. 12.8.2015 – 28 Ca 18725/14 n. v. Rz. 62 f.
241
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
schäftsbereichen erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen durchliefen. Diese Erwartungen wurden auch entsprechend kommuniziert. Zudem unterstützte man die Mitarbeiter in einer solchen Maßnahme finanziell und organisatorisch. Damit blieben nach Ansicht des ArbG Berlin auch diejenigen Arbeitnehmer vergleichbar, die im Gegensatz zum klagenden Betriebsratsmitglied das Wirtschaftsprüfer-Examen erfolgreich abgelegt hatten. Diese Überlegungen des ArbG Berlins greifen jedoch uneingeschränkt nur für die betrieblichen Entwicklungen, die nach dem Up-or-Out-Prinzip funktionieren. Besteht in einem Unternehmen indes die Möglichkeit, seine Karriere auf einer bestimmten Hierarchiestufe ohne weitere Anstiege fortzuführen, dürfte das Betriebsratsmitglied dazu angehalten werden müssen, auch schlüssig darzulegen, dass es die betriebliche Karriereleiter weiter hätte erklimmen wollen, falls die Vergütung höherer Hierarchieebenen geltend gemacht wird. Andernfalls könnte das Betriebsratsmitglied eine hypothetische Beförderung durchsetzen, obwohl es ohne Mandat eine weitere Beförderung nicht angestrebt hätte. Dies würde jedoch eine unzulässige Begünstigung im Sinne des § 78 S. 2 BetrVG darstellen.
c)
Darlegungs- und Beweislast
Macht das Betriebsratsmitglied klageweise eine Anpassung seiner Vergütung geltend, trifft es die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Dies kann insbesondere mit Blick auf die vergleichbaren Arbeitnehmer und deren Gehaltsentwicklung problematisch sein. Aus diesem Grund billigt die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Betriebsratsmitglied einen Auskunftsanspruch aus §§ 611, 242 BGB i. V. mit § 37 Abs. 4 BetrVG zu. Voraussetzung für das Bestehen eines solchen Auskunftsanspruchs ist jedoch, dass das Betriebsratsmitglied unter Berücksichtigung der ihm zugänglichen Tatsachen vorträgt, welche Arbeitnehmer mit ihm vergleichbar sind und welche Umstände dafür sprechen, dass es sich bei der beruflichen Entwicklung um eine betriebsübliche Entwicklung handelt. Dabei kann es genügen, einzelne Referenzfälle vorzutragen. Nicht ausreichend ist indes die bloß abstrakte Behauptung, es läge eine betriebsübliche Entwicklung eines vergleichbaren Arbeitnehmers vor 25. Das BAG hat in der genannten Entscheidung, der eine Stufenklage zugrunde lag, im Rahmen der Prüfung eines möglichen Auskunftsanspruches des Klägers seine Anforderungen an § 37 Abs. 4 BetrVG bestätigt. Mit Blick auf die Darlegungs- und Beweislast verweist das BAG das klagende Betriebsrats-
25 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 972/13 n. v. Rz. 24.
242
Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern
mitglied auf mehrere Möglichkeiten. So könne es vortragen, dass eine Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung und/oder seiner Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben sei. Fehle es an einer tatsächlichen Bewerbung, müsse das Betriebsratsmitglied darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen habe und diese ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre. Auch wenn eine tatsächliche oder eine fiktive Bewerbung danach keinen Erfolg gehabt hätte oder hätte haben müssen, steht dies einem Anspruch aber nicht zwingend entgegen. Denn selbst wenn eine tatsächliche oder eine fiktive Bewerbung des freigestellten Betriebsratsmitglieds an fehlenden aktuellen Fachkenntnissen oder daran scheitere, dass der Arbeitgeber sich zur Beurteilung der fachlichen und beruflichen Qualifikation infolge der Freistellung außerstande gesehen hat, so ist zwar die Entscheidung des Arbeitgebers für den als qualifizierter erachteten Bewerber nicht zu beanstanden. Gleichwohl kann in einem solchen Fall ein fiktiver Beförderungsanspruch des Amtsinhabers bestehen, wenn das Fehlen von feststellbarem aktuellem Fachwissen gerade aufgrund der Freistellung eingetreten ist 26. Die mit dieser Beurteilung verbundene Einbeziehung hypothetischer Fortbildung dürfte geboten sein, um eine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds zu vermeiden. Ungeachtet dessen ist es wichtig, kritisch zu prüfen, ob die im Einzelfall unterstellte Fortbildung ohne die Betriebsratstätigkeit tatsächlich erbracht worden wäre. Kann dies nicht festgestellt werden, wäre ihre Einbindung unzulässig
d)
Umfang der Vergütungsanpassung
Gelingt dem Betriebsratsmitglied die schlüssige Darlegung seines Anspruches, hat der Arbeitgeber die Vergütung entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung anzupassen. Dies umfasst nicht nur die Anpassung des Grundgehaltes, es sind vielmehr auch Zulagen und/oder Zuschläge zu zahlen, bei denen es sich um allgemeine Leistungen handelt. Umfasst sind überdies zugesagte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung 27. Zulagen und/oder Zuschläge, die einzelnen Arbeitnehmern aufgrund ganz individueller Leistungen gezahlt werden, finden indes keine Berücksichtigung.
26 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 972/1 n. v. Rz. 31. 27 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 574/14, ZTR 2016, 225 Rz. 41.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
e)
Herausforderungen in der praktischen Umsetzung
So klar wie die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an den Anspruch auf Vergütungsanpassung eines Betriebsratsmitglieds stellt, sind auch die gesetzlichen Vorgaben. Dennoch treten bei der Umsetzung häufig praktische Probleme auf. Der Grund hierfür wird in der von den Vorstellungen des Gesetzgebers abweichenden betrieblichen Wirklichkeit gesehen. Starre „Beförderungsfahrpläne“ sind nämlich ebenso unüblich wie das Betriebsratsmandat über mehrere Amtsperioden üblich ist. 28 aa)
Beurteilungszeitpunkt
Probleme können sich bereits mit Blick auf den für die Vergleichbarkeit relevanten Zeitpunkt ergeben. Relevanter Zeitpunkt für die Prüfung der Vergleichbarkeit ist grundsätzlich die Übernahme des Mandats; bei Ersatzmitgliedern der Zeitpunkt des Nachrückens. Soweit das Betriebsratsmitglied allerdings zwischen seiner Wahl und dem Zeitpunkt der Freistellung eine überdurchschnittliche betriebliche Entwicklung vollzogen hat, dürfte auf den Zeitpunkt der Freistellung abzustellen sein. Würde man in dieser Konstellation auf den Zeitpunkt der Wahl abstellen, würde das Betriebsratsmitglied im Vergleich zu seiner tatsächlichen Entwicklung schlechter gestellt, was eine unrechtmäßige Benachteiligung darstellen würde. Wird zwischen der Wahl und der Freistellung des Betriebsratsmitgliedes hingegen eine unterdurchschnittliche Entwicklung erkennbar, ist zwingend auf den Zeitpunkt der Wahl abzustellen. Andernfalls läge hierin eine unzulässige Benachteiligung. bb)
Bildung einer Vergleichsgruppe
Ist die Bildung einer Vergleichsgruppe von vornherein oder mit zunehmender Hierarchieebene mangels vergleichbarer Arbeitnehmer nicht (mehr) möglich, stellt ein Teil der Literatur auf den „am ehesten vergleichbaren“ Arbeitnehmer des Betriebs ab. 29 Andere Stimmen sprechen sich in diesem Fall für eine hypothetische Betrachtung aus, nach der auf einen gedachten vergleichbaren Arbeitnehmer abgestellt wird. 30 Beides erscheint problematisch, zumal die Schwierigkeiten einer solchen Feststellung im Zweifel indizieren, dass keine betriebsübliche Entwicklung mehr gegeben ist. 28 Bayreuther, NZA 2014, 235. 29 DKKW/Wedde, BetrVG § 37 Rz. 88; ErfK/Koch, BetrVG § 37 Rz. 9; Fitting, BetrVG § 37 Rz. 119. 30 HWGNRH/Glock, BetrVG § 37 Rz. 106; GK-BetrVG/Weber § 37 Rz. 122.
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Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern
Bislang nicht entschieden ist die Frage, ob in diesem Fall auch eine unternehmensübergreifende Betrachtung zulässig ist. Die herrschende Meinung stellt beim Vergleichsmaßstab des § 37 Abs. 4 BetrVG auf die Arbeitnehmer des Betriebs, nicht auch auf Arbeitnehmer anderer Betriebe in demselben Unternehmen ab. Insoweit sollen sogar andere Standorte eines Betriebs nicht zu berücksichtigen sein 31. Dafür spricht sicher der Wortlaut, der von „betriebsüblich“ spricht. Allerdings dürfte diese Bewertung nicht ohne Ausnahme sein. Eine solche Ausnahme dürfte jedenfalls dann angenommen werden müssen, wenn es (1) wegen der Einzigartigkeit der aktuellen oder im Rahmen fiktiver Laufbahnentwicklung zu unterstellenden Position des Betriebsratsmitgliedes einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb nicht gibt oder wenn (2) die Arbeitsplätze vergleichbarer Arbeitnehmer als Folge einer Restrukturierungsmaßnahme entfallen oder in andere Unternehmen verlagert wurden. In diesen Fällen ist es erforderlich, auf die Verhältnisse in anderen Betrieben des Unternehmens abzustellen, um überhaupt einen Vergleich anstellen zu können. Andernfalls besteht die Gefahr, dass dem Betriebsrat der Schutz des § 37 Abs. 4 BetrVG mangels Vergleichbarkeit gar nicht zu Gute kommt. Auch das ArbG Berlin 32 sah sich mit dieser Argumentation konfrontiert. Die Beklagte hatte darauf hingewiesen, dass wegen fehlender vergleichbarer Arbeitnehmer eine unternehmensübergreifende Betrachtung erforderlich sei. Das Gericht hat indes jedenfalls einen vergleichbaren Arbeitnehmer festgestellt, sodass es die Frage nach einer unternehmensübergreifenden Betrachtung offenlassen konnte.
f)
Berücksichtigung individueller Kenntnisse und Fähigkeiten
Bei der Beurteilung einer betriebsüblichen Entwicklung dürfen individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten des Betriebsratsmitglieds nicht außer Betracht bleiben. Insofern müssen bei der Feststellung einer „betriebsüblichen beruflichen Entwicklung“ auch überdurchschnittliche Leistungen oder besondere Qualifikationen des Betriebsratsmitgliedes Beachtung finden. 33 Nach einer teilweise vertretenen Auffassung sind bei der Kennzeichnung des vergleichbaren Arbeitnehmers indes besondere Leistungen des Betriebs-
31 LAG Düsseldorf v. 28.4.2015 – 3 Sa 13/15 n. v. Rz. 52. 32 ArbG Berlin v. 12.8.2015 – 28 Ca 18725/14 n. v. 33 BAG v. 21.4.1983 – 6 AZR 407/80, DB 1989, 2253 Rz. 11.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
ratsmitgliedes während der Ausübung seines Amtes nicht zu berücksichtigen. 34 Diese Auffassung übersieht jedoch, dass gerade bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern nur durch die Arbeit innerhalb des Betriebsrats die Möglichkeit besteht, besondere Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Dazu kann auch Führungserfahrung und -verantwortung gehören. Diese Möglichkeit besteht für die außerhalb des Betriebsrats tätigen Arbeitnehmer hingegen jederzeit und kann – insbesondere bei einer überdurchschnittlichen oder atypischen Entwicklung – auch positive Auswirkungen auf die weitere berufliche Entwicklung haben. Würde man eine vergleichbare Chance zur Entwicklung besonderer Fertigkeiten als Ergebnis der Betriebsratsarbeit nicht berücksichtigen, kann dies zu einer Benachteiligung wegen der Betriebsratsarbeit führen, die mit § 78 S. 2 BetrVG nicht vereinbar ist. Richtigerweise wird man deshalb besondere Leistungen als Mitglied des Betriebsrats oder die langjährige Ausübung einer bestimmten fach- oder führungsbezogenen Funktion innerhalb eines Betriebsrats durchaus als ein Indiz für eine besondere oder gar überdurchschnittliche Qualifikation bewerten können. Solche Fertigkeiten lassen erkennen, dass das jeweils in Rede stehende Betriebsratsmitglied durch seine Betriebsratstätigkeit bestimmte Fertigkeiten erworben hat, die unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils einzelner Stellen bei einer beruflichen Entwicklung außerhalb des Betriebsrats zu berücksichtigen sind. In Betracht kommen insoweit Kenntnisse und Fähigkeiten, die das Betriebsratsmitglied durch besondere Aufgaben, die Organisation eines bestimmten Projekts oder die Führung einer Gruppe erworben hat und in eine konkrete Stelle außerhalb des Betriebsrats einbinden könnte. Bei längerer Betriebsratstätigkeit kann darüber hinaus unterstellt werden, dass das jeweils in Rede stehende Betriebsratsmitglied tätigkeitsspezifische Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen wahrgenommen hätte (vgl. § 38 Abs. 4 BetrVG). Denn das Betriebsratsmitglied darf nicht nur tatsächliche Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch solche Fertigkeiten, die es ohne die Betriebsratstätigkeit durch typische Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erworben hätte, in die „Waagschale werfen“, wenn es um die eigene berufliche Entwicklung geht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Leistungen im Rahmen der Wahrnehmung des Betriebsratsamtes auch im Interesse des Betriebes erfolgen.
34 DKKW/Wedde, BetrVG § 37 Rz. 90; Fitting, BetrVG § 37 Rz. 120; GK-BetrVG/Weber, § 37 Rz. 121.
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Betriebsübliche Entwicklung des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern
g)
Das Erfordernis der „Mehrzahl“
Eine betriebsübliche Entwicklung liegt vor, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer, also mehr als 50 %, einen entsprechenden Aufstieg erreicht hat. 35 Das Erfordernis einer entsprechenden Beförderung der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer kann allerdings nicht generell zur Voraussetzung einer Anwendung von § 37 Abs. 4 BetrVG gemacht werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Formen des beruflichen Aufstiegs gibt, die sich auch in der Wahrscheinlichkeit niederschlagen. Zum einen ist es denkbar, dass ein beruflicher Aufstieg im Wesentlichen durch die zunehmende Erfahrung als Folge von Beschäftigungsjahren bestimmt wird. Der berufliche Aufstieg erfolgt hier also linear-gleichförmig über die Gesamtbreite der vorangehenden Ebene. Weil hier eine der Ausgangsebene identische Zahl von für den Aufstieg verfügbaren Positionen vorhanden ist, nimmt automatisch die Mehrzahl der Arbeitnehmer an dieser Entwicklung teil, sofern keine Ausnahmen geboten sind. Abweichend hiervon kann ein beruflicher Aufstieg allerdings auch in Bereichen erfolgen, bei denen die weiteren Ebenen in Form einer Pyramide oberhalb der Ausgangsebene angeordnet sind, was automatisch eine Abnahme der für den Aufstieg verfügbaren Positionen zur Folge hat. Zwangsläufig kann nicht jeder Arbeitnehmer der Ausgangsebene eine Aufstiegsposition erreichen. Sie ist einer kleineren Zahl von Arbeitnehmern vorbehalten, die mit Blick auf ihre Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen sowie sonstige persönliche oder betriebsbezogene Merkmale ausgewählt werden. Denkbar ist sogar, dass die Anzahl der für den Aufstieg verfügbaren Arbeitsplätze nur noch einen kleinen Prozentsatz der Arbeitsplätze der Ausgangsebene beträgt. Eine Entscheidung über die berufliche Entwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG muss beiden Szenarien Rechnung tragen. Das hat zur Folge, dass eine entsprechende Beförderung der überwiegenden Zahl der mit einem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer nur bei lineargleichförmigen Aufstiegsmöglichkeiten geboten ist. Wenn die Aufsichtsmöglichkeiten sich mit zunehmender Hierarchieebene verkleinern (pyramidische Aufstiegsmöglichkeit), gilt dieses Erfordernis nur für die erste Beförderung. Bei jeder weiteren Ebene reduziert dies die Anforderungen an die Zahl entsprechender Beförderungen im Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer. Andernfalls wäre das Betriebsratsmitglied in Gänze von der Berücksichtigung solcher Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen, wenn die Zahl der Ar35 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 574/14, ZTR 2016, 225 Rz. 42.
247
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
beitsplätze auf der Beförderungsebene weniger als 50 % der Arbeitsplätze der Ausgangsebene beträgt. Darin läge eine Benachteiligung, die wegen § 78 S. 2 BetrVG vermieden werden muss. Allerdings steigen bei solchen Aufstiegsszenarien die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, die mit der Beförderung in eine entsprechende Stelle verknüpft ist. Je kleiner die Zahl der Arbeitnehmer ist, die aus der Ausgangsebene befördert werden können, desto größer muss die Wahrscheinlichkeit sein, dass das Betriebsratsmitglied aufgrund von Gründen in der Person und dem Betrieb zu diesem Kreis der beförderten Arbeitnehmer gehört hätte.
h)
Fazit
Die Verpflichtung, eine Anpassung entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vorzunehmen, stößt bei der praktischen Umsetzung auf zahlreiche – durch Rechtsprechung und Gesetzgebung – bislang nicht gelöste Probleme. Erhöht wird die Komplexität für den Arbeitgeber zusätzlich dadurch, dass er seiner Verpflichtung aus §§ 37, 38 BetrVG zur Vergütungsanpassung nachkommen muss, ohne zugleich eine nach § 78 S. 2 BetrVG rechtswidrige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitgliedes vorzunehmen. Auch die dargestellten Gerichtsentscheidungen des BAG bestätigen lediglich die bisherige Rechtsprechung zu den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 37, 38 BetrVG, ohne jedoch für eines der dargestellten praktischen Probleme eine Lösung anzubieten. (Je)
3.
Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds
Grundsätzlich kann auch ein Betriebsratsmitglied wegen der Missachtung arbeitsvertraglicher Pflichten abgemahnt werden. Insoweit gibt es keinen Unterschied zu anderen Arbeitnehmern. Eine solche Abmahnung kann dann auch Grundlage einer außerordentlichen Kündigung sein, die unter Berücksichtigung der durch §§ 626 BGB, 103 BetrVG geschaffenen Schranken erklärt wird. Mit Blick auf § 23 Abs. 1 BetrVG ist umstritten, ob ein Mitglied des Betriebsrats auch wegen der Missachtung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten abgemahnt werden kann 36. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG können mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder 36 Zustimmend DKK/Trittin, BetrVG § 23 Rz. 45; GK-Wiese, BetrVG § 87 Rz. 242; Schleusener, NZA 2001, 640; abl. Fitting, BetrVG § 23 Rz. 17 a; HSWGNR/ Schlochauer, BetrVG § 23 Rz. 16.
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Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds
eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Soweit die Unzulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung angenommen wird, wird dies regelmäßig mit der abschließenden und vorrangigen Bedeutung eines solchen Ausschlussverfahrens begründet. Diese einschränkende Interpretation von § 23 Abs. 1 BetrVG überzeugt indes nicht. Zwar sieht das BetrVG eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Betriebsrat bzw. einem seiner Mitglieder zwar nicht ausdrücklich vor. Die Zulässigkeit und Notwendigkeit folgt allerdings aus dem auch für § 23 Abs. 1 BetrVG maßgeblichen Ultima-RatioGrundsatz. § 23 Abs. 1 BetrVG erlaubt den Antrag auf Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten. Es widerspräche dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und den allgemeinen Grundprinzipien zu der Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses wegen einer Pflichtverletzung (§ 314 BGB), wenn der Arbeitgeber bei einer Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten durch den Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder ohne Vorwarnung direkt das härteste Mittel der Vermeidung einer künftigen Störung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Form der Einleitung des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG ergreifen würde. Insofern entspricht die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Ausschluss aus dem Betriebsrat bzw. seiner Auflösung stets dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen muss. Nur wenn keine anderen – milderen und gleichsam geeigneten – Mittel zur Vermeidung künftiger Pflichtverletzungen auf der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene verfügbar sind, ist es auch angemessen, einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats oder Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder zu stellen. Vergleichbar mit dem Zweck einer individualrechtlichen Abmahnung wird dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern auf diese Weise die Möglichkeit eingeräumt, das Verhalten künftig so auszurichten, das keine Pflichtverletzungen entstehen und die Funktionsfähigkeit des Gremiums erhalten bleibt. Dies stärkt die Rechtsstellung des Betriebsrats, zumal nach allgemeiner Auffassung auch wiederholte leichte Pflichtverletzungen die Annahme einer groben Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG rechtfertigen können 37. Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmah-
37 WPK/Kreft, BetrVG § 23 Rz. 12 m. w. N.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
nung ist damit nicht nur zulässig, sondern auch geboten, um den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu entsprechen 38. Wie der Beschluss des BAG vom 9.9.2015 39 allerdings deutlich gemacht hat, dürfen die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung und die individualrechtliche Abmahnung nicht vermischt werden. Dies würde sonst zu einer Unwirksamkeit der Abmahnung führen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Betriebsratsvorsitzende, der zugleich Mitglied des Konzernbetriebsrats war, im Anschluss an den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Thema Leiharbeit eine E-Mail an alle Arbeitnehmer des Konzerns geschrieben. Dieser E-Mail hatte er die Betriebsvereinbarung mit dem Hinweis angehängt, sie möge eine Hilfestellung für alle Betriebsräte des Konzerns sein. Der Arbeitgeber sah darin einen Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und erteilte der Betriebsratsvorsitzenden daraufhin eine „Abmahnung als Betriebsrat“, die auszugsweise wie folgt lautete: Sehr geehrter Herr A, am 9.12.2011 haben Sie sich mit einer E-Mail an alle Mitarbeiter des NKonzerns gewandt. Hierbei haben Sie die BV Leiharbeit der E versandt. Ihr Verhalten stellt einen Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit dar. Aufgrund ihrer Position sind sie lediglich berechtigt, sich an Mitarbeiter der E zu wenden. Ferner sind sie nicht berechtigt, Betriebsvereinbarungen der E an Mitarbeiter außerhalb der E zu versenden. Hierbei handelt es sich um externe Dritte, selbst wenn sie dem N Konzern angehören. Für Ihr Fehlverhalten mahnen wir Sie hiermit ab. Sollten Sie erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen und sich in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig verhalten, müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihren Ausschluss als Betriebsratsmitglied beim Arbeitsgericht beantragen werden (§ 23 BetrVG). Gegebenenfalls könnte sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen.
Berechtigterweise hat das BAG zwar den Antrag des Betriebsrats auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Abmahnung und auf ihre Entfernung aus der Personalakte für unbegründet gehalten. Der Betriebsrat ist nicht berechtigt, individualrechtliche Ansprüche einzelner Mitglieder geltend zu machen. Ein Unterlassen des entsprechenden Verhaltens des Arbeitgebers kann er nur
38 Ebenso ArbG Solingen v. 18.2.2016 – 3 BV 15/15 n. v. 39 7 ABR 69/13, NZA 2016, 57.
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Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds
dann geltend machen, wenn darin eine Störung oder Behinderung seiner Tätigkeit zu sehen ist 40. Mit überzeugender Begründung hat das BAG aber den Antrag des Betriebsratsvorsitzenden für berechtigt gehalten, den Arbeitgeber zu verpflichten, die ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus der Personalakte zu entfernen. Dabei hat es der 7. Senat des BAG unentschieden gelassen, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung grundsätzlich zulässig ist. In jedem Fall sei es ausgeschlossen, einem Mitglied des Betriebsrats vertragsrechtliche Sanktionen wie den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder eine individualrechtliche Abmahnung in Aussicht zu stellen, wenn das Mitglied des Betriebsrats ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten verletze. Da mit der streitgegenständlichen Abmahnung nicht nur die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG angedroht werde, sondern auch die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung erhoben wurde, lag in der Abmahnung eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden. Dies rechtfertigt in entsprechender Anwendung von § 242, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte 41. Auch unter Berücksichtigung dieser Feststellung des BAG kann damit weiterhin an der Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung festgehalten werden. Sie sollte allerdings nur dann erklärt werden, wenn wesentliche betriebsverfassungsrechtliche Verhaltenspflichten durch den Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder verletzt werden. Typischerweise steht dies in Rede, wenn Verschwiegenheitspflichten gewahrt werden müssen. Hier ist es erfolgversprechender, es anstelle des Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG bei der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung zu belassen. Sie kann im Grunde wie die streitgegenständliche Abmahnung formuliert werden. Allerdings muss auf den letzten Satz, mit dem auch individualrechtliche Sanktionen angedroht werden, verzichtet werden. Falls die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten allerdings auch eine individualrechtliche Komponente hat, was z. B. bei der Missachtung der Verschwiegenheitspflicht der Fall sein kann, sollte sie – in Form eines getrennten Schriftstückes – zum Gegenstand einer eigenständigen (individualrechtlichen) Abmahnung gemacht werden. (Ga)
40 BAG v. 9.9.2015 – 7 ABR 69/13, NZA 2016, 57 Rz. 25. 41 BAG v. 9.9.2015 – 7 ABR 69/13, NZA 2016, 57 Rz. 38 ff.
251
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
4.
Auskunftsanspruch des Betriebsrats zu Zielvereinbarungen
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gehört es zu den Aufgaben des Betriebsrats, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Ergänzend hierzu bestimmt § 80 Abs. 2 BetrVG umfangreiche Auskunftsansprüche des Betriebsrats. Danach ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Dabei sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit zur Durchführung seiner Aufgaben erforderliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen. In seinem Beschluss vom 24.11.2015 42, gegen den Rechtsbeschwerde eingelegt wurde 43, hat das LAG Hessen nicht nur die Befugnis des Betriebsrats bestätigt, in seinem Betrieb die richtige Anwendung einer Gesamtbetriebsvereinbarung über den Abschluss von Zielvereinbarungen zu überwachen. Unerheblich dabei ist, dass die Zuständigkeit für ihren Abschluss beim Gesamtbetriebsrat gelegen hat. Weitergehend hat das LAG Hessen den Arbeitgeber verurteilt, dem Betriebsrat die im Rahmen des Prozesses zum Abschluss von Zielvereinbarungen (Personal Business Commitments – PBC) vereinbarten oder durch die Führungskraft festgelegten Ziele für das jeweilige Kalenderjahr ab 2016 spätestens bis zum 30.4. des jeweiligen Kalenderjahres vorzulegen und dabei folgende Daten mitzuteilen: Name des Arbeitnehmers, individuelle Ziele des Arbeitnehmers, Zuordnung zu den in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Zielarten und Priorisierung der Zielarten gemäß den Vorgaben der Gesamtbetriebsvereinbarung. Aus Sicht des LAG Hessen ist es erforderlich, diese Daten zu kennen, um eine ordnungsgemäße Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber und die ihn vertretenden Führungskräfte feststellen zu können. Weitergehende Auskunftsansprüche, die beispielsweise die Gehälter der betroffenen Mitarbeiter, ihr Geburtsdatum, ihr Lebensalter, ihr Geschlecht, die Höhe des Urlaubsanspruchs oder etwaige Mitgliedschaften in einer Arbeitnehmervertretung betrafen, sind zutreffender Weise abgelehnt worden. Auch wenn der Umfang eines solchen Auskunftsanspruchs jeweils vom Inhalt der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung abhängig ist, macht die
42 16 TaBV 106/15 n. v. 43 1 ABR 6/16.
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Matrix: Mitbestimmung des Betriebsrats wegen einer Einstellung
Entscheidung zu Recht deutlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats mit Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarungen nicht beendet ist. Zwar steht damit das System fest. Auch sind die wirtschaftlichen Folgen, die mit einer Zielvereinbarung verknüpft sein können, vorgegeben. Der Betriebsrat kann aber gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG überprüfen, ob sich Arbeitgeber und Führungskräfte an die Vereinbarung halten. (Ga)
5.
Matrix: Mitbestimmung des Betriebsrats wegen einer Einstellung beim betriebsübergreifenden Einsatz von Führungskräften
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir darüber berichtet 44, dass das LAG Baden-Württemberg am 28.5.2014 45, das LAG Berlin-Brandenburg am 17.6.2015 46 und das LAG Düsseldorf am 10.2.2016 47 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 99 BetrVG wegen einer Einstellung angenommen hatten, wenn Führungskräfte aus einem anderen Betrieb – ggf. auch aus einem anderen Unternehmen – im Rahmen einer Matrix-Organisation benannt wurden, um Bereiche mit Arbeitnehmern eines anderes Betriebs zu führen. In beiden Entscheidungen war es für ausreichend gehalten worden, dass der Einsatz solcher Führungskräfte auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags erfolge und ihre Tätigkeit eine Förderung des Betriebszwecks in dem Betrieb zur Folge hatte, dessen Arbeitnehmer gesteuert würden 48. Mit dieser Befugnis zur Führung von Mitarbeitern werde der Vorgesetzte in den Betrieb eingegliedert, dessen Betriebsrat Mitbestimmungsrechte aus § 99 BetrVG geltend machte. § 5 Abs. 3 BetrVG stehe diesem Beteiligungsrecht selbst dann nicht automatisch entgegen, wenn der Vorgesetzte in seinem Herkunftsbetrieb als leitender Angestellter zu qualifizieren sei. Denn entscheiden sei, ob eine solche Qualifikation auch in Bezug auf den Betrieb erfolgen könne, dessen Betriebsrat Beteiligungsrechte geltend mache. Im Zusammenhang mit der erstmaligen Darstellung dieser Entscheidungen hatten wir deutlich gemacht, dass diese Kennzeichnung einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung mit den Grundsätzen im Widerspruch steht,
44 45 46 47 48
B. Gaul, AktuellAR 2015, 265 ff. 4 TaBV 7/13, BB 2014, 2298 ff. 17 TaBV 277/15, NZA-RR 2015, 529 ff. 7 TaBV 63/15 n. v. Für zutreffend hält dies Seebacher, AiB 2016, 39, 41.
253
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
die das BAG im Urteil vom 13.12.2005 49 entwickelt hatte. Denn nach diesen Grundsätzen genügt es nicht, dass die Tätigkeit eines Arbeitnehmers dem Betriebszweck förderlich ist, um eine Eingliederung anzunehmen. Die mit der Eingliederung verbundene Integration in die betrieblichen Abläufe setzt voraus, dass die eingegliederte Person ihrerseits Weisungen einer anderen Person dieses Betriebs erhält, die Art, Ort oder Zeit ihrer Tätigkeit bestimmen. Wenn der Vorgesetzte einer Matrix-Organisation hiervon abweichend allerdings weitgehend weisungsfrei tätig ist, weil sich Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit durch Handlungsvorgaben seines eigenen Arbeitgebers bestimmen, ist ein Mitbestimmungsrecht aus § 99 BetrVG abzulehnen. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG möglichst kurzfristig diese für heutige Unternehmensorganisationsstrukturen wichtige Frage entscheiden wird. In mindestens zwei Beschlussverfahren ist Rechtsbeschwerde eingelegt. Wir werden darüber berichten. (Ga)
6.
Betriebsratsanhörung bei ordentlicher Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß S. 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach S. 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Sinn und Zweck der Anhörung bestehen nach Ansicht des BAG 50 darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d. h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers, auf den Arbeitgeber hinsichtlich seiner Kündigungsabsicht einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Es ist nicht seine Aufgabe, die rechtliche Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu kontrollieren, sondern ggf. die Willensbildung des Arbeitgebers zu beeinflussen, um ihn von der den Arbeitnehmer besonders hart treffenden Entscheidung einer Kündigung abzubringen. Daher sind an die Mitteilungspflicht nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess 51.
49 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369. 50 Nur BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99 Rz. 14; BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476 Rz. 15; BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 280/04, NZA 2006, 431 Rz. 39. 51 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476 Rz. 22.
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Betriebsratsanhörung bei ordentlicher Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“ 52. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Das gilt auch in Bezug auf die Sozialdaten bei verhaltensbedingter Kündigung. Auf ihre Mitteilung im Rahmen von § 102 BetrVG darf der Arbeitgeber nur verzichten, wenn es ihm darauf ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt 53. Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, bloß objektive Fehlinformation führt dagegen für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung 54. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BAG 55 nicht darauf an, ob der Arbeitgeber bei größerer Sorgfalt die richtige Sachlage hätte erkennen können. Maßgeblich ist, ob er subjektiv gutgläubig und ob trotz objektiv falscher Unterrichtung dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung Genüge getan ist. Dies ist bei einer unbewussten Falschinformation dann der Fall, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat damit auf derselben Tatsachenbasis wie dieser auf dessen Kündigungsabsicht einwirken kann. An einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die Kündigungsgründe i. S. d. § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG fehlt es jedoch dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen Beurteilung bedeutsame, zuungunsten des Arbeitnehmers sprechende, objektiv unzutreffende Tatsachen mitteilt, von denen er selbst durchaus für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um eine unbewusste Fehlinformation. Der Arbeitgeber nimmt damit vielmehr in Kauf, den Betriebsrat in unzutreffender Weise zu unterrichten 56. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kün52 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 24; BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 352/11, NZA 2013, 86 Rz. 41. 53 BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540 Rz. 45. 54 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 24; BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412 Rz. 21. 55 Nur BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99 Rz. 17; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 26; BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 121/12, NZA 2013, 1412 Rz. 22 f. 56 BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99 Rz. 18.
255
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
digung sprechen können 57. Insofern wird die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände bezüglich des Umfangs der Anhörung des Betriebsrats relativiert, weil dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung, auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers einzuwirken, verfehlt würde. Angesichts dessen darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entlastende Umstände dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht beeinflusst haben 58. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv determiniert 59. Die Frage der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats stand im Mittelpunkt einer Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 16.7.2015 60. Der Kläger, der seit 1998 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiter beschäftigt war, fehlte bereits in den Jahren 2006 bis 2009 jährlich krankheitsbedingt zwischen 20 und 32 Arbeitstagen. Im Jahre 2010 waren es erneut 23 Krankheitstage, im Jahr 2011 mehr als 32 Krankheitstage und im Jahre 2012 lagen weitere 56 Krankheitstage bei dem Kläger vor. Am 8.8.2012 fand ein als betriebliches Eingliederungsmanagement bezeichnetes Gespräch mit dem Kläger statt. Da der Kläger danach erneut erkrankte, kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 16.11.2012 zum 30.4.2013. Im Hinblick auf die negative Zukunftsprognose hatte die Beklagte dem Betriebsrat bei der Anhörung mitgeteilt, der Kläger habe eine Schmerztherapie, die der Empfehlung der Werksärztin entsprochen habe, abgebrochen und der Werksärztin mitgeteilt, die Schmerztherapie nicht fortsetzen zu wollen. Insofern räumte die Beklagte im Kündigungsschutzprozess ein, dass diese Ausführungen gegenüber dem Betriebsrat auf einem Missverständnis beruht hätten. Das LAG Hamm hat die Wirksamkeit der Kündigung an der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats scheitern lassen und dies damit begründet, dass die Beklagte dem Betriebsrat Umstände mitgeteilt habe, die nicht den objektiven Tatsachen entsprochen hätten. Das BAG hat den Rechtsstreit an das LAG Hamm zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen, weil das LAG Hamm auf der Basis der bisher getroffenen Feststellungen nicht von der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG habe
57 BAG v. 3.11.2011 – 2 AZR 748/10, NZA 2012, 607 Rz. 38. 58 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476 Rz. 15; BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 280/04, NZA 2006, 431 Rz. 40 f. 59 BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99 Rz. 19. 60 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99.
256
Mitbestimmung des Betriebsrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement
ausgehen dürfen. In Anbetracht der vom BAG entwickelten Grundsätze zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats konnte eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, nur objektive Fehlinformation nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber bei einer mit größerer Sorgfalt vorgenommenen Recherche die zutreffende Sachlage hätte feststellen können. Unbewusste Falschinformationen des Betriebsrats stellen damit keinen Verstoß gegen die Ordnungsgemäßheit der Anhörung dar, weil sich bei derartiger Sachlage der Kenntnisstand des Arbeitgebers und des Betriebsrats decken und der Betriebsrat vom gleichen Sachverhalt ausgehend versuchen kann, die beabsichtigte Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers zu beeinflussen. Anders wäre doch - wie das BAG ausführt – zu entscheiden gewesen, wenn die Beklagte es selbst für möglich hielt, dem Betriebsrat einen nicht der Wahrheit entsprechenden und den Arbeitnehmer belastenden Sachverhalt vorzutragen. Bei derartigem Befund nimmt der Arbeitgeber in Kauf, den Betriebsrat in unzutreffender Weise zu informieren. Da das LAG Hamm nicht festgestellt hatte, ob die Beklagte gewusst oder zumindest für möglich gehalten hat, dass ihre Mitteilung an den Betriebsrat, der Kläger habe die Schmerztherapie bereits nach kurzer Zeit abgebrochen, unzutreffend und damit irreführend war, musste der Rechtsstreit zur Aufklärung dieser Frage zurückverwiesen werden. Die Beweislast dafür, dass lediglich eine objektiv fehlerhafte Information des Betriebsrats vorlag, d.h. für die Gutgläubigkeit, trägt der Arbeitgeber 61. Die Entscheidung des BAG knüpft nahtlos an die bisherige Rechtsprechung zur Anhörung des Betriebsrats an und bestätigt sie. Wenn auch das BAG an die Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht dieselben Anforderungen stellt, wie an die Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess, sollte gleichwohl bezüglich des Umfangs der Anhörung eine prozessuale Auseinandersetzung über die Berechtigung der Kündigung bedacht werden. (Boe)
7.
Mitbestimmung des Betriebsrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement
Bereits mehrfach haben wir uns in der Vergangenheit mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement im Zusammenhang mit krankheitsbedingten
61 BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99 Rz. 20; BAG v. 22.9.1994 – 2 AZR 31/94, NZA 1995, 363 Rz. 31.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Kündigungen befasst 62. Die diesbezügliche Rechtsprechung zu § 84 Abs. 2 SGB XI entwickelt sich zu einer Schranke, die eine krankheitsbedingte Kündigung jedenfalls bei Kurzerkrankungen nahezu unmöglich macht, wenn nicht alle formalen und inhaltlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 SGB IX erfüllt sind 63. In dem Beschluss des BAG v. 22.3.2016 64 ging es um die Frage, ob und inwieweit der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements geltend machen kann. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Betriebsparteien über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, der für ein Logistikunternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmer getroffen worden war. Auszugsweise enthielt der Einigungsstellenstellenspruch folgende Vorgaben: § 2 Grundsätze 2.1. Information der Arbeitnehmer Alle Arbeitnehmer erhalten nach Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung erstmals eine von den Betriebsparteien gemeinsam erstellt schriftliche Information zum BEM ausgehändigt. … Danach erhalten alle neu eingestellten Arbeitnehmer diese Information mit Übergabe des Arbeitsvertrags. … § 3 Integrationsteam 3.1 Besetzung Als Gremium für die Durchführung des BEM wird ein Integrationsteam gebildet. Das Integrationsteam setzt sich jeweils aus einem Vertreter des Arbeitgebers sowie des Betriebsrats zusammen. … 3.4. Vorschlagsrecht Das Integrationsteam unterbreitet dem Arbeitgeber Vorschläge für Maßnahmen des BEM. Kommt das Integrationsteam nicht zu einvernehmlichen Vorschlägen zu Maßnahmen des BEM, hat jede Betriebspartei das Recht, dem Arbeitgeber Vorschläge zu Maßnahmen des BEM zu unterbreiten. Über die Maßnahmen des BEM entscheidet der Arbeitgeber, es sei denn, dass von Vertretern des Integrationsteams arbeitsplatzbezogene Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements vorgeschlagen werden. In diesem Fall ist die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Zu-
62 B. Gaul, AktuellAR 2014, 467 ff.; 2015, 152, 495 ff. 63 Eingehend zuletzt Hoffmann-Remy, NZA 2016, 267 ff. 64 1 ABR 14/14 n. v.
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Mitbestimmung des Betriebsrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement nächst haben die Betriebsparteien eine Einigung über die arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen zu erreichen. Kommt insoweit keine Einigung zwischen den Betriebsparteien zustande, gilt §§ 87 Abs. 2, 76 BetrVG.
Aus nachvollziehbaren Gründen hat die Arbeitgeberin den Einigungsstellenspruch fristgerecht angefochten. Sie machte geltend, dass die Einigungsstelle für die beschlossenen Regelungen nicht zuständig gewesen sei und im Übrigen das ihr zustehende Ermessen überschritten habe. In Übereinstimmung mit der vorangehenden Entscheidung des LAG Hamburg hat auch das BAG die Feststellung getroffen, das die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit überschritten habe und ihr Spruch deshalb unwirksam sei. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erfasse aufgrund der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen zur Klärung der Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneute Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden könne. Entsprechendes wird man auf das Verfahren zur Vermeidung einer Kündigung schwerbehinderter Menschen nach § 84 Abs. 1 SGB IX übertragen können. Diese Grenze hatte die Einigungsstelle mit ihrem Spruch überschritten. Denn dieser beschränkte sich keineswegs nur auf die Ausgestaltung des bEM, sondern enthielt durch die zwingende Schaffung eines Integrationsteams und die Festlegung ihrer Befugnisse im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements Pflichten, deren Umsetzung allein dem Arbeitgeber obliegt. Einzelheiten dieser Entscheidung sind derzeit zwar noch nicht verfügbar. Bereits diesen abstrakt-generellen Grundsätzen ist allerdings zuzustimmen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf das Integrationsteam, das schlussendlich auf Dauer die Aufgaben des Arbeitgebers in paritätischer Besetzung übernehmen sollte. Wie bereits das LAG Hamburg in seinem Beschluss vom 20.2.2014 65 deutlich gemacht hat, reicht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht soweit, dass es die Installation eines derartigen Gremiums ermöglicht. § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX sehe nicht vor, dass die Arbeitgeberin und die zuständige Interessenvertretung (und ggf. die Schwerbehindertenvertretung) gemeinsam klären, wie die Arbeitsunfähigkeit eines oder einer Beschäftigten überwunden und weitere Arbeitsunfähigkeit vermieden werden könne. Vielmehr sehe das Gesetz vor, dass die Ar-
65 1 TaBV 4/13 n. v. Rz. 50.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
beitgeberin mit der zuständigen Interessenvertretung solche Möglichkeiten kläre. Folgerichtig erfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch nicht die Durchführung der im bEM-Verfahren beschlossenen Maßnahmen, die Überprüfung ihrer Wirksamkeit und Qualität, die Begleitung der Beschäftigten bei einer stufenweisen Wiedereingliederung und die Erstellung einer jährlichen bEM-Dokumentation. In gleicher Weise war der Spruch unwirksam, soweit dort vorgesehen wurde, dass ein ggf. durch Entscheidung der Einigungsstelle erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen erforderlich ist, die vom Integrationsteam vorgeschlagen wurden. Es ist wichtig, dass das BAG den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagement klarstellt. Ungeachtet dessen bleibt der Betriebspraxis zu empfehlen, gemeinsam mit dem Betriebsrat – ggf. auf freiwilliger Ebene – Regelungen zu schaffen, die das Verfahren nach § 84 Abs. 2 BetrVG ausgestalten. Dies erleichtert nicht nur die vollständige und zutreffende Anwendung der durch den Gesetzgeber geschaffenen Vorgaben. Vielmehr erhöht es auch die Akzeptanz der hiervon im Betrieb betroffenen Arbeitnehmer, die eine von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam geschaffene Maßnahme durchaus als Bestandteil des betrieblichen Eingliederungsmanagements begreifen können. In diesem Fall können und sollen durchaus in einer Betriebsvereinbarung auch Regelungen getroffen werden, die für den Fall einer streitigen Entscheidung durch den Betriebsrat nicht erzwingbar wären. (Ga)
8.
Mitbestimmung bei der Regelung von Umkleidezeiten
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen 66. Da § 2 Abs. 1 ArbZG die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen definiert, kommt es auf die begriffliche Kennzeichnung der Arbeit an 67. Arbeit ist nach gefestigter Rechtsprechung des BAG 68 jede Tätigkeit,
66 Ausführlich dazu Franzen, NZA 2016, 136 ff. 67 Vgl. aber BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, DB 2007, 749 Rz. 26: Der Arbeitszeitbegriff in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG – und gleichermaßen der in § 87 Abs. 1 Nr. 3
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Mitbestimmung bei der Regelung von Umkleidezeiten
die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Keine Arbeit wird für den Arbeitgeber durch den Weg zur Arbeit erbracht. Arbeit kann aber auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit sein, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit hat 69. Nichts anderes folgt aus der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 4.11.2003. Nach Art. 2 Nr. 1 Arbeitszeitrichtlinie ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Zur Arbeit gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss 70. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ihren Geltungsgrund in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung haben kann. Insofern ergibt sich eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers für die Zeit des Umkleidens aus § 611 BGB, wonach zur Leistung der versprochenen Dienste nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt, gehört 71. Soweit in diesem Zusammenhang für die Zeit des Umkleidens die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG relevant wird, erstreckt sich diese nicht auf die generelle Dauer der Arbeitszeit, sondern auf ihre Organisation (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) 72. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Ar-
68
69 70 71
72
BetrVG – ist nicht gänzlich deckungsgleich mit dem Begriff der vergütungspflichtigen Arbeitszeit und dem des Arbeitszeitgesetzes. BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63 Rz. 23; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917 Rz. 21; BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08, NZA-RR 2010, 231 Rz. 15. BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917 Rz. 21. BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63 Rz. 23. BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63 Rz. 28 unter Aufgabe von BAG v. 11.10.2000 – 5 AZR 122/99, NZA 2001, 458 Rz. 9 ff., wonach die Vergütung nach § 611 BGB nur für die eigentliche Tätigkeit anfällt. BAG v. 12.1.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557 Rz. 49: Keine Mitbestimmung für Planzeiten, die ein Arbeitnehmer für das An- und Ablegen der Dienstkleidung voraussichtlich benötigt.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
beitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen 73. Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen soll und seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten kann 74. Umkleidezeiten gehören daher nach bisheriger Rechtsprechung des BAG 75 zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es aber auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden auch einem eigenen Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet 76. In der Entscheidung vom 17.11.2015 war der 1. Senat des BAG 77 erneut mit der Frage befasst, ob die betriebliche Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Zeiten für das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung umfassen kann. Zwischen der Arbeitgeberin, die einen öffentlichen Personalnahverkehr mit Straßenbahnen und Bussen betreibt, und dem Betriebsrat war eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden, wonach aus Gründen des Erscheinungsbildes und der Kundenorientierung die Mitarbeiter/innen verpflichtet waren, im Dienst eine von der Arbeitgeberin gestellte Dienstkleidung zu tragen, die auch auf dem Weg von und zur Arbeit getragen werden durfte. Die Dienste des eingesetzten Fahrpersonals beginnen und enden nicht nur auf den Betriebshöfen der Arbeitgeberin, sondern auch an Haltestellen im Streckennetz. Für die Wege zu den Übernahme–/Ablösestellen stellt die Arbeitgeberin eine Transportmöglichkeit mit ei-
73 BAG v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13, NZA 2016, 247 Rz. 24; BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, NZA 2007, 458 Rz. 26. 74 BAG v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13, NZA 2016, 247 Rz. 24; BAG v. 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557 Rz. 20. 75 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63 Rz. 23; BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, NZA-RR 2010, 301 Rz. 15. 76 BAG v. 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557 Rz. 33. 77 1 ABR 76/13, NZA 2016, 247.
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Mitbestimmung bei der Regelung von Umkleidezeiten
nem Personalwagen zur Verfügung. Das Dienstpersonal nutzt überwiegend den direkten Weg zwischen der Wohnung und der Übernahme-/Ablösestelle. Außerdem besteht eine Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen, wonach das Fahrpersonal bestimmte Gegenstände, wie Formulare, Wechselgeld und einen Wechsler mit sich zu führen hat. Die entsprechenden Einnahmen sind nach Dienstende oder vor der Aufnahme des nächsten Dienstes abzurechnen, wenn die Wertgrenze von 500,- € erreicht wird. Zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat entstand eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob es sich bei den Wegezeiten von und zur Übernahme– /Ablösestelle um bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigende Arbeitszeit handelt. Die Arbeitgeberin hat diese Frage zum Gegenstand einer negativen Feststellungsklage gemacht. Im Ergebnis ging es der Arbeitgeberin um die Feststellung, dass die in den Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit erst beginnt, wenn das Fahrpersonal in Dienstkleidung an der Übernahme/Ablösestelle erscheint. Während die Vorinstanzen der Klage entsprochen haben, ist sie vom BAG als unbegründet abgewiesen worden. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen geht das BAG davon aus, dass die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören können, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer benötigt, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung rechnet das BAG Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und damit zur Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllt. Bei besonders auffälliger Dienstkleidung hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein Eigeninteresse daran, diese außerhalb des Dienstes und damit auf dem Weg von und zur Arbeit zu tragen. Allerdings ist nach Ansicht des BAG in diesem Fall die ausschließliche Fremdnützigkeit besonders auffälliger Kleidung dann zu verneinen, wenn sich der Arbeitnehmer entscheidet, diese auffällige Kleidung erlaubterweise auch außerhalb der Arbeitszeit – etwa zwischen Wohnung und Betriebsstätte – zu tragen. Gleiches gilt, wenn die Dienstkleidung, ohne besonders auffällig zu sein, auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann bzw. soll. Diese Aussage ergänzt das BAG mit dem Hinweis, dass zur Arbeitszeit auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle als innerbetriebliche Wegezeit gehört. In Anbetracht dessen gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass es sich um betriebliche Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG handelt, wenn sich die Arbeitnehmer im Betriebshof umkleiden und anschließend den Weg zur Übernahme-/Ablösestelle in ihrer
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Dienstkleidung zurücklegen, was gleichermaßen gilt, wenn sie nach Schichtende zum Betriebshof zurückkehren, um dort die Dienstkleidung wieder abzulegen. Demgegenüber war das LAG Baden-Württemberg 78 als Vorinstanz zu dem Ergebnis gelangt, dass Wegezeiten des Fahrpersonals vor Schichtbeginn zu einem außerhalb der Betriebshöfe stehenden Fahrzeug sowie Wegezeiten des Fahrpersonals nach einer nicht auf einem der Betriebshöfe endenden Schicht vom Fahrzeug zu einem Betriebshof oder anderswo hin nicht der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterfallen, weil die Dienstkleidung des Fahrpersonals nicht besonders auffällig sei. Dieser Auffassung ist das BAG entgegengetreten und hat klargestellt, dass eine besonders auffällige Dienstkleidung bereits darin ihren Ausdruck findet, dass die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden können, was bereits dann zu bejahen sei, wenn auf der Dienstkleidung ein Emblem oder Schriftzüge angebracht seien, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden. Damit richtet sich die Zuordnung der Umkleide- und Wegezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG danach, an welchem Ort das Fahrpersonal nach seiner Entscheidung die Dienstkleidung an- und ablegt. Ungeachtet dessen, ob die Ausgestaltung der Dienstkleidung mehr oder weniger auffällig ist, sind Umkleide- und Wegezeiten keine betriebliche Arbeitszeit, wenn sich die als Fahrpersonal beschäftigten Arbeitnehmer entschließen, die Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf den Wegen von und zur Übernahme-/Ablösestelle zu tragen. Dann ist das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig. Die ausschließliche Fremdnützigkeit der Umkleide– und Wegezeiten liegt jedoch dann vor, wenn sich die Mitarbeiter des Fahrpersonals dafür entscheiden, zunächst die Umkleidemöglichkeit im Betrieb zu nutzen, um sich anschließend zur Übernahme-/Ablösestelle zu begeben, was entsprechend nach Beendigung der Fahrtätigkeit gilt. Ergänzend weist das BAG überzeugend darauf hin, dass die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln als Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu qualifizieren ist, weil damit ausschließlich ein fremdnütziges Bedürfnis des Arbeitgebers befriedigt wird. Zudem sind Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmit-
78 8.8.2013 – 18 TaBV 3/13 n. v. Rz. 63.
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Mitbestimmung bei der Regelung von Umkleidezeiten
tel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren 79. Für die betriebliche Praxis ist unter mitbestimmungsrechtlichen Aspekten davon auszugehen, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vor allem darauf bezieht, dass ausschließlich fremdnützige Umkleidezeiten und Wegezeiten innerhalb eines Zeitrahmens liegen müssen. Keiner Mitbestimmung unterliegt hingegen der für das Umkleiden benötigte Zeitaufwand, weil sich dieser auf die generelle Dauer der Arbeitszeit bezieht. In diesem Zusammenhang ist auf eine Entscheidung des LAG Hamburg vom 6.7.2015 80 hinzuweisen, die beim BAG 81 anhängig ist, wonach die Verpflichtung des Arbeitgebers, fremdnützige Umkleidezeiten als Arbeitszeit zu vergüten, durch Tarifvertrag nicht abbedungen werden kann, wenn das Umkleiden aus Gründen des Arbeitsschutzes geboten ist. Dabei versteht das LAG Hamburg unter Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne von § 3 Abs. 1 ArbSchG nicht nur die Anschaffung und Bereitstellung notwendiger Schutzkleidung, sondern auch das An- und Ablegen der Schutzkleidung. Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Gemäß § 3 Abs. 3 ArbSchG darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht den Beschäftigten auferlegen. Demgegenüber sah der einschlägige Manteltarifvertrag vor, dass Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen keine Arbeitszeit sind, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden. Ungeachtet dessen hat das LAG Hamburg festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln im Zeiterfassungsterminal zu Beginn der Schicht anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten. (Boe)
79 So bereits BAG v. 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557 Rz. 60. 80 8 Sa 53/14, NZA-RR 2016, 66 Rz. 95 mit ablehnender Anmerkung von Gaul/Hofelich, NZA 2016, 149. 81 9 AZR 574/15 n. v.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
9.
Mitbestimmung des Betriebsrats bei technischer Überwachungseinrichtung bei Fremdarbeitgeber
Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Relevant wird dies nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber selbst technische Einrichtungen zum Einsatz bringt, die geeignet sind, Leistung und/oder Verhalten der eigenen Arbeitnehmer zu überwachen. Die Frage einer Mitbestimmung des Betriebsrats stellt sich auch dann, wenn der Arbeitgeber veranlasst, das seine Arbeitnehmer auf dem Gelände eines Fremdarbeitgebers zum Einsatz kommen und dort technische Einrichtungen bestehen, die Leistung und/oder Verhalten überwachen. Bereits in seinem Urteil vom 27.1.2004 82 hatte der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats des Herkunftsbetriebs aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 BetrVG zu beachten sind, wenn Arbeitnehmer dieses Betriebs im Rahmen eines Werkvertrags beim Kunden in den Wirkungsbereich einer technischen Einrichtung kommen, die geeignet ist, Leistung und/oder Verhalten zu überwachen. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Werkvertrags im Rahmen von Dienstleistungsvereinbarungen im IT-Bereich im Kundenbetrieb eingesetzt. Um diesen Betrieb des Kunden zu betreten, mussten die Servicemitarbeiter eine Personenvereinzelungsanlage (Personalschleuse) benutzen, die mit Hilfe eines Fingerprintscanners eine personenbezogene Identifikation vornahm. Aus Sicht des BAG hatte der Betriebsrat des Herkunftsbetriebs zu Recht ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 BetrVG geltend gemacht. Dass der Arbeitgeber mit dem Kunden vereinbart hatte, dass ihm keine personenbezogenen Daten überlassen wurden, stand diesem Mitbestimmungsrecht nach Auffassung des BAG nicht entgegen. Unerheblich sei auch, dass die Überwachung in erster Linie oder gar ausschließlich im Interesse des Dritten erfolge. Vielmehr sei es für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausreichend, wenn der Arbeitgeber die Entscheidung treffe, Informationen über das Verhalten der seiner Direktionsbefugnis unterliegenden Arbeitnehmer durch eine zur Überwachung bestimmte technische Einrichtung erfassen zu lassen 83.
82 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 16 ff., 24, 29. 83 BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 30.
266
Mitbestimmung des Betriebsrats bei technischer Überwachungseinrichtung
Unerheblich war aus Sicht des BAG auch, dass die Regeln zur Benutzung der Zugangskontrolle durch den Kunden vorgegeben wurden. Richtig sei zwar, dass die betriebliche Ordnung in einem Kundenbetrieb nicht zur Disposition des Arbeitgebers stehe. Er habe aber als Vertragspartner des Kunden die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, unter welchen Bedingungen „seine“ Arbeitnehmer dort zu arbeiten hätten. Dementsprechend obliege es dem Arbeitgeber, sich in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten gegenüber Dritten nicht in einer Weise zu binden, die eine Einflussnahme des Betriebsrats faktisch ausschließe. Vielmehr müsse der Arbeitgeber durch eine entsprechende Vertragsgestaltung sicherstellen, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gewährleistet sei 84. Dieses überaus weitgehende Verständnis der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats führt aus Sicht des BAG auch nicht zu einer unzulässigen Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers. Nicht selten beträfen – so das BAG –Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Entscheidungen, die Auswirkungen auch auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens haben könnten. Dieser Umstand lasse die Mitbestimmung nicht entfallen. Der Betriebsrat müsse aber nach § 2 BetrVG bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts die mögliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange bedenken, die auch in der Gefährdung von Kundenbeziehungen liegen könne. Gleiches gelte für die Einigungsstelle bei einem die Einigung der Betriebsparteien ersetzenden Spruch 85. Unklar ist, ob das BAG diese Sichtweise mit seinem Beschluss vom 26.1.2016 86 jedenfalls zum Teil eingeschränkt hat. In dem dort in Rede stehenden Fall ging es um die Frage, ob und inwieweit Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehen, wenn Arbeitnehmer anderer Konzernunternehmen auf der Grundlage von Werk- und Dienstverträgen auf dem Gelände eines weiteren Konzernunternehmens tätig werden, auf dem zu Überwachungszwecken verschiedene Kameras und Monitore installiert sind. Unstreitig zwischen den Parteien war dabei, dass der Einsatz im Wirkungsbereich der Kameras Beteiligungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen konnte. Streitig war allerdings, ob die Mitbestimmung in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats oder der einzelnen Betriebsräte der jeweils betroffenen Konzernunternehmen fiel.
84 BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 24, 29. 85 BAG v. 27.1.2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 24. 86 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Mit überzeugender Begründung hat das BAG eine Zuständigkeit der einzelnen Betriebsräte angenommen. Voraussetzung für eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nach § 58 Abs. 1 BetrVG wäre gewesen, dass es sich zum einen um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung bestand. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich insoweit nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt 87. Allein der Wunsch des Arbeitgebers oder der betroffenen Arbeitnehmervertretungen nach einer konzerneinheitlichen oder unternehmensübergreifenden Regelung, ein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrat zu begründen 88. Vorliegend hat das BAG ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats bereits daran scheitern lassen, dass es sich nicht um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit handele. Entgegen der Argumentationslinie in der Entscheidung vom 27.1.2004 89 hat es dabei als ausreichend angesehen, dass keine unternehmensübergreifende Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeit des Aufzeichnungssystems vorliege. Denn es finde keine Weitergabe der erhobenen Daten oder darauf bezogenen Auswertungen an andere Konzernunternehmen statt. Diese hätten auch keine Zugriffsmöglichkeiten auf die im Einsatzbetrieb installierten Geräte und die dort aufgezeichneten Daten 90. In seiner früheren Entscheidung hatte das BAG wörtlich noch ausgeführt: „Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeberin die erhobenen Daten nach der mit der I. getroffenen Vereinbarung nicht zur Verfügung gestellt werden.“ Bemerkenswert sind auch die weitergehenden Feststellungen zum Umfang des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wie es aus Sicht des 1. Senats des BAG zwischen den Betriebsräten des Herkunftsbetriebs und den dem Betriebsrat des Einsatzbetriebs aufgeteilt ist. So obliege es dem Betriebsrat des Einsatzbetriebs in Bezug auf die von diesem vertretenen Arbeitnehmer, die Rahmenbedingungen für den Einsatz der installierten
87 So BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498 Rz. 24; BAG v. 19.6.2012 – 1 ABR 19/11, NZA 2012, 1237 Rz. 21. 88 So BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498 Rz. 24; BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11, NZA 2013, 275 Rz. 24. 89 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 33. 90 BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498 Rz. 25 f.
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Mitbestimmung des Betriebsrats bei technischer Überwachungseinrichtung
Kameras und Monitore zu regeln. Zu diesen Gegenständen gehörten z. B. Abreden über die eingesetzte Hardware, den Gegenstand und die Dauer der visuellen Aufzeichnungen sowie ihre Verwertung und Archivierung 91. Für Arbeitnehmer von Drittunternehmen – unabhängig von deren Konzernzugehörigkeit – habe der Betriebsrat des Herkunftsbetriebs keine Regelungsbefugnis. Dem ist zuzustimmen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Herkunftsbetriebs sieht der 1. Senat des BAG aber offenbar eingeschränkt. Denn nach seinen Feststellungen beschränkt sich sein Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf Regelungen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die auf dem Betriebsgelände des Herkunftsbetriebs eingesetzten Arbeitnehmer von dem dort bestehenden visuellen Aufzeichnungssystem erfasst werden 92. Weitergehende Feststellungen zur Hardware, zum Gegenstand und der Dauer der Aufzeichnungen und ihre Verwertung scheinen nach diesen Feststellungen des BAG nicht vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Herkunftsbetriebs erfasst zu sein. Eine solche Einschränkung ließ sich dem Urteil des BAG vom 27.1.200493 nicht entnehmen. Denn dort hatte das BAG nur abstrakt-generell von der Notwendigkeit gesprochen, dem Betriebsrat des Herkunftsbetriebs die Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG – ggf. durch Vertragsgestaltung mit dem Kunden – möglich zu machen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn das BAG mit der aktuellen Entscheidung eine Klarstellung seiner früheren Rechtsprechung vorgenommen hätte. Die damit verbundene Einschränkung würde auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Daten der technischen Einrichtung im Einsatzbetrieb dem für den Arbeitnehmer im Herkunftsbetrieb verantwortlichen Arbeitgeber nicht verfügbar sind. Es würde darüber hinaus der völlig unpraktikablen Annahme entgegenwirken, dass der Betriebsrat aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG stets Mitbestimmungsrechte – und ggf. auch diese begleitende Unterlassungsansprüche – geltend machen könnte, wenn Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers auf dem Gelände von Kunden, Fremdarbeitgebern oder Dritten tätig werden, die jedenfalls den Zugang des Fremdpersonals aus Sicherheitsgründen mit technischen Einrichtungen erfassen. Solche Einrichtungen
91 BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498 Rz. 27. 92 BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498 Rz. 28. 93 1 ABR 7/03, NZA 2004, 556 Rz. 24, 29 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
sind fast in jedem Unternehmen üblich und würden uferlose Mitbestimmungsrechte zur Folge haben, ohne dass der Arbeitgeber des Herkunftsbetriebs überhaupt Einfluss auf den Betrieb solcher Überwachungseinrichtungen nehmen könnte. (Ga)
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I. 1.
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Der Zweck als Grundlage einer Differenzierung im Freiwilligenprogramm und Sozialplan
Grundlage für die Gewährung einer Abfindung wegen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Zusammenhang mit einer Restrukturierungsmaßnahme kann nicht nur ein Sozialplan sein, der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart wird. Denkbar ist auch, dass im Rahmen eines Freiwilligenprogramms Leistungen versprochen werden, wenn der Arbeitsvertrag durch Aufhebungsvertrag beendet oder keine Klage gegen die betriebsbedingte Kündigung erhoben wird. Solche Freiwilligenprogramme können durch den Arbeitgeber einseitig verkündet oder in Form einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Denkbar ist auch, dass der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung mit einer Abfindungszusage nach § 1 a KSchG verknüpft. Der Sozialplan soll die wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmer infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgleichen oder mildern (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Das Freiwilligenprogramm und die Abfindungszusage gemäß § 1 a KSchG sollen die einvernehmliche (streitlose) Beendigung des Arbeitsverhältnisses fördern. In mehreren Entscheidungen hat die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nunmehr deutlich gemacht, dass aus der unterschiedlichen Zweckbestimmung dieser Rechtsgrundlagen einer Abfindung auch ein unterschiedlicher Gestaltungsspielraum resultiert. Wichtig ist, dass sich die betriebliche Praxis auf die damit verbundenen Schranken einstellt.
a)
Freiwilligenprogramm: Anspruchsausschluss bei betriebsbedingter Kündigung
Häufig sehen die Regelungen eines Freiwilligenprogramms vor, dass Arbeitnehmer nicht nur dann begünstigt werden, wenn ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag – ggf. innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens – beendet wird. Vielmehr werden auch Arbeitnehmer einbezogen, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung beendet wird, sofern gegen diese Kündigung keine Klage erhoben wird.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Mit Urteil vom 9.12.20151 hat das LAG München jetzt deutlich gemacht, dass es betriebsverfassungsrechtlich nicht geboten ist, auch Arbeitnehmer in ein Freiwilligenprogramm einzubinden, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung beendet wird. Insofern hat es die Regelung einer freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung bestätigt, nach der eine zusätzliche Abfindung nur solchen Arbeitnehmern gezahlt werden sollte, die den ihnen angebotenen Aufhebungsvertrag unterzeichneten. Zu Recht verweist das LAG München dabei zunächst einmal auf den Umstand, dass der in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG genannte Zweck eines Sozialplans die Ausgrenzung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung beendet wird, im Sozialplan selbst nicht rechtfertige. Wenn der Arbeitgeber beabsichtige, seine Interessen an einer bestimmten Zusammensetzung der Belegschaft im Anschluss an eine Restrukturierung dadurch zu verfolgen, dass eine Abfindung nur an Arbeitnehmer gewährt wird, denen von seiner Seite aus ein Aufhebungsvertrag angeboten wird, steht dies im Widerspruch zu §§ 75 Abs. 1, 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Betriebliche Interessen, die personelle Zusammensetzung der Belegschaft im Unternehmensinteresse zu steuern, sind keine geeigneten Gesichtspunkte für eine Differenzierung bei der Höhe von Sozialplanabfindungen2. Dementsprechend dürfen Sozialplanleistungen auch nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Eine damit einhergehende Gruppenbildung und Ungleichbehandlung wäre – so das LAG München – nach Sinn und Zweck des Sozialplans sachlich nicht gerechtfertigt3. Diese gesetzliche Vorgabe in Bezug auf den Zweck eines Sozialplans, die schlussendlich damit auch die Zulässigkeit einer etwaigen Differenzierung bestimmt, verbietet es den Betriebsparteien allerdings nicht, mit einer eigenständigen (freiwilligen) Regelung neben dem Sozialplan auch andere finanzielle Anreize zu setzen. Dies stellt das LAG München zutreffend klar. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachgekommen seien, könnten sie eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers Mitarbeiter motivieren solle, freiwillig, etwa durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags, aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Die grundsätzliche Befugnis der Betriebspar-
1 2 3
5 Sa 591/15, ZIP 2016, 836. BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 406/13, NZA 2015, 557 Rz. 21. BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 406/13, NZA 2015, 557 Rz. 24; LAG München v. 9.12.2015, 5 Sa 591/15, ZIP 2016, 836 Rz. 39 ff.
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Differenzierung im Freiwilligenprogramm und Sozialplan
teien zu einer solchen (freiwilligen) Betriebsvereinbarung folge aus § 88 BetrVG4.
b)
Freiwilligenprogramm: Kein Anspruchsausschluss bei Anschlussbeschäftigung
Da der Sozialplan auf der Grundlage von § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion hat, darf der Sozialplan Differenzierungen enthalten, die zu einem Ausschluss oder einer Minderung von Leistungsansprüchen führen, wenn der von einer Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer geringere Nachteile hat. Dabei erkennt die Rechtsprechung einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum an. Dieser erlaubt es, Nachteile in typisierender und pauschalierender Form auszugleichen. Dass dies im Einzelfall individuelle Nachteile nicht zutreffend erfasst, ist auf Grundlage eines derartigen Prognosespielraums hinzunehmen5. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Minderung oder den Ausschluss von Sozialplanleistungen ist dabei das Vorliegen einer Anschlussbeschäftigung. Dies kommt bereits in § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BetrVG zum Ausdruck. Danach soll die Einigungsstelle diejenigen Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können, die Weiterbeschäftigung jedoch ablehnen. Die darin liegende Überlegung, nach der ein Ausgleich von Nachteilen entbehrlich sein kann, wenn dem Arbeitnehmer ein zumutbarer anderer Arbeitsplatz angeboten wird, ist auch bei einer einvernehmlichen Regelung der Betriebsparteien zu berücksichtigen6. Mit seinem Urteil vom 8.12.20157 hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass eine entsprechende Benachteiligung von Arbeitnehmern mit einer Anschlussbeschäftigung durch den Sozialplan auf die Regelungen eines Freiwilligenprogramms nicht übertragbar ist. Das Freiwilligenprogramm in dem hier verstandenen Sinne soll eine streitlose Beendigung von Arbeitsverhältnissen honorieren. Gleichzeitig gewährt es einen Ausgleich für die damit verbundene Planungssicherheit und die Vermeidung des mit einem Kündigungsschutzverfahren verbundenen Aufwands. 4 5 6 7
Ebenso BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 406/13, NZA 2015, 438 Rz. 39; BAG v. 31.5.2005 – 1 AZR 254/04, NZA 2005, 997, Rz. 23 f. BAG v. 8.12.2015 – 1 AZR 595/14 n. v. Rz. 17 ff. BAG v. 8.12.2015 – 1 AZR 595/14 n. v. Rz. 24; BAG v. 6.11.2007 – 1 AZR 960/06, NZA 2008, 232 Rz. 18. 1 AZR 595/14 n. v. Rz. 40 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Dieser Zweck eines Freiwilligenprogramms rechtfertigt es nicht, Arbeitnehmern keine oder geringere Leistungen zu gewähren, die im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Anschlussbeschäftigung haben. Denn auch bei diesem Personenkreis wird der Zweck, die streitlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses, erreicht. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG besteht daher kein anerkennenswerter Grund, diesem Personenkreis von der Gewährung entsprechender Leistungen auszugrenzen. Dass eine entsprechende Korrektur der Anspruchsvoraussetzungen eines Freiwilligenprogramms unter bestimmten Voraussetzungen zu einer unbeabsichtigten Mehrbelastung des Arbeitgebers führen kann, nimmt der 1. Senat des BAG hin. Dabei lässt er offen, ob und ggf. inwieweit bei solchen Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistungen überhaupt auf die zu Sozialplänen ergangene Senatsrechtsprechung zurückgegriffen werden könne, wonach der Arbeitgeber die mit einer unzutreffenden Gruppenbildung mittelbar verbundene Ausdehnung des vereinbarten Finanzvolumens nur hinzunehmen habe, wenn seine finanzielle Mehrbelastung durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans „nicht ins Gesicht falle“8. Eine Überschreitung des ursprünglich kalkulierten Leistungsvolumens sei bereits deshalb unbeachtlich, weil die Gewährung von Leistungen eines Freiwilligenprogramms – anders als eine Sozialplanabfindung – von einer als Vorleistung erbrachten Gegenleistung der gekündigten Arbeitnehmer abhängig sei, die diese durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder das Verstreichen lassen der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG bereits erbracht hätten9.
c)
Sozialplan: Abgrenzung von Zusage nach § 1 a KSchG
Auch im Rahmen größerer Restrukturierungsverfahren werden Kündigungen bisweilen mit einer Abfindungszusage verknüpft, die an die Bedingung eines Verzichts auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage geknüpft wird. Wenn diese Zusage nur das Versprechen zum Ausdruck bringt, wie es zuvor in einem Freiwilligenprogramm festgelegt wurde, stellt bereits dies klar, dass entsprechende Leistungen neben einem etwaigen Sozialplan gewährt werden. Problematisch kann die Zuordnung einer solchen Abfindungszusage dann sein, wenn sie nach Abschluss eines Sozialplans erfolgt, obwohl keine er-
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Vgl. BAG v. 8.12.2015 – 1 AZR 595/14 n. v. Rz. 52; BAG v. 21.10.2003 – 1 AZR 407/02, NZA 2004, 559 Rz. 21. BAG v. 8.12.2015 – 1 AZR 595/14 n. v. Rz. 54.
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Differenzierung im Freiwilligenprogramm und Sozialplan
gänzenden Regelungen über die Zahlung einer Klageverzichtsprämie getroffen wurden. Dies gilt, wie eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 10..7.201510 deutlich macht, insbesondere dann, wenn das Kündigungsschreiben für den Fall des Verzichts auf die Kündigungsschutzklage einen Abfindungsbetrag nennt, der exakt der Höhe des aus dem Sozialplan resultierenden Zahlungsanspruchs entspricht. In Übereinstimmung mit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung hat auch das LAG Berlin-Brandenburg den Arbeitgeber verurteilt, die im Kündigungsschreiben genannte Abfindung neben der Sozialplanabfindung zu zahlen. Etwas anderes wäre aus Sicht des LAG Berlin-Brandenburg nur denkbar, wenn der Arbeitgeber eine Anrechnung dieser Abfindung auf die Sozialplanabfindung im Kündigungsschreiben selbst zum Ausdruck gebracht hätte. Für die zusätzliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers spricht auch, dass Sozialplanabfindung und Abfindungszusage nach § 1 a KSchG unterschiedliche Zweckbestimmungen verfolgen. Während der Sozialplan die Nachteile einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgleichen soll, ist die Zusage nach §1 a KSchG jedenfalls auch darauf gerichtet, die störungsfreie Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage zu fördern. Es wäre unzulässig, diese weitere Zweckbestimmung – verknüpft mit einer weiteren Anspruchsvoraussetzung – als Arbeitgeber einseitig mit der im Sozialplan vereinbarten Abfindung zu verbinden. Darin läge nicht nur ein Verstoß gegen § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG, sondern auch die Verschlechterung einer Kollektivvereinbarung, die nach §§ 77 Abs. 4 S. 2, 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam ist.
d)
Freiwilligenprogramm: Keine Umgehung des Zwecks eines Sozialplans
Bereits mit Urteil vom 31.5.200511 hatte das BAG deutlich gemacht, dass ein durch Betriebsvereinbarung festgelegtes Freiwilligenprogramm ausnahmsweise als Umgehung der Beschränkungen der mit einem Sozialplan verfolgbaren Zwecke unwirksam sein könne. Eine solche Umgehung setze aber voraus, dass der Sozialplan keine angemessene Abbildung der wirtschaftlichen Nachteile vorsehe oder wenn greifbare Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen sein zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Mit10 8 Sa 531/15, NZA-RR 2016, 139 ff. 11 1 AZR 254/04, NZA 2005, 997 Rz. 32.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
arbeiter Mittel entzogen und funktionswidrig im „Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt würden. Auf der Grundlage dieser durch das BAG entwickelten Grundsätze hat das LAG München im Urteil vom 9.12.201512 eine solche Umgehung der für einen Sozialplan geltenden Schranken durch das durch Gesamtbetriebsvereinbarung geschaffene Freiwilligenprogramm abgelehnt. Aus seiner Sicht gab es in dem zugrundeliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass der seiner Entscheidung zugrunde liegende Sozialplan keine angemessene Milderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsah oder dass dem für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen funktionswidrig Mittel entzogen wurden. Die Sozialplanformel stellt sich mit einem auf Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst bezogenen Faktor von 1,5 eher als überdurchschnittlich dar. Für den Kläger errechnete sich – allerdings ausgehend von einer hohen Bruttomonatsvergütung – bei rund vier Jahren Betriebszugehörigkeit eine Abfindung in Höhe von 157.700,25 €. Aus Sicht des LAG München kann eine Überkompensation der wirtschaftlichen Nachteile im Rahmen einer Sozialplandotierung nicht verlangt werden13. Vor allem aber habe der Kläger keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die für das Freiwilligenprogramm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Mittel andernfalls (zumindest teilweise) zur Aufstockung des Sozialplanvolumens zur Verfügung gestanden hätten. Dies gelte selbst dann, wenn die Leistungen des Freiwilligenprogramms schlussendlich zu einer Verdopplung der Sozialplanabfindung geführt hätten. Entscheidend sei, dass mit Sozialplan und Freiwilligenprogramm ganz unterschiedliche Zwecke verfolgt würden. Ein Freiwilligenprogramm habe im Übrigen auch nur dann eine Erfolgschance, wenn es entsprechend attraktiv ausgestaltet werde. Der letztgenannten Bewertung ist zuzustimmen. Sie macht noch einmal deutlich, dass es nicht erforderlich ist, den Aufwand eines Freiwilligenprogramms ganz erheblich unter den Aufwand des Sozialplans zu stellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sozialplandotierung einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt wird. Denn darin wird erkennbar, dass beide Betriebsparteien die entsprechende Dotierung und die Regelungen für die Verteilung des Sozialplanvolumens als angemessenen Ausgleich für die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile sehen. Daran anknüpfend kann dann im Wege einer Freiwilligenbetriebsvereinbarung ein
12 5 Sa 591/15, ZIP 2016, 836 Rz. 45 ff. 13 Ebenso BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, NZA-RR 2013, 409 Rz. 19 ff.
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Benachteiligung wegen Behinderung bei Vorruhestand und Sozialplanabfindung
weiterer Zweck verfolgt werden, der in der störungsfreien Umsetzung dieser Betriebsänderung liegt. (Ga)
2.
Benachteiligung wegen Behinderung bei Vorruhestand und Sozialplanabfindung
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir darauf verwiesen, dass eine zeitanteilige Kürzung einer Betriebsrente wegen ihrer vorzeitigen Inanspruchnahme zulässig ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer früher und damit auch länger Leistungen des Arbeitgebers erhält. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebsrente bereits zum Zeitpunkt in Anspruch genommen wird, in dem vorzeitige gesetzliche Altersrente wegen Schwerbehinderung gewährt wird14. Dieser Auffassung hat sich jetzt auch das LAG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 27.1.201515 angeschlossen. Nachfolgend soll auf zwei aktuelle Entscheidungen des Hessischen LAG und des BAG zu vergleichbaren Fragestellungen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von Vorruhestandsvereinbarungen oder Sozialplänen hingewiesen werden. In beiden Fällen ist zu Recht eine unzulässige Diskriminierung wegen Behinderung angenommen worden.
a)
Benachteiligung bei der Gewährung von Übergangsgeld
In seinem Urteil vom 4.9.201516 hat das LAG Hessen angenommen, dass die Regelung in einer Dienstvereinbarung und einem auf ihr beruhenden Auflösungsvertrag, wonach das Übergangsgeld, das einem freiwillig ausscheidenden Arbeitnehmer gezahlt werde, zum Zeitpunkt des frühest möglichen Bezugs abschlagsfreier Altersrente ende und damit schwerbehinderten Arbeitnehmern kürzer gezahlt werde als nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer, gemäß §§ 7 Abs. 2, 1, 3 Abs. 1 S. 1 AGG unwirksam sei. Mit dieser Bewertung hat das LAG Hessen in zutreffender Weise die durch den EuGH im Urteil vom 6.12.201217, das noch die Sozialplangestaltung betrafen, auch auf vorgeschaltete Vereinbarungen zum Vorruhestand übertragen. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Beklagte eine Dienstvereinbarung vereinbart, nach der ältere Arbeitnehmer, die dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags zustimmten, als Ausgleich für die ihnen entstehenden 14 15 16 17
B. Gaul, AktuellAR 2015, 531 f. 8 Sa 365/14, NZA-RR 2015, 542 ff. 14 Sa 1288/14, NZA-RR 2016, 122 ff. C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. – Odar.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Nachteile im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ausgleichsleistungen erhalten sollten. Diese Ausgleichsleistungen bestanden nicht nur in einer Einmalzahlung in Höhe von drei Bruttogehältern, die anlässlich der Vertragsbeendigung gezahlt wurde. Darüber hinaus sah die Dienstvereinbarung vor, dass mit Beginn des vierten Monats nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beginn der Regelaltersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres), längstens jedoch bis zum Erreichen einer ungekürzten Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen oder für Frauen nach den Vorschriften des SGB VI ein monatliches Übergangsgeld in Höhe von 75 % des Bruttogehalts gezahlt werden sollte. Auf diese Zahlung sollte der begünstigte Arbeitnehmer zwar Steuern und etwaige Beiträge an die Sozialversicherung zahlen. Eine Anrechnung eines etwaigen Arbeitslosengeldanspruchs war indes nicht vorgesehen. Ergänzend hierzu hatten die Parteien den Kläger, der dem Abschluss eines solchen Aufhebungsvertrags zugestimmt hatte, auf einzelvertraglicher Ebene verpflichtet, zum frühest möglichen Zeitpunkt eines ungekürzten Rentenbezugs aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Regelaltersrente oder ggf. die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bzw. die Altersrente für langjährig Versicherte zu beantragen. Die entsprechende Regelung im Aufhebungsvertrag war verknüpft mit der Feststellung, dass die Zahlung des Übergangsgeldes eingezahlt würde, wenn trotz einer entsprechenden Möglichkeit zur Inanspruchnahme gesetzlicher Altersrente kein Antrag gestellt würde. Mit Schreiben vom 9.12.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er nach dem damals geltenden Sozialversicherungsrecht ab dem 1.8.2014 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen könne. Sie werde daher das Übergangsgeld nur noch bis zum 31.7.2014 bezahlen. Für den Kläger war damit eine erhebliche Benachteiligung verbunden. Denn anstelle eines Übergangsgeldes in Höhe von 2.929,76 € (brutto) erhielt er nur noch eine Altersrente in Höhe von 1.217,63 €. Er machte deshalb geltend, dass die Dienstvereinbarung nebst den ergänzenden Regelungen des Aufhebungsvertrags als unzulässige Benachteiligung wegen seiner Behinderung zu qualifizieren und deshalb unwirksam sei. Daran anknüpfend erhob er Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, das monatliche Übergangsgeld in Höhe von 2.929,76 € (brutto) vom 1.8.2014 bis zum 31.12.2016 zu zahlen. Im Anschluss daran konnte er gesetzliche Regelaltersrente in Anspruch nehmen.
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Benachteiligung wegen Behinderung bei Vorruhestand und Sozialplanabfindung
Das LAG Hessen hat der Klage entgegen der Auffassung des ArbG Gießen stattgegeben und den vorgenannten Zahlungsanspruch des Klägers bestätigt. Dabei hat das LAG Hessen offen gelassen, ob eine unmittelbare oder eine mittelbare Diskriminierung wegen Behinderung gegeben sei. In jedem Fall habe die in der Dienstvereinbarung getroffene Regelung zur Folge, dass der Kläger wegen seiner Behinderung einen Nachteil erhalte. Denn der Kläger könne das Übergangsgeld nur deutlich kürzer als Arbeitnehmer erhalten, die ohne Behinderung erst zu einem späteren Zeitpunkt gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen könnten. Dies wirke sich für den Kläger auch wirtschaftlich aus, weil die Leistungen der gesetzlichen Altersrente deutlich geringer seien als das Übergangsgeld, das die Beklagte gewährte. Dem Ergebnis dieser Entscheidung ist zuzustimmen, auch wenn – in Übereinstimmung mit den Feststellungen des EuGH – wohl (eher) von einer mittelbaren Diskriminierung wegen Behinderung auszugehen ist. Denn die hier in Rede stehende Regelung der Dienstvereinbarung knüpfte zunächst einmal nicht (nur) an der Altersrente wegen Schwerbehinderung an, sondern sah eine Beendigung der Zahlungen des Übergangsgeldes abstrakt-generell dann vor, wenn vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze ein Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente – gleich welcher Art – gegeben war. Zu Recht ist das LAG Hessen in seiner Entscheidung indes davon ausgegangen, dass darin die Benachteiligung des Klägers zu sehen war, der sich auch in einer vergleichbaren Situation mit den übrigen Arbeitnehmern befand, die zu einem späteren Zeitpunkt gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen konnten. Auch ihr Arbeitsverhältnis wurde im Rahmen dieser Strukturreformen beendet. Der den schwerbehinderten Arbeitnehmern gewährte Vorteil, der darin besteht, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt als nicht behinderte Arbeitnehmer eine gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, bringt sie – so der EuGH – auch nicht in eine besondere Situation, die einer Vergleichbarkeit entgegensteht18. Die entsprechende Benachteiligung der schwerbehinderten Arbeitnehmer war auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des AGG bzw. der Richtlinie 2000/78/EG nicht gerechtfertigt. Vielmehr wird man, entsprechend den Feststellungen des EuGH zur vergleichbaren Berücksichtigung der Altersrente wegen Schwerbehinderung bei der Ausgestaltung von Sozialplanabfindungen, annehmen müssen, dass die betrieblichen Sozialpartner bei ihren Regelungen zur Verteilung des im Rahmen der Strukturreformen verfügbaren Finanzvolumens die berechtigten Interessen der schwerbehinderten Ar-
18 EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 61 – Odar.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
beitnehmer nicht ausreichend berücksichtigten. Hierzu gehört nicht nur der Umstand, dass schwerbehinderte Menschen größere Schwierigkeiten haben, sich im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Vielmehr gehört hierzu auch der Umstand, dass dieses Risiko mit dem Alter des Schwerbehinderten steigt. Wie das LAG Hessen zu Recht deutlich gemacht hat, ist zu berücksichtigen, dass Schwerbehinderte finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Behinderung ausgesetzt sind und diese finanziellen Aufwendungen sich potenziell mit zunehmendem Alter erhöhen. Da hinter der Möglichkeit zum früheren abschlagsfreien Renteneintritt für Schwerbehinderte der sozialpolitische Zweck stehe, die Renteneintrittszeiten an die Bedürfnisse behinderter Menschen anzupassen, könne der hieraus resultierende „Vorteil“ beim Vergleich der wirtschaftlichen Lage von schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern nicht zu Lasten der Schwerbehinderten berücksichtigt werden. Als Ausgleich allein der aus der Schwerbehinderung resultierenden Nachteile müsse er – wie die Schwerbehinderung – beim Vergleich der beiden Arbeitnehmergruppen und ihrer Situation bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweg gedacht werden. Andernfalls würde sich die gesetzliche Kompensation für besondere Erschwernisse, denen Schwerbehinderte ausgesetzt seien, an anderer Stelle zu ihren Lasten auswirken19. Bemerkenswert ist allerdings die Rechtsfolge, die das LAG Hessen an den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot knüpft. Denn nach seiner Auffassung folgt daraus ein ungekürzter Anspruch des Klägers auf die Gewährung des Übergangsgeldes vom 1.8.2014 bis zum 31.12.2016. Eine Anrechnung der gesetzlichen Altersrente wegen Schwerbehinderung, die der Kläger hilfsweise begehrt hatte, hält das LAG Hessen nicht für erforderlich. Auf der Grundlage einer bloßen Anwendung von §§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG ist dieses Ergebnis zu vertreten. Man dürfte sich allerdings die Frage stellen, ob nicht auf der Grundlage einer am Wortlaut und Zweck der Dienstvereinbarung ausgerichteten Auslegung auch die Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, die tatsächlich in Anspruch genommene Altersrente wegen Schwerbehinderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze – also für die verbleibende Bezugsdauer des Übergangsgeldes – anzurechnen. Schließlich war es das erkennbare Ziel der betrieblichen Sozialpartner, dem Arbeitnehmer (nur) 75 % seines Bruttogehaltes von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Bezug der gesetzlichen Altersrente zu gewähren. Ohne eine Anrech19 LAG Hessen v. 4.9.2015 – 14 Sa 1288/14, NZA-RR 2016, 122 Rz. 58; EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 67 ff. – Odar; a. A. LAG BerlinBrandenburg v. 12.3.2014 – 23 Sa 1807/13 n. v.
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Benachteiligung wegen Behinderung bei Vorruhestand und Sozialplanabfindung
nung der Altersrente würde der Arbeitnehmer als Folge des Übergangsgeldes mehr erhalten, als er bei einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Form des Bruttogehaltes hätte verlangen können. Um die darin liegende Begünstigung wegen Behinderung auszuschließen, empfiehlt es sich, bei entsprechenden Regelungen zum Vorruhestand jedenfalls festzulegen, dass eine vorzeitige Altersrente zur Anrechnung kommt. Soweit diese Anrechnung auf eine ungekürzte gesetzliche Altersrente beschränkt wird, dürfte es zulässig sein, dabei auch Altersrente wegen Schwerbehinderung einzubeziehen. Da für den Arbeitnehmer insoweit mit Ausnahme des Verwaltungsaufwands kein Nachteil verbunden ist, dürfte es zulässig sein, dabei auch die gesetzliche Altersrente wegen Schwerbehinderung einzubeziehen. Ob es weitergehend zulässig wäre, eine Beendigung der Übergangszahlungen festzulegen, wenn – freiwillig – vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein tatsächlicher Bezug gesetzlicher Altersrente erfolgt, erscheint indes fraglich.
b)
Benachteiligung wegen Behinderung im Sozialplan
Ergänzend hierzu hat das BAG im Urteil vom 17.11.201520 klargestellt, dass eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Bemessung einer Sozialplanabfindung unwirksam sei, wenn sie schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in gleicher Weise wie sie von einem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen seien, schlechter stelle. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Betriebsparteien im Sozialplan zunächst einmal eine allgemeine Formel festgelegt, nach der sich unter Einbeziehung des Bruttomonatsentgelts, der Betriebszugehörigkeit und eines Faktors die Höhe einer Abfindung errechnen sollte, die als Ausgleich bzw. zur Milderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust gewährt wurde. Bei Arbeitnehmern, die vor dem 1.1.1952 geboren wurden, wurde diese Abfindung auf 40.000,- € begrenzt, wenn sie nach einem Arbeitslosengeldbezug von längstens 12 Monaten die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen konnten. Arbeitnehmer, die aufgrund einer Schwerbehinderung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Altersrente beanspruchen konnten, wurden von dieser individuellen Abfindungsberechnung allerdings in Gänze ausgegrenzt. Sie erhielten eine Abfindungspauschale in Höhe von 10.000,- € sowie einen Zusatzbetrag von 1.000,- €, der allen schwerbehinderten Arbeitnehmern gewährt wurde. 20 1 AZR 938/13, NZA 2016, 501.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Der 1950 geborene und schwerbehinderte Kläger war seit Mai 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31.3.2012 erhielt er neben dem Zusatzbetrag weitere 10.000,- € als Abfindung, die sich nach der Formelberechnung ansonsten auf 64.558,- € belaufen hätten. Mit seiner Klage hat er zuletzt die Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 30.000,- € verlangt, die eine Gleichstellung mit den nicht behinderten Arbeitnehmern, die vor dem 1.1.1952 geboren waren, bewirken sollte. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG diese Klage für berechtigt gehalten. Wenn ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen differenziere, müsse dies die Diskriminierungsverbote des AGG beachten. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Denn in der Regelung über den pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt seien, liege eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Ungleichbehandlung vor. Sie benachteilige behinderte Arbeitnehmer, denen nach einer für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Berechnungsformel ein höherer Abfindungsbetrag zustehen würde. Eine Rechtfertigung, die den Anforderungen aus §§ 3, 8 AGG Rechnung trage, liege nicht vor. Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ist, dass die Sonderregelung für schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht zur Anwendung gebracht werden kann. Sie müssen daher wie nicht behinderte Arbeitnehmer behandelt werden, was beim Kläger einen Abfindungsanspruch von 40.000,- € zur Folge hatte. Der Bewertung des BAG ist zuzustimmen. Wichtig ist, dass bei der Ausgestaltung von Sozialplänen, soweit die Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezugs berücksichtigt werden soll, Altersrente wegen Schwerbehinderung in Gänze unberücksichtigt bleibt. Dies schließt nicht aus, weiterhin die vorgezogene Altersrente für langjährig Versicherte oder besonders langjährig Versicherte einzubeziehen. (Ga)
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Kündigung des Betriebsveräußerers nach Widerspruch gegen Betriebsspaltung
3.
Kündigung des Betriebsveräußerers nach Widerspruch gegen Betriebsspaltung und Betriebsteilsteilübergang
a)
Ausgangssituation
In seinem Urteil vom 24.9.201521 musste sich der 2. Senat des BAG mit dem Fall befassen, dass der bisherige Inhaber eines Betriebs wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit eine außerordentliche Kündigung des tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Klägers erklärt hatte, nachdem dieser den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Rechtsträger im Anschluss an eine Betriebsspaltung und eine Betriebsteilübertragung widersprochen hatte. Dabei ging es nicht nur um Fragen zu den Anforderungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB. Darüber hinaus musste entschieden werden, ob die dem Übertragungsvorgang zugrundeliegende Restrukturierungsmaßnahme als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren war. Außerdem musste das BAG klären, ob der im Betrieb bei einem der übernehmenden Rechtsträger verbliebene Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung hätte gemäß § 102 BetrVG angehört werden müssen. In dem zugrunde liegenden Fall wurde der Kläger als Call-Center-Agent bei der Beklagten beschäftigt. Aus wirtschaftlichen Gründen entschloss sie sich, 2009 allen Mitarbeitern den Abschluss geänderter Arbeitsverträge anzubieten. Darin waren eine Verlängerung der Arbeitszeit, der Wegfall sämtlicher Sonderzahlungen und eine Absenkung der Vergütung bei Zahlung einer Besitzstandszulage bis 2012 vorgesehen. Etwa 44 Arbeitnehmer – unter ihnen auch der Kläger – lehnten das Angebot ab (sogenannte Nein-Sager). Im Sommer 2009 entschloss sich die Beklagte, die Nein-Sager einem eigenen Bereich zuzuordnen, in dem nur noch Back-Office-Tätigkeiten verrichtet wurden. Die übrigen Arbeitnehmer (Ja-Sager) wurden in dem verbleibenden Bereich mit Call-Center-Aufgaben und Back-Office-Tätigkeiten eingesetzt. In einem zweiten Schritt im Oktober 2009 entschied die Beklagte, ihren Betrieb zum 17.12.2009 in die vorstehend genannten Bereiche aufzuspalten und die damit entstehenden Betriebe zum 1.1.2010 an zwei weitere Gesellschaften zu verpachten. In einer Betriebsvereinbarung verzichteten die übernehmenden Rechtsträger bis zum 31.12.2010 darauf, betriebsbedingte Kündigungen gegenüber den von der Aufspaltung und Verpachtung
21 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366.
283
Betriebsänderung und Betriebsübergang
betroffenen Arbeitnehmern zu erklären. Bei den Ja-Sagern galt der Kündigungsverzicht sogar bis zum 30.4.2012. Gemeinsam mit weiteren zehn Arbeitnehmern widersprach der Kläger noch im Dezember 2009 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und bot an, ab 1.1.2010 bei der Gesellschaft eingesetzt zu werden, die den Betrieb der JaSager übernommen hatte. Die Beklagte lehnte eine solche Beschäftigung ab und kündigte das Arbeitsverhältnis im Januar nach einer vorsorglichen Anhörung des im Betrieb der Ja-Sager fortbestehenden Betriebsrats außerordentlich mit einer Frist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprach. Der Betrieb der Nein-Sager wurde zum 31.12.2012 stillgelegt.
b)
Voraussetzungen einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung
Wie bereits bei früherer Gelegenheit festgehalten wurde22, erlaubt § 626 BGB auch den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, die auf betriebliche Gründe gestützt wird. Allerdings ist dabei eine Auslauffrist zugrunde zu legen, die einer – fiktiven – ordentlichen Kündigungsfrist entspricht. Wie das BAG mit Urteil vom 24.9.201523 deutlich gemacht hat, kommt ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüber stünde. Allerdings sei der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maße verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Bestehe irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, werde er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Dies gelte auch dann, wenn die Notwendigkeit einer Kündigung wegen der fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst durch einen voraussetzungslos zulässigen Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses ausgelöst werde24. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Ausschöpfung der denkbaren Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung hatte das BAG in der Vergangenheit Arbeitgeber im Anwendungsbereich der Tarifverträge des Öffentlichen Diens22 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 415 ff.; 2015, 506 ff. 23 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 29. 24 Vgl. BAG v. 29.3.2007 – 8 AZR 538/06, NZA 2008, 48 Rz. 35.
284
Kündigung des Betriebsveräußerers nach Widerspruch gegen Betriebsspaltung
tes zwar für verpflichtet gehalten, den vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer im Wege der Personalgestellung bei einem anderen Arbeitgeber einzusetzen25. In vergleichbarer Weise hatte es das BAG für nötig gehalten, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der einen „normalen“ Sonderkündigungsschutz genoss und dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB widersprochen hatte, gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG a. F. solange auf seinem „übergegangenem“ Arbeitsplatz einzusetzen hatte, bis bei ihm – dem kündigenden Veräußerer – selbst geeignete Arbeitsplätze frei würden26. In vergleichbarer Weise hatte das BAG angenommen, dass der kündigende Arbeitgeber, der 50 % der Anteile an einem anderen (übernehmenden) Rechtsträger hielt, versuchen müsse, seine Mitgesellschafter dazu zu bewegen, dass der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechende (abberufene) Beauftragte für den Datenschutz zumindest solange auf dem „übergegangenen“ Arbeitsplatz eingesetzt werden könne, wie der besondere Kündigungsschutz nach § 4 f Abs. 3 S. 5, 6 BDSG bestehe27. Trotz dieser weitgehenden Handlungspflichten hat das BAG in dem am 24.9.201528 zugrunde liegenden Fall indes keine Verpflichtung der Beklagten angenommen, den Kläger im Wege der Personalgestellung bzw. Arbeitnehmerüberlassung bei dem Rechtsträger einzusetzen, der den Betrieb der Ja-Sager übernommen hatte. Zum einen sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten neu zu schaffen, um eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zu vermeiden. Denn der Verzicht auf eine beschlossene Organisationsmaßnahme stelle keine „geeignete andere Maßnahme“ zur Vermeidung einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung dar. Insofern könne der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet werden, eine Organisationsentscheidung mit dem Ziel zu „modifizieren“, dass jedenfalls die Arbeitsplätze von Arbeitnehmern in ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnissen erhalten blieben. Zum anderen hätte die hier in Rede stehende „Gestellung“ an den Rechtsträger, der den Betrieb der JaSager übernommen hatte, nicht bloß einer „Überbrückung“ gedient. Da bei der Beklagten selbst Arbeitsplätze auf Dauer nicht mehr vorhanden waren, wäre auch die Überlassung auf Dauer angelegt und mit der von der Beklagten getroffenen Organisationsentscheidung nicht „kompatibel“ gewesen. Auch der Umstand, dass es sich bei den in Rede stehenden Unternehmen um einen Konzern handelte, stand aus Sicht des BAG der Kündigung nicht ent-
25 26 27 28
So BAG v. 29.3.2007 – 8 AZR 538/06, NZA 2008, 48 Rz. 36 ff., 42. So BAG v. 17.9.1998 – 2 AZR 419/97, NZA 1999, 258 Rz. 49, 52. So BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 Rz. 23. 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 33 ff., 42 ff.
285
Betriebsänderung und Betriebsübergang
gegen. Zwar könne es ausnahmsweise eine Pflicht des Arbeitgebers geben, Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens „unterzubringen“. Dies gelte etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt habe oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergebe. Weitere Voraussetzung sei aber, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss habe. Die Entscheidung über den Einsatz des Arbeitnehmers im Betrieb des anderen Unternehmens dürfe grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben29. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen hatte der Kläger indes nicht vorgetragen. Es war weder erkennbar noch ersichtlich, dass eine andere Gesellschaft der „Unternehmensgruppe“ zur Übernahme des Klägers bereit gewesen und der Beklagten insofern ein bestimmender Einfluss eingeräumt worden wäre. Der Umstand, dass zwischen den Unternehmen eine Konzernbindung bestand, genügte für die Annahme eines unternehmensübergreifenden Kündigungsschutzes nicht.
c)
Fehlen einer rechtsmissbräuchlichen Entscheidung
Aus Sicht des BAG war die hier in Rede stehende Organisationsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des klägerseits geltend gemachten Rechtsmissbrauchs nicht zu beanstanden. Grundsätzlich zielt die gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen nicht darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen. Sie dient – so das BAG – nicht dazu, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Konzept bewogen haben. Es gehe allein darum, Missbrauch zu verhindern. Ein solcher könne vorliegen, wenn die Maßnahmen des Arbeitgebers allein darauf abzielten, den Arbeitnehmer loszuwerden. Dagegen genüge es nicht, das Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der getroffenen Organisationsentscheidungen in Zweifel stünden. Dies gelte auch in solchen Fällen, in denen von ihnen Arbeitnehmer in ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen betroffen seien30.
29 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 44; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 39. 30 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 47; BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 34; BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZARR 2006, 416 Rz. 33.
286
Kündigung des Betriebsveräußerers nach Widerspruch gegen Betriebsspaltung
Dabei hat es das BAG zunächst einmal für ausreichend gehalten, dass die Spaltung des früheren Betriebs in einen Betrieb der Ja-Sager und einen Betrieb der Nein-Sager geeignet war, den Betriebsfrieden zu wahren. Dass die Backoffice-Tätigkeiten „verteuert“ worden seien, besage nicht, dass die Beklagte diesen Bereich habe „vor die Wand fahren“ wollen. Dagegen spreche bereits, dass auch den Nein-Sagern ein Kündigungsschutz bis zum 31.12.2010 eingeräumt worden sei und die Erwerberin noch nach diesem Termin an zwei Ausschreibungen großer Unternehmen teilgenommen hatte. Dagegen spreche auch, dass es für den Fall einer beabsichtigten Stilllegung nicht erforderlich gewesen wäre, auch die Nein-Sager im Wege eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs auf einen anderen Rechtsträger überzuleiten. Auch aus dem Umstand, dass den Nein-Sagern ein Schutz von betriebsbedingten Kündigungen bloß bis zum 31.12.2010 eingeräumt wurde, während den Ja-Sagern ein solcher bis zum 30.4.2012 gewährt wurde, lasse sich aus Sicht des BAG nicht folgern, die Stilllegung des Betriebs Backoffice müsse im Zeitpunkt der Spaltungs- und Verpachtungsentscheidung bereits „beschlossene Sache“ gewesen sein. Aus der unterschiedlichen Länge der „Schutzfristen“ folge allenfalls, dass nach Einschätzung der Beteiligten um die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs Backoffice (Nein-Sager) in der Tat schlechter bestellt gewesen sei als um diejenige des Betriebs Call-Center (Ja-Sager). Im Übrigen dürfte es sich bei der Verlängerung dieses Kündigungsschutzes, der Neueinstellungen nicht gewährt wurde, i. S. eines „betrieblichen Bündnisses für Arbeit“ um eine Kompensation dafür gehandelt haben, dass die Ja-Sager bereit gewesen waren, dem Angebot verschlechterter Vertragsbedingungen zuzustimmen31.
d)
Wegfall der Zuständigkeit des Betriebsrats
Mit überzeugender Begründung hat das BAG auch angenommen, dass im Zeitpunkt der Kündigung kein Betriebsrat bestand, den die Beklagte zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger hätte anhören müssen32. Damit konnte die Kündigung auch nicht wegen einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam sein. Zunächst einmal war der im Betrieb der Beklagten bestehende Betriebsrat durch die Betriebsspaltung, die am 7.12.2009 wirksam geworden war, nicht aufgelöst worden. Vielmehr bestand er gemäß § 21 a Abs. 1 BetrVG in dem 31 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 52 ff., 55. 32 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 59 ff.
287
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Betrieb der Ja-Sager fort. Im Rahmen des Übergangsmandats war es seine Aufgabe, die Arbeitnehmer in beiden Betrieben zu vertreten. Damit verbunden war die Verpflichtung, jedenfalls im Betrieb der Nein-Sager – ggf. auch im Betrieb der Ja-Sager – eine Betriebsratswahl durchzuführen. Erst mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Betriebsspaltung, endete sodann das Übergangsmandat. Im Rahmen des Übergangsmandats war der Betriebsrat allerdings nur für die Arbeitnehmer zuständig, die in einem der beiden Betriebe beschäftigt waren. Eine Zuständigkeit für solche Arbeitnehmer, die als Folge eines Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses aus dem Betrieb ausschieden und jedenfalls seit dem 1.1.2010 außerhalb des Betriebs durch die Beklagte beschäftigt wurden, war damit nicht verbunden. Denn der Kläger gehörte nach seinem Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses keinem der beiden Betriebe mehr an. Eine Zuständigkeit des Betriebsrats konnte sich auch nicht aus den Regelungen zum Restmandat nach § 21 b BetrVG ergeben. Denn es setzt einen funktionalen Bezug zu den durch eine Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung ausgelösten Aufgaben eines Betriebsrats voraus. § 21 b BetrVG begründet – so das BAG – kein allgemeines Mandat für alle im Zeitpunkt der betrieblichen Umstrukturierung noch nicht erledigten Betriebsratsaufgaben. Ebenso wenig erstrecke sich das Restmandat auf Aufgaben, die erst nach einer Betriebsspaltung in dem durch sie geschaffenen neuen Einheiten anfielen. Solche Aufgaben könnten allenfalls Gegenstand eines Übergangsmandats sein33. Da das hier in Rede stehende Recht auf Anhörung nach § 102 BetrVG keinen hinreichenden Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Betriebsspaltung hatte, war eine Zuständigkeit des Betriebsrats auch unter Berücksichtigung von § 21 b BetrVG nicht begründbar. Aus Sicht des BAG war dieses Ergebnis auch mit Art. 6 Nr. 1 Richtlinie 2001/23/EG vereinbar. Denn das Unionsrecht verlange offenkundig nicht nach der voraussetzungslosen Anerkennung eines Übergangs- oder Restmandats des Betriebsrats für die Beteiligung an Kündigungen von Arbeitnehmern, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang widersprochen und dadurch ihre Zugehörigkeit zu einer fortbestehenden betrieblichen Einheit selbst aufgehoben hätten34.
33 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 62 ff. 34 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366 Rz. 67; BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 1005/12, NZA 2015, 889 Rz. 43.
288
Auslegung von Sozialplanregelungen
e)
Fazit
Die Entscheidung macht noch einmal deutlich, dass auch ordentlich unkündbare Arbeitnehmer von einer Kündigung aus betrieblichen Gründen betroffen sein können. Solange es allerdings Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gibt, muss der Arbeitgeber diese Kündigung bereits als Folge des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vermeiden. Gibt es andere Arbeitnehmer, die auf vergleichbaren Arbeitsplätzen im Betrieb weiter beschäftigt werden, können außerdem Überlegungen zu einer Auswahlentscheidung analog § 1 Abs. 3 KSchG einer Kündigung nach § 626 BGB entgegenstehen. Wenn allerdings der gesamte Betrieb geschlossen wird, also gar keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr bestehen, stehen diese Überlegungen jedenfalls einer solchen Kündigung nicht entgegen. (Ga)
4.
Auslegung von Sozialplanregelungen zum Grund, zur Höhe und Fälligkeit einer Abfindung
In zwei aktuellen Entscheidungen hat das BAG noch einmal die Vorgehensweise der Auslegung eines Sozialplans aufgezeigt und ist einzelfallbezogen zu überzeugenden Ergebnissen in Bezug auf den Grund für die Zahlung einer Sozialplanabfindung sowie ihre Höhe und den Fälligkeitszeitpunkt gekommen.
a)
Allgemeine Grundsätze der Auslegung
Einseitig durch den Arbeitgeber aufgestellte Regelungen über die Gewährung von Abfindungen bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegen nicht nur den allgemeinen Grundsätzen der AGB-Kontrolle. Sie fallen auch in den Anwendungsbereich der Unklarheitenregel, wie sie zuletzt in § 305 c Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommen ist. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die sich durch eine vorangeschaltete Auslegung nicht beseitigen lassen, zu Lasten des Verwenders. Es ist also die Auslegungsvariante zu wählen, die den Vertragspartner des Verwenders am Stärksten begünstigt. Diese Grundsätze finden keine Anwendung bei der Auslegung eines Sozialplans. Denn Sozialpläne sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen
289
Betriebsänderung und Betriebsübergang
(§§ 77 Abs. 4 S. 1, 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen35. Dementsprechend sei zunächst einmal vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Darüber hinaus komme es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Der Sozialplanzweck, wie er im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen ist, sei aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelung zu erschließen und bestimme sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen einer Betriebspartei. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien könne nur berücksichtigt werden, wenn er im Sozialplan seinen Niederschlag gefunden habe. Im Zweifel gebühre schlussendlich derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führen36.
b)
Anwendbarkeit eines Kürzungsfaktors auf Zuschläge zur Abfindung
Im Urteil vom 13.10.201537 ging es zunächst einmal um die Frage, ob der im Sozialplan vorgesehene Faktor für die Kürzung einer Sozialplanabfindung für den Fall eines Wechsels in die Transfergesellschaft auch auf Zuschläge zur Anwendung kommen sollte, die Arbeitnehmer mit unterhaltsberechtigten Kindern, Schwerbehinderte sowie Arbeitnehmer nach Vollendung des 35. Lebensjahres erhalten sollten. Bei seiner Auslegung des streitgegenständlichen Sozialplans hat das BAG deutlich gemacht, dass dieser den Kürzungsfaktor seinem Wortlaut nach nur im Zusammenhang mit der Berechnung der Abfindung nannte. Die Zuschläge, die „zusätzlich zu der Abfindung“ gezahlt werden sollten, enthielten in ihrem unmittelbaren Zusammenhang keine ausdrücklich Bezugnahme auf diesen Kürzungsfaktor. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Sozialplanregelung hat das BAG deshalb auch eine Anwendung des Kürzungsfaktors abgelehnt. Maßgeblich für den 1. Senat war dabei, dass der Kürzungsfaktor in Bezug auf die Abfindung, die einkommensabhängig gezahlt wurde, schlussendlich dem Umstand Rechnung trug, dass die Arbeitnehmer im Anschluss an einen Wechsel in die Transfergesellschaft anstelle der Abfindung Kurzarbeitergeld nebst
35 BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 765/14 n. v. Rz. 18; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 826/13 n. v. Rz. 18. 36 BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 765/14 n. v. Rz. 18; BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 406/13, NZA 2015, 557 Rz. 14; BAG v. 15.3.2011 – 1 AZR 808/09 n. v. Rz. 11. 37 1 AZR 765/14 n. v.
290
Auslegung von Sozialplanregelungen
Zuschlägen erhielten. Die einkommensbezogenen Ausgleichsregelungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurden also durch Leistungen der Transfergesellschaft kompensiert. Eine solche Kompensation war in Bezug auf unterhaltsberechtigte Kinder, eine etwaige Schwerbehinderung oder das Lebensalter im Rahmen der Transfergesellschaft nicht vorgesehen. Da diese Leistungen auch außerhalb der Transfergesellschaft ohne Rücksicht auf die individuelle Einkommenssituation in Form einer Pauschale gezahlt wurden, erschien es dem BAG zweckentsprechend, auch bei einem Wechsel in die Transfergesellschaft keine Kürzung mithilfe des Faktors vorzunehmen.
c)
Kennzeichnung des Bruttomonatseinkommens
Es empfiehlt sich – was die vorstehend genannte Entscheidung des BAG noch einmal deutlich macht – im Sozialplan eine genaue Definition des Bruttomonatseinkommens vorzusehen, falls dieses ein Faktor für die Berechnung der Sozialplanabfindung ist. In dem hier in Rede stehenden Sozialplan hatten die Parteien wie folgt vereinbart: Unter Bruttomonatseinkommen sind feste regelmäßige monatliche Einkommensbestandteile auf Basis der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit zu verstehen. Ausgenommen sind Teile, die Aufwandsersatz darstellen, Einmalzahlungen sowie Mehrarbeitsvergütungen.
Umstritten war nunmehr, ob bei der Berechnung des Bruttomonatseinkommens auch vermögenswirksame Leistungen einzubeziehen waren. Aus Sicht des BAG sprachen der Wortlaut und die Systematik der Sozialplanregelung zunächst einmal gegen die Einbeziehung der vermögenswirksamen Leistungen. Auch wenn vermögenswirksame Leistungen regelmäßig (monatlich) gewährt würden, handele es sich dabei nicht um Einkommensbestandteile, die unmittelbar für die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit gezahlt würden. Dieser Zusammenhang ist einer vermögenswirksamen Leistung in der Regel nicht immanent. Hinzu kam aus Sicht des BAG, dass es sich bei vermögenswirksamen Leistungen um einen Vergütungsbestandteil handelte, der durch das 5. Vermögensbildungsgesetz Einschränkungen in seiner konkreten Verwendung unterlag. Die einem Bruttomonatseinkommen sonst eigene Verwertbarkeit durch den Arbeitnehmer ist bei vermögenswirksamen Leistungen im Zweifel nicht gegeben. Das rechtfertige auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Sozialplanregelung, diese Beträge bei der Berechnung des Bruttomonatseinkommens auszugrenzen.
291
Betriebsänderung und Betriebsübergang
d)
Kennzeichnung der abfindungsrelevanten Beendigungstatbestände
Grundsätzlich soll ein Sozialplan Abfindungsansprüche für den Fall betriebsbedingter Kündigungen und arbeitgeberseitig aus betrieblichen Gründen veranlasster Aufhebungsverträge gewähren. Unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes werden dabei typischerweise auch arbeitgeberseitig aus betrieblichen Gründen veranlasste Eigenkündigungen einbezogen. Wichtig dabei ist allerdings, den Zeitraum festzulegen, innerhalb dessen solche Formen der Entlassung zu Sozialplanansprüchen führen sollen. Das macht auch das Urteil des BAG vom 17.11.201538 deutlich. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sozialplan sollte ein Anspruch auf eine Abfindung gegeben sein, wenn das Arbeitsverhältnis „aus betriebsbedingten Gründen durch arbeitgeberseitige Kündigung, durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers oder durch Eigenkündigung des Mitarbeiters nach dem 25.9.2011“ endete. Umstritten war nunmehr, ob der Sozialplan mit dieser Regelung an den Zugang der Kündigung bzw. den Abschluss des Aufhebungsvertrags oder den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfte. Wortlaut und Systematik des Tarifvertrags ließen dies an sich nicht eindeutig erkennen. Für eine Anknüpfung an den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bzw. des Abschlusses des Aufhebungsvertrags sprach allerdings bereits, dass der Sozialplan erst am 19.10.2011 abgeschlossen wurde. Schon diese aus dem Wortlaut des Sozialplans heraus erkennbare Entstehungsgeschichte legte nahe, dass die Regelung zur Kennzeichnung der anspruchsbegründenden Tatbestände nicht den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung meinte. Denn sonst wäre ein Arbeitnehmer nur dann anspruchsberechtigt, wenn sein Arbeitsverhältnis schon vor Abschluss des Sozialplans beendet worden wäre. Darauf hat auch das BAG hingewiesen. Denn schlussendlich sollte der Sozialplan Ausgleichsleistungen für die Arbeitnehmer vorsehen, die nach seinem Abschluss wirtschaftliche Nachteile der Betriebsänderung erleiden würden. Gegen eine so verstandene Stichtagsregelung bestehen aus Sicht des BAG keine grundsätzlichen Bedenken. Die Ausgleichspflicht in einem Sozialplan dürfe an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem die Art und Weise der durchzuführenden Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer feststehe. Vor
38 1 AZR 881/13 n. v. Rz. 14 ff.
292
Auslegung von Sozialplanregelungen
allem im Zusammenhang mit Eigenkündigungen dürften die Betriebsparteien bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beendeten, bevor das Ausmaß einer sie treffenden Betriebsänderung konkret absehbar und der Umfang der daran knüpfenden wirtschaftlichen Nachteile prognostizierbar sei, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beendeten39. Eigenkündigungsbezogene Stichtagsregelungen könnten daher sachlich gerechtfertigt sein, wenn in ihnen auf den Zeitpunkt des Abschlusses oder des endgültigen Scheiterns der Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auch – wenn weitere besondere Umstände dazu kämen – den Abschluss des Sozialplans Bezug genommen werde40. Auch dieser Sichtweise ist zuzustimmen. Sie berücksichtigt letztlich, dass Interessenausgleichsverhandlungen auch mit dem Ziel geführt werden, aus Arbeitnehmersicht eine Veränderung der Betriebsänderung – möglicherweise sogar einen Verzicht auf die Betriebsänderung – durchzusetzen. Bevor diese Verhandlungen nicht zum Abschluss gekommen sind, kann auch nicht von einer arbeitgeberseitig veranlassten Entlassung gesprochen werden. Es ist deshalb auch sachlich gerechtfertigt und mit § 75 BetrVG vereinbar, Arbeitnehmer, die von sich aus vor diesem Zeitpunkt eine Eigenkündigung aussprechen, von Ansprüchen aus dem Sozialplan herauszunehmen. Wichtig ist aber, dies so eindeutig festzuschreiben, dass es gerichtliche Auseinandersetzungen wie der vorstehenden Art nicht bedarf. (Ga)
39 BAG v. 17.11.2015 – 1 AZR 881/13 n. v. Rz. 20; BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 505/09, NZA 2011, 1302 Rz. 17. 40 BAG v. 17.11.2015 – 1 AZR 881/13 n. v. Rz. 20; BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 505/09, NZA 2011, 1302 Rz. 17.
293
J.
1.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Beitragsnachforderungen in der Zeitarbeit nach dem CGZP-Urteil des BAG
Nachdem das BAG am 14.12.20101 die fehlende Tariffähigkeit der CGZP festgestellt hatte, war dies nicht nur Auslöser dafür, dass Leiharbeitnehmer auf der Grundlage des Equal-Pay-Grundsatzes Zahlungsansprüche geltend machten. Auch die Sozialversicherungsträger wurden tätig, weil Verleiher, die bis dahin Sozialversicherungsbeiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts der CGZP-Tarifverträge gezahlt hatten, verpflichtet waren, innerhalb der durch § 25 SGB IV bestimmten Verjährungsfristen auch für die Vergangenheit Beitragsnachforderungen zu erfüllen. Entleiher konnte diese Zahlungspflicht auf der Grundlage von § 28 e Abs. 2 SGB IV treffen, weil dort eine Haftung wie ein selbstschuldnerischer Bürge festgelegt ist. Natürlich ist es für alle Beteiligten schwer, den Arbeitsentgeltanspruch und die daraus folgende Beitragslast vergangenheitsbezogen festzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Leiharbeitnehmer bei verschiedenen Entleihern über eine wechselnde Zeitspanne – kurzzeitig oder monatsübergreifend – tätig waren. Denn hier muss jeweils im Einzelnen aufgezeigt werden, welches Arbeitsentgelt ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers bei einer Tätigkeit erhalten hätte, für die der Leiharbeitnehmer zum Einsatz gekommen ist. Bei den arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen über entsprechende Vergütungsansprüche löst sich das Problem in der Regel im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast. Beispielhaft sei insoweit nur auf das Urteil des BAG vom 21.10.20152 hingewiesen, das wir an anderer Stelle behandelt haben3. Grundsätzlich trifft diese Pflicht zur Konkretisierung auch die Deutsche Rentenversicherung Bund, wenn sie bei Entleihern wegen solcher Nachforderungen vorstellig wird. Darauf hat jetzt das BSG mit Entscheidung vom 16.12.20154 hingewiesen. Dabei hat das BSG auch verwiesen, dass solche Beitragsnachforderungen auch für die Zeit vor dem Urteil des BAG vom 1 2 3 4
1 ABR 19/10, NZA 2011, 289. 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422 ff. B. Gaul, AktuellAR 2016, 119 ff. B 12 R 11/14 R n. v.; eingehend hierzu auch Bissels, DB 2016, 231 ff.
295
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
14.12.2010 erhoben werden können. Dies folge bereits aus den vorangegangenen Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit, die einem solchen Vertrauensschutz entgegenstünden. Damit bestehe auch für die Vergangenheit ein Anspruch der beschäftigten Leiharbeitnehmer auf ein gleich hohes Arbeitsentgelt, wie es die Stammbeschäftigten des Entleihunternehmens erhielten. Dieses Arbeitsentgelt sei sodann auch für die Beitragsnachforderung maßgeblich. Denn für die Beitragsschuld ist nicht das tatsächlich geleistete Arbeitsentgelt, sondern der auf individual- und/oder kollektivrechtlicher Grundlage geschuldete Arbeitsentgeltanspruch maßgeblich. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund zwar grundsätzlich eine Schätzung der Nachzahlung vornehmen kann5. Allerdings setzt dies zunächst einmal voraus, dass konkrete Feststellungen zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt getroffen wurden. Dies betrifft alle anspruchsbegründenden Tatsachen, also insbesondere auch den Umstand, für welche Zeit mit welcher Tätigkeit bei welchem Arbeitgeber ein Leiharbeitnehmer eingesetzt war. Eine Schätzung darf also nur die schlussendlich vorhandene Lücke füllen, die ein im Übrigen erkennbarer Tatsachenvortrag gelassen hat. Dabei muss die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund erkennen lassen, welche Beitragsnachforderungen auf der Grundlage welcher Tatsachen festgelegt wurden und welche Beitragsforderungen darüber hinaus auf der Grundlage einer Schätzung festgelegt wurden. Dabei sind – was vielfach nicht geschehen ist – vor einer abschließenden Entscheidung auch die hiervon betroffenen Beschäftigten und die übrigen Sozialversicherungsträger, die von dem Beitragseinzug betroffen sind, zu beteiligen. Abschließend ist mit Blick auf die unterschiedliche Verjährung in § 25 Abs. 1 SGB IV durch die Deutsche Rentenversicherung Bund festzustellen, ob und inwieweit vorsätzliches Handeln der im Betrieb für den Beitragseinzug verantwortlichen Personen gegeben war. Insgesamt zeigt die Entscheidung des BSG, dass bei der praktischen Durchführung entsprechender Betriebsprüfungen vielfach in unzulässiger Weise auf der Grundlage von Schätzungen Beitragsnachforderungen bestimmt wurden. Soweit gegen entsprechende Bescheide Widerspruch eingelegt wurde, dürfte die Entscheidung des BSG vom 16.12.20156 in den meisten Fällen deshalb auch zu einer Aufhebung und der Notwendigkeit einer Neufestsetzung führen. Sinnvoll dürfte sein, dieses Erfordernis zu nutzen, auf einvernehmlicher Basis eine deutlich niedrigere Beitragsnachforderung festzusetzen. (Ga) 5 6
Bissels, DB 2016, 231, 233. B 12 R 11/14 R n. v.
296
Aktuelles zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
2.
Aktuelles zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
a)
Übergreifende Verwendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Seit dem 1.1.2016 gibt es nicht nur einen neuen Formularsatz für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der nunmehr auch eine Ausfertigung für den versicherten Arbeitnehmer beigefügt ist7. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung findet ab sofort auch dann Anwendung, wenn der sechswöchige Zeitraum der Entgeltfortzahlung abgelaufen ist. Nach der Neufassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie vom 17.12.2015 sind in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung alle die Diagnosen anzugeben, die aktuell vorliegen und die attestierte Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Symptome (z. B. Fieber, Übelkeit) sind nach spätestens sieben Tagen durch eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose auszutauschen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss erkennen lassen, ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt. Eine Erstbescheinigung ist auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeit erstmalig festgestellt wird. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Erstbescheinigung angegeben, ist nach Prüfung der aktuellen Verhältnisse eine Folgebescheinigung auszustellen. Bedeutung hat diese formale Änderung nicht nur insoweit, als dass damit der Streit beendet ist, wie der Arbeitnehmer den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit im Anschluss an den Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums der gesetzlichen Entgeltfortzahlung vornehmen soll. Erhebliche Bedeutung hat die übergreifende Anwendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allerdings auch insoweit, als dass damit der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch auf den Zeitraum ausgedehnt wird, in dem gesetzliche Entgeltfortzahlungsansprüche nicht mehr bestehen8.
b)
Bescheinigte Dauer der Arbeitsunfähigkeit
Gemäß § 5 Abs. 4 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie soll die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden. Ist es aufgrund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs sachgerecht, kann die Arbeitsunfähigkeit bis zur voraussichtlichen Dauer von einem Monat bescheinigt werden. Kann zum Zeitpunkt der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit be7 8
Eingehend Kleinebrink, ArbRB 2016, 47 ff. Eingehend Kleinebrink, ArbRB 2016, 93 ff.
297
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
reits eingeschätzt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des bescheinigten Zeitraums enden wird oder tatsächlich geendet hat, ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Endbescheinigung zu kennzeichnen. Die letztgenannte Kennzeichnung erfolgt allerdings nur auf den Ausfertigungen, die für den Arbeitnehmer, den behandelnden Arzt und die Krankenkasse bestimmt sind. Die Ausfertigung für den Arbeitgeber enthält diese Angabe nicht. Allerdings wird man den Arbeitgeber nicht nur für berechtigt halten auf der Grundlage individual- oder kollektivrechtlicher Vereinbarungen, die eine solche Verpflichtung begründen, den Arbeitnehmer um Auskunft über die durch den Arzt vorgenommene Bescheinigung eines voraussichtlichen Endtermins zu erteilen9. Eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitnehmers wird man auch ohne Vereinbarung aus §§ 242, 241 Abs. 2 BGB ableiten können.
c)
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Voraussetzung für Krankengeld
Nach § 46 S. 2 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Er bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Voraussetzung für das Fortbestehen einer lückenlosen Arbeitsunfähigkeit für die Beurteilung eines Anspruchs auf Krankengeld ist, dass die ärztliche Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (§ 5 Abs. 3 S. 5 Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie). Im Zusammenhang mit den Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16.7.201510 hat der Gesetzgeber allerdings klargestellt, dass Samstage insoweit nicht als Werktage gelten (§ 46 S. 2 SGB V). In diesem Fall genügt es also, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die am Freitag ausläuft, durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die am Montag ausgestellt wird, zu ergänzen.
d)
Rückwirkende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit
Außerhalb der vorstehenden Besonderheiten für den Bezug des Krankengeldes in § 46 SGB V soll die Arbeitsunfähigkeit für eine vor der ersten ärztli9 So Kleinebrink, ArbRB 2016, 47, 48 f. 10 BGBl. I 2015, 1211, 1214.
298
Aktuelles zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
chen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Wie § 5 Abs. 3 Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie bestimmt, soll eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tage zulässig sein. Erscheinen Versicherte entgegen ärztlicher Aufforderung ohne triftigen Grund nicht zum vereinbarten Folgetermin, kann eine rückwirkende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit versagt werden. In diesem Fall ist von einer erneuten Arbeitsunfähigkeit auszugehen, die durch eine Erstbescheinigung zu attestieren ist. Diese Vorgaben der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie gelten nicht ausnahmslos. Wie das LAG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 13.1.201511 deutlich gemacht hat, konnte die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit für einen zurückliegenden Zeitraum durch den behandelnden Arzt mit den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien vereinbar sein, wenn sich der Arbeitnehmer durchgehend bei dem das spätere Attest ausstellenden Arzt in Behandlung befand und dieser regelmäßig zur Vorlage bei der Krankenkasse Krankengeldauszahlscheine ausgestellt hat. Da entsprechende Bescheinigungen zum 1.1.2016 allerdings durch die übergreifend erforderliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzt wurden, dürfte diese Ausnahmemöglichkeit zukünftig nicht mehr zum Tragen kommen. (Ga)
3.
Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Beitragssätze in der allgemeinen Rentenversicherung und der knappschaftlichen Rentenversicherung für das Jahr 2016 bekannt gemacht. Danach beträgt der Beitragssatz für das Jahr 2016 weiterhin 18,7 % (allgemeine Rentenversicherung) und 24,8 % (knappschaftliche Rentenversicherung)12. (Ga)
11 8 Sa 373/14, NZA-RR 2016, 10. 12 BGBl. I 2015, 2110.
299
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
4.
Steuerliche Behandlung von Entlassungsentschädigungen
Entlassungsentschädigungen können gemäß §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 1, 2 EStG unter die besonderen Regelungen über die Versteuerung außerordentlicher Einkünfte fallen. Danach beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Anwendung der Begünstigtenbesteuerung nach § 34 Abs. 1, 2 EStG voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen war deshalb grundsätzlich schädlich13. Dies gelte nur dann nicht, wenn es sich um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehende geringfügige Zahlung handelte, die in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließt14. In seinem BMF-Schreiben vom 4.3.201615 hat das Bundesministerium der Finanzen nunmehr im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder eine wichtige Feststellung getroffen. Danach wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, eine geringfügige Zahlung anzunehmen, wenn diese nicht mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt. Darüber hinaus kann eine Zahlung unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist, als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung16. Ferner können auch ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind und in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit gewährt werden, für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung unschädlich sein. Pauschalbesteuerte Arbeitgeberleistungen sollen bei der Beurteilung des Zu-
13 BFH v. 3.7.2002 – XI R 80/00, NJW 2003, 991 Rz. 20, BStBl. II 2004, 447; BFH v. 14.8.2001 – XI R 22/00, BB 2002, 389 Rz. 18, BStBl. II 2002, 180. 14 BFH v. 25.8.2009 – XI R 11/09, NZA-RR 2010, 153 Rz. 13, BStBl. II 2011, 27. 15 IV C 4 – S 2290/07/10007 : 031-2016/0166315. 16 BFH v. 13.10.2015 – IX R 46/14, NZA-RR 2016, 92, BStBl. II 2016, 24.
300
Steuerliche Behandlung von Entlassungsentschädigungen
flusses in einem Veranlagungszeitraum generell nicht zu berücksichtigen sein. Darüber hinaus stellt das BMF-Schreiben dar, dass es für die Anwendung von § 34 Abs. 1, 2 EStG unschädlich ist, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmen, dass die fällige Entschädigung erst im Folgejahr zufließen soll. Ein auf zwei Jahre verteilter Zufluss der Entschädigung ist ausnahmsweise unschädlich, wenn die Zahlung der Entschädigung von vornherein in einer Summe vorgesehen war und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt wurde oder wenn der Entschädigungsempfänger – bar aller Existenzmittel – dringend auf den baldigen Bezug einer Vorauszahlung angewiesen war17. Wichtig ist, die vorstehenden Grundsätze bei Vereinbarungen über die Fälligkeit von Abfindungen oder anderen Entlassungsentschädigungen anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu berücksichtigen. (Ga)
17 BFH v. 2.9.1992 – XI R 63/89, DB 1993, 2008 Rz. 14, BStBl. II 1993, 831.
301
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen
Abfindung - Einkommensteuer 300 f. - Fälligkeit 300 f. - Sozialplan 290 f. Abfindungszusage, Kündigung 274 f. ABG-Kontrolle - Ausschlussfrist 63 f. - Vorformulierung 63 f. Abmahnung - Betriebsratsmitglied 248 ff. - Kündigung 251 - Personalakte 250 f. Abwicklungsvertrag - Klageverzicht 185 ff. - Schriftform 177 ff. - vorzeitige Beendigung 177 ff. - Zeugnis 187 f. AEntG, Mindestlohn 16 AGB-Kontrolle - Allgemeine Geschäftsbedingung 61 f. - Anwendungsbereich 61 f. - Arbeitsbereitschaft 115 ff. - Bereitschaftsdienst 115 ff. - Betriebsvereinbarung 212 - einmalige Dokumente 61 ff. - Klageverzicht 185 ff. - Pauschalvergütung 115 ff. - Rufbereitschaft 115 ff. - Überstunden 115 ff. - Unklarheitenregel 62 - Verbrauchervertrag 62, 186 AGG, Behinderung 59 ff.
Aktiengesellschaft - Frauenquote 47 f. - Geschlechterquote 48 Allgemeinverbindlichkeit, Tarifvertrag 16 Ältere Arbeitnehmer - Vorruhestand 277 ff. - Weisungsrecht 163 f. Altersdiskriminierung - Betriebsrente 189 ff. - Vorruhestand 174 ff. Altersgrenze - Arbeitsvertrag 209 ff. - Betriebsvereinbarung 211 f. - langjährig Versicherte 212 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 212 - Regelrentenalter 210 f. - Schwerbehinderte 212 ff. - Tarifvertrag 209 f., 211 f. - vorzeitige Altersrente 212 ff. Altersrente - betriebliche → betriebliche Altersversorgung - gesetzliche → gesetzliche Altersrente Änderungskündigung - Einwilligung 102 - Krankheit 160 ff. - Leistungsminderung 160 ff. Angemessenheit, Nachtarbeitszuschlag 109 ff. Angemessenheitsbeschluss, Datenschutz 36 f. Anpassungspflicht, Betriebsrente 14, 206 ff. 303
Stichwortverzeichnis
Anpassungsstichtag, Änderung 206 ff. Anschlussbeschäftigung - Freiwilligenprogramm 273 f. - Sozialplan 273 f. Arbeiten 4.0 29 ff. Arbeitgeber, Diensteanbieter 84 ff. Arbeitnehmer - Begriff 10 f., 55 ff. - Schadensersatz 88 ff. Arbeitnehmer-Sharing, NachweisRichtlinie 47 Arbeitnehmerüberlassung 30 - 18-Monats-Frist 4 - Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis 2 - Arbeitsentgeltbegriff 5, 119 ff. - Arbeitskampf 7 - Arbeitsschutz 10 - Auskunftsanspruch 121 f. - Begriff 1 ff. - Beitragsnachforderung 295 - Betriebsrat 10 - Betriebsvereinbarung 4 - BetrVG 8 f. - CGZP-Urteil 295 f. - DGB-Gewerkschaften 215 f. - Dienstvertrag 3 - Dienstwagen 5 ff. - Einstellung 10 - Entsenderichtlinie 53 f. - Equal-Pay 5, 119 ff., 215 f. - EU-Richtlinie 8 - Fallschirmlösung 2 - GdP 215 - Gesetzentwurf 1 ff. - GEW 215 - Gewerkschaftseigenschaft 215 f. - Höchstüberlassungsdauer 3 ff. - IG Bau 215 - IG BCE 215 304
Arbeitnehmerüberlassung - Informationspflicht 2, 4 f. - Jobticket 5 - Kennzeichnung 1 ff. - kommunale Unternehmen 8 - Kommune 8 - Konzernprivileg 7 - Mindestlohn 16 - MitbestG 8 f. - Nachweis-Richtlinie 47 - NGG 215 - öffentlicher Dienst 7 f. - öffentlich-rechtliche Anstalt 8 - Personalgestellung 7 f. - Referentenentwurf 1 ff. - Religionsgemeinschaft 8 - Sachleistung 5 ff. - Sanktionen 7 - Sparkasse 8 - Streik 7 - Tarifvertrag 3 ff. - Tarifzuständigkeit 215 f. - Teilzeit 7 - TransNet 215 - Übergangsregelung 2, 6 f. - Übergangszeit 5 - Überprüfung 2 f. - ver.di 215 f. - verdeckte 3 - Vertragsbezeichnung 1 - Werkvertrag 3 Arbeitsbereitschaft - AGB-Kontrolle 115 ff. - Vergütung 115 ff. Arbeitsentgelt - Anfechtung Insolvenz 27 f. - Auskunftsanspruch 252 f. - Entgeltgleichheit 17 ff. - Insolvenz 27 f. Arbeitskampf, AÜG 7
Stichwortverzeichnis
Arbeitnehmerüberlassung - Konzern 7 - Schadensersatz 216 ff. Arbeitsschutz 30 - Fremdpersonal 10 - Umkleidezeiten 265 Arbeitsunfähigkeit - Leistungsminderung 160 ff. - Personalgespräch 92 f. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 297 ff. - Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie 297 ff. - Dauer 297 f. - Endtermin 298 - Erstbescheinigung 297 - Folgebescheinigung 297 - Formänderung 297 - Krankengeld 298 - rückwirkende 298 f. Arbeitsverhältnis - Arbeitsort 55, 81 f. - Begriff 10 f., 55 ff. - Arbeitszeit 55 - Gesamtbetrachtung 55 - Homeoffice 81 f. - Kennzeichnung 10 f. - persönliche Abhängigkeit 55 - Weisungspflicht 10 f., 55 ff. Arbeitsvertrag - AGB-Kontrolle 115 ff. - Altersgrenze 209 ff. - Bereitschaftsdienst 115 ff. - Einwilligung 34 f. - Pauschalvergütung 115 ff. - Pflichtverletzung 88 ff. - Regelrentenalter 210 f. - Rufbereitschaft 115 ff. - Tarifbindung 223 ff., 228 ff. - Überstunden 115 ff. - Urlaubsabgeltung 127 ff.
Arbeitsvertrag - Urlaubsanspruch 137 - vorzeitige Altersrente 212 ff. Arbeitsvertragsstatut, Entsenderichtlinie 52 f. Arbeitsverweigerung - beharrliche 154 ff. - Kündigung 154 ff. Arbeitszeit - Änderungskündigung 102 - Betriebsverfassungsrecht 260 ff. - Darlegungslast 107 ff. - Dauer 97 ff. - EFTA-Gerichtshof 97 ff. - Einwilligung 101 f. - EU-Richtlinie 101 f. - Höchstgrenze 99 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 260 ff. - Pflegedienst 98 ff. Arbeitszeitkonto - Ausschlussfrist 106 - Schuldanerkenntnis 105 - Verjährung 106 - Vertrauensarbeitszeit 106 f. Arbeitszeitrecht 30 Asset Deal → Betriebsübergang AU-Bescheinigung → Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Aufhebungsvertrag - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Schriftform 177 ff. - Turboprämie 271 ff. - vorzeitige Beendigung 177 ff. Aufsichtsrat - Frauenquote 48 - Geschlechterquote 48 - Schwellenwert 8 f. Aufwendungsersatz, Mindestlohn 126 AÜG → Arbeitnehmerüberlassung 305
Stichwortverzeichnis
Auskunftsanspruch - Betriebsrat 252 f. - Entgeltgleichheit 22 - Equal-Pay 121 f. Auslegung - Betriebsvereinbarung 289 f. - Sozialplan 289 f. Ausschluss, Betriebsrat 249 f. Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 63 f. - Arbeitszeitkonto 106 - Entgeltgleichheit 26 - Klageerhebung 94 f. - Kündigungsschutzklage 95 - Schriftform 94 f. Außerordentliche Kündigung - Auslauffrist 285 - betriebsbedingte 284 ff. - Kündigungsfrist 284 - Personalgestellung 285 - Verdachtskündigung 165 Azubi - Kündigung 139 ff. - Probezeit 139 ff.
BDSG → Beschäftigtendatenschutz 30 -Datenschutzbeauftragter 38 Beförderung, Betriebsratsmitglied 240 f. Befristeter Arbeitsvertrag 30 - angekündigte Elternzeit 64 ff. - Dauer 68 f. - Elternzeit 64 ff. - Rechtsmissbrauch 69 - Schriftform 70 ff. - Vertretung 64 ff., 67 f. - wissenschaftliches Personal 17 - Zweckbefristung 67 f. Begünstigung, Betriebsratsmitglied 240 306
Beharrliche Arbeitsverweigerung 154 ff. Behinderte Menschen - Altersgrenze 212 ff. - Arbeitsmarkt 30 - Bewerber 59 ff. - digitale Technik 30 - Erholungsurlaub 129 - Pflege 30 - Teilhabe 30 Behinderung → Schwerbehinderung - Direktionsrecht 164 - Leistungsminderung 164 - Sozialplan 277 ff. - Übergangsgeld 277 ff. - Vorruhestand 277 ff. Beitragssatz, Rentenversicherung 299 Bekleidungsindustrie, Mindestlohn 16 Benachteiligung → Diskriminierung Benachteiligungsverbot, Betriebsratsmitglied 240 ff. Bereitschaftsdienst - AGB-Kontrolle 115 ff. - Vergütung 115 ff. Berufsausbildungsverhältnis - Kündigung 139 ff. - Probezeit 139 ff. Beschäftigtendatenschutz 30 - allgemeine Grundsätze 37 f. - Angemessenheitsbeschluss 36 f., 39 f. - Corporate Binding Rules 44 - Dateisystem 33 - Datenschutzbeauftragter 38 - Einwilligung 33 - EU-DSGVO 33 ff. - EU-US-Datenschutzschild 39 ff. - Gesundheitsdaten 33 - grenzüberschreitender 36 f.
Stichwortverzeichnis
Beschäftigtendatenschutz - Integrität 37 - Judicial Redress Act 43 - Konzernprivileg 35 ff. - Profiling 33 - Rechenschaftspflicht 37 - Safe-Harbor 39 ff. - Speicherbegrenzung 37 - Standardvertragsbestimmungen 44 - Überwachungssystem 37 - Unternehmen 33 - USA 39 ff. - Zweckbindung 37 Beseitigungsanspruch, Betriebsrat 235 ff. Besonders langjährig Versicherte, Altersgrenze 212 ff. Bestimmtheit, Kündigung 146 ff. Betriebliche Altersversorgung - Ablösungsprinzip 194 - Altersdiskriminierung 189 ff. - Änderung 194 ff. - Anpassungspflicht 14, 206 - Anpassungsstichtag 206 ff. - Betriebsvereinbarung 194 ff. - Betriebszugehörigkeit 189 ff. - Bilanz 14 ff. - Ehezeitanteil 199 - erdiente Dynamik 195 - EU-Mobilitätsrichtlinie 14 - 25. Lebensjahr 189 ff. - Gewinnausschüttung 15 f. - Konzern 195 - Niedrigzinsen 14 ff. - Rückstellungen 14 ff. - sachlich-proportionale Gründe 194 ff. - Scheidung 199 ff. - triftige Gründe 195 - Unverfallbarkeitsfrist 14
Betriebliche Altersversorgung - Versorgungsausgleich 199 ff. - zwingende Gründe 195 Betriebliche Übung - Begriff 224 - Betriebsübergang 225 - Entstehung 224 - Freiwilligkeitsvorbehalt 225 - Jubiläumsgeld 227 f. - Tarifbindung 223 ff. - Tarifentgelterhöhung 224 ff. Betriebliches Eingliederungsmanagement - Mitbestimmung Betriebsrat 257 ff. - Personalgespräch 93 Betriebsänderung, Freiwilligenprogramm 271 ff. Betriebsbedingte Kündigung - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Massenentlassung 149 ff. Betriebsrat - Abmahnung 248 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 10 - Auskunftsanspruch 252 f. - Ausschlussverfahren 249 f. - Beratervertrag 10 - Beseitigungsanspruch 235 ff. - Dienstvertrag 10 - Eingruppierung 21 - Entgeltgleichheit 23 ff. - Fremdpersonal 10 - individualrechtliche Ansprüche 250 f. - Massenentlassung 151 - Restmandat 288 f. - Sanktion 21 - Schwellenwert 8 f. - Übergangsmandat 287 ff. - Unterlassungsanspruch 235 ff. - Werkvertrag 10 307
Stichwortverzeichnis
Betriebsratsanhörung - Inhalt 254 ff. - Kündigung 254 ff. - Restmandat 288 f. - subjektive Determination 254 ff. - Übergangsmandat 287 f. Betriebsratsmitglied - Abmahnung 248 ff. - Arbeitsentgelt 239 ff. - Aufstiegsmöglichkeit 247 f. - Ausschlussverfahren 249 f. - Beförderung 240 f. - Begünstigung 240 - Benachteiligungsverbot 240 - betriebsübliche Entwicklung 239 ff. - Bezahlung 239 ff. - Entwicklung 239 ff. - Fähigkeiten 245 ff. - Fortbildung 241 f. - Kenntnisse 245 ff. - Koppelmann 244 f. - linear-gleichförmige Beförderung 247 - Nebentätigkeit 75 ff. - pyramidische Entwicklung 247 f. - Vergleichsgruppe 244 f. - Vergütungsanpassung 239 ff, 243 ff. Betriebsrente → betriebliche Altersversorgung Betriebsspaltung - Restmandat 288 f. - Übergangsmandat 287 ff. Betriebsübergang - Beratungspflicht 51 - betriebliche Übung 225 - Bezugnahmeklausel 220 ff., 225 - EU-Richtlinie 220 ff. - Kündigung 283 ff. 308
Betriebsübergang - Rechtsmissbrauch 286 f. - Restmandat 287 ff. - Übergangsmandat 287 ff. - Unterrichtungspflicht 51, 222 f. - Widerspruch 283 ff. Betriebsübliche Entwicklung, Betriebsratsmitglied 239 ff. Betriebsvereinbarung - Ablösungsprinzip 194 - AGB-Kontrolle 212 - Altersgrenze 211 f. - AÜG 4 - Auslegung 289 f. - Beseitigungsanspruch 236 - Betriebsrente 194 ff. - Datenschutz 37 f. - Durchführungsanspruch 236 - EU-DSGVO 34, 37 f. - Freiwilligenprogramm 271 ff. - Regelaltersgrenze 211 f. - Unterlassungsanspruch 236 - Zweckbindung 37 f. Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung 248 f. Betriebszugehörigkeit, Betriebsrente 189 ff. BetrVG - Arbeitszeit 260 ff. - AÜG 8 f. - Schwellenwerte 8 f. - Unterrichtungspflicht 51 f. Beweislast - Arbeitszeitkonto 102 ff. - Diskriminierung 61 - Equal-Pay 119 ff. - Schadensersatz 88 ff. Bewerber - Behinderung 59 ff. - Vorstellungsgespräch 60 f.
Stichwortverzeichnis
Bezugnahmeklausel - Altvertrag 225 - Betriebsübergang 220 ff., 225 - dynamische 220 ff. - Gleichstellungsabrede 225 - kleine 220 ff. - Neuvertrag 225 - Vorabentscheidungsverfahren 220 ff. BGB, Arbeitnehmerbegriff 55 ff. Bilanz, Betriebsrente 14 ff. Branchenmindestlohn 16 Bruttomonatseinkommen, Sozialplan 291
CGZP-Urteil, AÜG 295 f. Compliance, Geschäftsgeheimnis 45 f. Corporate Binding Rules, Datenschutz 44 Darlegungslast - Arbeitszeit 107 ff. - Arbeitszeitkonto 102 ff. - Diskriminierung 61 - Equal-Pay 119 ff. - Schadensersatz 88 ff. - Überstunden 107 f. Datenschutz → Beschäftigtendatenschutz Datenschutzbeauftragter, EUDSGVO 38 Datenschutzgrundverordnung → EU-DSGVO Dauernachtarbeit, Zuschlag 114 DBG-Gewerkschaften - AÜG 215 f. - Gewerkschaftseigenschaft 215 f. - Tarifzuständigkeit 215 f. - Zeitarbeit 215 f. Diensteanbieter, TKG 84 ff.
Dienstvereinbarung - AÜG 4 - EU-DSGVO 34 Dienstvertrag - Arbeitnehmerüberlassung 3 - Betriebsrat 10 Dienstwagen, Equal-Pay 5 Digitale Technik 30 Direktionsrecht → Weisungsrecht Diskriminierung - Alter 174 ff., 189 ff. - Behinderung 59 ff., 277 f., 281 f. - Betriebsrente 189 ff. - Beweislast 61 - Bewerber 59 ff. - Darlegungslast 61 - Entschädigung 175 - Geschlecht 17 ff. - Schadensersatz 175 - Schwerbehinderung 277 ff. - Vorruhestand 174 ff. 13. Monatseinkommen → Sonderleistung Drittstaat, Datenschutz 36 f. Dynamische Bezugnahmeklausel 220 ff.
EFTA-Gerichtshof, Bedeutung 97 f. Ehe - Betriebsrente 199 ff. - Versorgungsausgleich 199 ff. Ehezeitanteil, Betriebsrente 199 Eingruppierung, Entgeltgleichheit 21 Einigungsstelle - Eingliederungsmanagement 257 ff. - Nebentätigkeit 75 ff. Einkommensteuer Abfindung 300 f. 309
Stichwortverzeichnis
Einigungsstelle - Entlassungsentschädigung 300 f. - Vorruhestand 300 f. Einstellung - Fremdpersonal 10 - Matrix-Organisation 253 f. Einwilligung - Änderungskündigung 102 - Arbeitsvertrag 34 f. - Arbeitszeit 101 f. - Datenschutz 34 f. - E-Mail 88 - EU-DSGVO 34 f. - Formerfordernis 34 f. - Internet 88 - Widerruf 34 f., 101 f. Elternzeit - Ankündigung 64 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 64 ff. - Teilzeitbeschäftigung 69 - Übertragung Urlaub 133 ff. - Urlaub 133 ff. E-Mail - Diensteanbieter 84 ff. - Einwilligung 88 - EU-DSGVO 88 - Privatnutzung 82 ff., 84 ff. - Privatsphäre 82 ff. - TKG 84 ff. - Überwachung 84 ff. EMRK, Wiedereinstellungsanspruch 171 ff. Entgelt - Benachteiligungsverbot 18 f. - Diskriminierung 17 ff. - Entgeltsystem 19 - Geschlecht 17 ff. - gleiche Arbeit 19 f. - Gleichheitssatz 17 ff. - gleichwertige Arbeit 19 f. 310
Entgeltgleichheit 17 ff. - Auskunftsanspruch 22 - Ausschlussfrist 26 - Bericht 26 - Betriebsrat 23 ff. - Beweiserleichterung 23 - Durchsetzung 22 f., 26 - Eingruppierung 21 - Entschädigung 26 - Maßregelungsverbot 22 - Personalrat 23 f. - Prüfverfahren 24 f. - Sanktion 21 - statistischer Median 22 - Stellenausschreibung 20 - Tarifvertrag 20 - Vermutung 23 Entlassungsentschädigung, Einkommensteuer 300 f. Entschädigung - Altersdiskriminierung 175 - Entgeltgleichheit 26 Entsenderichtlinie 52 ff. Equal-Pay - 18-Monats-Zeitraum 6 - 9-Monats-Zeitraum 6 - Arbeitsentgeltbegriff 5 - AÜG 5 ff., 119 ff., 215 f. - Auskunftsanspruch 121 f. - Beitragsnachforderung 295 f. - CGZP-Urteil 295 f. - Darlegungslast 119 ff. - Dienstwagen 5 - Gewerkschaftseigenschaft 215 f. - Kennzeichnung 120 f. - Sachleistungen 5 ff. - Sozialversicherung 295 f. - Tarifvertrag 5 - Tarifzuständigkeit 215 f. - Übergangsregelung 6 f.
Stichwortverzeichnis
Erdiente Dynamik, Betriebsrente 195 Erholungsurlaub - Abgeltung 127 ff. - Arbeitsvertrag 137 - Elternzeit 133 ff. - EU-Richtlinie 127 f. - Krankheit 127 ff. - Mindestlohn 125 - Mutterschutz 133 ff. - Schwerbehinderte 129 - Übertragung 127 ff. - Vererblichkeit 127 ff. Erlaubnispflicht Nebentätigkeit 75 ff. EU-DSGVO 30, 33 ff. - allgemeine Grundsätze 37 f. - Begriffsbestimmungen 33 f. - Betriebsvereinbarung 34 - Datenschutzbeauftragter 38 - Dienstvereinbarung 34 - Drittstaat 36 f. - Einwilligung 34 f., 88 - E-Mail 88 - Europäische Union 36 - Internet 88 - Konzern 35 ff. - Pseudonymisierung 33 f. - Rechtsgrundlage 34 ff. - Tarifvertrag 34 - Überwachungssystem 37 EU-Entsenderichtlinie 52 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 53 f. - Arbeitsvertragsstatut 52 f. - Auftragsvergabe 53 f. - Kennzeichnung Mindestlohn 53 - Subunternehmer 53 - Tariftreueklausel 54 - Vergabeverfahren 53 f. EU-Mobilitätsrichtlinie 14
EU-Richtlinie - Anhörung Betriebsrat 51 - Arbeit auf Gutscheinen 47 - Arbeitnehmer-Sharing 47 - Arbeitnehmerüberlassung 8, 47 - Arbeitszeit 101 f. - Beratung Betriebsrat 51 - Betriebsübergang 51, 220 ff. - Erholungsurlaub 127 f. - Gleichbehandlung 50 - Interim-Management 47 - Jobsharing 47 - Leiharbeit 8 - Massenentlassung 51 - Mobilität 14 - Nachweis des Arbeitsvertrags 47 - Null-Stunden-Verträge 47 - Telearbeit 47 - Unternehmensübergang 51 - Unterrichtung und Anhörung 51 - Vereinheitlichung 51 Europäische Union - Datenschutz 36 f. - Frauenquote 47 f. EU-US-Datenschutzschild 39 ff. - alternative Streitbeilegung 43 - Angemessenheitsbeschluss 39 f. - Beschwerdemöglichkeit 42 - Corporate Binding Rules 44 - Datenschutzschild-Panel 43 - Durchsetzung 40 - Judicial Redress Act 43 - Ombudsstelle 43 - Rechtsbehelfe 41 - Schiedsverfahren 41 - Standardvertragsbestimmungen 44 - Streitbeilegung 42 - transatlantischer Datentransfer 44 - Transparenzpflicht 41 311
Stichwortverzeichnis
EU-US-Datenschutzschild - Überblick 39 - Überprüfung 41 - Umsetzung 42
Fälligkeit, Abfindung 300 f. Fallschirmlösung, AÜG 2 Forstwirtschaft, Mindestlohn 16 Fort- und Weiterbildung 29 Fortbildung, Betriebsratsmitglied 241 f. Frauenförderungsbericht 26 Frauenquote - Aktiengesellschaft 47 f. - Aufsichtsrat 48 - Europäische Union 47 Freiwilligenprogramm 271 ff. - Anschlussbeschäftigung 273 f. - Aufhebungsvertrag 271 ff. - Betriebsänderung 271 ff. - betriebsbedingte Kündigung 271 ff. - Betriebsvereinbarung 271 ff. - Dotierung 276 f. - Missbrauch 275 ff. - Sozialplan 275 ff. Freiwilligkeitsvorbehalt, betriebliche Übung 225 Fremdpersonal - Arbeitsschutz 10 - AÜG 2 f. - Betriebsrat 10 - Einstellung 10 - Kennzeichnung 10 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Fremdpersonaleinsatz 2 f.
Gartenbau, Mindestlohn 16 Gender-Pay-Gap 18 312
Geschäftsführende Direktoren - Frauenquote 48 - Geschlechterquote 48 Geschäftsgeheimnis - Compliance 45 f. - Kennzeichnung 44 f. - Meinungsfreiheit 45 - Richtlinie 44 ff. - Schadenersatz 46 - Schutz 44 ff. - Whistleblower 45 f. - zivilrechtlicher Schutz 46 Geschlechterquote, Aktiengesellschaft 48 Gesetzliche Altersrente - Altersgrenze 209 ff. - Schwerbehinderung 277 ff. Gewinnausschüttung, Betriebsrente 15 f. Gleichbehandlungsrichtlinie, Assessment 50 Gleichstellung der Geschlechter 49 f. Gleichstellungsabrede, Bezugnahmeklausel 225 Gleichwertige Arbeit, Entgelt 19 f. Gratifikation → Sonderleistung
Höchstüberlassungsdauer, AÜG 3 ff. Homeoffice 30 - Anspruch 81 f.
Insolvenz, Anfechtung 27 f. Interim-Management, NachweisRichtlinie 47 Internet - Einwilligung 88 - EU-DSGVO 88 - Privatnutzung 84 ff. - Überwachung 84 ff.
Stichwortverzeichnis
Jahresurlaub → Erholungsurlaub Jobsharing, Nachweis-Richtlinie 47 Jubiläumsgeld → Sonderleistung Judicial Redress Act 43
Kamera, Mitbestimmung Betriebsrat 267 Kennzeichnung 1 ff. Klageerhebung - Ausschlussfrist 94 f. - Schriftform 94 f. Klageverzicht - Abwicklungsvertrag 185 ff. - AGB-Kontrolle 185 ff. Koalitionsfreiheit, Bezugnahmeklausel 221 ff. Konzern - AÜG 7 - Beschäftigtendatenschutz 35 ff. - Betriebsrente 195 - EU-DSGVO 35 ff. Konzernbetriebsrat - Überwachungseinrichtung 267 f. - Zuständigkeit 267 f. Koppelmann, Betriebsratsmitglied 244 f. Krankengeld, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 298 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Betriebsratsanhörung 254 ff. - Erholungsurlaub 127 ff. - Kündigung 160 ff., 254 ff. - Mindestlohn 125 Krankheitsbedingte Kündigung 160 ff., 254 ff. - Drei-Stufen-Theorie 161 f. - Gesundheitsprognose 161 f. - Interessenabwägung 161 f. - negative Prognose 161 f.
Kündigung - Abfindungszusage 274 f. - Abmahnung 251 - Arbeitsverweigerung 154 ff. - Azubi 139 ff. - Berufsausbildungsverhältnis 139 ff. - Bestimmtheit 146 ff. - Betriebsratsanhörung 254 ff. - Betriebsübergang 293 ff. - hilfsweise 146 - Krankheit 254 ff. - krankheitsbedingte 160 ff., 254 ff. - Kündigungstermin 147 f. - Leistungsminderung 160 ff. - Massenentlassung 149 ff. - Nachschieben Gründe 168 ff. - nächstzulässiger Termin 147 f. - nachträgliche Rechtfertigung 166 ff. - Nebentätigkeitsverbot 75 ff. - Originalvollmacht 142 ff. - personenbedingte 160 ff., 164 ff. - Pflichtverletzung 159 - Schriftform 177 ff. - Verdachtskündigung 164 ff. - verhaltensbedingte → verhaltensbedingte Kündigung - Vollmacht 142 ff. - vorsorgliche 146 - Wiedereinstellungsanspruch 171 ff. Kündigungsschutzklage, Ausschlussfrist 95 Kündigungsschutzprozess - Massenentlassung 152 ff. - Präklusionswirkung 153 f. Kündigungstermin, Bestimmtheit 147 f. 313
Stichwortverzeichnis
Kurzarbeitergeld - Berechnung 28 f. - Ist-Entgelt 28 - Kurzarbeitergeldverordnung 28 - Rechtsverordnung 28 - Sozialplan 28 f. Kurzarbeitergeldverordnung 28 Kurzerkrankung, Betriebsratsanhörung 254 ff.
Landwirtschaft, Mindestlohn 16 Langjährig Versicherte, Altersgrenze 212 ff. Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Leistungskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Leistungsminderung 163 f. - ältere Arbeitnehmer 163 f. - Änderungskündigung 160 ff. - Arbeitsunfähigkeit 160 ff. - Behinderung 164 - Direktionsrecht 162 f. - Kündigung 160 ff., 164 - Weisungsrecht 162 f. Leistungsverweigerungsrecht, Kündigung 156 f. Lohngerechtigkeit 17 ff.
Massenentlassung - Anzeigepflicht 150 f. - Beratungspflicht 51 - betriebsbedingte Kündigung 149 ff. - Betriebsrat 151 - 30-Tages-Frist 149 f. - Kennzeichnung 149 f. - Konsultationspflicht 151 - Kündigung 149 ff. - Kündigungsschutzprozess 152 ff. 314
Massenentlassung - Mitbestimmung Betriebsrat 151 - Rüge 152 ff. - Schwellenwert 149 f. - Unterrichtungspflicht 51 Maßregelungsverbot, Entgeltgleichheit 22 Matrix-Organisation - Einstellung 253 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 253 f. Mehrteiliger Vertrag 70 ff. Meinungsfreiheit, Geschäftsgeheimnis 45 Messenger, Privatsphäre 82 ff. Mindestlohn - Anrechnung 122 ff. - Aufwendungsersatz 126 - Entgeltbestandteile 122 ff. - Entgeltfortzahlung 125 - Erschwerniszulage 125 - Feiertagszuschlag 125 - Geldfaktor 125 - Jahressonderzahlung 123 f. - Kennzeichnung 122 ff. - Krankheit 125 - Pflegebranche 124 ff. - Prämie 125 - Sonderleistung 123 f. - Sonntagszuschlag 125 - Überstundenvergütung 125 - Urlaub 125 - Urlaubsgeld 123 f. - vermögenswirksame Leistung 126 - Weihnachtsgeld 123 f. Minijob 30 MitbestG - AÜG 8 f. - Schwellenwerte 8 f.
Stichwortverzeichnis
Mitbestimmung Betriebsrat - Altersgrenze 212 - Anhörung 254 ff. - Arbeitsentgelt 252 f. - Arbeitszeit 260 ff. - Auskunftsanspruch 252 - bEM 257 ff. - Beseitigungsanspruch 235 ff. - Bonus 252 f. - Eingliederungsmanagement 257 ff. - Einstellung 253 f. - Fremdarbeitgeber 269 - Fremdpersonal 265 ff. - Kamera 267 - Konzernbetriebsrat 267 f. - Kundenbetrieb 269 - Leistungskontrolle 265 ff. - Massenentlassung 151 - Matrix 253 f. - Monitor 267 - Personalbeurteilung 252 f. - Personalschleuse 266 - technische Einrichtung 265 ff. - Überwachungseinrichtung 265 ff. - Umkleidezeiten 260 ff. - Unterlassungsanspruch 235 ff. - Verhaltenskontrolle 265 ff. - Wegezeiten 264 f. - Zielvereinbarung 252 f. - Zugangskontrolle 266 f. Mitverschulden, Schadensersatz 91 f. Mobile Arbeit 30 Mutterschutz, Übertragung Urlaub 133 ff.
Nachschieben Kündigungsgründe 168 ff.
Nachtarbeit, Ausgleichsleistung 109 ff. Nachtarbeitnehmer 109 ff., 113 Nachtarbeitszuschlag - Angemessenheit 109 ff. - Dauernachtarbeit 114 - Höhe 109 ff. Nachweis-Richtlinie, Konsultationsverfahren 47 Nebentätigkeit - Betriebsratsmitglied 75 ff. - Einigungsstelle 75 ff. - Erlaubnispflicht 75 ff. - Genehmigungsvorbehalt 75 ff. Niedrigzinsen, Betriebsrente 14 ff. Null-Stunden-Verträge, NachweisRichtlinie 47
Ombudsstelle, EU-US-Datenschutzschild 43 Ordentliche Verdachtskündigung 164 ff. Originalvollmacht → Vollmacht
Personalakte, Abmahnung 250 f. Personalgespräch - Arbeitsunfähigkeit 92 f. - bEM 92 f. - Weisungsrecht 92 f. Personalgestellung, außerordentliche Kündigung 285 Personalrat - Eingruppierung 21 - Entgeltgleichheit 23 f. Personenbedingte Kündigung, Leistungsminderung 160 ff., 164 Personenbezogene Daten → Beschäftigtendatenschutz Pflegebranche, Mindestlohn 124 ff. Pflegedienst, Arbeitszeit 98 ff. 315
Stichwortverzeichnis
Pflichtverletzung - Kündigung 159 - Schadensersatz 88 ff. - Verdachtskündigung 165 Präklusion, Kündigungsschutzprozess 153 f. Privatsphäre - E-Mail 82 ff. - Messenger 82 ff. Probezeit - Azubi 139 ff. - Berufsausbildungsverhältnis 139 ff. Prozessvergleich, Rücktritt 181 ff. Pseudonymisierung, Datenschutz 33 f.
Rechtsmissbrauch - befristeter Arbeitsvertrag 69 - Betriebsübergang 286 f. Regelrentenalter, Altersgrenze 210 f. Religionsgemeinschaft, AÜG 8 Rentenversicherung - Beitragssatz 299 - Schätzung 296 - Syndikusrechtsanwalt 12 ff. Restmandat - Betriebsrat 288 f. - Betriebsspaltung 288 f. Richtlinie, Geschäftsgeheimnisse 44 ff. Rückstellungen, Betriebsrente 14 ff. Rücktritt - Prozessvergleich 181 ff. - Vergleich 181 ff. Rufbereitschaft - ABG-Kontrolle 115 ff. - Vergütung 115 ff. 316
Safe-Harbor-Richtlinie 39 ff. Schadensersatz - Altersdiskriminierung 175 - Arbeitnehmer 88 ff. - Arbeitskampf 216 ff. - Differenzmethode 92 - Geltendmachung 88 ff. - Geschäftsgeheimnis 46 - Gewerbebetrieb 217 f. - Mitverschulden 91 f. - Streik 216 ff. Scheidung, Betriebsrente 199 ff. Scheindienstvertrag 3, 55 ff. Scheinwerkvertrag 3, 55 ff. Schiedsverfahren, EU-USDatenschutzschild 41 Schriftform - Ausschlussfrist 94 f. - befristeter Arbeitsvertrag 70 ff. - Klageerhebung 94 f. - Kündigung 177 ff. - mehrteiliger Vertrag 70 ff. - Telefax 180 Schwellenwert - Aufsichtsrat 8 f. - Betriebsrat 8 f. - Massenentlassung 149 f. Schwerbehinderte → behinderte Menschen Sonderleistung - betriebliche Übung 227 f. - Mindestlohn 123 f. Sonderzahlung → Sonderleistung Sozialplan 271 ff. - Abfindung 290 f. - Altersrente Schwerbehinderung 277 ff. - Anschlussbeschäftigung 273 f. - Auslegung 289 f. - Beendigungstatbestand 292 f. - behinderte Menschen 277 ff.
Stichwortverzeichnis
Sozialplan - Behinderung 281 f. - Bruttomonatseinkommen 291 - Diskriminierung 277 ff., 281 f. - Dotierung 276 f. - Freiwilligenprogramm 275 ff. - Kurzarbeitergeld 28 f. - Schwerbehinderung 277 ff., 281 f. - Stichtagsregelung 292 - Umgehung 275 ff. - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 273 - Zweck 272 ff. Sozialversicherung 29 - AÜG 295 f. - Equal-Pay 295 f. - Schätzung 296 - Syndikusrechtsanwalt 12 ff. - Zeitarbeit 295 f. SPD-Bundestagsfraktion, Arbeit 4.0 29 ff. Standardvertragsbestimmungen, Datenschutz 44 Stellenausschreibung, Entgeltgleichheit 20 Stichtag, Betriebsrente 206 ff. Streik - Konzern 7 - Schadensersatz 216 ff. - Streikbeschluss 218 ff. - Unterstützungsstreik 216 f. - Zielsetzung 218 ff. Subjektive Determination, Betriebsratsanhörung 254 ff. Surrogationstheorie, Urlaub 130 Syndikusrechtsanwalt 12 ff. - Antragspflicht 12 ff. - Befreiungsantrag 14 - BRAO 12 - Rentenversicherung 12 ff.
Syndikusrechtsanwalt - Sozialversicherung 12 ff. - Übergangsregelung 12 ff.
Tarifbindung - Arbeitsvertrag 223 ff., 228 ff. - betriebliche Übung 223 ff. Tarifentgelterhöhung, betriebliche Übung 224 ff. Tariftreueklausel, Entsendrichtlinie 54 Tarifvertrag - Allgemeinverbindlichkeit 16 - Altersgrenze 209 f. - AÜG 4 - Ausschlussfrist 94 f. - betriebliche Übung 223 ff. - Entgeltgleichheit 20 - Equal-Pay 5 ff. - EU-DSGVO 34 - Nachtarbeitszuschlag 114 Teilbetriebsübergang → Betriebsübergang Teilzeitbeschäftigung 30 - Elternzeit 69 Telearbeit, Nachweis-Richtlinie 47 Telefax, Schriftform 180 Textilindustrie, Mindestlohn 16 TKG, E-Mail 84 ff. Triftige Gründe, Betriebsrente 195 Turboprämie, Freiwilligenprogramm 271 ff.
Übergangsgeld, Behinderung 277 ff. Übergangsmandat - Betriebsrat 287 ff. - Betriebsspaltung 287 f. Überstunden - AGB-Kontrolle 115 ff. - Darlegungslast 107 f. 317
Stichwortverzeichnis
Überstunden - Vergütung 115 ff. Überwachungseinrichtung - Konzernbetriebsrat 267 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Umkleidezeiten 260 ff. - Arbeitsschutz 265 - Bezahlung 265 - Mitbestimmung Betriebsrat 260 f. - Wegezeiten 264 f. Umwandlung → Betriebsübergang Unterlassungsanspruch, Betriebsrat 235 ff. Unternehmensmitbestimmung - Leiharbeitnehmer 8 f. - Schwellenwerte 8 f. Unterrichtung, Betriebsübergang 222 f. Unterstützungsstreik, Schadensersatz 216 ff. Unverfallbarkeit, Betriebsrente 14 Urlaub → Erholungsurlaub Urlaubsabgeltung - Geldanspruch 130 - Krankheit 127 ff. - Surrogationstheorie 130 USA, Beschäftigtendatenschutz 39 ff.
Verbrauchervertrag, AGBKontrolle 62, 186 Verdachtskündigung, - außerordentliche 165 f. - Darlegungslast 166 ff. - Gründe 166 ff. - Nachschieben Gründe 168 ff. - ordentliche 164 ff. - Pflichtverletzung 165 - Sachaufklärung 168 318
Vergabeverfahren, Entsenderichtlinie 53 f. Vergleich, Rücktritt 181 ff. Vergütung, Auskunftsanspruch 252 f. Verhaltensbedingte Kündigung - Abmahnung 155 - Arbeitsverweigerung 154 ff. - Interessenabwägung 155 - Leistungsverweigerungsrecht 156 f. - Pflichtverletzung 159 - Verhältnismäßigkeit 155 - Versetzung 155 Verhaltenskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. Verjährung, Arbeitszeitkonto 106 Vermögenswirksame Leistung, Mindestlohn 126 Versorgungsausgleich, Betriebsrente 199 ff. Vertrag, mehrteiliger 70 ff. Vertrauensarbeitszeit - Arbeitszeitkonto 106 f. - Begriff 106 f. Vertretung, befristeter Arbeitsvertrag 64 ff., 67 ff. Vollmacht - Kündigung 142 ff. - Zurückweisung 145 f. Vorruhestand - ältere Arbeitnehmer 277 ff. - Altersdiskriminierung 174 ff. - Altersrente 277 ff. - Behinderung 277 ff. - Einkommensteuer 300 f. - Schwerbehinderung 277 ff. Vorstellungsgespräch, Bewerber 60 f. Vorzeitige Altersrente, Altersgrenze 212 ff.
Stichwortverzeichnis
Wäschereidienstleistungen, Mindestlohn 16 Wegezeiten, Mitbestimmung Betriebsrat 264 f. Weihnachtsgratifikation → Sonderleistung Weisungsrecht - ältere Arbeitnehmer 163 f. - Arbeitsort 81 f. - Einschränkung 81 f. - Homeoffice 81 f. - Konkretisierung 81 f. - Leistungsminderung 162 f. - Personalgespräch 92 f. Werkvertrag 30 - Arbeitnehmerüberlassung 3 - Betriebsrat 10 Whistleblower - Compliance 45 f. - Geschäftsgeheimnis 45 f. Widerruf, Einwilligung 34 f., 101 f. Widerspruch Betriebsübergang - Betriebsspaltung 283 ff. - Kündigung 283 ff.
Wiedereinstellungsanspruch - EMRK 171 ff. - Kündigung 171 ff. Wissenschaftszeitvertrag 17
Zeitarbeit → Arbeitnehmerüberlassung Zeitungszusteller, Mindestlohn 16 Zeugnis, Abwicklungsvertrag 187 f. Zielvereinbarung - Auskunftsanspruch 252 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 252 f. Zugangskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 266 f. Zweckbindung, Beschäftigtendatenschutz 37 Zwingende Gründe, Betriebsrente 195
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