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German Pages 406 Year 2014
Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2/2013
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Band 2/2013
Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von
Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von
Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.
Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2013, S. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42676-7 ©2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany
Vorwort Das Ende der Legislaturperiode hat nur noch wenige neue Gesetze gebracht. Jetzt bleibt abzuwarten, wie die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht umgesetzt werden. Im Mittelpunkt dürften dabei die Änderungen durch den gesetzlichen Mindestlohn, die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, die neuen Grenzen der Arbeitnehmerüberlassung und die gesetzlichen Vorschläge zur Einschränkung von Scheinwerkverträgen stehen. Da es hierzu schon SPDVorschläge aus der vergangenen Legislaturperiode gibt, wird man mit einer schnellen Umsetzung rechnen müssen. Dies ist insbesondere in einem Ministerium anzunehmen, das die SPD führen wird. Dabei dürften die Kriterien zur Abgrenzung der Einsatzformen von Fremdpersonal, die das BAG in aktuellen Entscheidungen getroffen hat, berücksichtigt werden. Das Datenschutzrecht wird mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Datenschutz-Grundverordnung verändert, die bis Mai 2014 verabschiedet werden soll. Schon heute haben aber erneut Entscheidungen des EuGH Veränderungen für das deutsche Arbeitsrecht ausgelöst. Beispielsweise sei hier auf den Begriff der Behinderung, die Quotierung des Urlaubs bei Teilzeitbeschäftigung, die veränderten Leitlinien zur Massenentlassung oder die Rechtsfolgen bei dynamischer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nach einem Betriebsübergang hingewiesen. Zur Arbeitnehmerüberlassung hatte der EuGH bislang keine Gelegenheit klarzustellen, welche Bedeutung das Gebot der vorübergehenden Überlassung besitzt. Allerdings hat das BAG am 10.12.2013 noch einmal bestätigt, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG keine dauerhafte Überlassung erlaubt. Hier müssen die Unternehmen neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln; insbesondere der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen dürfte hier neue Relevanz gewinnen. Ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher kann bei einer dauerhaften Überlassung indes nicht durchgesetzt werden. Im Bereich des Individualarbeitsrechts waren Klarstellungen zu den befristeten Arbeitsverträgen, der Haftung bei einer Missachtung gesetzlicher Regelungen zum Arbeitsschutz, der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und der arbeitsvertraglichen Gestaltung von Ausschlussfristen zu behandeln. Ganz wichtig insoweit sind auch die erfreulichen Feststellungen des BAG zur großen dynamischen Bezugnahmeklausel, die einen Tarifwechsel mit Branchenwechsel zulassen. Vielfach wird von dieser Gestaltungsoption in der Praxis allerdings kein Gebrauch gemacht. Ob hingegen von den Feststellungen des BAG in Bezug auf die Änderung arbeitsvertraglicher Regelungen V
Vorwort
durch Betriebsvereinbarung Gebrauch gemacht wird, ist schon aus Rechtsgründen zweifelhaft. Denn die Grundsätze des 1. Senats zu betriebsvereinbarungsoffenen Zusagen widersprechen früheren Feststellungen des 10. Senats, so dass schon insoweit eine Korrektur zu erwarten ist. Im Kündigungsrecht waren neben den neuen Vorgaben zur Massenentlassung vor allem die Feststellungen des BAG zur außerordentlichen Kündigung wegen der Fremdvergabe von Arbeiten sowie zur Bestimmtheit der Kündigungserklärung von Bedeutung für die Betriebspraxis. Im Bereich der Altersversorgung sei auf die neue Rechtsprechung zur Änderung von Versorgungsordnungen, die Auswirkungen der BBG-Änderung bei gespaltener Rentenformel und die Rechtsprechungsänderung beim Berechnungsdurchgriff im Konzern in Bezug auf die Betriebsrentenanpassung hingewiesen. Die letztgenannte Entscheidung hat Bedeutung auch für die Sozialplandotierung im Konzern. Sie stehen einem Durchgriff auf die Konzernobergesellschaft im faktischen Konzern im Zweifel entgegen, so dass dort nur (noch) die Leistungsfähigkeit des Vertragsarbeitgebers maßgeblich ist. Das Betriebsverfassungsrecht und die Unternehmensmitbestimmung waren geprägt von der Diskussion über die Leiharbeitnehmer. Abzuwarten bleibt, was nach dem Koalitionsvertrag durch den Gesetzgeber übernommen wird. Ergänzend hierzu haben wir Rechtsfragen zur Betriebsratswahl, die Anfechtung von Einigungsstellensprüchen und Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Berufsbildung behandelt. Bei Betriebsänderungen ist es wichtig, die neuen Leitlinien des BAG zur Behandlung rentennaher Jahrgänge bei der Berechnung von Abfindungsansprüchen im Sozialplan zu berücksichtigen, damit eine Altersdiskriminierung vermieden wird. Gestaltungsspielraum bei § 613 a BGB vermittelt das BAG mit seinen Feststellungen zur Zuordnung von Mitarbeitern, die auch bei einem Widerspruch vor dem Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs nutzbar gemacht werden können. Ich danke Dietrich Boewer (Boe) sehr herzlich für die umfassenden Stellungnahmen zu einer Vielzahl aktueller Entscheidungen. Ebenso danke ich Dr. Nina Hartmann (Ha), Dr. Tanja Hiebert (Hie), Laura Jung (Ju), Dr. Alexandra Otto (Ot), Dr. Daniela Rindone (Ri), Daniel Dominik (Do), Michael Kamps (Kam), Christoph Kaul (Ka), Dr. Benedikt Schmidt (Sch) und Linda Kriebel Volk sowie - ganz wesentlich –Doris Hensch. Gemeinsam haben sie an der Fertigstellung des Werks mitgewirkt, so dass wir gemeinsam eine außerordentlich aktuelle Zusammenfassung der Änderungen durch Rechtsprechung und Politik erreicht haben Köln, im Winter 2013 VI
Björn Gaul (Ga)
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort................................................................................................ .......... V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV
A.
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 311
1.
Essentialia des Koalitionsvertrags in Bezug auf das Arbeitsund Sozialversicherungsrecht .......................................................... 311 a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) n) o)
Ausweitung des gesetzlichen Mindestlohns ............................. 311 Erweiterung der tariflichen Mindestlohnsetzung ...................... 312 Einschränkung von befristeten Arbeitsverträgen ...................... 313 Erleichterung von Teilzeitbeschäftigung................................... 313 Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung – Erweiterung der Rechtsposition von Leiharbeitnehmern .............................. 314 Einschränkung des Einsatzes von Werkverträgen..................... 316 Tarifeinheit ................................................................................ 317 Einführung einer Frauenquote .................................................. 318 Vergütung von Vorständen und oberen Führungskräften .......... 319 Arbeitnehmerdatenschutz und Whistleblowing ........................ 320 Lohngleichheit von Männern und Frauen ................................. 320 Arbeitsschutz ............................................................................. 322 Altersversorgung und Altersrente für langjährig Versicherte ................................................................................. 323 Rentenversicherungspflicht bei Minijobs ................................. 323 Fazit ........................................................................................... 324
2.
Klarstellung im ArbSchG zur Einbindung der psychischen Belastung bei der Gefährdungsanalyse ............................................ 324
3.
Verlängerung der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld....................... 325 VII
Inhaltsverzeichnis
4.
Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge .................................................................... 326
5.
Gesetzentwurf zur Begrenzung der Vorstandsvergütung ................. 326 a) Gescheiterte Überlegungen von CDU/CSU und FDP .............. 327 b) Abgelehnte Vorschläge der SPD-Fraktion ................................ 328
6.
Gescheiterte Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Legislaturperiode.............................................................................. 329
7.
Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen ................................................... 331
8.
Gesetzliche Privilegierung bei Personalgestellung und Abordnung durch öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften ...................................................................... 331
9.
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ............................................................... 333
10.
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Einführung eines Mindestlohns .................................................................................... 334
11.
Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu Diskriminierungen im Bildungsbereich und Arbeitsleben ............... 334
B.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 337
1.
Aktueller Stand zur EU-Datenschutz-Grundrechtsverordnung ....................................................................................... 337
2.
Kein Solvency II für die betriebliche Altersversorgung .................. 339
3.
Neue Unverfallbarkeitsregelungen durch Einigung in Bezug auf die Portabilitätsrichtlinie ............................................................ 339
4.
Vorschlag einer Richtlinie zur Arbeitnehmerfreizügigkeit .............. 340
5.
Vorschlag für eine Änderung mehrerer Richtlinien in Bezug auf Seeleute ...................................................................................... 341
6.
Arbeitsprogramm der Kommission 2014 ......................................... 343
VIII
Inhaltsverzeichnis
C.
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 347
1.
Altersdiskriminierung durch „junges dynamisches Team“ oder die Suche nach Berufsanfängern? ............................................ 347
2.
Kein genereller Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber zur Vorbereitung einer Diskriminierungsklage ...................................... 351
3.
Diskriminierung wegen des Geschlechts durch Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin .................................................. 356
4.
Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen ........................ 357
5.
Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen ....................................... 360 a) Rechtsmissbrauch bei mehrfach (sachgrundlos) befristeten Arbeitsverträgen ...................................................... 361 b) Befristeter Arbeitsvertrag mit Betriebsratsmitglied .................. 364 c) Probezeitbefristung als „überraschende Klausel“ im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB ................................................... 368
6.
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag, freien Mitarbeitern und Selbstständigen .......... 371 a) b) c) d) e) f) g) h)
7.
Einleitung .................................................................................. 371 Kriterien zur Abgrenzung der Vertragsverhältnisse .................. 372 Konsequenzen einer Scheinselbständigkeit .............................. 381 Konsequenzen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht .......... 382 Konsequenzen aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht .......... 382 Konsequenzen aus steuerrechtlicher Sich ................................. 383 Konsequenzen aus strafrechtlicher Sicht .................................. 383 Fazit ........................................................................................... 383
Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung ........................ 384 a) Konsequenzen einer unbefristeten Überlassung von Arbeitnehmern........................................................................... 384 b) Unwirksamkeit der üblichen Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge der Zeitarbeit ....................................................... 388 c) Arbeitsvertraglicher Vorbehalt einer einseitigen Änderung des in Bezug genommenen Tarifvertrags ................. 393 d) Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay) ............................................................................... 394 IX
Inhaltsverzeichnis
e) Geltung von Ausschlussfristen .................................................. 397 f) Anwendbarkeit gesetzlicher Verjährungsregelungen ................ 399 8.
Individualrechtliche Konsequenzen einer schuldhaften Missachtung von Arbeitsschutzvorschriften .................................... 400
9.
Krankheit und Vorliegen einer Behinderung.................................... 403
10.
Unternehmensübergreifende Verarbeitung von Personaldaten in einer konzernbezogenen Shared-Service-Einheit ........................ 406 a) Ausgangspunkt .......................................................................... 406 b) Übermittlung auf Grundlage von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2, 32 Abs. 1 S. 1 BDSG ..................................................................... 407 c) Auftragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG ............................ 408 d) Übermittlung auf Grundlage von (Konzern-)Betriebsvereinbarung .............................................. 409 e) Rechtfertigung durch Einwilligung der Beschäftigten ............. 410 f) Beteiligungsrechte des Betriebsrats .......................................... 411 g) Einbindung ausländischer Konzerngesellschaften .................... 412 h) Fazit ........................................................................................... 413
11.
Facebook & Co. - Arbeitsrechtliche Fragen einer Nutzung sozialer Netzwerke durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer ............... 413 a) Vertrauliche Kommunikation bei Facebook? ............................ 414 b) Kündigung aufgrund Betätigung des „Gefällt-mirButtons“..................................................................................... 417 c) Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ........................ 418 d) Gespeicherte Kundendaten auf Xing-Profil als Geschäftsgeheimnis? ................................................................. 419 e) Fazit ........................................................................................... 420
12.
Arbeitsrechtliche Fragestellungen bei der Durchführung eines Sabbaticals........................................................................................ 420 a) b) c) d) e) f)
X
Historie und Problemdarstellung .............................................. 421 Arbeitsrechtliche Grundlage der Zeit einer Freistellung .......... 422 Nebenpflichten, Arbeitsentgelt und Urlaub .............................. 423 Wertguthabenvereinbarung ....................................................... 424 Zusammensetzung und Berechnung des Wertguthabens .......... 425 Insolvenzsicherung .................................................................... 426
Inhaltsverzeichnis
g) Fazit ........................................................................................... 426 13.
Nettomethode bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens ..................................................................................... 427
D.
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 431
1.
Vertrauensarbeitszeit: Umfang der Arbeitszeit beim Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen ........................................................ 431
2.
Deklaratorische Bedeutung einer arbeitsvertraglichen Regelung zur Wochenarbeitszeit ...................................................... 436
3.
Anordnung, Billigung oder Duldung von Überstunden ................... 437
4.
Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung: Rechtsmissbrauch bei minimalen Absenkungen? ................................................................ 441
5.
Elternzeit: Anspruch auf zweimalige Absenkung der Arbeitszeit ........................................................................................ 443
6.
Altersteilzeit: Begriff der „bisherigen Arbeitszeit“ .......................... 446
7.
Wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen .............. 448
8.
Urlaub an Feiertagen? ...................................................................... 452
9.
Schadensersatzanspruch bei Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung ........................................................................... 456
10.
Ausschlussfristen und Ausgleichsklausel bei der Urlaubsabgeltung ............................................................................. 460
11.
Keine Quotierung erworbener Urlaubsansprüche bei Wechsel von Vollzeitarbeit in Teilzeitarbeit ................................................... 464
12.
Sonderurlaub für ältere Arbeitnehmer.............................................. 468
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................ 469
1.
Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nach unterbrochener Betriebszugehörigkeit ...................................................................... 469
2.
Bestimmtheit einer Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ........................................................................................ 472
3.
Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen ..................... 474 XI
Inhaltsverzeichnis
a) Ausgangssituation ..................................................................... 474 b) Der Betrieb als (variable) Grundlage für das Vorliegen von Massenentlassung und Betriebsänderung .......................... 475 c) Inhalt der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG ............ 477 d) Zeitpunkt der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG ....................................................................................... 479 e) Form der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG............. 480 f) Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG .................................... 482 g) Stellungnahme des Betriebsrats zur Massenentlassung ............ 483 h) Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens .................................................... 484 i) Unerheblichkeit etwaiger Feststellungen der Agentur für Arbeit......................................................................................... 486 j) Fazit ........................................................................................... 487 4.
Betriebsbedingte Kündigung trotz freien Arbeitsplatzes im Ausland ............................................................................................ 487
5.
Sozialauswahl: Kennzeichnung des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs ............................................. 488
6.
Änderung eines Punkteschemas zur Sozialauswahl durch Interessenausgleich mit Namensliste ............................................... 492
7.
Fremdvergabe: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist................................................................................. 494
8.
Außerordentliche Verdachtskündigung: Nachschieben von Kündigungsgründen ......................................................................... 499
9.
Beendigung des Arbeitsvertrags durch Altersgrenze in Betriebsvereinbarung ....................................................................... 503
10.
Interessenkollision bei Beteiligung der Schwerbehindertenvertreter ............................................................. 509
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................................................ 513
1.
Aufgabe der Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff zur Anpassung der Betriebsrenten im Konzern ..................................... 513
XII
Inhaltsverzeichnis
2.
Änderung von Versorgungsordnungen durch Betriebsvereinbarung ....................................................................... 516
3.
Konsequenzen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003 für Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel .................................................................................... 520
4.
Diskriminierung wegen des Alters oder Geschlechts beim Verfall von Versorgungsanwartschaften ........................................... 524
5.
Fortbildungskosten: Kein Rückzahlungsanspruch bei unwirksamer Rückzahlungsklausel .................................................. 527 a) Fehlende Differenzierung bei den Gründen der Vertragsbeendigung ................................................................... 527 b) Unklarheiten bezüglich der zu erstattenden Kosten.................. 530 c) Fazit ........................................................................................... 532
6.
Befristete Beschäftigung von Rentnern ........................................... 532
G.
Tarifrecht........................................................................................ 537
1.
Wirksamkeit der großen dynamischen Bezugnahmeklausel............ 537
2.
Bezugnahmeklausel: Fortgeltung eines Anerkenntnistarifvertrags nach Betriebsübergang ........................... 541
3.
Konsequenzen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Firmentarifverträge .......................................................................... 544 a) Voraussetzungen der Zuordnung eines Firmentarifvertrags .................................................................... 545 b) Möglichkeit einer mehrfachen Zuordnung ............................... 546 c) Konsequenzen einer fehlenden Zuordnung für die übernehmenden Rechtsträger .................................................... 547 d) Konsequenzen einer ausschließlichen Zuordnung zu den übernehmenden Rechtsträgern .................................................. 549 e) Bedeutung des Geltungsbereichs des Firmentarifvertrags ........ 550 f) Fazit ........................................................................................... 552
4.
Günstigkeitsprinzip und Sachgruppenvergleich bei unterschiedlichen tariflichen Ansprüchen nach Betriebsübergang .............................................................................. 552
5.
Fehlende Tariffähigkeit von „medsonet“ ......................................... 556 XIII
Inhaltsverzeichnis
6.
Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im tarifpluralen Betrieb ..................... 557
H.
Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 559
1.
Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses trotz unvollständiger Tagesordnung?........................................................ 559
2.
Voraussetzungen eines Tarifvertrags über vom Gesetz abweichende Arbeitnehmerstrukturen ............................................. 562 a) Ausgangssituation ..................................................................... 562 b) Unternehmensbezogene Zusammenfassung von Betrieben ................................................................................... 563 c) Spartenbezogene Arbeitnehmervertreter ................................... 565 d) Sonstige Arbeitnehmervertretungsstrukturen ............................ 567 e) Abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarung ........... 569
3.
Betriebsratswahl 2014 ...................................................................... 570 a) Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts ....................... 570 b) Kennzeichnung einer Gewerkschaftsliste ................................. 573 c) Fehlerhafte Bildung eines Wahlvorstands ................................. 577
4.
Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Betriebsratsgröße ......... 579
5.
Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung ................................................... 583
6.
Wahlrecht bei Aufsichtsratswahlen im gemeinsamen Betrieb ......... 588
7.
Zeiterfassung für freigestellte Betriebsratsmitglieder ...................... 591
8.
Verbreitung eines Streikaufrufs im Intranet durch den Betriebsratsvorsitzenden .................................................................. 594
9.
Anspruch auf Durchführung eines angefochtenen Einigungsstellenspruchs über Sozialplan ......................................... 596
10.
Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beim Einsatz von Leiharbeitnehmern ....................................................... 599
11.
Mitbestimmung bei betrieblicher Berufsbildung ............................. 602
12.
Rechtsfolgen einer Altersdiskriminierung durch Betriebsvereinbarung ....................................................................... 604
XIV
Inhaltsverzeichnis
I.
Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 609
1.
Sozialplanabfindung: Wege zur Vermeidung einer Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung ................ 609 a) Ausgangssituation ..................................................................... 609 b) Vorliegen einer Ungleichbehandlung ........................................ 610 c) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung und Maßgabe des EuGH .................................................................................. 611 d) Neue Rechtsprechung des BAG ................................................ 614
2.
Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage ........... 618 a) Einführung................................................................................. 618 b) Zweck von Sozialplanleistungen .............................................. 618 c) Konsequenzen für die Festsetzung des Sozialplanvolumens .................................................................. 619 aa) Grundsatz: Wirtschaftliche Vertretbarkeit als Ermessensgrenze .............................................................. 619 bb) Sozialplanmindernde und sozialplanerhöhende Faktoren ............................................................................ 621 cc) Entscheidungserheblicher Zeitpunkt ................................ 622 d) Besonderheiten im Konzern ...................................................... 623
3.
aa) Grundsatz und mögliche Fallgruppen eines Berechnungsdurchgriffs ................................................... 623 bb) Rechtsprechungsänderung zum qualifiziert faktischen Konzern ........................................................... 624 cc) Konsequenzen für den Vertragskonzern ........................... 627 Kennzeichnung des anspruchsberechtigten Personenkreises beim Nachteilsausgleich................................................................... 629
4.
Zuordnung von Arbeitnehmern beim Betriebsteilübergang............. 633
5.
EuGH: Keine Dynamische Bezugnahme auf nach Betriebsübergang verhandelte und abgeschlossene Tarifverträge ..................................................................................... 638
6.
Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ............................................ 642
7.
Keine missbräuchliche „Doppelversorgung“ bei Streit über Betriebsübergang .............................................................................. 645 XV
Inhaltsverzeichnis
J.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 647
1.
Schadensersatz wegen Sperrzeit als Folge vereinbarungswidriger Auskünfte des Arbeitgebers ........................ 647
2.
Sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche bei Entlassung trotz ordentlicher Unkündbarkeit .................................. 649
3.
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei Berufsständischen Versorgungswerken ............................................ 651
4.
Neue Beitragsgrößen der Sozialversicherung 2014 ......................... 653
Stichwortverzeichnis................................................................................... 655
XVI
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz AltZertG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm. AO AP ArbG ArbGG
anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz 1979
XVII
Abkürzungsverzeichnis
AR-Blattei ArbNErfG
AuR AWbG
Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz
BA BAG BAVAZ BAT
Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag
ArbPlSchG ArbRB ArbSchG
ARSt ArbStättVO ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG AufenthG Aufl. AÜG
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
BAT-O BB BBG BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancen gesetz BeschFG BeschSchG BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG
Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 XIX
Abkürzungsverzeichnis
br BR-Drucks. BRTV-Bau BSDG BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG
DA DAG DB DBGrG DCGK ders. XX
Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe
Abkürzungsverzeichnis
DGB d. h. DKK DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE
Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung
EAS EBRG
Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EGMR EMRK ErfK ESC EStG etc. EU EuGH EUZBLG EuZW
XXI
Abkürzungsverzeichnis
EUV e. V. evtl. EVÜ EWG EWiR EzA
Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
FamPflegeZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FR FS
Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift
GA-AÜG
Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR GmbHR GmS-OBG GNBZ GRC GRUR GS GSG GWB XXII
Abkürzungsverzeichnis
HAG HaKo-KSchR Halbs. h. M. HGB HinGebSchG SWG
Heimarbeitergesetz Handkommentar- Kündigungsschutzrecht Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock
i. d. F. i. E. i. H. a. INF InKDG
in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit
InsO InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG KDZ Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften XXIII
Abkürzungsverzeichnis
K&R krit. KSchG KuG
Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld
LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG
Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung
Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG m. w. N. MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG MonMitbestErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG
XXIV
mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968
Abkürzungsverzeichnis
NachwG n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG
Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OLG
Oberlandesgericht
PatG PersR PersVG NW
Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit
PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV PSDG PSH-BV PSV PW
Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Preis/Willemsen
RabattG RAG RAGE
Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken XXV
Abkürzungsverzeichnis
RIW RL Rz. Rs. RsprEinhG RVO RzK s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI
XXVI
Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie(n) Randzahl/Randziffer Rechtssache Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 Reichsversicherungsordnung 1911 Rechtsprechung zum Kündigungsrecht siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch - Allgemeiner Teil 1975 Sozialgesetzbuch, III. Buch - Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch - Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994
Abkürzungsverzeichnis
SGb SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr.
Die Sozialgerichtsbarkeit Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (=Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung
TransPuG TVG TVöD TzBfG
Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001
u. a. u. ä. ÜbernG
unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften
UmlFinG UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG VersAusglG
vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz XXVII
Abkürzungsverzeichnis
vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG WM WpHG WPrax WpÜG WWKK z. B. ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO XXVIII
vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wlotzke, Wissmann, Koberski, Kleinsorge: Mitbestimmungsrecht zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877
Abkürzungsverzeichnis
ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG
Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz
XXIX
A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.
Essentialia des Koalitionsvertrags in Bezug auf das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Nach langen Verhandlungen haben sich CDU/CSU und SPD am 27.11.2013 auf einen Koalitionsvertrag verständigt1. Auf dieser Grundlage soll am 17.12.2013 die Wahl der Bundeskanzlerin erfolgen. Im Vorfeld der Bundestagswahl und in ihrem unmittelbaren Anschluss war es zunächst einmal vor allem um die Problematik des Mindestlohns, die Geschlechterquoten in Aufsichtsrat und Vorstand, Einschränkungen im Bereich der Leiharbeit (insbesondere: Durchsetzung des Equal-Pay-Grundsatzes), die Durchsetzung der Entgeltgleichheit bei Männern und Frauen, die Abschaffung einer sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen, weitergehende Regelungen zur Bekämpfung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, Maßnahmen zur Einschränkung von Dienst- und Werkverträgen, eine Ausweitung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats und ergänzende Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz gegangen2. Fast alle Aspekte wurden im Rahmen des Koalitionsvertrags aufgegriffen und durch weitere Ziele für die kommende Legislaturperiode ergänzt. Ob damit wirklich „Vollbeschäftigung, gute Arbeit und soziale Sicherheit“ erreicht wird, wie die Überschrift des maßgeblichen Unterabschnitts beschreibt, ist in Bezug auf manche Vorstellungen fraglich. Nachfolgend soll versucht werden, die Ziele unter Berücksichtigung bisheriger Gesetzesentwürfe zusammenzufassen:
a)
Ausweitung des gesetzlichen Mindestlohns
Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn kommt, allerdings mit zeitlichen Einschränkungen3. Zum einen gilt der Stundenlohn von 8,50 € erst ab 1.1.2015. Zum anderen kann noch bis zum 31.12.2016 auf Branchenebene
1 2
3
www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/48077057_kw48_koalitionsvertrag.pdf. Eingehend hierzu Schneider, DB 2013, 1551 ff.; Bauer/Klebe/Schunder, NZA 2013, 827 ff.; ergänzend zur betrieblichen Altersversorgung im SPD-Rentenkonzept vgl. Schaaf, Betriebliche Altersversorgung, 87 f. Zu einer gesetzlichen Regelung kollektiver Arbeitskonflikte in der Daseinsvorsorge vgl. Bayreuther, NZA 2013, 704 ff. Koalitionsvertrag S. 68. Zum Mindestlohn in Europa vgl. auch bei http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_explained/index.php/Minimum_wage_statist ics/de sowie www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_43753.htm#cont_43784.
311
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
durch Tarifvertrag von diesen Vorgaben abgewichen werden, sofern die Tarifvertragsparteien repräsentativ sind. Bei der Feststellung der Repräsentativität dürfte entsprechend § 7 AEntG vorrangig abzustellen sein auf •
die Zahl der von den jeweils tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
•
die Zahl der jeweils unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Mitglieder der Gewerkschaft, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat.
Tarifverträge, die am 27.11.2013 bereits gelten und in denen spätestens bis zum 31.12.2016 das dann geltende Mindestlohnniveau erreicht wird, gelten fort, sofern eine Aufnahme in das AEntG erfolgt ist. Entsprechendes gilt für Tarifverträge, die im Rahmen des AEntG verbindlich geworden sind. Ab 1.1.2017 ist dann allerdings auch bei abweichenden Tarifverträgen der gesetzliche Mindestlohn maßgeblich. Die Höhe des Mindestlohns wird in regelmäßigen Abständen – erstmals zum 10.6.2017 mit Wirkung zum 1.1.2018 – von einer Kommission der Tarifpartner überprüft, ggf. angepasst und anschließend über eine Rechtsverordnung staatlich erstreckt und damit allgemeinverbindlich. Die Besetzung der Kommission erfolgt paritätisch (je 3 Vertreter der Spitzenorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern); Wissenschaftlicher Sachverstand kann von beiden Seiten – allerdings ohne Stimmrecht – durch jeweils eine Person hinzugezogen werden.
b)
Erweiterung der tariflichen Mindestlohnsetzung
Vorgesehen ist nicht nur, das AEntG auf alle Branchen zu erweitern. Auch die Allgemeinverbindlicherklärung auf der Grundlage von § 5 TVG soll erleichtert werden4. So soll es nicht mehr erforderlich sein, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Es soll genügen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlichkeit besteht. Hiervon soll nach dem Koalitionsvertrag auszugehen sein, wenn • die Funktionsfähigkeit von gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (Sozialkassen) gesichert werden soll,
4
Koalitionsvertrag S. 67 f.
312
Essentialia des Koalitionsvertrags
• die Allgemeinverbindlicherklärung die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen sichert, oder • die Tarifvertragsparteien eine Tarifbindung von mindestens 50 % glaubhaft machen.
Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen ebenso wie über Rechtsverordnungen nach dem AEntG sollen den Arbeitsgerichten zugewiesen werden.
c)
Einschränkung von befristeten Arbeitsverträgen
Entgegen ursprünglicher Forderungen der SPD sind im Koalitionsvertrag keine Einschränkungen in Bezug auf den Abschluss befristeter Arbeitsverträge vorgesehen. Das ist zu begrüßen, insbesondere mit Blick auf die damit fortbestehende Berechtigung einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG.
d)
Erleichterung von Teilzeitbeschäftigung
Das Interesse an Teilzeitbeschäftigungen soll weiter gefördert, das Teilzeitrecht „weiterentwickelt“ werden. Hierzu soll ein Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit vorgesehen werden, wenn sich Arbeitnehmer aus Gründen der Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer Teilzeitbeschäftigung entschließen. Offenbar (auch insoweit) an den Vorschlägen der SPDFraktion in der vergangenen Legislaturperiode5 anknüpfend, wird man davon ausgehen können, dass § 8 TzBfG dahingehend geändert wird, dass zukünftig auch ein befristeter Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung geltend gemacht werden kann. Der SPD-Vorschlag sah eine Zeitspanne von mindestens 6 Monaten und höchsten 5 Jahren vor. Unklar ist, ob weitergehende Verschärfungen erfolgen sollen. Der Koalitionsvertrag spricht hier nur davon, dass die Darlegungslast im TzBfG auf den Arbeitgeber übertragen werden soll und bestehende Nachteile für Teilzeitbeschäftigte beseitigt werden sollen6. Wenn dies zum Inhalt hat, dass auch die weiterführenden Vorstellungen der SPD umgesetzt werden, steht zu befürchten, dass betriebliche Gründe nur noch dann einem Antrag auf Herabsenkung und/oder Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehen, wenn sie dringend und auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin gewichtiger sind. Diese Interessenabwägung findet 5 6
BT-Drucks. 17/13084. Koalitionsvertrag S. 70.
313
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
nach geltender Rechtslage nicht statt7. Damit würden die heutigen Unterschiede zwischen § 8 TzBfG und § 15 BEEG in einem ganz wichtigen Punkt beseitigt und die Möglichkeit, Anträge auf Absenkung der Arbeitszeit abzulehnen, ganz erheblich eingeschränkt. Als weitere Veränderung könnte mit der „nebulösen“ Formulierung einer Nachteilsbeseitigung beabsichtigt sein, dass der Anspruch auf Absenkung der Arbeitszeit bereits mit seiner Geltendmachung zu einer Änderung des Arbeitsvertrags führt, wenn kein (dringender) betrieblicher Grund zur Ablehnung vorhanden ist. Der Arbeitnehmer könnte dann verlangen, entsprechend seinem Verlangen beschäftigt zu werden, ohne dass erst eine rechtskräftige Verurteilung des Arbeitgebers zur Zustimmung zur beantragten Absenkung und/oder Verteilung erforderlich ist. Würde der Arbeitnehmer entgegen seinem Verlangen weiterhin in Vollzeit beschäftigt, hätte dies Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers (z. B. Bezahlung einer Tagesmutter) zur Folge. Ergänzend hierzu soll eine Anhebung der Arbeitszeit bzw. die Rückkehr zur Vollzeit dadurch erleichtert werden, dass ein freier Arbeitsplatz auch ein solcher Arbeitsplatz ist, der nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Arbeitsumfang im Wege der Aufstockung in Anspruch genommen werden kann. Völlig unklar ist, wie dabei berücksichtigt werden soll, ob arbeitgeberseits überhaupt Bedarf an einer Beschäftigung in Vollzeit besteht. Im Gegenteil: Wenn der SPD-Vorschlag der vergangenen Legislaturperiode umgesetzt würde, könnte sogar eine tatsächliche Beschäftigung durchgesetzt werden, ohne dass hierfür erst eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Antrag auf Anhebung der Arbeitszeit erforderlich ist. Die weitergehende Forderung der SPD, im Rahmen der Elternzeit eine Übertragung von 24 Monaten (bislang: 12 Monate) auf einen Zeitraum bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (bislang 8. Lebensjahr) zuzulassen, ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen.
e)
Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung – Erweiterung der Rechtsposition von Leiharbeitnehmern
Die Arbeitnehmerüberlassung wird stärkeren Schranken unterworfen, die Rechtsposition der Leiharbeitnehmer gestärkt8. Neben den Änderungen des AÜG zur Begrenzung des Einsatzes von (Schein-)Werkverträgen, auf die 7 8
Vgl. HWK/Schmalenberg, TzBfG § 8 Rz. 22 f. Koalitionsvertrag S. 69.
314
Essentialia des Koalitionsvertrags
nachfolgend hingewiesen wird, soll das AÜG auch insoweit angepasst werden, als die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung auf 18 Monate begrenzt werden soll. Wichtig ist, dass der Gesetzgeber im Auge behält, hier Übergangsregelungen für solche Tatbestände zu schaffen, in denen eine Überlassungsdauer von 18 Monaten kurzfristig erreicht wird oder sogar schon überschritten wurde. In jedem Fall dürfte sich mit dieser Schranke der Streit über die Bedeutung des Gebots einer nur vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG auflösen, den wir an anderer Stelle behandelt haben9. Ausnahmen hiervon können durch branchenbezogenen Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung vereinbart werden, sofern die berechtigten Interessen der Stammbelegschaft berücksichtigt werden. Darüber hinaus soll durch Änderung des AÜG gewährleistet werden, dass nach neun Monaten ein Anspruch der Leiharbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt entsprechend den Leistungen an vergleichbare Stammarbeitnehmer besteht. Damit gilt Equal-Pay, nicht aber Equal-Treatment. Die Ungleichbehandlung in Bezug auf sonstige Arbeitsbedingungen außerhalb des Entgelts setzt damit weiterhin eine gesetzliche oder tarifliche Grundlage voraus. Hier kann das AÜG nicht geändert werden. In Bezug auf die jetzt vorgesehene Änderung dürfte indes entscheidend sein, dass bei der weiteren Umsetzung eine klare Kennzeichnung des Begriffs des Arbeitsentgelts erfolgt, was nach Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 2008/104/EG (Leiharbeitsrichtlinie) auch möglich ist. Andernfalls ist der Streit über die Einbeziehung einmaliger Leistungen, betriebszugehörigkeitsbezogener Zahlungen (z. B. Jubiläumsgeld), Sachleistungen (z. B. Dienstwagen), betriebliche Altersversorgung oder unternehmensbezogener Vergütungsbestandteile (z. B. Energiedeputate, ÖPNV-Tickets, Aktienoptionen, Belegschaftsaktien) vorprogrammiert. Ein Verbot eines Streikeinsatzes von Leiharbeitnehmern, das vielfach bereits durch Tarifvertrag bestimmt wird, soll in das Gesetz aufgenommen werden. Darüber hinaus soll im BetrVG geregelt werden, dass Leiharbeitnehmer bei den gesetzlichen Schwellenwerten grundsätzlich berücksichtigt werden, sofern dies der Zielrichtung der jeweiligen Vorschrift nicht widerspricht. Damit setzt die Bundesregierung die Rechtsprechung des BAG um, über die wir bereits an anderer Stelle berichtet haben10. Völlig offen bleibt dabei aber, 9 B. Gaul, AktuellAR 2013, 384 ff. 10 B. Gaul, AktuellAR 2013, 202 ff.; 579 ff.
315
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
welche Konsequenzen dies für die Unternehmensmitbestimmung haben soll11.
f)
Einschränkung des Einsatzes von Werkverträgen
Auch in diesem Punkt hat sich die SPD durchgesetzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Übereinstimmung der Feststellungen im Koalitionsvertrag auf der einen Seite und der Vorschläge der SPD-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode auf der anderen Seite beachtet12, über die wir berichtet hatten13. Sie können zwanglos aufsetzen auf dem aktuellen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Umgehung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen, wie er am 28.10.2013 durch den Bundesrat in den Bundestag eingebracht wurde14. Auch wenn im Koalitionsvertrag nur weitgehend abstrakte Feststellungen enthalten sind, wird man davon ausgehen müssen, dass Leiharbeit zukünftig auch ausdrücklich als solche gekennzeichnet werden muss. Wird diese Kennzeichnungspflicht missachtet, dürfte es nicht nur statthaft sein, die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu versagen. Vielmehr soll dieser Verstoß auch zu einer Anwendung von § 9 AÜG mit der Folge führen, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet wird. Die bisweilen verfolgte Idee, die Kennzeichnung von Scheinwerkverträgen als Arbeitnehmerüberlassung dadurch abzusichern, dass der Werkunternehmer eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besitzt und der Einsatz des Fremdpersonals jedenfalls insoweit zulässig ist, funktioniert damit nicht mehr. Zu erwarten ist sogar, dass eine Missachtung der Kennzeichnungspflicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. Da die Informations- und Unterrichtungsrechte der Betriebsräte gestärkt werden sollen, ist davon auszugehen, dass in § 80 Abs. 2 BetrVG klargestellt wird, dass dem Betriebsrat bei einer Person, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht, auch die Verträge zwischen dem Arbeitgeber und der eingesetzten Person oder dem diese beschäftigenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Entsprechendes gilt für Unterlagen über Einsatztage, Einsatzzeiten und Tätigkeiten dieser Person sowie Informationen zu den Arbeitsaufgaben und Arbeitsabläufen einschließlich der Zusammenarbeit mit den Betriebsangehörigen.
11 12 13 14
Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 583 ff. BT-Drucks. 17/12378. B. Gaul, AktuellAR 2013, 8 ff. BT-Drucks. 18/14; BR-Drucks. 687/13.
316
Essentialia des Koalitionsvertrags
Darüber hinaus dürfte die Informations- und Beratungspflicht in Bezug auf die Personalplanung nach § 92 Abs. 1 BetrVG jetzt ausdrücklich auch auf Personen erstreckt werden, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Der bisherige Vorschlag des Bundesrats knüpft hier allerdings in einer völlig inakzeptablen Vereinfachung an den Umstand an, dass die Person länger als einen Monat auf dem Betriebsgelände tätig sein soll. In diesem Fall soll auch der Betriebsrat nach einem neuen § 99 a BetrVG vor dem Einsatz um Zustimmung gebeten werden müssen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG soll nach dem Entwurf des Bundesrats insoweit auf Fremdpersonal erweitert werden, als dass das Mitbestimmungsrecht im Bereich des Arbeitsschutzes (Nr. 7) auf alle auf dem Betriebsgelände tätigen Personen ausgeweitet werden soll. Hier sieht der Entwurf also keinerlei Mindestaufenthaltsdauer vor; jede Person – auch der Briefträger – wird erfasst. Ob der Koalitionsvertrag dies mit der Feststellung meint, dass der „gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen und –arbeitnehmer … sichergestellt werden [muss]“, ist fraglich. Entgegen deutlich weitergehenden Vorstellungen der SPD-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode15 sieht der Entwurf des Bundesrats nicht vor, § 87 BetrVG so zu ergänzen, dass der Betriebsrat generell für Personen Mitbestimmungsrechte wahrnehmen kann, die zwar nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, jedoch einen Arbeitsplatz besetzen, der der unternehmerischen Konzeption desselben unterliegt. Dies hätte Beteiligungsrechte des Betriebsrats auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 6 BetrVG bewirken können. Entgegen dem ursprünglichen SPD-Entwurf sieht der Vorschlag des Bundesrats auch keine Änderungen in §§ 111, 112 BetrVG vor. Nach den früheren Überlegungen sollte der Betriebsübergang in § 111 BetrVG als eigenständige Form der Betriebsänderung erfasst werden. Dies hätte auch die Verpflichtung ausgelöst, über das Ob, Was und Wie solcher Übertragungsvorgänge mit dem Betriebsrat verhandeln zu müssen. Vielmehr hätte die Einigungsstelle auch etwaige Nachteile des Betriebsübergangs, insbesondere eine etwaige Verschlechterung der Haftungsmasse, berücksichtigen müssen. Dies ist nach derzeitiger Rechtslage nicht der Fall.
g)
Tarifeinheit
Im Koalitionsvertrag ist auch eine Festschreibung des Grundsatzes der Tarifeinheit nach dem „betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip“ vorgesehen, da-
15 Vgl. BT-Drucks. 17/12378.
317
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
mit der Koalitions- und Tarifpluralismus in „geordnete Bahnen“ gelenkt wird16. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber es wirklich schafft, hier eine gemeinsame Regelung zu schaffen, die – anders als der frühere Vorschlag von DGB und BDA – auch verfassungsrechtliche Grundsätze ausreichend berücksichtigt. Dass es genügt, durch „flankierende Verfahrensregelungen … verfassungsrechtlich gebotenen Belangen Rechnung“ zu tragen, erscheint außerordentlich fraglich. Denn trotz der offenkundigen Probleme, die Spartengewerkschaften machen und die zu beseitigen sind, muss auch insoweit dem Grundrecht einer Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) Rechnung getragen werden. Der „Professorenvorschlag“ dürfte hierfür eine geeignete Grundlage sein. Wir hatten darüber schon bei früherer Gelegenheit berichtet17.
h)
Einführung einer Frauenquote
Parallel zu den Entwicklungen zur Frauenquote auf europäischer Ebene18 soll auch in Deutschland eine Frauenquote für die Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften und „voll mitbestimmungspflichtiger“ Unternehmen - gemeint sind wohl Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung - geschaffen werden19. Nach dem jetzt verhandelten Kompromiss soll eine Quote in Höhe von 30 % ab 2016 bei Entscheidungen zur Neubesetzung zur Anwendung kommen. Wenn die Quote nicht erreicht wird, soll dies durch das Verbot einer alternativen Besetzung durch Vertreter des anderen Geschlechts sanktioniert werden. Dies kann dann unmittelbar Mehrheitsverhältnisse verändern. Für Vorstände und Geschäftsführungen und Führungskräfte in den „obersten Management-Ebenen“ gibt es keine gesetzliche Quote. Allerdings sollen börsennotierte Gesellschaften und mitbestimmungspflichtige Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden, ab 2015 verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand, Geschäftsführung und oberster Management-Ebene festzulegen, zu veröffentlichen und darüber transparent zu berichten. Die Zielgrößen müssen bis 2017 erreicht werden und dürfen nicht nachträglich nach unten berichtigt werden. Darüber hinaus ist beabsichtigt, Maßnahmen für die Privatwirtschaft zu ergreifen, die eine Förderung von Frauen in allen Betriebshierarchien zum Ziel hat. Für die Ge-
16 17 18 19
Koalitionsvertrag S. 70. B. Gaul, AktuellAR 2010, 292 ff.; 2012, 10 ff. Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2012, 282 ff.; 2013, 5 ff. Koalitionsvertrag S. 102.
318
Essentialia des Koalitionsvertrags
sellschaften im unmittelbaren Einflussbereich des Bundes sind weitergehende Maßnahmen geplant.
i)
Vergütung von Vorständen und oberen Führungskräften
Nachdem bereits besondere Vorgaben im Bereich der Finanzdienstleister (z. B. § 25 a KWG, InstitutsVergV20) geschaffen wurden, soll zukünftig eine stärkere Transparenz in Bezug auf die Vergütung von Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften geschaffen werden, die die bestehenden Regelungen in § 87 AktG ergänzt21. Hierfür soll - vergleichbar mit dem Vorschlag der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode – bestimmt werden, dass die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats über die Vorstandsvergütung entscheidet22. Dies beseitigt aber nicht die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, selbst die Dotierung und die einzelnen Regelungen zu ihrer Umsetzung festzulegen. Eine entsprechende Vorgabe für die paritätisch mitbestimmte GmbH ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. In diesem Punkt haben sich damit CDU/CSU durchgesetzt. Weitergehende Vorschläge der SPD, durch die der Aufsichtsrat verpflichtet werden sollte, das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur durchschnittlichen Arbeitnehmervergütung des jeweiligen Unternehmens festzulegen, wurden nicht übernommen. Allerdings sieht Ziff. 4.2.2 DCGK in seiner Fassung vom 13.5.2013 dies bereits vor, wobei dort – was auch sachgerechter erscheint - ein Vergleich mit der Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt auch in der zeitlichen Entwicklung vorgesehen ist. Ergänzend wird dort bestimmt, dass der Aufsichtsrat für den Vergleich festlegt, wie der obere Führungskreis und die relevante Belegschaft abzugrenzen sind. Wichtig für die Anwendung dieser Vorgabe ist, dass der Begriff der Vorstandsvergütung weit zu verstehen sein dürfte. So bezieht 4.2.3 DCGK die monetären Vergütungsteile (fix und variabel), die Versorgungszusagen, die sonstigen Zusagen, insbesondere für den Fall der Beendigung der Tätigkeit sowie Nebenleistungen jeder Art und Leistungen von Dritten, die im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit zugesagt oder im Geschäftsjahr gewährt wurden, ein.
20 Zum Referentenentwurf der geänderten Instituts-Vergütungsverordnung vgl. Zürn/ Rappensperger/Brämswig, DB 2013, 2681 ff. 21 Koalitionsvertrag S. 17. 22 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 327.
319
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
j)
Arbeitnehmerdatenschutz und Whistleblowing
Inhaltliche Festlegungen zum Arbeitnehmerdatenschutz sieht der Koalitionsvertrag nicht vor. Allerdings soll die Diskussion über die DatenschutzGrundverordnung dahingehend beeinflusst werden, dass es auf nationaler Ebene möglich ist, über das europäische Niveau hinausgehende Standards fortzuschreiben oder zu schaffen. Hier dürften vor allem unionsrechtliche Schranken bestehen23. Damit erkennt die Koalition, dass die entscheidende Rolle derzeit die Verhandlungen um eine Datenschutz-Grundverordnung spielen, die auf europäischer Ebene geführt werden. Wir haben an anderer Stelle über den aktuellen Entwurf vom 22.10.2013 gesprochen24. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise die Bundesregierung hier Vorstellungen einbringt, wie sie auch in dem Entschließungsantrag des Landes Baden-Württemberg enthalten waren, der am 28.6.2013 in den Bundesrat mit Blick auf die Verhandlungen über die Datenschutz-Grundverordnung eingebracht worden war25. Eine nationale Regelung zum Beschäftigtendatenschutz soll erst dann in Angriff genommen werden, wenn mit einer Verabschiedung der DatenschutzGrundverordnung nicht in „angemessener Zeit“ gerechnet werden kann. Die aktuelle Diskussion zum Whistleblowing hat in Bezug auf das Arbeitsrecht lediglich zur Folge, dass geprüft werden soll, ob beim Hinweisgeberschutz geprüft werden soll, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind26. Damit wird (zunächst einmal) darauf verzichtet, die Vorschläge der SPD zu einer Ergänzung des BGB27 aufzugreifen.
k)
Lohngleichheit von Männern und Frauen
Ergänzend hierzu sollen Maßnahmen getroffen werden, um den Grundsatz der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen durchzusetzen28. Zur Rechtfertigung war dabei von Seiten der SPD schon im Vorfeld auf den Umstand verwiesen worden, dass der Durchschnittsverdienst von Männern und Frauen nach Maßgabe amtlicher Statistiken in Deutschland eine Differenz von 23 % ausweise. Damit liege Deutschland deutlich über dem EUDurchschnitt (17,6 %), obwohl auch hier durch § 3 AGG, Art. 3 Abs. 2 GG,
23 24 25 26 27 28
Koalitionsvertrag S. 70, 149. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 337 ff. BR-Drucks. 552/13. Koalitionsvertrag S. 70. B. Gaul, AktuellAR 2012, 7 ff. Koalitionsvertrag S. 103.
320
Essentialia des Koalitionsvertrags
Art. 23 GRC, Art. 157 AEUV und Art. 4 Richtlinie 2006/54/EG eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Arbeitsentgelt geboten ist. Dass dieser Durchschnittsverdienst branchen- und hierarchieübergreifend alle Tätigkeiten erfasst, also beispielsweise den Unterschieden zwischen chemischer Industrie und Metallindustrie auf der einen Seite sowie Einzelhandel und öffentlichen Dienst auf der anderen Seite nicht Rechnung trägt, und auch der Umstand einer Teilzeitbeschäftigung nicht umgerechnet wird, blieb bei dieser Diskussionsführung schlicht unberücksichtigt. Der Koalitionsvertrag spricht in diesem Zusammenhang davon, dass mehr Transparenz hergestellt werden soll. Dies soll nicht nur durch eine Verpflichtung von Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern erfolgen, im Lagebericht nach dem HGB auch zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit von gesetzlichen Kriterien Stellung zu nehmen. Darauf aufbauend soll ein gesetzlicher Auskunftsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers geschaffen werden. Außerdem sollen die Unternehmen aufgefordert werden, mit Hilfe verbindlicher Verfahren und gemeinsam mit den Beschäftigten und unter Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Betrieb in eigener Verantwortung erwiesene Entgeltdiskriminierung zu beseitigen. Viele dieser Ideen erinnern stark an Vorschläge der SPD im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Entgeltgleichheitsgesetzes, den sie im Mai 2012 in den Bundestag eingebracht hatte29. Wir hatten darüber berichtet30. Mit dem Gesetzentwurf sollte nicht nur eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Entgeltgleichheit erleichtert werden, indem die Anforderungen an eine Auskunfts- und Stufenklage herabgesetzt werden. Vielmehr sah der Gesetzentwurf auch vor, dass in Betrieben der Privatwirtschaft und in Dienststellen der öffentlichen Verwaltung mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten eine betriebliche Prüfung der Entgeltgleichheit erfolgen müsse. Für die Prüfung sollen nur Prüfungsverfahren verwendbar sein, die zuvor durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach übergreifenden Kriterien zertifiziert worden sind. Die entsprechende Prüfung sollte, wenn die Arbeitgeber ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, nicht nur durch Betriebs- und Personalräte unter Einbeziehung sachverständiger Personen veranlasst werden. Auch die Arbeitsgerichte sollten, wenn eine Klage wegen Entgeltdiskriminierung erhoben wird, auf Antrag und auf Kosten des Arbeitgebers eine sachverständige Person mit der erforderlichen Prüfung beauftragen können, falls das Prüfungsverfahren 29 BT-Drucks. 17/9781. 30 B. Gaul, AktuellAR 2012, 282 ff.
321
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
noch nicht fristgerecht eingeleitet worden ist. Hat der Prüfungsbericht Entgeltdiskriminierungen festgestellt, sollte nach Maßgabe des Gesetzentwurfs für die Beseitigung der Entgeltdiskriminierung und die Durchsetzung der Entgeltgleichheit eine Einigungsstelle für Entgeltgleichheit gebildet werden. Die Einigungsstelle sollte betriebliche Regelungen, die zu einer Entgeltdiskriminierung führen, ersetzen. Falls die Entgeltdiskriminierung ihre Ursache in tarifvertraglichen Regelungen sehen sollte, an die der Arbeitgeber gebunden ist, sollte die Einigungsstelle durch Beschluss feststellen, dass die diskriminierenden Regelungen nicht anwendbar und auf die Beschäftigten der durch die Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleichen Regelungen anzuwenden sind, wie auf die übrigen Beschäftigten. In Ausnahmefällen sollte die Einigungsstelle für Entgeltgleichheit einen Stufenplan beschließen können, mit dem im Laufe von drei Jahren die Entgeltgleichheit erreicht wird. Maßstab für die Angleichung sollten immer die günstigeren Regelungen sein. Nachdem der Entwurf in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert ist, könnte er jetzt seine Renaissance erleben. Damit wäre ein erheblicher Bürokratie- und Kostenaufwand verbunden. Hinzu kommt, dass zertifizierte Verfahren unter Einbindung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Zweifel betriebsspezifischen Bedürfnissen sowie funktionsbezogenen Unterschieden in einzelnen Branchen kaum Rechnung tragen können. Zweifelhaft erscheint auch, wie historischen Entwicklungen und/oder den individuellen Einstellungsverfahren bei der Feststellung diskriminierender Tatbestände Rechnung getragen werden soll. Unklar dürfte auch sein, wie – falls wirklich geplant - einer Einigungsstelle die Befugnis zugewiesen werden kann, die Wirkungsweise verbindlicher Tarifverträge zu beenden und damit in die Tarifautonomie einzugreifen. Hier dürfte auch die erforderliche Sachkunde fehlen. Losgelöst davon passt das Instrument der Anfechtung solcher Entscheidungen nicht, weil hier Ermessensüberschreitungen geprüft werden. Es gibt kein Ermessen bei einem behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit.
l)
Arbeitsschutz
Im Bereich des Arbeitsschutzes wird nicht nur die weitere Einbeziehung der psychischen Belastung in den Arbeitsschutz angesprochen. Wir hatten das Thema schon bei früherer Gelegenheit ausführlich behandelt31. In diesem Zusammenhang dürfte auch das weitere Schicksal des Entwurfs einer Verordnung zum Umgang mit psychischer Belastung fallen, auf den wir an an31 B. Gaul, AktuellAR 2012, 335 ff.
322
Essentialia des Koalitionsvertrags
derer Stelle hingewiesen haben32. Ausdrücklich angesprochen wird das Ziel, das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX zu stärken und dabei eine stärkere Verbindlichkeit zu erreichen. Hierzu sollen auch Gesundheitszirkel, die Unternehmen gemeinsam mit den Krankenkassen bilden, gefördert werden33.
m)
Altersversorgung und Altersrente für langjährig Versicherte
Betriebliche Altersversorgung soll weiter gestärkt und auch für kleinere Unternehmen attraktiv ausgestaltet werden. Weitergehende Festlegungen enthält der Koalitionsvertrag indes nicht34. Veränderungen erfährt die gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte. Hier soll es ab dem 1.7.2014 möglich sein, dass Versicherte, die durch 45 Beitragsjahre (einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit) ihren Beitrag zur Stabilisierung der Rentenversicherung erbracht haben, mit dem vollendeten 63. Lebensjahr (bislang: 65. Lebensjahr) abschlagsfrei Altersrente beziehen können. Das Zugangsalter, mit dem der abschlagsfreie Rentenzugang möglich ist, wird allerdings schrittweise parallel zur Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben35. Losgelöst davon werden Rentenleistungen für bestimmte Personengruppen angehoben. Zum einen geht es dabei um Arbeitnehmer, die trotz langjähriger Beitragszahlung (40 Jahre) im Alter weniger als 30 Rentenentgeltpunkte Alterseinkommen erreichen, eine Aufwertung der Rentenentgeltpunkte erfahren. Dadurch sollen Geringverdiener und Menschen begünstigt werden, die Kinder oder Angehörige erzogen bzw. gepflegt haben. Darüber hinaus erhalten Mütter bzw. Väter von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, ab 1.7.2014 die Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Entgeltpunkt berücksichtigt.
n)
Rentenversicherungspflicht bei Minijobs
Die Rentenversicherungspflicht bei Minijobs bleibt weiterhin fakultativ. Hier hat sich die SPD mit ihrer weitergehenden Forderung nicht durchgesetzt. Allerdings sollen die geringfügig Beschäftigten besser über ihre Rech-
32 33 34 35
B. Gaul, AktuellAR 2013, 324 f. Koalitionsvertrag S. 70 f. Koalitionsvertrag S. 72. Koalitionsvertrag S. 72.
323
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
te informiert werden. Außerdem soll der Übergang aus geringfügiger in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erleichtert werden36.
o)
Fazit
Die Große Koalition startet mit der Erwartung, dass viele drängende Probleme, insbesondere in der Wirtschafts-, Finanzpolitik und Energiepolitik, einer ausgewogenen und durch breite Mehrheiten getragenen Lösung zugeführt werden. Der Preis, den die Wirtschaft in Bezug auf das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht zahlen soll, ist hoch. Dass sich CDU/CSU mit eigenen Vorstellungen im Bereich des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts verwirklicht haben, ist nicht erkennbar. Offenbar hat es den beiden Parteien hier genügt, (noch) Schlimmeres zu verhindern. (Ga)
2.
Klarstellung im ArbSchG zur Einbindung der psychischen Belastung bei der Gefährdungsanalyse
Im Frühjahr hatten wir darüber berichtet, dass die Bundesregierung die Diskussion über den Umgang mit psychischer Belastung am Arbeitsplatz aufgegriffen und Vorschläge zur Änderung der §§ 4, 5 und 6 ArbSchG vorgelegt hatte. Sie waren als Art. 8 in das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetzte (BUK-Neuorganisationsgesetz) eingebunden worden37. Auf der Grundlage einer zustimmenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales38 hat der Gesetzentwurf inzwischen die Zustimmung des Bundestages gefunden. Auch der Bundesrat hat im August zugestimmt39. Damit ist die Änderung im ArbSchG am 19.10.201340 in Kraft getreten. Weitergehende Initiativen der SPD-Fraktion41, der Fraktion DIE LINKE42 sowie der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN43 wurden mit der Annahme der Gesetzesinitiative der Bundesregierung auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales44 abgelehnt. 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Koalitionsvertrag S. 73. BT-Drucks. 17/12297. BT-Drucks. 17/13808. BR-Drucks. 633/13. BGBl. I 2013, 3836 ff. BT-Drucks. 17/12818. BT-Drucks. 17/11042. BT-Drucks. 17/10867. BT-Drucks. 17/13851.
324
Verlängerung der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld
Dies dürfte die Diskussion um den Umgang mit psychischer Belastung am Arbeitsplatz indes nicht beenden. So hat der DGB einmal mehr den „DGBIndex Gute Arbeit“ veröffentlicht45. Die IG Metall verlangt weiter die Verabschiedung einer Anti-Stress-Verordnung, mit der die psychische Belastung am Arbeitsplatz erfasst und auf dieser Grundlage auch gemindert werden soll46. Entscheidende Bedeutung für die weitere Diskussion - auch auf der Ebene des Gesetzgebers - dürfte vor allem der Umstand haben, dass der Bundesrat schon im Mai den Entwurf einer Verordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastungen bei der Arbeit in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat47. Dieser Entwurf wird auch den neuen Bundestag in der jetzt laufenden Legislaturperiode beschäftigen und könnte durchaus Anlass sein, dass weitere Konkretisierungen der bestehenden Vorgaben oder ergänzende Handlungserfordernisse geschaffen werden. Dass auch die Verordnung im Wesentlichen nur Allgemeinplätze enthält, die bereits bei einer zweckgerichteten Interpretation bestehender Vorschriften angenommen werden müssen, dürfte allein nicht genügen, um die Diskussion einzudämmen. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Arbeitsschutz und der damit verbundene Umgang mit psychischer Belastung auch im Koalitionsvertrag genannt werden. In jedem Fall steht zu erwarten, dass schon der Entwurf der Verordnung nebst seinem Anhang auf betrieblicher Ebene zur Grundlage etwaiger Vorschläge über die Ausgestaltung der Gefährdungsanalyse gemacht wird. (Ga)
3.
Verlängerung der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld
Gemäß der §§ 95 ff., 104 SGB III wird Kurzarbeitergeld grundsätzlich nur für eine Dauer von längstens sechs Monaten geleistet. Das unterscheidet das reguläre Kurzarbeitergeld von Transferkurzarbeitergeld im Sinne des § 111 SGB III, das generell für die Dauer von längstens zwölf Monaten gezahlt wird (§ 111 Abs. 1 S. 2 SGB III). Mit der ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld vom 31.10.201348 ist allerdings die von § 104 Abs. 1 SGB III abweichende Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld vom 7.12.2012 geändert worden. Nach der Neufassung wird die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2014 45 46 47 48
Vgl. hierzu Eberhardt, AiB 2013, 487 ff. Hierzu Reusch, AiB 2013, 483 ff. BR-Drucks. 315/13. BGBl. I 2013, 3905.
325
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
entstanden ist, über die Bezugsdauer nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB III hinaus auf längstens zwölf Monate verlängert. Dies ist bei allen aktuellen Restrukturierungsmaßnahmen im Auge zu behalten, weil damit keine Notwendigkeit mehr besteht, entsprechende Leistungen noch in diesem Jahr zu beantragen. Es steht zu erwarten, dass auf dem Wege entsprechender Verordnungen auf Dauer eine Verlängerung der Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld gewährleistet bleibt. So sieht der Koalitionsvertrag vor, dass bei einer Krise, die der Situation 2009/2010 entspricht, kurzfristig auch die ergänzenden Sonderregelungen zur Förderung der Kurzarbeit und damit zur Sicherung von Arbeitsplätzen wieder eingeführt werden sollen49. (Ga)
4.
Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge
Am 1.7.201350 ist das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge in Kraft getreten. Die zwischenzeitlich zwischen Bundestag und Bundesrat unter Einbeziehung des Vermittlungsausschusses geführte Diskussion hat dabei noch Änderungen gegenüber den ursprünglich durch den Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf51 zur Folge gehabt. Sie betreffen nicht nur die Förderhöchstgrenze einer steuerlich begünstigten Absicherung der Berufsunfähigkeit bzw. der verminderten Erwerbsfähigkeit im Rahmen der Basis-Rente (20.000,- € statt 24.000,- €). Sie betreffen auch die Art und Weise, wie Wohnförderkonten im Zusammenhang mit dem Altersvorsorge-Eigenheimbetrag steuerbegünstigt zu führen sind. Damit soll eine unverhältnismäßige Begünstigung des in Wohneigentum investierten Altersvorsorgekapitals im Vergleich zu anderen Vertragsarten verhindert werden52. (Ga)
5.
Gesetzentwurf zur Begrenzung der Vorstandsvergütung
Die öffentliche Diskussion über eine Begrenzung der Vorstandsvergütungen hatte vor der Bundestagswahl noch zur Folge, dass auch die Bundesregie-
49 50 51 52
Koalitionsvertrag S. 66. BGBl. I 2013, 1667 ff. BT-Drucks. 17/10818. BR-Drucks. 72/13 S. 2.
326
Gesetzentwurf zur Begrenzung der Vorstandsvergütung
rung noch Änderungen im AktG vornehmen wollte53. Grundlage hierfür sollte das Gesetz zur Begrenzung der Vorstandsvergütung sein54. Ebenso wie weitergehende Vorschläge, wie sie von Seiten der SPD-Fraktion in den Bundestag eingebracht wurden55, ist allerdings auch dieser Gesetzentwurf schlussendlich gescheitert. Denn der Bundesrat hatte den Vermittlungsausschuss angerufen, was zur Folge hatte, dass eine Verabschiedung vor der Bundestagswahl nicht mehr geschehen konnte. Damit sind die Änderungen allerdings nicht vom Tisch. Vielmehr steht zu erwarten, dass sie jedenfalls zum Teil wieder aufgegriffen werden, um die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zur Begrenzung der Managervergütung bzw. zur Herstellung einer entsprechenden Transparenz umzusetzen56.
a)
Gescheiterte Überlegungen von CDU/CSU und FDP
Nach den Vorstellungen der alten Bundesregierung sollte die Transparenz der Vorstandsvergütung in börsennotierten Aktiengesellschaften erhöht und die Verantwortlichkeit der Anteilsinhaber gestärkt werden. Zu diesem Zweck sah der Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP vor, dass § 120 Abs. 4 AktG wie folgt gefasst wird: Die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft beschließt jährlich über die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder. Die Darstellung des Systems hat auch Angaben zu den höchstens erreichbaren Gesamtbezügen, aufgeschlüsselt nach dem Vorsitzenden des Vorstands, dessen Stellvertreter und einem einfachen Mitglied des Vorstands, zu enthalten. Der Beschluss berührt nicht die Wirksamkeit der Vergütungsverträge mit dem Vorstand; er ist nicht nach § 243 anfechtbar.
Die in § 87 AktG geschaffenen Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütung bestehen hiervon unverändert fort. Daran sollte sich auch die mitbestimmte GmbH ausrichten, weil der Aufsichtsrat insoweit eine Verfügung über fremdes Vermögen trifft, die „best practice“ und der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Rechnung tragen muss.
53 BT-Drucks. 17/8989. 54 BT-Drucks. 17/14790; BR-Drucks. 637/13; Vgl. Wagner, BB 2013, 1731 ff., welcher noch vom Zustandekommen des Gesetzes ausgeht. 55 BT-Drucks. 17/13472. 56 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 319.
327
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
b)
Abgelehnte Vorschläge der SPD-Fraktion
Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Entschließungsantrag vom 14.5.201357 weitergehende Vorschläge unterbreitet. Diese Vorschläge sind auf der Grundlage einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales58 im Bundestag abgelehnt worden. Inhaltlich sollte die Bundesregierung durch den Deutschen Bundestag aufgefordert werden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach 1.
§ 76 Absatz 1 des Aktiengesetzes (AktG) derart geändert wird, dass der Vorstand bei der Leitung des Unternehmens explizit auf das Wohl des Unternehmens, insbesondere seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Aktionärinnen und Aktionäre sowie auf das Wohl der Allgemeinheit verpflichtet wird;
2.
die steuerliche Absetzbarkeit von Vorstands- und sonstigen Managergehältern einschließlich Boni und von Abfindungen als Betriebsausgaben auf 500 000 Euro und maximal 50 Prozent der Beträge, die 500 000 Euro über steigen, begrenzt wird;
3.
Vorstandsgehälter begrenzt werden, indem a) § 87 AktG derart geändert wird, dass der Aufsichtsrat eine strikt einzuhaltende Höchstgrenze für das Verhältnis zwischen der Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder und dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen des jeweiligen Unternehmens bestimmen muss, welche durch die vertraglichen Vorstandsvergütungen nicht überschritten werden darf, b) § 285 Nummer 9 des Handelsgesetzbuchs derart ergänzt wird, dass diese Relation zwischen Vorstandsvergütungen und Arbeitnehmereinkommen für die einzelnen Vorstände im Anhang des Jahresabschlusses veröffentlicht wird;
4.
die Vergütung von Vorständen von Aktiengesellschaften neu strukturiert wird, indem § 87 AktG derart geändert wird, –
dass mindestens 30 Prozent der variablen Vergütungsbestandteile eine vierjährige Bemessungsgrundlage haben und sich an sozialen, gesellschaftlichen, ökologischen und nachhaltig ökonomischen Kennziffern orientieren müssen,
57 BT-Drucks. 17/13472. 58 BT-Drucks. 17/14214.
328
Gescheiterte Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Legislaturperiode
–
5.
dass ein Maximalverhältnis zwischen Grundgehalt und Boni festgelegt wird, welches durch die vertraglichen Vergütungsregelungen nicht überschritten werden darf;
die Herabsetzung von Vorstandsbezügen im Fall der Lageverschlechterung zwingender ausgestaltet wird, indem die Vorschrift in § 87 Absatz 2 AktG zu einer zwingenden Regelung umgestaltet wird, von der nur in eng um grenzten Ausnahmefällen abgewichen werden kann.
Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit diese Vorschläge im Rahmen der weiteren Diskussion über Gesetzesinitiativen der Großen Koalition wieder aufgegriffen werden. (Ga)
6.
Gescheiterte Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Legislaturperiode
Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode sind - losgelöst von den Vorschlägen zur Verbesserung der Transparenz der Vorstandsvergütung59 – weitere Gesetzesvorschläge gescheitert. Hierzu gehören, soweit das Arbeitsrecht betroffen ist, u. a. folgende Gesetzentwürfe:
59 60 61 62 63 64
•
Entwurf eines Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN60,
•
Mit einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn Lohndumping bekämpfen und fairen Wettbewerb schaffen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN61,
•
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien, SPD / BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN62 / DIE LINKE63,
•
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN64,
•
Diskriminierungsschutz für chronisch erkrankte Menschen ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufnehmen, DIE LINKE65,
Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 327 ff. BT-Drucks. 17/12857; BR-Drucks. 136/13. BT-Drucks. 17/13719. BT-Drucks. 17/11139. BT-Drucks. 17/12784; 17/11270. BT-Drucks. 17/13569; 17/13765.
329
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
•
Unternehmensmitbestimmung lückenlos garantieren, DIE LINKE66,
•
Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken, SPD67,
•
Moderne Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert, SPD68,
•
Schlecker-Verkäuferinnen unterstützen – Arbeitsplätze und Tarifverträge erhalten – Einfluss der Beschäftigten stärken, DIE LINKE69,
•
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN70,
•
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, Bundesrat71,
•
Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen, DIE LINKE72,
•
Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen, SPD73,
•
Gesetzliche Regelungen zur Bekämpfung von Werkverträgen, SPD74,
•
Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebots für Frauen und Männer, SPD75,
•
Entgeltgleichheit für Frauen und Männer verwirklichen - Familienfreundliche Unternehmen als Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter, FDP76,
•
Mehr Zeitsouveränität für Beschäftige – Teilzeitarbeit gestalten, SPD77.
BT-Drucks. 17/13765. BT-Drucks. 17/1413; 17/7696. BT-Drucks. 17/2122; 17/7696. BT-Drucks. 17/13476. BT-Drucks. 17/9131; 17/8880. BT-Drucks. 17/13106; 17/14074. BR-Drucks. 687/13. BT-Drucks. 17/14074; 17/12373. BT-Drucks. 17/1237; 17/14074. BT-Drucks. 17/14074. BT-Drucks. 17/9781. BT-Drucks. 17/12483. BT- Drucks. 17/13084.
330
Personalgestellung und Abordnung durch öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften
Es steht zu erwarten, dass ein Teil der Vorschläge durch die neue Bundesregierung wieder aufgegriffen und in dieser oder leicht angepasster Form umgesetzt werden. Dies machen die entsprechenden Zielsetzungen im Koalitionsvertrag deutlich78. (Ga)
7.
Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen
Wie bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der Zielsetzungen im Koalitionsvertrag im Einzelnen ausgeführt79, wird man schon in Kürze mit der Einführung gesetzlicher Regelungen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen rechnen müssen. Grundlage dürften der entsprechende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion der vergangenen Legislaturperiode80 bzw. inhaltsgleicher Entwürfe des Bundesrats sein, die bereits in den Bundestag eingebracht wurden81. Sie haben nicht nur Veränderungen des AÜG zum Inhalt, die bei Scheinwerkverträgen zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Scheinwerkvertraggeber (Auftraggeber) führen. Inhalt der Vorschläge ist auch, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal auf der Grundlage von Werkverträgen klargestellt (§§ 80 Abs. 2, 92 BetrVG) und zum Teil auch erweitert werden (§§ 87, 99 BetrVG). Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. (Ga)
8.
Gesetzliche Privilegierung bei Personalgestellung und Abordnung durch öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften
Auf der Grundlage eines entsprechenden Antrags der Länder RheinlandPfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hat der Bundesrat am 29.11.2013 eine Entschließung zur Personalgestellung und Abordnung gefasst82. Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zur Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung und dem Gebot, diese auf vorüber-
78 79 80 81 82
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 311 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 316 f. BT-Drucks. 17/12378. BT-Drucks. 18/14; BR-Drucks. 687/13. BR-Drucks. 745/13.
331
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
gehende Sachverhalte zu begrenzen83, sollen öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften aus dem Anwendungsbereich des AÜG ausgegrenzt werden. Konkret sieht die Entschließung vor, dass die Bundesregierung durch den Bundesrat aufgefordert wird, • zu überprüfen, ob und in welchem Umfang die Vorschriften des AÜG auf die Personalgestellung und Abordnung nach den Regelungen des TVöD und des TVL Anwendung finden und welche Konsequenzen dies für bestimmte Fallkonstellationen der Personalgestellung und Abordnung hat; • unverzüglich zu regeln, dass öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften im Hinblick auf Personalgestellungen und Abordnungen nicht in den Anwendungsbereich des AÜG fallen, • hilfsweise für die vorgenannten Rechtsträger ein vereinfachtes und kostenfreies Verfahren für die Erteilung einer unmittelbar unbefristeten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einzuführen.
In der Begründung des Entschließungsantrags und der Entschließung selbst wird zunächst einmal deutlich gemacht, dass eine Vielzahl öffentlichrechtlicher Gebietskörperschaften von der Möglichkeit Gebrauch macht, Arbeitnehmer auf Dauer (Personalgestellung) bzw. vorübergehend (Abordnung) anderen Rechtsträgern mit dem Ziel zu überlassen, im Rahmen der dortigen Arbeitsorganisation eine weisungsunterworfene Tätigkeit zu verrichten. Ausgehend davon, dass auch öffentlich-rechtliche Rechtsträger eine wirtschaftliche Tätigkeit verrichten können, die zur Anwendbarkeit des AÜG führt, hat dies nach § 1 Abs. 1 AÜG die Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung zur Folge. Diese Erlaubnispflicht ist – so die Begründung – mit fiskalischen und bürokratischen Mehrbelastungen verbunden, die durch eine fehlende Anwendbarkeit des AÜG in der Zukunft vermieden werden sollen. Bemerkenswert an diesem Entschließungsantrag sind im Wesentlichen zwei Aspekte: Zunächst einmal erscheint es nicht überzeugend, von der fehlenden Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) auszugehen, wie dies schon in der Begründung des Entschließungsantrags ausgeführt wurde. Zum einen bestimmt Art. 1 Abs. 2 Leiharbeitsrichtlinie ausdrücklich, dass die Richtlinie auch für öffentliche Unternehmen gilt, bei denen es sich
83 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 384 ff.
332
Abschaffung der sachgrundlosen Befristung
um Leiharbeitsunternehmen oder entleihende Unternehmen handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Zum anderen erfasst Art. 1 Abs. 1 Leiharbeitsrichtlinie nicht nur Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Vielmehr werden abstrakt-generell Beschäftigungsverhältnisse einbezogen, in deren Rahmen Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten. Dies ist sowohl bei der Abordnung als auch der Personalgestellung der Fall, zumal man bei einer zweckgerichteten Interpretation auch die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern einbeziehen muss. Darüber hinaus verschweigt die Begründung des Entschließungsantrags, dass es im Kern vor allem darum gehen dürfte, das Gebot einer nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bei den hier in Rede stehenden Gestellungsvorgängen öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften nicht mehr berücksichtigen zu müssen. Insofern soll mit der fehlenden Anwendbarkeit der gesetzlichen Vorgaben erreicht werden, dass auch § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG keine Anwendung (mehr) findet. Der Vorteil für die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften wäre, dass an der bisherigen Praxis festgehalten werden könnte, Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen privat-rechtlich organisierten Rechtsträger im Zusammenhang mit einer Privatisierung widersprechen, dauerhaft dem privaten Rechtsträger zu überlassen, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Dies aber ist bei der Begrenzung auf vorübergehende Tatbestände der Arbeitnehmerüberlassung durch § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht erlaubt. Diese alternative Überlegung, dass die entsprechende Überlassung von Arbeitnehmern im Rahmen der Personalgestellung bereits wegen der fehlenden zeitlichen Begrenzung gar nicht in den Anwendungsbereich des AÜG falle84, überzeugt schon im Ansatz nicht. Denn dann wäre jede Überlassung von Personal, die von Beginn an auf Dauer ausgerichtet würde, auch außerhalb des öffentlichen Dienstes den Schranken des AÜG (einschließlich Equal-Treatment) entzogen. (Ga)
9.
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung
Am 23.10.2013 hat die Fraktion DIE LINKE den Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung in den Bundestag einge84 So jetzt auch Reichold, ZTR 2013, 600 ff. für die Personalgestellung in der verfassten Kirche.
333
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
bracht85. Danach soll § 14 Abs. 2, 2 a, 3 TzBfG ersatzlos gestrichen werden. Darüber hinaus soll im Rahmen von § 22 TzBfG klargestellt werden, dass auch durch Tarifvertrag keine Möglichkeit geschaffen werden kann, Arbeitnehmer sachgrundlos mit einem befristeten Arbeitsverhältnis zu versehen. Nur das Vorliegen eines sachlichen Grundes gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG soll es rechtfertigen, eine Befristung zu vereinbaren. (Ga)
10. Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Einführung eines Mindestlohns Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Fraktion DIE LINKE Initiativen zur Einführung eines Mindestlohns (Mindestlohngesetz) in den Bundestag eingebracht86. Der Entwurf hatte dort keine Mehrheit gefunden und war auch mit Ablauf der Legislaturperiode gegenstandslos geworden. Gleiches gilt für den Gesetzentwurf den der Bundesrat in den Bundestag eingebracht hatte87. Die Fraktion DIE LINKE hält allerdings an ihrem Vorhaben fest. Insofern hat sie am 23.10.2013 erneut den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Mindestlohns (Mindestlohngesetz) in den Bundestag eingebracht88. Zwar besteht auch unter Berücksichtigung der aktuellen Mehrheitsverhältnisse keine ernst zu nehmende Aussicht auf Umsetzung. Allerdings steht zu erwarten, dass auch die neue Bundesregierung auf der Grundlage der Koalitionsverhandlungen eigene Vorschläge eines gesetzlichen Mindestlohns einbringen wird. Nicht auszuschließen ist, dass darin Parallelen zu den Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE zu sehen sind. Wir werden darüber berichten. (Ga)
11.
Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu Diskriminierungen im Bildungsbereich und Arbeitsleben
Am 13.8.2013 haben die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages den zweiten gemeinsamen Bericht zur Dis-
85 86 87 88
BT-Drucks. 18/7. BT-Drucks. 17/8026; 17/13551. BT-Drucks.17/12857. BT-Drucks. 18/6.
334
Diskriminierungen im Bildungsbereich und Arbeitsleben
kriminierung im Bildungsbereich und Arbeitsleben vorgelegt89. Er fasst auf beinahe 450 Seiten die aktuellen Entwicklungen unter Einbeziehung statistischer Übersichten zusammen. Die arbeitsrechtlichen Ausführungen werden mit Empfehlungen zum Abbau von Benachteiligungen im Sinne des § 3 AGG abgeschlossen, die sich in erster Linie an Arbeitgeber der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes richten. Es dürfte für die in der betrieblichen Praxis mit solchen Fragen befassten Personen hilfreich sein, den Bericht auf Anregungen für die eigene Arbeit durchzusehen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nicht jede Fragestellung in jedem Unternehmen relevant wird. Beispielhaft sei insoweit auf Mentoring-Programme, die Errichtung von Netzwerken für spezifische Mitarbeitergruppen oder die Diversity-Strategien und Antidiskriminierungsmaßnahmen auf allen Ebenen der Organisation hingewiesen. (Ga)
89 BT-Drucks. 17/14400.
335
B. 1.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Aktueller Stand zur EU-Datenschutz-Grundrechtsverordnung
Am 22.10.2013 hat der Innenausschuss des EU-Parlaments den Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung (E-DSGVO) in einer Kompromissfassung angenommen. Ohne eine 1. Lesung im Plenum sollen jetzt direkte Verhandlungen mit dem EU-Rat und der EU-Kommission mit dem Ziel geführt werden, noch vor den Neuwahlen des EU-Parlaments im Mai 2014 die Verordnung zu verabschieden. Die Diskussion hat zu zahlreichen Veränderungen geführt, die auch die Umsetzung der Vorgaben im Arbeitsverhältnis betreffen würden. Nach Art. 82 Abs. 1 E-DSGVO können die Mitgliedsstaaten in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit Regelungen schaffen, die die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Begründung, Durchführung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zulassen. Dies entspricht § 32 Abs. 1 BDSG. In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 1 BDSG können solche Regelungen auch durch kollektiv-rechtliche Regelungen geschaffen werden. Tarifvertrag und insbesondere Betriebsvereinbarungen sind damit geeignete Rechtsvorschriften, um eine Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Unternehmen oder Konzern zu setzen. Art. 82 Abs. 1 b) E-DSGVO erlaubt, eine Rechtsgrundlage zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch durch eine Einwilligung der Beschäftigten zu schaffen. Die gegenteilige Regelung im Erwägungsgrund 34 der Vorfassung dieses Entwurfs wurde gestrichen. Damit würde §§ 4 Abs. 1, 4 a BDSG unverändert auch im Arbeitsverhältnis weiterhin Geltung beanspruchen. Zu diskutieren wäre allein, ob solche Einwilligungen im Bewerbungsverfahren und/oder während der Probezeit tatsächlich freiwillig sind und/oder ob deren Wirksamkeit einer Bestätigung nach Ablauf der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG erforderlich macht. Der Umstand, dass die Einwilligung widerruflich ausgestaltet ist, dürfte die Freiwilligkeit nicht ausreichend sichern. Weitergehende Regelungen sieht Art. 82 Abs. 1 c) E-DSGVO für anonyme Datenerhebungen, optical-elektronische Überwachungen, medizinische Untersuchungen sowie die Nutzung von E-Mail, Intranet und Internet vor.
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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Erhebliche Bedeutung hat der Umstand, dass Art. 82 Abs. 1 d) E-DSGVO den Mitgliedstaaten die Übertragung und Verarbeitung personenbezogener Daten zwischen Konzernunternehmen sowie mit juristischen und steuerlichen Beratern erlaubt, wenn es für die Durchführung des Geschäftszwecks, für bestimmte Geschäftsvorfälle oder administrative Zwecke erforderlich ist und nicht im Widerspruch zu überwiegenden Interessen und fundamentalen Rechten der betroffenen Beschäftigten steht. Soweit dabei das Ausland oder internationale Organisationen einbezogen werden sollen, gelten allerdings die allgemeinen weitergehenden Schranken. Ergänzend hierzu sind im letzten Entwurf auch Änderungen in Bezug auf den Datenschutzbeauftragten vorgesehen. In der Neufassung von Art. 35 EDSGVO ist die Benennung eines solchen Beauftragten grundsätzlich daran geknüpft, dass hiervon mindestens 5.000 Personen pro Kalenderjahr betroffen sind. Dies würde eine Vielzahl von Unternehmen ausgrenzen. Zu erwarten ist, dass hier noch Veränderungen eintreten. Das ein Datenschutzbeauftragter nach dem Entwurf auch dann benannt werden muss, wenn die Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten zu den Schwerpunktaktivitäten der verantwortlichen Stelle gehört oder Arbeitnehmerdaten in „large scale filing systems“ verarbeitet werden, dürfte schon wegen der Ungenauigkeit solcher Regelungen noch nicht das letzte Wort gefallen sein. Ob die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung noch vor Mai 2014 gelingt, ist offen. Anzunehmen ist aber, dass Bestrebungen, in Deutschland Veränderungen des BDSG mit dem Ziel einer Verschärfung des Beschäftigtendatenschutzes vorzunehmen, wegen des Vorrangs einer EUVerordnung zurückgestellt werden. Folgerichtig ist auch der Entschließungsantrag des Landes Baden-Württemberg im Bundesrat vom 28.6.20131 darauf gerichtet, in dem Verfahren auf den Erlass einer DatenschutzGrundverordnung auf bestimmte Leitlinien für den Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis hinzuwirken. Offen ist derzeit, zu welchem Zeitpunkt die Verordnung für den Fall ihrer Verabschiedung in Kraft tritt und damit unmittelbare und zwingende Vorgaben in den Mitgliedsstaaten setzen würde. Bedeutsam wäre dies schon deshalb, weil bestehende Vorschriften, die im Widerspruch zu den Regelungen der Verordnung stehen, unwirksam werden. Klärungsbedarf besteht darüber hinaus insoweit, als unklar ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auf nationaler Ebene Regelungen fortbestehen oder sogar geschaffen werden können, die zugunsten der Arbeitnehmer strengere Voraussetzungen an die
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BR-Drucks. 552/13.
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Kein Solvency II für die betriebliche Altersversorgung
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis beinhalten. Damit würde zwar auch Art. 8 GRC entsprochen. Gegen eine weitergehende Einschränkung könnte aber sprechen, dass solche Vorgaben stets auch eine Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bedeuten, die durch Art. 16 GRC geschützt wird. (Ga)
2.
Kein Solvency II für die betriebliche Altersversorgung
Im Mai hat der zuständige Kommissar Barnier angekündigt, in seinem Vorschlag einer Richtlinie zur Verbesserung der Governance und Transparenz der betrieblichen Rentenfonds keine Verpflichtung mehr zur Übernahme der Solvency II-Kriterien vorzusehen. Wir hatten bei früherer Gelegenheit über entsprechende Pläne der EU-Kommisson berichtet2. Damit entfallen ganz erhebliche Verpflichtungen zur Eigenkapitalausstattung von Pensionsfonds, die jedenfalls die in Deutschland bestehenden Sicherungssysteme, nicht zuletzt auch die Ausfallhaftung des Arbeitgebers, nicht berücksichtigt hatten. Der Richtlinienentwurf wird also nur noch Regelungen vorsehen, durch die die Rentenfonds zur Errichtung eines wirksamen Governance-Systems verpflichtet werden sollen. Hierzu gehören inhaltliche Vorgaben zu einem Risikomanagement- und Kontrollsystem sowie Mindestanforderungen an die Qualifikation und Tätigkeit von Fondsverwaltern. In Bezug auf die Transparenz sollen die nationalen Regelungen zur Berichterstattung und Beaufsichtigung vereinheitlicht und grenzüberschreitende Aufsichtswege geschaffen werden. (Ga)
3.
Neue Unverfallbarkeitsregelungen durch Einigung in Bezug auf die Portabilitätsrichtlinie
Nachdem das Thema „Solvency II“ für Pensionsfonds vom Tisch ist3, können sich die Gremien auf Europäischer Ebene wieder der Arbeit an der Portabilitätsrichtlinie zuwenden4. Der Rat hat hier bereits am 20.6.2013 einen Kompromisstext verabschiedet, mit dem Mindestvorschriften im Bereich der betrieblichen Altersversorgung geschaffen werden sollen. Auf dieser Grundlage soll noch während der Amtszeit der bestehenden Kommission eine Einigung gefunden werden. 2 3 4
Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 26 ff. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 339. Vgl. zuletzt COM(2007) 603 final.
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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Dabei wird das Thema der grenzüberschreitenden Übertragung von Versorgungsanwartschaften und des dazu gehörenden Deckungskapitals, das dem Richtlinienentwurf ursprünglich einmal seinen Namen gab, allerdings nicht weiter verfolgt. Der neue Entwurf enthält keine Regelungen mehr zu dieser Frage. Vielmehr sollen Mindestregelungen in Bezug auf den Erwerb und die Aufrechterhaltung von Versorgungsanwartschaften geschaffen werden, die auch für die deutsche Rechtslage Bedeutung haben. Dies gilt insbesondere für die Unverfallbarkeitsfristen. Denn hier steht eine Verkürzung um ein Jahr (ab Vollendung des 25. Lebensjahres) und fünf Jahre (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres) zur Diskussion, jedenfalls für den Fall eines grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsels. Ergänzende Regelungen sollen zur Auszahlung etwaiger Beiträge vor Unverfallbarkeit getroffen werden. Zu erwarten ist aber, dass die Absenkung der heutigen Anspruchsvoraussetzungen schlussendlich auch auf nationale Sachverhalte ausgedehnt wird. Das EU-Parlament verfolgt bereits das Ziel einer entsprechenden Ausweitung. Konsequenz wäre, dass eine Vielzahl von Versorgungsanwartschaften trotz Arbeitgeberwechsels erhalten bleiben und insoweit auch deutlich früher Rückstellungen gebildet werden müssen. Man wird die Entwicklung deshalb sehr genau im Auge behalten müssen. (Ga)
4.
Vorschlag einer Richtlinie zur Arbeitnehmerfreizügigkeit
Am 26.4.2013 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit zustehen, vorgelegt5. Der Rat für Beschäftigung, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz hat diesen Entwurf am 9.12.2013 aufgegriffen und strebt eine Verabschiedung im Frühjahr 2014 an. Dass nach den eigenen Feststellungen im Jahre 2011 nur 3,1 Prozent der EU-Bürger im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) überhaupt in einem anderen EUMitgliedstaat als ihrem eigenen leben - geschweige denn arbeiten – ist für die Europäische Kommission kein Grund, steht einer Regulierung nicht entgegen. Der Entwurf selbst enthält, was die Rechtslage in Deutschland betrifft, nur wenige Vorgaben, die einen zusätzlichen Handlungsbedarf begründen könnten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Richtlinie unter anderem in Bezug auf den Zugang zu Beschäftigung, die Beschäfti5
COM(2013) 236 final.
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Vorschlag für eine Änderung mehrerer Richtlinien in Bezug auf Seeleute
gungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere in Bezug auf Entgelt und Kündigung, den Zugang zu sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften, den Zugang zur beruflichen Bildung, den Zugang zu Wohnraum und den Zugang zur Bildung für die Kinder der Arbeitnehmer erfasst. Innerhalb dieses Bereichs soll durch die Mitgliedstaaten sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer und deren Familienangehörige im Gerichts- oder Verwaltungswege ihre Ansprüche aus dem Grundsatz auf Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) durchsetzen können. Hierbei soll eine Unterstützung durch Verbände, Organisationen oder sonstige Rechtssubjekte, die im Einklang mit den innerstaatlichen Kriterien ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie haben, erfolgen können. Zur weiteren Durchsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sollen die Mitgliedstaaten allerdings eine Struktur bzw. eine oder mehrere Stellen zur Förderung, Analyse, Überwachung und Unterstützung der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen ohne jegliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit benennen und die notwendigen Regelungen für deren Arbeit erlassen. Dabei soll vor der Gefahr einer Verletzung von Arbeitnehmerrechten im Rahmen von Unterauftragsketten nicht nur durch ein gesamtschuldnerischen Haftungssystem, sondern auch durch ein alternatives Sanktionsmodell auf nationaler Ebene Rechnung getragen werden. Art. 7 des Richtlinienentwurfs soll die Mitgliedstaaten verpflichten, allen Betroffenen Informationen über die aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit resultierenden Rechte verfügbar zu machen. Gleichzeitig sollen – so Art. 8 des Entwurfs – nicht nur die erforderlichen Vorschriften zur Umsetzung der Vorgaben zur Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit geschaffen werden. Es wird ausdrücklich klargestellt, dass auch günstigere Regelungen zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes weiterhin zulässig sind. Es bleibt abzuwarten, welche Veränderungen des Entwurfs noch erfolgen. Mit einer Verabschiedung ist wohl zu rechnen. Handlungsbedarf besteht derzeit indes (noch) nicht. (Ga)
5.
Vorschlag für eine Änderung mehrerer Richtlinien in Bezug auf Seeleute
Am 18.11.2013 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2008/94/EG, 2009/38/EG, 2002/14/EG, 98/59/EG und 341
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
2001/23/EG in Bezug auf Seeleute vorgelegt6. Die entsprechende Unterrichtung ist am gleichen Tag in den Bundesrat eingebracht worden7. Betroffen hiervon sind folgende Richtlinien: • Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (2008/94/EG), • Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats (2009/38/EG), • Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer (2002/14/EG), • Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften in Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (98/59/EG), • Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften in Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (2001/23/EG).
In Bezug auf die Insolvenzrichtlinie (Richtlinie 2008/94/EG) und die Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat (Richtlinie 2009/38/EG) bestehen die Änderungen schlussendlich nur darin, dass die Seeleute durch entsprechende Streichungen in Art. 1 der beiden Richtlinien in den Anwendungsbereich aufgenommen werden sollen. In Bezug auf die Richtlinie über die Unterrichtung und Anhörung (Richtlinie 2002/14/EG) könnten die Mitgliedstaaten zwar weiterhin durch Erlass besonderer Bestimmungen für die Besatzung von Hochseeschiffen von dieser Richtlinie abweichen. Allerdings wird dies durch eine Ergänzung in Art. 3 Abs. 3 an die Voraussetzung geknüpft, dass diese besonderen Bestimmungen ein gleichwertiges Schutzniveau des Rechts auf Unterrichtung und Anhörung und dessen tatsächlicher Ausübung durch die betroffenen Arbeitnehmer gewährleisten. Die Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG) wird nicht nur durch die Streichung einer entsprechenden Ausnahmeregelung auch auf die Besatzungen von Seeschiffen ausgeweitet (Art. 1 Abs. 2 lit. c). Darüber hinaus ist vorgesehen, besondere Regelungen in Bezug auf die Informationen der zuständigen Behörden über eine geplante Massenentlassung (Art. 3) und den Fall der Übernahme eines Seeschiffes durch einen anderen Rechtsträger (Art. 4) einzufügen.
6 7
COM(2013) 798 final. BR-Drucks. 764/13.
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Arbeitsprogramm der Kommission 2014
Die Richtlinie zum Betriebs- und Unternehmensübergang (Richtlinie 2001/23/EG) soll in Art. 1 dahingehend modifiziert werden, dass sie für den Übergang eines Seeschiffs, das in einem Mitgliedstaat registriert ist und/oder unter seiner Flagge fährt und ein Unternehmen, ein Betrieb oder ein Unternehmens- bzw. Betriebsteil im Sinne dieser Richtlinie ist, auch dann zur Anwendung kommt, wenn es sich nicht im räumlichen Geltungsbereich des Vertrags befindet. Allerdings soll den Mitgliedstaaten nach Konsultation der Sozialpartner erlaubt werden, zu beschließen, dass die Vorgaben zur Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer (Kap. II dieser Richtlinie) nicht zur Anwendung kommen, wenn der Übergang ausschließlich ein oder mehrere Seeschiffe betrifft oder das Unternehmen, das Gegenstand des Übergangs ist, nur ein einziges Seeschiff betreibt. Abzuwarten bleibt, ob und ggf. inwieweit diese Richtlinie nach weiteren Verfahren noch Änderungen und/oder Ergänzungen erfahren wird. Wir werden darüber berichten. (Ga)
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Arbeitsprogramm der Kommission 2014
Am 22.10.2013 hat die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen ihr Arbeitsprogramm für 2014 mitgeteilt8. Aus arbeitsrechtlicher Sicht lassen sich der Mitteilung folgende Projekte entnehmen: • Entsendung von Arbeitnehmern (auf Binnenmarkt Akte I): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Durchsetzung der Richtlinie 36/71EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen9. • Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte im Zusammenhang mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer10. • Datenschutz-Paket: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Da-
8 COM(2013) 739 final. 9 COM(2012) 131 2012/0061 (COD). 10 COM(2013) 236 2013/0124 (COD).
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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
tenverkehr und Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung)11. • Mobilität der Arbeitskräfte: Mit der Initiative soll die Freizügigkeit der Menschen in der EU dadurch erleichtert werden, dass die Systeme der sozialen Sicherheit besser abgestimmt werden, was die Rechte der Menschen stärken und zu Wachstum und Beschäftigung beitragen wird. Das Paket wird eine Bilanz des bislang Erreichten sowie Vorschläge zur Änderung der Verordnungen 883/2004 und 987/2009 über die Koordinierung der sozialen Sicherheit und eine Initiative zu den hochmobilen Arbeitnehmern umfassen. . • Mitteilung über die Schaffung von Arbeitsplätzen in einer „Grünen Wirtschaft“: Im Mittelpunkt der Mitteilung werden die wichtigsten Maßnahmen zur Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Verbesserung der Resourceneffizienz am Arbeitsplatz stehen, eine der größten Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Es wird hauptsächlich um die wichtigsten Wirtschaftssektoren und die Antizipation des Qualifikationsbedarfs im Sinne einer ressourcenschonenderen Wirtschaft gehen. • Inangriffnahme des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern: Diese Initiative wird den Grundsatz der gleichen Entlohnung für Frauen und Männer stärken und seine wirksame Umsetzung vereinfachen; zudem wird den Mitgliedstaaten bei der Suche nach der richtigen Vorgehensweise zur Verringerung des fortbestehenden Lohngefälles zwischen den Geschlechtern geholfen. • Neu- und Zusammenfassung dreier Richtlinien über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer12: Neu- und Zusammenfassung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen, der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen sowie der Richtlinie 11 COM(2012) 10 2012/0010 (COD); COM(2012) 11 2012/0011 (COD). 12 Dies betrifft die Richtlinie 89/59/EG über Massenentlassungen, die Richtlinie 2001/23/EG über den Übergang von Unternehmen und die Richtlinie 2002/14/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der EU.
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Arbeitsprogramm der Kommission 2014
2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft. Die Arbeit soll auf der Grundlage eines im Juli 2013 veröffentlichten Fitness-Check13 erfolgen, um einige der im Arbeitsdokument der Kommission angesprochenen Probleme zu lösen (und die Funktionsweise der Richtlinien zu verbessern). Zu dieser Initiative müssen die Sozialpartner angehört werden.
Es handelt sich bei den vorstehenden Punkten um ein erkennbar großes Arbeitsprogramm. Es bleibt abzuwarten, ob und wann hierzu Ergebnisse erkennbar werden. Wir werden berichten. (Ga)
13 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen: „Fitness-Check“ in Bezug auf das EU-Recht im Bereich der Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, SWD(2013) 293 final v. 26.7.2013.
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C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.
Altersdiskriminierung durch „junges dynamisches Team“ oder die Suche nach Berufsanfängern?
Bereits im Frühjahr hatten wir auf das Urteil des BAG vom 24.1.20131 hingewiesen2. In diesem hatte der 8. Senat des BAG den Grundsatz aufgestellt, dass ein Indiz für das Vorliegen einer Benachteiligung von Bewerbern wegen des Alters gegeben sei, wenn in einer Stellenausschreibung für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Jahrgangprofessionals“ gesucht würden und sich die Ausschreibung ausdrücklich an „Berufsanfänger“ richte. Nachdem die Entscheidung inzwischen im Volltext vorliegt, sollen wesentliche Aspekte noch einmal zusammengefasst werden. In dem zugrunde liegenden Fall ließ die Beklagte in Zeitungen Stellenanzeigen veröffentlichen, in denen es u. a. hieß: Die C hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen zu decken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C (‚CTrain’) Konzept: -
Ein Traineeprogramm ist ein Programm für Hochschulabsolventen. …
Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm ‚CTrain’ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt. Erfahrungswissen wird nicht gefordert. … Ihr Profil: abgeschlossenes Hochschulstudium vorzugsweise der Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Jura oder Naturwissenschaften … Die C trifft ihre Personalentscheidung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Bei gleicher Eignung bevorzugen wir schwer behinderte Menschen. Außerdem streben wir eine Erhöhung des Anteils von Frauen an und fordern Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleichwertiger Qua-
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8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 ff. B. Gaul, AktuellAR 2013, 31 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag lifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt.
Der damals 36 Jahre alte Kläger war zum Zeitpunkt seiner Bewerbung bei einer Rechtsschutzversicherung als Leiter einer fünfköpfigen Juristengruppe als Rechtsanwalt tätig. Er bewarb sich neben 309 anderen Personen im April 2009 auf die ausgeschriebene Stelle. Männliche und weibliche Bewerber wurden bei der Beklagten in getrennten Listen geführt. 29 Bewerber, darunter 18 Frauen, wurden zu einem Assessment-Center eingeladen. Am Ende entschied sich die Beklagte für eine Bewerberin und einen Bewerber. Nachdem die Beklagte dem Kläger daraufhin absagte, erhob er u. a. Klage auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen Benachteiligung wegen des Alters. Diese liege jedenfalls mittelbar darin, dass sich das TraineeProgramm an Hochschulabsolventen richte und es sich bei diesen typischerweise um jüngere Menschen handele. Die Beklagte verteidigte sich gegen diesen Vorwurf mit dem Hinweis, dass ausschließlich Noten, dargelegte Motivation, außercurriculares Engagement sowie die äußere Form der Bewerbung Grundlage für die Entscheidung gewesen sei, wer aus dem Kreis der Bewerber zum Assessment-Center eingeladen wurde. Der Kläger sei nicht eingeladen worden, da seine Noten deutlich hinter denen anderer Bewerber zurückgeblieben seien. Sie habe nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die gute oder sehr gute Examensnoten ausgewiesen hätten. Die eigentliche Auswahl sei schließlich aufgrund der erreichten Punkte im Assessment-Center, der mündlichen Präsentation und des sozialen Verhaltens der Bewerber erfolgt. Entgegen der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg hat der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 24.1.20133 durchaus Indizien für eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters gesehen. Der Kläger habe, weil er nicht zum Assessment-Center eingeladen worden sei, eine weniger günstige Behandlung als andere Bewerber erfahren. Da der Kläger nach den in der Stellenausschreibung erkennbaren Kriterien durchaus die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle besessen habe, sei er auch in einer vergleichbaren Situation mit den anderen Bewerbern gewesen. Soweit sich die Beklagte auf den Notenschnitt berufen habe, sei dieses Kriterium aus der Stellenausschreibung selbst heraus nicht unmittelbar erkennbar gewesen. Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters sei im vorliegenden Fall der Text der Stellenausschreibung. Diese ent3
8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 22 ff.
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Altersdiskriminierung durch „junges dynamisches Team“
halte neben den Bewerbungskriterien „Hochschulabsolventen“ und „Berufsanfänger“ auch das Kriterium „Young Professionells“. Letzteres könne mit „junger Fachmann/Frau“ übersetzt werden. Damit habe die Beklagte direkt auf das Merkmal „Alter“ abgestellt. Sie habe zum Ausdruck gebracht, dass es ihr nicht allein darum gegangen sei, Bewerber, die gerade ihren Hochschulabschluss geschafft hätten und die noch keine oder wenig Berufserfahrung aufwiesen, anzusprechen. Diese Kriterien möge etwa auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst in vorgerücktem Alter seinen Abschluss gemacht habe. Diesen Bewerberkreis wollte die Beklagte erkennbar aber nicht ansprechen. Neben fehlender Berufserfahrung sollten die Bewerber vielmehr auch noch „jung“ sein. Auch wenn der Begriff „jung“ nicht eindeutig zu definieren sei, bringe die Zusammenschau der Kriterien „Hochschulabsolvent“ und „Berufsanfänger“ sowie „Young Professionells“ aus Sicht des objektiven Lesers des Stellenprofils die Erwartungshaltung der Beklagten zu Ausdruck, dass die Bewerber nicht älter als 30, maximal 35 Jahre sein sollten. Damit wurden solche Personen, die nicht „jung“ waren, aus dem Kreis derer, die für die zu besetzende Stelle in Betracht kamen, ausgeschlossen. Hierzu gehörte auch der Kläger, der zum Zeitpunkt der Bewerbung bereits 36 Jahre alt war4. Eine Rechtfertigung für diese Benachteiligung gemäß § 10 AGG hat das BAG nicht gesehen. Zwar könne man durchaus darüber nachdenken, dass jedenfalls die Aufrechterhaltung einer bestimmten Personalstruktur ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 S. 1, 2 AGG sei. Hierfür hätte die Beklagte indes vortragen müssen, welche konkrete Personalstruktur sie schaffen oder erhalten wolle und aus welchen Gründen dies zu geschehen habe. Dass in den nächsten Jahren eine hohe Zahl älterer Mitarbeiter ausscheiden werde, genüge selbst dann nicht, wenn fast die Hälfte der übrigen Beschäftigten mehr als 20 Jahre alt sei. Wenn – so das BAG – man von einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 30 Jahren und einem Ausscheiden bei 65 oder mehr Jahren ausgehe, so liege das Alter von 50 Jahren nur knapp über dem Durchschnitt in einem Erwerbsleben. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte näher erläutern müssen, welche Altersgruppe sie anstrebe und welche Nachteile ansonsten ggf. drohen würden5. Soweit sich die Beklagte zur Rechtfertigung ihres Anforderungsprofils darauf berufen habe, sie habe bewusst Berufsanfänger ohne Berufserfahrung gesucht, um diese Bewerber in ihrem Sinne „formen“ zu können, so hat dies das BAG offenbar nicht anerkannt. Auch wenn damit schlussendlich offen4 5
BAG v. 24.1.2013 - 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 41 ff. BAG v. 24.1.2013 - 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 50.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
blieb, ob es zulässig ist, für Traineeprogramme nach jungen Hochschulabsolventen zu suchen6, hat das BAG bereits Bedenken, ob die darin liegende Unterscheidung bereits durch „objektive“ Umstände gerechtfertigt ist. Wenn die Beklagte darauf abstelle, dass sie sich ihren Führungskräftenachwuchs habe „formen“ wollen, so liege dem die Annahme zugrunde, dass dies bei älteren Arbeitnehmern mit Berufserfahrung nicht oder weniger gut ginge. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein älterer Arbeitnehmer weniger gut lerne als ein jüngerer, existiere indes nicht und sei auch vom LAG nicht festgestellt worden. Allenfalls verringere sich die Lerngeschwindigkeit im zunehmenden Alter. Soweit sich die Beklagte darauf zwar pauschal berufen habe, genüge dies den Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag nicht. Vielmehr liege darin eine bloße Vermutung, die eine solche Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen könne. Entsprechendes gelte, soweit man bei jungen Hochschulabsolventen eine größere Bereitschaft unterstellen möge, sich voll und ganz auf ein neues Unternehmen einzulassen. Anerkannt sei bislang allenfalls, dass bei typisierender Betrachtung die Chancen für Ältere auf dem Arbeitsmarkt sänken und dass die körperliche und psychische Belastbarkeit mit zunehmenden Alter abnehme7. Nicht anerkannt sei aber, dass die Mobilität oder Flexibilität mit zunehmendem Alter sinken. Auch Arbeitnehmer mit fortgeschrittenem Alter müssten sich fort- und weiterbilden. Es spreche daher im Grundsatz nichts dagegen, dass auch ein fast Vierzigjähriger mit Erfolg an einem Trainee-Programm teilnehmen und anschließend eine Position in der Führungsebene eines Unternehmens ausfüllen könne8. Entgegen dieser relativ kritischen Sichtweise durch das BAG hat das LAG München im Urteil vom 13.11.20129 den in einer Stellenausschreibung enthaltenen Satz: Wir sind ein junges dynamisches Team und ergänzen einander zu einer spannenden Herausforderung
nicht als ausreichend angesehen, um ein Indiz für eine mögliche Benachteiligung wegen des Alters zu schaffen. Anders als die in einer Stellenanzeige enthaltene Suche nach „jungen“ Bewerbern diene die Verwendung der Wor6 7 8 9
So Bauer/Göpfert/Krieger, AGG § 10 Rz. 35; Wiechert/Zange, DB 2007, 970, 971; krit. Weber, AuR 2002, 401, 403 f. Vgl. EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 67 – Prigge; BAG v. 15.12.2001 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 Rz. 56; BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 57. BAG v. 24.1.2013 - 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 57. 7 Sa 105/12, BB 2013, 570 ff.
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Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber zur Vorbereitung einer Diskriminierungsklage
te „junges dynamisches Team“ im Eingangsbereich der Stellenbeschreibung allein der Selbstdarstellung des Arbeitgebers. Es sei ein „reiner Werbeblock“ mit aus Sicht der Beklagten positiven Heraushebungen wie „Team“, „dynamisch“ und auch „jung“, mit dem sich die Beklagte in abstrakter Weise und gerade losgelöst vom Anforderungsprofil eines Stellensuchenden positiv darstellen wolle. Dass die Beklagte diese Selbstdarstellung vornimmt, ohne damit Eindruck auf den Bewerber und seine Erkenntnis zur Eignung für die ausgeschriebene Position nehmen zu wollen, erscheint allerdings mehr als fraglich. Der Praxis sei daher von entsprechenden Beschreibungen abgeraten, wenn der naheliegende Vorwurf einer Diskriminierung wegen des Alters vermieden werden soll. (Ga)
2.
Kein genereller Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber zur Vorbereitung einer Diskriminierungsklage
Im Anschluss an den Vorlagebeschluss des BAG vom 20.5.201010 hatte der EuGH durch Urteil vom 19.4.201211 klargestellt, dass die verschiedenen Richtlinien zur Gleichbehandlung so auszulegen seien, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlege, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfülle, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsähen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt habe. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein könne, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten ließen, heranzuziehen sei. Ob dies im Ausgangsverfahren der Fall sei, müsse auf nationaler Ebene durch das vorliegende Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geprüft werden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich die Klägerin, die 1961 im heutigen Russland geboren worden war, auf die Stellenausschreibung für „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/in“ beworben. Zuvor war ihr in Russland abgeschlossenes Studium zur Systemtechnik-Ingenieurin durch das Land Schleswig-Holstein mit einem an einer Fachhochschule in der BRD durch die Diplom-Prüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik gleichgestellt worden. 10 8 AZR 287/08 (A), NZA 2010, 1006 Rz. 1. 11 C-415/10, NZA 2012, 493 Rz. 31 – Meister.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Die Bewerbung vom 5.10.2006 war allerdings erfolglos. Bereits am 11.10.2006 erhielt sie eine Absage von der Beklagten. Als die Stellenanzeige allerdings weiterhin im Internet veröffentlicht war, bewarb sich die Klägerin am 19.10.2006 erneut um eine Beschäftigung. In ihrem Bewerbungsschreiben begründete sie ausführlich, warum sie sich aufgrund ihrer Ausbildung und der anschließenden Beschäftigung mit den in der Ausschreibung genannten Computerprogrammen in besonderer Weise für geeignet hielt. Auch diese erneute Bewerbung blieb ohne Erfolg. So teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 20.10.2006 mit: Sehr geehrte Frau M., unsere Absage war weder voreilig noch unüberlegt. Wir haben eine Auswahl an Bewerbern getroffen, die wir zum Vorstellungsgespräch einladen. Aus diesem Kreis werden wir eine Auswahl treffen. Die Stellenanzeige ist von uns nicht wieder veröffentlicht worden. Wir haben eine Laufzeit von 3 Monaten eingekauft, als wir diese geschaltet haben. Vielen Dank nochmals für Ihr Interesse. Wir wünschen Ihnen für Ihre weitere Suche alles Gute und viel Erfolg! Mit freundlichen Grüßen
Mit ihrer Klage machte die Klägerin daraufhin eine Entschädigung wegen einer behaupteten Diskriminierung wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft und ihres Alters in Höhe von sechs Monatsgehältern à 3.000,- € geltend. In der Begründung behauptete sie, die Beklagte habe sie wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft und ihres Alters benachteiligt. Im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung sei die Beklagte verpfichtet, ihr im Wege der Vorlage der Bewerbungsunterlagen des an ihrer Stelle eingestellten Bewerbers Auskunft über die Person und die Gründe der Besetzungsentscheidung zu geben. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH hat das BAG mit Urteil vom 25.4.201312 die Klage jetzt als unbegründet gewertet. Der Klägerin steht kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Zwar war in der fehlenden Einladung der Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch eine Benachteiligung zu sehen, weil ihr damit die Chance auf Einstellung versagt wurde. Die Klägerin hatte allerdings nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass die weniger günstige Behandlung durch die Beklagte wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt war.
12 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 25 ff.
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Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber zur Vorbereitung einer Diskriminierungsklage
Nach den überzeugenden Feststellungen des 8. Senat des BAG verlangt der Beibringungsgrundsatz des Urteilsverfahrens einen schlüssigen Tatsachenvortrag der Parteien. Für ein schlüssiges Klagevorbringen genüge es auch unter Berücksichtigung von § 22 AGG nicht, wenn diejenige Partei, die sich auf eine Benachteiligung berufe, im Prozess lediglich vortrage, sie erfülle ein Merkmal gemäß § 1 AGG und wegen dieses Merkmals habe sie eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren. Allein ein solcher Vortrag würde entweder eine bloße Mutmaßung oder eine unzulässige Behauptung „ins Blaue hinein“ darstellen, zumal jeder Mensch zwangsläufig mehrere der in § 1 AGG genannten Merkmale aufweise. Voraussetzung für eine schlüssige Begründung der auf Entschädigung gerichteten Klage sei, dass die sich benachteiligt fühlende Person Indizien vortrage, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten ließen. Dies sei der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen, die ggf. durch die Klägerseite bewiesen werden müssen, aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass die Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt sei13. Erst wenn auf der Grundlage eines entsprechenden Vortrags eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründen vermutet werden kann, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorliegt. Hierfür muss er das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf einem dieser Gründe beruht. Er muss damit Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren, als die in § 1 AGG genannten, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben14. Aus dem Vortrag der Klägerin waren solche Indizien für eine Vermutung der Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe nicht zu entnehmen. Die Stellenausschreibung – so das BAG – verstieß nicht gegen die §§ 1, 7 Abs. 1 AGG. Dass die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, obgleich sie – dies konnte unterstellt werden – objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, konnte allein keine Vermutung für eine ungünstige Behandlung gerade als Frau mit einem Lebensalter über 45 und russischer Herkunft begründen. Hierzu hätten – so das BAG – von der Klägerin weitere Umstände vorgetragen werden müssen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergeben hätte, dass 13 BAG v. 25.4.2013 - 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 36 f. 14 So BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 64; BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667 Rz. 58.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
diese Merkmale oder jedenfalls eines dieser Merkmale (mit-)ursächlich für die nachteilige Behandlung gewesen seien. Dies gelte selbst dann, wenn die Klägerin – wie von ihr vorgetragen – nach „objektiven Kriterien“ die „Beste“ gewesen sein sollte. Denn gerade weil die Beklagte als nicht öffentliche Arbeitgeberin nicht dem aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleiteten Prinzip der „Bestenauslese“ unterlag, durfte sie sich auch für die Einstellung eines objektiv nach Kenntnissen und Fähigkeiten möglicherweise für einen „schlechteren“ Bewerber entscheiden. Voraussetzung war lediglich, dass die insoweit maßgeblichen Gründe in keinem Zusammenhang mit den in § 1 AGG genannten Kriterien standen. So konnte das äußere Erscheinungsbild des Bewerbungsschreibens, dessen Inhalt, bisherige Beurteilungen/Zeugnisse oder eine Gewichtung des beruflichen Werdegangs durchaus für die Einstellung eines Bewerbers oder einer Bewerberin sprechen der/die hinsichtlich der qualifikationsbezogenen Anforderungen nicht so hoch einzuschätzen war15. In entsprechender Weise wird man das (soziale) Verhalten eines Bewerbers bzw. einer Bewerberin im Rahmen des Vorstellungsgesprächs oder bei telefonischen Kontakten berücksichtigen können. Das pauschale Vorbringen der Klägerin, in der IT-Branche würden Frauen diskriminiert, blieb zu Recht unberücksichtigt. Die Klägerin hatte – so das BAG – nämlich weder statistische Daten noch sonstiges Zahlenmaterial vorgetragen. Soweit man ihren Vortrag dahingehend verstehe, dass im ITBereich mehr Männer als Frauen beschäftigt würden, könne dies vielfältige Gründe haben, u. a. den, dass sich weniger Frauen als Männer um entsprechende Stellen bewerben würden. Ebenso unerheblich war, dass die Klägerin ein standardisiertes Ablehnungsschreiben erhalten hatte. Der Arbeitgeber sei grundsätzlich nicht gehalten, individuell auf die jeweiligen Bewerbungen einzugehen. Etwas anderes könne allenfalls bei der Ablehnung einer Bewerbung schwerbehinderter Bewerber gelten (§ 81 Abs. 1 S. 4 bis 9 SGB IX)16. Dass in der Absage jeweils nur von „Bewerbern“ die Rede war, ohne dass geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet wurden, war für das BAG im Urteil vom 25.4.201317 ebenfalls kein Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung. Anders als bei einer Stellenausschreibung, die geschlechtsneutral formuliert werden müsse, könne bei normaler Korrespondenz mit einem Bewerber oder einer Bewerberin nicht aus jeder männlichen Bezeichnung eines Begriffs geschlussfolgert werden, dass die Beklagte ge15 Vgl. BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 46. 16 BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 52. 17 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 53.
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Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber zur Vorbereitung einer Diskriminierungsklage
rade Männer bevorzugt einstellen wollte. Es entspreche nicht nur der Umgangssprache, sondern auch dem üblichen Schriftdeutsch, dass Personenbezeichnungen nicht stets in der männlichen und in der weiblichen Form verwendet würden. Dass die Beklagte der Aufforderung der Klägerin, ihr Auskunft über den eingestellten Bewerber oder die eingestellte Bewerberin zu geben bzw. ihr die Gründe für die getroffene Personalauswahl zu nennen oder die Bewerbungsunterlagen dieser Personen vorzulegen, nicht entsprochen habe, war für das BAG ebenso wenig ausreichend, um eine Diskriminierung zu vermuten. Dies folge grundsätzlich bereits aus dem Umstand, dass – so der EuGH – die Klägerin keinen entsprechenden Auskunftsanspruch habe. Insofern könne auch die Verweigerung einer Auskunft über die Person, die anstelle des klagenden Bewerbers vom Arbeitgeber eingestellt worden sei, und/oder die Kriterien, die für deren Einstellung entscheidend waren, für sich betrachtet noch kein Indiz im Sinne des § 22 AGG darstellen, dass die Vermutung für das Vorliegen gegen einer in § 1, 7 AGG verstoßenden Benachteiligung des nicht eingestellten Bewerbers begründe. Etwas anderes gelte unter Berücksichtigung der EuGH-Vorgaben nur dann, wenn der abgelehnte Bewerber zumindest schlüssig darlege, dass und warum es ihm durch die vom Arbeitgeber verweigerte Information unmöglich gemacht oder zumindest unzumutbar erschwert werde, Tatsachen gemäß § 22 AGG darzulegen, die eine unzulässige Benachteiligung vermuten ließen oder warum die Verweigerung der Auskunft unter Berücksichtigung der Gesamtumstände jetzt endlich ein Indiz im Sinne des § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung darstelle. Hierfür müssten entweder Anhaltspunkte schlüssig dargelegt werden, aus denen gefolgert werden könne, erst die geforderte, aber verweigerte Auskunft werde es ermöglichen, eine gegen § 7 AGG verstoßende Benachteiligung entsprechend der Beweislastregel des § 22 AGG nachzuweisen oder schließlich dargetan werden, aus welchen Gründen gerade die Verweigerung der Auskunft für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau aller Umstände die Vermutung einer Benachteiligung (§ 22 AGG) begründe. Auf Behauptungen „ins Blaue hinein“ dürfe sich der abgelehnte Bewerber nicht beschränken18. Auch diesen Vortrag hatte die Klägerin nicht gebracht. Denn die Klägerin hatte lediglich die Ablehnung ihres Auskunftsverlangens mit der These verknüpft, bereits darin läge eine Diskriminierung wegen des Alters, des Geschlechts oder der Herkunft. Dies aber genügte nicht.
18 BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 55 ff., 59.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Für die betriebliche Praxis hat es damit abschließend klargestellt, dass grundsätzlich Auskünfte über den internen Ablauf eines Bewerbungsverfahrens, über die Gründe für die Einstellung anderer Bewerber oder gar Unterlagen zu diesen Bewerbern nicht in das Außenverhältnis gegeben werden müssen. Nur dann, wenn sich bereits aus anderen Gesichtspunkten des Bewerbungsverfahrens heraus erste Anhaltspunkte für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Kriterien ergeben, die sich durch eine entsprechende Auskunft zu einer Vermutung im Sinne des § 22 AGG verdichten würden, wird man ausnahmsweise einen entsprechenden Auskunftsanspruch annehmen können. Solange das Bewerbungsverfahren indes ordnungsgemäß geführt und auch diskriminierungsfrei die Ablehnung von Bewerbern erfolgt, ist ein entsprechender Ausnahmetatbestand nicht gegeben. (Ga)
3.
Diskriminierung wegen des Geschlechts durch Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin
Selbstverständlich stellt die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, mit der einer durch diesen Zustand ausgelösten Belastung des Arbeitsverhältnisses von Seiten des Arbeitgebers entgegengewirkt werden soll, eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 3 Abs. 1 AGG dar. Ohne Rücksicht auf die Regelungen des AGG ist die Kündigung bei entsprechender Zweckbestimmung allerdings schon wegen der fehlenden Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde unzulässig (§ 9 MuSchG). Darüber hinaus kann die hiervon betroffene Arbeitnehmerin Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche gemäß § 15 Abs. 1, 2 AGG geltend machen. In seinem Urteil vom 17.10.201319 musste das BAG sich mit der Frage befassen, ob von einer entsprechenden Diskriminierung wegen des Geschlechts auch dann auszugehen ist, wenn die Kündigung durch den Arbeitgeber zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wird, an dem auf seiner Seite noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft besteht. Zu Recht hat der 8. Senat des BAG in diesem Fall eine solche Benachteiligung abgelehnt. Dies gelte sowohl für die Kündigung als auch für ein „Festhalten“ an der Kündigung, die für die Arbeitnehmerin ein Kündigungsschutzverfahren notwendig macht. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Beklagte als Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristgemäß in der Probezeit gekündigt. Binnen einer Woche 19
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8 AZR 742/12 n. v.
Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen
machte die Klägerin unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung geltend, bei Zugang der Kündigung schwanger gewesen zu sein. Unter Bezugnahme auf die daraus gemäß § 9 Abs. 1 MuSchG folgende Unwirksamkeit der Kündigung forderte die Klägerin die Beklagte daraufhin auf, innerhalb einer weiteren Woche mitzuteilen, dass sie an der Kündigung „nicht festhalte“, damit keine Klage erhoben werden müsse. Das erklärte die Beklagte zunächst nicht. Nachdem der Betriebsarzt einen Monat später sowohl die Schwangerschaft als auch ein zwischenzeitlich ausgesprochenes Beschäftigungsverbot bestätigt hatte, erklärte die Beklagte nach Wochen eine „Rücknahme“ der Kündigung. Die Klägerin lehnte in der Folgezeit jedoch eine außergerichtliche Einigung ab. Die Beklagte gab dann schlussendlich beim Arbeitsgericht eine Anerkenntnis-Erklärung ab, worauf die Unwirksamkeit ihrer Kündigung festgestellt wurde. Die Arbeitnehmerin nahm dies zum Anlass, nunmehr im Klagewege eine Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu fordern. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat auch das BAG einen solchen Anspruch abgelehnt. Die Kündigung – so der 8. Senat des BAG – konnte schon deswegen keine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts sein, weil die Arbeitgeberin bei der Erklärung der Kündigung keine Information über die Schwangerschaft der Klägerin hatte. Die von der Beklagten verlangte Rücknahme ihrer Kündigung war rechtstechnisch nicht möglich; über die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Verständigung der Parteien habe sich die Klägerin nicht hinreichend informiert gezeigt. Insofern war es auch zu diesem Punkt zu keiner Einigung gekommen. Dass die Parteien im Anschluss daran über die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 11 MuSchG in Bezug auf die Zahlung von Mutterschutzlohn stritten, stellte – so das BAG – für sich genommen, nicht bereits eine Diskriminierung dar, weil nur Frauen diesen besonderen Anspruch geltend machen könnten. Hinzukommen dürfte der Umstand, dass nicht bereits eine abweichende Ansicht des Arbeitgebers über das Bestehen arbeitsrechtlicher Verpflichtungen und die Bereitschaft, damit eine gerichtliche Auseinandersetzung zu führen, eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG sein kann. (Ga)
4.
Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen
Eine Vielzahl von Arbeitsverträgen enthält Ausschlussfristen, durch die mit dem Ziel einer wechselseitigen Rechtssicherheit die Geltendmachung etwaiger Ansprüche beider Arbeitsvertragsparteien nach einer bestimmten Zeit357
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
spanne durchgesetzt werden soll. Wichtig ist dies insbesondere in solchen Vertragsverhältnissen, in denen – wie bei leitenden Angestellten oder ATAngestellten – keine tarifvertragliche Ausschlussfrist zur Anwendung kommt. Typischerweise werden entsprechende Klauseln so formuliert, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erfasst werden. Problematisch daran ist, dass § 202 Abs. 1 BGB verbietet, die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren durch Rechtsgeschäft für Ansprüche wegen einer Haftung aus vorsätzlichem Verhalten zu verkürzen. Eine solche Verkürzung läge vor, wenn im Rahmen eines Arbeitsvertrags – also nicht durch Tarifvertrag – eine kürzere Ausschlussfrist festgelegt wird. Diese Problematik einer drohenden Unwirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen hat das BAG in seinem Urteil vom 20.6.201320 im Wege einer Auslegung beseitigt. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien im Arbeitsvertrag eine Ausschlussfrist vereinbart, die wie folgt lautete: § 12 Verfallfristen Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Schließlich machte die Klägerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen den Arbeitgeber Schmerzensgeld wegen behaupteter Beleidigungen und einer sexuellen Belästigung geltend. Die Beklagte bestritt nicht nur die erhobenen Vorwürfe, sie wies auch darauf hin, dass die Klägerin die Ansprüche auf Schmerzensgeld nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht habe. Entgegen der Auffassung des LAG Köln ist der 8. Senat des BAG nicht von einem Verfall der Ansprüche ausgegangen. Nach seiner Auffassung könne auf der Grundlage einer zweckgerichteten Interpretation der arbeitsvertraglichen Regelung nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverstöße und vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen erfassen wollten. Denn in diesem Fall läge ein Ver20
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8 AZR 280/12, DB 2013, 2452.
Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen
stoß gegen § 202 Abs. 1 BGB vor, der die Unwirksamkeit der Klausel in ihrer Gesamtheit zur Folge habe. Von einem solchen Regelungswillen könne nicht ausgegangen werden. In der weiteren Begründung seiner Entscheidung geht das BAG davon aus, dass im Hinblick auf die klare Vorgabe in § 202 Abs. 1 BGB regelmäßig davon auszugehen sei, das die Vertragspartner mit solchen Vertragsklauseln keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB regeln wollten. Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstießen, seien unwirksam. Eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergebe deshalb, dass derartige Ausnahmefälle von der Klausel gar nicht erfasst werden sollten21. Dass ein Arbeitgeber seine Eigenhaftung für Vorsatz nicht ausschließen könne, ergebe sich – auch wenn es sich nicht um einen Formulararbeitsvertrag handele – schon aus § 276 Abs. 3 BGB. Über den Gesetzeswortlaut hinaus verbiete § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Vereinbarungen zur Verjährung von Ansprüchen wegen Vorsatzhaftung, sondern auch Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers bezögen. Hinzu komme, dass § 104 Abs. 1 SGB VII die Haftung des Arbeitgebers bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit auf Vorsatz beschränke, sie aber auch genau in diesen Fällen nicht ausschließe. Ergänzend hierzu sei zu berücksichtigen, dass die Parteien bei der Vereinbarung eines Ausschlusses einer Ausschlussfrist vor allem an laufende Entgeltansprüche, also an Ansprüche des Arbeitnehmers, ggf. aber auch an Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überbezahlten Arbeitsentgelts, nicht aber vertragliche oder deliktische Ansprüche wegen Personenschäden denken würden. Eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags vereinbarte Ausschlussfrist sei deshalb – so das BAG – dahingehend auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen solle. Ohne besondere Hinweise im Einzelfall sei eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt seien, gerade nicht gewollt. Ohne solche Besonderheiten könne auch nicht angenommen werden, die Ausschlussfrist beziehe sich auf Kriterien, die aufgrund von Rückausnahmen (hier: § 278 S. 2 BGB) ausnahmsweise doch regelbar seien22. Diesem Auslegungsergebnis steht aus Sicht des BAG auch § 305 c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Zwar stelle die Unklarheitenregel bei objektiv mehrdeutigen Klauseln eine Auslegungshilfe dar, nach der in solchen Fällen die 21 22
BAG v. 20.6.2013 - 8 AZR 280/12, DB 2013, 2452, 2453 Rz. 21. BAG v. 20.6.2013 - 8 AZR 280/12, DB 2013, 2452, 2453 Rz. 22.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Interessen des Verwenders hinter denjenigen der anderen Partei zurücktreten müssen. Auf diese Unklarheitenregel könne aber nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verblieben. Derartige Zweifel – so das BAG – bestünden bei der Auslegung der hier in Rede stehenden Ausschlussfrist nicht23. Auch wenn das Ergebnis der Entscheidung die Arbeitgeberseite insoweit begünstigt, als bestehende Vereinbarungen mit entsprechenden Ausschlussfristen nicht unwirksam sind. Vielmehr stehen sie der Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entgegen, soweit diese nicht die Folge einer Haftung wegen vorsätzlichen Handelns sind. Dass man angesichts des uneingeschränkten Wortlauts der hier in Rede stehenden Klauseln durchaus auch ein abweichendes Ergebnis hätte mit guten Gründen vertreten können, kann insoweit dahin stehen. Da eine hiervon abweichende Rechtsprechung in der Zukunft indes nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, ist zu empfehlen, die hier in Rede stehenden Klauseln klarstellend so einzuschränken, dass bereits ihrem Wortlaut nach kein Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB vorliegt. Hierfür genügt es, einen Satz aufzunehmen, nach dem etwaige Ansprüche wegen einer Haftung wegen Vorsatzes nicht erfasst werden. Dies vermeidet die Notwendigkeit einer Auslegung, deren Ergebnis nicht in Gänze vorhergesagt werden kann. (Ga)
5.
Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen
Sowohl der EuGH24 als auch das BAG25 sind in letzter Zeit mit der Problematik der Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge befasst worden. So hatte der EuGH über die Vereinbarkeit von wiederholten Befristungen nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG mit § 5 Nr. 1 a der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG zu befinden und außerdem zu klären, ob auf der Grundlage der gleichen Vorschrift bei der Umwandlung eines befristeten in einen unbefristeten Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur unveränderten Übernahme der wesentlichen Bestimmungen des letzten befristeten Vertrages besteht.
23 BAG v. 20.6.2013 - 8 AZR 280/12, DB 2013, 2452, 2453 Rz. 23. 24 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 - Kücükdevici; EuGH v. 8.3.2012 - C-251/11, NZA 2012, 441 - Huet. 25 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214; BAG v.10.10.2012 – 7 AZR 462/11, NZA-RR 2013, 185; BAG v.18.7.2012 - 7 AZR 443/09, DB 2012, 2813; BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 734/10, DB 2012, 1573.
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Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen
Da der EuGH26 in der Entscheidung „Kücükdevici“ bei der Befristungskontrolle im Hinblick auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes den Gerichten der Mitgliedstaaten aufgegeben hat, alle Umstände des Falles einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsverträge oder -verhältnisse berücksichtigen zu müssen, dürfen sich die Gerichte nach einer Grundsatzentscheidung des BAG vom 18.7.201227 bei der Befristungskontrolle nicht mehr nur auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds – etwa der Vertretung - beschränken. Vielmehr haben sie daneben nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen und dabei vor allem die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen28. In welchem Maße die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein kann, war im Hinblick auf § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG Gegenstand von zwei Entscheidungen des BAG. In der einen Entscheidung29 geht es darum, ob die Überlassung eines Arbeitnehmers an seinen vormaligen Vertragsarbeitgeber, bei dem er zuvor zwei Jahre sachgrundlos befristet beschäftigt war, rechtsmissbräuchlich sein kann. Die weitere Entscheidung des BAG30 betrifft das Problem der Nichtverlängerung eines sachgrundlos befristeten Vertrags, wenn der davon betroffene Arbeitnehmer zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt worden ist.
a)
Rechtsmissbrauch bei mehrfach (sachgrundlos) befristeten Arbeitsverträgen
In der Vergangenheit hatte das BAG31 keine Bedenken, die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG mit einem Verleiher im Sinne des § 1 AÜG nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitgeber entliehen wird, bei dem er be-
26 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 56 – Kücükdevici. 27 7 AZR 443/09, DB 2012, 2813. 28 BAG v. 10.7.2013 – 7 AZR 761/11 n. v. (Rz. 26): Prüfungsmissbrauch bei bereits früher zwischen denselben Parteien bestehenden befristeten Verträgen. 29 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. 30 BAG v. 5.12.2012 – 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515. 31 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443 Rz. 20.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
reits zuvor im Rahmen eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt war und die Befristungsdauer bei dem Entleiher einen Zeitraum von insgesamt vier Jahren nicht überschreitet. In einer neuen Entscheidung vom 15.5.2013 gelangt der 7. Senat des BAG32 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung dann zu einem anderen Ergebnis, wenn die vorbeschriebene Konstruktion in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwischen dem früheren und dem jetzigen Arbeitgeber genutzt wird, um das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu umgehen. Der Fall betraf eine Arbeitnehmerin, die zunächst auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG von dem früheren Arbeitgeber beschäftigt worden war, anschließend zu einem anderen Konzernunternehmen wechselte und dort wiederum mit einem sachgrundlos befristeten Vertrag beschäftigt und im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an den früheren Arbeitgeber verliehen wurde. Die von den Arbeitgebern gewählte Konstruktion war nicht nur Gegenstand einer so genannten Kooperationsvereinbarung, sondern auch darauf angelegt, das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu umgehen. Vom äußeren Erscheinungsbild her sind dabei die rechtlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG gewahrt, weil Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschrift nur der Vertragsarbeitgeber ist, was unabhängig davon gilt, ob die Vertragsarbeitgeber konzernverbunden sind33. Angesichts dessen wäre gegen die von den Arbeitgebern gewählte Konstruktion nichts zu erinnern, weil der Umstand allein, dass die Arbeitnehmerin nach wie vor an ihrem bisherigen Arbeitsplatz bei ihrem früheren Vertragsarbeitgeber eingesetzt wurde, die formale Anwendung von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG nicht ausschließt. Diese Vorschrift ist nämlich nicht betriebsbezogen, sondern arbeitgeberbezogen anzuwenden. Gleichwohl soll nach Ansicht des BAG dann etwas anderes gelten, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber auf diese Weise bewusst das Anschlussverbot umgehen, um über diesen Weg sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. Dabei hat das BAG zu Recht vernachlässigt, dass die Richtlinie 1999/70/EG zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18.3.1999 nach der Rechtsprechung des EuGH34 weder auf das befristete Arbeitsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Leiharbeitsunternehmen noch auf das befristete Arbeitsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und ei-
32 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214 Rz. 25. 33 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443 Rz. 30. 34 EuGH v. 11.4.2013 – C-290/12, NZA 2013, 495 Rz. 37 - Della Rocca.
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Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen
nem entleihenden Unternehmen zur Anwendung gelangt. Der Geltungsbereich des TzBfG hat insoweit keine Einschränkung erfahren. In diesem Zusammenhang gibt der 7. Senat des BAG seine früher anders lautende Rechtsprechung35 auf, wonach jedenfalls unter Bezugnahme auf die gesetzgeberische Wertung in § 14 Abs. 2 a TzBfG in der dort genannten zeitlichen Grenze von vier Jahren die Ausnutzung der durch § 14 Abs. 2 TzBfG und das AÜG eröffneten Gestaltungsmöglichkeit regelmäßig nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann. Wie zuvor dargelegt worden ist, stellt die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse lediglich einen Teilaspekt bei der Gesamtabwägung der Rechtsmissbrauchskontrolle dar. Gegenstand der Entscheidung des BAG war des Weiteren, welche Rechtsfolge aus der rechtsmissbräuchlichen Umgehung von § 14 Abs. 2 TzBfG herzuleiten war. Die Vorinstanz36 war davon ausgegangen, dass mit dem Beschäftigungsarbeitgeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, weil die umgangene Norm auf den angewandt werden müsse, der die Umgehung begeht und veranlasst habe. Dieser Bewertung ist das BAG nicht gefolgt. Bei einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Zulässigkeit sachgrundloser Befristungsmöglichkeiten im Sinne einer Umgehung des Anschlussverbots nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bestünde die mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Rechtsfolge nicht in dem Vertragsschluss „an sich“, sondern in der Rechtfertigung der in dem Vertrag vereinbarten Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG. Der unredliche Vertragspartner könne sich auf eine solche Befristung nicht berufen37. Im Ergebnis schließt damit das BAG – im Gegensatz zum LAG - einen Wechsel des Vertragspartners aus. Überzeugend verweist das BAG darauf, dass dem Schutzzweck der Norm genügt wird, wenn sich der Vertragspartner des Arbeitnehmers nach § 242 BGB nicht mehr auf die Zulässigkeit der Befristung berufen kann. Die vom BAG zu entscheidende Fallkonstellation wies die zusätzliche Besonderheit auf, dass während der befristeten Überlassung nach dem AÜG der Betriebsteil, in dem die Arbeitnehmerin vom Entleiher beschäftigt wurde, möglicherweise durch Betriebsübergang auf einen Dritten übergegangen
35 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443 Rz. 26. 36 LAG Köln v. 25.3.2011 – 4 Sa 1399/10, AiB 2011, 556 Rz. 45. 37 A. A. im Sinne der Annahme eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beschäftigungsarbeitgeber APS/Backhaus 4 § 14 TzBfG Rz. 400 b; Boemke Anm. AP TzBfG § 14 Verlängerung Nr. 4.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
war und sich damit aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 21.10.201038 die Frage stellte, ob auch Leiharbeitnehmer von einem Betriebsteilübergang erfasst werden39. Bejahendenfalls konnte sich dann der Betriebserwerber nicht auf die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses berufen. Die Entscheidung des BAG ist für die betriebliche Praxis von weitreichender Bedeutung, weil die Überlassung eines Arbeitnehmers an seinen vormaligen Vertragsarbeitgeber über den Weg einer mit dem Verleiher vereinbarten weiteren sachgrundlosen Befristung bei konzernverbundenen Unternehmen nicht unüblich ist. Eine entsprechende Handhabung wird sich zukünftig allenfalls dann als nicht rechtsmissbräuchlich erweisen, wenn der Verleiher keinerlei rechtliche oder tatsächliche Bindung zu dem ursprünglichen Arbeitgeber aufweist. Man wird jedoch davon ausgehen müssen, dass sich die Rechtsmissbrauchsfrage gleichermaßen stellt, wenn ein Arbeitnehmer zunächst auf der Grundlage der Arbeitnehmerüberlassung von einem Konzernunternehmen in einem anderen Konzernunternehmen eingesetzt wird, um dann in einem weiteren nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG befristeten Arbeitsvertrag übernommen zu werden. Da die Aussage des BAG einen Fall betrifft, bei dem die Arbeitnehmerin permanent auf dem gleichen Arbeitsplatz beschäftigt wurde, könnte die Frage des Rechtsmissbrauchs auch dann anders zu beurteilen sein, wenn der Arbeitseinsatz mit der bisherigen Tätigkeit nichts zu tun hat und damit auf einem anderen Arbeitsplatz erfolgt. Nicht entscheidend dürfte sein, ob zwischen den Konzernunternehmen auf eine Umgehung des Anschlussverbots gerichtete Kooperationsverträge bestehen, wie dies im Streitfall praktiziert worden war. Der Akzent der rechtlichen Bewertung liegt vor allem in der Umgehungsabsicht der Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.
b)
Befristeter Arbeitsvertrag mit Betriebsratsmitglied
In einer Entscheidung vom 5.12.2012 war der 7. Senat des BAG40 zum einen damit befasst, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien von der Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben Gebrauch machen dürfen. Des Weiteren ging es darum, ob der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 TzBfG unter Berücksichtigung der Art. 7 und 8 der Richtlinie 2002/14/EG bei sachgrundlos befristeten Ar-
38 C-242/09, NZA 2010,1225 - Albron Catering. 39 Vgl. dazu Gaul/Ludwig, DB 2011, 298; Kühn, NJW 2011, 1408; Raab, EuZA 2011, 537. 40 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515.
364
Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen
beitsverhältnissen mit Betriebsratsmitgliedern teleologisch zu reduzieren ist, um die Kontinuität des Betriebsratsamtes zu sichern. Der Fall betraf eine Entfristungsklage einer Arbeitnehmerin, die bei einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes auf der Grundlage des auf sie anwendbaren Tarifvertrags seit dem 12.7.2006 mit zwei weiteren Verlängerungsabreden bis zum 11.1.2010 befristet beschäftigt worden ist. Der Tarifvertrag (Sicherheitsgewerbe) erlaubte die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 42 Monaten mit einer höchstens viermaligen Verlängerung. Im Herbst des Jahres 2009 wurde die Klägerin erstes Ersatzmitglied des Betriebsrats und nahm seit ihrer Wahl an sieben von acht Sitzungen des Betriebsrats teil. Die beklagte Arbeitgeberin bot der Klägerin kein Anschlussarbeitsverhältnis an, was die Klägerin zum Anlass einer Entfristungsklage nach § 17 TzBfG nahm. Dabei berief sich die Klägerin unter anderem darauf, dass ihr Mandat und ihre Tätigkeit als Ersatzmitglied des Betriebsrats der Anwendung der nationalen Vorschriften zur Zulässigkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses entgegenstünden. Zunächst konstatiert das BAG, dass nach § 14 Abs. 2 S. 3 i. V. mit § 22 Abs. 1 TzBfG durch Tarifvertrag die Höchstdauer und die Anzahl der Verlängerungen41 der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer festgelegt werden dürfen, solange eine maßvolle Erweiterung der im Gesetz geregelten Höchstdauer und Verlängerungsmöglichkeiten vorliegt, die dem gesetzlichen Leitbild des unbefristeten Arbeitsvertrags als Prototyp entspricht und den Mindestbestandsschutz nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht unterschreitet. Bei einer Höchstdauer von 42 Monaten für die kalendermäßige Befristung und die vorgegebene höchstens viermalige Vertragsverlängerung sei die hier maßgebende tarifvertragliche Regelung unter diesen Gesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Einwand der Klägerin, mit der tarifvertraglichen Regelung werde das Verschlechterungsverbot aus § 8 Nr. 3 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 (Befristungs-Richtlinie) verletzt, begegnet das BAG mit dem Hinweis, dass zwar die Abweichung durch Tarifvertrag bis zum Inkrafttreten des TzBfG am 1.1.2001 nach dem BeschFG nicht eröffnet war, jedoch die vom Gesetz vorgesehene erweiterte Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung nicht generell die Arbeitsverhältnisse befristet Beschäftigter betrifft, sondern auf eine bestimmte Katego41 So bereits BAG v. 15.8.2012 – 7 AZR 184/11, NZA 2013, 45 Rz. 15, ungeachtet des Wortlauts „oder“ in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
rie von Arbeitnehmern beschränkt wird, die von einem entsprechenden Tarifvertrag unmittelbar oder durch Bezugnahme erfasst wird. Ebenso wenig kollidiert die tarifvertragliche Regelung der sachgrundlosen Befristung mit § 5 Nr. 1 b und c der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, wonach die Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge alternativ oder kumulativ sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen, die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge und schließlich die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge regeln müssen. Nach Ansicht des BAG entspricht der hier maßgebende Tarifvertrag, der eine Gesamtdauer von 42 Monaten bei höchstens viermaliger Vertragsverlängerung vorsieht, den in der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Präventivmaßnahmen. Dies gilt umso mehr, als nach Nr. 10 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung es u. a. den Sozialpartnern überlassen bleibt, „die Anwendungsmodalitäten“ der „allgemeinen Grundsätze, Mindestvorschriften und Bestimmungen“ der Rahmenvereinbarung „zu definieren, um so der jeweiligen Situation der einzelnen Mitgliedstaaten und den Umständen bestimmter Branchen und Berufe einschließlich saisonaler Tätigkeiten Rechnung zu tragen“. Entsprechend Nr. 12 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung sind zudem die Sozialpartner am besten in der Lage, Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gerecht werden. Problematisch und umstritten ist allerdings die Frage, ob das Mandat der Klägerin als Ersatzmitglied des Betriebsrats unter Berücksichtigung von Art. 7 und Art. 8 der Richtlinie 2002/14/EG unter Berücksichtigung von Art. 27, 28 und 30 GRC bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen mit Betriebsrats(ersatz-)mitgliedern eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne einer Reduktion erfordert, die bei derartiger Sachlage zur Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 2 TzBfG führt42. Davon war zumindest auch das ArbG München43 ausgegangen. Das BAG lehnt eine derartige Reduktion des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 TzBfG ab und gelangt zu dem Ergebnis, dass sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern ebenso enden wie diejenigen anderer Arbeitnehmer mit Ablauf der vereinbarten Befristung44. Gemäß Art. 7 der Richtlinie 2002/14/EG tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, 42 So etwa Däubler, dbr 2011, 37; Helm/Bell/Windirsch, AuR 2012, 293; Huber/ Schubert/Ögüt, AuR 2012, 429. 43 v. 8.10.2010 – 24 Ca 861/10, AiB 2011, 267 Rz. 40. 44 Ebenso etwa Tilch/Vennewald, NJW- Spezial 2011, 690; Weller, BB 2012, 2763.
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Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen
dass die Arbeitnehmervertreter bei der Ausübung ihrer Funktion einen ausreichenden Schutz und ausreichende Sicherheiten genießen, die es ihnen ermöglichen, die ihnen übertragenen Aufgaben in angemessener Weise wahrzunehmen. Art. 8 der Richtlinie 2002/14 verpflichtet die Mitgliedstaaten, für den Fall der Nichteinhaltung der Richtlinie geeignete Maßnahmen - insbesondere Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zur Durchsetzung der sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen - sowie wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen vorzusehen, die im Falle eines Verstoßes gegen diese Richtlinie durch den Arbeitgeber oder durch die Arbeitnehmervertreter Anwendung finden. Aus diesen Normen ergibt sich nach Ansicht des BAG kein verstärkter Kündigungsschutz, der es geböte, bei Funktionsträgern der Betriebsverfassung eine Korrektur von § 14 Abs. 2 TzBfG im Sinne einer Nichtanwendbarkeit anzunehmen. Dies entspricht einer Entscheidung des EuGH vom 11.2.201045, wonach Art. 7 der Richtlinie 2002/14/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der europäischen Gemeinschaft nicht verlangt, Arbeitnehmervertretern einen verstärkten Kündigungsschutz zu gewähren. Dem unionsrechtlich gebotenen Schutz eines Betriebsratsmitglieds vor einer im Zusammenhang mit einer Befristung stehenden Benachteiligung kann nach Ansicht des BAG jedoch durch § 78 Satz 2 BetrVG i. V. m. § 280 Abs. 1 und/oder § 823 Abs. 2 BGB Rechnung getragen werden. Schließlich verneint das BAG im vorliegenden Streitfall auch eine analoge Anwendung von § 78 a Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BetrVG, wonach den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen zur Gewährleistung der Ämterkontinuität und des Schutzes vor nachteiligen Folgen bei der Amtsführung während des Berufsausbildungsverhältnisses die Pflicht trifft, in Ausbildung befindliche Mitglieder von Betriebsverfassungsorganen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen zu müssen. Entscheidendes Argument ist dabei, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem am 28.7.2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes46 und bei späterer Gesetzesänderung47 davon Abstand genommen hat, eine dem § 78 a Abs. 2 BetrVG entsprechende Schutzvorschrift für befristete Arbeitsverträge von Betriebsratsmitgliedern zu schaffen. Abgesehen davon bedarf es nach Ansicht des BAG wegen der grundsätzlichen Befristung des Vertragsverhältnis-
45 C-405/08, NZA 2010, 286 Rz. 38 f. - Holst. 46 BGBl. I S. 1852. 47 Art. 9 des Gesetzes zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften vom 29.7.2009 – BGBl. I S. 2424.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
ses für die Dauer der Ausbildungszeit einer kollektiv-rechtlichen Absicherung, während Arbeitsverhältnisse nicht typischerweise befristet abgeschlossen werden. Die klarstellende Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Der Benachteiligungsschutz von Betriebsratsmitgliedern, der auch Ihre berufliche Entwicklung einschließt, wird durch den Gesetzgeber ausreichend durch das Verbot der Benachteiligung aus Gründen der Wahrnehmung der Amtstätigkeit gewährleistet. Das BAG macht zudem darauf aufmerksam, dass auch die Befristungsabrede mit einem Betriebsratsmitglied unwirksam sein kann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied nur wegen seiner Amtsfunktion lediglich ein befristetes und kein unbefristetes Arbeitsverhältnis offeriert48.
c)
Probezeitbefristung als „ überraschende Klausel“ im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB
Probezeitbefristungen werden als sachgrundlose Befristung im Sinne von § 14 Abs. 2 TzBfG in der Praxis genutzt, um im Falle einer mangelnden Eignung des Arbeitnehmers auch bei Eintritt eines besonderen Kündigungsschutzes etwa aus Gründen des Mutterschutzes die Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen durch Fristablauf herbeiführen zu können. Allerdings sind derartige Probezeitbefristungen regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren. Nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. Davon macht die Praxis im Regelfall schon deshalb Gebrauch, weil der vom Arbeitgeber verwendete Arbeitsvertragstext für eine Mehrzahl von Fällen vorformuliert wird und allenfalls wenige auf den individuellen Sachverhalt zugeschnittene Regelungen aufweist. Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Von einer überraschenden Klausel im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und die Klausel einen Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt aufweist, weil der Vertragspartner mit einer derartigen
48 Vgl. zu einer altersdiskriminierenden Vereinbarung der Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages: BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 524/09, NZA 2011, 970.
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Neues zu befristeten Arbeitsverhältnissen
Klausel vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht49. Nach der Rechtsprechung des BAG50 kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle im Vertrag den Überraschungseffekt auslösen und damit im Widerspruch zu den berechtigten Erwartungen des Vertragspartners stehen. Möglicherweise ist der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen sogar gehalten, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben. Abgesehen davon sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte sich in einer Entscheidung vom 15.1.201351 mit der Frage zu befassen, ob eine Probezeitbefristung als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB anzusehen war. Die Klägerin wurde von der Beklagten gemäß einem schriftlichen Arbeitsvertrag ab dem 1.9.2011 als Küchenhilfe/Verkaufshilfe eingestellt. Unter § 1 des Anstellungsvertrags, der mit „Entstehung des Arbeitsverhältnisses“ betitelt war, hieß es unter Abs. 3, dass die ersten 6 Monate als Probezeit gelten. Der nächste davon getrennte Absatz enthielt die Regelung, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Unter § 12 regelten die Parteien die „ Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem gesetzlichen Rentenalter enden sollte, die Kündigungsfrist geregelt wurde und während der Probezeit das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündbar war. Mit Schreiben vom 27.2.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr befristeter Arbeitsvertrag am 29.2.2012 enden sollte. Die Klägerin wies mit Schreiben vom 29.2.2012 die „Beendigung (Kündigung)“ mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück, was die Beklagte veranlasste, der Klägerin gegenüber zusätzlich mit Schreiben vom 29.2.2012, das der Klägerin erst am 3.3.2012 zuging, ordentlich zu kündigen. Die Klägerin erhob rechtzeitig eine Entfristungsklage und eine Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte.
49 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876 Rz. 17; BAG v. 14. 8. 2007 - 8 AZR 973/06, DB 2008, 66 Rz. 21; BAG v. 9. 5. 2007 - 4 AZR 319/06, DB 2008, 874 Rz. 21; BAG v. 15. 2. 2007 - 6 AZR 286/06NZA 2007, 614 Rz. 22. 50 Nur BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876 Rz. 17. 51 16 Sa 1829/12, NZA-RR 2013, 459 Rz. 17.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Soweit es um die Befristungsabrede, die Probezeit betreffend, ging, hielt das LAG im Gegensatz zum ArbG diese Klausel für überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Sie war damit nicht Vertragsbestandteil geworden, da es sich bei der getroffenen Vereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelte, weil die Beklagte den mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag als Mustervertrag allgemein verwendete. Dabei ging das LAG zunächst davon aus, dass sich die Probezeitbefristung an einer unerwarteten Stelle des Vertrags befand, weil die Regelung unter der Vertragsüberschrift „Entstehung des Arbeitsverhältnisses“ von der Beklagten (Verwender) eingeordnet worden war, während die mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschriebene Regelung, bei der die Befristungsabrede zu erwarten gewesen wäre, diesen Beendigungstatbestand nicht enthielt. So hat auch das BAG52 eine Probezeitbefristung als überraschende Klausel angesehen, wenn ein Formularvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Vertragstext ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit enthält. Das LAG Berlin-Brandenburg hat außerdem die im Vertragstext verwendete Probezeitbefristung als intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB angesehen, weil der Arbeitsvertrag der Parteien mehrere Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthielt und angesichts der Probezeitbefristung die Sinnhaftigkeit der Regelung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters der Klägerin nicht ersichtlich war. Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung des LAG – unabhängig davon, ob sie in allen Punkten überzeugen kann – deshalb von Bedeutung, weil sich die Frage der so genannten „überraschenden Klausel“ stets dann stellt, wenn die jeweilige Überschrift des Vertragstextes eine derartige Regelung nicht erwarten lässt. Dann bedarf es zumindest einer besonderen drucktechnischen Hervorhebung, die praktisch vom Vertragspartner nicht überlesen werden kann. Sonst muss der Arbeitnehmer nicht in Betracht ziehen, dass unter der Überschrift „Entstehung des Arbeitsverhältnisses“ eine Befristungsabrede versteckt ist. Der Arbeitgeber kann problemlos neben der Entstehung auch die Befristung des Arbeitsverhältnisses als Überschrift des Vertragspunktes erwähnen, so dass der Arbeitnehmer auf die Befristungsabrede besonders hingewiesen wird. (Boe)
52 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876.
370
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag
6.
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag, freien Mitarbeitern und Selbstständigen
a)
Einleitung
Arbeitnehmer können sich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auf eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzvorschriften berufen, die individual- und kollektivrechtliche Ansprüche begründen. Entsprechende Regelungen finden weitgehend auch auf Leiharbeitnehmer Anwendung, auch wenn dort die Besonderheit greift, dass das Grundverhältnis zum Verleiher durch ein Betriebsverhältnis zum Entleiher ergänzt wird, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird. Mit dem AÜG und der Leiharbeitsrichtlinie werden hier allerdings ergänzende Vorgaben getroffen, die dieser Besonderheit Rechnung tragen. Dies gilt insbesondere durch die Regelungen zur Dauer der Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG) und den Equal-TreatmentGrundsatz, wie er insbesondere in §§ 3, 9 AÜG zum Ausdruck kommt. Dass es hier als Folge der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zu Änderungen kommen wird53, ändert an dieser besonderen Schutzposition nichts. Im Gegenteil: Konsequenz der beabsichtigten Änderungen dürfte eine weitergehende Einschränkung der Einsatzmöglichkeiten von Leiharbeitnehmern sein. Damit verbunden ist eine Stärkung der Rechtsposition der Leiharbeitnehmer gegenüber Verleiher und Entleiher. Diese Ausgangssituation hat eine Vielzahl von Unternehmen veranlasst, Fremdleistungen zunehmend auf der Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen oder auf der Grundlage gemischter Verträge mit freien Mitarbeitern einzukaufen. Der Vorteil dieser Einsatzformen in Bezug auf das Fremdpersonal liegen z. B. darin, dass das KSchG, das EFZG oder das BUrlG nicht zur Anwendung kommen. Da es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt, kommen für den Auftraggeber auch keine Sozialversicherungsbeiträge in Betracht. Diese treffen allenfalls den Selbständigen, wenn dieser im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI). Gerade wenn das Fremdpersonal auf der Grundlage von Werk- oder Dienstverträgen anstelle von eigenen Arbeitnehmern oder Leiharbeitnehmern eingesetzt werden soll, stellt sich in der betrieblichen Praxis natürlich die Frage, ob es sich wirklich um einen Dienst- oder Werkvertrag handelt oder ob 53 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 314 f.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
nicht nur ein Scheinwerk- oder Scheindienstvertrag vorliegt. Werden Einzelunternehmer eingesetzt, geht es insoweit um die Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis einerseits und Werk- bzw. Dienstvertrag andererseits. Werden Gesellschaften mit der Erbringung einer Dienst- oder Werkleistung beauftragt, stellt sich die Frage, ob der Einsatz der von dieser Gesellschaft beauftragten Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung erfolgt oder ob sie als Erfüllungsgehilfen der Gesellschaft im Rahmen eines Dienstoder Werkvertrags tätig werden. Eine Pflicht zur Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung mit der Folge eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher bei einer Missachtung dieser Vorgabe, wie sie jetzt im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Scheinwerkverträgen vorgesehen ist54, besteht derzeit nicht. Weil das insoweit in Rede stehende Vorliegen eines Arbeits- oder Leiharbeitsverhältnisses mit ganz erheblichen Konsequenzen in Bezug auf das Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht verbunden ist, muss die Praxis nicht nur die zugrundeliegenden Vereinbarungen sehr sorgfältig ausgestalten. Den Unterschieden der verschiedenen Einsatzformen muss vor allem bei der tatsächlichen Umsetzung Rechnung getragen werden. Schließlich ist die tatsächliche Handhabe einer Vertragsbeziehung für deren rechtliche Kennzeichnung maßgeblich, wenn diese Handhabe mit den Vereinbarungen der Parteien nicht vereinbar ist55. Darauf hat das BAG in seinem Urteil vom 17.4.201356 noch einmal hingewiesen.
b)
Kriterien zur Abgrenzung der Vertragsverhältnisse
Eine Legaldefinition der verschiedenen Einsatzformen, an Hand derer eindeutig eine Zuordnung zum Arbeits- oder Leiharbeitsverhältnis einerseits bzw. der Tätigkeit im Rahmen von Dienst- oder Werkvertrag andererseits erfolgen könnte, gibt es nicht. Vielmehr bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände der Abwicklung entsprechender Formen der Zusammenarbeit57: Steht auf der einen Seite ein starkes Indiz, dass für das Vorliegen einer (verdeckten) Arbeitnehmerüberlassung bzw. das Vorliegen eines Arbeitsvertrags spricht und auf der anderen Seite ein starkes 54 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 316 f. 55 Vgl. BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/12, DB 2013, 2626 Rz. 17; BAG v. 22.4.1998 – 5 AZR 342/97, NZA 1998, 1336 Rz. 37; BAG v. 28.1.1989 – 1 ABR 90/88, NZA 1990, 364 Rz. 20; BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903 Rz. 15; LAG Düsseldorf v. 10.3.2008 – 17 Sa 856/07 n. v. 56 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903 Rz. 15. 57 Vgl. nur BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282, DB 2013, 2626 Rz. 18; BAG v. 20.5.2009 – 5 AZR 31/08, NZA-RR 2010, 172 Rz. 19.
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Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag
Indiz, dass für das Vorliegen eines Werk-, Dienstvertrags (freie Mitarbeit) spricht („Graubereich“), so ist mit Hilfe weiterer (auch schwächerer) Indizien - orientiert an der Zweckbestimmung der gesetzlichen Regelungen - zu entscheiden58. Schutzzwecke sind z. B. der Schutz von Arbeitnehmern vor einer Beendigung des Vertragsverhältnis, die Möglichkeit und Zulässigkeit eines arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, das Interesse an einer Vermeidung des (dauerhaften) Auseinanderfallens von Grund- und Betriebsverhältnis im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Arbeitnehmern, die Entgeltgerechtigkeit und die Angemessenheit von Arbeitsbedingungen. Ausgangspunkt der Kennzeichnung der unterschiedlichen Vertragsverhältnisse ist zunächst einmal die Erkenntnis, dass Arbeitsverhältnis und Leiharbeitsverhältnis in den typischen Kriterien der Abwicklung vergleichbare Merkmale haben. Ähnliches gilt für Dienst- oder Werkvertrag, auch wenn die Verrichtung einer Dienstleistung (Dienstvertrag) und das Versprechen eines Gewerks schon wegen der Notwendigkeit eines Erfolgs im Rahmen des Werkvertrags mit Unterschieden verbunden sind. Darüber hinaus sind Dienst- und Werkvertrag entsprechend § 84 Abs. 1 S. 2 HGB als selbständige Tätigkeiten damit verbunden, dass der Unternehmer/Auftragnehmer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nachfolgend soll der Versuch gemacht werden, wesentliche Indizien im Rahmen einer tabellarischen Übersicht dazustellen. Zur besseren Übersicht werden dabei Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer auf der einen Seite und Dienst- bzw. Werkverträge auf der anderen Seite zusammengefasst. Freie Mitarbeiter wären dabei der letztgenannten Gruppe zuzuordnen. Die Reihenfolge der Darstellung ist nicht mit einer Gewichtung verbunden, sondern folgt allein einer alphabetischen Ausrichtung. Allerdings soll versucht werden, eine Bewertung der jeweiligen der Kriterien vorzunehmen, wobei Überschneidungen und die Notwendigkeit einer Verknüpfung nicht vermieden werden können.
58 Greiner, NZA, 2013, 697, 701.
373
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag Indizien
Abhängigkeit (wirtschaftliche)
Abrechnung
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung Die Person ist überwiegend nur für einen Auftraggeber tätig und bestreitet den Großteil seines Jahreseinkommens aus dieser Tätigkeit59. Aus diesem Grund besteht eine starke persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit60.
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit) Kann seine Chancen auf dem Markt selbstständig und im Wesentlichen weisungsfrei suchen61; Möglichkeit, Arbeitskraft am Markt noch anderweitig einzusetzen62. Geringe persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit63.
Bewertung
Im Regelfall Abrechnung nach Zeiteinheit64 oder erfolgsunabhängige Abschlagszahlungen65.
Grundsätzlich erfolgt die Vergütung für die Qualität und/oder den Erfolg einer Dienstoder Werkleistung (§§ 611, 631 BGB).
Kein wesentliches Indiz, da erfolgsabhängige Bezahlung im Dienst- oder Werkvertragsrecht nicht zwingend ist. § 632 a BGB sieht Abschlagszahlungen auch vor Werksabnahme vor. Abrechnung nach Zeiteinheiten ist auch bei Dienst- oder Werkverträgen üblich. Entscheidend ist, dass ein Anspruch auf die Vergütung im Werkoder Dienstvertrag nur besteht, wenn die vereinbarte Qualität (der Erfolg) auch tatsächlich eintritt. Das Risiko für die Vergütung trägt beim Dienst- oder
Kein wesentliches Indiz, wie schon die Anerkennung des Selbständigen in wirtschaftlicher Abhängigkeit in § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI deutlich macht.
59 zu allem: BT-Drucks. 17/12378, 7 f.; BT-Drucks. 17/12373, 3. 60 von Halen, AiB 2013, 305, 306. 61 BAG v. 16.7.1997 – 5 AZB 29/96, NZA 1997, 1126 Rz. 23; Grimm/Linden, ArbRB 2013, 341, 342. 62 BSG v. 4.11.2009 – B 12 R 3/08 R, NJW 2010, 2539 Rz. 27. 63 von Halen, AiB 2013, 305, 306. 64 BT-Drucks. 17/7482, 2; BT-Drucks. 17/7220, 2; BT-Drucks. 17/12373, 3. 65 BT-Drucks. 17/12378, 6.
374
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag Indizien
Auftragserteilung / Definition der zu leistenden Arbeit
Ausrüstung (Betriebsmittel) und Arbeitneh-
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung
Die vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen richten sich nach dem Bedarf des Vertragsarbeitgebers oder Entleihers. Dieser kann auf der Grundlage des Weisungsrechts nach § 106 GewO die Arbeitsleistung abrufen. Bei Abrufarbeit gelten Besonderheiten aus § 12 TzBfG. Der Gegenstand der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistung wird erst im Rahmen des Arbeitsverhältnisses festgelegt. Der Arbeitgeber organisiert die Erledigung der Einzelaufträge personell und sachlich; er kontrolliert und beaufsichtigt die Arbeit66. Der Arbeitnehmer verwendet die Betriebsmittel des Arbeitgebers und trägt
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit)
Der Auftragnehmer wird grundsätzlich nur auf Basis des Werkbzw. Dienstvertrags tätig und nicht erst jeweils nach Bedarf des Auftraggebers. Der Unternehmer organsiert die Erledigung der Einzelaufträge personell und sachlich, kontrolliert und beauftragt die Arbeit selbstständig67. Die Weisungen des Auftraggebers betreffen die nachträgliche Konkretisierung im Rahmen von § 645 BGB und die normale Qualitätskontrolle.
Der Vertragspartner dokumentiert die Übernahme wirtschaftlichen Risikos
Bewertung
Werkvertrag also der Unternehmer. Beim Arbeits- oder Leiharbeitsvertrag muss grundsätzlich auch bei erfolglosem Bemühen bezahlt werden. Hier genügt das Bemühen nicht. Grundsätzlich starkes Indiz68. Allerdings ist die Grenze wegen § 645 BGB fließend. Entscheidend ist letztlich, ob im Ergebnis nur Vereinbarung des Ziels und Ergebniskontrolle (= Dienstoder Werkvertrag) oder Vereinbarung einer Tätigkeit mit fortlaufender Steuerung (= Arbeitsverhältnis / Leiharbeit)
Allenfalls sekundäres Indiz; aber dafür dem Augenschein zugänglich und im Prozess
66 LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12, BB 2013, 1020 ff.; LAG Düsseldorf v. 10.3.2008 – 17 Sa 856/07 n. v.; Grimm/Linden, ArbRB 2013, 341,342. 67 Arg e contr : LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12, BB 2013, 1020 ff. 68 Nach LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12, BB 2013, 1020 ff.
375
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag Indizien
mer
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung mit einheitlicher Arbeitskleidung69. Das wirtschaftliche Risiko der Anschaffung und Reparatur trägt der Arbeitgeber.
Dauer der Zusammenarbeit
Beschäftigte Person ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen „Auftraggeber“ tätig.72
Haftung
Haftung bei Schlechterfüllung nur nach den Grundsätzen zur Haftungsminderung im Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung von § 619 a BGB. Bei Arbeitnehmerüberlassung Haftung des Auftraggebers nur für die ordnungsgemäße Auswahl des Personals, nicht den Erfolg seiner Tätigkeit. Eingliederung in die Betriebsabläufe des
Integration in den Ar-
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit) durch die (eigene) Anschaffung der Arbeitsmittel. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen unter Berücksichtigung der eigenen betrieblichen Voraussetzungen70. Es besteht die Möglichkeit, eigene Angestellte zu beschäftigen.71 Einmalige Tätigkeit
Allgemeine zivilrechtliche Haftung für den Erfolg der Tätigkeit.
Keine (enge) Einbindung in die betriebli-
Bewertung
leichter beweisbar. Auch bei Werk- oder Dienstleistung kann Auftraggeber Betriebsmittel stellen (z. B. Hochregallager, Zugangskontrolle an Flughäfen).
Kein Indiz, da es auch kurzzeitige Beschäftigungen von Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern sowie langandauernde Dienst- oder Werkverträge gibt. Wesentliches Indiz.
Maßgebliches Indiz, weil es schlussendlich
69 Greiner, NZA 2013, 697, 702; BT-Drucks. 17/12378, 6; BT-Drucks. 17/7482, 2; BTDrucks. 17/7220, 2; BT-Drucks. 17/12373, 3. 70 BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 404 Rz. 27. 71 Arg. e cont. aus § 7 Abs. 4 SGB IV a. F. 72 Vgl. § 7 Abs. 4 SGB IV a. F. (in Kraft bis 31.12.2002).
376
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag Indizien
beitsablauf (Eingliederung / Entgegennahme von Weisungen)
Persönliche Leistungspflicht
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung entleihenden Betriebs bzw. des Vertragsarbeitgebers73. Arbeitsteiliges und koordiniertes Zusammenwirken mit Stammarbeitnehmern des Einsatzbetriebs74. Ähnlichkeit der Tätigkeit und ihrer Abwicklung mit Arbeiten, die von Stammarbeitnehmern ausgeführt wurden/werden75. Arbeitskräfteeinsatz verwirklicht unmittelbar den Betriebszweck des den Einsatz steuernden Rechtsträgers und ist seiner Art nach eine kontinuierlich anfallende Daueraufgabe76.
Die vereinbarte Tätigkeit wird weisungsgebunden, d. h. in per-
Werkvertrag, Dienst- Bewertung vertrag (freie Mitarbeit) che Organisation des Ausdruck des arbeitAuftraggebers. In den geberseitigen DirektiGrenzen des vereinonsrechts sein kann. barten Werks können Aber: Entscheidend Arbeitszeit und Urist, ob die Weisungen laubszeit überwiegend erst der Konkretisiefrei eingeteilt werrung der Arbeitspflicht 77 den , soweit nicht Ort dienen oder ob nur eine (gelegentliche) und Zeit der Tätigkeit Steuerung des quantidurch die Natur der tativ, qualitativ und Dienstleistung (z. B. Bearbeitung ortsbezo- zeitlich bereits durch vorangehende Vereingener Anlage) oder barung festgelegten rechtliche Vorgaben (z. B. Öffnungszeiten, Arbeitsergebnisses hoheitsrechtliche Auf- dienen. Außerdem lagen) vorgegeben ist. gilt: Auch der Werkvertrag kann zeitlich mit den Arbeitsabläufen des Auftraggebers verknüpft werden (z. B. Hol- und Bringdienste in Produktion); in diesem Fall kommt es maßgeblich auf die Steuerung der damit befassten Personen und die Verteilung des Haftungsrisikos bei Schlechterfüllung an. Leistungserbringung Relevantes Indiz kann nach Maßgabe der Vereinbarung
73 BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 404 Rz. 26; vgl. auch § 7 Abs. 1 SGB IV. 74 Greiner, NZA 2013, 697, 702; Ulber in AiB 2013, 285, 287. 75 BT-Drucks. 17/12378, 6, 7 f.; BT-Drucks. 17/7482, 2; BT-Drucks. 17/7220, 2; BTDrucks. 17/12373, 3; vgl. auch § 7 Abs. 4 SGB IV a. F (in Kraft bis 31.12.2002). 76 Greiner, NZA 2013, 697, 702. 77 von Halen, AiB 2013, 305, 306.
377
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag Indizien
Räumliche Nähe
Risiko- und Verantwortungsstruktur
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung sönlicher Abhängigkeit geleistet.78. Es gibt eine persönliche Leistungspflicht (§ 613 BGB) Arbeit auf dem Betriebsgelände, im Außendienst oder auf Heimarbeitsplätzen denkbar.
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit) grundsätzlich auch durch Dritte (ggf. eigene Arbeitnehmer) erfolgen.
Bewertung
Arbeitsort kann durch Natur des Gewerks bestimmt werden, ist im Übrigen aber frei wählen.
Die Vertragspflicht des Entleihbetriebs endet, wenn der Arbeitnehmer ausgewählt und zur Verfügung gestellt wurde79. Der Entleihbetrieb haftet nur für das Auswahlverschulden. Er schuldet nur die Überlassung von Arbeitskräften, nicht hingegen einen bestimmten Erfolg80. Gewährleistungsansprüche sind in den Grenzen der Haftung für betriebliche Tätigkeit (Arbeitsverhältnis) bzw. in Gänze (Leiharbeit) ausgeschlossen81.
Vertragspartner wird im eigenen Risikound Verantwortungsbereich tätig. Der Erfüllungsgehilfe wird entsprechend im Risiko- und Verantwortungsbereich des Vertragspartners tätig82. Bei Mängeln/Schlechtleistung ist Vertragspartner Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt83. Gewährleistungsausschluss oder faktischer Verzicht sind Indizien für das Vorliegen eines Scheinwerk-, -dienstvertrages84.
Indiz für Arbeitsverhältnis bzw. Leiharbeit, wenn Arbeitsort durch Auftraggeber bestimmt wird, ohne dass dies durch Natur des Werks bzw. der Dienstleistung vorgegeben ist. Starkes Indiz, insbesondere in Kombination mit dem Kriterium der Integration bzw. des Weisungsrechts.
78 BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/12, DB 2013, 262 ff.; BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903 ff. 79 BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455 Rz. 26 f.; BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 365/05 n. v. 80 Vgl. i. E. BT-Drucks. 17/12378, 6. 81 BT-Drucks. 17/12373, 3. 82 Bspw. wird die Vergütung erst mit erfolgsabhängiger Abnahme des Werks fällig. 83 BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10.
378
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag Indizien
Sozialversicherungspflicht
Steuerpflicht
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung Es besteht eine Sozialversicherungspflicht hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung und Rentenversicherung. Der Vertragsarbeitgeber hat die Beschäftigung zu melden und Sozialabgaben abzuführen. Die Pflicht kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden.
Lohnsteuer: Ein Arbeitgeber ist dem Finanzamt gegenüber gesetzlich dazu verpflichtet, die auf den Arbeitslohn entfallende Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (§ 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das Finanzamt kann sich aber auch an
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit) Für Selbstständige besteht keine grundsätzliche Verpflichtung zur Absicherung gegen Arbeitslosigkeit und Altersarmut. Es besteht die Möglichkeit, sich gemäß § 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB III freiwillig gegen Arbeitslosigkeit zu versichern. Seit dem 01.09.2009 besteht die Versicherungspflicht in der Kranken (§ 193 VVG)- und Pflegeversicherung85. „Arbeitnehmerähnliche Selbstständige unterliegen gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI der Rentenversicherungspflicht. Befreiung unter bestimmten Voraussetzungen möglich, § 6 Abs. 1 a, 2 SGB VI. Einkommenssteuer: Der wirtschaftlich Selbstständige hat eine Einkommenssteuer zu entrichten, deren Höhe sich nach der von ihm einzureichenden Steuererklärung richtet.
Bewertung
Kein Indiz für die arbeitsrechtliche Bewertung; allerdings legt zutreffende Annahme einer unselbständigen Tätigkeit des Fremdpersonals im Zweifel das Vorliegen eines Arbeits- oder Leiharbeitsverhältnisses nahe.
Kein Indiz für die arbeitsrechtliche Bewertung; allerdings legt zutreffende Annahme einer unselbständigen Tätigkeit des Fremdpersonals im Zweifel das Vorliegen eines Arbeits- oder Leiharbeitsverhältnisses nahe.
84 Greiner, NZA 2013, 697, 701; BT-Drucks. 17/12378, 6; vgl. auch Schüren, NZA 2013, 176, 177. 85 Art. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit“ (Pflegeversicherungsgesetz – PflegeVG) v. 26.5.1994, BGBl. 1014.
379
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag Indizien
Vertragsgestaltung
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung den Arbeitnehmer wenden (§ 42 d Abs. 3 S. 1 und 2 EStG). Arbeitsvertrag oder Vertrag über die Arbeitnehmerüberlassung nach dem (AÜG). Vertraglich festgelegter Leistungsgegenstand ist unbestimmt und allgemein gehalten86. Entleihbetrieb bzw. Vertragsarbeitgeber hat Einfluss auf Anzahl und Qualifikation der Beschäftigten87.
WeisungsArbeitnehmer führt recht (siehe Arbeit allein nach auch Integra- Weisung des Entleition) hers bzw. Vertragsarbeitgebers und in dessen Interesse aus89. Insbesondere formales Weisungsrecht hinsichtlich Ort und Zeit (Personalhoheit)90. Weisungen mit Doppelnatur (fachlichmethodische Vorgabe ist mit zeitlich86 87 88 89
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit)
Bewertung
Es wird die Erstellung eines individualisierbaren Werkergebnisses (§§ 631 ff. BGB) oder die Verrichtung einer Dienstleistung (§§ 611 ff. BGB) vereinbart. Gegenstand des Werkvertrags ist die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg. Gegenstand eines Dienstvertrags ist die reine Tätigkeit als solche88. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Auftragsnehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen92.Weisungsrecht ist vom werkvertragstypischen Weisungsrecht (§ 645 Abs. 1 S. 1) zu unterscheiden, kraft dessen der Be-
Sekundäres Indiz; es kommt auf das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis und nicht den (schriftlich) geschlossenen Vertrag an.
Starkes Indiz; führt in Kombination mit dem Kriterium der Risikound Verantwortungsstruktur zum Vorliegen des jeweiligen Vertragstypus.
LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12, BB 2013, 1020 Rz. 43. BT-Drucks. 17/7482, 2. BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/12, DB 2013, 2626 Rz. 15. BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455 Rz. 26; Ulber, AiB 2013, 285, 287; BT-Drucks. 17/12373, 3, hier aber: „auch nach Weisungen des Bestellers“; vgl. auch § 7 Abs. 1 SGB IV. 90 BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903 Rz. 15.
380
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag Indizien
Arbeitsvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung örtlicher Vorgabe verbunden) führen in der Regel zur Zuordnung nach den für das formale arbeitsvertragliche Weisungsrecht maßgeblichen Kriterien91.
Werkvertrag, Dienstvertrag (freie Mitarbeit) steller „dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen (kann)“93. Gelegentliche Weisungen und solche zu untergeordneten Fragen sind unschädlich94.
Bewertung
Soweit vorstehend in die Ausführungen zum Dienst- oder Werkvertrag auch der freie Mitarbeiter einbezogen wird, gilt entsprechendes für den sogenannten Interim Manager. Wesentlicher Vorteil ist seine kurzfristige Verfügbarkeit als Führungskraft und Projektspezialist, um personelle Engpässe zu überbrücken und das Know-how zur Abwicklung fachspezifischer Probleme vorübergehend einzukaufen, in der Regel ohne dafür die arbeitsrechtlichen Bindungen einzugehen. Insofern werden solche Personen typischerweise im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags tätig95.
c)
Konsequenzen einer Scheinselbständigkeit
Lässt man die Überlegungen des Koalitionsvertrags an dieser Stelle unberücksichtigt96, kann der Scheinselbstständige rückständiges Arbeitsentgelt, Urlaub, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Anwendbarkeit eines Tarifvertrags auch verbesserte Arbeitsbedingungen beanspruchen97. Das Gebot einer sozialen Rechtfertigung einer Änderungs- oder Beendigungskündigung greift, wenn die allgemeinen Voraussetzungen einer Anwendbarkeit von §§ 1, 2 KSchG erfüllt sind (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG). Für die Berechnung des Schwellenwerts werden auch im Betrieb
92 91 93 94 95
BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 365/05 n. v. Greiner, NZA 2013, 697, 700. BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455 Rz. 27. BT-Drucks. 17/12373, 3. Vgl. hierzu Mehnert, AuA 2013, 14 ff.; Velten, ArbRB 2013, 190; Klösel, NJW 2012, 1482. 96 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 316 f. 97 von Halen, AiB 2013, 305, 307 f.
381
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
des Arbeitgebers beschäftigte Leiharbeitnehmer berücksichtigt, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht98. Liegt unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor, so wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG). Der Leiharbeitnehmer hat Auskunftsansprüche nach § 13 AÜG, einen Informationsanspruch aus § 13 a AÜG und Anspruch auf Zugang zu betrieblichen Sozialeinrichtungen nach § 13 b AÜG. Liegt ein Scheinwerkvertrag vor, besitzt der Unternehmer aber eine Erlaubnis zur Überlassung, kann die Zusammenarbeit nach derzeit noch geltender Rechtslage als erlaubte Arbeitnehmerüberlassung abgewickelt werden. Allerdings sollte gewährleistet werden, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG und das Equal-Treatment-Gebot bzw. seine Ausnahmen Beachtung finden.
d)
Konsequenzen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht
Betriebsräte können durch Inanspruchnahme ihres Informationsanspruchs aus § 80 Abs. 2 S. 1, 2. Halbs. BetrVG (Wortlaut: „die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen“) versuchen, Scheinselbständigkeit aufzudecken und die daraus folgenden Beteiligungsrechte geltend zu machen99. Denn bei der Eingliederung in die betriebliche Organisation können Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte insbesondere aus §§ 87, 99 ff. BetrVG bestehen. Darüber hinaus können Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Schwellenwerte der Betriebsverfassung zu berücksichtigen sein100. Dies gilt schon vor einer Umsetzung der Überlegungen des Koalitionsvertrags.
e)
Konsequenzen aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht
Bei Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit, wird vor allem der „Auftraggeber“ mit rückständigen Sozialabgaben belastet101. Zwar kann der Arbeitgeber gegenüber dem ehemals Scheinselbstständigen den von ihm zu tragenden Arbeitnehmeranteil geltend machen. Jedoch auch nur unter Einschränkungen: Zum einen muss das Arbeitsverhältnis noch Bestand haben. Denn nach § 28 g S. 2 SGB IV kann der zu entrichtende Arbeitnehmeranteil nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Zum anderen kann der Arbeitnehmeranteil nur durch die nächsten drei Gehaltszahlungen 98 BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726 Rz. 11. 99 Vgl. Schoof, AiB 2013 320, 321 100 BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 1489 Rz. 21; BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 Rz. 15; B. Gaul, AktuellAR 2013, 579 ff. 101 von Halen, AiB 2013, 305, 307.
382
Abgrenzung zwischen (Leih-)Arbeitnehmern, Werkvertrag bzw. Dienstvertrag
geltend gemacht werden, wenn der ehemals Scheinselbstständige unvorsätzlich handelt (§ 28 g S. 3 SGB IV). Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch § 25 Abs. 1 SGB IV: Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Ob Vorsatz gegeben ist, muss einzelfallbezogen festgestellt werden. Wichtig ist, dass bedingter Vorsatz genügt.
f)
Konsequenzen aus steuerrechtlicher Sicht
Bei Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit wird vor allem der „Auftraggeber“ mit rückständigen Einkommenssteuern belastet102. Aber auch der ehemals Scheinselbstständige kann zur Abführung der Lohnsteuer aufgefordert werden. Sie sind Gesamtschuldner. Die nachträgliche Abführung der nicht gezahlten Lohnsteuer ist bis zur Verjährungsgrenze möglich (§ 47 AO). Die maßgebliche Verjährungsfrist (Festsetzungsfrist) beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und beträgt im Regelfall vier Jahre (§§ 170 Abs. 1, 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Leichtfertige Steuerkürzungen stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die Steuerhinterziehung gar eine Straftat.
g)
Konsequenzen aus strafrechtlicher Sicht
Das vorsätzliche Beschäftigen von Fremdpersonal als Scheinselbstständige ist gemäß § 266 a StGB wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt strafbar. Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn eine erwerbstätige Person formal als selbständiger Unternehmer auftritt, tatsächlich aber vom vermeintlichen Auftraggeber wie ein Arbeitnehmer beschäftigt wird. Zudem kann z. B. der Tatbestand der Schwarzarbeit im Sinne des § 1 SchwArbG, der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO verwirklicht werden103. Außerdem können die Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 16 AÜG erfüllt sein.
h)
Fazit
Der Einsatz von Werk-, Dienstverträgen und Verträgen über die freie Mitarbeit ist zulässig. Weitergehende Einschränkungen sieht auch der Koalitions102 von Halen, AiB 2013, 305, 307. 103 Zu allem: von Halen, AiB 2013, 305, 307.
383
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
vertrag nicht vor. Allerdings ist in der Praxis sehr genau darauf zu achten, dass das Vertragsverhältnis auch tatsächlich in der vereinbarten Form abgewickelt wird. Andernfalls drohen Risiken in arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht. Außerdem müssen strafrechtliche Folgen beachtet werden. (Ga/Ju)
7.
Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung
a)
Konsequenzen einer unbefristeten Überlassung von Arbeitnehmern
In Rechtsprechung und Literatur ist insbesondere nach den Änderungen des AÜG zum 1.12.2011 umstritten, welche individualarbeitsrechtlichen Konsequenzen mit einer unbefristeten Überlassung eines Leiharbeitnehmers auf einen beim Entleiher bestehenden (Dauer-) Arbeitsplatz verbunden sind104. Dies gilt jedenfalls so lange, als die im Koalitionsvertrag105 vorgesehene 18-Monats-Frist noch nicht eingeführt ist. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung ist der Umstand, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 lit. b, c, d und e Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19.11.2008 über Leiharbeit106 (Leiharbeitsrichtlinie) die Feststellung trifft, dass Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen nur „vorübergehend“ zum Zwecke der Arbeit überlassen werden. Die bis zum 30.11.2011 geltenden Regelungen sahen eine solche Beschränkung nicht vor. Vielmehr war die frühere Begrenzung der Höchstdauer einer Arbeitnehmerüberlassung auf zuletzt 24 Monate mit Wirkung zum 31.12.2002 entfallen. Damit sollte die Arbeitnehmerüberlassung flexibilisiert werden. Trotz dieser klaren Zweckbestimmung durch den Gesetzgeber hatte das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 9.1.2013107 die dauerhafte Überlassung eines Arbeitnehmers als institutionellen Rechtsmissbrauch gekennzeichnet, wenn das verleihende Unternehmen nur an einen oder mehrere Konzernunternehmen Arbeitnehmer verleihe, nicht am Markt werbend tätig sei und die Einschaltung dieses verleihenden Unternehmens nur dazu diene, Lohnkosten zu senken oder kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen. Konsequenz sei, dass dem „Scheinentleiher“ die Arbeitgeberstellung zukomme. 104 105 106 107
384
Vgl. Schoof, AiB 2013, 320, 323; Thüsing, NZA 2013, 1248. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 599 ff. ABlEU L 327 v. 5.12.2008 S. 9 ff. 15 Sa 1635/12, NZA-RR 2013, 234, 236.
Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung
Völlig zu Recht haben der 7. Senat des BAG mit seinen Urteilen vom 15.5.2013108 und der 9. Senat im Urteil vom 10.12.2013109 dieser Sichtweise ohne Rücksicht auf die durch den vom LAG Baden-Württemberg angesprochenen Sachverhalt einer klaren Absage erteilt. Vertragsgestaltungen könnten – so das BAG – nur dann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn sie gravierend von den Gestaltungsmöglichkeiten abwichen, die nach der Konzeption des Gesetzes noch gebilligt seien. Hiervon ausgehend läge ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des AÜG nicht vor. Denn in der bis zum 30.11.2011 noch geltenden Rechtslage sei auch eine zeitlich unbegrenzte Arbeitnehmerüberlassung kraft gesetzlicher Konzeption zulässig gewesen. Eine Pflicht, Vorgaben der Leiharbeitsrichtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist (5.12.2011) durch Veränderungen im AÜG umzusetzen, bestand nicht. In überzeugender Weise hat der 7. Senat des BAG schon zu der Rechtslage bis zum 30.11.2011 ausgeführt, dass auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der beim Beklagten anzuwendenden Arbeitsbedingungen kein zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien führender Rechtsmissbrauch durch ein Ausweichen auf Arbeitnehmerüberlassung angenommen werden könne. Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, dass vorliegend in rechtsmissbräuchlicher Weise eine Anwendung der beim Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen umgangen werden sollte, könnte dies allenfalls zu Leistungspflichten des Entleihers, jedoch nicht zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und den Leiharbeitnehmern führen110. Dies gelte auch für den Gesichtspunkt einer Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften. Zum einen sei die Gefährdung ihrer Arbeitsplätze für Arbeitnehmer auch sonst – also unabhängig von der Arbeitnehmerüberlassung – immer dann erhöht, wenn der Arbeitgeber ausschließlich Aufträge nur eines Auftraggebers ausführe. Zum anderen bleibe den Leiharbeitnehmern jedenfalls der aus § 1 Abs. 3 KSchG folgende Schutz in all den Fällen erhalten, in denen der Entleiher den Überlassungsvertrag nicht insgesamt beende, sondern lediglich in seinem Umfang reduziere111. Bereits im Urteil vom 15.5.2013112 hatte der 7. Senat angedeutet, dass die Einfügung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG einer unbeschränkten Überlassung von Arbeitnehmern an einen einzigen Entleiher nicht zulässig sei. Dies wird man
108 109 110 111 112
7 AZR 494/11, DB 2013, 2334 Rz. 26 ff. 9 AZR 51/13 n. v. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, DB 2013, 2334 Rz. 34. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, DB 2013, 2334 Rz. 35. 7 AZR 494/11, DB 2013, 2334 Rz. 24 f., 30 f.
385
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
aus dem Umstand ableiten können, dass die Zulässigkeit der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung in der Zeit bis zum 30.11.2011 in den Entscheidungsgründen mehrfach ausdrücklich mit dem Hinweis verknüpft wurde, dass sich diese Rechtslage erst zum 1.12.2011 als Konsequenz zwingender EU-Vorgaben geändert habe. Ob der 9. Senat in seinem Urteil vom 10.12.2013113 dies bestätigt, ist aus der Pressemitteilung nicht erkennbar. Dagegen spricht, dass der Begriff der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bereits durch die EU-Leiharbeitsrichtlinie vorgegeben wird, so dass an sich ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV erforderlich sein dürfte, falls die Frage entscheidungserheblich ist. Zwei Konsequenzen werden nach den aktuellen Entscheidungen des BAG indes klar: Entgegen der von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung114 wird man jedenfalls aus Gründen der Vorsorge – richtigerweise aber auch bei einer ordnungsgemäßen Interpretation von EU-Recht und AÜG – bei einer Überlassung von Arbeitnehmern sicherzustellen haben, dass von Anfang an erkennbar ist, dass der Einsatz bei dem jeweils in Rede stehenden Entleiher mit einer Befristung oder einer Bedingung verknüpft ist. Nur wenn klar ist, dass der Einsatz „endlich“ ist, kann eine „vorübergehende“ Arbeitnehmerüberlassung gegeben sein115. Klar beantwortet durch das BAG ist aber die Frage, welche arbeitsvertraglichen Konsequenzen eine Missachtung des Gebots einer nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung zur Folge hat. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde116, waren das LAG Baden-Württemberg im Urteil vom 22.11.2012117 und das LAG Berlin-Brandenburg in Urteil vom 9.1.2013118 von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher ausgegangen. Das LAG Baden-Württemberg hatte seine Auffassung noch auf eine analoge Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG gestützt und die rechtswidrige Überlassung dem Fall der Überlassung trotz fehlender Arbeitnehmerüberlas-
113 9 AZR 51/13 n. v. 114 So Klapproth, Die Verlagerung des Risikos von Nichteinsatzzeiten auf den Leiharbeitnehmer durch Arbeitszeitflexibilisierung S. 93, 97; Lembke, DB 2012, 2497; Schwab, BB, 2013, Heft 6, I. 115 Ebenso LAG Hessen v. 21.5.2013 – 4 TaBV 298/12 Rz. 2 f.; Brors, AuR 2013, 108, 111; Ludwig, BB 2013, 251, 255; Koch/Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch 2011 Rz. 100; Ulber, AÜG § 1 Rz. 231 d; Düwell, ZESAR 2011, 449, 454; Düwell/Dahl, BB 2009, 1070; Seel, FA 2013, 132, 133 f. 116 B. Gaul, AktuellAR 2013, 48 ff. 117 11 Sa 84/12, AE 2013, 102. 118 15 Sa 1635/12, NZA-RR 2013, 234, 236 ff.
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Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung
sungserlaubnis gleichgesetzt119. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte eine unmittelbare Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG angenommen, weil die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei richtlinienkonformem Verständnis der gesetzlichen Vorgaben und ihrer verwaltungsrechtlichen Umsetzung nur eine vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern erlaube120. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des LAG Berlin-Brandenburg vom 16.10.2012121 hat das BAG im Urteil vom 10.12.2013122 die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher als Konsequenz einer Nichtbeachtung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG zu Recht abgelehnt. Eine unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschrift sei ausgeschlossen, wenn die Überlassung auf der Grundlage einer Erlaubnis erfolge. Hiervon wird man in der Tat selbst dann ausgehen können, wenn eine solche Erlaubnis an sich in Bezug auf eine dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern nicht hätte erteilt werden dürfen. Eine analoge Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG sei mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen. Der Gesetzgeber habe § 1 AÜG und die folgenden Normen seit dem 28.6.2000 mehrmals geändert, ohne in Bezug auf die dauerhafte Überlassung an Arbeitnehmern Sanktionen oder Rechtsfolgen einzuführen. Das Problem der fehlenden Sanktion einer Missachtung des in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG vorgesehenen Gebots sei im Gesetzgebungsverfahren sogar erörtert worden. Auch unionsrechtlich ist keine entsprechende Rechtsfolge geboten. Denn selbst wenn in einer dauerhaften Überlassung von Arbeitnehmern auch ein Verstoß gegen die EU-Richtlinie 2008/104/EG liege, erlaube Art. 10 Abs. 2 S. 1 EU-Richtlinie 2008/104/EG die Festlegung abweichender Rechtsfolgen dem Gesetzgeber. Die Rechtsprechung könne diese Aufgabe nicht erfüllen. Bei einer dauerhaften Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher kommen die §§ 9, 10 AÜG daher weder unmittelbar noch analog zur Anwendung. Auf individualarbeitsrechtlicher Ebene wird man allein ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers annehmen können, sofern dieser selbst einen weiteren Einsatz bei dem gleichen Entleiher entgegen § 1 S. 2 AÜG nicht fortsetzen will. Denkbar ist auch, dass die auf Verleiher- und Entleiherebene beteiligten Betriebsräte im Rahmen von § 99 BetrVG der
119 Ebenso Düwell, Zesar 2011, 449, Ludwig, BB 2013, 1276, 1279; Bartl/Romanowski, AiB 2013, 611, 612 f. 120 Ebenso Böhm, DB 2012, 918, 919; Düwell, dbr 7/2011, 10, 12; Fütterer AuR 2013, 119, 120 f.; Welkoborsky, AiB 2013, 661, 663 f. 121 7 Sa 1182/12, BB 2013, 251 Rz. 24 ff. 122 9 AZR 51/13 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
dauerhaften Versetzung bzw. Einstellung mit der Begründung widersprechen, dass damit gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen werde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG)123. Hierauf wird an anderer Stelle eingegangen124. Im Übrigen eröffnet eine Missachtung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG letztendlich nur der Erlaubnisbehörde die Möglichkeit, die Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung mit der Begründung zu widerrufen, dass gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen werde. Zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kommt es damit erst dann, wenn im Anschluss an das Wirksamwerden eines solchen Widerrufs der tatsächliche Einsatz fortgesetzt wird.
b)
Unwirksamkeit der üblichen Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge der Zeitarbeit
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir auf die Transparenz und die daran geknüpfte Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die mehrgliedrigen Tarifverträge der Zeitarbeit verwiesen125. In Übereinstimmung mit der wohl überwiegend auf instanzgerichtlicher Ebene vertretenen Auffassung hat das BAG mit Urteil vom 13.3.2013126 den Grundsatz aufgestellt, dass eine Bezugnahmeklausel mit der mehrere eigenständige tarifliche Regelwerke gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gebracht werden sollen, zur Gewährleistung ihrer hinreichenden Bestimmtheit einer Kollisionsregel bedürften, der sich entnehmen lasse, welche der mehreren in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben solle127. Fehle dies, müsse von der Unwirksamkeit der Bezugnahmeklausel und daran anknüpfend von einem Anspruch auf Equal-Pay ausgegangen werden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien in Bezug auf die Tarifbindung folgende arbeitsvertragliche Regelung getroffen: §1 Tarifliche Bestimmungen Die Rechte und Pflichten dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personal123 124 125 126 127
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BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296, 301. B. Gaul, AktuellAR 2013, 599 ff. B. Gaul, AktuellAR 2011, 497 ff.; 2012, 173 ff.; 2013, 181 f. 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 26 ff. Eingehen hierzu Lembke/Mengel/Schüren/Stoffels/Thüsing/Schunder, NZA 2013, 948 ff.
Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung
dienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen, bestehend aus Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifverträgen sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen, in ihrer jeweils gültigen Fassung. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied einer Gewerkschaft der in Satz 1 genannten Tarifgemeinschaft ist. Soweit der Mitarbeiter nicht tarifgebunden ist, vereinbaren die Parteien, dass die Bestimmungen der in Abs. 1 genannten Tarifverträge den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages vorgehen. Dies gilt nicht, soweit die in Abs. 1 genannten Tarifverträge eine solche Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Mitarbeiter günstigere Regelung ergibt. Insoweit gilt § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz, insbesondere für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs gemäß Satz 2 entsprechend. Sollten die in Abs. 1 genannten Tarifverträge gekündigt werden oder auf andere Weise ihre Gültigkeit verlieren, ohne dass neue, zwischen diesen Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifverträge an ihre Stelle treten, bestimmen sich die Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrages nach den in Abs. 1 genannten Tarifverträgen in der zuletzt zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Fassung.
Nachdem die christlichen Gewerkschaften zum 1.1.2010 die Tarifverträge parallel zur CGZP selbst unterzeichnet hatten, änderten die Arbeitsvertragsparteien den ersten Absatz der vorstehenden Regelung wie folgt: Die Rechte und Pflichten dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V. (DHV), dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGB), dem Arbeitnehmerverband Land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEP) sowie medsonet. - Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) geschlossenen Tarifverträgen, derzeit bestehend aus Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifverträgen sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge, in ihrer jeweils gültigen Fassung. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter nicht Mitglied einer der in Satz 1 genannten Gewerkschaften oder Tarifgemeinschaft ist.
Diese Bezugnahmeklausel – so das BAG – sei intransparent und nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Bei den im Arbeitsvertrag genannten Tarifver389
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trägen handele es sich nicht um ein einheitliches Tarifwerk (Einheitstarifvertrag), sondern, wie auch die Präambel zum AMP-TV 2010 festhalte, um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne128. Bei diesem seien mehrere selbständige Tarifverträge in einer Urkunde zusammengefasst. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme erstrecke sich damit auf sechs eigenständige Tarifwerke, jeweils bestehend aus Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag. Mangels anderweitiger Regelung in der Klausel, im Falle einer einsatzbezogenen Differenzierung der anzuwendenden Tarifverträge nach der Branche des Entleihers, müsse der durchschnittliche Leiharbeitnehmer davon ausgehen, dass gleichzeitig sechs eigenständige Tarifwerke auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung fänden129. Verweise eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, führe dies für sich genommen nicht zur Intransparenz. Insbesondere arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf tarifliche Regelwerke, auch wenn sie dynamisch ausgestaltet seien, entsprächen einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik und dienten den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Das bei Vertragsschluss noch nicht absehbar sei, welchen zukünftigen Inhalt die in Bezug genommenen Tarifregelungen haben werden, sei unerheblich. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen seien bestimmbar, was zur Wahrung des Transparenzgebots ausreiche130. Aus Sicht des 5. Senats des BAG bedürfe eine Bezugnahmeklausel wie die streitgegenständliche, mit der mehrere eigenständige tarifliche Regelwerke gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gebracht werden sollten, zur Gewährleistung ihrer hinreichenden Bestimmtheit einer Kollisionsregel, der sich entnehmen lasse, welches der mehreren in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben solle. Andernfalls lasse sich nicht für jeden Zeitpunkt bestimmen, welches der in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke sich jeweils durchsetzen und gelten solle. Fehle in der Bezugnahmeklausel eine Kollisionsregel, bestehe die Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen dieser
128 Zur Terminologie vgl. BAG v. 8.11.2006 – 4 AZR 590/05, NZA 2007, 576 Rz. 22. 129 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 26 f.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 242/12 Rz. 19. 130 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 30; BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 35; BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 107/11 n. v. (Rz. 22).
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Unklarheit seine Rechte nicht wahrnehme. Gerade dies wolle das Bestimmtheitsgebot verhindern131. Auch wenn die Folgen dieser Feststellungen für die Zeitarbeitsbranche erheblich sind, sprechen inzwischen die besseren Gründe für die durch das BAG vertretene Auffassung. Dies gilt auch und insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass man – entgegen der teilweise vertretenen Auffassung132 – die Anforderungen an die Transparenz der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, die das BAG mit Blick auf die Bezugnahme auf Tarifverträge der Christlichen Gewerkschaften getroffen hat, ohne Einschränkung auch auf entsprechende Bezugnahmen auf Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften übertragen muss. Konsequenz ist, dass damit auch bei solchen Arbeitsverhältnissen nunmehr eine Diskussion über den gesetzlichen Equal-Pay-Anspruch beginnen wird. Für diese Sichtweise spricht nicht nur der Umstand, dass der Leiharbeitnehmer in der Tat ohne eine Kollisionsregel nicht erkennen kann, welcher der verschiedenen Tarifverträge bei einem bestimmten Einsatz zur Anwendung kommen soll. Dies ist nicht nur wichtig für die Feststellung, welche Leistungen dieses Tarifvertrags durch den Verleiher für die Einsatzdauer erbracht werden sollen. Vielmehr ist die Kennzeichnung dieses Tarifvertrags auch und insbesondere deshalb wichtig, weil nur so festgestellt werden kann, ob überhaupt eine wirksame Vereinbarung zur Vermeidung des Anspruchs auf Equal-Payment gegeben ist. Schließlich setzt die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung nicht nur voraus, dass sie durch eine Gewerkschaft getroffen wurde. Dies ist bei der CGZP und medsonet nicht gegeben gewesen, bei BIGD und ALEB zweifelhaft. Auch die Tariffähigkeit der DHV dürfte in Zukunft zu Diskussionen führen. Hinzu kommt, dass auch eine Gewerkschaft wirksam Tarifverträge nur dort abschließen kann, wo sie nach ihrer Satzung auch zuständig ist. Fehlt die satzungsgemäße Zuständigkeit, ist der Tarifvertrag unwirksam133. Dies ist auch bei einer Reihe von DGB-Gewerkschaften zweifelhaft, wie Rieble134 insoweit zutreffend aufgezeigt hat. Auch die DGB-Tarifverträge sind daher nicht in der Lage, branchenübergreifend auf wirksame Weise Arbeitsbedingungen für den Bereich der Zeitarbeit festzulegen. Bezugnahmeklauseln, die diesen Umstand durch
131 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 30; BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335 Rz. 13. 132 LAG Baden-Württemberg v. 4.6.2013 – 22 Sa 73/12 n. v.; Schüren, NZA 2013, 948, 951 f. 133 BAG v. 11.6.2013 – 1 ABR 32/12 n. v. (Rz. 19). 134 Rieble, BB 2012, 2177, 2178.
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eine generelle Einbeziehung sämtlicher Tarifverträge aller Gewerkschaften des DGB verdrängen sollen, tragen daher ein ganz erhebliches Risiko der Intransparenz. Diese Intransparenz wird insbesondere im Bereich der DGBGewerkschaften im Übrigen zunehmend dadurch erhöht, dass von den einzelnen Gewerkschaften ergänzende Tarifverträge zur Absicherung der Arbeitnehmer innerhalb ihrer Branche getroffen werden. Dabei geht es nicht nur um die unterschiedlichen Tarifverträge zu Branchenzuschlägen, die schon wegen ihrer abweichenden Zeitpunkte für das jeweilige Inkrafttreten zu branchenbezogen unterschiedlichen Arbeitsbedingungen geführt haben. Erhebliche Unterschiede in Bezug auf die individuellen Arbeitsbedingungen werden auch dadurch geschaffen, dass weitergehende Tarifverträge zur grundsätzlichen Einschränkung der Zeitarbeit und zu der Übernahme von Leiharbeitnehmern durch die Entleiher abgeschlossen wurden. Wir hatten auf entsprechende Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie bereits im vergangenen Herbst hingewiesen135. Mit Blick auf diese ergänzenden Tarifverträge kann letztlich auch offen bleiben, ob die Tarifverträge der DGBGewerkschaften ein einziges Tarifwerk sind136, oder ob auch hier ein mehrgliedriger Tarifvertrag vorliegt, bei dem die unterschiedliche Entwicklung der Tarifverträge der einzelnen Gewerkschaften nur „ganz und gar unwahrscheinlich“ ist137. Wenn eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nicht nur auf sämtliche Tarifverträge verweist, die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossen wurden, sondern – was für eine wirksame Abbedingung des Equal-PayGrundsatzes auch erforderlich ist – auch künftig ändernde und ergänzende Tarifverträge zu wesentlichen Arbeitsbedingungen einbezieht, muss für den Arbeitnehmer erkennbar sein, welche Tarifverträge für welche Branche bei dem jeweiligen Einsatz gelten sollen. Vor diesem Hintergrund ist in der betrieblichen Praxis dringend zu empfehlen, die arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln zu überarbeiten. Sie sind um Kollisionsregelungen zu ergänzen, die einsatzspezifisch zur Anwendung des bzw. der dann einschlägigen Tarifverträge führen. Soweit dies wegen der Unbestimmtheit künftiger Einsatzunternehmen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages noch nicht bestimmt werden kann, muss jedenfalls eine abstrakt-generelle Festlegung vorgenommen werden, die das Grundprinzip einer Anwendung des branchenbezogenen, für den Entleiher 135 B. Gaul, AktuellAR 2012, 279, 281 f. 136 So Schüren, NZA 2013, 948, 951; Herrmann/Molle, BB 2013, 1781, 1782. 137 So Thüsing, NZA 2013, 948, 951; ähnlich Stoffels, NZA 2013, 948, 951.
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Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung
insoweit jeweils maßgeblichen, Tarifvertrags nennt. Dieser generelle Grundsatz sollte sodann zwingend mit einer Verpflichtung des Arbeitgebers verknüpft werden, zum Einsatzbeginn dem Leiharbeitnehmer die jeweils maßgebliche Branche und die daraus folgende Tarifbindung zu benennen. Eine weitergehende Festlegung ist zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen und mit Blick auf die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) auch nicht erforderlich.
c)
Arbeitsvertraglicher Vorbehalt einer einseitigen Änderung des in Bezug genommenen Tarifvertrags
Ein Teil der Zeitarbeitsunternehmen hat die vorstehenden Probleme einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit durch Klauseln zu mindern gesucht, nach denen der Arbeitgeber das Recht haben soll, durch einseitige Erklärung gegenüber den Leiharbeitnehmern den in Bezug genommenen Tarifvertrag abzuändern. So lautete die einem der Urteile des BAG vom 13.3.2013138 zugrunde liegende Klausel wie folgt: Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. (INZ). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrags an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.
Das LAG Niedersachsen muss sich in seinem Urteil vom 25.1.2013139 mit folgender Klausel befassen: Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrags an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.
138 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 ff. 139 6 Sa 737/12 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Zunächst einmal haben die vorstehend genannten Entscheidungskörper übereinstimmend darauf verwiesen, dass mit den Klauseln über die einseitige Änderung des in Bezug genommenen Tarifvertrags in den streitgegenständlichen Fällen nur solche Fälle erfasst waren, die durch einen Wechsel des Arbeitgeberverbands ausgelöst wurden. Der Fall, dass die Tarifbindung bei gleichbleibender Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband dahin gehend modifiziert werden sollte, dass – ggf. wechselnd – nur Tarifverträge mit einer bestimmten Gewerkschaft zur Anwendung kommen sollen, war bereits von der Vertragsklausel nicht erfasst. Ungeachtet dessen hat das BAG deutlich gemacht, dass eine solche Klausel mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt intransparent und nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam sei. Denn letztendlich bliebe für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Arbeitsvertrags nicht erkennbar, wann und aus welchen Gründen sich seine Tarifbindung in Bezug auf jeweils wechselnde Tarifpartner in der Zukunft verändern sollte140. Berechtigterweise verweist das LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 25.1.2013141 auch auf § 308 Nr. 4 BGB. Denn der Arbeitgeber räumt sich mit der entsprechenden Klausel das Recht zur inhaltlichen Einflussnahme auf die arbeitsvertraglichen Regelungen ein, ohne dass im Arbeitsvertrag selbst bereits die Voraussetzungen für sein Gestaltungsrecht genannt werden. Sowohl die Voraussetzungen als auch der Umfang der durch den Arbeitgeber bewirkten Veränderungen seien nach der arbeitsvertraglichen Klausel völlig unbestimmt und würden nicht einmal ansatzweise konkretisiert. Die Klausel lasse mithin in unzulässiger Weise einen einseitigen Wechsel des in Bezug genommenen Tarifvertrags ohne Nennung eines Grundes zu, was auch insoweit ihre Unwirksamkeit zur Folge habe.
d)
Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay)
In verschiedenen Urteilen vom 13.3.2013 hat sich das BAG eingehend mit einer Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay) befasst142. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass nach den Be-
140 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 Rz. 18; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 26 ff. 141 6 Sa 737/12 n. v. (Rz. 63). 142 Vgl. BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 ff.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785 ff.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 ff.
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schlüssen des BAG vom 14.12.2010143, des LAG Berlin-Brandenburg vom 9.1.2012i144 sowie des BAG vom 22.5.2012145 rechtkräftig und mit bindender Wirkung gegenüber jedermann festgestellt sei, dass die CGZP seit ihrer Gründung und jedenfalls bis zum 14.12.2010 nicht tariffähig war. Konsequenz dieser Feststellung ist, dass die trotz fehlender Tariffähigkeit abgeschlossenen „Tarifverträge“ deshalb von Anfang an unwirksam seien. Ein etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP sei – so das BAG – nicht geschützt. Die Entscheidungen zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP seien nicht mit einer Rechtsprechungsänderung verbunden gewesen. Weder das BAG noch Instanzgerichte hätten in den dafür nach den §§ 2 a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG vorgesehenen Verfahren jemals die Tariffähigkeit der CGZP festgestellt. Die bloße Erwartung im Bereich der Zeitarbeitsunternehmen, das BAG werde eine von ihm noch nicht geklärte Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne, etwa entsprechend dem Schrifttum geäußerter Auffassungen, entscheiden, könne einen Vertrauenstatbestand nicht begründen. Entsprechendes gelte auch unter Berücksichtigung des Verhaltens der Bundesagentur für Arbeit, zumal die Tariffähigkeit der CGZP bereits nach deren ersten Tarifvertragsabschluss im Jahre 2003 in Frage gestellt und öffentlich diskutiert worden sei146. Konsequenz der fehlenden Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, der wesentliche Arbeitsbedingungen regelt, ist die Anwendbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (Equal-Pay)147. Dabei setzt der Anspruch nicht stets voraus, das während der Überlassung beim Entleiher auch tatsächlich vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt sind. Denn schon Ziff. 14 der EU-Leiharbeitsrichtlinie bestimmt: Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer sollten mindestens denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden.
Darauf hatte bereits das LAG Niedersachsen im Urteil vom 25.1.2013148 zu Recht hingewiesen. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines
143 144 145 146
1 ABR 19/10, NZA 2011, 289 Rz. 93 ff. 24 TaBV 1285/11, BB 2012, 1733 Rz. 131. 1 ABN 27/12 n. v. (Rz. 26). BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 19 ff.; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785 Rz. 12 ff. 147 Zum Equal-Pay-Grundsatz bei Arbeitnehmerüberlassung im Konzern Lembke, BB 2012, 2497 ff. 148 6 Sa 737/12 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Entgeltschema an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses Entgeltschema abgestellt werden. Das hat das BAG in einem der Urteile vom 13.3.2013149 klargestellt. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist – so das BAG – ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen150. Der Begriff des Arbeitsentgelts ist insoweit weit zu verstehen. Hierzu gehören nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss (Beispiel: 13. Monatsgehalt, tarifliche Sonderzahlung, Urlaubsvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen)151. Die Berücksichtigung von Aufwendungsersatz beim Gesamtvergleich bemisst sich nach den Feststellungen des BAG danach, ob damit – wenn auch in pauschalierter Form – ein dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandener Aufwand (z. B. für Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten) erstattet werden solle (echter Aufwendungsersatz) oder ob die Leistung Entgeltcharakter habe. Echter Aufwendungsersatz sei kein Arbeitsentgelt. Es sei auch keine wesentliche Arbeitsbedingung im Sinne des § 10 Abs. 4 AÜG. Soweit sich Aufwendungsersatz allerdings als „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt darstelle, müsse er zwar beim Gesamtvergleich der Entgelte berücksichtigt werden. Zu Recht verweist der 5. Senat des BAG in diesem Zusammenhang dann allerdings auch darauf, ob die jeweils in Rede stehenden Spesen und Fahrtkosten, die der Verleiher zur Minderung seiner Zahlungspflicht berücksichtigt sehen will, den Beschäftigten nicht doch steuerlich privilegiert gewährt wurden, was – falls tatsächlich Entgeltcharakter gegeben ist – nur unter Missachtung steuerrechtlicher Vorgaben hätte geschehen dürfen152. Die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Anspruchs auf Equal-Pay trägt zunächst einmal der Arbeitnehmer. Seiner Darlegungslast könne er im ersten Schritt dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft berufe und diese in den Prozess einführe153. Denn die – ord-
149 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 Rz. 24. 150 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 Rz. 26; BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10 NZA 2011, 850 Rz. 35 f. 151 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 Rz. 27; ErfK/Wank, AÜG § 10 Rz. 13 f. 152 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 294/12, DB 2013, 1732 Rz. 34 ff. 153 BAG v. 25.9.2013 – 5 AZR 617/13, NZA 2013, 1231.
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nungsgemäße – Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbarer Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt sei das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen solle, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen154. Es obliege – so das BAG – sodann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trage er nichts vor oder lasse er sich nicht substantiiert ein, gelte der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Gelinge es dem Verleiher dagegen, die Auskunft des Entleihers zu erschüttern, bleibe es bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen müsse155. Stütze sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er nach den Vorgaben des BAG zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehörten vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Berufe sich der Leiharbeitnehmer – alternativ – auf ein allgemeines Entgeltschema, habe er nicht nur dessen Inhalt, sondern auch darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung gefunden habe und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre. Die bloße – ins Blaue hinein erhobene – These, dass die entleihenden Unternehmen dem Metallgewerbe angehörten und „ausgehend hiervon“ die entsprechenden Tarifverträge zur Anwendung kämen, genügt nicht156.
e)
Geltung von Ausschlussfristen
Grundsätzlich kann auch der Anspruch auf Equal-Pay in seiner Durchsetzung durch eine Ausschlussfrist gehindert sein. Voraussetzung ist freilich, dass individual- oder kollektivvertraglich eine entsprechende Regelung mit Wirkung für das Arbeitsverhältnis getroffen wurde. Wie das BAG in einem der Urteile vom 13.3.2013157 deutlich gemacht hat, ist eine Ausschlussfristenregelung in einem unwirksamen CGZP154 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782 Rz. 22; Schüren/Hamann/Bros, AÜG § 13 Rz. 1. 155 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782 Rz. 22; BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850 Rz. 36. 156 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782 Rz. 23 f. 157 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785 Rz. 18 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Tarifvertrag auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Es hat sich damit der gegenteiligen Auffassung158 nicht angeschlossen. Zwar geht auch der 5. Senat des BAG davon aus, dass die Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung sind, ein kollektives Regelungswerk auch dann in Bezug zu nehmen, wenn es keine normative Wirkung besitzt. Eine solche Abrede sei allerdings ausgeschlossen, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass nur ein wirksamer Tarifvertrag habe vereinbart werden sollen. Dies sei bei einer Bezugnahme auf die Tarifverträge der Zeitarbeit der Fall. Denn nur mit einer Bezugnahme auf einen wirksamen Tarifvertrag habe der Verleiher als Klauselverwender den Zweck der Bezugnahme – das Abweichen vom Gebot der Gleichbehandlung nach § 9 Nr. 2 AÜG – erreichen können. Zwingend erscheint diese Bewertung nicht. Denn insbesondere dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen einer vertraglichen Ausschlussfristenregelung ergänzend und zusätzlich zu den sonstigen Bezugnahmeklauseln auf die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist verweisen, spricht dies dafür, solche tariflichen Regelungen ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit als Tarifvertrag zum Gegenstand der arbeitsvertraglichen Beziehung zu machen. Schließlich ist die Ausschlussfrist selbst keine wesentliche Arbeitsbedingung, die nur in Form eines Tarifvertrags wirksam vereinbart werden kann. Ungeachtet dessen ist es allerdings zutreffend, wenn das BAG darauf verweist, dass auch die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Bezugnahmeklausel nur dann wirksam ist, wenn die in ihr getroffenen Regelungen keine unangemessene Benachteiligung des Leiharbeitnehmers zur Folge haben. Dies ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB indes dann der Fall, wenn schon auf der ersten Stufe für den Arbeitnehmer nur eine Frist von zwei Monaten gegeben ist, um etwaige Ansprüche gegenüber dem Verleiher geltend zu machen159. Entsprechend den Vorgaben, die der 5. Senat des BAG bereits im Urteil vom 28.9.2005160 getroffen hatte, muss die Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis an eine Frist von mindestens drei Monaten ab Fälligkeit geknüpft werden, um den Arbeitnehmer nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben zu benachteiligen161. Voraussetzung ist allerdings weiterhin, dass eine Ausschlussfrist dem Gläubiger eine faire Chance lässt, seine Ansprüche durchzusetzen. Um zu ge158 159 160 161
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So Löwisch, SAE 2013, 11 ff.; B. Gaul/Koehler, ArbRB 2011, 273, 275 f. BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785 Rz. 20. 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 Rz. 28. BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 51.
Neue Entwicklungen zur Arbeitnehmerüberlassung
währleisten, dass der Leiharbeitnehmer den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt auch dann fristwahrend geltend machen könne, wenn er die Höhe des den vergleichbaren Stammarbeitnehmer des Entleihers gewährten Arbeitsentgelts (noch) im Einzelnen kennt, müsse die erste Stufe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung im Leiharbeitsverhältnis zulassen, dass eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ ausreiche. Hiervon ist dann auszugehen, wenn in der Klausel nur von einer „schriftlichen Geltendmachung“, nicht aber davon die Rede sei, dass diese konkret beziffert sein müsse162. Soweit in einer Ausschlussfrist besondere Vorgaben für Ansprüche aus unerlaubter Handlung getroffen wurden, finden diese – so das BAG – keine Anwendung auf einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 10 Abs. 4 AÜG. Ein Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt werde nicht auf eine unerlaubte Handlung gestützt. § 10 Abs. 4 AÜG begründe nicht bloß ein Verhaltensgebot für den Entleiher mit das Vermögen des Leiharbeitnehmers drittschützender Wirkung. Die Norm regle vielmehr die arbeitsvertragliche Sonderbeziehung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer und begründe selbst einen gesetzlichen Entgeltanspruch. § 10 Abs. 4 AÜG sei deshalb kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Entsprechendes gelte für § 16 Abs. 1 Nr. 7 a AÜG, denn die dort als Ordnungswidrigkeit eingestufte Verletzung des Gebots zur Gleichbehandlung werde im Verhältnis zum Leiharbeitnehmer über den gesetzlichen Entgeltanspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG gesichert163.
f)
Anwendbarkeit gesetzlicher Verjährungsregelungen
Der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt gemäß § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit der Überlassung entsteht und mit dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB unterliege er der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Darauf hat das BAG im Urteil vom 13.3.2013164 hingewiesen. Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es – neben dem Entstehen des Anspruchs – nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen 162 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 52 f. 163 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 56. 164 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785 Rz. 22.
399
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
müsste. Hierfür ist keine zutreffende rechtliche Würdigung notwendig. Es genügt – so das BAG – vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände165. Hiervon ausgehend habe der Leiharbeitnehmer von dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ausreichende Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von der Tatsache habe, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienten als er. Grundsätzlich unbeachtlich sei dagegen die zutreffende rechtliche Würdigung einer arbeitsvertraglichen Klausel, mit der der Verleiher von der in § 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 S. 2 AÜG eröffneten Möglichkeit, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, Gebrauch mache. Vertraue der Leiharbeitnehmer auf deren Rechtswirksamkeit und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, so sei dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers166. Dies gelte insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer eine Klage auf gleiches Arbeitsentgelt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP nicht unzumutbar gewesen ist. (Ga)
8.
Individualrechtliche Konsequenzen einer schuldhaften Missachtung von Arbeitsschutzvorschriften
Nach § 104 Abs.1 SGB VII ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten zum Ersatz des durch einen Arbeitsunfall erlittenen Personenschadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen167. Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers agierenden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat168. Nach der Rechtsprechung des BGH169 soll sich der Schuldner der Haftung für Leistungsstörungen nicht dadurch ent165 BAG v. 13.3.2013 – 424/12, NZA 2013, 785 Rz. 24; BGH v. 26.9.2012 – VIII ZR 240/11 n. v. (Rz. 40). 166 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785 Rz. 15; B. Gaul/Koehler, ArbRB 2011, 273, 275. 167 BAG v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223 Rz. 79. 168 BAG v. 28.4.2011 – 8 AZR 769/09, AiB 2012, 273 Rz. 46. 169 BGH v. 27.6.1985 - VII ZR 23/84, NJW 1985, 2475 Rz. 16.
400
Konsequenzen einer schuldhaften Missachtung von Arbeitsschutzvorschriften
ziehen können, dass er Gehilfen einsetzt. Für die Haftung des Schuldners nach § 278 S. 1 BGB ist es dabei bedeutungslos, ob er bei der Auswahl, Anleitung, Unterweisung oder Beaufsichtigung des Dritten die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt oder gelassen hat. Er muss das Risiko eines fehlerhaften Verhaltens seines Erfüllungsgehilfen deshalb tragen, weil dieser objektiv eine Aufgabe übernimmt, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt170. Allerdings erfährt die Haftung des Arbeitgebers insoweit eine Einschränkung, als er nicht für die fahrlässige Verursachung eines Arbeitsunfalls durch ihn selbst oder durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen hat. Wird jedoch der Arbeitsunfall des Versicherten, d. h. des Arbeitnehmers, durch ein vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers oder seines Erfüllungsgehilfen herbeigeführt, besteht kein Grund, den Arbeitgeber von der Haftung zu entlasten und damit den Geltungsbereich des § 278 BGB zu beschränken171. Der zum Ausschluss der Haftungsbeschränkung des § 104 SGB VII führende Vorsatz wird von der Rechtsprechung des BAG in doppelter Weise geprüft. Der Vorsatz des Handelnden muss sich zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB VII. Nach Ansicht des BAG172 darf demgemäß die vorsätzliche Pflichtverletzung nicht mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichgesetzt werden. Die Anwendung dieser Grundsätze war Gegenstand einer Entscheidung des 8. Senats des BAG vom 20.6.2013173. Die Parteien stritten darüber, ob die beklagte Stadt (Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund einer vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 durchgeführten Bearbeitung asbestbelasteter Bauteile erleiden sollte. In diesem Zeitraum hatte die Beklagte den Kläger mit drei weiteren Angestellten der Beklagten im Umfang von 800 Stunden ohne Schutzbekleidung und Atemschutzgeräte Sanierungsarbeiten in einem Asylbewerberheim durchführen lassen, bei denen asbesthaltiger Staub freigesetzt wurde. Als der Kläger davon erfuhr, unterrichtete er den zuständigen Abteilungsleiter,
170 So BAG v. 28.4.2011 – 8 AZR 769/09, AiB 2012, 273 Rz. 42. 171 BAG v. 28.4.2011 – 8 AZR 769/09, AiB 2012, 273 Rz. 42. 172 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 471/12, DB 2013, 2216 Rz. 23; BAG v. 28.4.2011 – 8 AZR 769/09, AiB 2012, 273 Rz. 50. 173 8 AZR 471/12, DB 2013, 2216.
401
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
der auf Fortsetzung der Arbeiten drängte, obwohl ihm das Vorhandensein des asbesthaltigen Materials bekannt war, was auch auf den Bürgermeister der Beklagten zutraf, der die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes kannte. Die Arbeiten wurden erst durch eine entsprechende Verfügung des Gewerbeaufsichtsamtes eingestellt. Anlässlich einer Erkrankung im Jahre 2006 nahm der Kläger an, dass sich für ihn das Risiko einer Krebserkrankung durch die damaligen Sanierungsarbeiten erhöht habe und diese möglicherweise eine zukünftige Krebserkrankung auslösen könnten. Da die Beklagte jedwede Schadensersatzpflicht ablehnte, nahm der Kläger die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass sie verpflichtet sei, ihm zu 100 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden ersetzen zu müssen, die durch die seinerzeitigen Tätigkeiten im Asylbewerberheim eintreten können. Das BAG hat der Klage entsprochen und eine entsprechende Haftung der Beklagten für solche Schäden festgestellt, die der Kläger aufgrund der Arbeiten an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim der Beklagten erleiden sollte. Dabei ging es vor allem um die Beantwortung der Frage, ob der damalige Abteilungsleiter vorsätzlich im Sinne von § 636 Abs. 1 S. 1 RVO (seit 1.1.1997 § 104 SGB VII) gehandelt hatte. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers bilden die §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 618 Abs. 1 BGB. Dabei hat das BAG unter Berücksichtigung des Sachverhalts zunächst einen Vorsatz des Abteilungsleiters als Erfüllungsgehilfe der Beklagten in Bezug auf die Pflichtverletzung angenommen. Dies ließ sich zweifelsfrei aus dem Sachverhalt entnehmen. Das schuldhafte Verhalten des Abteilungsleiters gegenüber dem Kläger stand auch in engem Zusammenhang mit seinen Aufgaben als Erfüllungsgehilfe der Beklagten. Entscheidungserheblich war sodann, ob die vorsätzliche Pflichtverletzung des Abteilungsleiters gleichzeitig mit dem Vorsatz verbunden war, dass der Kläger infolge der angewiesenen Sanierungsarbeiten eine durch Asbest bewirkte Gesundheitsschädigung erfuhr. Hierfür reicht eine bewusste Fahrlässigkeit nicht aus, die sich darin ausdrückt, dass der Handelnde darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten. Ausreichend ist jedoch, wenn der Verletzungserfolg unter Berücksichtigung der relevanten Umstände für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen worden ist (dolus eventualis). Letzteres hat das BAG im Streitfall angenommen. Dem gegenüber dem Kläger weisungsbefugten Abteilungsleiter war die Asbestbelastung bekannt, ohne dass er darauf mit einer entsprechenden Schutzausrüstung (Schutzkleidung und Atemschutzgerät) reagiert hat. Außerdem hatte er auf die weitere Fortsetzung der Arbeiten bestanden und es damit trotz der gesundheitlichen
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Krankheit und Vorliegen einer Behinderung
Gefährdung des Klägers praktisch dem Zufall überlassen, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklichte oder nicht174. Unabhängig von der entschiedenen Fallkonstellation ist das Urteil des BAG für die betriebliche Praxis allgemein von Bedeutung, weil sich der Arbeitgeber ein entsprechendes Verhalten seiner Führungskräfte zurechnen lassen muss, wenn diese schuldhaft – und vor allem vorsätzlich – gegen Schutzpflichten verstoßen, die zum Ersatz eines Personenschadens führen können. Eine derartige Situation kann etwa auftreten, wenn der dafür zuständige Vorgesetzte über die zulässigen Grenzen der Arbeitszeit hinaus von den Mitarbeitern Arbeitsaktivitäten verlangt, die für einen Arbeitsunfall ursächlich oder zumindest mitursächlich werden.
9.
Krankheit und Vorliegen einer Behinderung
Nach der Entscheidung in der Rechtssache Chacón Navas175 war der EuGH in einem Urteil vom 11.4.2013176 erneut mit der Frage befasst, wann eine Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vorliegt, und wie der Begriff der Behinderung von dem der Krankheit abzugrenzen ist. Dabei war zu berücksichtigen, dass durch Beschluss des Rates vom 26.11.2009177 das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ von der Europäischen Union am 23.12.2010 ratifiziert worden ist178. Aus Art. 216 Abs. 2 AEUV ist zu entnehmen, dass die von der Europäischen Union abgeschlossenen internationalen Übereinkünfte die Unionsorgane sowie die Mitgliedstaaten binden. Dies hat zur Konsequenz, dass die Bestimmungen des Unionsrechts möglichst in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union zu interpretieren sind179.
174 Zur Abgrenzung bedingten Vorsatzes von Fahrlässigkeit: BGH v. 20.12. 2011 – VI ZR 309/10, DB 2012, 573 Rz. 9. 175 EuGH v. 11.7.2006 - C-13/05, NZA 2006, 839 - Chacón Navas. 176 C-335/11 und C-337/11, NZA 2013, 553 Ring, Skouboe Werge. 177 2010/48/EG ABl. 2010, L 23, 35. 178 Vgl. auch das Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen v. 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 1419). 179 Vgl. die Nachweise in den Schlussanträgen der Generalsanwältin Juliane Kokott v. 6.12.2012 in den Rechtssachen C-335/11 und C-337/11 Rz. 26.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens enthält folgende Begriffsbestimmung: Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.
Da der Begriff der Behinderung in der Richtlinie 2000/78/EG undefiniert geblieben ist, hat der EuGH bereits in der Sache „Chacón Navas“180 eine unionsautonome Auslegung vorgenommen und in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass die Krankheit als solche nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG betroffen wird, sondern von einer Behinderung zu unterscheiden ist. Umgekehrt kann eine Krankheit durchaus als Ursache für eine Behinderung angesehen werden. In der Rechtssache „Chacón Navas“181 hat der Gerichtshof den Begriff der Behinderung dahingehend verstanden, dass er eine Einschränkung erfasst, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet, wenn die Teilhabe am Berufsleben über einen langen Zeitraum eingeschränkt ist. Damit die Einschränkung unter den Begriff „Behinderung“ fällt, muss daher wahrscheinlich sein, dass sie von langer Dauer ist. In Anbetracht des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umschreibt der EuGH in der Entscheidung vom 11.4.2013182 den Behinderungsbegriff dahingehend, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist.
Ungeachtet der neuen Definition des Begriffs der Behinderung, der dem Übereinkommen der Vereinten Nationen geschuldet war, bleibt es dabei, dass der EuGH die Krankheit als solche nicht mit einer Behinderung gleich-
180 EuGH v. 11.7.2006 - C-13/05, NZA 2006, 839 - Chacón Navas Rz. 43. 181 EuGH v. 11.7.2006 - C-13/05, NZA 2006, 839 - Chacón Navas Rz. 43. 182 C-335/11 und C-337/11, NZA 2013, 553 - Ring, Skouboe Werge Rz. 4.
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Krankheit und Vorliegen einer Behinderung
setzt, was freilich nicht ausschließt, dass eine Krankheit zu einer Behinderung führen kann. Der aus Dänemark stammende Fall betraf zwei Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitsverhältnis aus Krankheitsgründen gekündigt worden war. Eine Klägerin litt an nicht behandelbaren Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, was sie allerdings nicht daran hinderte, noch 20 Stunden wöchentlich an einem besonderen Tisch zu arbeiten. Die andere Klägerin war wegen eines Schleudertraumas nach einem Verkehrsunfall erkrankt. Die Gewerkschaft erhob gegen den Arbeitgeber eine Schadensersatzklage auf der Grundlage des dänischen AGG und berief sich vor allem darauf, dass den Klägerinnen anstelle einer Kündigung eine Teilzeittätigkeit gemäß Art. 5 RL 2000/78/EG hätte angeboten werden müssen. Der EuGH stellt zunächst klar, dass eine Behinderung keineswegs voraussetzt, keine berufliche Tätigkeit in einer Vollzeitbeschäftigung ausführen zu können. Auch wenn ein Arbeitnehmer nur noch in Teilzeit arbeiten kann, muss nicht zwingend eine Behinderung vorliegen. Der EuGH schlussfolgert aus Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG, dass der Arbeitgeber gehalten sein kann, eine Arbeitszeitverkürzung vorzunehmen, wenn diese die Fortsetzung der Beschäftigung eines behinderten Arbeitnehmers ermöglicht. Eine derartige präventive Maßnahme ist nach Ansicht des EuGH allerdings dann nicht geboten, wenn der Arbeitgeber dadurch unverhältnismäßig belastet wird. Anschließend hält der EuGH eine Kündigung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten bei Vorliegen einer Behinderung des Arbeitnehmers dann mit der Richtlinie 2000/78/EG unvereinbar, wenn die krankheitsbedingten Fehlzeiten dadurch verursacht worden sind, dass der Arbeitgeber seiner Präventionspflicht aus Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG nicht nachgekommen ist. Diese Entscheidung des EuGH ist auch für das deutsche Arbeitsrecht von Bedeutung, weil bei krankheitsbedingten Kündigungen, insbesondere von längerer Dauer, zu prüfen ist, ob möglicherweise auch der Tatbestand einer Behinderung bejaht werden kann. Leider lässt sich der Entscheidung des EuGH nicht entnehmen, welcher Zeitraum für die Einschränkung von langer Dauer angenommen werden muss. Überdies gilt es für die Praxis zu berücksichtigen, dass der Behindertenbegriff der Richtlinie 2000/78/EG über den Geltungsbereich des § 81 SGB IX hinausgehen kann. Zu denken ist des Weiteren daran, dass auch ein Unterlassen von Präventivmaßnahmen zur Vermeidung einer Benachteiligung eines Behinderten eine Diskriminierung i. S. von § 3 Abs. 1, 2 AGG sein könnte und damit Ansprüche aus § 15 AGG auslösen kann. Etwas anderes ist anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber ein Rechtfertigungsgrund aus § 8 AGG zur Seite steht, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zuläs405
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
sig ist, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. (Boe)
10. Unternehmensübergreifende Verarbeitung von Personaldaten in einer Shared-Service-Einheit In vielen Unternehmen oder Konzernen werden zentrale Shared-ServiceEinheit geschaffen. Hintergrund hierfür sind vor allem das Interesse an einheitlichen Verarbeitungsstandards, die Gewährleistung einer übergreifenden Verfügbarkeit von Personaldaten im Rahmen einer Matrix-Organisation und die Kostenersparnis als Konsequenz der damit verbundenen Synergieeffekte. Solange die Verarbeitung der Personaldaten insoweit unternehmensintern erfolgt, müssen keine datenschutzrechtlichen Besonderheiten beachtet werden. Lässt man die aktuellen Entwicklungen um die DatenschutzGrundverordnung an dieser Stelle einmal unberücksichtigt, die in der Fassung des Entwurfs vom 22.10.2013 auch eine Konzernklausel enthält183, sind größere Herausforderungen allerdings dann zu berücksichtigen, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten unternehmensübergreifend in einer Shared-Service-Einheit erfolgen soll. Unerheblich ist dabei, ob diese Einheit in der Konzernobergesellschaft oder einer separaten ServiceGesellschaft erfolgt. Nachfolgend soll versucht werden, die wesentlichen Eckpunkte zu skizzieren.
a)
Ausgangspunkt
Aufgrund des datenschutzrechtlichen „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“ (§ 4 Abs. 1 BDSG) bedarf jeder Vorgang der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten einer rechtlichen Rechtfertigung. Dies gilt auch für die unternehmensbezogene Erhebung, Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten von Arbeitnehmern. Die Herausforderung dieses konzernbezogenen Ziels folgt aus dem Umstand, dass derzeit kein datenschutzrechtliches Konzernprivileg existiert, aufgrund dessen die Übermittlung und Nutzung von Daten zwischen verbundenen Unternehmen unter erleichterten Voraussetzungen zulässig ist. Vielmehr geht das geltende Recht davon aus, dass zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung an sich nur das Konzernunternehmen befugt ist, mit dem der jeweilige Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis steht. Dies wäre in Be183 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2012, 17 ff.; 2013, 23, 337 ff.
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Verarbeitung von Personaldaten
zug auf die Gesellschaft, in der die zentrale Verarbeitung erfolgen soll, nur für die eigenen Beschäftigten, nicht aber die der konzerninternen „Kunden“ der Fall. Trotz dieser Komplexität bestehen innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens gleichwohl datenschutzrechtliche Gestaltungsspielräume für die erforderlichen Übermittlungsvorgänge und/oder die systemseitige Abbildung unternehmensübergreifender Arbeits- und Ablauforganisationen, wie sie gerade für Matrixstrukturen typisch sind.
b)
Übermittlung auf Grundlage von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2, 32 Abs. 1 S. 1 BDSG
Mit einer gut vertretbaren Begründung wird eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis in der datenschutzrechtlichen Literatur aufgrund des "Konzernbezugs" von Arbeitsverhältnissen bereits unter Bezugnahme auf die allgemeinen Regelungen in den §§ 28 Abs. 1 Nr. 2, 32 Abs. 1 S. 1 BDSG diskutiert184. Danach wäre - insbesondere bei tatsächlich bestehenden Matrixstrukturen - die Übermittlung an Konzerngesellschaften in dem durch die Matrixstruktur (oder einen sonstigen Konzernbezug) erforderlichen Umfang schon im Rahmen der regulären Erlaubnistatbestände zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten zulässig. Diese Auffassung wird jedenfalls von einigen deutschen Aufsichtsbehörden geteilt185. Für eine solche Sichtweise spricht im Ergebnis bereits der Umstand, dass es keiner gesonderten Rechtsgrundlage mehr bedarf. Losgelöst von dem bestehenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist jedenfalls der Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung ebenso wie die Vereinbarung einer Auftragsdatenverarbeitung nicht erforderlich. Hinzu kommt, dass der angenommene Konzernbezug von Arbeitsverhältnissen insbesondere bei einer zentralen Steuerung von Admin-Funktionen innerhalb eines Konzerns und/oder einer Matrix-Struktur in den operativen Einheiten ohne weiteres darstellbar ist. Gegen diese Vorgehensweise zur ausschließlichen Rechtfertigung der unternehmensübergreifenden Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Da184 Vgl. zust. Gola/Schomerus, BDSG § 32 Rz. 20; Simitis, BDSG § 32 Rz. 118; Taeger/Gabel, BDSG § 32 Rz. 33; Plath, BDSG § 32 Rz. 145; abl. Däubler/Klebe/ Wedde/Weichert, BDSG § 32 Rz. 148. 185 Vgl. Arbeitsbericht der ad-hoc-Arbeitsgruppe „Konzerninterner Datentransfer“ des Düsseldorfer Kreises S. 7 f.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
ten spricht allerdings, dass die vorstehenden Gesichtspunkte eines Konzernbezugs für jeden hiervon betroffenen Arbeitnehmer dargelegt werden müssen. Das gleiche gilt für die Erforderlichkeit einer unternehmensübergreifenden Bearbeitung innerhalb einer Shared-Service-Einheit. Dies ist im Zweifel ausgeschlossen. Damit bleibt für jede beteiligte Gesellschaft das Risiko, dass sie in Bezug auf ihre Arbeitnehmer jedenfalls zum Teil datenschutzrechtliche Vorgaben nicht beachtet. Die transparente Definition und Dokumentation von Verarbeitungs-/Übermittlungsvorgängen bleibt aber auch aus Compliance-Gründen erforderlich.
c)
Auftragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG
Datenschutzrechtlich privilegiert ist die Übertragung von Verarbeitungsvorgängen durch die verantwortliche Stelle auf einen weisungsgebundenen Auftragnehmer nach § 11 BDSG. Über diese Gestaltungsmöglichkeit besteht kein Streit. Wenn nur eine Verarbeitung in den Grenzen der Auftragsverarbeitung erforderlich ist, genügt es, wenn die formalen Anforderungen beachtet werden. Hierzu gilt: Wenn der Auftragnehmer innerhalb von EU/EWR ansässig ist, gilt die Weitergabe von Daten zur weisungsgebundenen Verarbeitung auf Grundlage eines Vertrages nach § 11 BDSG nicht als „Übermittlung“. Der Auftragnehmer wird nicht als „Dritter“, sondern als Teil der verantwortlichen Stelle betrachtet. Solche Vorgänge sind in der Regel in jedem Unternehmen bekannt, insbesondere dann, wenn bereits heute Lohn- und Gehaltsabrechnungen fremd vergeben sind. Entsprechende Vereinbarungen könnten „copy & paste“ für die zentrale Shared-Service-Einheit verwertet werden. Für diese Vorgehensweise spricht der Umstand, dass es hierfür eine klare gesetzliche Vorgabe gibt, die der vertraglichen Gestaltung zugrunde gelegt werden kann. Sie ist auch bei konzerninternen Übermittlungsvorgängen gängige Praxis und stößt auf Zustimmung der Aufsichtsbehörden. Wichtig allerdings ist, auch hier den Zweck der Auftragsdatenverarbeitung innerhalb einer Vereinbarung festzuschreiben. Damit die Daten nicht nur zweiseitig, sondern mehrseitig (also durch mehrere Konzernunternehmen gleichermaßen) genutzt werden können, setzt dies voraus, dass die zugrunde liegenden, unternehmensübergreifenden Prozesse (z.B. konzernweite Skill-Datenbank oder Personalentwicklungs-Tools) durch „Rahmenvereinbarung“ plus Anhänge dargestellt werden und daraus ein Auftrag für den Dienstleister entwickelt wird. Der wesentliche Nachteil einer Auftragsdatenverarbeitung liegt in der Beschränkung auf weisungsgebundene Tätigkeiten; der Auftragnehmer darf 408
Verarbeitung von Personaldaten
keine eigene Entscheidungsbefugnis über Art und Umfang der Verarbeitung haben. Dies gilt für jeden Übermittlungsvorgang. Hinzu kommt, dass mehrseitige Übermittlungen transparente Weisungsbefugnisse und eine entsprechende Vertragsgestaltung erforderlich machen, was vielfach nicht beachtet wird. Überdies sind Wege zu finden, die sicherstellen, dass die Schaffung gemeinsamer Datensammlungen nicht in Konflikt mit dem sogenannten „Trennungsgebot“ (Verpflichtung zur separaten Speicherung von Daten einzelner Auftraggeber) nach der Anlage zu § 9 BDSG steht.
d)
Übermittlung auf Grundlage von (Konzern-)Betriebsvereinbarung
Auch eine (Konzern-)Betriebsvereinbarung ist nach derzeitiger Rechtsprechung grundsätzlich als „andere Rechtsvorschrift“ im Sinne von § 4 Abs. 1 BDSG zur Legitimierung eines Übermittlungsvorgangs geeignet186. Der Vorteil in einer solchen Vereinbarung liegt letztendlich darin, dass sie nicht nur eine Rechtsgrundlage für die Erhebung, Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten schafft, sondern zugleich auch dem Mitbestimmungsrecht des Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG Rechnung trägt. Im Einzelnen streitig ist zwar der Umfang möglicher Abweichungen von gesetzlichen Vorschriften durch eine entsprechende Konzernbetriebsvereinbarung. So ist die Legitimierung von Eingriffen in Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte auch durch eine Konzernbetriebsvereinbarung unzulässig. Selbstverständlich müssen auch Leitentscheidungen beachtet werden, die durch die EU-Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) vorgegeben werden. Denkbar ist auch, dass der praktische Anwendungsbereich dieser Option durch neue gesetzliche Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz eingeschränkt wird. Dies gilt, nachdem die neue Legislaturperiode zum Untergang des Gesetzentwurfs zur Änderung des BDSG geführt hat, insbesondere mit Blick auf eine etwaige Datenschutz-Grundverordnung, deren Entwurf am 22.10.2013 durch den zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments verabschiedet wurde187. Solange solche Neuregelungen aber nicht verabschiedet werden und durch die Vorgaben der Konzernbetriebsvereinbarung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, erlaubt eine solche Kollektivvereinbarung, ohne Rücksicht auf die Regelungen im BDSG eine konzernbezogene Erhe186 Vgl. BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10 Rz. 36; Gola/Schomerus, BDSG § 4 Rz. 10; Simitis, BDSG § 4 Rz. 10 187 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 337 ff.; Nink/Müller, ZD 2012, 505, 508.
409
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bung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Arbeitnehmern zu regeln. Für diese Vorgehensweise spricht bereits, dass damit eine klare und verlässliche Grundlage für die Erhebung, Übermittlung und Verarbeitung geschaffen werden kann. Schwierigkeiten bestünden nur dann und insoweit, als - was vermieden werden muss - von den gesetzlichen Leitlinien abgewichen würde. Dass eine (Konzern-)Betriebsvereinbarung gekündigt werden kann, ist hinzunehmen, zumal grundsätzlich eine Nachwirkung der Regelungen gegeben ist (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Weitergehende Einschränkungen der Kündbarkeit können durch vertragliche Vereinbarung festgelegt werden. Dass auch eine Konzernbetriebsvereinbarung letztlich an die Notwendigkeit geknüpft ist, eine Einigung mit dem Konzernbetriebsrat über den Inhalt zu erzielen, stellt keinen wirklichen Nachteil dieser Vorgehensweise dar. Denn eine solche Zustimmung ist schon wegen seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderlich, unabhängig davon, ob die Beteiligungsrechte mit der Verarbeitung leistungs- oder verhaltensbezogener Daten der Beschäftigten begründet werden, die die zur Verarbeitung erforderlichen Programme benutzen, oder ob man insoweit den Umstand genügen lässt, dass diese Programme ihrerseits eine Verarbeitung leistungs- und/oder verhaltensbezogener Daten bewirken. Wichtig ist allerdings, dass die Konzernbetriebsvereinbarung (nur) die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Arbeitnehmerdaten in Deutschland legitimiert. Es bedarf einer ergänzenden Feststellung, ob und ggf. in welchem Umfang die einzelnen Daten auf dieser Grundlage auch aus anderen Ländern genutzt werden können. Hier könnten weitere Vereinbarungen auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene oder die Berücksichtigung der Grenzen ergänzender Gesetze erforderlich sein.
e)
Rechtfertigung durch Einwilligung der Beschäftigten
Eine Legitimierung der hier in Rede stehenden Übermittlungsvorgänge durch eine Einwilligung von Beschäftigten sollte mit Blick auf die Diskussion um die Freiwilligkeit im Arbeitsverhältnis und aufgrund der jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit als Gestaltungsoption für konzernweite Standardvorgänge nicht in den Vordergrund gestellt werden. Dies gilt umso mehr, als auch die Datenschutz-Grundverordnung in der Fassung des Entwurfs vom 22.10.2013 eine Einwilligung nur dann akzeptiert, wenn sie auch im Ar-
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Verarbeitung von Personaldaten
beitsverhältnis freiwillig erklärt wurde.188 Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dies insbesondere bei Bewerbern und Arbeitnehmern in der Probezeit der Fall sein kann, ist umstritten189.
f)
Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Bei allen Vorgängen ist zu berücksichtigen, dass neben der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit stets auch eine Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertreter zu gewährleisten ist. Dies gilt nicht nur in Deutschland, auch wenn hier in Form der „echten“ Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sogar Unterlassungsansprüche denkbar sind, falls diese Beteiligungsrechte nicht gewahrt werden. Auch in den meisten anderen Ländern der EU müssen jedenfalls Unterrichtungs- und Beratungsrechte gewahrt werden, bevor eine Umsetzung zulässig ist. Dies ist von den Beteiligten rechtzeitig bei der zeitlichen Planung zu berücksichtigen. Falls bereits Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretern bestehen, sollte geprüft werden, ob und inwieweit einzelne Verarbeitungsvorgänge nicht bereits aufgrund dieser Vereinbarungen abgewickelt werden können. Dies würde die Beteiligten in die Lage versetzen, schrittweise zu starten, was gerade für eine Erprobungsphase von erheblichem Vorteil wäre. Wichtig ist, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht die Notwendigkeit begründen, jeweils auch Konzernbetriebsvereinbarungen abzuschließen. Für eine Wahrung von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG reicht es, wenn eine Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Vorgehensweise herbeigeführt wird. Diese kann auch in Form einer Regelungsabrede erteilt werden. In diesen Fällen müsste aber eine Umsetzung auf der Grundlage der gesetzlichen Rechtfertigungstatbestände des Datenschutzrechts erfolgen; die Konzernbetriebsvereinbarung als eigenständige Rechtfertigung stünde dann nicht zur Verfügung. Außerdem könnten Handlungspflichten der mit der Verarbeitung befassten Personen nur im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts erteilt werden. Die Wirkungsweise einer Konzernbetriebsvereinbarung, die solche Pflichten unmittelbar und zwingend begründete, stünde bei einer bloßen Regelungsabrede nicht zur Verfügung.
188 Nink/Müller, ZD 2012, 505, 507. 189 Vgl. hierzu Taeger/Gabel, BDSG § 4 a Rz. 58 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
g)
Einbindung ausländischer Konzerngesellschaften
Für den internationalen Rollout entsprechender Projekte sind aus datenschutzrechtlicher Sicht zwei Prüfungsstufen relevant: Zunächst einmal muss jede Konzerngesellschaft auf der Grundlage des nationalen Rechts sicherstellen, dass die Übermittlung von Beschäftigtendaten innerhalb des Konzerns datenschutzrechtlich zulässig ist („Erste Stufe“). Aus dieser Prüfung können sich für jede der vorstehend aufgezeigten Alternativen weitere Beschränkungen ergeben. So lassen einige - auch europäische - Datenschutzgesetze sogenannte „Kettenbeauftragungen“ im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung nicht zu, operative Vertragsgestaltungen (wie etwa „Vollmachtslösungen“ zugunsten einer Konzerngesellschaft) sind nicht in jedem Fall erlaubt oder es sind Genehmigungen durch nationale Aufsichtsbehörden erforderlich. Die Vorbereitung dieser „ersten Stufe“ in allen beteiligten Ländern stellt nach der bisherigen Erfahrung aus solchen Projekten den Schwerpunkt im Rahmen der konzeptionellen Gestaltung dar. Sofern Übermittlungen auch in „unsichere Drittstaaten“ (also außerhalb EU/EWR und der von der EU-Kommission als datenschutzrechtlich sicher anerkannte Staaten) in Rede stehen, sind auf einer zweiten Stufe ergänzende Maßnahmen zur Sicherstellung eines angemessenen Datenschutzniveaus erforderlich. Diese können sich ergeben •
aus den sog. EU-Standardvertragsvereinbarungen, die zwischen den beteiligten Gesellschaften (ggf. auf Grundlage eines übergreifenden „Master Agreement“) vereinbart werden müssen,
•
aus verbindlichen Unternehmensregeln („Binding Corporate Rules“) für alle Konzerngesellschaften, die mit den Aufsichtsbehörden der betroffenen Länder abgestimmt werden müssen oder
•
im Falle von Empfängern in den USA auch aus der sog. „Safe Harbour Certification“, also einer Verpflichtung auf die zwischen der EUKommission und den US-Behörden abgestimmten Grundsätze.
Es ist jeweils einzelfallbezogen zu klären, welche Vorgehensweise in Bezug auf die jeweiligen Länder und Gesellschaften von Vorteil ist. Zu beachten ist dabei, dass die deutschen Aufsichtsbehörden auf Grund der aktuellen Erkenntnisse zum Umfang geheimdienstlicher Überwachung in den USA z. T. ergänzende Garantien zur Datensicherheit fordern.
412
Facebook & Co. - Arbeitsrechtliche Fragen einer Nutzung sozialer Netzwerke
h)
Fazit
Es gibt Wege, den konzerninternen Austausch personenbezogener Daten auf zulässige Weise durchzuführen. Allerdings ist dies mit einem nicht unerheblichem Aufwand verbunden, solange der Gesetzgeber darauf verzichtet, ein Konzernprivileg zu schaffen. Hinzu kommt, dass bei jeder der vorgenannten Alternativen zu prüfen ist, welche Beschäftigtendaten übermittelt werden können; Ausnahmen können insbesondere für „besondere Arten personenbezogener Daten“ (auch „sensible Daten“) erforderlich sein. Außerdem ist zu prüfen, ob und ggf. inwieweit die HR-Struktur, die Handlungsstruktur auf operativer Ebene und die IT-Infrastruktur in der aktuellen und/oder geplanten Form überhaupt in der Lage sind, die rechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung eines unternehmensübergreifenden Datentransfers zu erfüllen. (Ga/Kam)
11.
Facebook & Co. - Arbeitsrechtliche Fragen einer Nutzung sozialer Netzwerke durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Social Media sind aus der heutigen Unternehmenskommunikation kaum noch wegzudenken. Von besonderer Bedeutung für die Praxis sind aus arbeitsrechtlicher Sicht die Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei Verstößen des Arbeitnehmers gegen die im Betrieb oder im Unternehmen geltenden Grundsätze für den Umgang mit Social Media. Dies gilt sowohl in Bezug auf Aktivitäten der Arbeitnehmer in freizeitorientieren Netzwerken, wie Facebook oder den VZ-Netzwerken als auch auf berufsorientierten Plattformen wie XING oder LinkedIn. Im Hinblick auf kündigungsrelevante Sachverhalte hatten sich die Arbeitsgerichte in jüngster Zeit verstärkt mit Kündigungen aufgrund beleidigender Äußerungen von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern bei Facebook zu befassen. Wichtig war dabei immer die Frage, auf welchem der bei Facebook möglichen Kommunikationswege (im eigenen Profil, in der eigenen Chronik oder der dritten Personen, in Gruppen, Nachrichten, im Chat oder auch durch Betätigung des „Gefällt mir Buttons“) die Beleidigung durch den Arbeitnehmer getätigt wurde und ob die Kommunikation daher ggf. als „vertraulich“ betrachtet werden kann. Im Übrigen aber waren insoweit die allgemeinen Grundsätze zum Umgang mit Meinungsäußerungen maßgeblich.
413
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
a)
Vertrauliche Kommunikation bei Facebook?
Nach der Rechtsprechung des BAG können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interesse des Arbeitgebers darstellen und an sich auch eine außerordentlich fristlose Kündigung rechtfertigen190. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen191. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Er muss nicht damit rechnen, durch sie werde der Betriebsfrieden gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belastet. Denn vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Allerdings kann derjenige Arbeitnehmer den Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit nicht für sich in Anspruch nehmen, der selbst die Vertraulichkeit der Situation aufhebt192. Schließlich ergibt sich daraus für Dritte die Gelegenheit, die Äußerungen des Arbeitnehmers wahrzunehmen, so dass der Schutz der Privatsphäre und Meinungsfreiheit in einem solchen Fall nicht mehr gelten kann193. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Frage zu klären, ob es sich bei der Kommunikation in sozialen Netzwerken um vertrauliche Kommunikation handelt. Dabei tendiert die bislang ergangene Rechtsprechung zutreffend dahin, dass die Kommunikation im sozialen Netzwerk Facebook regelmäßig nicht als vertrauliche Kommunikation angesehen werden kann194. In diesem Zusammenhang hatte das ArbG Dessau-Roßlau in einem Urteil vom 21.3.2012195 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch fristlose sowie hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigungen 190 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, NZA 2010, 698 Rz. 17; Bosutzky, NZA 2013, 647, 648. 191 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, NZA 2010, 698 Rz. 18. 192 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, NZA 2010, 698 Rz. 18. 193 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797 ff. 194 LAG Hamm v. 10.10.2012 – 3 Sa 644/12, LAGE § 22 BBiG 2005 Nr. 4; ArbG Dessau-Roßlau v. 21.3.2012 – 1 Ca 148/11, ZD 2012, 344 ff. 195 1 Ca 148/11, ZD 2012, 344 ff.
414
Facebook & Co. - Arbeitsrechtliche Fragen einer Nutzung sozialer Netzwerke
der Beklagten wegen des folgenden Sachverhalts zu entscheiden: Auf dem Facebook-Profil des Ehemanns der Klägerin waren im Jahre 2011 diese Eintragungen sichtbar: „Hab gerade mein Sparkasse-Schwein auf R.-T. getauft“ sowie „Naja, irgendwann stehen alle Schweine vor einem Metzger“. R. und T. sind die Namen der Vorstände des Beklagten Arbeitgebers. Außerdem veröffentlichte der Ehemann der Klägerin eine piktografische Fischdarstellung, bei der das Mittelstück des Fisches durch das Sparkassensymbol dargestellt war. Neben dem Piktogramm befand sich die Anmerkung „Unser Fisch stinkt vom Kopf“. Wichtig war, dass das Profil des Ehemanns der Klägerin für 155 „Freunde“, unter anderem auch zahlreiche Mitarbeiter und Kunden des Arbeitgebers, einsehbar war. Unter dem Fischpiktogramm befand sich mit dem Kommentar „Gefällt mir“ der Name der Klägerin. Die Klägerin behauptete, den „Gefällt-mir-Button“ habe nicht sie selbst, sondern möglicherweise ihr Ehemann betätigt, weil sie das in Rede stehende Profil mit ihrem Ehemann gemeinsam genutzt habe und dieser auch weiterhin über den inzwischen nur noch von der Klägerin genutzten Account Kommentare unter dem Namen der Klägerin Äußerungen abgeben konnte. Nach Ansicht des ArbG Dessau-Roßlau kann bei einer Internet-Plattform grundsätzlich nicht von einer vertraulichen Kommunikation die Rede sein. Es mache hinsichtlich der Frage der Vertraulichkeit der Kommunikation auch keinen Unterschied, ob ein Posting über den öffentlichen oder den so genannten privaten Bereich erfolge196. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass einem über Facebook verbreiteten Statement der Charakter eines vertraulichen Gesprächs unter Freunden oder Arbeitskollegen zukommen würde. Ein Facebook-Nutzer müsse immer mit einer „Veröffentlichung“ rechnen197. Mit der Frage der Vertraulichkeit der Kommunikation bei Facebook hatte sich auch das ArbG Hagen in einer Entscheidung vom 16.5.2012 zu beschäftigen198. Die Parteien stritten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise fristgerechten arbeitgeberseitigen Kündigung. Der Kläger hatte seinen unmittelbaren Vorgesetzten bei der Beklagten, Herrn G1, äußerst grob beleidigt, indem er in Bezug auf diesen unter anderem folgende Formulierungen verwendete und diese an die Pinnwand seines eigenen Profils postete: „scheiß G1“, „kleiner scheisshaufen“, „faules
196 ArbG Dessau-Roßlau v. 21.3.2012 – 1 Ca 148/11, ZD 2012, 344 ff. Rz. 34. 197 ArbG Dessau-Roßlau v. 21.3.2012 – 1 Ca 148/11, ZD 2012, 344 ff. Rz. 34. 198 3 Ca 2597/11 n. v.
415
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
schwein, der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben“, „drecksau“ und „doofmann“. Diese Kraft- und Schmähausdrücke sind nach zutreffender Ansicht des ArbG Hagen in ihrer Derbheit kaum noch steigerungsfähig und damit in besonderem Maße ehrverletzend199. Zwar dürfe der Arbeitnehmer – so das ArbG Hagen in Einklang mit der Rechtsprechung des BAG – im Falle diffamierender und ehrverletzender Äußerungen über Vorgesetze und Kollegen seinerseits im Rahmen eines vertraulichen Gesprächs unter Arbeitskollegen darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen mit der Folge, dass der Betriebsfrieden nicht gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nicht zerstört werde200. Dies gelte jedoch nicht hinsichtlich der in Rede stehenden Äußerungen des Klägers auf seiner Pinnwand bei Facebook. Denn aufgrund der Postings an die Pinnwand seines Profils konnten die Facebook-Freunde des Klägers sowie deren Facebook-Freunde von den Beleidigungen im Sinne des § 185 StGB Kenntnis erlangen. In seinen Entscheidungsgründen sah das ArbG Hagen die Kundgabe der beleidigenden Äußerungen als „quasi betriebsöffentlich“, vergleichbar mit einem Aushang am Schwarzen Brett, an. Denn von den zu diesem Zeitpunkt 70 Facebook-Freunden des Arbeitnehmers, die unmittelbar Zugriff auf dessen Pinnwand hatten, waren 36 zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Beleidigungen bei der Beklagten beschäftigt. Den Entscheidungen des ArbG Roßlau-Dessau und des ArbG Hagen ist zuzustimmen. Auch das BAG hat bereits klargestellt, dass bei Zusammenkünften einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern Zweifel angebracht seien, dass die Gesprächsteilnehmer Äußerungen über den Arbeitnehmer oder vorgesetzte Mitarbeiter für sich behalten201. Entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen durfte, dass seine Kollegen die Äußerungen für sich behalten würden202. Es bedarf insofern jedenfalls einer Einzelfallprüfung, ob eine beleidigende Äußerung des Arbeitnehmers dem Schutz der vertraulichen Kommunikation unterliegt. Dies wird im Falle einer beleidigenden Äußerung bei Facebook jedoch regelmäßig nicht der Fall sein, weil bereits die durchschnittliche Anzahl der Facebook-Freunde eines zers - verschiedenen Untersuchungen zufolge schwanken die Zahlen durch199 ArbG Hagen v. 16.5.2012 – 3 Ca 2597/11 n. v. 200 ArbG Hagen v. 16.5.2012 – 3 Ca 2597/11 n. v; so bereits BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797 ff. 201 BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 927/98 n. v. 202 BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 927/98 n. v.; BAG v. 30.11.1972 – 2 AZR 79/72, AP § 626 BGB Nr. 66; LAG Köln v. 16.1.1998 – 11 Sa 146/97, NZA-RR 1998, 395 Rz. 14.
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Facebook & Co. - Arbeitsrechtliche Fragen einer Nutzung sozialer Netzwerke
schnittlich um 130 und 249 Facebook-Freunden je Nutzer – nicht mehr die Vertraulichkeit der Kommunikation gewährleistet. Mögliche Ausnahmen vom Grundsatz der nicht-vertraulichen Kommunikation bei Facebook könnten lediglich bei der Kommunikation in Form einer Nachricht oder in der Chat-Funktion liegen. Denn in diesen Fällen erfolgt die Kommunikation – ähnlich der Kommunikation bei einer E-Mail – ausschließlich zwischen den einzelnen Nutzern. Sofern der Arbeitnehmer bei einem Gespräch „unter vier Augen“ von der Verschwiegenheit des Gesprächspartners ausgehen durfte, kann für die Kommunikation per Nachricht oder der Chat-Funktion bei Facebook nichts anderes gelten203.
b)
Kündigung aufgrund Betätigung des „Gefällt-mir-Buttons“
Das ArbG Dessau-Roßlau hat in seiner Entscheidung vom 21.3.2012 ebenfalls klargestellt, dass die Betätigung des „Gefällt-mir-Buttons“ auf Facebook zur Bestätigung einer den Arbeitgeber beleidigenden Äußerung – ggf. nach vorheriger Abmahnung – die Kündigung eines Arbeitsverhältnis rechtfertigen könne204. Die Einschätzung des ArbG Dessau-Roßlau verdient Zustimmung. Durch das Betätigen des „Gefällt-mir-Buttons“ drücken Nutzer ihre Zustimmung zu dem entsprechenden Inhalt aus. Diese „virtuelle Sympathiebekundung“ wird nicht nur auf dem Profil des entsprechenden Facebook-Nutzers angezeigt, sondern regelmäßig auch den Freunden oder „Freundes-Freunden“ durch eine kurze Mitteilung angezeigt. Auch eine solche Zustimmung zu einer beleidigenden Äußerung kann einen kündigungsrelevanten Sachverhalt darstellen205. Im konkreten Fall sah das ArbG Dessau-Roßlau die Pflichtverletzung der Klägerin allerdings nicht als geeignet an, die fristlose Beendigung des seit 25 Jahren unbeanstandeten Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Denn die Klägerin hatte für die sofortige Löschung des fraglichen Postings Sorge getragen und darüber hinaus versichert, es zukünftig zu unterlassen, Einträge in dieser oder in einer abgewandelten Form in soziale Netzwerke einzustellen, so dass die erforderliche negative Zukunftsprognose nicht vorlag206. Das Betätigen des „Gefällt-mir-Buttons“ hätte allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt.
203 204 205 206
Vgl. Bauer/Günther, NZA 2013 67, 70. ArbG Dessau-Roßlau v. 21.3.2012 – 1 Ca 148/11, ZD 2012, 344 ff. Rz. 40. Vgl. zu Beleidigungen bei Facebook Hützen, AE 2013, 39, 42. ArbG Dessau-Roßlau v. 21.3.2012 – 1 Ca 148/11, ZD 2012, 344 ff. Rz. 35.
417
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
c)
Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB
Im Falle besonders schwerer Beleidigungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB kündigen. Dabei muss der Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beachten. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. In einem Urteil vom 26.9.2012 hatte sich das ArbG Duisburg mit der Frage zu befassen, wann im Falle beleidigender Äußerungen bei Facebook die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt207. Nach Ansicht des ArbG Duisburg ist jedenfalls dann von einem Dauertatbestand auszugehen, wenn der Eintrag, der die ehrverletzenden Äußerungen zum Inhalt hat, bei Facebook längere Zeit eingestellt und damit sichtbar ist. Rechtsfolge der Qualifizierung als Dauertatbestand ist, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit jedem Tag, an dem der Eintrag auf Facebook sichtbar ist, neu zu laufen beginnt208. Der Entscheidung des ArbG Duisburg ist im Ergebnis beizupflichten. Zwar scheint der Normzweck des § 626 Abs. 2 BGB, nach welchem dem Arbeitnehmer kurzfristig Klarheit darüber verschafft werden soll, ob der Arbeitgeber den in Rede stehenden Sachverhalt für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nutzt, zunächst entgegenzustehen. Jedoch sind die tatsächlichen Besonderheiten von beleidigende Äußerungen gerade in dem Social Media-Medium zu berücksichtigen: Beleidigungen bei Facebook sind regelmäßig über einen längeren Zeitraum eingestellt und damit sichtbar, möglicherweise bleiben diese gar zeitlich unbegrenzt nachlesbar. Jedenfalls für die Facebook-Freunde des Verwenders ist ein solcher Eintrag entsprechend der Nutzungseinstellungen einsehbar. Möglicherweise können jedoch auch die „Freundes-Freunde“ oder gar die Allgemeinheit und damit alle Facebook-Nutzer diese Eintragungen nachlesen. Daraus entsteht die Gefahr, dass die beleidigende Aussage durch Dritte weiterverbreitet wird und damit einer immer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Darüber hinaus könnten sich auch Nachahmer ermuntert fühlen, diese Äußerungen durch Folgeeinträge weiter zu verschlimmern. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach Ablauf einiger Tage andere Nutzer zur Einsicht des Eintrags mit beleidigendem Inhalt explizit das Benutzerprofil des Klägers aufrufen müssen. Schließlich besteht nach wie vor die Möglichkeit die be-
207 5 Ca 949/12, NZA-RR 2013, 18 ff. 208 5 Ca 949/12, NZA-RR 2013, 18 ff.
418
Facebook & Co. - Arbeitsrechtliche Fragen einer Nutzung sozialer Netzwerke
leidigende Äußerung nachzulesen. Der Arbeitnehmer hat zudem ja jederzeit die Möglichkeit, den beleidigenden Eintrag zu löschen. Erst im Falle der Löschung ist von der Beendigung des Dauertatbestandes auszugehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es richtig, bei einer beleidigenden Äußerung bei Facebook mit dem ArbG Duisburg von einem Dauertatbestand im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB auszugehen. Damit genügt es zur Wahrung der Frist, dass die Beeinträchtigung noch in den letzten zwei Wochen vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vorliegt.
d)
Gespeicherte Kundendaten auf XING-Profil als Geschäftsgeheimnis?
Schattenseite der Nutzung von Social Media sind vor allem Rechtsverstöße von Mitarbeitern, beispielsweise auch durch den Verrat von Geschäftsgeheimnissen. Als Geschäftsgeheimnis gilt nach § 17 UWG „jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll“209. Das ArbG Hamburg hat hierzu in einem Beschluss vom 24.1.2013210 entschieden, dass auch auf XING-Profilen von Arbeitnehmern gespeicherte Kundendaten Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sein können211. Denn nach Auffassung des ArbG Hamburg können Kundendaten eines Unternehmens dann ein Geschäftsgeheimnis darstellen, wenn sie Kunden betreffen, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht und die daher auch in Zukunft als Abnehmer der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen infrage kommen. Dabei dürfe – so das ArbG Hamburg weiter – es sich nicht lediglich um Angaben handeln, die jederzeit und ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt werden können. Vor diesem Hintergrund können nach Auffassung des ArbG Hamburg auch auf XING-Profilen von Arbeitnehmern gespeicherte Kundendaten Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sein, deren Nutzung der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen kann. Dazu müsse der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass es sich bei den im XING-Nutzerprofil des Arbeitnehmers gespeicherten, im Verfügungsklageantrag genannten Daten um Kundendaten des Arbeitgebers im Sinne des 209 BGH v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, NJW 2009, 1420 Rz. 13. 210 29 Ga 2/13 n. v. 211 Vgl. auch Frik/Klühe, DB 2013, 1174, 1175 f.
419
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Geschäftsgeheimnisbegriffs des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt. Voraussetzung dafür sei, dass die Kontaktaufnahmen über XING, die zur Sicherung dieser Daten geführt haben, im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit erfolgt seien. Private Kontaktaufnahmen gehören nach den Ausführungen des ArbG Hamburg nicht dazu212. Diese Glaubhaftmachung war der Klägerin in dem zu entscheidenden Fall nach Ansicht des ArbG Hamburg jedoch nicht gelungen. Die Klägerin habe im Hinblick auf die streitigen Kontaktdaten der Beklagten nicht substantiiert dargelegt, dass die Kontaktaufnahmen, die zur Speicherung der im Verfügungsantrag genannten Daten auf dem XINGProfil der Beklagten geführt haben, im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit erfolgt seien.
e)
Fazit
Beleidigende Äußerungen des Arbeitnehmers bei Facebook, die den Arbeitgeber betreffen, können – ggf. nach vorheriger Abmahnung – verhaltensbedingte Kündigungen rechtfertigen. Bereits das Betätigen des „Gefällt-mirButtons“ kann grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen. Dabei kann sich der Arbeitnehmer im Rahmen der Kommunikation bei Facebook regelmäßig nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation berufen. Ausnahmen können nur für die Kommunikation per Nachricht oder der Chat-Funktion gelten. Bezüglich der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB kann mit guten Gründen von einem Dauertatbestand ausgegangen werden, der die Frist – bis zur Löschung des beleidigenden Beitrags – jeden Tag neu in Gang setzt. Schließlich können Kontaktdaten auf dem Profil eines berufsorientieren Netzwerks ein Geschäftsgeheimnis des Arbeitgebers darstellen. (Hie/Ka)
12. Arbeitsrechtliche Fragestellungen bei der Durchführung eines Sabbaticals Das Wort Sabbat geht in seinem Ursprung (hebräisch: schabbat) auf die jüdische und später auf die christliche Religionsgemeinschaft zurück. Hierbei umschreibt es ein Jahr des Ruhens, welches auf Jahre harter Arbeit folgt213. Im modernen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff des „Sabbaticals“ eine „berufliche Auszeit“ oder ein „Langzeiturlaub“ verstanden214. In der Praxis
212 29 Ga 2/13 n. v. 213 Vgl. 3. Mose 25, 2-4. 214 Eingehend Werler, Sabbaticals, S. 4 f.; Preis/Necati, Innovative Arbeitsformen, S. 257.
420
Arbeitsrechtliche Fragestellungen bei der Durchführung eines Sabbaticals
äußert sich dies in einem Arbeitszeitmodell, dessen Ziel eine längere Zeitspanne ist, innerhalb derer keine Arbeitsleistung erbracht werden muss. Motive hierfür können beispielsweise private Projekte, die Kinderbetreuung, eine Weiterbildung, Krankheiten oder die Prävention vor einem Burn out sein215. Aus Arbeitgebersicht löst ein Sabbatical natürlich insbesondere die Notwendigkeit einer Arbeitsverlagerung und Vertretung des Arbeitnehmers aus. Neben dieser offenkundigen Belastung kann ein Sabbatical aber auch zu steigender Loyalität und einer Erhaltung der Leistungsfähigkeit führen216. Außerdem verbessert die Möglichkeit, Sabbaticals zu nutzen, die Attraktivität des Arbeitgebers für Neueinstellungen.
a)
Historie und Problemdarstellung
In der Vergangenheit war umstritten, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen mit entsprechenden Vereinbarungen über die Schaffung von Arbeitszeitguthaben verbunden sind, die zur vorangehenden oder nachfolgenden Finanzierung einer Zeit ohne Arbeitsleistung dienen sollen. Denn es entsprach dem allgemeinen Verständnis, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nur bei tatsächlicher Beschäftigung mit einer unselbständigen Tätigkeit gegen Entgelt gegeben war217. Ein solches musste jedoch verneint werden, sobald über einen längeren Zeitraum - wie dies beim Sabbatical der Fall ist - keine tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers gegeben war. Dass das Arbeitsverhältnis als solches fortbestand und in einigen Fällen sogar Entgeltleistungen erbracht wurden, wurde nicht als ausreichend angesehen. Vielmehr wurde stattdessen von einem (zeitweisen) Ruhen des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen218. Eine beitragsrechtliche Verbuchungsmöglichkeit wurde erst 1998 mit dem Gesetz zur Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen219 geschaffen. In seiner seit 2009 geltenden Fassung bestimmt § 7 Abs. 1 a SGB IV auszugsweise wie folgt: Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
215 216 217 218 219
Werler, Sabbaticals, S. 7. Siehe hierzu Ebert, ArbRB 2003, 24 f., Seel, DB 2009, 2210, 2211. Vgl. hierzu Werler, Sabbaticals, S 14 f. Uckermann, BB 2008, 1281. BGBl. I 1998, S. 688.
421
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7 b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
… Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt erzielt werden soll. ….
Diese Begriffsbestimmung kann auf jedes Arbeitsverhältnis übertragen werden. Hierdurch besteht die Möglichkeit, eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne auch dann anzunehmen, wenn über einen längeren Zeitraum keine Arbeitspflicht gegeben war220.
b)
Arbeitsrechtliche Grundlage der Zeit einer Freistellung
In der Regel vereinbaren die Parteien eine Freistellung, die der Systematik des § 7 a SGB IV entspricht. Der Arbeitnehmer vereinbart also eine Absenkung seiner regelmäßigen individuellen Arbeitszeit mit einer entsprechend abgesenkten Vergütung. Die tatsächliche Arbeitszeit vor oder nach dem Sabbatical entspricht aber im Zweifel der bisherigen Vollzeitbeschäftigung. Die damit verbundene Mehrarbeit wird nicht unmittelbar vergütet, sondern baut das Wertguthaben auf, mit dem der Entgeltanspruch während der Freistellung finanziert wird. Alternativ hierzu sind auch vollständige Freistellungen möglich. Vergleichbar mit Vereinbarungen zu Sonderurlaub, Auslandsentsendung oder Elternzeit hat dies das wechselseitige Ruhen der beiderseitigen Hauptleistungspflichten zur Folge. Damit entfällt ein Entgeltanspruch vollständig. Allerdings wird das Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen. Die Betriebszugehörigkeit besteht also fort, was insbesondere für die Anspruchsberechtigung bei späteren Sozialleistungen oder den Kündigungsschutz von Bedeutung ist. Ein Teil der Unternehmen verpflichtet sich freiwillig, den Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers während der Freistellung mit einem Zuschlag anzuheben. Ausgangspunkt ist dabei die Vorgehensweise während der Altersteilzeit. Das erleichtert natürlich die Möglichkeit, eine angemessene Entgeltzahlung während der Freistellung durch Vor- oder Nachleistung zu er220 Siehe hierzu ausführlich Werler, Sabbaticals S. 15 f.
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Arbeitsrechtliche Fragestellungen bei der Durchführung eines Sabbaticals
halten. Rechtsgrundlage können individuelle Vereinbarungen oder kollektivrechtliche Regelungen, z. B. eine Betriebsvereinbarung, sein.
c)
Nebenpflichten, Arbeitsentgelt und Urlaub
Wichtig ist, in den Vereinbarungen über die Durchführung eines Sabbaticals die Konsequenzen für die Entgeltansprüche und etwaige Nebenpflichten (z. B. Wettbewerbsverbot, Verschwiegenheitspflicht) klar zu regeln. Bei einem Sabbatical handelt es sich - anders als bei einem Urlaub - nicht um eine arbeitgeberseitig finanzierte Freistellung221. Der Arbeitnehmer finanziert seine Freistellungsphase im Regelfall selbst. Wenn man insoweit von einer Abwicklung im Rahmen von Wertguthabenvereinbarungen i. S. d. § 7 b SGB IV ausgehen will, geschieht dies mittels Vor- bzw. Nachleistung der vertraglich vereinbarten Arbeit. Streit kann entstehen bei der Berechnung leistungs- und erfolgsbezogener Zahlungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Sabbatical während etwaiger Bezugszeiträume beginnt und/oder endet. Hier müssen Berechnungswege festgelegt werden. Zu regeln sind auch entgeltbezogene Sachleistungen (z. B. Privatnutzung des Dienstwagens222, ÖPNV-Ticket). Diese sind im Gegensatz zum Arbeitsentgelt im Zweifel unteilbar. Hier muss geklärt werden, ob es gleichwohl Sonderregelungen für Teilzeitbeschäftigte gibt. Auf dieser Grundlage müssen besondere Vereinbarungen getroffen werden, zumal insbesondere die Dienstwagennutzung in der Zeit des Sabbaticals ganz erheblichen Ausmaße annehmen kann. Entsprechender Regelungsbedarf gilt für Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung. Der Urlaubsanspruch entsteht auch während der Freistellung. Denn tatsächliche Arbeitsleistung ist keine Voraussetzung für die Entstehung eines Urlaubsanspruchs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – was der Regelfall ist – gesetzlicher und vertraglicher Anspruch gleich behandelt werden. Eine Kürzungsmöglichkeit für die Zeit des Sabbaticals, wie sie in § 17 BEEG für die Elternzeit enthalten ist, besteht nicht. Eine Anrechnung der Zeit der Freistellung auf den Urlaub ist ausgeschlossen, weil es sich letztlich nicht um eine Abweichung von dem Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Geld“ durch eine Freistellung zu Erholungszwecken handelt. Vielmehr müssen die Arbeitnehmer in der Zeit des Sabbaticals nicht (mehr) arbeiten, weil die Arbeit durch Vor-
221 Vgl. Werler, Sabbaticals S. 6. 222 Vgl. für die Freistellungsphase der Altersteilzeit: ArbG Frankfurt v. 2.6.2003 – 15 Ca 1957/03 n. v.
423
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
oder Nachleistung erbracht wird. Der Urlaub muss also gesondert gewährt werden. Wird er durch den Arbeitnehmer nicht geltend gemacht, kann dies allerdings den Verfall nach § 7 BUrlG zur Folge haben. Der Urlaubsanspruch entsteht auch bei einer unbezahlten Freistellung. Denn auch hier fehlt es an einer Freistellung gegen Entgelt, die zu Erholungszwecken bewirkt wird. Wenn der Arbeitgeber einen Teil des Sabbaticals durch eigene Zuwendungen unterstützen will, lohnt es sich also, den Urlaub in die entsprechenden Vereinbarungen einzubinden, damit er nicht zusätzlich gewährt werden muss.
d)
Wertguthabenvereinbarung
Die Wertguthabenvereinbarung muss nach § 7 b Nr. 1 SGB IV schriftlich abgeschlossen werden und das Ziel erkennen lassen, ein Sabbatical zu finanzieren. Bei mündlicher Vereinbarung können die sozialversicherungsrechtlichen Vorteile des Beschäftigungsverhältnisses nicht nutzbar gemacht werden. Teile in der Literatur nehmen in einem solchen Fall sogar die Nichtigkeit der Abmachung an223. Wichtig ist, dass die Entgelthöhe nicht unangemessen von dem Arbeitsentgelt für die vorausgegangenen 12 Kalendermonate bzw. der Zeit der Nacharbeit abweicht. Von Seiten der Sozialversicherungsträger wird diesbezüglich ein Abweichungsspielraum von maximal 30 % benannt224. Besonderheiten gelten für geringfügig Beschäftigte (§ 7 b Nr. 5 SGB IV). Außerdem ist § 7 b Nr. 2 SGB IV zu beachten. Hiernach darf die Freistellungsvereinbarung nicht das Ziel der wöchentlichen Arbeitszeitflexibilisierung bzw. des Ausgleichs von Arbeitszeitzyklen verfolgen. Die Zielsetzung muss sich also von Anfang an auf das Herausarbeiten und die Inanspruchnahme einer längeren Freistellungsphase beziehen. Ist das Ziel der Vereinbarung nicht explizit geregelt und verbleiben Zweifel, so ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen. Allerdings muss er wegen des gesetzlichen Schriftformerfordernisses in der Vereinbarung selbst erkennbar werden225. Eine Umwidmung von bislang angespartem Arbeitszeitguthaben in eine Wertguthabenvereinbarung nach § 7 b SGB IV kann deshalb nicht erfolgen.
223 Knospe, NZS 2009, 600, 601. 224 Rundschreiben der Spitzenorganisationen (März 2009) S. 21. 225 So wohl auch Werler, Sabbaticals S. 22 ff.
424
Arbeitsrechtliche Fragestellungen bei der Durchführung eines Sabbaticals
e)
Zusammensetzung und Berechnung des Wertguthabens
Bestandteil eines Wertguthabens ist das vom Arbeitnehmer durch Arbeitsleistung angesparte Arbeitsentgelt. Soweit in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten wird, dass auch etwaige Erträge aus diesem Guthaben einbezogen werden müssen226, ist dies abzulehnen. Dagegen spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung den Begünstigten der Rendite des Wertguthabens ausdrücklich offen gelassen hat. Er war der Auffassung, dass diese Frage von den Vertragsparteien geregelt werden sollte. Auch wenn der Arbeitgeber damit ohne Vereinbarung über die Verwendung des Ertrags als Begünstigter zu sehen ist227, sollten hierzu klare Regeln getroffen werden. Sinnvoll ist, bei dieser Gelegenheit auch den Umgang mit Tarifentgelterhöhungen zu regeln. Diese haben an sich auf das Wertguthaben keinen Einfluss, wenn es schon vor der Anhebung verdient wurde. Der Arbeitnehmer erhält dann in der Zeit der Freistellung eine Vergütung, die der Arbeitsleistung und der hierfür in der Arbeitsphase geltenden Vereinbarung entspricht. Das entsprechende Problem besteht bei der Altersteilzeit. Allerdings wird - wie bei Altersteilzeit – auch bei Regelungen zu einem Sabbatical häufig vereinbart, dass Tarifentgelterhöhungen auch auf das Wertguthaben bei Auszahlung zur Anwendung kommen. Im Ausgleich dazu kann der Arbeitgeber einen etwaigen Ertrag aus dem Gutachten in der Regel zu eigenen Zwecken verwenden. Den weiteren Bestandteil des Wertguthabens bildet der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 7 d Abs. 1 SGB IV). Problematisch hierbei ist, dass der Sozialversicherungsbeitrag endgültig erst im Auszahlungsfall ausgerechnet werden kann, da nicht vorherzusagen ist, ob das Wertguthaben planmäßig ausgezahlt werden kann oder sich ein Störfall zu einem früheren Zeitpunkt ereignet228. Der damit verbundene Fälligkeitsaufschub hat zur Folge, dass mit einem fiktiven Sozialversicherungsanteil gemäß § 23 b Abs. 1 S. 1 SGB IV gearbeitet werden muss, indem nicht auf das erarbeitete, sondern auf das jeweils fällige Entgelt abgestellt wird229. Durch diese Vorläufigkeit der Zurechnung des Arbeitgeberanteils erfolgt die Berechnung des letztlich auszuzahlenden Anteils erst bei Inanspruchnahme bzw. im Störfall. Dazu werden die in diesem Zeitpunkt geltenden Beitragssätze berechnet. Ändern sich diese Beitragssätze, 226 227 228 229
Höfer/Greiwe, BB 2006, 2242; Knospe, NZS 2009, 600. Ebenso Hanau/Veit, NJW 2009, 182. Vgl. BT-Drucks. 16/10289, S. 16. Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 1466, 1468.
425
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
ist in Übereinstimmung mit einer Stellungnahme der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger230 indes weiterhin von dem Beitragssatz zu dem Zeitpunkt auszugehen, an dem ohne eine Wertguthabenvereinbarung nach § 7 b SGB IV die Fälligkeit des Beitrags für die geleistete Arbeit gegeben war.
f)
Insolvenzsicherung
Gemäß § 7 e SGB IV müssen die Parteien eine Vereinbarung über die Insolvenzsicherung treffen, nach der der Arbeitgeber eine Absicherung des Wertguthabens vornehmen muss. Dies gilt, soweit kein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und das Wertguthaben die monatliche Bezugsgröße nach § 18 SGB IV231 übersteigt. Es ist davon auszugehen, dass diese Bezugsgröße bei jeder Vereinbarung eines Sabbaticals überschritten wird. Gemäß § 7 e Abs. 7 SGB IV haftet der Arbeitgeber an dieser Stelle für den entstandenen Schaden durch unterlassene Insolvenzsicherung. Ist dies wegen Insolvenz nicht möglich, ist zu prüfen, ob eine persönliche Haftung der organschaftlichen Vertreter von juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit gegeben ist. Die Überwachung der Insolvenzsicherung wird von der Deutschen Rentenversicherung durch Betriebsprüfungen durchgeführt.
g)
Fazit
Der Gesetzgeber hat mit den Flexi-Gesetzen Möglichkeiten geschaffen, die Freistellung im Zusammenhang mit Sabbaticals auch sozialversicherungsrechtlich sinnvoll durchführbar zu machen. Hiermit ermöglicht er erstmals den reibungslosen Ablauf und stellt brauchbare Rahmenbedingungen auf. Wichtig ist allerdings, dass auch die arbeitsrechtlichen Fragestellungen klar geregelt werden. Grundlage kann die Handhabe von Elternzeit und Altersteilzeit sein. Auf dieser Basis können bekannte und bewährte Regelungen genutzt werden, damit das Modell nicht nur attraktiv ist, sondern auch störungsfrei abgewickelt werden kann. (Ga/Do)
230 Besprechungsergebnis von März 2009, S. 12. 231 Vgl. wegen der Bezugsgröße 2014 Dominik/AktuellAR 2013, 653.
426
Nettomethode bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens
13. Nettomethode bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens Erhält der Schuldner neben dem der Pfändung unterliegenden Arbeitsentgelt unpfändbares Einkommen im Sinne von § 850 a ZPO, war bislang zweifelhaft, wie der pfändbare Betrag des Gesamtarbeitseinkommens zu berechnen war. Der Gesetzgeber gibt eine Berechnungsanleitung in § 850 e Nr. 1 S. 1 ZPO vor. Danach sind bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens nicht mitzurechnen die nach § 850 a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge, ferner Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte232 und die ganz herrschenden Meinung im Schrifttum233 interpretiert die Regelung dahingehend, dass von dem Gesamtbruttoeinkommen des Arbeitnehmers zunächst die nach § 850 a ZPO unpfändbaren Bezüge mit dem Bruttobetrag und anschließend die auf das Gesamtbruttoeinkommen, d. h. einschließlich der unpfändbaren Bezüge, zu zahlenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen sind (sog. Bruttomethode). Diese Abrechnungsweise hat zur Konsequenz, dass die auf die unpfändbaren Bezüge entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zweimal in Abzug gebracht werden und je nach Höhe der unpfändbaren Beträge kein pfändbares Einkommen für den Gläubiger verbleibt. Infolge des zweifachen Abzugs der gesetzlichen Abzüge, die auf die unpfändbaren Beträge entfallen, fällt das pfändbare Einkommen umso niedriger aus, je höher die unpfändbaren Bezügebestandteile sind. Diese Bewertung wird mit der Schutzbedürftigkeit des Schuldners und aus Gründen vereinfachter Abrechnungstechnik begründet. Dem gegenüber wird von einigen Autoren234 die sog. Nettomethode für zutreffend gehalten. Danach werden vom Gesamtbruttoeinkommen des Schuldners zunächst die nach § 850 a ZPO unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag abgezogen und anschließend lediglich die Steuern und Sozial-
232 Vgl. nur LAG Berlin v. 14.1.2000 - 19 Sa 2154/99, NZA-RR 2000, 657; LAG München v. 30.5.2007 - 7 Sa 1089/06 n. v.; VG Düsseldorf v. 15.6.2012 - 26 K 5884/11, n. v. 233 Etwa Stöber, Forderungspfändung Rz. 984, 986 a, 999 b, 1133 ff.; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, ZPO § 850 e Rz. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO § 850 e Rz. 2. 234 Boewer, Handbuch Lohnpfändung Rz. 752 ff.; Bauckhage-Hoffer/Umnuß, NZI 2011, 745, 747 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO § 850 e Rz. 3.
427
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
versicherungsbeiträge in Abzug gebracht, die auf das restliche, also das ohne die unpfändbaren Bezüge verbleibende Bruttoeinkommen zu zahlen sind. In der betrieblichen Praxis der Lohnabrechnung wurden beide Methoden alternativ angewandt, wobei allerdings überwiegend auf die Bruttomethode zurückgegriffen worden ist. Das Programm von SAP bietet eine modifizierte Nettomethode an, wonach durch Dreisatzrechnung die auf das pfändbare Bruttoeinkommen entfallenden gesetzlichen Abzüge ermittelt werden. Es werden danach die gesetzlichen Abzüge aus dem Gesamtbruttoeinkommen einschließlich der unpfändbaren Beträge berechnet, anschließend werden die gesetzlichen Abzüge ohne die unpfändbaren Beträge ermittelt und sodann wird durch eine Dreisatzrechnung das Pfändungsnetto bestimmt. Nunmehr hatte der 10. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 17.4.2013235 Gelegenheit, die Streitfrage der Abrechnung zu klären. Der Kläger nahm die Beklagte, die den jeweils pfändbaren Betrag nach der Nettomethode berechnet hatte, auf Feststellung in Anspruch, die Berechnung künftig nach der Bruttomethode vornehmen zu müssen. Das BAG hat sich mit überzeugenden Erwägungen für die Anwendung der Nettomethode ausgesprochen. Dabei geht das BAG davon aus, dass sich weder aus dem Wortlaut des § 850 e Nr. 1 S. 1 ZPO noch aus der Entstehungsgeschichte eine bestimmte Abrechnungsmethode herleiten lässt. Die Regelung hat ihren Ursprung in der Verordnung zur einheitlichen Regelung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen vom 30.10.1940236. Weder diese Verordnung noch das vom Bundesrat eingebrachte Gesetz zur Neustrukturierung und Modernisierung des Pfändungsschutzes237 enthält eine Aussage zur Berechnungsmethodik des pfändbaren Einkommens, wenn der Schuldner neben pfändbaren auch unpfändbare Bezüge (§ 850 a ZPO) erhält. Das BAG hebt daher entscheidend auf das gesetzgeberische Ziel ab, das für die Nettomethode spricht, weil damit nicht nur zum Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen für bestimmte Einnahmen die Unpfändbarkeit sichergestellt, sondern zugleich vermieden wird, dass eine unnötige und nicht gerechtfertigte Benachteiligung des Pfändungsgläubigers erfolgt. Im Ergebnis wird der Schuldner bei der Berechnung nach der Nettomethode so behandelt, als hätte er die nach § 850 a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge nicht erhalten. Demgegenüber schießt die Bruttomethode über das gesetzgeberische Ziel hinaus, weil sie dem Schuldner nicht nur die der Pfändung entzogenen Be-
235 10 AZR 59/12, NZA 2013, 859. 236 BGBl. I S. 1451. 237 BT-Drucks. 17/2167 S. 12 ff.
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Nettomethode bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens
züge vollständig belässt, sondern zusätzlich ohne begründeten Anlass das pfändbare Einkommen reduziert. Die Abrechnungspraxis wird sich auf diese vom BAG für zutreffend gehaltene Berechnungsmethode einstellen müssen, wenn sie vermeiden will, Nachzahlungen an die Pfändungsgläubiger leisten zu müssen, die sich möglicherweise nicht mehr bei dem Schuldner kompensieren lassen. Dies gilt vor allem auch für die Softwareanbieter, die ihre Programme entsprechend anzupassen oder umzustellen haben. (Boe)
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D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.
Vertrauensarbeitszeit: Umfang der Arbeitszeit beim Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen
Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit ist in der betrieblichen Praxis typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass – vorbehaltlich der Aufzeichnungspflichten aus § 16 Abs. 2 ArbZG – grundsätzlich auf die Dokumentation von Beginn und Ende der Arbeitszeit, Lage und Dauer der Pause sowie der Verteilung auf die einzelnen Wochentage verzichtet wird. Üblicherweise wird dies mit dem Hinweis verknüpft, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber grundsätzlich nur die Erfüllung einer Aufgabe schuldeten. Mit Erfüllung dieser Aufgabe entstehe der arbeitsvertragliche Vergütungsanspruch. Ob der Arbeitnehmer hierfür die bisherige (übliche) Arbeitszeit über- oder unterschreite, soll für beide Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich keine Rolle spielen. Dies schließt an sich eine Sanktion einer arbeitszeitbezogenen Minder- oder Mehrleistung gegenüber der bis dahin geltenden Regelung zur Arbeitszeitdauer aus. Dieses betriebspraktische Verständnis von Vertrauensarbeitszeit wird allerdings mit den – dogmatisch zutreffenden – Feststellungen des BAG im Urteil vom 15.5.20131 auf den Kopf gestellt. Denn das BAG geht (zu Recht) davon aus, dass auch durch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht die Pflicht des Arbeitnehmers entfalle, Arbeitszeit in einem nach Stunden bemessenen Umfang abzuleisten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung werde bei Vertrauensarbeitszeit lediglich nicht kontrolliert. Ausgangspunkt der prozessualen Auseinandersetzung war der Streit eines Arbeitgebers mit der Klägerin über die Dauer der von dieser zu leistenden Arbeit. Die Klägerin machte geltend, dass arbeitsvertraglich keine bestimmte Dauer ihrer Arbeitszeit vereinbart worden sei. Insofern könne sie, sobald die ihr übertragenen Aufgaben erfüllt seien, auch den Arbeitsplatz verlassen und sich außerhalb des Betriebs privaten Interessen zuwenden. Der Arbeitgeber hingegen verlangte, dass die Klägerin mindestens 7,6 Stunden täglich arbeite. Soweit diese Arbeitszeit unstreitig von der Klägerin nicht im Betrieb verbracht wurde, veranlasste der Arbeitgeber eine Gehaltskürzung. Zur Begründung verwies der Arbeitgeber darauf, dass die Klägerin schlussendlich auch ohne ausdrückliche Festlegung einer individuellen Dauer der Arbeits-
1
10 AZR 325/12, DB 2013, 2215 Rz. 26; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223 Rz. 34.
431
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
zeit im Arbeitsvertrag verpflichtet sei, eine 38-Stunden-Woche zu arbeiten. Erfolge dies nicht, könne eine zeitratierliche Kürzung erfolgen. In diesem Streit der Parteien lag eine arbeitsvertragliche Regelung aus dem Jahre 2005 zugrunde, die auszugsweise wie folgt lautete: 2. Vergütung (1) Die übertragene Aufgabe ist dem Band 1 im Sinne der Betriebsvereinbarung der R E AG zur Vergütung für nicht leitende außertariflich beschäftigte Mitarbeiter (AT-Mitarbeiter) der R E AG zugeordnet: (2) Als Vergütung erhalten Sie für die Erfüllung Ihrer Aufgabe: a) ein festes Jahresgehalt in Höhe von € 67.920,00 brutto, zahlbar in zwölf gleichen Teilen, … b) ein festes, nicht ruhegeldfähiges bruttomonatsgehalt, zahlbar ab Mitte November, c) eine variable, individuelle Vergütung bis max. 1,56 Monatsgehälter gemäß Ziffer 2, Absatz 2a). … d) eine variable, vom Unternehmenserfolg abhängige Vergütung bis max. 0,6 Monatsgehälter gemäß Ziffer 2, Absatz 2a). … (5) Im Rahmen Ihrer Aufgabenstellung sind Sie verpflichtet, auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Mit der Vergütung gemäß Ziffer 2 ist die gesamte Tätigkeit für die R E AG abgegolten; darüber hinausgehende Zulagen und Zuschläge werden nicht gewährt.
Das aktuelle Jahresgehalt der Klägerin belief sich auf etwa 95.000,- € (brutto). Ergänzend wurde in der Betriebsvereinbarung 2009 zur Erfassung und Regelung der Arbeitszeit zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat (PV 2009) auszugsweise vereinbart: Präambel: Ziel dieser Betriebsvereinbarung ist eine moderne Gestaltung der Arbeitszeit, um den Anforderungen des Wettbewerbs Rechnung zu tragen und den Mitarbeitern eine flexible Einteilung der Arbeitszeit zu ermöglichen. … § 1 Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter (Tarif- und ATMitarbeiter) der Gesellschaft am Standort Es mit Ausnahme der Lei-
432
Umfang der Arbeitszeit beim Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen
tenden Angestellten gemäß § 5 Absatz 3, 4 BetrVG sowie Auszubildenden, Werkstudenten, Praktikanten und Diplomanden. § 2 Arbeitszeit/Arbeitszeitrahmen/Servicezeit 1.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Tarifangestellte bestimmt sich nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag (z. Zt.: Manteltarifvertrag Tarifgruppe R) und beträgt derzeit 38 Stunden für Vollzeitmitarbeiter (ohne Ruhepausen und Zeiten z. B. zur Verlängerung von Pausen, für Arztbesuche oder sonstige private Wegezeiten). Für Teilzeitmitarbeiter gelten die jeweils vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten.
2.
Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt in der Regel auf die Wochentage Montag bis Freitag jeweils zwischen 6:00 Uhr und 20:00 Uhr. … § 5 Gleitzeit
1.
Für jeden Mitarbeiter wird ein Gleitzeitkonto eingerichtet und geführt. Davon ausgenommen sind nur AT-Mitarbeiter, die gemäß Ziffer II. 2., 3. und 5. der Bonus-Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 2008 in Verbindung mit Anlage 2 zur BonusBetriebsvereinbarung der Vergütungsgruppe ‚Commercial‘ angehören. Für diese AT-Mitarbeiter wird kein Gleitzeitkonto geführt und kein Arbeitszeitsaldo gebildet; die Arbeitszeiten werden lediglich dokumentiert. …
3.
Das Gleitzeitkonto von AT-Mitarbeitern erfasst die Differenz aus IST-Arbeitszeit inklusive Mehrarbeit und regelmäßiger Arbeitszeit. … § 7 Gleitzeitkonto AT-Mitarbeiter
1.
Das Gleitzeitkonto für AT-Mitarbeiter (§ 5 Ziffer 1) wird auf der Basis der derzeit gültigen tariflichen Wochenarbeitszeit (38 Stunden) geführt. Die jeweils gültige tarifliche Wochenarbeitszeit wird ausschließlich zum Zwecke der Führung des Gleitzeitkontos herangezogen. Eine entsprechende Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für AT-Mitarbeiter erfolgt damit nicht.
2.
Zeitguthaben sollen vorrangig durch Freizeit ausgeglichen werden.
3.
Soweit das Gleitzeitkonto ein Zeitguthaben von 180 Stunden oder eine Zeitschuld von 80 Stunden erreicht, ist der Vorgesetzte verpflichtet, mit dem Mitarbeiter gemeinsam mit dem Betriebsrat
433
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
sowie einem Vertreter von Human Resources ein Gespräch zu führen und Maßnahmen zu vereinbaren, die ein weiteres Anwachsen des Zeitguthabens, insbesondere die Überschreitung eines Zeitguthabens von 220 Stunden oder der Zeitschuld verhindern. … 5.
Zum 31.12 eines Kalenderjahres bestehende Zeitguthaben entfallen ersatzlos. Etwaige Zeitschulden werden im vollen Umfang auf das nächste Kalenderjahr übertragen und sind auch in diesem Jahr abzubauen.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass sie keine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche habe. Daran anknüpfend verlangte sie, dass ihr die einbehaltene Vergütung für die Monate, in denen sie in geringerem Umfang tätig gewesen war, gezahlt würden. Der 10. Senat des BAG hat im Urteil vom 15.5.20132 die klageabweisende Entscheidung bestätigt. Zutreffend geht das BAG insoweit davon aus, dass die BV 2009 selbst die Dauer der Arbeitszeit nicht bestimme. Das wird durch § 7 Ziffer 1 BV 2009 ausdrücklich klargestellt. Allerdings ergebe sich eine Verpflichtung der Klägerin zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche im Wege einer Auslegung ihres Arbeitsvertrags. Hierbei müsse zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass zwischen den Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet worden sei. Zwar hätten die Parteien diese Vereinbarung nicht mit einer genauen Bezifferung des Umfangs der Arbeitszeit verbunden. Dies stehe der Annahme einer genau bezifferbaren Leistungspflicht der Klägerin indes nicht entgegen. Denn wenn im Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit getroffen werde, sei gleichwohl anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollten3. Dies che - so das BAG – dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner. Ein Mitarbeiter, der einen Arbeitsvertrag über ein Vollzeitarbeitsverhältnis abschließe, müsse bei Fehlen einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelung zum Umfang der Arbeitszeit mangels anderweitiger Anhaltspunkte redlicher Weise davon ausgehen, dass er im gleichen Umfang wie andere Vollzeitarbeitnehmer des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung verpflichtet und für ihn daher der betriebsübliche Umfang der für Vollzeitmit-
2 3
10 AZR 325/12, DB 2013, 2215 f. BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 325/12, DB 2013, 2215 f. Rz. 20 f.; BAG v. 9.12.1987 – 4 AZR 584/87, NZA 1988, 289 f.; ErfK/Preis, BGB § 611 Rz. 653.
434
Umfang der Arbeitszeit beim Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen
arbeiter geltenden Arbeitszeit maßgeblich sei. In dem hier in Rede stehenden Fall folge dies u. a. auch daraus, dass die Klägerin durch Ziff. 2 Abs. 5 S. 2 des Arbeitsvertrags verpflichtet worden sei, auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Damit sei eine mittelbare Bindung an die betriebsübliche Arbeitszeit vorausgesetzt. Abstrakt-generell erscheint diese Auslegung des Arbeitsvertrags richtig. Sie widerspricht aber eklatant der typischerweise in der betrieblichen Praxis vorgenommen Bewertung, nach der – wie auch von der Klägerin vorgetragen – von ihr im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit allein die Erfüllung der übertragenen Aufgaben, nicht aber die Arbeitsleistung in einem bestimmten zeitlichen Umfang geschuldet sei. Trotz des Risikos, damit auch über die bis dahin übliche Arbeitszeit hinaus tätig werden zu müssen, wird genau diese Freiheit in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit als eines der typischen Vorteile von Vertrauensarbeitszeit angesehen. Dass es natürlich auch in solchen Arbeitsverhältnissen – auch bei einer außertariflichen Vergütung – auf einer juristischen Ebene gleichwohl möglich und – wie der Streitfall deutlich macht – nötig sein kann, ggf. im Wege der Auslegung dann doch eine arbeitsvertraglich geschuldete Dauer der Arbeitszeit festzulegen, ist hinzunehmen, widerspricht allerdings gleichwohl dem vielfach übereinstimmend mit entsprechenden Vereinbarungen verknüpften Parteiwillen. Von der gegenteiligen Sichtweise ausgehend hat der 10. Senat des BAG indes folgerichtig auch eine Verpflichtung zur Ableistung einer 38-StundenWoche angenommen. Denn mangels anderweitiger Vereinbarung konnte nur von einem hypothetischen Willen der Arbeitsvertragsparteien ausgegangen werden, die betriebsübliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte festzulegen. Dies ist jedenfalls bei tarifgebundenen Arbeitgebern regelmäßig die tarifliche Arbeitszeit, sofern nicht für bestimmte Arbeitnehmergruppen eine typsicherweise im Betrieb hiervon abweichende Arbeitszeitregelung vereinbart wird. Damit ist die tarifliche Arbeitszeit betriebsüblich und gilt auch für außertarifliche Angestellte, mit denen eine andere Arbeitszeit nicht vereinbart wurde4. Für die betriebliche Praxis dürfte dieses Urteil einer weiteren Einführung und/oder Anwendung von Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit nicht entgegenstehen5. Für die Arbeitgeberseite wird mit der Entscheidung schlussendlich die Gewissheit verknüpft, dass – falls von Arbeitnehmerseite die gebotene Leistung schon aufgrund des geringen Arbeitsaufwands nicht erbracht wird - eine bestimmte Arbeitszeit ggf. auch streitig durchgesetzt werden 4 5
BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 325/12, DB 2013, 2215 f. Rz. 29. Abw. Hamm, AiB 2013, 518 ff., der ein Ende der Vertrauensarbeitszeit erwartet.
435
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
kann. Umgekehrt bedeutet die Feststellung des BAG indes auch, dass mit der Anknüpfung an die betriebsübliche Arbeitszeit praktikable Leitlinien für die Festsetzung auch etwaiger Entgeltfortzahlungsansprüche gefunden wurden. Die Freiheit, die mit Vertrauensarbeitszeit an sich wechselseitig verknüpft wird, wandelt sich damit allerdings eher in eine Einbahnstraße. Denn der Arbeitgeber kann – folgt man dem BAG – die Ableistung der betriebsüblichen Arbeitszeit verlangen. Gleichzeitig aber kann der Arbeitnehmer bei einer darüber hinausgehenden Beschäftigung keine entsprechende Vergütungserhöhung geltend machen. Er ist darauf angewiesen, diese vorübergehende Mehrarbeit durch entsprechende Minderarbeit zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt auszugleichen. (Ga)
2.
Deklaratorische Bedeutung einer arbeitsvertraglichen Regelung zur Wochenarbeitszeit
Nach Maßgabe der Orientierungssätze zum Urteil des BAG vom 10.7.20136 kann die Angabe der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen tariflichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag ohne weitere Anhaltspunkte nicht als konstitutiv angesehen werden, wenn der von einem tarifgebundenen Arbeitgeber verwendete Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel auf die jeweils einschlägigen Tarifverträge enthält. Unklarheiten im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB bestünden in einem solchen Fall nicht. Vielmehr bestimme sich die Dauer der Wochenarbeitszeit auch bei einer Arbeitszeiterhöhung – abweichend von dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Festlegung – nach der tariflichen Regelung. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien nicht nur vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe vom 8.6.2001 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen bestimmte. Vielmehr war ergänzend hierzu vereinbart worden: „§4 Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden“. Zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden. Im Rahmen mehrerer Ergänzungs- und Änderungstarifverträge wurde diese Arbeitszeit indes zum 1.7.2008 auf 39 Stunden angehoben. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, auch die betriebliche Arbeitszeit auf 39 Stunden pro Woche anzuheben. Der Kläger beantragte daraufhin festzustellen, dass für das Arbeitsverhältnis der Parteien (weiterhin) die 38,5-Stunden-Woche gilt.
6
10 AZR 898/11, ZTR 2013, 625.
436
Anordnung, Billigung oder Duldung von Überstunden
In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG dieses Begehren für unbegründet erachtet. Zwar war dem Arbeitsvertrag eine entsprechende Feststellung zur 38,5 Stunden-Woche zu entnehmen. Aus dem Wortlaut, dem Gesamtzusammenhang und der Systematik der zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarung in ihrer Gesamtheit war allerdings zu entnehmen, dass die Beklagte schon wegen ihrer Tarifbindung keine vom Tarifvertrag abweichende Festlegung der Wochenarbeitszeit im Arbeitsvertrag vornehmen wollte. Dafür sprach auch, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die jeweils gültigen Tarifverträge nicht mit dem Zusatz verknüpft worden war, dass deren Regelungen nur insoweit zur Anwendung kommen sollten, als nicht im Arbeitsvertrag eine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Vielmehr hatte der Arbeitgeber in den vertraglichen Regelungen uneingeschränkt auf den Tarifvertrag Bezug genommen. Ergänzend hierzu war auch in sonstigen Regelungen des Arbeitsvertrags (z. B. Zusatzversorgung, Ausschlussfrist) auf den Tarifvertrag Bezug genommen bzw. dessen Regelungen übernommen worden. Dem Auslegungsergebnis ist zuzustimmen. Zur Vermeidung entsprechender (prozessualer) Auseinandersetzungen dürfte es allerdings hilfreich sein, im Arbeitsvertrag den deklaratorischen Charakter entsprechender Feststellungen deutlicher erkennbar werden zu lassen. Dies kann ganz einfach durch den Zusatz „derzeit“ oder „nach Maßgabe des Tarifvertrags“ erfolgen. (Ga)
3.
Anordnung, Billigung oder Duldung von Überstunden
Mit seinem Urteil vom 10.4.20137 hat der 5. Senat des BAG deutlich gemacht, dass ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung von Überstunden neben deren Leistung voraussetzt, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder ggf. zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer. Typischerweise entstehen solche Auseinandersetzungen über die Vergütung von Arbeitnehmern im Rahmen von Bestandsschutzstreitigkeiten. Diesem Typus entsprach auch der vorliegende Fall. Der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28.2.2011 gekündigt. Mit der am 18.3.2011 eingereichten Klage hatte er sodann eine Vergütung für 498 Überstunden zu einem Stundensatz von 12,5748 € (brutto) geltend gemacht und vorgetragen, er habe zusammen mit dem Mitarbeiter R das komplette Firmengebäude der 7
5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 ff.
437
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Beklagten umgebaut. Diese hatte ihn zuletzt als Handwerker im Gebäudemanagement beschäftigt. Die, an datumsmäßig näher bezeichneten Arbeitstagen im Zeitraum Januar bis Dezember 2010, angefallenen Überstunden habe der damalige Geschäftsführer der Beklagten angeordnet, jedenfalls geduldet. Unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrags des Klägers hat das BAG die Klage berechtigterweise abgewiesen. Denn der Kläger hatte die für einen Vergütungsanspruch erforderlichen Tatsachen nicht ausreichend vorgetragen. Zwar ließ sich seinem Vortrag in substantiierter Weise entnehmen, wann er mit welcher Tätigkeit während des streitgegenständlichen Zeitraums beschäftigt war. Denn der Kläger hatte in der Berufungsbegründung auf über hundert Seiten an jedem einzelnen Tag angegeben, von wann bis wann er gearbeitet haben wollte. Weitergehende Tätigkeitsangaben für jede einzelne Überstunde waren aus Sicht des BAG nicht erforderlich8. Nach Auffassung des BAG hatte der Kläger indes die Veranlassung der Überstundenleistung durch die Beklagte nicht ausreichend dargestellt. Wenn der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang erbringe, sei der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst habe oder sie ihm zumindest zugerechnet werden müsse. Denn der Arbeitgeber müsse sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen. Vielmehr müssten Überstunden, hinsichtlich derer überhaupt ein Vergütungsanspruch entstehen könne, vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein9. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet und ggf. zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trage der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebe10. Erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat, dass der 5. Senat des BAG im Urteil vom 10.4.201311 in außerordentlich klarer Weise definiert, unter welchen Voraussetzungen von einer entsprechenden Anordnung, Billi-
8 9
BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 Rz. 10. BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 Rz. 13 f.; BAG 28.1.2004 – 5 AZR 530/02, NZA 2004, 656 Rz. 35. 10 BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 Rz. 15; BAG v. 15.4.2012 – 5 AZR 248/11, NZA 2012, 998 Rz. 15. 11 BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 Rz. 16 ff.
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Anordnung, Billigung oder Duldung von Überstunden
gung oder Duldung von Überstunden ausgegangen werden muss. Seine diesbezüglichen Ausführungen lauten auszugsweise wie folgt: a) Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Dazu fehlt es an substantiiertem Sachvortrag des Klägers. Die pauschale und stereotyp wiederholte Behauptung, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe „die Überstunden angeordnet“, ist nicht ausreichend. b) Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (…) nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten (…) oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte (…). Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (…). Ist wie im Streitfall eine Monatsarbeitszeit vereinbart, muss der Arbeitnehmer zudem darlegen, dass einzelne, zur Erledigung der zugewiesenen Arbeiten geleistete Überstunden nicht innerhalb einer flexibel gehandhabten Monatsarbeitszeit ausgeglichen werden konnten. Zu alledem fehlt ein substantiierter Sachvortrag des Klägers. c) Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber, gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung, die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Das muss nicht ausdrücklich erfolgen und kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt. Dazu reicht aber die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen nicht aus (…). Vielmehr muss der
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein. … Die Übertragung der vom Kläger gefertigten Aufschriebe seiner Anwesenheitszeiten in Excel-Tabellen ist schon deshalb keine Billigung von Überstunden, weil diese Tabellen unstreitig nicht an die Mitarbeiter ausgehändigt wurden und der Kläger somit keinen Anhaltspunkt dafür hatte, die Beklagte genehmige bereits geleistete Überstunden. d) Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber diese in Kenntnis einer Überstundenleistung hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (…). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dies feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.
Insgesamt konnte der Kläger mit seinem Sachvortrag diesen Anforderungen nicht Rechnung tragen. Die bloße Behauptung, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe von den geleisteten Überstunden Kenntnis gehabt und diese geduldet, ist unzureichend. Auch die Entgegennahme von Aufschrieben der Anwesenheitszeiten seiner Beschäftigten vermag eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung – so das BAG – nicht zu begründen. Erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiere und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbinde, sei der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Duldung gehalten, dem nachzugehen und ggf. gegen nicht gewollte Überstunden einzuschreiten12. (Ga)
12 BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, DB 2013, 2089 Rz. 22.
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Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung: Rechtsmissbrauch bei minimalen Absenkungen?
4.
Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung: Rechtsmissbrauch bei minimalen Absenkungen?
Nach § 8 Abs. 1 und 4 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, vom Arbeitgeber, der in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit unter den dort genannten Voraussetzungen verringert und seinen Wünschen gemäß verteilt wird. Dabei ist der Neuverteilungsanspruch aus § 8 Abs. 4 TzBfG bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs nicht auf das bisher vereinbarte Arbeitszeitverteilungsmodell begrenzt. Vielmehr kann der Arbeitnehmer eine Vertragsänderung herbeiführen, die mit der betriebsüblichen Arbeitszeitverteilung nicht mehr übereinstimmt13. Wortlaut und Zusammenhang des § 8 Abs. 1 TzBfG geben keine Beschränkung auf das arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeitverteilungsmodell vor. Allerdings können der vom Arbeitnehmer gewünschten Festlegung der Verteilung der Arbeitszeit Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden entgegenstehen, wenn die Festlegung einen kollektiven Bezug hat14. § 8 TzBfG begründet keinen Gesetzesvorbehalt im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG, der das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließt. Daher kann eine auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschlossene Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede dem Arbeitgeber das Recht einräumen, den Verteilungswunsch des Arbeitnehmers abzulehnen15. Überdies kann der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verlangen, vor Abschluss eines für die Neuverteilung der Arbeitszeit nötigen Änderungsvertrags mitzubestimmen, wenn der tatsächliche Einsatz mit der geänderten Arbeitszeitverteilung einen kollektiven Bezug hat. Hiervon ist auszugehen, wenn die beabsichtigte Arbeitszeitverteilung Auswirkungen auf den ganzen Betrieb, eine Gruppe von Arbeitnehmern oder möglicherweise auf den einzelnen Arbeitsplatz hat16. Nach § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung und der Verteilung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es genügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Der Arbeitgeber kann die Ablehnung eines Arbeitszeitverrin13 14 15 16
So bereits BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207 ff. BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207 Rz. 42. BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309 Rz. 37. BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, NZA 2009, 565 Rz. 44, 51.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
gerungs- und Neuverteilungsantrags nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen“ Arbeitszeitverteilung begründen. Die Prüfung der Gründe des Arbeitgebers erfolgt nach der Rechtsprechung des BAG17 regelmäßig in drei Stufen. Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein bestimmtes betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt (erste Stufe). In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. In der Entscheidung vom 11.6.2013 hatte der 9. Senat18 des BAG der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer, der nur eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit und eine bestimmte Verteilung der reduzierten Arbeitszeit verlangt, rechtsmissbräuchlich handeln kann. Der Fall betrifft einen Flugkapitän, der unter Reduzierung seiner jährlichen Arbeitszeit auf 96,71 % der regelmäßigen Vollarbeitszeit eine blockfreie Freistellung von zwölf Arbeitstagen jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres vom Arbeitgeber beanspruchte. Der Arbeitgeber lehnte dieses Verlangen unter Hinweis auf seine Rechtsmissbräuchlichkeit ab. Während das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, ist sie vom Landesarbeitsgericht unter Hinweis auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) abgewiesen worden. Das BAG hat sich der abweisenden Entscheidung des LAG angeschlossen. Zunächst geht das BAG in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung19 davon aus, dass der Kläger sein Verringerungsverlangen mit einem konkreten Verteilungswunsch verbunden hat, so dass der Arbeitgeber das Änderungsangebot nur einheitlich annehmen oder ablehnen konnte. Des Weiteren konstatiert das BAG, dass § 8 TzBfG anders als § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BEEG keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung bzw. ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung enthält, so dass eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung der Arbeitszeit nicht für sich betrachtet bereits einen Rechtsmissbrauch darstellt. Nur besondere Umstände, die den Schluss darauf zulassen, dass der Arbeitnehmer das ihm durch § 8 TzBfG eingeräumte Recht zweckwidrig dazu nutzen will, unter Inkaufnah-
17 BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309 Rz. 24; BAG v. 13.11.2007 - 9 AZR 36/07, NZA 2008, 314 Rz. 28; BAG v. 16.10.2007 - 9 AZR 239/07, NZA 2008, 289 Rz. 31. 18 9 AZR 786/11, NZA 2013, 1074 ff. 19 BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207 ff.
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Elternzeit: Anspruch auf zweimalige Absenkung der Arbeitszeit
me einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und einer unwesentlichen Reduzierung der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, können auf ein gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchliches Verringerungsverlangen hindeuten. Der Arbeitgeber, der den Ausnahmefall des Rechtsmissbrauchs einwendet, ist dabei für die zugrunde liegenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet. Davon ist das BAG im Streitfall in Übereinstimmung mit dem LAG ausgegangen, weil der Kläger mit seinem geringfügigen Verringerungsverlangen seiner Arbeitszeit die Garantie freier Tage jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres erreichen wollte, ohne dass ein Urlaubsantrag für diese Zeit wegen entgegenstehender Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abgelehnt werden konnte. Insoweit nutzte der Kläger eine formale Rechtsposition, um eine unabhängig vom Arbeitsvolumen in seinem Interesse liegende Arbeitszeitgestaltung durchzusetzen. Die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die betriebliche Praxis dürften sich in Grenzen halten, weil grundsätzlich nach § 8 TzBfG belanglos ist, welche privaten Gründe den Arbeitnehmer veranlassen, um eine Verringerung und eine Neuverteilung seiner Arbeitszeit nachzusuchen. Der Gesetzgeber hat für eine ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers lediglich betriebliche Gründe vorgesehen, die insbesondere anzunehmen sind, wenn die Verringerung der Arbeitszeit oder ihre Neuverteilung den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht (§ 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG). Wenn es allerdings um die Frage des Rechtsmissbrauchs geht, kann von Bedeutung sein, welche Gründe hinter dem Wunsch des Arbeitnehmers stehen, seine Arbeitszeit zu verkürzen, um mit einer zusätzlich gewünschten spezifischen Verteilung der Arbeitszeit bestimmte Eigeninteressen zu realisieren. (Boe)
5.
Elternzeit: Anspruch auf zweimalige Absenkung der Arbeitszeit
Will ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin während der Elternzeit eine Teilzeittätigkeit wahrnehmen, kann er/sie beim Arbeitgeber eine Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung nach § 15 Abs. 5 S. 1 BEEG beantragen. Über den Antrag sollen sich die Arbeitsvertragsparteien innerhalb von vier Wochen verständigen (§ 15 Abs. 5 S. 2 BEEG). Dabei bleibt das Recht des Arbeitnehmers unberührt, nach der Elternzeit zu der Arbeitszeit
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
zurückzukehren, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war (§ 15 Abs. 5 S. 2 BEEG). Außerdem sieht § 15 Abs. 6 BEEG vor, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin, soweit eine Einigung nach § 15 Abs. 5 BEEG mit dem Arbeitgeber nicht möglich ist, gegenüber dem Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner oder ihrer Arbeitszeit beanspruchen kann. Dabei hat der Antrag den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit zu enthalten. Außerdem soll die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit im Antrag angegeben werden. Will der Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, muss er dieses innerhalb von vier Wochen mit schriftlicher Begründung tun (§ 15 Abs. 7 S. 2 bis 4 BEEG). Er hat dabei die Tatsachen, aus denen sich die negative Anspruchsvoraussetzung der entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründe ergeben soll, darzulegen und zu beweisen. Der 9. Senat des BAG musste in einer Entscheidung vom 19.2.201320 der Frage nachgehen, wie das Verhältnis zwischen dem Konsensverfahren aus § 15 Abs. 5 BEEG und dem Anspruchsverfahren nach § 15 Abs. 6 BEEG abzugrenzen ist, insbesondere, ob eine im Konsensverfahren getroffene einvernehmliche Elternteilzeitregelung auf den Anspruch gemäß § 15 Abs. 6 BEEG auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen ist. Die Klägerin war bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt. Sie brachte am 5.6.2008 ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 4.6.2010 Elternzeit in Anspruch. Am 3.12.2008 vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.5.2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 1.6.2009 bis zum Ende der Elternzeit am 4.6.2010 auf wöchentlich 20 Stunden. Mit Schreiben vom 7.4.2010 nahm die Klägerin ab dem 5.6.2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Die Beklagte lehnte dies ab, weil der Klägerin nur eine zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit zustünde. Die Klägerin beanspruchte vor dem Arbeitsgericht die Verurteilung der Beklagten, ihrem Antrag, ihre Arbeitszeit weiterhin auf 20 Stunden mit der von ihr gewünschten Verteilung zu begrenzen, zuzustimmen. Mit Rechtskraft des obsiegenden Urteils gilt die Zustimmung der Beklagten zu der angebotenen Vertragsänderung durch Elternteilzeit nach § 894 S. 1 ZPO als erteilt. Während das
20 9 AZR 461/11, NZA 2013, 90 ff.
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Elternzeit: Anspruch auf zweimalige Absenkung der Arbeitszeit
ArbG die Klage für begründet hielt, hat das LAG die Klage der Klägerin abgewiesen. Das BAG hat die Entscheidung des ArbG wiederhergestellt. Die Klage der Klägerin war nicht schon deswegen unbegründet, weil sie die rückwirkende Verringerung und Neuverteilung ihrer Arbeitszeit verlangt hat. Seit Inkrafttreten des § 311a BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.200121 kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist22. Die erstrebte Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 S. 1 ZPO soll zum Abschluss eines Vertrags führen, der rückwirkend Rechte und Pflichten begründet. Das BAG geht davon aus, dass gemäß § 15 BEEG das Konsensverfahren nach § 15 Abs. 5 BEEG und das Anspruchsverfahren nach § 15 Abs. 6 BEEG voneinander zu unterscheiden sind und aufeinander aufbauen, so dass auch eine bestimmte Reihenfolge dieser Verfahren notwendig ist. Zunächst muss der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber das Konsensverfahren einleiten und sich um eine Verständigung mit dem Arbeitgeber über die gewünschte Teilzeit und ihre Lage bemühen. Nur dann, wenn eine Einigung im Konsensverfahren scheitert, wird das Anspruchsverfahren eröffnet, das der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin dadurch in Gang setzt, dass dem Arbeitgeber nunmehr ein konkretes annahmefähiges Angebot auf Verringerung und gegebenenfalls auf Verteilung der verringerten Arbeitszeit unter Hinweis auf den Anspruch nach § 15 Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 BEEG unterbreitet wird. Nach Ansicht des BAG stehen diese beiden Verfahren völlig selbstständig nebeneinander, so dass konsequenterweise die im Konsensverfahren erzielten Einigungen der Arbeitsvertragsparteien über die Teilzeit und ihre Verteilung keinen Einfluss auf das Anspruchsverfahren haben. Dann ist es folgerichtig, wenn das BAG – so im vorliegenden Streitfall – davon ausgeht, dass § 15 Abs. 5 BEEG im Konsensverfahren die Arbeitszeitverringerungen anders als § 15 Abs. 6 BEEG weder begrenzt, noch den Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin nach § 15 Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 BEEG verbraucht und damit nicht auf die darin geregelte zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen ist. Im Streitfall hatten die Parteien ihre Einigungen im Konsensverfahren erzielt, so dass die Klägerin berechtigterweise nunmehr zusätzlich auf § 15
21 BGBl. I S. 3138. 22 Nur BAG v. 15.9.2009 - 9 AZR 608/08, NZA 2010, 32 Rz. 15.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 BEEG bei ihrem weiteren Teilzeitverlangen zurückgreifen durfte. Diese Grundsätze ergänzend geht das BAG nunmehr davon aus, dass sich der Anspruch aus § 15 Abs. 6 i. V. m. Abs. 7 BEEG auch auf die Verteilung der verringerten Arbeitszeit bezieht, ungeachtet dessen, dass dies jedenfalls im Wortlaut des Gesetzes keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat23, wonach die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit im Antrag nur angegeben werden soll. Zu § 15 Abs. 7 BErzGG hatte der 9. Senat des BAG24 noch entschieden, dass die Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber in Wahrnehmung seines Weisungsrechts nach billigem Ermessen festgelegt wird (§ 106 GewO i. V. m. § 315 Abs. 3 BGB) und eine unbillige oder fehlende Leistungsbestimmung des Arbeitgebers nach § 315 Abs. 3 BGB durch das Gericht ersetzt werden kann. Diese Rechtsprechung gibt das BAG nunmehr auf, weil die Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit stets dazu führe, dass die Arbeitszeit anders verteilt werden müsse. Angesichts dessen betreffe der Begriff der „Verringerung der Arbeitszeit“ nicht nur ihren Umfang, sondern auch ihre Verteilung. Diese Bewertung werde durch Sinn und Zweck der Vorschrift abgesichert, weil die Teilerwerbstätigkeit während der Elternzeit deshalb erleichtert werden solle, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Nur eine Vertragsänderung auch hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit bewirke die notwendige Sicherheit, dass es während der Gesamtdauer der Elternteilzeit bei der im Antrag des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin angegebenen Verteilung der Arbeitszeit verbleibe. Die betriebliche Praxis wird sich auf diese Rechtsprechung des BAG einstellen müssen. Ein Arbeitgeber, der es bei der zweimaligen Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit während der Elternzeit belassen will, darf sich nicht auf das Konsensverfahren einlassen und muss den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin auf das Anspruchsverfahren verweisen, in welchem auch eine Einigung der Vertragsparteien den Anspruch verbraucht. (Boe)
6.
Altersteilzeit: Begriff der „bisherigen Arbeitszeit“
Durch Altersteilzeitarbeit soll älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Unabhängig davon, dass die Förderung der Altersteilzeit auf Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres bis zum 31.12.2009 vermindert 23 Ablehnend HWK/B. Gaul, § 15 BEEG Rz. 23. 24 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413 Rz. 41.
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Altersteilzeit: Begriff der „bisherigen Arbeitszeit“
haben, begrenzt ist, wird weiterhin unter steuerlichen Aspekten dieses Instrument des Übergangs in die Altersrente von der betrieblichen Praxis nutzbar gemacht. Dies folgt aus § 1 Abs. 3 AltTZG, wonach Altersteilzeit im Sinne dieses Gesetzes unabhängig von einer Förderung durch die Bundesagentur auch bei einer Teilzeitarbeit älterer Arbeitnehmer vorliegt, die ihre Arbeitszeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres nach dem 31.12.2009 vermindern. Während § 6 Abs. 1 AltTZG das Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeit definiert, enthält § 6 Abs. 2 AltTZG den für die Anwendung von § 2 AltTZG wichtigen Begriff der „bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit“. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist als bisherige wöchentliche Arbeitszeit die wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart wurde. In § 6 Abs. 2 S. 2 AltTZG erfährt dieser Grundsatz allerdings eine Modifizierung dahingehend, dass höchstens die Arbeitszeit zugrunde zu legen ist, die im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbart wurde. Nach der Rechtsprechung des BAG25 ist der Umfang der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit in zwei Prüfungsschritten festzustellen: Zunächst ist gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 AltTZG zu prüfen, welche Arbeitszeit mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeit zuletzt vereinbart wurde. Vereinbart im Sinne von § 6 Abs. 2 S. 1 AltTZG ist dabei die tatsächlich geschuldete Arbeitszeit, wie sie der anzuwendenden arbeitsvertraglichen Regelung zugrunde liegt. § 6 Abs. 2 S. 2 AltTZG beschränkt sodann die zugrunde zu legende Arbeitszeit auf höchstens jene, die im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbart wurde, wenn die vor dem Übergang in die Altersteilzeit festgelegte Arbeitszeit höher ausfällt. Der 9. Senat des BAG hat in einer Entscheidung vom 11.6.2013 diese Berechnungsgrundsätze für den Begriff der „bisherigen Arbeitszeit“ in § 6 Abs. 2 S. 1 AltTZG erneut bestätigt und daran festgehalten, dass höchstens die im Durchschnitt der letzten 24 Monate vereinbarte Arbeitszeit maßgebend ist. Wurde im Durchschnitt der letzten 24 Monate eine höhere Arbeitszeit erbracht als sie vor dem Übergang in die Altersteilzeit zuletzt vertraglich vorgesehen war, spielt dies daher keine Rolle. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, dessen wöchentliche Arbeitszeit mehrere Monate vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsvertrags von 38 auf 35 Wochenstunden reduziert worden war. Bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags, 25 Vgl. nur BAG v. 11.6.2013 – 9 AZR 758/11 n. v., BAG v. 15.12.2009 – 9 AZR 46/09, NZA 2010, 452 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
der einige Jahre zurück lag, war vorgesehen, dass sich die Arbeitszeit für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf die Hälfte der bisherigen Arbeitszeit von zurzeit 38 Stunden in der Woche verkürzen sollte. Der Kläger vertrat die Auffassung, die Auslegung des Altersteilzeitarbeitsvertrags ergebe die Vereinbarung einer festen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden in der Arbeitsphase, die auch der Berechnung der Vergütung zugrunde zu legen sei und machte entsprechende Zahlungsansprüche gegen die Beklagte geltend. Seine Klage war in allen Instanzen erfolglos. Das BAG ging zunächst davon aus, dass nach dem ersten Berechnungsschritt die Arbeitszeit bei Beginn der Altersteilzeit des Klägers nicht mit 38 Wochenstunden, sondern mit 35 Wochenstunden in Ansatz zu bringen war. Die „bisherige“ wöchentliche Arbeitszeit im Sinne des Altersteilzeitarbeitsvertrags i. V. m. § 6 Abs. 2 AltTZG betrug nur 35 Stunden. Da es auf die vereinbarte Arbeitszeit bei Beginn der Altersteilzeit ankommt, ist insoweit auch keine Durchschnittsberechnung vorgesehen. Der weitere Berechnungsschritt in § 6 Abs. 2 S. 2 AltTZG, wonach der Umfang der zuletzt vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbarten Arbeitszeit mit dem Durchschnittswert der in den letzten 24 Monaten vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbarten Arbeitszeit verglichen wird, begrenzt die zuletzt vereinbarte Arbeitszeit auf den ermittelten Durchschnittswert. Überschreitet dieser Durchschnittswert nicht die zuletzt vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbarte Arbeitszeit, ist nach Auffassung des BAG allein letztere maßgebend. Nach diesen Maßstäben konnte die Klage keinen Erfolg haben, weil die für ihn maßgebende wöchentliche Arbeitszeit zuletzt vor Beginn der Altersteilzeit bei 35 Stunden gelegen hatte und dieser Umfang der Arbeitszeit den Durchschnittswert der letzten 24 Monate unterschritt. Um Missverständnissen vorzubeugen, erscheint es erwägenswert, bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags, der häufig bereits mehrere Jahre zurückliegt, genauer auf § 6 Abs. 2 AltTZG hinzuweisen. (Boe)
7.
Wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, die Zahlung einer Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verknüpfen. Dieser muss allerdings hinreichend klar und verständlich zum Inhalt haben, dass die Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft gewährt wird. Der Arbeitnehmer erwirbt dann mit der entsprechenden Zusage zwar einen Anspruch, die jeweils 448
Wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen
in Rede stehende Leistung behalten zu können; im Zweifel ist eine Annahme des entsprechenden Angebots nicht erforderlich (§ 151 BGB). Der Arbeitgeber kann aber zukünftig frei darüber entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen und zugunsten welchen Personenkreises erneut entsprechende Zahlungen erfolgen sollen. Allerdings muss seine Erklärung deutlich machen, dass auch bei wiederholter Zahlung gleicher oder vergleichbarer Leistungen kein Rechtsanspruch auf die Wiederholung solcher Zahlungen entstehen soll26. Der Hinweis des Arbeitgebers, dass eine Leistung „freiwillig“ gewährt werde, stellt keinen solchen Freiwilligkeitsvorbehalt dar. Darauf hat das BAG noch einmal im Urteil vom 17.4.201327 hingewiesen. Damit werde - jedenfalls unmissverständlich – nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet sei. Ein solcher Hinweis allein genüge allerdings nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen28. Ebenso ungeeignet ist der Hinweis des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer erhalte „gegebenenfalls“ einen Bonus, über den er „jährlich“ entscheide. Eine solche Feststellung des Arbeitgebers bringt nur zum Ausdruck, dass zum Zeitpunkt der Zusage die Höhe einer entsprechenden Leistung noch nicht exakt vorhergesagt werden kann. Bei einer leistungs- oder erfolgsbezogenen Zuwendung ist dies allerdings auch ohne einen Freiwilligkeitsvorbehalt bereits dem Zweck der Leistung immanent. Damit erwirbt der Arbeitnehmer einen Anspruch, wenn die im Übrigen erkennbar werdenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind29. Kommt der Arbeitgeber auf die Idee, eine Sonderzahlung für mehrere (hintereinander geschaltete) Bezugszeiträume zu versprechen (z. B. monatlich, jährlich), ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeschlossen. In diesem Fall stünde die Zusage des Arbeitgebers, die Zahlung wiederholt vorzunehmen, im Widerspruch zu der gleichzeitigen Erklärung, der Arbeitgeber werde in jedem Bezugszeitraum neu über die Gewährung der Leistung entscheiden. Darauf war bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen worden30. In die-
26 Vgl. BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787 Rz. 18; BAG v. 20.2.2013 - 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015 Rz. 18; HWK/Thüsing, BGB § 611 Rz. 508 ff.; ErfK/Preis, BGB § 611 Rz. 224. 27 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787 Rz. 16. 28 Ebenso bereits BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015 Rz. 17; BAG v. 23.10.2002 – 10 AZR 48/02, BB 2003, 369. 29 LAG Nürnberg v. 7.11.2012 – 4 Sa 214/12 n. v. 30 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 70 f.
449
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
sem Fall ist nur ein Widerrufsvorbehalt, der die Schranken der §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB berücksichtigt, in der Lage, dem Arbeitgeber Flexibilität in Bezug auf den künftigen Leistungsumfang zu gewährleisten. Werden Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt miteinander verknüpft, führt dies indes zur Unwirksamkeit beider Vorbehalte. Denn auch eine solche Erklärung ist widersprüchlich und intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB31. Nach Auffassung des BAG in seinem Urteil vom 20.2.201332 kann eine entsprechende Intransparenz auch dann vorliegen, wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden und dies mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verknüpft wird. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien in einem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2004 auszugsweise vereinbart: §5 Urlaub/Freiwillige Sonderleistungen … Freiwillige soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt: •
Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 € pro Urlaubstag
•
Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehalts im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehalts.
•
Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 € pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.
Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft. In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Novembervergütung Weihnachtsgeld in der im Arbeitsvertrag angegebenen (gestaffelten) Höhe. Anlässlich der entsprechenden Zahlungen erhielt der Kläger jeweils ein Schreiben, in dem es u. a. hieß:
31 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZTA 2012, 81 Rz. 21 ff.; LAG Rheinland-Pfalz v. 7.9.2012 – 6 Sa 709/11 n. v. (Rz. 112). 32 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015 Rz. 14 ff., 17 ff.
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Wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen
… Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.
Als die Beklagte dem Kläger 2009 mitteilte, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne, erhob der Kläger Zahlungsklage und machte geltend, dass sich aus § 5 des Arbeitsvertrags ein entsprechender Anspruch in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts für 2009 und in Höhe von 100 % eines Monatsgehalts für 2010 ergebe. Der 10. Senat des BAG hat die klagestattgebende Entscheidung des LAG Baden-Württemberg bestätigt. Nach seiner Auffassung hat die Beklagte durch § 5 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld begründet. Nach dieser Regelung werde dem Kläger ein Weihnachtsgeld „gewährt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation „gezahlt“ werde oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation „erhalte“ sei typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs. Darüber hinaus sei die Höhe der Leistung präzise festgelegt und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils zehn Prozentpunkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts. Dass das Weihnachtsgeld als „freiwillige soziale Leistung“ bezeichnet werde, spiele – wie vorstehend bereits ausgeführt – keine Rolle. Denn damit komme lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet sei. Auch der Hinweis, dass „zur Zeit“ die im Arbeitsvertrag genannten Leistungen „gewährt“ würden, lasse nicht in der ausreichenden Klarheit erkennen, dass sich der Arbeitgeber einen völligen Entzug der Leistung vorbehalten wolle. Dies gelte insbesondere im Zusammenhang mit den konkreten Euro-Beträgen, die in Bezug auf Urlaubsgeld und Vermögenswirksame Leistungen genannt würden33. Dass der Arbeitgeber im Anschluss an diese Zusage noch einen Freiwilligkeitsvorbehalt in den Arbeitsvertrag eingebunden hatte, stand der Anspruchsentstehung nach Auffassung des BAG ebenfalls nicht entgegen. Denn diese Regelung habe gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und sei deshalb unwirksam. Sinn des Transparenzgebots sei es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Ansprüche abgehalten werde. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege deshalb schon dann vor, wenn der
33 BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015 Rz. 17.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit habe, die betreffende Regelung zu verstehen. Denn auch in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnehme, liege eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Hiervon sei vorliegend auszugehen, wenn der Arbeitgeber einen an sich klaren Freiwilligkeitsvorbehalt mit der vorangehenden Zusage verbinde, gegenwärtig und – hiervon sei im Wege der Auslegung auszugehen – auch in Zukunft bestimmte Leistungen gewähren zu wollen34. Da der 10. Senat des BAG im Urteil vom 20.2.201235 auf der Grundlage seiner vorstehend wiedergegebenen Überlegungen bereits von einem vertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers ausgegangen war, musste er zu Recht zu dem Ergebnis kommen, dass die bei Auszahlung der entsprechenden Sonderzahlungen durch den Arbeitgeber erklärten Freiwilligkeitsvorbehalte keine nachträgliche Änderung des Arbeitsvertrags bewirken konnten. Insbesondere war das Schweigen des Arbeitnehmers auf entsprechende Erklärungen des Arbeitgebers nicht als Annahme gemäß § 151 BGB anzusehen. Die vorstehend wiedergegebenen Entscheidungen machen noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, bereits bei der Vorbereitung von Formulararbeitsverträgen sorgfältig die aktuelle Rechtsprechung des BAG zur AGBKontrolle auszuwerten. Fehler, die im Arbeitsvertrag gemacht werden, können im Nachgang nicht mehr einseitig abgeändert werden. Soweit das BAG in seinem Urteil vom 5.3.201336 die Möglichkeit aufgezeigt hat, arbeitsvertragliche Regelungen nachträglich durch Betriebsvereinbarung abzuändern37, dürfte diese Rechtsprechung in Zukunft auch durch das BAG noch einmal kritisch bewertet werden. Auf den nach dieser Entscheidung eröffneten Gestaltungsspielraum sollte sich die Praxis jedenfalls nicht verlassen. (Ga)
8.
Urlaub an Feiertagen?
Soweit Feiertage mit gesetzlichem Urlaub kollidieren können, hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 BUrlG geregelt, dass als Werktage im Sinne des gesetzlichen Urlaubs nach § 3 Abs. 1 BUrlG alle Kalendertage gelten, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Ob das Bundesurlaubsgesetz
34 35 36 37
BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015 Rz. 18 ff. 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015 Rz. 21. 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 ff. Vgl. Boewer, AktuellAR 2013, 503 ff.
452
Urlaub an Feiertagen?
damit eine Anrechnung von gesetzlichen Feiertagen mit Arbeitsverpflichtung auf den Erholungsurlaub untersagt, war Gegenstand einer Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 15.1.201338. Die Parteien stritten darüber, ob an gesetzlichen Feiertagen Urlaub mit erfüllender Wirkung gewährt werden kann. Der für den Kläger maßgebende Tarifvertrag sah vor, dass bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 29 Arbeitstage und nach dem vollendeten 55. Lebensjahr 30 Arbeitstage beträgt. Die Dienstpläne der Beklagten verteilten die Arbeitszeit auch auf Sonntage und auf gesetzliche Feiertage. Sofern der Kläger an einem Feiertag dienstplanmäßig eingeteilt war und dieser Tag in seinen Erholungsurlaub fiel, rechnete die Beklagte diesen Tag als gewährten Urlaubstag ab. Der Kläger war dagegen der Auffassung, dass die Beklagte gesetzliche Feiertage, an denen er ohne Urlaubsgewährung zur Arbeit verpflichtet wäre, nicht auf seinen Jahresurlaub anrechnen dürfe. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Das BAG39 hat bereits bei früherer Gelegenheit die Auffassung vertreten, dass die in § 3 Abs. 2 BUrlG getroffene Definition der Werktage als Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind, darauf angelegt ist, den gesetzlichen Freistellungszeitraum zu sichern. Muss der Arbeitnehmer an diesen Tagen arbeiten, sind sie urlaubsrechtlich wie Werktage zu behandeln. An diese Rechtsprechung knüpft das BAG an und führt dazu aus, dass urlaubsrechtlich die Feiertage nur dann von Bedeutung sind, wenn die übliche Arbeitszeit schon durch einen Feiertag ausfällt und deshalb das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist. Dieser Tag steht dann notwendigerweise nicht für eine Urlaubsgewährung zur Verfügung, zumal der Arbeitnehmer an diesem Tag keine Arbeitsleistung zu erbringen hat40. § 3 Abs. 2 BUrlG will lediglich bewirken, dass eine Verkürzung des Urlaubsanspruchs durch die Einbeziehung von Tagen erfolgt, an denen keine Arbeitspflicht besteht. Diese Bewertung orientiert sich zu Recht daran, dass die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht voraussetzt. Eine derartige Freistellungserklärung ist auch an den gesetzlichen Feiertagen erforderlich, an denen der Arbeitnehmer ansons-
38 9 AZR 430/11, NZA 2013, 1091 ff. 39 BAG v.15.11.2005 – 9 AZR 626/04, ZTR 2006, 390 Rz. 40; BAG v. 11.8.1998 - 9 AZR 111/97 n. v. 40 So schon BAG v. 9.9.2003 - 9 AZR 468/02, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6 Rz. 88.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
ten arbeiten müsste, weil er sonst seinen Urlaub unterbrechen und die Arbeitsleistung zu erbringen hätte. Nach Ansicht des BAG betrifft der hier einschlägige Tarifvertrag (TVöD), der Urlaubstage als Arbeitstage bezeichnet, davon keine abweichende Regelung, weil damit als Urlaubstage alle Tage einbezogen werden müssen, an denen der Arbeitnehmer sonst zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 2 EFZG besteht schon deswegen nicht, weil die Arbeitszeit nicht wegen des Feiertags, sondern wegen des Urlaubs ausfällt. Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung des BAG vor allem dort von Bedeutung, wo schichtplanmäßig an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird und derartige Tage in die Urlaubszeit des Arbeitnehmers fallen. Der Verbrauch des Urlaubsanspruchs auch an diesen Tagen hindert freilich weder die Tarifvertragsparteien noch die Arbeitsvertragsparteien daran, eine zusätzliche Kompensation dieser Tage durch bezahlte Freistellung von der Arbeit vorzusehen. Keine Bedeutung hat in diesem Zusammenhang § 11 Abs. 3 ArbZG. Danach müssen Arbeitnehmer, die an einem Sonntag beschäftigt werden, einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von zwei Wochen zu gewähren ist. Werden Arbeitnehmer an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von acht Wochen zu gewähren ist. Diese gesetzliche Regelung setzt eine Beschäftigung am Sonn- oder Feiertag voraus, die wegen der Urlaubserteilung gerade nicht stattfindet. Soweit es um die Entgeltfortzahlung an Feiertagen geht, sieht § 2 Abs. 1 EFZG vor, dass für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen hat, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Von dieser mit Unabdingbarkeitscharakter ausgestatteten Regelung kann weder durch den Arbeitsvertrag noch durch eine tarifliche Regelung zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 12 EFZG). Der Anspruch auf Feiertagsvergütung setzt allerdings voraus, dass der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen ist41. So besteht ein Anspruch auf Feiertagsvergütung für den Arbeitnehmer, wenn es für den Arbeitsausfall keinen anderen Anlass gibt, als dass an einem Wochenfeiertag nicht gearbeitet werden darf. Ob in Feiertage hineinreichende Schichten keine Feiertagsschichten sind und damit der Ursachenzusammenhang zwi41 BAG v. 24.10.2001 - 5 AZR 245/00, DB 2002, 1110 Rz. 12.
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Urlaub an Feiertagen?
schen Feiertag und Arbeitsausfall zu verneinen ist, hatte das BAG in einer Entscheidung vom 5.5.201342 zu beurteilen. Die Beklagte, die Erzeugnisse der Tagespresse herstellt, praktizierte ein Schichtplansystem, das jeweils die Tage Sonntag bis Freitag einschließlich Feiertage umfasst. In der am Sonntagabend beginnenden Schicht wird die jeweilige Montagsausgabe hergestellt. Nach dem Schichtplan war der Kläger für die am Ostersonntag und am Pfingstsonntag jeweils um 20:00 Uhr beginnenden und am darauf folgenden Montag um 4:00 Uhr endenden Schichten eingeteilt. Die Beklagte rief mit der Begründung, dass am Oster- und Pfingstmontag keine Zeitung erscheine und deshalb das Sonntagsarbeitsverbot eingreife, die Arbeitsleistung des Klägers nicht ab und zahlte für diese Schichten keine Vergütung. Der Kläger hat für diese Schichten Feiertagsvergütung nebst Zuschlägen geltend gemacht. Im Ergebnis stritten die Parteien darüber, ob die Arbeit feiertagsbedingt ausgefallen war. Das BAG hat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen der Klage gemäß § 2 Abs. 1 EFZG entsprochen, weil es davon ausgeht, dass im Streitfall der jeweilige Feiertag der alleinige Grund für den Arbeitsausfall gewesen ist. In diesem Zusammenhang weist das BAG darauf hin, dass auch eine durch Tarifvertrag vorgesehene abweichende Bestimmung des Ursachenzusammenhangs zwischen Arbeitsausfall und Feiertag gegen § 12 EFZG verstieße und damit unwirksam wäre. Für den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 EFZG geht das BAG davon aus, dass in dem Falle, in dem eine der Schichten vor 24:00 Uhr des einen Tages beginnt und im Laufe des folgenden Tages endet, der Arbeitgeber auch für eine solche Schicht den vollen Lohnausfall zu tragen hat, wenn die Schicht wegen der Feiertagsruhe ausfällt. Sie fiele dann infolge des Feiertags aus, ohne dass es auf die zeitliche Lage der Schicht am Feiertag ankäme. Damit gibt der 5. Senat des BAG seine früher anders lautende Rechtsprechung43 auf, wonach die Arbeitsbefreiung aus Anlass eines Vorfesttags keinen Arbeitsausfall infolge eines gesetzlichen Feiertags darstellen sollte, weil § 2 Abs. 1 bis Abs. 3 EFZG die Entgeltfortzahlung an Feiertagen regelte, nicht aber an anderen Tagen im Zusammenhang mit Feiertagen. (Boe)
42 5 AZR 139/12, NZA 2013, 974 ff. 43 BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 1036/06, ZTR 2008, 434 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
9.
Schadensersatzanspruch bei Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung
Der Anspruch auf bezahlten Urlaub (§ 1 BUrlG) ist ein gesetzlich vorgegebener Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Er entsteht nach Ablauf der Wartezeit mit Beginn des jeweiligen Urlaubsjahres und erlischt mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern er nicht vom Arbeitnehmer so rechtzeitig geltend gemacht wird, dass er noch vorher vom Arbeitgeber erfüllt werden kann. Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs von der Arbeitspflicht zu befreien44. Der EuGH45 hat daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG46 erkannt, dass der von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleistete Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen auch entsteht, wenn der Arbeitnehmer im gesamten Bezugszeitraum oder in Teilen davon arbeitsunfähig erkrankt ist. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG, der den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub betrifft, ist dabei nach der Rechtsprechung des EuGH47 als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, der ausdrücklich in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Die Gewährung und Erfüllung des Urlaubsanspruchs wird durch § 7 BUrlG näher konkretisiert, wonach in den Absätzen 1 und 2 Erfüllungsfragen des entstandenen Urlaubsanspruchs geregelt werden, in Abs. 3 unter anderem die Befristung des Urlaubsanspruchs auf das laufende Kalenderjahr und seine Übertragung und Befristung auf das nächste Kalenderjahr vorgegeben werden, und in Abs. 4 der Urlaubsabgeltungsanspruch festgelegt wird. Als Gläubiger des Urlaubsanspruchs muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber ausdrücklich auf Urlaubserteilung in Anspruch nehmen und ihn auffordern, den Urlaub zeitlich festzulegen48. Der Arbeitgeber ist nach § 7 Abs. 1 BUrlG keineswegs verpflichtet, den Urlaub des Arbeitnehmers von sich aus festzulegen. Das gilt im unangefochten
44 BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 760/11, DB 2013, 2155 ff.; BAG v. 17.5.2011 – 9 AZR 197/10, DB 2012, 182 Rz. 21; BAG v. 13.10.2009 - 9 AZR 763/08 n. v. 45 EuGH v. 20.1.2009 - C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 ff. – Schultz-Hoff. 46 BAG v. 21.6.2005 - 9 AZR 200/04, AiB 2007, 55 ff. 47 EuGH v. 13.6.2013 – C-415/12, NZA 2013, 775 ff. - Bianca Brandes. 48 BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 571/00 n. v.
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Schadensersatzanspruch bei Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung
bestehenden Arbeitsverhältnis, aber auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist49. Allein die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat im Regelfall nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt50. Diese rechtliche Bewertung schließt freilich nicht aus, dass der Arbeitgeber von sich aus dem Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis auch ohne entsprechenden Antrag den Urlaub erteilen und als Naturalurlaub in die Kündigungsfrist legen kann, um zu vermeiden, dass im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusätzlich neben der Entgeltfortzahlung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein Urlaubsabgeltungsanspruch zu gewähren ist51. Der Arbeitgeber ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG ohne zuvor geäußerten Urlaubswunsch auch nicht dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer anzuhören oder seine Urlaubswünsche zu erfragen. Ein vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch ist nicht Voraussetzung des Rechts des Arbeitgebers, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Allerdings steht dem Arbeitnehmer insoweit eine Annahmeverweigerungsrecht zu. Ein Urlaubsanspruch ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber den Urlaub erteilt und der Arbeitnehmer ihn genommen hat (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG). Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird52. Legt der Arbeitgeber dabei die zeitliche Periode des Urlaubs während der Freistellung nicht fest, ist dies für die Erfüllungswirkung des Urlaubsanspruchs unschädlich (§ 362 Abs. 1 BGB), weil der Arbeitnehmer davon ausgehen darf, ihm werde durch den Arbeitgeber überlassen, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen53. Gewährt der Arbeitgeber den von ihm im Verlaufe des Kalenderjahrs geschuldeten Urlaub nicht, obwohl der Arbeitnehmer einen solchen rechtzeitig verlangt hat, so verfällt der Urlaubsanspruch kraft Gesetzes nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres. Der verfallene Urlaubsanspruch wandelt sich dann in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist54. Wenn
49 50 51 52 53 54
So bereits BAG 21.9.1999 - 9 AZR 705/98, DB 2000, 261 Rz. 17. BAG v. 18.9.2001 - 9 AZR 571/00 n. v. BAG v. 24.3.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 59 ff. BAG v.16.7.2013 - 9 AZR 50/12 n. v. BAG v.16.7.2013 - 9 AZR 50/12 n. v. BAG v. 17.5.2011 - 9 AZR 197/10, DB 2012, 182 Rz. 11.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
der Schuldner gemäß § 275 Abs. 1 BGB nicht zu leisten braucht, bestimmen sich die Rechte des Gläubigers gemäß § 275 Abs. 4 BGB. Danach kann der Schuldner der nachträglich unmöglich gewordenen Leistungspflicht nach §§ 280, 283 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein. Nur dann, wenn die Freistellung unmöglich wird, ohne dass der Arbeitgeber die Unmöglichkeit zu vertreten hat, ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Der durch die Festlegung des Arbeitgebers konkretisierte Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers ist in einem solchen Falle nach §§ 243 Abs. 2, 275 Abs. 1 BGB ersatzlos untergegangen55. Über einen derartigen Ersatzurlaubsanspruch des Arbeitnehmers hatte der 9. Senat des BAG im Urteil vom 14.5.201356 zu entscheiden. Die Beklagte hatte dem Kläger ordentlich zum 30.9.2006 gekündigt. Mit der dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage machte der Kläger seinen Urlaubsanspruch geltend. Der Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig entsprochen. Da die Parteien in der Folgezeit weitere Rechtsstreitigkeiten führten, erteilte die Beklagte dem Kläger in der Zeit vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2008 keinen Urlaub. Mit Schreiben vom 15.2.2012 stellte die Beklagte den Kläger unter Anrechnung auf noch bestehende Urlaubsansprüche frei mit Hinweis darauf, dass außerhalb der für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewährten Freistellung § 615 S. 2 BGB Anwendung findet. Unter dem 30.1.2013 erfolgte eine weitere Freistellung des Klägers unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche für die Jahre 2006 bis 2008, wobei die Freistellung ebenfalls mit dem Hinweis der Anrechnung anderweitigen Verdienstes außerhalb der Urlaubserteilung verbunden war. Der Kläger verlangte weiterhin von der Beklagten im Klagewege die Erteilung bezahlten Ersatzurlaubs von jeweils 30 Arbeitstagen aus den Jahren 2006 bis 2008. Das BAG hat im Gegensatz zu den Vorinstanzen der Klage des Arbeitnehmers entsprochen. Dabei ist das BAG davon ausgegangen, dass die Klage gemäß §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3, 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB begründet ist. Da die Beklagte dem Kläger den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt hat, wandelte sich dieser in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet war. Die Urlaube des Klägers aus den Jahren 2006 bis 2008 verfielen jeweils nach Ablauf des für sie maßgebenden Urlaubsjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG). Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte jeweils mit der Urlaubsgewährung in Verzug geraten, ohne dass es einer zusätzlichen Mah55 BAG v. 21.1.1997 - 9 AZR 791/95, NZA 1997, 889 Rz. 16. 56 9 AZR 760/11, DB 2013, 2155 ff.
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Schadensersatzanspruch bei Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung
nung des Klägers bedurfte. Grundsätzlich kommt der Schuldner durch die Mahnung des Gläubigers in Verzug, wenn er auf eine Mahnung, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB tritt der Verzug auch ohne Mahnung ein, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Davon geht das BAG aus, weil der Arbeitgeber rechtlich nicht gehindert sei, einem Arbeitnehmer in einem nicht wirksam gekündigten und damit fortbestehenden Arbeitsverhältnis vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu erteilen. Nimmt der Arbeitgeber davon Abstand, ist sein Verhalten als Verweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu qualifizieren. Mangels besonderer Umstände kann nach Ansicht des BAG der Arbeitnehmer davon ausgehen, der Arbeitgeber werde ihm keinen Urlaub gewähren, so dass sich die Abmahnung in diesem Falle als bloße Förmelei erwiese. Die Besonderheit der Fallkonstellation lag jedoch darin, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge mit der Maßgabe des § 615 S. 2 BGB von der Arbeit unter Anrechnung auf den Urlaub freigestellt hatte. Darin hatten die Vorinstanzen eine Erfüllung des noch ausstehenden Ersatzurlaubs für die Jahre 2006 bis 2008 gesehen. Das BAG ist dieser Bewertung nicht gefolgt, weil die Freistellungserklärungen keine Konkretisierung enthielten, an welchen Tagen die Beklagte den Kläger zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub und an welchen Tagen sie ihn zu anderen Zwecken von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellen wollte, weil die Freistellung zu anderen Zwecken ausdrücklich unter Anrechnung auf den Zwischenverdienst erfolgt war. Der Auffassung des BAG ist zu folgen, weil die Möglichkeit der Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 S. 2 BGB voraussetzt, dass der Arbeitgeber nach § 615 S. 1 BGB unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die vereinbarte Vergütung (§ 611 S. 1 BGB) fortzuzahlen hat. Ist der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit, kann er dem Arbeitgeber seine Dienste nicht anbieten, so dass dem Arbeitgeber auch keine Mitwirkungshandlung nach § 296 BGB obliegt. Dies gilt zweifelsfrei für die Dauer eines dem Arbeitnehmer erteilten Urlaubs. Dem Arbeitnehmer wird damit für diesen Zeitraum ein Arbeitsangebot nach § 297 BGB unmöglich, so dass der Arbeitgeber auch nicht in Gläubigerverzug geraten kann. Behält sich daher der Arbeitgeber im Falle der Freistellung die Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Vergütung aus Annahmeverzug vor, muss konkretisiert werden, welche Zeiträume auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ohne Annahmeverzug entfallen. Die betriebliche Praxis muss in Anbetracht dieser Rechtsprechung des BAG den Arbeitnehmer zum Zweck der Urlaubserteilung nicht nur unwiderruflich 459
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
von der Arbeit freistellen und dies auch bei einer Freistellung während der Kündigungsfrist beachten, sondern auch bei dem Vorbehalt der Anrechnung anderweitigen Verdienstes eine konkrete Festlegung des Urlaubs vornehmen. Erfolgt eine derartige Freistellung in einem Aufhebungsvertrag oder durch gerichtlichen Vergleich, ist zusätzlich zu bedenken, dass die Anrechnung anderweitigen Verdienstes bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist das gesetzliche Wettbewerbsverbot aufhebt57, so dass es aus Sicht der Arbeitgeberseite angezeigt ist, den Fortbestand des Wettbewerbsverbots während der Restlaufzeit des Arbeitsvertrags ausdrücklich festzulegen. (Boe)
10. Ausschlussfristen und Ausgleichsklausel bei der Urlaubsabgeltung Grundsätzlich ist der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers auf das laufende Kalenderjahr befristet. Wie § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG vorsieht, muss der gesetzliche Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss dann der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 S. 2 und 3 BUrlG). Durch unionskonforme Auslegung auf der Grundlage von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG58, die durch eine Entscheidung des EuGH vom 20.1.200959 veranlasst wurde, ist § 7 Abs. 3 S. 2 und 3 BUrlG dahin auszulegen, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder des festgelegten Übertragungszeitraums nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte60. Diese rechtliche Vorgabe betrifft nur den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG bzw. § 3 Abs. 1 BUrlG. Daher können die Tarifvertragsparteien, aber auch die Parteien des Einzelarbeits57 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 Rz. 22 ff. Allgemein zum Wettbewerbsverbot: BAG v. 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, DB 2010, 1709 ff. 58 ABl. L 299 v. 18.11.2003, S. 9 bis 19. 59 C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 - Schultz-Hoff. 60 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rz. 48 unter Aufgabe von BAG v. 21.6.2005 9 AZR 200/04, AiB 2007, 55 ff.
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Ausschlussfristen und Ausgleichsklausel bei der Urlaubsabgeltung
vertrags Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln und einem anderen rechtlichen Schicksal als den Mindesturlaubsanspruch unterwerfen61. So dürfen etwa die Tarifvertragsparteien vorsehen, dass ein tariflicher Zusatzurlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden kann, spätestens bis zum 31. Mai angetreten werden muss. Eine derartige Fallkonstellation war Gegenstand der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 12.3.201362. Es ging um die Frage, ob ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung von Naturalurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, wenn es sich um tariflichen Mehrurlaub handelt, der aufgrund einer vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses liegenden Befristungsklausel in natura bereits erloschen war. Der Kläger, der im Zeitraum vom 30.5. bis zum 30.9.2008 arbeitsunfähig krank war, hatte drei Arbeitstage tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahre 2007 in das Jahr 2008 übertragen. In dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag war vorgesehen, dass ein übertragener Urlaub bis zum 31.5. des folgenden Kalenderjahres anzutreten war. Nach dem Ausscheiden am 30.9.2008 beanspruchte der Kläger für diesen dreitägigen Urlaub eine Urlaubsabgeltung von der Beklagten. Das BAG hat in Übereinstimmung mit der Vorinstanz einen Abgeltungsanspruch für den noch nicht erfüllten tariflichen Mehrurlaubsanspruch aus dem Jahre 2007 verneint, weil dieser aufgrund der spezifischen tarifvertraglichen Regelung bereits am 31.5.2008 als Naturalurlaubsanspruch untergegangen war und deshalb bei der Beendigung des Arbeitsvertrags nicht mehr abgegolten werden konnte. Dies galt – wie das BAG zu Recht betont – unabhängig davon, ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krank war. Der übergesetzliche tarifliche Urlaubsanspruch ging am Ende des verlängerten Übertragungszeitraums unter, weil darin eine vollkommen eigenständige Regelung von den Tarifvertragsparteien getroffen worden war, die deutlich von der Übertragungsfrist des § 7 Abs. 3 BUrlG abwich. Damit erledigte sich der Naturalurlaubsanspruch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so dass eine entsprechende Abgeltung nicht mehr in Betracht kam. Eine weitere Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 14.5.201363 bezieht sich auf die Frage, ob eine so genannte Ausgleichsklausel in einem gerichtlichen Vergleich als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis im Sinne 61 So bereits grundsätzlich BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 ff. 62 9 AZR 292/11, BB 2013, 1076 ff. 63 9 AZR 844/11, NZA 2013, 1098 ff.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
von § 397 Abs. 2 BGB gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche erfassen kann. Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers entsteht ausschließlich dann, wenn der Naturalurlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Vom Tod des Arbeitnehmers abgesehen64 entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsvertrages und unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt arbeitsfähig ist oder nicht65. Nachdem das BAG66 den Charakter des Abgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruchs insgesamt aufgegeben und als reinen Geldanspruch angesehen hat, dessen Erfüllbarkeit nicht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers abhängt und der nicht dem Fristenregime des BUrlG unterliegt, hat es nunmehr konsequenterweise auch den Untergang des Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses bejaht67. Der Fall betraf einen Kläger, der seit Januar 2006 arbeitsunfähig krank war und dem von der Beklagten zum 30.6.2009 gekündigt worden war. Am 29.6.2010 schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht einen Vergleich, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.6.2009 vorsah, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 11.500,- € brutto gezahlt wurde und im Rahmen einer Ausgleichsklausel vorgesehen war, dass mit der Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund und ob bekannt oder unbekannt, erledigt sein sollten. Der Kläger nahm die Beklagte anschließend auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Anspruch unter Hinweis darauf, er habe im Prozessvergleich auf den gesetzlichen Mindesturlaubsabgeltungsanspruch nicht wirksam verzichten können. Im Gegensatz zur Entscheidung des LAG Sachsen68 und der früheren Rechtsprechung des BAG69, wonach der Arbeitnehmer im Hinblick auf § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG nach beendetem Arbeitsverhältnis auf einen gesetzlichen Ab-
64 BAG v. 20.9.2011- 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326 Rz. 14 ff. 65 EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2012, 326 – KHS; EuGH v. 20.1.2009 C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 ff. 66 BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087 Rz. 15. 67 BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 844/11, NZA 2013, 1098 Rz. 10 ff. 68 Sächsisches LAG v. 26.5.2011 - 9 Sa 86/11 n. v. 69 BAG v. 31.05.1990 - 8 AZR 132/89, NZA 1990, 935 ff.; BAG v. 21.7.1978 – 6 AZR 1/77, DB 1978, 2323 ff.
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Ausschlussfristen und Ausgleichsklausel bei der Urlaubsabgeltung
geltungsanspruch, dessen tatsächliche und rechtliche Grundlagen außer Streit stehen, nicht rechtswirksam durch Erlassvertrag oder durch ein negatives Schuldanerkenntnis verzichten kann, geht das BAG nunmehr davon aus, dass ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis den Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung einschließt. § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG, wonach von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes, abgesehen von § 7 Abs. 2 S. 2 BUrlG, zu Ungunsten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden kann, stehe dem Untergang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Nach Ansicht des BAG wird der Schutzzweck des gesetzlichen Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruchs nur dann verfehlt, wenn der entsprechende Anspruch während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Da der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr als reiner Geldanspruch zu qualifizieren ist und sich demgemäß von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nicht unterscheide, soll der Schutz des Arbeitnehmers aus § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Funktion verlieren, so dass der Anspruch auf Abgeltung grundsätzlich von tariflichen Ausschlussfristen erfasst wird70 und an die Stelle der nicht fristgerechten Geltendmachung auch der Verzicht treten kann. Eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, mit der dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsabgeltungsanspruch entzogen wird, begegnet auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG71 keinen rechtlichen Bedenken, sofern der Arbeitnehmer die tatsächliche Möglichkeit hatte, den Anspruch vor dessen Untergang zu realisieren72. Das ist der Fall, wenn die Arbeitsvertragsparteien erst nach Beendigung ihrer arbeitsvertraglichen Beziehungen eine Ausgleichsklausel vereinbaren, die auch den Urlaubsabgeltungsanspruch erfasst. Diese Weiterentwicklung der Rechtsprechung des BAG ist für die betriebliche Praxis durchaus von Bedeutung, weil in der Vergangenheit gelegentlich zu der durchaus zweifelhaften Konstruktion eines Tatsachenvergleichs gegriffen wurde, um über diesen Weg neben der Zahlung einer Abfindung die Zahlung einer Urlaubsabgeltung zu vermeiden. Allerdings gilt es zu bedenken, dass im Falle beiderseitiger Tarifbindung ein aus dem Tarifvertrag herzuleitender Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 4 Abs. 4 S. 1 TVG nur in ei70 BAG v. 21.2.2012 – 9 AZR 486/10, NZA 2012, 75 Rz. 18. 71 ABl. EU L 299 v. 18.11.2003 S. 9. 72 Vgl. EuGH v. 22.11.2011 - C-214/10, DB 2011, 2722 – KHS.
463
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
nem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich verzichtbar ist. (Boe)
11.
Keine Quotierung erworbener Urlaubsansprüche bei Wechsel von Vollzeitarbeit in Teilzeitarbeit
Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG73 und h. M. im Schrifttum74 richtet sich die Dauer des gesetzlichen Urlaubsanspruchs aus § 3 Abs. 1 BUrlG grundsätzlich danach, an wie vielen Arbeitstagen der Arbeitnehmer wöchentlich arbeitet. Arbeitet er von Montag bis einschließlich Samstag, beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch 24 Werktage, arbeitet der Arbeitnehmer hingegen in der Fünftagewoche, dann wird der vierwöchige Urlaubsanspruch dadurch erfüllt, dass dem Arbeitnehmer 20 Arbeitstage Urlaub gewährt werden. Diese Berechnungsmethode hat der Gesetzgeber in § 125 Abs. 1 SGB IX für den Zusatzurlaub von schwerbehinderten Menschen übernommen75. Beläuft sich eine regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage, erfolgt eine entsprechende Kürzung des Urlaubs nach dem Tageprinzip, so dass etwa bei einer Dreitagewoche dem Arbeitnehmer noch 12 gesetzliche Urlaubstage zustehen. Problematisch kann allerdings sein, wenn sich im Verlauf eines Kalenderjahres die Verteilung der Arbeitszeit auf weniger oder auch auf mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche ändert. Das BAG76 ist in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass sich entsprechend die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs verkürzt oder verlängert. Dies hat zur Konsequenz, dass dann jeweils unter Berücksichtigung der nunmehr für den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit die Dauer des Urlaubsanspruchs neu zu berechnen ist. In gleicher Weise will das BAG verfahren, wenn sich die Verteilung der Arbeitszeit im Übertragungszeitraum geändert hat und dem Arbeitnehmer aus dem vorangegangenen Kalenderjahr noch ein Resturlaub zusteht. Dieser muss dann unter Berücksichtigung der Neuverteilung der Arbeitszeit angepasst werden. Hätte etwa ein Arbeitnehmer bei einer Tätigkeit in der Fünftagewoche einen Resturlaub von zehn Tagen in das nächste Kalenderjahr, in dem er nur an drei Tagen in der Woche arbeitet, übertragen, würde sich der gesetzliche Urlaubsanspruch insgesamt
73 74 75 76
BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 ff. Vgl. nur die Nachweise ErfK/Gallner, § 3 BUrlG, Rz. 8, 13, 15. BAG v. 8.5.2001 - 9 AZR 240/00, NZA 2001, 12 Rz. 30 ff. BAG v. 28.4.1998 - 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 Rz. 39.
464
Keine Quotierung erworbener Urlaubsansprüche bei Wechsel
auf 18 Tage (20 +10 = 30 : 5 = 6 x 3) belaufen und damit der Resturlaub aus dem Vorjahr von 10 auf 6 Tage reduziert werden. Durch Beschluss vom 13.6.2013 hat der EuGH77 auf Vorlage des ArbG Nienburg aufgrund von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG i. d. F. der Richtlinie 98/23/EG entschieden, dass es nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach denen die Zahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht. Der EuGH betont zunächst, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist und ausdrücklich in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird78. Aus dieser Bewertung zieht der EuGH den Schluss, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht restriktiv ausgelegt werden darf. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Gerichtshofs vom 22.4.2010 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols)79 führt der EuGH aus, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit steht und demgemäß bei einer Verringerung der Arbeitszeit beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung der Anspruch auf Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben hat, nicht gemindert oder mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbraucht werden darf. Dies gilt ungeachtet dessen, dass nach Ansicht des EuGH der in § 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit genannte Pro-ratatemporis-Grundsatz auf die Gewährung des Jahresurlaubs für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung anzuwenden ist. Dieser Grundsatz könne jedoch nicht nachträglich auf einen Anspruch auf Jahresurlaub übertragen werden, der in einer Zeit der Vollbeschäftigung erworben worden sei. Diese Aussage des
77 C-415/12, NZA 2013, 775 - Brandes; vgl. bereits EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. 78 EuGH v. 8.11.2012 – C-229/11 - Heimann und - C-230/11 - Toltschin, NZA 2012, 1273. 79 NZA 2010, 557 ff.
465
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
EuGH wird allerdings mit dem Hinweis verknüpft, dass dies nur dann gilt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, während des Bezugszeitraums diesen Anspruch zu realisieren. In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es um Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub von 29 Arbeitstagen, die während der Vollzeit der Klägerin entstanden waren, jedoch aus Gründen eines mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängenden Beschäftigungsverbots, der anschließenden Mutterschutzfrist und der darauf folgenden Elternzeit nicht genommen werden konnten und nunmehr während einer Teilzeitbeschäftigung im Umfange von drei Arbeitstagen pro Woche vom beklagten Arbeitgeber auf 17 Urlaubstage reduziert wurden. Als Resümee dieser Entscheidung des EuGH ist davon auszugehen, dass das BAG seine anders lautende Rechtsprechung unter unionsrechtlichen Aspekten anpassen muss, soweit der gesetzliche Urlaubsanspruch in Rede steht80. Dies gilt vorab für die betriebliche Praxis, die sich bereits jetzt auf die vom EuGH vorgenommene Bewertung einzustellen hat. Eine nicht weniger bedeutsame Entscheidung des EuGH vom 8.11.201281 auf Vorlage des ArbG Passau betrifft die Frage, ob der Pro-rata-temporisGrundsatz, wonach bei Teilzeitarbeit der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis der Anzahl der Wochenarbeitstage zur Vollarbeitszeit angepasst werden kann, auch auf die Kurzarbeit übertragbar ist. Der Fall betraf eine Personalabbauentscheidung des Arbeitgebers, bei der ein Sozialplan vorsah, die Arbeitsverträge der entlassenen Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der jeweiligen Kündigungsfrist im Wege von „Kurzarbeit Null“ unter Zahlung von Kurzarbeitergeld um ein Jahr befristet zu verlängern. Die Betriebsvereinbarung sah außerdem vor, dass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Ablaufens der vereinbarten Befristungen die Urlaubsansprüche eingebracht sind. Der Kläger verlangte nach Beendigung der Kurzarbeit von der Beklagten die Bezahlung einer Urlaubsabgeltung. Die Beklagte berief sich darauf, dass der Kläger während der Dauer der „Kurzarbeit Null“ keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erworben habe. Das ArbG Passau82 wollte vom EuGH wissen, ob Art. 31 Abs. 2 der Charta bzw. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen sind, dass im Falle der Verringerung der zu leistenden Arbeitstage pro Woche auf null infolge rechtmäßiger Anordnung von „Kurzarbeit Null“ der Anspruch des Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub insoweit 80 So auch Kock/Heyde, BB 2013, 2938, 2939. 81 C-229/11 - Heimann und - C-230/11 - Toltschin, NZA 2012, 1273. 82 v. 13.4.2011 - 1 Ca 62/11, BB 2012, 1162; vgl. dazu Rudkowski, NZA 2012, 74.
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Keine Quotierung erworbener Urlaubsansprüche bei Wechsel
pro rata temporis auf null angepasst wird und der Kurzarbeiter damit während der „Kurzarbeit Null“ keinen Urlaubsanspruch erwirbt. Zunächst betont der EuGH, dass sich der vom Unionsrecht gewährleistete Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht verringert, wenn er seiner Arbeitspflicht wegen einer Erkrankung im Bezugszeitraum nicht nachkommen konnte. Der vorliegende Fall ist jedoch nach Ansicht des EuGH anders zu beurteilen, weil die Lage des Arbeitnehmers mit „Kurzarbeit Null“ mit der eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers vergleichbar ist. Anders als im Falle einer Erkrankung könne sich auch der von „Kurzarbeit Null“ betroffene Arbeitnehmer während der Kurzarbeit ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen. Aus dem Umstand, dass im Falle der Kurzarbeit die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung suspendiert seien, folgert der EuGH, dass Kurzarbeiter als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer“ anzusehen sind. Da der Pro-rata-temporisGrundsatz für die Beschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten gilt, wo dies angemessen ist, ist nach Auffassung des EuGH für diese Zeit die Minderung des Anspruchs auf Jahresurlaub gegenüber dem bei Vollzeitbeschäftigung bestehenden Anspruch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Angesichts der vorstehenden Erwägungen tenoriert der EuGH wie folgt: Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten – wie etwa einem von einem Unternehmen und seinem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan –, nach denen der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub pro rata temporis berechnet wird, nicht entgegenstehen.
Die betriebliche Praxis wird dieser Entscheidung des EuGH entnehmen können, dass Urlaubsansprüche von Kurzarbeitern an die verringerte Arbeitsverpflichtung angepasst werden dürfen, was bei einer „Kurzarbeit Null“ zu einer Erledigung des Urlaubsanspruchs führen kann. Allerdings war in der zu beurteilenden Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen, dass während der Kurzarbeit „die Urlaubsansprüche eingebracht“ sind. Darauf hebt auch der Tenor der Entscheidung des EuGH ab, was jedoch keineswegs ausschließt, dass auch ohne entsprechende Anrechnungsklausel die Grundsätze der Pro-rata-temporis-Lösung gelten. (Boe)
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
12. Sonderurlaub für ältere Arbeitnehmer In seinem Urteil vom 7.9.201283 hat das LAG Rheinland-Pfalz mit überzeugender Begründung die Feststellung getroffen, dass ein (arbeitsvertraglicher) zweitägiger Mehrurlaub für über 58-jährige Arbeitnehmer der Sicherstellung des Schutzes der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer diene und in objektiv, angemessen legitimer Weise im Sinne des § 10 S. 1, 3 Nr. 1 AGG ältere Arbeitnehmer begünstige. Die verlängerte Urlaubsgewährung verhelfe älteren Beschäftigten bei genereller Betrachtung zur Absicherung ihrer Erwerbsfähigkeit. Da auch die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23.6.1980 in Ziff. III Nr. 14 lit. b) und c) sowohl die Verkürzung der Arbeitszeit als auch die Verlängerung des bezahlten Jahresurlaubs in Referenz zum zunehmenden Lebensalter als betrieblich probates Mittel zum Schutz der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer nenne, könne auch der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung seiner Arbeitsverträge eine entsprechende Differenzierung wegen des Alters vornehmen. Unter den hier in Rede stehenden Bedingungen ist dem zuzustimmen. (Ga)
83 6 Sa 709/11 n. v. (Rz. 196 ff.).
468
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nach unterbrochener Betriebszugehörigkeit
Außerhalb des kündigungsschutzrechtlichen Kleinbetriebs (§ 23 Abs. 1 KSchG) bedarf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer der sozialen Rechtfertigung, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Sinn und Zweck dieser Wartezeit ist es, den Parteien des Arbeitsverhältnisses für eine gewisse Zeit die Prüfung zu ermöglichen, ob sie sich auf Dauer binden wollen1. Dem Wortlaut des Gesetzes folgend muss die Wartezeit nach jeder rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses neu erfüllt werden, damit der entsprechende Kündigungsschutz geltend gemacht werden kann. Auf die Dauer der Unterbrechung kommt es danach nicht an. In seinem Urteil vom 20.6.20132 hat der 2. Senat des BAG noch einmal deutlich gemacht, dass ein solches Verständnis der gesetzlichen Vorgabe ihrem Zweck indes nicht in allen Fällen gerecht würde. Vielmehr könne eine rechtliche Unterbrechung ohne Bedeutung sein, wenn sie verhältnismäßig kurz sei und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang bestehe. Unter welchen Voraussetzungen eine Unterbrechung als verhältnismäßig kurz anzusehen sei, lasse sich nicht generell festlegen. Zu berücksichtigen seien neben der absoluten Dauer auch mögliche Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses oder der betreffenden Branche. Ob ein sachlicher Zusammenhang anzunehmen sei, hänge insbesondere vom Anlass der Unterbrechung und von der Art der Weiterbeschäftigung ab. Je länger die zeitliche Unterbrechung gedauert habe, desto gewichtiger müssten die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein3. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten bereits seit 1973 als Bauwerker/Helfer beschäftigt. Auf das Ar1 2 3
BAG 20.6.2013 – 2 AZR 790/11 n. v. (Rz. 12); BAG v. 28.8.2008 – 2 AZR 101/07, AE 2009, 57 Rz. 17. 2 AZR 790/11 n. v. (Rz. 13 ff.). BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11 n. v. (Rz. 13); BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 426/02, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
beitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Bundesrahmenvertrag für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland (BRTV-Bau) Anwendung. Das Arbeitsverhältnis wurde mehrfach für die Dauer einiger Monate unterbrochen. Als es zuletzt durch die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.2006 zum 20.12.2006 gekündigt wurde, schlossen die Parteien zur Beilegung des Kündigungsrechtsstreits am 30.1.2007 einen Vergleich. Dieser lautete auszugsweise wie folgt: 1.
Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 13.12.2006 zum 20.12.2006 beendet worden ist.
2.
Die Beklagte verpflichtet sich, den Kläger spätestens mit Wirkung zum 2.5.2007 als Bauhilfsarbeiter zu einem Bruttostundenlohn von EUR 12,30 (i. W.: zwölf 30/100) in Vollzeit einzustellen. Vordienstzeiten werden nicht anerkannt. …
Nachdem die Beklagte den Kläger am 2.5.2007 vereinbarungsgemäß als Bauhilfsarbeiter in Vollzeit wieder eingestellt hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 31.5.2007 das Arbeitsverhältnis „aus betriebsbedingten Gründen“ zum 30.6.2007. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und machte geltend, dass es an einer sozialen Rechtfertigung fehle. Diese aber sei erforderlich, weil die gesetzliche Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ohne Rücksicht auf die fehlende Anerkennung von Vordienstzeiten im Rahmen des Vergleichs zum Zeitpunkt der Kündigung erfüllt gewesen sei. Dieser Sichtweise des Klägers ist das BAG gefolgt und hat die Notwendigkeit einer sozialen Rechtfertigung angenommen. Da die für eine abschließende Entscheidung hierfür erforderlichen Tatsachen durch das LAG Nürnberg indes nicht festgestellt worden waren, ist die Sache zurückverwiesen worden. Anknüpfungspunkt für das entsprechende Verständnis des BAG von § 1 Abs. 1 KSchG war § 12 Nr. 1.2 S. 3 BATV-Bau. Unter der Überschrift „Verlängerte Kündigungsfristen“ ist darin vorgesehen, dass „Zeiten unterbrochener Betriebszugehörigkeit … zusammengerechnet [werden], wenn die Unterbrechung nicht vom Arbeitnehmer veranlasst wurde und wenn sie nicht länger als sechs Monate gedauert hat.“ Wortlaut und Systematik der Regelung machen an sich deutlich, dass diese Vorgabe grundsätzlich nur für die Berechnung von Kündigungsfristen maßgeblich sein soll. Das BAG geht allerdings von einer weitergehenden Bedeutung aus. Danach müsse die darin liegende Bewertung auch bei der Feststellung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG berücksichtigt werden. Eine Unterbrechung von bis zu sechs Mona-
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Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nach unterbrochener Betriebszugehörigkeit
ten könne im Geltungsbereich des BATV-Bau deshalb unbeachtlich sein. Nach Auffassung des 2. Senats des BAG im Urteil vom 20.6.20134 trägt die tarifvertragliche Regelung den besonderen Bedürfnissen des Baugewerbes Rechnung. Wie der Verlauf des Arbeitsverhältnisses der Parteien zeige, bestehe dort in den Wintermonaten häufig die Notwendigkeit einer saisonalen „Freistellung“ des Arbeitnehmers, ohne dass seine „Weiterbeschäftigung“ bei Beginn der Aufträge im Frühjahr in Frage gestellt werden solle. Durch § 12 Nr. 1.2 S. 3 BATV-Bau hätten die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass eine – wiederholte – zeitliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von bis zu sechs Monaten im Baugewerbe durchaus üblich sei und als solche keinen Anlass bieten solle, den Zusammenhang zweier Arbeitsverhältnisse in Abrede zu stellen. Diese branchenspezifischen Besonderheiten seien auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen. Zwar sei § 12 Nr. 1.2 BATV-Bau keine zwingende Vorgabe zu entnehmen, dass Unterbrechungszeiten von bis zu sechs Monaten generell im Rahmen von § 1 KSchG unbeachtlich bleiben müssten. Entsprechendes würde man für wortgleiche Zusagen im Arbeitsvertrag annehmen müssen. Es ergäbe sich jedoch – so das BAG – ein schwerlich auszuräumender Widerspruch, wenn ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach einer Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit von weniger als sechs Monaten in den ersten sechs Monaten nach Wiedereinstellung gekündigt werde, sich wegen § 12 Nr. 1.2. BATV-Bau ggf. auf eine Länge der Kündigungsfrist von mehreren Monaten – statt von sechs Werktagen – berufen könnte, die Kündigung als solche aber einer sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 1, 2 KSchG nicht bedürfte. Im Extremfall könnten so die Kündigungsfristen im Laufe der Zeit kontinuierlich anwachsen, ohne dass die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG je erfüllt wäre. Um dies zu vermeiden, sei im Geltungsbereich des BATV-Bau eine Unterbrechung der Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit von bis zu sechs Monaten für sich allein genommen nicht ausreichend, um eine Zusammenrechnung der Zeiten vor und nach der Unterbrechung im Rahmen von § 1 Abs. 1 KSchG auszuschließen. Dafür spreche auch der Zweck des Gesetzes. Denn der Arbeitgeber sei, wenn er bereits über eine längere Zeit mit dem Arbeitnehmer zusammengearbeitet habe, regelmäßig auch nach einer Unterbrechung von bis zu sechs Monaten nicht mehr darauf angewiesen, zunächst einmal (wieder)
4
2 AZR 790/11 n. v. (Rz. 19 f.).
471
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
die persönliche und fachliche Eignung des Arbeitnehmers in Bezug auf die vorgesehene Tätigkeit zu prüfen5. Dass im gerichtlichen Vergleich hiervon abweichend die fehlende Anrechnung der Vordienstzeiten vereinbart worden war, hatte das BAG berechtigterweise für unbeachtlich gehalten. Denn § 1 Abs. 1 KSchG ist einseitig zwingendes Recht, von dem durch Vereinbarung zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden kann. Entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam (§ 134 BGB)6. Das würde auch für einzelvertragliche Regelungen gelten. Hiervon ausgehend wird das LAG Nürnberg zunächst einmal zu prüfen haben, ob ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem am 20.12.2006 beendeten und dem zum 2.5.2007 aufgenommenen Arbeitsverhältnis bestand. Insbesondere der Anlass der Kündigung, der Grund der Wiedereinstellung und die Art der späteren Tätigkeit sind zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob letztendlich eine Fortsetzung des bisherigen oder die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses gegeben ist. Sollte der notwendige Zusammenhang vorliegen, muss ergänzend hierzu festgestellt werden, ob die Kündigung eine soziale Rechtfertigung hat. Treuwidrig handelte der Arbeitgeber nach den Feststellungen des BAG nicht, als er den Kläger bereits nach kurzer Zeit im Anschluss an die im Vergleich vereinbarte Wiedereinstellung gekündigt hat. (Ga)
2.
Bestimmtheit einer Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir über die Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 1.9.20107 berichtet. Darin hatte das BAG die These vertreten, dass eine ordentliche Kündigung, die mit einer zu kurzen Frist erklärt werde, ohne das Vorliegen einer Rechtfertigung nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam sei, wenn sie nicht in eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ausgelegt werden könne. Entgegen der bis dahin vorliegenden Rechtsprechung des 2. Senats des BAG war es damit für den von einer solchen Kündigung betroffenen Arbeitnehmer erforderlich, auch die Unwirksamkeit der Kündigungsfrist innerhalb der Drei-Wochen-Klagefrist geltend
5 6 7
BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11 n. v. (Rz. 20). BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11 n. v. (Rz. 14, 21); APS/Dörner/Vossen, KSchG Rz. 6. 5 AZR 700/09, DB 2010, 2620 f.
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Bestimmtheit einer Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“
zu machen. Andernfalls war die Kündigung mit der im Kündigungsschreiben genannten Frist als wirksam anzusehen (§§ 4, 7 KSchG). Der 2. Senat des BAG hatte angesichts dieser Feststellungen des 5. Senats des BAG zwar seine Rechtsprechung nicht aufgegeben. Wie seine anschließende Entscheidung vom 9.9.20108 deutlich gemacht hat, war es für den 2. Senat indes nunmehr erforderlich, bei der Benennung einer zu kurzen Kündigungsfrist weitergehende Anhaltspunkte zu finden, die im Wege einer Auslegung den Willen des Arbeitgebers erkennen ließen, das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit einer längeren – der nächst zulässigen – Kündigungsfrist beenden zu wollen. Dies sollte – so das BAG – sogar in dem Umstand erkennbar werden, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben beste Wünsche für die weitere berufliche Zukunft vermittelte. Wir hatten darüber berichtet9. Das Urteil des 6. Senats des BAG vom 20.6.201310 macht jetzt deutlich, dass mit den vorstehend genannten Entscheidungen des 2. und 5. Senats die denkbaren Schwierigkeiten in Bezug auf die klare und rechtswirksame Formulierung eines Kündigungsschreibens noch nicht erfüllt sind. Ausgangspunkt ist dabei die sicher zutreffende Feststellung, dass eine Kündigung bestimmt und unmissverständlich zu erklären sei. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigung müsse deshalb erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden solle. Zu Recht geht das BAG daran anknüpfend davon aus, dass bei einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist ausreichend sei. Unterstellt man, dass der Arbeitgeber dabei die zutreffende Frist vor Augen hat, sind weitergehende Probleme in der betrieblichen Praxis nicht zu besorgen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn arbeitgeberseits Zweifel in Bezug auf die individuell maßgebliche Kündigungsfrist bestehen. Diese können nicht nur dadurch ausgelöst werden, dass Unklarheit darüber besteht, welche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer günstiger ist, falls unterschiedliche individual- und kollektivrechtliche Regelungen Geltung beanspruchen. Denkbar sind solche Unklarheiten insbesondere dann, wenn sich die individuelle (anrechnungsbedürftige) Dauer der Betriebszugehörigkeit aus der Personalakte unter Berücksichtigung früherer Betriebsübergänge und/oder Wechsel innerhalb eines Konzerns nicht genau feststellen lässt. In diesem
8 2 AZR 714/08, NZA 2011, 343 ff. 9 Boewer, AktuellAR 2011, 121 ff. 10 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1076 ff.
473
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Fall ist der Arbeitgeber schon mit Blick auf die divergierende Rechtsprechung des 2. und 5. Senats des BAG gehalten, eine Kündigung vorsorglich zum „nächstzulässigen“ Termin zu erklären. Bei diesen Kündigungen verlangt der 6. Senat des BAG aber auf Seiten des Arbeitnehmers eine hinreichende Klarheit über den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auslösen will. Hierfür reiche ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln könne, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden solle. Eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin sei auch dann möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar sei11. Bei der insoweit erforderlichen Ergänzung des Kündigungsschreibens kann der Arbeitgeber – so das BAG – in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Allerdings kann es auch insoweit – z. B. im Falle eines zweifelhaften Betriebsübergangs – Ausnahmen geben. In der Regel genüge es daher, dass im Kündigungsschreiben für den Arbeitnehmer bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber maßgeblichen Rechtsvorschriften genannt werden, aus denen sich die individuell maßgebliche Kündigungsfrist bestimmt. So hatte es der 6. Senat des BAG für ausreichend angesehen, dass bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter zum nächstmöglichen Zeitpunkt die sich aus §§ 622 BGB, 113 InsO ergebenden Fristen genannt wurden. Welche dieser Fristen sodann für den Arbeitnehmer maßgeblich war, konnte dieser unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit selbst feststellen. Hiervon ausgehend, ist der betrieblichen Praxis zu empfehlen, jede Kündigung nicht nur um eine Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“ zu ergänzen. Sinnvoll erscheint, dabei auch eine ergänzende Klarstellung aufzunehmen, nach der sich die Kündigungsfrist nach § 622 BGB bestimmt, falls nicht in Bezug auf das individuelle Arbeitsverhältnis einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine andere Kündigungsfrist vereinbart wurde. (Ga)
3.
Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
a)
Ausgangssituation
Nachdem das BAG mit seinen Entscheidungen in den Jahren 2012 und 2013 eine Reihe von Fragen in Bezug auf die durch § 17 KSchG begründeten An11 BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1076 Rz. 15 ff.
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Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
forderungen an die Umsetzung einer Massenentlassung beantwortet hat12, dürfte dies in der betrieblichen Praxis zum Teil eine Anpassung der bisherigen Handhabe erforderlich machen. Diese sind in der (unverbindlichen) Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zum Dritten und Vierten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes (GA KSchG)13 nur zum Teil erfasst. Wichtig ist, dass eine Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben - auch dies ist inzwischen klargestellt – die Unwirksamkeit der Kündigungen zur Folge hat. Denn die ordnungsgemäße Durchführung der Beteiligung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG14 ist ebenso Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung wie eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, 3 KSchG15. Denn bei einer Missachtung dieser Vorgaben liegt ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) vor. Gegenteilige Auffassungen der Literatur16 hat das BAG damit zu Recht abgelehnt17. Damit hilft es auch nicht, dass die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG bzw. § 102 BetrVG beachtet wurden. Dies gilt selbst dann, wenn eine vollständige Stilllegung des Betriebs geplant ist, bei der eine Veränderung der arbeitgeberseitigen Vorstellung wenig wahrscheinlich ist18.
b)
Der Betrieb als (variable) Grundlage für das Vorliegen von Massenentlassung und Betriebsänderung
Die Frage, auf welche Betriebe für die Bemessung der Schwellenwerte des § 17 KSchG abzustellen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Richtigerweise wird man allerdings der Auffassung folgen müssen, nach der in Bezug auf die Handhabe von Massenentlassungen nach § 17 KSchG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb abzustellen ist, wie er durch §§ 1, 4 BetrVG bestimmt werde19.
12 B. Gaul, AktuellAR 2012, 404 ff.; 2013, 118 ff. 13 Hier: Stand 11/2012. 14 Vgl. BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 19; BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 62). 15 Vgl. BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 30; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 31 ff., 37. 16 So APS/Moll, KSchG § 18 Rz. 42; Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937, 940. 17 Ebenso: ErfK/Kiel, KSchG § 17 Rz. 36; KR/Weigand, KSchG § 17 Rz. 103. 18 Vgl. BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 41). 19 Vgl. BAG v. 14.3.2013 – 8 AZR 154/12, DB 2013, 2687 Rz. 47; BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 41.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Allerdings wird in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass § 3 BetrVG, das heißt die Bildung von Betrieben kraft Strukturtarifvertrags, dabei unberücksichtigt bleiben soll20. Diese Einschränkung steht bereits im Widerspruch zu § 3 Abs. 5 BetrVG, so dass es nicht überrascht, dass jetzt offenbar auch das BAG mit Blick auf die Feststellung der Schwellenwerte des § 17 KSchG dazu neigt, solche Betriebsstrukturen einzubeziehen, die durch eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG geschaffen wurden. Dies erscheint auch geboten21. Eine Entscheidung hierzu musste das BAG indes nicht treffen, so dass abschließende Klarheit in dieser so wichtigen Angelegenheit leider noch nicht besteht. So stellt das BAG auch bei § 17 KSchG zwar zunächst einmal auf den allgemeinen Betriebsbegriff ab, löst sich davon aber, wenn eine gesetzliche Fiktion greift. In diesem Fall soll der allgemeine Betriebsbegriff nicht mehr maßgeblich sein, sondern die Fiktion des BetrVG. Wörtlich heißt es: Gilt nach § 4 Abs. 1 BetrVG ein Betriebsteil als selbständig, so müssen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG in diesem Betriebsteil überschritten sein, um die Anzeigepflicht auszulösen.
Auch die Zuordnungstarifverträge begründen – wie § 4 Abs. 1 BetrVG - eine Fiktion (§ 3 Abs. 5 BetrVG). Denn die betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten, die nach § 3 Abs. 1 bis 3 BetrVG gebildet werden, gelten danach als Betrieb im Sinne des BetrVG. Da bei § 17 KSchG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb abzustellen ist22, gilt dies auch für Betriebe nach § 3 BetrVG. Das in der Literatur häufig angeführte Argument, dass die örtliche Nähe der Arbeitsagentur gewährleistet werden müsse, spielt gar keine Rolle. Denn auch bei Betrieben nach §§ 1, 4 BetrVG sind viele Fallgestaltungen denkbar, in denen mehrere Agenturen zuständig sind. Die ortsnahen Agenturen können immer eingebunden werden. Im Ergebnis ist in § 17 KSchG damit nicht nur auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb, wie er durch die §§ 1, 4 Abs. 1 KSchG gekennzeichnet wird, abzustellen. Falls abweichende Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 BetrVG getroffen wurden, sind die kraft Strukturtarifvertrags nach § 3 BetrVG gebildeten Betriebe maßgeblich23. 20 KR/Weigand, KSchG § 17 Rz. 17; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 7. 21 Ebenso HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 7; KDZ/Kittner, KSchG § 17 Rz. 6; HaKo-KSchR/Pfeiffer, KSchG § 17 Rz. 18. 22 Vgl. HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 7. 23 Ebenso HWK/Molkenbur, KSchG § 17 Rz. 7.
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Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
c)
Inhalt der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG
Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 1 KSchG durchzuführen, sind dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen. Darüber hinaus ist er schriftlich insbesondere zu unterrichten über 1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben sodann insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 S. 2 KSchG). Eine Abschrift dieser Mitteilung an den Betriebsrat ist durch den Arbeitgeber gleichzeitig der Agentur für Arbeit zuzuleiten. Sie muss zumindest die in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 KSchG vorgeschriebenen Angaben enthalten (§ 17 Abs. 3 S. 1 KSchG). Vielfach entspricht der Inhalt der den Betriebsräten bei Aufnahme von Verhandlungen überlassenen Informationen über das Ob, Was, Wann und Warum nicht diesen formalen Anforderungen aus § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG. Für die §§ 111, 112 BetrVG mag dies jedenfalls aus arbeitsrechtlicher Sicht keine Rolle spielen. Denn die betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung des Betriebsrats ist ebenso wie die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses nach § 106 BetrVG nicht an gesetzlich vorgegebene Inhalte geknüpft. Vielmehr ist einzelfallbezogen und ohne bestimmte Formerfordernisse die Information verfügbar zu machen, die die Arbeitnehmervertreter in die Lage versetzt, die beabsichtigten Maßnahmen nach Inhalt, Zweck und Auswirkungen zu verstehen. Aus den §§ 80 Abs. 2 S. 2, 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG folgt, dass erst auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Damit genügt der Arbeitgeber durch die Unterrichtung und Beratung des Betriebsrats im Rahmen von §§ 111, 112 BetrVG in der Regel nicht seiner Unterrichtungs- und Beratungspflicht aus § 17 Abs. 2 KSchG. Dies gilt - wie 477
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
das BAG mit Urteil vom 20.9.201224 klargestellt hat – selbst dann, wenn durch den Betriebsrat im Rahmen des Interessenausgleichs erklärt wird, dass er rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden sei. Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG hat eigenständigen Charakter und muss neben den §§ 111, 112 BetrVG erfüllt werden. Allerdings ist eine Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG zulässig25. Auf diese Möglichkeit einer Verbindung der betriebsverfassungsrechtlichen mit den kündigungsschutzrechtlichen Beteiligungsverfahren weist das BAG ausdrücklich hin. Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und/oder § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmten, könne der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen26. Durch den Arbeitgeber müsse aber klargestellt werden, dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen27. Dies kann nicht durch einen bloßen Hinweis auf die jeweils überlassenen Unterlagen erfolgen. Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung verhandeln, ihm dies zumindest anbieten; das ist mehr als eine Anhörung28. Hilfreich dürfte auch sein, dass der Umstand, dass im Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren zugleich die Unterrichtung und Beratung mit dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG erfolgt ist, im Interessenausgleich durch beide Parteien ausdrücklich bestätigt wird. Damit kann und sollte auch die Erklärung verbunden werden, dass der Interessenausgleich zugleich als Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen nach §17 Abs. 3 S. 2 KSchG gilt. Auch eine solche Verbindung ist zulässig29. Diese Verbindung beider Verfahren ist nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 20.9.201230 auch mit den Vorgaben der Massenentlassungsricht-
24 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 44; Ferme, DB 2012, 2162 ff.
25 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 46; Moll/Katerdahl, RdA 2013, 159, 162; Lelley/Taterka, DB 2013, 2564, 2566. 26 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 47; BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058 Rz. 23; Vgl. hierzu auch Schmädicke/Evertz, AuR 2012, 398 ff. 27 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 47; BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 34. 28 BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 15. 29 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 53; BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1053 Rz. 45. 30 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 50.
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Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
linie vereinbar. Nach Art. 6 Richtlinie 98/59/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Die Ausgestaltung dieser Verfahren ist Sache der Mitgliedstaaten, sofern die Effektivität und Äquivalenz gewahrt wird31. Fraglich ist, ob jede Unvollständigkeit der Information nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. So hat es das BAG im Urteil vom 18.1.201232 als „zweifelhaft“ bezeichnet, ob die fehlende Mitteilung, welche Berufsgruppen von der Maßnahme erfasst sind, für den Arbeitgeber nachteilige Rechtsfolgen nach sich zieht, wenn ohnehin eine vollständige Stilllegung des Betriebs in Rede steht.
d)
Zeitpunkt der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG
Die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG muss – ebenso wie die Beteiligung nach § 111 BetrVG – „rechtzeitig“ erfolgen. Diese Verpflichtung wird nach übereinstimmenden Feststellungen von EuGH und BAG nur dann gewahrt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmervertretern die betreffenden Auskünfte so frühzeitig erteilt, dass diese noch konstruktive Vorschläge zu etwaigen Veränderungen in Bezug auf das Ob, Was, Wann und Wie der geplanten Maßnahmen machen können. Es muss eine realistische Chance bestehen, dass als Folge der Beratung mit den Arbeitnehmervertretern noch eine Veränderung in Bezug auf die geplanten Entlassungen bzw. die Betriebsänderung vorgenommen wird33. Insoweit muss also die Information dem Betriebsrat vor dem Erlass einer strategischen oder betriebswirtschaftlichen Entscheidung erteilt werden. Wichtig ist, dass die Unterrichtung nach den Feststellungen des BAG mindestens zwei Wochen vor der Massenentlassungsanzeige erfolgen muss34. Etwas anderes gelte – so das BAG – nur dann, wenn der Betriebsrat das Konsultationsverfahren schon vor Ablauf von zwei Wochen nach seiner Unterrichtung für abgeschlossen erklärt35. Ob das Konsultationsverfahren nach
31 EuGH v. 16.7.2009 – C-12/08, AP zu Richtlinie 98/59/EG Nr. 5 Rz. 33 ff., 59 ff. - Mono Car-Styling. 32 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 36. 33 EuGH v. 10.9.2009 – C-44/08, NZA 2009, 1083 Rz. 51 – Akavan Erityisalojen Keskusliitto. 34 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 51). 35 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, DB 2013, 941 Rz. 53.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
§ 17 Abs. 2 S. 2 KSchG abgeschlossen sein muss, wenn die Anzeige erfolgt, hat das BAG offen gelassen36. Soweit dem Arbeitgeber die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG erforderlichen Informationen bei Einleitung des Konsultationsverfahrens noch nicht vollständig vorliegen, sind diese Auskünfte während der laufenden Beratungen zu ergänzen. Der Arbeitgeber hat – so das BAG – der Arbeitnehmervertretung nach dem Grundgedanken der Richtlinienvorgabe während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Hierbei sei schon deshalb eine flexible Handhabe notwendig, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen könnten. Der Arbeitgeber habe deshalb die Möglichkeit und zugleich auch die Pflicht, seine Auskünfte im Laufe des Verfahrens zu vervollständigen37. Wichtig ist allerdings, dass jedenfalls mit Blick auf § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG die vollständige Unterrichtung des Betriebsrats bis zum Abschluss der Konsultation schlussendlich auch in der gebotenen Form dokumentiert wird. Sobald dies erfolgt ist, muss auch die nach § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG notwendige Abschrift dieser (vervollständigten) Information des Betriebsrats der Agentur für Arbeit zugeleitet werden.
e)
Form der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG
Auch in seinem Urteil vom 20.9.201238 hat das BAG erneut offen gelassen, ob die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG die gesetzliche Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Hiervon geht ein großer Teil der Literatur aus39. Ein anderer Teil der Literatur hält nur eine verkörperte Dokumentation der Unterrichtung für erforderlich, was – entsprechend den Überlegungen zu § 99 BetrVG40 – eine Unterrichtung auch per Telefax, E-Mail oder schriftliche Unterlagen ermöglichen würde, die nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift abgeschlossen werden. Bedauerlicherweise lässt sich Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 98/59/EG hierzu keine abschließende Bewertung entnehmen. Denn auch dort ist nur von einer 36 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 51). 37 EuGH v. 10.9.2009 – C-44/08, NZA 2009, 1083 Rz. 52 ff. – Akavan Erityisalojen Keskusliitto; BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 53; BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 52). 38 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 55. 39 So ErfK/Kiel, KSchG Rz. 20, 28; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 70; v. HoyningenHuene/Link, KSchG § 17 Rz. 56; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rz. 1653; Mattausch, AiB 2013, 359, 361. 40 HWK/Ricken, BetrVG § 99 Rz. 56 f.
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Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
schriftlichen Unterrichtung die Rede, ohne dass im Einzelnen die formalen Anforderungen an diese Schriftlichkeit aufgezeigt werden. Schlussendlich dürfte damit der EuGH über die Formerfordernisse nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV entscheiden müssen. Nichtsdestotrotz sprechen auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Regelungen die besseren Gründe für die Annahme, dass das Schriftformerfordernis des § 126 BGB vorliegend nicht zur Anwendung kommt. § 126 BGB dient insbesondere dem Schutz vor Übereilung sowie den Klarheitsund Beweissicherungsinteressen der beteiligten Parteien oder auch Dritter41. Hier wird man – abweichend zu § 99 BetrVG – zwar eine Unterrichtung per E-Mail nicht als ausreichend qualifizieren können. Ausreichend erscheint aber eine Unterrichtung in Papierform, selbst wenn die eigenständige Unterschrift fehlt. Der Zweck des Schriftformerfordernisses in Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 98/59/EG ebenso wie in § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG liegt indes nicht darin, den Arbeitgeber vor der Abgabe einer rechtsgestaltenden Willenserklärung zu schützen. Vielmehr dient das Schriftformerfordernis dem Zweck, die Weitergabe der unionsrechtlich gebotenen Informationen an die zuständige Arbeitnehmervertretung in Form einer Wissenserklärung zu dokumentieren. Hierfür ist eine eigenhändige Unterschrift und/oder die feste Verbindung der hierfür verwendeten Schriftstücke nicht erforderlich. Es genügt, wenn im Streitfall durch den Arbeitgeber nachgewiesen werden kann, dass die insoweit in Papierform dokumentierten Unterlagen dem zuständigen Betriebsrat auch vor und während einer Durchführung der Konsultationen zugegangen sind42. Wenn die vorstehend skizzierte Form einer Unterrichtung gewahrt ist, hält das BAG in seinem Urteil vom 20.9.201243 jedenfalls die Heilung eines darin möglicherweise liegenden Schriftformverstoßes für möglich. Dies gilt zumindest dann, wenn die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem zuständigen Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden. Wenn der Betriebsrat sodann im Rahmen einer abschließenden Stellungnahme bei Unterzeichnung des Interessenausgleichs deutlich erkläre, dass er im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet und beteiligt worden sei, dass insbesondere auch die Möglichkeiten beraten 41 MüKo/Einsele, BGB § 126 Rz. 1 f. 42 Ähnlich WHSS/Schweibert, C Rz. 346. 43 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 55 ff., 60.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
wurden, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken und ihre Folgen zu mildern, und dass das Konsultationsverfahren damit zum Abschluss gekommen sei, genüge dies, um die Verpflichtung aus § 17 Abs. 2 KSchG als gewahrt anzusehen44. Der 6. Senat des BAG begründet diese Bewertung mit dem Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung solle konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken. Bringe das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurde, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet halte, drücke es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten könne oder wolle45.
f)
Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG
Auf der Grundlage der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG haben Arbeitgeber und zuständiger Betriebsrat insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Wenn es aus Sicht der Beteiligten nicht möglich ist, den Umfang der Entlassungen zu verändern, kann sich die Beratung natürlich stärker auf die Frage beziehen, die Folgen solcher Entlassungen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Das hat das BAG im Urteil vom 13.12.201246 aufgezeigt. Dabei könne es sich insbesondere um Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer handeln47. Solche Beratungen, die vor allem auf die Zahlung von Abfindungen oder die Einrichtung einer Transfergesellschaft zielten, seien – so das BAG – zwar auch Gegenstand der Sozialplanverhandlungen, insbesondere dann, wenn über einen Transfersozialplan verhandelt werde, der von der Bundesagentur nach den §§ 110, 111 SGB III gefördert werden solle. Unabhängig davon handele es sich um unterschiedliche Verfahren, die nicht vollständig deckungsgleich seien. Auch bei einer geplanten Betriebsänderung müsse deshalb bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen nicht nur das Verfahren nach den §§ 111 ff. BetrVG, sondern auch das nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt werden. Die verschiedenen Beteiligungsverfahren könnten le44 Ebenso LAG Hamm v. 6.6.1986 – 16 Sa 2188/86, LAGE KSchG § 17 Nr. 2; KR/Weigand, KSchG § 17 Rz. 65; HaKo/Pfeiffer, KSchG § 17 Rz. 54. 45 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 60; BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058 Rz. 23; Moll/Katerdahl, RdA 2013, 159, 160. 46 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 42 f.). 47 Vgl. EuGH v. 3.3.2011 – C-235/10, NZA 2011, 337 Rz. 56 – Claes.
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Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
diglich, soweit die Pflichten nach den unterschiedlichen Verfahren übereinstimmten, miteinander verbunden und damit vom Arbeitgeber gleichzeitig erfüllt werden48.
g)
Stellungnahme des Betriebsrats zur Massenentlassung
Der Arbeitgeber muss der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Massenentlassung anzeigen. Die ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige einschließlich einer Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Kündigungen. Wichtig ist, dabei auch die örtlich zuständige Agentur für Arbeit anzusprechen. Die Einreichung einer Massenentlassungsanzeige bei der örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen49. Zuständig für die Stellungnahme ist der Betriebsrat, mit dem die Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführen war50. Fehlt die Stellungnahme, ohne dass sie durch einen Interessenausgleich mit Namensliste oder eine Glaubhaftmachung nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG ersetzt wurde, ist die Kündigung unwirksam51. Die nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats muss sich auf das Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG erforderlichen Beratung beziehen. Sie soll – so das BAG im Urteil vom 21.3.201352 – Auskunft darüber geben, ob und ggf. welche Möglichkeiten der Betriebsrat sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden, und belegen, dass soziale Maßnahmen zwischen den betrieblichen Sozialpartnern beraten und ggf. auch vereinbart worden sind53. Bloße Widersprüche gegen Kündigungen, wie sie im Rahmen von § 102 BetrVG erfolgen, genügen hierfür nicht54. Die Stellungnahme des Betriebsrats bedarf nicht der gesetzlichen Schriftform, muss aber verkörpert sein. Nicht erforderlich ist, dass sie in einem ei48 BAG v. 13.12.2013 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 42 f.). 49 Vgl.ErfK/Kiel, KSchG § 17 Rz. 28; APS/Moll, KSchG § 17 Rz. 96; KR/Weigand, KSchG § 17 Rz. 74. 50 Vgl. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 23. 51 BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 30; BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 64); BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 20; Mattausch, AiB 2013, 359, 363. 52 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 36 f. 53 Ebenso BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058 Rz. 22; BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 45. 54 BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 37.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
genständigen Schriftstück niedergelegt wurde. Wie das BAG im Urteil vom 22.11.201255 deutlich gemacht hat, kann die Stellungnahme des Betriebsrats auch in den Interessenausgleich integriert sein. Es muss allerdings aus dem Wortlaut der Erklärung heraus erkennbar sein, dass sich der Betriebsrat mit den geplanten Entlassungen befasst hat und soziale Maßnahmen mit ihm beraten und ggf. getroffen wurden. Hierzu gehört auch die Erklärung des Betriebsrats, ob und ggf. welche Möglichkeiten er sieht, die angezeigten Entlassungen zu vermeiden. Die Erklärung des Betriebsrats im Rahmen des Interessenausgleichs, er habe eine „andere Auffassung oder sich bereitgefunden, die … Restrukturierung zu akzeptieren, um den Verlust aller Arbeitsplätze … zu verhindern“, genügt nicht56. Sollte der Betriebsrat vom Arbeitgeber abweichende Vorstellungen zur Umsetzung der Maßnahmen gehabt haben, dürfen diese der Arbeitsverwaltung nicht vorenthalten werden. Ausnahmsweise kann eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats entfallen. Das Gesetz selbst nennt hierfür nicht nur den Interessenausgleich mit Namensliste (§ 1 Abs. 5 S. 4 KSchG, 125 Abs. 2 InsO)57. Alternativ kann der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet hat und den Stand der Beratungen darlegt (§ 17 Abs. 2 S. 3 KSchG)58. Hierzu gehört eine substantiierte Darlegung von Zeitpunkt und Inhalt der Information und der anschließenden Beratung mit dem zuständigen Betriebsrat.
h)
Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens
Der Arbeitnehmer ist zwar darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG, wenn eine Missachtung von § 17 KSchG als Grund für die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht werden soll. Wenn diese Anzeigepflicht aber feststeht, hat der Arbeitgeber – so das BAG – auf die konkrete Rüge des Arbeitnehmers die ordnungsgemäße
55 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 15 ff. 56 BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 25. 57 Wichtig ist, dass nur der Interessenausgleich mit Namensliste ohne weitere Erläuterungen die Stellungnahme des Betriebsrats ersetzt. Soweit die GA KSchG davon spricht, dass „ein Interessenausgleich nach § 112 BetrVG“ die Stellungnahme des Betriebsrats ersetze, ist dies ungenau. 58 Mattausch, AiB 2013, 359, 363.
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Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen
Durchführung des Verfahrens darzulegen und zu beweisen59. Schließlich ist das ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung60. Hat der Arbeitgeber substantiiert dargelegt, dass und mit welchem Inhalt er das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt und Massenentlassungsanzeige erstattet hat, dürfe sich der Arbeitnehmer – so das BAG – nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Durchführung des Massenentlassungsverfahrens pauschal zu bestreiten. Er müsse sich vielmehr vollständig über den vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt erklären und im Einzelnen darlegen, welche Fehler des Verfahrens er rügen wolle. Er müsse deutlich machen, welche Angaben er für zutreffend erachtet und welche nicht61. Dass der Betriebsrat im Rahmen des Interessenausgleichs erklärt, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein, genügt nicht. Der Arbeitgeber bleibt – wie bei entsprechenden Aussagen des Betriebsrats zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG – bei einem entsprechendem Bestreiten des Arbeitnehmers verpflichtet, die ordnungsgemäße Durchführung der Beteiligung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitgeber kann durch seinen Vortrag allerdings auch ein „Eigentor“ landen. Wenn nämlich schon aus seinem eigenen Vortrag erkennbar wird, dass den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG nicht genügt wurde, hat das Arbeitsgericht derartige Unwirksamkeitsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen. Darauf weist das BAG im Urteil vom 13.12.201262 ausdrücklich hin. Gleiches gelte, wenn sich solche Unwirksamkeitsgründe aus den vom Arbeitgeber in das Verfahren eingeführten Unterlagen eindeutig ergäben. So hatte der Arbeitgeber vorgetragen, dass er – ohne zuvor eine Unterrichtung und Beratung nach § 17 Abs. 2 KSchG vorzunehmen – den Betriebsrat schriftlich gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung unterrichtet und das Schreiben auch mit den Worten überschrieben hatte: „Mitteilung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG“. Dies war aus mehreren Gründen schädlich. Zum einen hatte danach unstreitig keine Beratung über diese Unterrichtung stattgefunden; die mitgeteilten Informationen genügten nicht für § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG. Zum anderen hatte der Arbeitgeber übersehen, dass nicht der Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat für die Beteiligung nach § 17
59 60 61 62
BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 Rz. 31. BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150 Rz. 42. BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150 Rz. 42. 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150 Rz. 43, 50 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Abs. 2 KSchG zuständig war. § 102 BetrVG und § 17 Abs. 2 KSchG konnten daher nicht verknüpft werden.
i)
Unerheblichkeit etwaiger Feststellungen der Agentur für Arbeit
Die vorstehenden Gesichtspunkte einer ordnungsgemäßen Anzeige sind durch die Arbeitsgerichte auch dann zu prüfen, wenn die zuständige Agentur für Arbeit die Handhabe durch den Arbeitgeber einschließlich der Massenentlassungsanzeige für ausreichend hält. Darauf hat das BAG noch einmal im Urteil vom 21.3.201363 hingewiesen. Entgegen der an anderer Stelle vertretenen Auffassung64 nimmt das BAG dies selbst dann an, wenn die Agentur gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich die Vollständigkeit der Anzeige bestätigt und mitgeteilt habe, dass die Entlassungen wie angezeigt vorgenommen werden könnten65. Nach Auffassung des BAG steht auch eine Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Verkürzung oder Verlängerung der Sperrfrist nach § 18 KSchG einer Überprüfung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige nicht entgegen. Dies gelte selbst bei Bestandskraft dieser Entscheidung. Die Bindungswirkung eines solchen Bescheides umfasse nur seinen eigentlichen Inhalt, also die Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Er könne deshalb auch Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht heilen66. Die frühere Rechtsprechung, mit der noch eine hiervon abweichende Auffassung vertreten wurde67, habe sich mit der Junk-Entscheidung des EuGH vom 27.1.200568 erledigt. Denn es sei, anders als früher, auch ein individualschützender Zweck von § 17 KSchG anzunehmen69. Hinzu komme, dass solche Schreiben vielfach nur Erklärungen der Agentur zum Verfahren enthielten, ohne dass diese als Entscheidungen zu qualifizieren wären, die einer materiellen Rechtskraft zugänglich seien. Die Agentur für Arbeit erteile insofern nur eine Auskunft über ihre Be-
63 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 30, 39 ff. 64 So LAG Köln v. 17.1.2012 – 12 Sa 580/11 n. v. (Rz. 79 ff.); LAG Hessen v. 25.7.2011 – 17 Sa 123/11 n. v. 65 Ebenso BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845 Rz. 30. 66 Ebenso BAG 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32 Rz. 28; BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029 Rz. 70 ff.; vgl. auch B. Gaul, AktuellAR, 2012, 403 ff., 406. 67 Vgl. nur BAG v. 11.3.1998 – 2 AZR 414/97, NZA 1998, 879 ff. 68 C-188/03, NZA 2005, 213 – Junk. 69 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. (Rz. 61).
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Betriebsbedingte Kündigung trotz freien Arbeitsplatzes im Ausland
wertung der Massenentlassungsanzeige und deren gesetzliche Rechtsfolgen, ohne selbst eine Regelung zu treffen70.
j)
Fazit
Noch immer sind nicht alle Fragen zur Handhabe einer Massenentlassung nach § 17 KSchG geklärt. Insbesondere die richtige Beteiligung des Betriebsrats bereitet nach wie vor Schwierigkeiten. Da die fehlerhafte Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Massenentlassung – anders als die Berücksichtigung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus den §§ 111, 112 BetrVG – die Unwirksamkeit der Entlassungen auf der individualrechtlichen Ebene zur Folge haben kann, hat es ganz erhebliche Bedeutung, dass die betriebliche Praxis die sich hier ständig verändernden Anforderungen bereits bei der Vorbereitung von Betriebsänderungen berücksichtigt. (Ga)
4.
Betriebsbedingte Kündigung trotz freien Arbeitsplatzes im Ausland
Bereits im Herbst letzten Jahres hatten wir auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 5.7.201271 verwiesen72. Darin hatte das LAG Düsseldorf – abweichend von anderen instanzgerichtlichen Entscheidungen – die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung nicht verpflichtet sei, etwaige freie Arbeitsplätze, die sich in anderen Betriebsstätten im Ausland befänden, dem vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer anzubieten. Mit Urteil vom 29.8.201373 hat der 2. Senat des BAG sich dieser Sichtweise angeschlossen. Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, beziehe sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der erste Abschnitt des KSchG sei gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland lägen. In diesem Sinne müsse auch der
70 BAG v. 21.3.2013 – 2 AZR 60/12, NZA 2013, 966 Rz. 41; Mattausch, AiB 2013, 359, 363. 71 15 Sa 488/12, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 93. 72 B. Gaul, AktuellAR 2012, 440 ff. 73 2 AZR 809/12 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 S. 1, S. 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung der Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegenstehe, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagere, war nicht zu entscheiden. Hier dürfte es dann auf die Frage ankommen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen § 613 a BGB auf derart grenzüberschreitende Sachverhalte zur Anwendung kommt. In dem zugrunde liegenden Fall war ein Unternehmen der Textilindustrie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen betroffen. Zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin unterhielt der Arbeitgeber bereits eine Betriebsstätte in der Tschechischen Republik, in der Verbandsstoffe hergestellt wurden. Die „Endfertigung“ der Stoffe erfolgte in einem am Sitz der Beklagten gelegenen Betrieb. In diesem war die Klägerin seit 1984 als Textilarbeiterin tätig. Im Juni 2011 beschloss die Beklagte sodann, ihre gesamte Produktion in der Tschechischen Betriebsstätte zu konzentrieren. In Deutschland sollte lediglich die Verwaltung nebst „kaufmännischem Bereich“ bestehen bleiben. Sie kündigte daraufhin sämtlichen Produktionsmitarbeitern, ohne diesen eine Weiterbeschäftigung in der Betriebsstätte in der Tschechischen Republik anzubieten. Die Klägerin machte deshalb die Unwirksamkeit der Kündigung mit der Begründung geltend, eine Missachtung von § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG läge vor. Auch das BAG hat dies nicht so gesehen. Vielmehr sei – so das BAG – aufgrund der Verlagerung der „Endfertigung“ in die mehrere hundert Kilometer von ihrem Sitz entfernte Tschechische Betriebsstätte davon auszugehen, dass für die Beklagte keine Möglichkeit mehr gegeben war, die Klägerin in einem Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG weiter zu beschäftigen. Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen gewesen wären, Arbeitnehmer im Ausland weiter zu beschäftigen, lagen nach Maßgabe des BAG nicht vor. (Ga)
5.
Sozialauswahl: Kennzeichnung des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs
Im Zusammenhang mit der Kündigung eines Leiharbeitnehmers durch den Verleiher, die aus dringenden betrieblichen Erfordernissen heraus wegen der fehlenden Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung erfolgt war, hat das BAG noch einmal in überzeugender Weise die Kriterien für die Kennzeichnung des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs im Sinne des § 1 KSchG aufge-
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Sozialauswahl: Kennzeichnung des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs
zeigt. Dieser bestimmt den Kreis der in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehenden Arbeitnehmer. In dem der Entscheidung vom 20.6.201374 zugrunde liegenden Fall beschäftigte die Beklagte in ihrer Niederlassung in Frankfurt am Main zuletzt mehr als 100 Arbeitnehmer. Die Niederlassung hatte zwei Kunden, die K GmbH und die L AG. Der Kläger war seit Oktober 2004 als Hilfskraft beschäftigt. Er war der K GmbH als Flugzeugreiniger überlassen und dort seit Juli 2010 als Vorarbeiter eingesetzt. Ende 2010 erklärte ein Mitarbeiter der K GmbH gegenüber dem Niederlassungsleiter der Beklagten, man benötige – u. a. – den Kläger nicht mehr und melde ihn zum 8.10.2010 ab. Mit Schreiben vom 30.9.2010 kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.12.2010. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Er machte geltend, dass die Beklagte keine Sozialauswahl vorgenommen habe, insbesondere habe sie ihn nicht mit den weiterhin der K GmbH überlassenen Arbeitnehmern verglichen. Mit eben dieser Begründung hat der 2. Senat des BAG bestätigt, dass die Kündigung vom 30.9.2010 sozial ungerechtfertigt war. Dabei hat es zunächst einmal die drei Schritte einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG aufgezeigt. Danach ist die Sozialauswahl grundsätzlich auf Arbeitnehmer desselben Betriebs beschränkt75. Dem Arbeitgeber obliegt es deshalb zunächst einmal, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Organisationsstrukturen festzustellen, welche Einheiten jeweils einen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb bilden. Ohne Rücksicht auf sonstige Ähnlichkeiten sind Arbeitnehmer, die in verschiedenen Betrieben tätig sind, nicht in eine übergreifende Sozialauswahl einzubeziehen. Dies gilt selbst dann, wenn dem Arbeitgeber kraft arbeitgeberseitigen Direktionsrechts eine Versetzung in den anderen Betrieb möglich ist76. Innerhalb eines Betriebs sind objektiv miteinander vergleichbar und damit grundsätzlich in eine Sozialauswahl einzubeziehen solche Arbeitnehmer, die – bezogen auf die Merkmale des Arbeitsplatzes – sowohl aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse als auch nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind. Dies ist – so das BAG – nicht nur bei identischen Arbeitsplätzen der Fall, sondern auch dann, wenn der Ar-
74 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837 ff. 75 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837 Rz. 12; BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 158/04, NZA 2005, 1175 Rz. 15. 76 BAG v. 15.12.2005 – 6 AZR 199/05, NZA 2006, 590 Rz. 25.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
beitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung die andere, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann. Ungeachtet dessen fehlt es an einer Vergleichbarkeit, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus Rechtsgründen nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann77. Soweit Arbeitnehmer im gleichen (kündigungsschutzrechtlichen) Betrieb beschäftigt sind und nach den vorstehenden Kriterien eine Vergleichbarkeit gegeben ist, muss der Arbeitgeber eine Auswahlentscheidung nach Maßgabe der in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG genannten Sozialdaten vornehmen. Dabei besteht allerdings ein Wertungsspielraum. Der Arbeitgeber muss nicht eine „bestmögliche“ Sozialauswahl vorgenommen haben. Vielmehr genügt es, wenn eine objektiv (noch) vertretbare Auswahl getroffen wurde. Dies hat nach den ausdrücklichen Feststellungen des BAG zur Folge, dass sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können78. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber selbst überhaupt eine Sozialauswahl bzw. eine methodisch zutreffende Sozialauswahl durchgeführt hat. Es genügt, wenn das Ergebnis seiner – wie auch immer zustande gekommenen – Auswahlentscheidung aus Sicht eines Dritten im Ergebnis unter Berücksichtigung der Sozialdaten nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG noch vertretbar ist. Eine entsprechende Vorgehensweise kann aber mit einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG verbunden sein. Die vorstehenden Grundsätze sind – so das BAG – nicht dispositiv. Sie können weder durch einzelvertragliche noch durch kollektivrechtliche Vereinbarungen abbedungen werden. Auch nicht zugunsten einzelner Arbeitnehmer. Eine solche Regelung würde sich zu Lasten anderer Arbeitnehmer auswirken. Insofern kommen im Rahmen von § 1 Abs. 3 KSchG allenfalls solche Verschlechterungen der kündigungsschutzrechtlichen Position eines Arbeitnehmers in Betracht, die sich aus einer zulässigen vertraglichen Gestaltung von Arbeitsbedingungen mit anderen Arbeitnehmern ergeben (z. B. Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten). Voraussetzung ist, dass die betreffende Vertragsgestaltung nicht rechtsmissbräuchlich und allein Vorteile bei der Sozialauswahl bezweckt79.
77 78 79
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BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837 Rz. 12; BAG v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 Rz. 41; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 420/09, NZA 2010, 1352 Rz. 31. BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837 Rz. 13; BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 476/10 n. v. (Rz. 48); BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 480/04, NZA 2006, 207 Rz. 38. BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837 Rz. 15; BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 480/04, NZA 2006, 207 Rz. 34.
Sozialauswahl: Kennzeichnung des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs
In dem hier in Rede stehenden Fall hatte die Beklagte den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß festgelegt. Hintergrund war, dass sie als Verleiherin den Begriff des kündigungsschutzrechtlichen Betriebs zu eng gefasst hatte. Wie das BAG deutlich gemacht hat, ist bei der Kennzeichnung des Betriebs nicht nach dem arbeitstechnischen Zweck zu unterscheiden. Entscheidend sei die Einheit der Organisation. Insofern komme es darauf an, dass ein einheitlicher Leitungsapparat gegeben sei, um insbesondere in personellen und sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbständig treffen zu können80. Zum Betrieb des Verleihers gehörten damit alle unter einer einheitlichen Leitung zusammengefassten, zu dem Zweck ihrer Überlassung an Dritte beschäftigten Arbeitnehmer. Der Betrieb umfasse also nicht nur die einsatzfreien, sondern auch die im Einsatz befindlichen Arbeitnehmer. Ob insoweit alle Arbeitnehmer eines Verleihers einen einzigen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb bilden oder ob mehrere (regionale) Betriebe vorliegen, hängt von der eigenen Organisation der Leitungsmacht in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten durch den Verleiher selbst ab. Dass die K GmbH dem Kläger vor Ausspruch einer Kündigung „abgemeldet“ hatte, also seine Beschäftigung nicht weiter fortführen wollte, spielt grundsätzlich keine Rolle. Denn die Hauptleistungspflicht eines Verleihers gegenüber dem Entleiher entspricht regelmäßig einer – wenn auch auf die Auswahl einer Person gerichteten – „Gattungsschuld“, auf die – so das BAG – § 243 BGB entsprechende Anwendung finde. Ohne besondere Abrede sei der Verleiher lediglich verpflichtet, einen gemäß § 243 Abs. 1 BGB fachlich geeigneten, nicht aber einen bestimmten Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Insofern habe er auch grundsätzlich das Recht zum Austausch, sofern dem nicht eine Vereinbarung mit dem Entleiher oder sonstige berechtigte Belange des Entleihers – wie etwa eine lange Einarbeitungszeit oder unternehmensspezifische Aufgaben – entgegen stehen. Solche Gesichtspunkte wären dann im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu berücksichtigen. Nur beim Vorliegen dieser Ausnahmetatbestände würde die Überlassung eines anderen Leiharbeitnehmers keine Vertragserfüllung mehr darstellen81. Diese Voraussetzungen für eine Einschränkung der Austauschbefugnis des Verleihers waren im vorliegenden Fall nicht gegeben. Weder bestanden ent80 81
So bereits BAG v. 15.3.2001 – 2 AZR 151/00, NZA 2001, 831 Rz. 18. BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837 Rz. 121 f.; Hamann/Schüren/Brors, AÜG Einleitung Rz. 387; Thüsing/Thüsing, AÜG § 12 Rz. 27.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
sprechende Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der K GmbH, noch standen besondere Interessen der K GmbH einem solchen Austausch nach Treu und Glauben entgegen. Besondere Umstände in dem Verhältnis der Beklagten zur K GmbH, aus denen hätte geschlossen werden können, dass die Vertragsbeziehung zwischen der K GmbH und der Beklagten für den Fall eines solchen Austauschs gefährdet wäre, waren nicht erkennbar. Damit kam es auch nicht darauf an, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen solche Folgen im Rahmen von § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG zu berücksichtigen sind. Obwohl die Entscheidung an sich nur die Zeitarbeit betrifft, hat sie für die betriebliche Praxis eine übergreifende Bedeutung. Sie zeigt noch einmal deutlich, wie der Arbeitgeber durch seine Organisationsstruktur den Kreis der in eine Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer beeinflussen kann. Wichtig ist, zu erkennen, dass diese Rechtsfolge losgelöst von der betriebsverfassungsrechtlichen Kennzeichnung eines Betriebs gegeben ist. Insofern kommt es nicht darauf an, wo und auf welcher Rechtsgrundlage Betriebsräte gebildet wurden. Für die kündigungsschutzrechtliche Bewertung ist allein entscheidend, von welcher Stelle aus die Leitungsmacht in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten ausgeübt wird. Diese einheitliche Leitung definiert den kündigungsschutzrechtlichen Betrieb. (Ga)
6.
Änderung eines Punkteschemas zur Sozialauswahl durch Interessenausgleich mit Namensliste
Wenn in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG festgelegt wird, wie Alter, Betriebszugehörigkeitsdauer, Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung als Kriterien der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann das Ergebnis nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 4 KSchG). Voraussetzung ist freilich, dass der Arbeitgeber bei der Bewertung der jeweils vergleichbaren Arbeitnehmer auch die Punkte zugrunde legt, wie sie in der Betriebsvereinbarung festgelegt wurden. Missachtet der Arbeitgeber das Punkteschema, ist im Zweifel eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gegeben, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat – ausdrücklich oder konkludent – die in einer Betriebsvereinbarung enthaltene Auswahlrichtlinie abändern und damit die Grundlage dafür schaffen, eine abweichende Gewichtung der sozialen Kriterien des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG
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Änderung eines Punkteschemas zur Sozialauswahl
vorzunehmen. Eine solche Änderung des in einer Auswahlrichtlinie enthaltenen Punkteschemas kann – so das BAG in seinem Urteil vom 24.10.201382– auch durch den späteren oder zeitgleichen Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste erfolgen. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gelte die Namensliste mit der in § 1 Abs. 5 KSchG festgelegten Rechtsfolge. Voraussetzung ist natürlich, dass der Betriebsrat sowohl für die Auswahlrichtlinie nach § 1 Abs. 4 KSchG als auch für den Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG zuständig ist. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der 1970 geborene, unverheiratete Kläger seit 1998 als Werkzeugmacher bei der Insolvenzschuldnerin, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, beschäftigt. Im Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte und der Betriebsrat schlossen am 10.2.2010 einen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Der Kläger wies nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y auf, der der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers zugeordnet war. Die Namensliste nannte dennoch den Namen des Klägers. Als von den sieben Arbeitsverhältnissen in der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers nur sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.2.2010 ordentlich zum 31.5.2010 gekündigt wurde, erhob er Kündigungsschutzklage. Im Rahmen seiner Begründung machte er geltend, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte sein Arbeitsverhältnis und nicht das des Arbeitnehmers Y gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen Beurteilungsspielraum ein. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist das BAG nicht von einer Unwirksamkeit der Kündigung ausgegangen, sondern hat die Entscheidung des LAG Hamm83 aufgeboben und zur weiteren Feststellung des Sachverhalts zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung waren die betrieblichen Sozialpartner berechtigt, das in der Auswahlrichtlinie enthaltene Punkteschema abzuändern. Die Abänderung konnte auch gleichzeitig erfolgen, indem sowohl die Auswahlrichtlinie als auch die Namensliste in den gleichen Interessenausgleich eingebunden waren. Letztlich liegt in dieser Verknüpfung die (konkludente) Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, dass die Auswahlrichtlinie nur insoweit zur Anwendung kommen soll, als Arbeit-
82 83
BAG v. 24.10.2013 - 6 AZR 854/11 n. v. LAG Hamm v. 4.5.2011 – 2 Sa 1975/10 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
nehmer außerhalb der Namensliste von betriebsbedingten Kündigungen betroffen sind. Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Dennoch sei der betrieblichen Praxis empfohlen, den Geltungsbereich der Auswahlrichtlinie deutlicher festzulegen. Es sollte sich bereits unmittelbar aus der entsprechenden Vereinbarung ergeben, dass sie in Bezug auf betriebsbedingte Kündigungen der Arbeitnehmer, die in der Namensliste genannt werden, keine Anwendung findet. Dafür spricht bereits, dass die gesamte Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann, wenn eine Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG vorliegt. Die Auswahlrichtlinie nach § 1 Abs. 4 KSchG privilegiert nur die Gewichtung der Sozialdaten. Losgelöst davon ist sicherzustellen, dass der Interessenausgleich den Charakter einer Betriebsvereinbarung hat. Andernfalls gelangt § 1 Abs. 4 KSchG bereits aus formalen Gründen nicht zur Anwendung. Diese Klarstellung kann durch den Zusatz erfolgen, dass der Interessenausgleich die Rechtsnatur einer Betriebsvereinbarung hat. Alternativ ist es möglich, die Vereinbarung mit der Überschrift „Betriebsvereinbarung“ über einen Interessenausgleich zu versehen. (Ga)
7.
Fremdvergabe: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist
Sobald in der betrieblichen Praxis die Entscheidung getroffen wird, die Konzentration auf das Kerngeschäft voranzutreiben, hat dies vielfach die Fremdvergabe bzw. das Outsourcing von Dienst- oder Werkleistungen zur Folge. Falls Arbeitnehmer, die bis dahin mit entsprechenden Tätigkeiten innerbetrieblich befasst sind, durch den ausgliedernden Rechtsträger nicht weiter beschäftigt werden können, stellt sich natürlich zunächst einmal die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Übernahme dieser Arbeitnehmer durch den Dienst- oder Werkvertragsnehmer erfolgen kann. Grundlage für einen solchen Wechsel kann eine Vereinbarung oder § 613 a BGB sein. Falls indes keine Übernahme der von einer Fremdvergabe ihrer Tätigkeit betroffenen Arbeitnehmer durch den Dienst- oder Werkvertragsnehmer in Rede steht, stellt sich jedenfalls aus Sicht des ausgliedernden Arbeitgebers die Frage, ob die hiervon betroffenen Arbeitnehmer gekündigt werden können. Denn mit der Übernahme dieser Arbeiten durch einen Dritten entfällt die Möglichkeit des bisherigen Arbeitgebers, die mit solchen Tätigkeiten bislang betrauten Arbeitnehmer auf diesen Arbeitsplätzen weiter zu beschäftigen. Voraussetzung ist freilich, dass die Arbeiten dem Dritten zur
494
Fremdvergabe: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist
selbständigen Erledigung übertragen werden. Wenn der Dritte, der die entsprechenden Arbeiten übernommen hat, letztendlich nur Personal stellt, das durch den bisherigen Arbeitgeber bei der Erfüllung der entsprechenden Tätigkeiten weiterhin gesteuert wird, liegt kein dringendes betriebliches Erfordernis vor, das eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt84. Diese Grundsätze hat das BAG mit Urteil vom 22.11.201285 auch auf die außerordentliche Kündigung tarifvertraglich ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer als Folge einer Fremdvergabe der bis dahin verrichteten Tätigkeit übertragen. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis kraft tarifvertraglicher Vorgabe ordentlich nicht mehr gekündigt werden konnte, bei der Beklagten zuletzt als Disponent am Standort T eingesetzt. Im Jahre 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1.7.2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Nachdem Interessenausgleich und Sozialauswahl mit dem Konzernbetriebsrat vereinbart worden waren, kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit einer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprach, zum 31.7.2009. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage machte der Kläger geltend, die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen sei. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Das BAG ist dieser Sichtweise grundsätzlich nicht gefolgt, hat die Sache allerdings zur weiteren Feststellung der im Einzelfall maßgeblichen Rahmenbedingungen zurückverwiesen. Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen sei gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setze voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar sei. Dies sei bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Wenn eine Weiterbeschäftigungsmög84
85
Vgl. BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455 Rz. 26 ff.; BAG v. 26.9.1996 – 2 AZR 200/96, NZA 1997, 202 Rz. 21 f.; LAG Berlin-Brandenburg v. 5.3.2013 – 12 Sa 1624/12, NZA-RR 2013, 466 Rz. 20 ff.; APS/Kiel, KSchG § 1 Rz. 522 f. 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 14 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
lichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfalle, sei es dem Arbeitgeber selbst im Insolvenzfall grundsätzlich zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten86. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung komme indes dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen sei und dies dazu führe, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde87. Allerdings sei der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maße verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Bestehe irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, werde er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Selbst wenn – so das BAG – „alle denkbaren Alternativen“ ausschieden, könne ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen88. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind aus Sicht des BAG hoch. Es müsse letztendlich sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich sei. In diesem Zusammenhang ist zunächst einmal die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solches zu berücksichtigen. Stelle – so das BAG – schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so habe er zunächst von diesem Gebrauch zu machen. Erst wenn feststehe, dass auch sie versagten, könne eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist – gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen89. Nach den ausdrücklichen Feststellungen des BAG im Urteil vom 22.11.201290 kann sich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kün-
86 87 88 89 90
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BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 13; BAG v. 8.4.2003 – AZR 355/02, NZA 2003, 856 Rz. 24. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 14; BAG v. 18.3.2010 – AZR 337/08, NZA-RR 2011, 18 Rz. 17. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 14; BAG v. 10.5.2007 – AZR 626/05, NZA 2007, 1278 Rz. 31. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 35; BAG v. 8.4.2003 – AZR 355/02, NZA-RR 2003, 856 Rz. 35. 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 15 ff.
2 2 2 2
Fremdvergabe: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist
digung – ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG – auch aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen (hier: Fremdvergabe von Dienstleistungen) ergeben. Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung sei gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Dies gelte auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen sei. Schließlich gewährleisteten Art. 12, 14 GG und Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben solle und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiterhin im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollten91. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung92 müsse der Arbeitgeber deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen werde93. Aus Sicht des BAG steht auch die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des von einer solchen Kündigung betroffenen Arbeitnehmers dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit nicht entgegen. Allerdings strahle das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften aus. Die Darlegung der Kündigungsgründe müsse deshalb umso detaillierter sein, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrücke. Hiervon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für ordentlich unkündbare Arbeitnehmer auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen hat, die zwar nicht bei ihm selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die im Zusammenhang mit der jeweils in Rede stehenden Betriebsänderung Partei eines gemeinsamen Interessenausgleichs geworden oder vom Geltungsbereich einer Konzernvereinbarung erfasst werden. Zwar sei das KSchG nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber sei deshalb vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Ar-
91 92 93
BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 17; BAG v. 26.9.2002 – 2 AZR 636/01, NZA 2003, 549 Rz. 22. So KDZ/Däubler, BGB § 626 Rz. 163. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 17; KR/Fischermeier, BGB § 626 Rz. 158.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
beitnehmer im Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Eine solche Pflicht könne jedoch ausnahmsweise bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt habe oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer Vertragsabsprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergebe. Voraussetzung sei freilich, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss habe. Die Entscheidung über sie dürfe grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Unerheblich ist dabei, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch gegeben sei94. Ungeachtet dessen hat der tarifvertragliche Sonderkündigungsschutz auch zur Folge, dass der Arbeitgeber von sich aus darzutun hat, dass keinerlei Möglichkeiten bestehen, das Arbeitsverhältnis – ggf. zu geänderten Bedingungen nach einer entsprechenden Umschulung – sinnvoll fortzusetzen. Abweichend von den Vorgaben im Zusammenhang mit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nach den Feststellungen des BAG deshalb nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst einmal vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zähle bei der außerordentlichen betrieblichen Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es sei deshalb vom Arbeitgeber darzulegen, dass dies – wie die Beklagte in dem zugrunde liegenden Fall geltend gemacht hatte – für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein könne, vermöge daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast sei die Folge des höheren tariflichen Distanzschutzes95. Von erheblicher Bedeutung ist es, diese Vorgaben zur Darlegungs- und Beweislast bereits mit Blick auf die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zu berücksichtigen. Denn damit muss auch dort als Bestandteil der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 626 BGB durch den Arbeitgeber aufgezeigt werden, warum keine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen erfolgen kann. In Bezug auf den Vorbehalt des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB verabsäumt, hat das BAG im Zusammenhang mit der Kündigung wegen Fremdvergabe auf das Vorliegen ei94 95
498
BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 38 f.; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 Rz. 27. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 41; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, NZA 2003, 2130 Rz. 26 f.
Außerordentliche Verdachtskündigung: Nachschieben von Kündigungsgründen
nes Dauertatbestands hingewiesen. Die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers bestehe dauerhaft, so dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB stets von neuem beginne96. (Ga)
8.
Außerordentliche Verdachtskündigung: Nachschieben von Kündigungsgründen
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Zwei-Wochen-Frist (§ 626 Abs. 2 S. 1, 2 BGB) berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Vertragsende nicht zugemutet werden kann. Wird die Kündigung auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers gestützt, setzt ihre erfolgreiche Durchsetzung voraus, dass der Arbeitgeber das Arbeitsgericht überzeugt, dass sich der Arbeitnehmer tatsächlich in der vorgeworfenen Weise verhalten hat (Tatkündigung). Nach ganz herrschender Meinung kann allerdings auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund bilden. Wie das BAG im Urteil vom 23.5.201397 noch einmal ausgeführt hat, stellt ein solcher Verdacht gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Insofern könne auch eine Verdachtskündigung gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf - objektiven Tatsachen gründeten, wenn eine - große Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der darin liegende Vorwurf auch zutreffe, wenn die Verdachtsmomente geeignet seien, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören - und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehme, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe98. 96 97 98
BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 28; BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771 Rz. 31. 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 20). Vgl. bereits BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371 Rz. 13; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137 Rz. 16 f.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Voraussetzung ist natürlich, dass es dem Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens gelingt, die Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, die den jeweils in Rede stehenden Verdacht objektiv begründen. Im Mittelpunkt der vorstehend genannten Entscheidung des BAG stand nun die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber in einem Rechtstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht nur die ihm bei Kündigungsausspruch bereits bekannten (tatsächlichen) Umstände, sondern auch später bekannt gewordene Umstände berücksichtigen darf. Eine solche Sachlage kann in der betrieblichen Praxis eintreten, wenn auch nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber weitergehende Ermittlungen zum Sachverhalt angestellt werden und/oder durch Zufall Vorwürfe bekannt werden, die im Zusammenhang mit den bereits bekannten Tatsachen oder aber auf eigenständige Weise aus seiner Sicht die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten, die Tankstellen betrieb, seit Juli 2003 als Bezirksleiter für den Vertrieb im Außendienst eingesetzt. Im August 2010 entstand bei der Beklagten der Verdacht, der Kläger könne an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen sein. Hierzu wurde der Kläger am 20.8.2010 und am 30.9.2010 angehört. Mit Schreiben vom 5.10.2010 sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung aus. Gegen sie erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage. Am 14.1.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Auch dagegen erhob der Kläger – in einem eigenständigen Verfahren – Klage. Am 28.7.2011 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten weitere Unregelmäßigkeiten fest. Danach hatte im November 2009 eine Baugesellschaft der Beklagten für ein Bauvorhaben an einer Tankstelle 8.929,52 € in Rechnung gestellt. Darin waren u. a. die Lieferung und das Verlegen von Terrassenplatten mit 2.056,32 € ausgewiesen. Aus den beigefügten Unterlagen war erkennbar, dass entsprechende Leistungen nicht auf einem Tankstellengelände der Beklagten, sondern auf dem Wohngrundstück des Klägers ausgeführt worden waren. Mit Schriftsatz vom 22.8.2011 hat die Beklagte daraufhin diese tatsächlichen Erkenntnisse ohne erneute Anhörung des Klägers in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat den Vorwurf nicht nur bestritten, sondern auch geltend gemacht, dass die darin liegenden Verdachtsmomente zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung nicht berücksichtigt werden dürften, weil er 500
Außerordentliche Verdachtskündigung: Nachschieben von Kündigungsgründen
hierzu nicht angehört worden sei. Im Übrigen machte er geltend, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 5.10.2010 bereits deshalb nicht festgestellt werden könne, weil die Beklagte ihre Berufung gegen die klagestattgebende Entscheidung zur Kündigung vom 14.1.2011 im Rahmen der Berufungsverhandlung mit Zustimmung des Klägers zurückgenommen habe. Anlass hierfür war der Hinweis des LAG, dass darin eine Wiederholungskündigung zu sehen sei. Damit stehe fest, dass bei Zugang der Kündigung vom 14.1.2011 – also nach Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 5.10.2010 – (noch) ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe. Das BAG ist bereits im Urteil vom 23.5.201399 der prozessualen Bewertung des Klägers nicht gefolgt. Zwar sei Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden sei. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils stehe deshalb regelmäßig zugleich fest, das jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden sei100. Zu berücksichtigen sei aber, dass der Gegenstand der Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils einer Entscheidung entzogen werden könne. So könne für die „Ausklammerung“ der Rechtsfolgen einer eigenständigen, zeitlich früher wirkenden Kündigung aus dem Gegenstand der Klage gegen eine später wirkende Kündigung der Umstand sprechen, dass – was hier geschehen war – dieselbe Kammer des (Landes-)Arbeitsgerichts am selben Tag über beide Kündigungen entscheide. In einem solchen Fall wollten regelmäßig weder der Kläger noch das Gericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bei Zugang der späteren Kündigung zum Gegenstand des über deren Wirksamkeit geführten Rechtsstreits machen101. Hiervon war vorliegend auszugehen. Die Beklagte hatte – so das BAG – mit ihrer Berufungsrücknahme zum Ausdruck gebracht, sie sei bereit, die Unwirksamkeit der zweiten Kündigung hinzunehmen. Damit habe sie aber – so das BAG – auch aus Sicht eines objektiven Empfängers und für den Kläger ohne weiteres erkennbar, nicht zugleich erklärt, sie wolle auch den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zugang der Kündigung vom 14.1.2011 anerkennen. Mit seiner Zustimmung zur Klagerücknahme 99 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 12 ff.). 100 BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 732/11, NZA 2013, 665 (Rz. 19). 101 Vgl. auch BAG v. 20.5.1999 – 2 AZR 278/98 n. v.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
habe sich der Kläger auch materiell-rechtlich mit diesem Inhalt einverstanden erklärt102. Entgegen der rechtlichen Bewertung des Klägers hat der 2. Senat des BAG auch eine Berücksichtigung der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung zugelassen. In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sei nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr seien auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächten oder verstärkten, wenn sie bei Kündigungszugang bereits objektiv vorgelegen hätten103. Darüber hinaus könnten selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen – Kündigungsvorwurfs begründeten. Voraussetzung sei, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt gewesen sei104. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt, denn die Beklagte hatte Kenntnis von der Verlegung der Terrassenplatten auf dem Grundstück des Klägers als Bestand eines durch die Beklagte finanzierten Bauvorhabens erst im Juli 2011 - also nach Ausspruch der Kündigung – erlangt. Eine erneute Anhörung des Klägers vor einer Berücksichtigung dieser Tatsachen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses war nicht erforderlich. Der Kläger könne sich – so das BAG – gegen den verstärkten Tatverdacht ohne weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen. Soweit in dem Vortrag des Arbeitgebers Tatsachen zu sehen seien, die den Verdacht einer weiteren (schweren) Pflichtverletzung begründeten, bedürfe auch dies keiner erneuten Anhörung des Arbeitnehmers. Dies ergebe sich bereits aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses. Es solle nämlich den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen werde. Sei aber – wie beim Nachschieben von Kündigungsgründen – die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, könne dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers
102 BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 15 ff.). 103 BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 25); BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137 Rz. 41. 104 BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 25); BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636 Rz. 21.
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Beendigung des Arbeitsvertrags durch Altersgrenze in Betriebsvereinbarung
sei damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar105. Dass die Beklagte gleichwohl gehalten ist, den Betriebsrat nach § 102 BetrVG auch zu den „nachgeschobenen“ Kündigungsgründen anzuhören, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Denn die Anhörung des Arbeitnehmers verfolgt einen anderen Zweck als §102 BetrVG. Die Anhörung des Arbeitnehmers verfolgt das Ziel, den Sachverhalt vor Ausspruch einer Verdachtskündigung aufzuklären. Die Anhörung nach § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat Gelegenheit geben, (aktiv) auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsbeschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf nachgeschobene Gründe. Auch hier kann eine Einwirkung des Betriebsrats nur erfolgen, wenn sie ihm vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess zur Kenntnis gebracht werden106. Zu Recht hat das BAG im Urteil vom 23.5.2013107 auch klargestellt, dass § 626 Abs. 2 S. 1 BGB einer Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegenstehe. Neu bekannt gewordene, aber bei Kündigungsausspruch objektiv bereits gegebene Gründe könnten daher noch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist in den Prozess eingeführt werden. Diese Frist gelte nach ihrem Wortlaut allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Sei die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließe § 626 Abs. 2 S. 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus108. Hiervon ausgehend hat das BAG auch die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die durch den Arbeitgeber jedenfalls mit Blick auf die nachgeschobenen Umstände dargelegten und zur Überzeugung der Tatsacheninstanz auch nachgewiesenen Umstände begründeten objektiv den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, der dem Arbeitgeber eine weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar machte. (Ga)
9.
Beendigung des Arbeitsvertrags durch Altersgrenze in Betriebsvereinbarung
Die ablösende Betriebsvereinbarung über eine Altersgrenze für Arbeitsverhältnisse war bereits Gegenstand einer Beschlussentscheidung des Großen
105 106 107 108
BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 28 ff.). BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 32). 2 AZR 102/12 n. v. (Rz. 33). Ebenso BAG v. 4.6.1997 – 2 AZR 362/96, NZA 1997, 1158.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Senats des BAG vom 7.11.1989109. In dieser Entscheidung hat der Große Senat die Grundsätze entwickelt, die für die Wirksamkeit einer derartigen Betriebsvereinbarung maßgebend sind. Danach können Arbeitgeber und Betriebsrat in den Grenzen der allgemeinen Schranken der betrieblichen Regelungsmacht und unter Beachtung zwingender gesetzlicher Bestimmungen Betriebsvereinbarungen abschließen, die Regelungen über das Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis beim Erreichen eines bestimmten Alters zum Inhalt haben. Diese Regelungskompetenz leitet der Große Senat des BAG aus allgemeinen Grundsätzen des Betriebsverfassungsrechts, die in § 77 Abs. 3 (Tarifvorrang) und § 88 BetrVG (freiwillige Betriebsvereinbarungen) zum Ausdruck kommen, ab. Da die Festlegung einer Altersgrenze nicht zu denen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfenen Regelungsgegenständen gehört, kann eine entsprechende Betriebsvereinbarung nur auf freiwilliger Basis zustandekommen. Soweit es um die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien als solche geht, besteht diese nur in den Grenzen von Recht und Billigkeit (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Höherrangiges und zwingendes Recht darf nicht verletzt werden. Bei der Ausübung und Ausgestaltung ihrer Regelungsbefugnis haben die Betriebsparteien den Grundsätzen des freiheitlichen und sozialen Rechtsstaats (Art. 20 GG) und der individuellen Entfaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG) Rechnung zu tragen. Die Grundsätze von Recht und Billigkeit als Binnenschranken von Betriebsvereinbarungen, die das Ausscheiden der Arbeitnehmer bei Erreichen eines bestimmten Alters aus dem Arbeitsverhältnis vorsehen, bedingen dabei nicht nur die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung. Die inhaltliche Ausgestaltung darf auch nicht zu einer Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes führen. Wenn auch Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend gelten, so dass ihre Inhaltsnormen vertragliche Vereinbarungen verdrängen können, wird dadurch nicht bei einer Kollision mit vertraglichen Rechten das Günstigkeitsprinzip ausgehebelt, wobei jeweils die vertragliche Abrede über das Ende des Arbeitsverhältnisses und die in der Betriebsvereinbarung getroffene Regelung über denselben Gegenstand (individueller Günstigkeitsvergleich) miteinander zu vergleichen sind. Der Große Senat des BAG schließt in diesem Zusammenhang die Anwendung eines kollektiven Günstigkeitsvergleichs aus.
109 BAG v. 7.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816 ff.
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Beendigung des Arbeitsvertrags durch Altersgrenze in Betriebsvereinbarung
In einer Entscheidung vom 5.3.2013 hatte nunmehr der 1. Senat des BAG110 darüber zu befinden, ob und inwieweit eine Altersgrenze in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden darf, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung endet. Der im Jahr 1942 geborene Kläger war seit 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Nach der von beiden Parteien unterzeichneten „Einstellungsmitteilung“ war das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Durch den einschlägigen Tarifvertrag war keine Altersgrenze vorgegeben. Eine bei der Beklagten bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 1976 sah vor, dass „Altersrente gezahlt wird, wenn ein Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der AG ausscheidet (Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).“ Dieses vollendete der Kläger im August 2007. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG die Befristungskontrollklage des Klägers abgewiesen und dieses Ergebnis daraus abgeleitet, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahre 1976 eine Befristung des Arbeitsvertrags durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze enthält, die weder die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG verletzt noch aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam ist, insbesondere nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BetrVG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG verstößt. Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Entsprechende Arbeitsbedingungen sind dann tariflich geregelt, wenn ein Tarifvertrag existiert und der Betrieb in den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt111. Von einer Tarifüblichkeit ist dann auszugehen, wenn der Regelungsgegenstand bereits in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen, ohne dass es für die Sperrwirkung darauf ankäme, ob zeitliche Geltungslücken bestehen112. Im Streitfall lag eine derartige tarifvertragliche Regelung für den Betrieb nicht vor, so dass die Gesamtbetriebsvereinbarung nicht gegen die Regelungssperre aus § 77 Abs. 3 BetrVG verstieß.
110 1 AZR 417/ 12, NZA 2013, 916 ff. 111 BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 376/10, AP § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung Nr. 140. 112 BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, NZA 2008, 1426 Rz. 11.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Ausgehend von der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 7.11.1989113 hält der 1. Senat des BAG daran fest, dass Altersgrenzenregelungen in Betriebsvereinbarungen von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst werden und beschäftigt sich anschließend mit den Binnenschranken einer derartigen Betriebsvereinbarung im Hinblick auf § 75 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BetrVG. Danach sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet114, wozu die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer gehört115. Dieser Schutz wird durch das TzBfG gewährleistet, das mit Unabdingbarkeitsgarantie ausgestattet ist. Gemäß § 22 Abs. 1 TzBfG kann von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Daher bedarf eine in einer Betriebsvereinbarung geregelte Altersgrenze einer sachlichen Rechtfertigung. Diese bejaht das BAG in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung unter Hinweis auf das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung und unter dem Aspekt, dass an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt116. Da der 1942 geborene Kläger im Jahre 2007 noch mit dem 65. Lebensjahr117 die Regelaltersgrenze erreicht hatte, war nach Auffassung des BAG ein Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Das BAG hat auch keine Bedenken anzunehmen, dass die Begrenzung des Arbeitsverhältnisses auf das in der Betriebsvereinbarung festgesetzte Lebensalter einen Rechtfertigungsgrund in § 10 S. 3 Nr. 5, S. 1 und S. 2 AGG findet und damit keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Nach dieser Vorschrift darf eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters erfolgen, wenn es sich um eine Vereinbarung handelt, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann. Diese gesetzliche Regelung dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf in nationales Recht118, so dass das BAG auf die da-
113 114 115 116 117 118
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BAG v. 7.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816 Rz. 18 ff. BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, NZA 2013, 338 Rz. 36. BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, NZA 2011, 989 Rz. 20. BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 134/10, NZA 2012, 271 Rz. 22. § 35 Nr. 1 SGB VI i. d. F. der Bekanntmachung v. 19.2.2002 (BGBl. I S. 754). BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27.
Beendigung des Arbeitsvertrags durch Altersgrenze in Betriebsvereinbarung
zu bereits vorliegende Rechtsprechung des EuGH119 zurückgreifen konnte. Danach ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen, dass er einer tarifvertraglichen Klausel über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, nicht entgegensteht. Diese Rechtsprechung überträgt der 1. Senat des BAG auf die hier maßgebende Gesamtbetriebsvereinbarung, weil der EuGH120 Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner ansieht, denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Bis zu diesem Punkt der Entscheidung bewegt sich das BAG auf bereits durch frühere Rechtsprechung gesichertem Terrain, welche lediglich auf den konkreten Fall übertragen wird. Als problematischer erweisen sich die Ausführungen des 1. Senats des BAG zu der Frage, ob die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip durch die einzelvertragliche Regelung des Klägers verdrängt wird. Diese Bewertung drängte sich umso mehr auf, als mit dem Kläger ein Arbeitsverhältnis auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen worden war. Zunächst gelangt das BAG durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Arbeitsvertrags zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei seiner Einstellung den Arbeitsvertrag nicht dahingehend verstehen durfte, das Arbeitsverhältnis könne bis zu seinem Ableben nur durch eine Kündigung oder durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Diese Auslegung erschließt sich nach Ansicht des BAG aus der bei Abschluss des Arbeitsvertrages ausgehändigten Gesamtbetriebsvereinbarung über die Altersversorgung, in der eine Altersgrenze enthalten sei. Damit hätte es das BAG bewenden lassen und die Revision des Klägers zurückweisen können. Der 1. Senat des BAG bemüht jedoch noch einen weiteren Begründungsansatz, um die Zurückweisung der Revision abzusichern. Er geht nämlich davon aus, dass die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsoffen gestaltet haben. Dabei lässt sich das BAG von der Erwägung leiten, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Absprachen unter den Vorbehalt einer Abände119 EuGH v. 5.7.2012 - C-141/11, NZA 2012, 785 - Hörnfeldt; EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 - Rosenbladt.. 120 v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 - Rosenbladt.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
rung durch betriebliche Normen stellen können, was ausdrücklich oder auch konkludent erfolgen könne. Eine solche konkludente Vereinbarung sei regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sei und einen kollektiven Bezug habe. Denkansatz dafür bildet die Überlegung, dass der Arbeitgeber mit der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen dem Arbeitnehmer verdeutlicht, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen, die eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen ausschlössen, was zudem den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken würde. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre anderenfalls nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen. Dieser Deutung Allgemeiner Geschäftsbedingungen steht nach Ansicht des BAG die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB nicht entgegen, weil diese Vorschrift erst dann zur Anwendung kommt, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei ermittelt werden kann121. Dies ist erst dann zu verneinen, wenn erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen. Insofern nimmt der 1. Senat des BAG auf eine Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 14.9.2011122 Bezug. Mit dieser Aussage will der 1. Senat des BAG offenbar zugleich einen Verstoß gegen das Transparenzgebot verneinen, ohne dies ausdrücklich zu thematisieren. Denn ein Verstoß nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB. Diese Vermutung mag auch der Grund dafür sein, dass die Entscheidung des 1. Senats des BAG keinen Hinweis auf das Urteil des 10. Senats des BAG vom 5.8.2009 enthält, wonach bei einer aufgrund betrieblicher Übung entstandenen Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) der Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung ebenso wie ein Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügen muss, um 121 A. A. Säcker, BB 2013, 2677; zustimmend hingegen Hromadka, NZA 2013, 1061. 122 10 AZR 526/10, NZA 2012, 8 ff.
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Interessenkollision bei Beteiligung der Schwerbehindertenvertreter
im Verhältnis zu einer Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip einer günstigeren einzelvertraglichen Abrede zu verdrängen. Die Entscheidung des 1. Senats des BAG ist für die betriebliche Praxis von weitreichender Bedeutung, weil damit der ablösenden Betriebsvereinbarung, soweit sie in ihrer Wirksamkeit von vornherein nicht an § 77 Abs. 3 BetrVG scheitert, eine Funktion eingeräumt wird, die es weitgehend überflüssig macht, das kaum durchsetzbare Instrument der Änderungskündigung nutzen zu müssen, um generell auf Allgemeinen Geschäftsbedingungen basierende Arbeitsbedingungen zum Nachteil der Arbeitnehmer verändern zu können. Dass der 1. Senat des BAG genau diesen Gesichtspunkt im Auge hat, belegt sein Hinweis darauf, den Gestaltungsspielraum der Betriebspartner im Hinblick auf Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug stärken zu wollen und den Arbeitgeber nicht auf Änderungskündigungen zu beschränken. (Boe)
10. Interessenkollision bei Beteiligung der Schwerbehindertenvertreter Nach § 81 Abs. 1 S. SGB IX sind die Arbeitgeber unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 SGB IX und unter Anhörung der in § 93 genannten Vertretungen (§ 81 Abs. 1 S. 6 SGB IX) verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Zu diesem Zweck haben die Arbeitgeber frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen (§ 81 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Schlägt die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor, haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten (§ 81 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung jedoch nach § 81 Abs. 1 S. 10 SGB IX nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt. Nach § 95 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Ent-
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
scheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 81 Abs. 1 SGB IX und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 SGB IX oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. In der Entscheidung des 8. Senats des BAG vom 22.8.2013123 ging es darum, ob bei der Entscheidung über die Bewerbung von schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung auch dann beteiligt werden muss, wenn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten ebenfalls zu den Bewerbern gehört. Der schwerbehinderte Kläger macht gegen die Beklagte einen Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG geltend, weil er sich bei der Entscheidung über seine Bewerbung diskriminiert sieht. Bei der Beklagten waren zwei Beförderungsstellen zu besetzen, auf die sich auch der bei der Beklagten gewählte Schwerbehindertenvertreter und der Kläger, der stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung ist, bewarben. Die Beklagte teilte dem Schwerbehindertenvertreter mit, dass sie wegen der aus ihrer Sicht bestehenden Interessenkollision weder den Schwerbehindertenvertreter noch den Kläger an der Auswahlentscheidung beteiligen werde. Die Beklagte entschied sich für zwei andere Kandidaten. Die Vorinstanzen haben die Entschädigungsklage des Klägers abgewiesen und die Klage schon daran scheitern lassen, dass im vorliegenden Fall die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung keine begründete Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen der Behinderung im Sinne von § 22 AGG begründen konnte. Es sei vertretbar, dass die Beklagte im Falle einer Interessenkollision weder den Schwerbehindertenvertreter noch seinen Stellvertreter habe bei der Besetzung der vakanten Positionen beteiligen müssen, weil zur Vermeidung von Interessenkollisionen niemand Richter in eigener Sache sein könne, was auch für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach den Vorschriften des SGB IX gelte. Demgegenüber ist das BAG davon ausgegangen, dass die Beklagte bei der Bewerbung des Klägers die Schwerbehindertenvertretung hätte nach § 81 SGB IX beteiligen müssen. Dabei hat das BAG nicht für entscheidungserheblich gehalten, dass sich die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen selbst sowie der Kläger als Stellvertreter auf eine der zu besetzenden Stellen beworben hatten. Nach Ansicht des BAG wäre ein möglicher Interessenkonflikt vermeidbar gewesen, indem der Kläger nach § 81 Abs. 1
123 8 AZR 574/12 n. v.
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Interessenkollision bei Beteiligung der Schwerbehindertenvertreter
S. 10 SGB IX die Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters als eines direkten Konkurrenten um die zu besetzende Stelle ausdrücklich hätte ablehnen können. Dagegen habe es nicht der Beklagten obgelegen, von der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung abzusehen. Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, damit dieses klären kann, ob zunächst die Verletzung der Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Menschen nach § 81 SGB IX eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung indiziert und ob gegebenenfalls die Beklagte für ihre Vorgehensweise einen Rechtfertigungsgrund hat, der möglicherweise einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ausschließt. Nach einer Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 24.4.2013124 ist ein Betriebsratsmitglied im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG dann von der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats ausgeschlossen, wenn es selbst die Person ist, auf die sich das Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers unmittelbar richtet. Dagegen besteht kein Hindernis an der Mitwirkung bei der Entscheidung über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Versetzung eines anderen Arbeitnehmers. Dies gilt auch dann wenn das Betriebsratsmitglied selbst Bewerber für die betreffende Stelle ist. Gelegentlich wird in der betrieblichen Praxis die zu Gunsten schwerbehinderter Menschen bestehende Regelung des § 81 Abs. 1 SGB IX im Hinblick deren Bewerbungen unterschätzt und übersehen, dass eine Missachtung dieser Vorschrift Indizcharakter für die Anwendung von § 22 AGG haben kann, wie verschiedene Entscheidungen des BAG125 belegen. Es geht bei dieser Vorschrift um bestimmte Förderpflichten im Sinne von § 5 AGG und Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000. Dies betrifft etwa die Anzeige einer freien Stelle gegenüber der Agentur für Arbeit126 oder die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung127 sowie die unterbliebene Einladung des Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nach § 82 S. 2 SGB IX128. Ist der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX verpflichtet, die getroffene Besetzungsentscheidung unverzüglich mit allen Beteilig-
124 7 ABR 82/11, NZA 2013, 857 Rz. 16. 125 Vgl. die Nachweise bei BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840 ff.; BAG v.17.8.2010 - 9 AZR 839/08, NZA 2011, 153 ff. 126 BAG v. 12.9.2006 - 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 Rz. 21. 127 BAG v. 15.2.2005 - 9 AZR 635/03, NZA 2005, 870 Rz. 38. 128 BAG v. 16.2.2012 - 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667 Rz. 46.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
ten zu erörtern, so kann aus der Verletzung dieser Pflicht ebenfalls eine Indizwirkung im Sinne des § 22 AGG abgeleitet werden129. Das Schwerbehindertenrecht gewährt jedoch keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz und auch kein Recht, nach seinen Neigungen und Wünschen beschäftigt zu werden. Es räumt allerdings im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf ein, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, dass der schwerbehinderte Mensch entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann130. (Boe)
129 BAG v. 21.2.2013 - 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840 Rz. 37. 130 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 481/01, NZA 2003, 1215 Rz. 21 f.
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F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Aufgabe der Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff zur Anpassung der Betriebsrenten im Konzern
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Der Versorgungsschuldner ist zur Anpassung nicht verpflichtet, wenn seine wirtschaftliche Lage der Anpassung entgegensteht. Schuldner der Anpassungsverpflichtung ist dasjenige Unternehmen, das als Arbeitgeber die Versorgungszusage erteilt hat. Angesichts dessen kommt es auch am Anpassungsstichtag auf die Prognose bei diesem Unternehmen an, ob es die Anpassung aus den Erträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufbringen kann. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als dass das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Wettbewerbsfähigkeit wird nicht nur beeinträchtigt, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird, sondern auch dann, wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt1. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht aus einem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Der Basiszins entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt für alle Unternehmen einheitlich 2 %2. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG allein die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners maßgeblich ist, kann bei einer Einbindung des Versorgungschuldners in einen Konzern gelten und dazu führen, dass sich der Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmen oder der Konzernobergesellschaft zurechnen lassen muss3.
1 BAG v. 11.10.2011 - 3 AZR 527/09, NZA 2012, 454 Rz. 33. 2 BAG v. 26.10.2010 - 3 AZR 502/08, BB 2011, 700 Rz. 36. 3 BAG v. 29.9.2010 - 3 AZR 427/08, NZA 2011, 1416 Rz. 32.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Dieser so genannte Berechnungsdurchgriff setzt allerdings nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass der Versorgungsschuldner die Möglichkeit hat, die höhere Belastung an das andere Unternehmen weiterzugeben und sich bei diesem zu refinanzieren4. Schuldner der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG bleibt auch beim Berechnungsdurchgriff der Versorgungsschuldner. Dabei hat sich das BAG5 an der Rechtsprechung des BGH6 zur Durchgriffshaftung orientiert7, wobei zwei Voraussetzungen erfüllt sein mussten: Zum einen bedurfte es einer verdichteten Konzernbeziehung zwischen dem Versorgungsschuldner und dem herrschenden Unternehmen, die bei einem so genannten Vertragskonzern oder bei einem so genannten qualifiziert faktischen Konzern vorlag, bei dem das herrschende Unternehmen die Geschäfte des Tochterunternehmens tatsächlich dauernd und umfassend geführt hat. Die weitere Voraussetzung bestand in der Verwirklichung einer konzerntypischen Gefahr, die darin ihren Niederschlag fand, dass der Gesellschafter keine angemessene Berücksichtigung auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen hat, wodurch die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verursacht wurde8. Bei Anwendung der Durchgriffshaftung wurde die Haftungsbeschränkung einer Gesellschaft – etwa nach § 13 Abs. 2 GmbHG – ausgeblendet mit der Folge, dass die Gesellschafter gegenüber den Gläubigern unmittelbar persönlich hafteten, wie dies in § 128 HGB für die Gesellschafter einer Personengesellschaft vorgesehen ist. Die Gläubiger sollten davor geschützt werden, dass die Haftungsbeschränkung einer Gesellschaft von einem Gesellschafter durch Ausplünderung des Gesellschaftsvermögens missbraucht wurde. In der Entscheidung „Trihotel“ hat der BGH9 das bisherige Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffsaußenhaftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern konzipiert war, aufgegeben. Der BGH hält zwar an dem Erfordernis einer als „Existenzvernichtungshaftung“ bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH füh-
4 5 6 7 8 9
BAG v. 29.9.2010 - 3 AZR 427/08, NZA 2011, 1416 Rz. 32. Vgl. dazu BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1041. Siehe die Nachweise bei BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, DB 2007, 1802 Rz. 18. Vgl. Chwalisz, GuR 2013, 259, 260; Beck, ArbRAktuell 2013, 300 f. So bereits BAG v. 18.2.2003 – 3 AZR 177/02, DB 2003, 2606. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, DB 2007, 1802 Rz. 18; bestätigt durch BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (GAMMA), DB 2008, 1423.
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Aufgabe der Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff
rende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen fest, stützt diese aber in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft auf § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung10. In Anbetracht dieser Rechtsprechungsänderung des BGH sieht sich nunmehr auch der 3. Senat des BAG in seiner Entscheidung vom 15.1.201311 veranlasst, seine Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff aufzugeben, wenn eine andere Konzerngesellschaft die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich dauernd und umfassend geführt hat (qualifiziert faktischer Konzern) und sich dabei konzerntypische Gefahren verwirklicht haben12. Der zu beurteilende Fall betrifft einen Kläger, der von einer Konzerngesellschaft, der Beklagten, eine Betriebsrente von 819,- € brutto bezog. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist eine GmbH, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft einer französischen Aktiengesellschaft ist. Die Beklagte verweigerte am 1.1.2005 aus wirtschaftlichen Gründen, die unbestrittenermaßen vorlagen, eine Anpassung der Rente des Klägers nach § 16 BetrAVG. Der Kläger beanspruchte von der Beklagten ab 1.12.2007 eine um 135,13 € höhere Betriebsrente (insgesamt 954,13 € brutto) und berief sich dabei gegenüber der Beklagten auf einen Berechnungsdurchgriff. Da die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten als der Versorgungsschuldnerin eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust nicht zuließ, kam es entscheidungserheblich darauf an, ob sich die Beklagte die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft in Frankreich im Wege des Berechnungsdurchgriffs zurechnen lassen musste. Einen derartigen Berechnungsdurchgriff hat das BAG nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 16.7.2007 (Trihotel) für den qualifizierten faktischen Konzern verneint, weil sich danach die Existenzvernichtungshaftung als ein Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB darstellt und nunmehr eine Verhaltenshaftung des Gesellschafters ist. Schutzobjekt ist damit das Gesellschaftsvermögen als solches, das vor einem rechtfertigungslosen Entzug und der fehlenden Kompensation gesichert werden soll und die dadurch verursachte Insolvenz der Gesellschaft oder deren Vertiefung voraussetzt. Demgemäß wird jedenfalls bei einer qualifiziert faktischen Beherrschung eine Existenzvernichtungshaftung im Falle von Rentenanpas-
10 Vgl. auch Uhl/Polliczek, DStR 2010, 1481, 1483. 11 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1041 Rz. 35. 12 Vgl. Schäder, ArbRB 2013, 179 f.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
sungen bedeutungslos, weil bei einer Insolvenz des Versorgungsschuldners der Pensionssicherungsverein eintritt. Anders ist zu entscheiden und weiterhin ein Berechnungsdurchgriff anzunehmen, wenn zwischen dem Versorgungsschuldner und einer Konzernobergesellschaft ein Beherrschungsvertrag besteht, weil sich der Versorgungsschuldner bei der Muttergesellschaft refinanzieren kann, wenn diese auf die Belange des abhängigen Unternehmens keine angemessene Rücksicht genommen hat13. Entsprechendes gilt für Sozialpläne im Konzern14. (Boe)
2.
Änderung von Versorgungsordnungen durch Betriebsvereinbarung
Grundsätzlich gilt das Ablösungsprinzip, wenn mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen denselben Gegenstand regeln15. Eine neue Betriebsvereinbarung tritt an die Stelle einer älteren Betriebsvereinbarung, auch wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist. Das Ablösungsprinzip ermöglicht jedoch nach der Rechtsprechung des BAG16 nicht jede Änderung. Soweit in bestehende Besitzstände eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, unterliegen daher einer entsprechenden Rechtskontrolle. Dabei gilt nach ständiger Rechtsprechung des BAG17 eine dreistufige Prüfung: Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach allenfalls aus zwingenden Gründen, also nur in seltenen Ausnahmefällen, entzogen werden. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden.
13 BAG v. 26.5.2009 – 3 AZR 369/07, NZA 2010, 641 Rz. 30; vgl. auch Schlewing, RdA 2010, 364, 367 ff.; Ahrend, RdA 2012, 340, 342 f. 14 B. Gaul/Schmidt, AktuellAR 2013, 618 ff., 623 ff. 15 BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 573/01, NZA 2003, 393 Rz. 27. 16 BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 573/01, NZA 2003, 393 Rz. 27; BAG v. 10.2.2009 - 3 AZR 653/07, NZA 2009, 796 Rz. 18; BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 705/10, NZA-RR 2013, 376 Rz. 18. 17 Nur BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 705/10, NZA-RR 2013, 376 Rz. 19; BAG v. 15.5.2012 - 3 AZR 11/10, DB 2012, 1756 Rz. 25; BAG v. 9.12.2008 – 3 AZR 384/07, NZA 2009, 1341 Rz. 34.
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Änderung von Versorgungsordnungen durch Betriebsvereinbarung
Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe. Die Eingriffe dürfen nicht willkürlich sein. Sie müssen nachvollziehbar erkennen lassen, welche Umstände und Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlass gegeben haben. In der Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 15.1.201318 ging es um die Ablösung einer auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden Versorgungsordnung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung und die Frage, ob dadurch ein Eingriff in die bereits verdiente Dynamik ohne triftigen Grund vorgenommen worden war. Die Klägerin unterfiel einer mit dem Gesamtbetriebsrat 1974 bzw. 1986 abgeschlossenen Gesamtversorgung, wonach nach Ablauf von zehn Jahren ein Ruhegeld in Höhe von 35 % des pensionsfähigen Gehalts und bis zum 25. Dienstjahr jedes weitere Dienstjahr 2 % und danach 1 % bis zum Höchstsatz von 75 % erdient wurden. Maßgebend war dabei das zuletzt bezogene monatliche ruhegeldfähige Einkommen unter Anrechnung der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte schloss am 26.11.2004 mit dem Gesamtbetriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung ab, die eine Abkopplung der Rentenberechnung von der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung für zukünftige Dienstzeiten vorsah. Die Beklagte teilte den Mitarbeitern den auf den 31.12.2004 festgeschriebenen Prozentsatz (erdiente Anwartschaft) mit. Nach der Neuberechnung belief sich der Prozentsatz für die Klägerin auf 21,85 %. Dabei legte die Beklagte das im Dezember 2004 maßgebende Monatseinkommen von 3.432,83 € und davon die Obergrenze von 75 % = 2.574,62 € zu Grunde. Davon brachte die Beklagte die auf das 65. Lebensjahr hochgerechnete gesetzliche Rente von 1.864,63 € in Abzug, so dass sich ein Ruhegeld in Höhe von 749,99 € ergab. Diesen Wert setzte die Beklagte ins Verhältnis zum ruhegeldfähigen Einkommen von 3.432,83 € und ermittelte den festgeschriebenen Versorgungsprozentsatz von 21,85 %, den sie der Klägerin mitteilte. Mit ihrer Klage wollte die Klägerin festgestellt wissen, dass die neue Versorgungsordnung den Betrag nicht unterschreiten dürfe, den sie bereits aufgrund der bisherigen Versorgungsordnung als ruhegeldfähiges Einkommen erdient hatte. Während das LAG Baden-Württemberg der Klage entsprochen hat, führte die Revision zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LAG Baden-Württemberg. Das BAG prüft auf der Grundlage des dreistufigen Prüfungsschemas zunächst, ob die spätere Betriebsvereinbarung in Besitzstände der Klägerin eingegriffen hat. Dies kann nur in der Weise geschehen, dass beide Versorgungsordnungen gegenübergestellt und die Versor18 3 AZR 705/10, NZA-RR 2013, 376.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
gungsrechte bzw. Anwartschaften nach den unterschiedlichen Versorgungsordnungen berechnet werden. Dabei gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass die neue Betriebsvereinbarung mit der bereits von der Beklagten angestellten Berechnung den erdienten Teilbetrag nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG unberührt lässt und sich mit 21,85 % ein Ruhegehalt in Höhe von 749,99 € ergibt und dieses zum 31.12.2004 die Anwartschaft in Höhe von 521,33 € übersteigt. Fraglich konnte jedoch sein, ob die ablösende Betriebsvereinbarung möglicherweise in die erdiente Dynamik eingriff. Da die neue Versorgungsordnung an dem Berechnungsfaktor „Endgehalt“ nichts änderte, konnte die erdiente Dynamik nur insoweit verändert worden sein, als eine Abkopplung des Ruhegehaltsanspruchs von der weiteren Entwicklung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehen war und damit dieser variable Berechnungsfaktor nicht fortgeschrieben wurde. Dieser Eingriff in die erdiente Dynamik wird vom BAG bejaht, weil die ursprünglich gegebene Zusage eines Ruhegelds, das zusammen mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Gesamtversorgung von 75 % des letzten ruhegehaltsfähigen Einkommens erreichen sollte, entfiel. Dies deswegen, weil der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer erwarten dürfe, dass seine Anwartschaften den geänderten Verhältnissen angepasst werden, und zwar dem Anwachsen einer Versorgungslücke als Folge der Entwicklung seiner Rentenbiografie und der Sozialgesetzgebung. Nach Auffassung des BAG gehörte damit die entsprechende Wertsteigerung der Anwartschaften, die sich aus dem ansteigenden Versorgungsbedarf ergibt, ebenfalls zum erdienten Besitzstand, soweit sie auf den bereits erdienten Anwartschaftsteil entfiel. Eine endgültige Aussage kann freilich erst durch eine Berechnung bei Eintritt des Versorgungsfalls unter Berücksichtigung des dann maßgeblichen ruhegeldfähigen Einkommens und der tatsächlich bezogenen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorgenommen werden. Das BAG geht sodann davon aus, dass für einen möglicherweise vorliegenden Eingriff in die erdiente Dynamik keine triftigen Gründe bestanden haben. Von triftigen Gründen kann nur dann die Rede sein, wenn ein unveränderter Fortbestand des Versorgungswerks langfristig zu einer Substanzgefährdung des Versorgungsschuldners führen würde, wovon auszugehen wäre, wenn die Kosten des bisherigen Versorgungswerks nicht mehr aus den Unternehmenserträgen und etwaigen Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens erwirtschaftet werden könnten. Insofern kann als Orientierungshilfe auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die zu § 16 BetrAVG entwickelt worden sind, wenn eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten
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Änderung von Versorgungsordnungen durch Betriebsvereinbarung
aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers verweigert werden darf. Anschließend geht das BAG der Frage nach, ob durch die neue Versorgungsordnung möglicherweise ein Eingriff in noch nicht erdiente Zuwächse erfolgt. Da es der Klägerin darauf ankommt, eine Versorgung zu beanspruchen, die den Betrag der bisherigen Versorgungsordnung nicht unterschreitet, war auch dieser Gesichtspunkt nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu klären. Es ging also darum, ob die Beklagte sachlich- proportionale Gründe hatte, um in eine noch nicht erdiente Dynamik eingreifen zu dürfen. Darunter sind nach Ansicht des BAG willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe zu verstehen, die auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens oder einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung beruhen können19. Dabei werde weder die Feststellung einer insolvenznahen wirtschaftlichen Notlage gefordert noch das Vorliegen eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans. Es reiche vielmehr aus, die Willkürfreiheit des Eingriffs in noch nicht erdiente Zuwächse ausreichend zu belegen20. Das BAG weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass dafür allgemeine Hinweise auf wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht ausreichen, vielmehr die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Einzelnen darzulegen sind. Hat freilich ein unabhängiger Sachverständiger Feststellungen getroffen, die einen dringenden Sanierungsbedarf begründen, ist von sachlich-proportionalen Gründen auszugehen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die betriebliche Altersversorgung dadurch belegen, welche Maßnahmen ergriffen worden sind, um unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage zu einer Kosteneinsparung zu gelangen. Da ein Teil dieser Fragen von der Vorinstanz nicht aufgeklärt worden war, muss das LAG Baden-Württemberg dies nach der Zurückverweisung nachholen und würdigen. Die Entscheidung des BAG liegt auf der bisherigen Linie der Rechtsprechung zum Besitzstandsschutz bei ablösender Betriebsvereinbarung. Sie verdeutlicht der Praxis außerdem, welche Vortragslast den Versorgungsschuldner trifft, wenn er eine Neuordnung seiner betrieblichen Altersversorgung anstrebt. Andererseits kann der Arbeitgeber bei einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens bereits aus sachlich- proportionalen Gründen in einen noch nicht erdienten Zuwachs eingreifen und sich damit wirtschaftlich entlasten. (Boe) 19 BAG v. 11.5. 1999 - 3 AZR 21/98, NZA 2000, 322 Rz. 45. 20 BAG v. 15.2.2011 - 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541 Rz. 73.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
3.
Konsequenzen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003 für Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel
Die Problematik der so genannten „gespaltenen Rentenformel“ in Versorgungsordnungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) höhere Leistungen vorsehen als für den Teil bis zur BBG, wurde im Jahr 2003 durch eine außerordentliche Erhöhung der BBG in der Rentenversicherung veranlasst. § 3 Abs. 1 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17.12.200221 hatte die BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 zunächst auf 55.200,- € jährlich und 4.600,- € monatlich festgesetzt. Anschließend wurde durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (BSSichG) vom 23.12.200222 § 275 c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1.1.2003 in Kraft und legte die BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,- € jährlich und 5.100,- € monatlich fest. Zudem wurden durch § 275 c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der BBG des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat immer noch zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der BBG des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der BBG durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. Im Hinblick auf diese außerplanmäßige Erhöhung der BBG in der Rentenversicherung ging das BAG in einer Grundsatzentscheidung vom 21.4.200923 zunächst davon aus, dass Versorgungsordnungen mit einer gespaltenen Rentenformel lückenhaft geworden seien und dahingehend ergänzt werden müssten, dass sich die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Anhebung der BBG errechnet und von dem so er21 BGBl. I 2002 S. 4561. 22 BGBl. I 2002 S. 4637. 23 3 AZR 695/08, DB 2009, 2162 Rz. 22, 33; BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07 n. v.; so auch LAG Niedersachsen v. 20.3.2012 - 3 Sa 384/11 B n. v. (Rz. 40); LAG BadenWürttemberg v. 30.9.2011 - 17 Sa 14/11 n. v. (Rz. 51, 53); a. A. LAG BadenWürttemberg v. 25.11.2011 - 18 Sa 75/11 n. v. (Rz. 55); einschränkend: LAG Niedersachsen v. 8.12.2009 - 11 Sa 1783/07 B n. v. (Rz. 35); ablehnend: Diller, NZA 2012, 22; Böhm/Ulbrich, BB 2010, 1341.
520
Konsequenzen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003
rechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen sind, um die sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht. Der 3. Senat hat diese Grundsätze auch auf Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung mit einer gespaltenen Rentenformel übertragen24. Dieser Rechtsprechung des BAG ist das Hessische LAG25 entgegengetreten. Die außerordentliche Erhöhung der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung zwinge nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung. Vielmehr handele es sich um einen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage, bei der eine Anpassung nur im Falle der Unzumutbarkeit der Folgen beansprucht werden könne. Nunmehr war der Ruhegeldsenat des BAG in einer Entscheidung vom 23.4.201326 und fünf weiteren Verfahren erneut mit der Frage der Behandlung der außerplanmäßigen Anhebung der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung für gespaltene Rentenformeln befasst. Der Kläger, der seit dem 1.9.2008 Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, erhält von der Beklagten eine Altersrente, die sich infolge der außerordentlichen Erhöhung der BBG für das Jahr 2003 nach der für ihn geltenden Versorgungsordnung um monatlich 58,83 € verringerte. Die Beklagte hatte bei der Rentenberechnung die vom BAG in der Grundsatzentscheidung vom 21.4.200927 vorgesehenen Berechnungsgrundsätze außer Acht gelassen. Im Hinblick auf diese Entscheidung beanspruchte der Kläger eine Rentenerhöhung um den verringerten Betrag. Der 3. Senat des BAG hat abweichend und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung in den Urteilen vom 21.4.2009 die Klage des Klägers ebenso abgewiesen wie bereits die Vorinstanzen. Das BAG gelangt jetzt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung zu verneinen sind, weil im Gegensatz zu seiner früheren Bewertung nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit im Sinne einer Regelungslücke der Versorgungsordnung auszugehen sei, die ohne Vervollständigung des Vertrags keine angemessene und interessenge-
24 25 26 27
BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07, DB 2009, 2164 Rz. 23. v. 22.6.2011 – 8 Sa 1832/10, BetrAV 2011, 667 Rz. 38, 43, 55. 3 AZR 475/11, DB 2013, 2157. 3 AZR 695/08, DB 2009, 2162 Rz. 22, 33; BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 471/07, n. v.; so auch LAG Niedersachsen v. 20.3.2012 - 3 Sa 384/11 B n. v. (Rz. 40); LAG BadenWürttemberg v. 30.9.2011 - 17 Sa 14/11 n. v. (Rz. 51, 53); a. A. LAG BadenWürttemberg v. 25.11.2011 - 18 Sa 75/11 n. v. (Rz. 55); einschränkend: LAG Niedersachsen v. 8.12.2009 - 11 Sa 1783/07 B n. v. (Rz. 35); ablehnend: Diller, NZA 2012, 22; Böhm/Ulbrich, BB 2010, 1341.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
rechte Lösung mehr beinhalte28. Bei einer ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbedingung diejenige Gestaltung, die von den Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien gewählt worden wäre, wenn ihnen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bewusst gewesen wäre29. Geht es dabei um die Auslegung einer Gesamtzusage, mithin um Allgemeine Geschäftsbedingungen, muss die ergänzende Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab erfolgen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH30 fordert das BAG, dass die Vertragsergänzung für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines immer wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein muss. Ließen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen nicht finden, weil etwa mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kämen, scheide eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus31. In Anwendung dieser Grundsätze kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass auf der Grundlage der hier maßgebenden Versorgungsordnung nicht nur eine Vertragsergänzung nach der bisherigen Rechtsprechung des Ruhegeldsenats in Frage käme, sondern gleichermaßen in Erwägung gezogen werden könne, dass sich die Parteien auf eine auf wenige Jahre begrenzte Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge verständigt hätten, oder die Berechnungsweise nach der „Barber Entscheidung“ des EuGH32 vorgenommen worden wäre. Letzteres hätte zur Folge gehabt, dass für die Berechnung des Teils der Rentenanwartschaft oberhalb der BBG eine Trennung in die Zeit vor dem 1.1.2003 und die Zeit danach vorzunehmen gewesen wäre. Das BAG prüft anschließend, ob der Kläger seinen Anspruch auf eine höhere Altersrente mit Erfolg auf eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) stützen könnte, wonach eine Anpassung des Vertrags verlangt werden kann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Eine Vertragsanpassung kommt allerdings nur dann in Betracht, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller 28 29 30 31
BGH v. 15.11.2012 - VII ZR 99/10, NJW 2013, 678 Rz. 15. BAG v.19.5.2010 - 4 AZR 796/08, NZA 2010, 1183 Rz. 31. BGH v. 6.11.2009 - V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531 Rz. 43. BGH v. 10.2.2009 - VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482 Rz. 24; BGH v.10.10.2012 - IV ZR 12/11, ZTR 2012, 693 Rz. 73. 32 v. 17.5.1990 - C-262/88, NZA 1990, 775 Rz. 21 ff. - Barber; BAG v. 3.6.1997 - 3 AZR 910/95, NZA 1997, 1043 Rz. 32; vgl. auch Weber, DB 2010, 1642.
522
Konsequenzen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG zum 1.1.2003
Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Das Vorliegen derartiger Voraussetzungen wird vom BAG im Streitfall verneint, weil die infolge der außerplanmäßigen Anhebung der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1.1.2003 bei dem Kläger verursachte Versorgungseinbuße von ca. 8 % nicht so schwerwiegend sei, dass ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zugemutet werden könnte, weil dies für den Kläger zu einem nicht mehr tragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnis, führte. Das BAG diskutiert anschließend, ohne sich allerdings festzulegen, wo denn nun die Untragbarkeitsgrenze einsetzt. Der 3. Senat des BAG lässt dabei offen, ob die vom Arbeitnehmer hinzunehmende Versorgungseinbuße bis zu 40 % beträgt33 oder die Opfergrenze bereits bei 25- oder 30-prozentiger34 Versorgungseinbuße beginnt. Es spricht hier vieles dafür, dass jedenfalls in den letzteren Grenzen die Opfergrenze noch nicht überschritten ist. Die Entscheidung ist für die betriebliche Praxis insofern wegweisend, als dass für den Arbeitgeber nur bei wirklich erheblichen Versorgungseinbußen die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung akut wird, wobei das BAG unterschiedliche alternative Lösungen für möglich hält. Problematischer ist die Verfahrensweise für Unternehmen, die bereits auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des Ruhegeldsenats eine Anpassung ihrer Versorgungsordnung vorgenommen haben und nunmehr vor der Frage einer erneuten Korrektur stehen. Soweit es nur um Unverfallbarkeitsbescheide geht, kann der Arbeitgeber eine Berichtigung vornehmen, weil diese kein Anerkenntnis, sondern lediglich eine informative Qualität aufweisen. Eine Rückforderung überzahlter Betriebsrenten ist dann aus § 812 BGB zu erwägen, wenn der Arbeitgeber die früheren anders lautenden Entscheidung des BAG nur tatsächlich umgesetzt hat, während bei einer Änderung der Zusage nunmehr die neue vertragliche Regelung die entsprechende Grundlage für die Betriebsrentenzahlung abgibt. Zumindest scheint es empfehlenswert zu sein, die Betriebsrentner, die von einer gespaltenen Betriebsrentenformel erfasst werden, von der geänderten Rechtslage zu unterrichten, um das Entstehen einer betrieblichen Übung zu vermeiden. In einem weiteren Urteil des 3. Senats des BAG vom 23.4.201335 ging es um die gleiche Problematik der Auswirkungen der außerplanmäßigen Anhebung der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1.1.2003 bei einem 33 BAG v. 30.3.1973 – 3 AZR 26/72, DB 1973, 773 Rz. 66. 34 BAG v. 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 Rz. 23. 35 3 AZR 23/11, NZA-RR 2013, 542 Rz. 29 mit Anm. von Höfer, DB 2013, 2150.
523
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
vor dem 1.1.2003 abgeschlossenen Versorgungstarifvertrag mit einer gespaltenen Rentenformel. Auch in diesem Fall stritten die Parteien über die Ruhegeldbezüge des Klägers. Das BAG hat anders als die Vorinstanz36 die Klage abgewiesen und dieses Ergebnis damit begründet, dass eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung immer dann zu unterbleiben hat, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt, weil es dann wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie ihre Aufgabe ist, die für angemessen erachtete Regelung selbst zu entwickeln. Anders als bei einer dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gemachten vertraglichen Altersversorgungszusage, bei der ein Arbeitnehmer möglicherweise eine Anpassung bei einer für ihn unzumutbaren Entwicklung einer Versorgungszusage nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage beanspruchen kann, kommt bei einem Tarifvertrag nicht der betroffene Arbeitnehmer, sondern allenfalls die Gewerkschaft als Tarifpartner im Falle einer Störung der Geschäftsgrundlage als Anspruchsteller in Betracht. Überdies weist das BAG in der Entscheidung vom 23.4.2013 zu Recht darauf hin, dass tarifvertragliche Regelungen einer ergänzenden Auslegung nur dann zugänglich sind, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist, wovon auszugehen wäre, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Angelegenheit bewusst ungeregelt gelassen haben. Ein derartiges „beredtes Schweigen“ ist dann anzunehmen, wie das BAG überzeugend ausführt, wenn ein Versorgungstarifvertrag mit einer gespaltenen Rentenformel erst nach dem 1.1.2003 abgeschlossen worden ist, weil dann mit der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung nur die bereits durch § 275 c SGB VI angehobene BBG gemeint sein kann. (Boe)
4.
Diskriminierung wegen des Alters oder Geschlechts beim Verfall von Versorgungsanwartschaften
Wie schon bei früherer Gelegenheit37 hatte sich der 3. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 28.5.201338 mit der Frage zu beschäftigen, ob das für die Unverfallbarkeit von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung in der Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.12.2008 bestimmte Mindestalter von 30 Jahren bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Unionsrecht zu
36 LAG Düsseldorf v. 21.10.2010 - 15 Sa 816/10 n. v. 37 BAG v. 9.10.2012 – 3 AZR 477/10, NZA-RR 2013, 150. 38 3 AZR 210/11, BB 2013, 2420.
524
Diskriminierung wegen des Alters oder Geschlechts
vereinbaren und verfassungsgemäß ist. Bereits durch das Altersvermögensgesetz vom 26.6.200139 war das Mindestalter von 35 auf 30 Jahre abgesenkt und die Dauer der Versorgungszusage auf fünf Jahre ab 1.1.2001 reduziert worden. Durch das Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge vom 10.12.200740 wurde sodann ab 1.1.2009 das Mindestalter auf 25 Jahre herabgesetzt. Der im Juli 1981 geb. Kläger war vom 1.8.2002 bis zum 30.11.2009 von seinem 21. bis 28. Lebensjahr bei der Beklagten beschäftigt und hatte ab Beginn seines Arbeitsverhältnisses eine Versorgungszusage. Nach seinem Ausscheiden teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er keine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erworben habe, da er bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt habe. Damit wollte sich der Kläger nicht zufrieden geben und beanspruchte im Klagewege die Feststellung des Bestandes einer unverfallbaren Anwartschaft gegenüber der Beklagten. Zunächst konstatiert das BAG in seiner Begründung, dass der Kläger die in § 1 b Abs. 1 i. V. mit § 30 f Abs. 2 BetrAVG bestimmten Unverfallbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil er bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten das für ihn nach der damaligen Gesetzeslage maßgebende 30. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Anschließend prüft der 3. Senat des BAG, ob die in § 1 b Abs. 1 i. V. mit § 30 f Abs. 2 BetrAVG für die Unverfallbarkeit bestimmte Altersgrenze von 30 Jahren gegen höherrangiges Recht verstößt. Demgemäß war die gesetzliche Regelung des BetrAVG anhand des Unionsrechts und des Verfassungsrechts zu überprüfen, wobei das BAG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Altersgrenze weder mit dem primärrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf41 konkretisiert wird, kollidiert, noch gegen nationales Verfassungsrecht verstößt. Soweit das Unionsrecht in Rede steht, enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Spezialregelung für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Danach können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung
39 BGBl. I S. 1310. 40 BGBl. I. S. 2838. 41 ABl. L 303 v. 2.12.2000 S. 16.
525
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Danach sind die Mitgliedstaaten - wie das BAG zu Recht unterstreicht –, soweit es um die betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit geht, bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einzuhalten. Angesichts dessen bestehen unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit regelmäßig keine Bedenken, die Festsetzung von Altersgrenzen einzuführen, um etwa Hindernissen der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenzuwirken. Das BAG geht auch berechtigterweise davon aus, dass die Festlegung des Mindestalters von 30 Jahren bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Unverfallbarkeit von Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in § 1 b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 30 f Abs. 2 BetrAVG tatbestandlich nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts führt. Dabei kann dahinstehen, ob von dem Verfall von Versorgungsanwartschaften nach § 1 b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 30 f Abs. 2 BetrAVG mehr Frauen betroffen sind als Männer. Darin läge keine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil die Regelung durch das rechtmäßige Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung und damit durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt und das Mittel der Mindestaltersgrenze von 30 Jahren zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Das BAG verneint auch überzeugend einen Verstoß des § 1 b Abs. 1 i. V. m. § 30 f Abs. 2 BetrAVG gegen nationales Verfassungsrecht mit der Begründung, dass weder der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG verletzt seien, weil für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis vor oder nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ende, bezüglich des Erwerbs einer unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung wegen ihres Ziels einer weiten Verbreitung einen sachlichen Grund darstellt und der Arbeitnehmer an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht gehindert wird. Die Entscheidung bestätigt die bisherige Sichtweise des BAG und dient damit der Rechtssicherheit, was vor allem den Aspekt der Altersdiskriminierung betrifft, weil gelegentlich in der Literatur42 bei den Altersgrenzen für 42 Etwa von Roetteken, AGG § 10 Rz. 221 ff.; Däubler/Bertzbach/Brors, AGG § 10 Rz. 138.
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Kein Rückzahlungsanspruch bei unwirksamer Rückzahlungsklausel
das Erreichen der Unverfallbarkeit einer Altersversorgung auch andere Auffassungen vertreten werden. (Boe)
5.
Fortbildungskosten: Kein Rückzahlungsanspruch bei unwirksamer Rückzahlungsklausel
Bereits mehrfach hatten wir uns in der Vergangenheit mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen arbeitsvertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Fort- und Weiterbildungskosten mit den gesetzlichen Vorgaben zur AGB-Kontrolle (§ 305 ff. BGB) vereinbar sind43. Bedeutung hat diese Frage bereits deshalb, weil bei einer Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel im Zweifel keine Rückzahlung der durch den Arbeitgeber aufgewendeten Kosten gegenüber dem Arbeitnehmer für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgesetzt werden kann. Das Investment, das der Arbeitgeber tätigt, schlägt damit fehl.
a)
Fehlende Differenzierung bei den Gründen der Vertragsbeendigung
In seinem Urteil vom 28.5.201344 hat sich der 3. Senat des BAG nun noch einmal mit den Anforderungen an die wirksame Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel und den Rechtsfolgen für den Fall befasst, dass diesen Anforderungen in Bezug auf die Gründe der Vertragsbeendigung arbeitgeberseits nicht ausreichend Rechnung getragen wird. In dem zugrunde liegenden Fall betrieb die Klägerin eine Fluglinie. Der Beklagte hatte mit ihr einen „Dienstvertrag für Luftfahrzeugführer“ abgeschlossen, der mit dem Erstflug Supervision D beginnen sollte. Eine Kündigung vor Vertragsbeginn war ausgeschlossen. Hinsichtlich der Lizenzen und Berechtigungen zur Führung von Flugzeugtypen hatten die Parteien vertraglich wie folgt vereinbart: § 5 Lizenz/Ratings 1.
Der Arbeitnehmer/Pilot ist für die Ausstellung und Aufrechterhaltung seiner Lizenzen und Berechtigungen selbst verantwortlich.
2.
Die Kosten für erforderliche Types-Ratings übernimmt der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer/Pilot ist allerdings zur vollen Rückzahlung dieser Kosten verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis-
43 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 47 ff.; 2013, 43 ff. 44 3 AZR 103/12, DB 2013, 2152 f.
527
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
ses vor Ablauf von 24 Monaten nach Beendigung des TypesRatings kündigt oder wenn er seitens des Arbeitgebers aus wichtigem Grund gekündigt wird. 3.
Für jeden Monat der weiteren Beschäftigung nach Ende des Types-Ratings werden 1/24 der Kosten erlassen. Fällige Rückzahlungen und Forderungen werden gegen noch ausstehende Restforderungen aufgerechnet. Die Zahlungsübersicht ist aus der Anlage 2 ersichtlich. …
Im Rahmen der Schlussbestimmungen hatten die Parteien eine salvatorische Klausel vereinbart. Sie lautete wie folgt: Soweit einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein sollten, bleibt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen hiervon unberührt. Die unwirksame Bestimmung ist so auszulegen oder umzudeuten, dass der mit ihr beabsichtigte insbesondere wirtschaftliche Zweck, soweit gesetzlich zulässig, weitestgehend erreicht wird.
Beim Abschluss des Arbeitsvertrags verfügte der Beklagte noch nicht über die Musterberechtigung für das Flugzeug D. Er erwarb sie anschließend in einer etwa zwei Monate dauernden Ausbildung bis zum 18.10.2007. Die Kosten dieser Ausbildung, die von Seiten der Klägerin mit 18.952,54 € (inkl. Umsatzsteuer) beziffert wurden, übernahm die Klägerin. Nachdem der erste Flug Supervision D aber bis zum 9.11.2007 nicht stattgefunden hatte, kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 9.11.2007, das der Klägerin am 15.11.2007 zuging, das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen. Die Klägerin nahm dies zum Anlass, auf der Grundlage der Rückzahlungsklausel einen Betrag in Höhe von 18.000,- € als abschließende Gesamtforderung zur Erstattung der ihr entstandenen Kosten der Ausbildung geltend zu machen. Sie berief sich dabei auf die entsprechende Rückzahlungsklausel und den Umstand, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis bereits einen Monat nach der Beendigung der Ausbildung gekündigt hatte. Mit überzeugender Begründung hat das BAG die auf Rückzahlung gerichtete Klage abgewiesen. Zunächst einmal war festzustellen, dass die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung über die Rückzahlung der Fortbildungskosten gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam war. Denn der Beklagte wurde durch die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligt, da sie eine Pflicht zur Rückzahlung der Fortbildungskosten ohne Rücksicht darauf begründete, ob
528
Kein Rückzahlungsanspruch bei unwirksamer Rückzahlungsklausel
der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers entstammte. Damit wurde der Beklagte auch dann zur Rückzahlung nicht unerheblicher Kosten einer Fortbildung verpflichtet, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit) veranlasst wurde, z. B. durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers. Wie das BAG in früheren Entscheidungen bereits klargestellt hat, liegt darin eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, die zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel führt (§§ 306 Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 1 BGB)45. Da das BAG entsprechende Feststellungen schon vor Inkrafttreten der AGB-Kontrolle getroffen hatte46, bestand auch kein Anlass, hier Überlegungen zu einem Vertrauensschutz des Arbeitgebers anzustellen. Folgerichtig hat das BAG auch eine geltungserhaltende Reduktion abgelehnt. Sie wäre bereits mit dem Grundgedanken der AGB-Kontrolle nicht vereinbar47. Daran änderte sich auch nichts durch den Umstand, dass arbeitsvertraglich eine salvatorische Klausel vereinbart worden war. Mit dieser sei die Rechtsfolge einer Unwirksamkeit nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur abweichend von dem in § 306 BGB (zwingend) geregelten Rechtsfolgensystem gestaltet, in dem die in § 306 Abs. 2 BGB vorgesehene Geltung des dispositiven Rechts verdrängt worden sei. Außerdem seien die Rechte und Pflichten des Vertragspartners entgegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht klar und durchschaubar dargestellt worden. Dies sei unzulässig, weil es den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteilige im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB48. Überzeugend lehnt es der 3. Senat des BAG im Urteil vom 28.5.201349 auch ab, den Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten auf die Grundsätze zur ungerechtfertigten Bereicherung zu stützen. Eine Anwendbarkeit der §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB (Erlangung einer Leistung ohne Rechtsgrund) war bereits ausgeschlossen, weil der Beklagte diese Leistungen aufgrund einer – im Übrigen – wirksamen Ausbildungsvereinbarung erlangt hatte. Eine Herausgabepflicht konnte auch nicht auf die §§ 812 Abs. 1 45 BAG v. 28.5.2013 - 3 AZR 103/12, DB 2013, 2152 Rz. 17 f.; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 Rz. 15; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042 Rz. 27. 46 Vgl. BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 535/97, NZA 1999, 79. 47 BAG v. 28.5.2013 - 3 AZR 103/12, DB 2013, 2152 Rz. 19; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 Rz. 29 ff. 48 BAG v. 28.5.2013 - 3 AZR 103/12, DB 2013, 2152 Rz. 20; BGH v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, DB 2002, 1372 Rz. 21. 49 3 AZR 103/12, DB 2013, 2152 Rz. 23 ff.
529
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
S. 2 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB (Zweckverfehlung) gestützt werden. Denn eine Anwendung dieser Regelungen ist ausgeschlossen, wenn der nicht (vollständig) erreichte Erfolg Inhalt einer vertraglichen Vereinbarung war. Eben dies war indes vorliegend der Fall. Denn Zweck der Ausbildungsvereinbarung war es, den Beklagten durch den Erwerb der Musterberechtigung für die spätere Tätigkeit als Pilot für den Flugzeugtyp D bei der Klägerin zu befähigen. Ungeachtet dessen stehen Sinn und Zweck des Rechtsfolgensystems des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereicherungsrechtlichen Ansprüchen entgegen. Darauf hat das BAG ausdrücklich hingewiesen. Der Zweck der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB – so der 3. Senat – würde unterlaufen, wenn der Klauselverwender einen vertraglich vereinbarten Rückzahlungsanspruch infolge einer unangemessen benachteiligenden Vertragsgestaltung verlieren würde, anschließend aber über den Bereicherungsausgleich das nach §§ 305 ff. BGB missbilligte Ziel erreichen würde. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfolge mit dem beim Klauselverwender eintretenden Rechtsverlust den Zweck, die erfolgte Vermögensverschiebung bestehen zu lassen. Nur dann, wenn ein Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung auch unter Berücksichtigung des dispositiven Rechts für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 306 Abs. 3 BGB), komme überhaupt ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB in Betracht50. Diese Voraussetzungen waren vorliegend indes nicht gegeben.
b)
Unklarheiten bezüglich der zu erstattenden Kosten
Im Anschluss an die Feststellungen des BAG im Urteil vom 21.8.201251, über das wir berichteten52, hat das BAG in seinem Urteil vom 6.8.201353 noch einmal deutlich gemacht, dass auch die fehlende Transparenz in Bezug auf die arbeitnehmerseits für den Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung zu erstattenden Kosten zu einer Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel führen kann. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um eine von der Klägerin angebotene Weiterbildung zum Fach- und Gesundheitspfleger in der Psychiatrie. In Bezug auf die damit verbundenen Kosten hatten die Parteien 2005 eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vereinbart, die u. a. folgende Regelungen enthielt:
50 51 52 53
Ebenso BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428 Rz. 46. 3 AZR 698/10, NZA 2012, 142 ff. B. Gaul, AktuellAR 2013, 43 ff. 9 AZR 442/12 n. v.
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Kein Rückzahlungsanspruch bei unwirksamer Rückzahlungsklausel
(1) Im Rahmen der nachfolgend genannten Weiterbildung „Fachpflege Psychiatrie“ wird die E gGmbH den Mitarbeiter für den Besuch des Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen. (2) Der Angestellte verpflichtet sich, die der E entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Fortzahlungskosten – wie nachfolgend beschrieben – zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grund endet. Ausgenommen ist die Kündigung bzw. der Auflösungsvertrag aufgrund einer Schwangerschaft oder Niederkunft in den letzten drei Monaten. Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind -
im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen,
-
im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei Drittel der Aufwendungen,
-
im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen.
Der Beklagte nahm an der Weiterbildungsmaßnahme in der Zeit vom 8.5.2006 bis zum 7.5.2008 mit Erfolg teil. Mit Schreiben vom 1.9.2010 kündigte er sodann das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2010. Die Klägerin nahm dies zum Anlass, ihn aufzufordern, ein Drittel der von ihr für seine Weiterbildung aufgewandten Kosten, die sie anteilig mit 9.346,28 € bezifferte, zu ersetzen. Mit überzeugender Begründung blieb die auf Zahlung gerichtete Klage erfolglos. Denn die in der Rückzahlungsklausel verwendete Formulierung „die der E gGmbH entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten“ ließ offen, welche Kosten dies im Einzelnen sein sollten. Es fehlte an einer Angabe, welche konkreten Kosten damit gemeint waren und in welcher Höhe diese anfallen könnten. Insbesondere war der Klausel nicht zu entnehmen, mit welchen Lehrgangsgebühren zu rechnen war, ob der Beklagte neben den Lehrgangsgebühren Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu erstatten habe und ggf. wie diese zu berechnen sind, für welchen konkreten Zeitraum Lohnfortzahlungskosten anfielen, ob die Rückzahlungsverpflichtung auf die Netto- oder die Bruttosumme gerichtet sein sollte und ob auch die Beiträge zur Zusatzversorgung zu erstatten waren. Diese Umstände hatten – so das BAG – zur Folge, dass von einer Intransparenz der Rückzahlungsklausel gemäß § 307
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Abs. 1 S. 2 BGB auszugehen war, die zu ihrer Unwirksamkeit führte (§ 306 Abs. 1, 2 BGB)54. Zu Recht hat der 9. Senat des BAG auch eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt. Diese setzte voraus, dass der Regelungsplan der Parteien infolge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer Vervollständigung bedürfe. Voraussetzung hierfür sei jedenfalls, dass die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine angemessene, den typischen und schutzwürdigen Interessen des Klauselverwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung biete. Hiervon sei indes vorliegend nicht auszugehen, denn die Klägerin habe kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Klausel mit einem zulässigen Inhalt. Sie hätte es bei Erstellen der Nebenabrede in der Hand gehabt, eine transparente Klausel ohne ungerechtfertigte Wertungsspielräume zu formulieren55.
c)
Fazit
Für die betriebliche Praxis zeigen diese Entscheidungen noch einmal auf, wie wichtig es ist, bei der Vereinbarung von Fortbildungskosten sehr genau auf die Tatbestände zu achten, unter denen eine Rückzahlungsklausel relevant werden soll. Wenn hier Fehler gemacht werden, ist eine Rückzahlung des arbeitgeberseitigen Aufwands auch für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen. Dies gilt selbst dann, wenn an sich – falls die Klausel ordnungsgemäß formuliert worden wäre – bei dem jeweils in Rede stehenden Fall durchaus ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers berechtigt gewesen wäre, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzig und allein in der Sphäre des Arbeitnehmers gelegen hat. (Ga)
6.
Befristete Beschäftigung von Rentnern
Unternehmen beschäftigen sich zunehmend mit Fragen, auf welche Weise das Knowhow älterer Arbeitnehmer auch nach Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Altersrente in der betrieblichen Struktur nutzbar gemacht werden kann56. Vereinzelt werden hierzu Beratungsverträge abgeschlossen, auf deren Grundlage die Mitarbeiter im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer selbständigen Tätig54 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12 n. v. (Rz. 10 ff., 15). 55 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12 n. v. (Rz. 20 ff.). 56 Eingehend hierzu Rid/Roock, AuA 2012, 702 ff.; Fröhlich, ArbRB 2013, 310 ff.
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Befristete Beschäftigung von Rentnern
keit eingesetzt werden. Problematisch daran ist, dass damit vielfach keine Kontinuität gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass insbesondere bei einem Einsatz im bisherigen Tätigkeitsbereich die Frage entsteht, ob wirklich eine selbständige Tätigkeit gegeben ist. Ist dies als Konsequenz einer fortgesetzten Eingliederung in die betrieblichen Abläufe nicht der Fall, finden nicht nur arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen Anwendung. Vielmehr sind auch steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Vorgaben einzuhalten. Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 20.11.201257 macht deutlich, dass es möglich ist, weiterhin arbeitsrechtliche Gestaltungsoptionen zu nutzen, um auf deren Grundlage eine fortgesetzte Einbindung älterer Arbeitnehmer in die Betriebsabläufe zu erreichen. Ausgangspunkt ist dabei der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses, dessen Wirksamkeit auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG gestützt wird. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der zuvor vereinbarten Altersgrenze eine „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“ vereinbart, wonach der Kläger auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres bei der Beklagten zu gleichen Bezügen am gleichen Arbeitsort und mit gleicher Tätigkeitsbeschreibung weiter beschäftigt wird. Diese Abrede wurde dahingehend ergänzt, dass der am 10.3.1989 geschlossene Anstellungsvertrag am 31.12.2010 enden sollte. Der Betriebsrat hatte dieser Verlängerungsvereinbarung gemäß § 99 BetrVG zugestimmt. Durch drei weitere Vereinbarungen wurde die Beschäftigung bei der Beklagten um weitere sechs Monate, einen Monat und weitere fünf Monate verlängert. Nach der letzten Vereinbarung sollte die Beschäftigung am 31.12.2011 enden, ohne dass es hierfür einer Kündigung bedurfte. Damit war der Kläger schlussendlich nicht einverstanden. Innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 17 TzBfG machte er geltend, dass die Vereinbarung keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge habe. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Berlin-Brandenburg die Klage zurückgewiesen. Zwar läge in den Vereinbarungen der Parteien kein Aufhebungsvertrag, sondern eine Befristung. Diese war aber durch Gründe in der Person des Klägers (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG) gerechtfertigt. Die Unterscheidung zwischen Aufhebungsvertrag und Befristung eines Arbeitsverhältnisses hängt vom Inhalt der abgeschlossenen Vereinbarung ab. Wenn die Parteien bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis nur den ursprünglich vereinbarten Beendigungstermin nach hinten verschieben, liegt 57 12 Sa 1303/12, n. v. (Revision: 7 AZR 17/13).
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
im Zweifel eine (nachträgliche) Befristung des Arbeitsverhältnisses vor. Voraussetzung für die Annahme eines Aufhebungsvertrags ist, dass mit der Vereinbarung weitergehende Rechte und Pflichten der Parteien im Zusammenhang mit der Abwicklung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden. Hierzu können beispielsweise besondere Regelungen zur Berechnung einer variablen Vergütung, die Herausgabe von Arbeitgebereigentum, die Ausfertigung eines Zeugnisses oder Klarstellungen in Bezug auf Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung gehören. Wenn allerdings - wie vorliegend geschehen – unter Aufrechterhaltung der bis dahin geltenden Vereinbarungen nur ein abweichender Beendigungstermin festgelegt wird, ist dies im Zweifel als eine Befristung zu qualifizieren. Darauf hatte das BAG bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen58. Eine Rechtfertigung der Befristung über § 14 Abs. 2 TzBfG kam in dem hier in Rede stehenden Fall schon wegen der Vorbeschäftigung nicht in Betracht. Eine sachgrundlose Befristung setzte deshalb voraus, dass der Arbeitnehmer bereit wäre, hierfür einem Wechsel des Arbeitgebers – ggf. im Konzern – zuzustimmen. Mit Blick auf die Feststellungen des BAG im Urteil vom 15.5.201359, auf das wir an anderer Stelle hingewiesen haben60, darf der damit verbundene Rückgriff auf die Möglichkeit einer Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG allerdings nicht rechtsmissbräuchlich geschehen. Hiervon wäre im Zweifel auszugehen, wenn der Arbeitnehmer auch als Rentner weiterhin auf dem bisherigen Arbeitsplatz des bisherigen Arbeitgebers zum Einsatz käme und die Einstellung durch ein anderes Konzernunternehmen letztlich nur mit dem Ziel erfolgt wäre, um eine sachgrundlose Befristung zuzulassen. Berechtigterweise ist das LAG Berlin-Brandenburg in den Gründen seines Urteils vom 10.11.201261 indes davon ausgegangen, dass ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG gegeben war. Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze sei sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben könne oder bei Vertragsabschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt habe. Wenn die Parteien zum Zeitpunkt der Befristungsabrede annehmen könnten, dass der Arbeitnehmer bei Vertrags-
58 59 60 61
Vgl. BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, DB 2002, 1997 Rz. 24 ff. 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214 Rz. 25 ff. Boewer, AktuellAR 2013, 361 ff. 12 Sa 1303/12, n. v. (Rz. 27 ff.); (Revision: 7 AZR 17/13).
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Befristete Beschäftigung von Rentnern
ende durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert sei, müsse das Interesse des Arbeitnehmers an einer zeitlich begrenzten weiteren Beschäftigung regelmäßig hinter dem Interesse des Arbeitgebers, rechtzeitig geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, zurückstehen62. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des EuGH in seinem Urteil vom 12.10.201063 hat das LAG Berlin-Brandenburg in Übereinstimmung mit dem BAG64 auch eine Altersdiskriminierung abgelehnt. Auch § 10 Nr. 5 AGG geht von der Wirksamkeit der Vereinbarung einer Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus, wenn Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits einen Anspruch auf gesetzliche Altersrente haben. Dies ist zweifelsohne dann der Fall, wenn entsprechende Vereinbarungen mit Arbeitnehmern abgeschlossen werden, die bereits die Altersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben. Es bleibt zu hoffen, dass der 7. Senat des BAG diese Sichtweise des LAG Berlin-Brandenburg bestätigt. Revision ist eingelegt. (Ga)
62 Ebenso BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07, NZA 2008, 1302 Rz. 24. 63 C-45/09, NZA 2010, 1167 Rz. 54 – Rosenbladt. 64 Vgl. BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 946/07, NZA 2012 866 Rz. 29 ff.; BAG v. 21.9.2011 - 7 AZR 134/10, NZA 2012, 271 Rz. 24.
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G. Tarifrecht 1.
Wirksamkeit der großen dynamischen Bezugnahmeklausel
In seinem Urteil vom 21.11.20121 hat sich der 4. Senat des BAG nicht nur mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen im Zusammenhang mit einer Ausgliederung nach § 123 UmwG die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags beim übernehmenden Rechtsträger bewirkt werden kann. Darauf wird an anderer Stelle eingegangen2. In der Entscheidung ging es auch um die Frage, ob die in einem Arbeitsvertrag vereinbarte Klausel über die Anwendung der für den Arbeitgeber verbindlichen Tarifverträge im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Rechtsträger einen Tarifwechsel auslösen kann. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien in einem Arbeitsvertrag nach Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung auszugsweise vereinbart: § 3 Anwendbarkeit von Tarifverträgen Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Betrieb- oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge1 in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Regelungen etwas anderes ergibt. … §5 Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen. 1
Zur Zeit sind dies die mit ver.di abgeschlossenen Tarifverträge.
Im Anschluss an den Abschluss dieses Arbeitsvertrags brachte der damalige Arbeitgeber die dort gültigen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung. Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst einmal auf einen anderen Rechtsträger ohne Tarifbindung übertragen worden war, wendete der übernehmende Rechtsträger zunächst einmal den zuletzt gültigen Tarifvertrag des übertragenen Rechtsträgers an. Binnen weiterer zwölf Monate wurde das Ar1 2
4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 ff. B. Gaul/Otto, AktuellAR 2013, 544 ff.
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Tarifrecht
beitsverhältnis dann allerdings im Wege einer Verschmelzung auf die Beklagte übertragen. Umstritten zwischen den Parteien war, ob als Folge des Eintritts der Beklagten in das Arbeitsverhältnis, der im Wege einer Verschmelzung vonstattenging, von einer Geltung der bei der Beklagten gültigen Tarifverträge auszugehen war. Diese Tarifverträge waren – wie die Tarifverträge des ursprünglichen Vertragsarbeitgebers – mit ver.di abgeschlossen worden. Ausgehend davon, dass der Kläger Mitglied von ver.di war, musste auf der Ebene der gesetzlichen Tarifbindung zunächst einmal von einem Tarifwechsel ausgegangen werden. Denn mit dem ersten Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den zwischenzeitlich übernehmenden Rechtsträger war es zwar zu einem Übergang der tariflichen Rechte und Pflichten in das Arbeitsverhältnis gekommen (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB). Grundsätzlich hatte auch die Verschmelzung zur Folge, dass die Beklagte in dieser als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses kollektivrechtlich fortgeltenden Arbeitsbedingungen eingetreten ist. Denn die Verschmelzung hatte an sich keine Konsequenzen für die Rechtsnatur der insoweit nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB fortgeltenden Tarifverträge. Ausgehend davon, dass der Kläger als Konsequenz seiner Gewerkschaftsmitgliedschaft bei der Beklagten indes an die dortigen Tarifverträge gebunden war, kam es insoweit zu einer Ablösung nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB. Auf die Günstigkeit der Regelungen in den Tarifverträgen der Beklagten kam es insoweit nicht an. Vielmehr sieht das Gesetz bei einem entsprechenden Übergang der Arbeitsverhältnisse einen Tarifwechsel vor, sobald eine beiderseitige (gesetzliche) Bindung an die Tarifverträge des übernehmenden Rechtsträgers – hier die Beklagte – gegeben ist. Umstritten in dem hier in Rede stehenden Fall war aber, ob nicht – was von Seiten des Klägers geltend gemacht wurde – über die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel weiterhin eine Bindung an die (günstigeren) Tarifverträge des ursprünglichen Vertragsarbeitgebers gegeben war. Ausgangspunkt war dabei die Annahme des Klägers, dass die vorstehend genannte Klausel im Arbeitsvertrag nicht als sogenannte Tarifwechselklausel ausgelegt werden könne. Vielmehr seien weiterhin die ursprünglichen Tarifverträge seines Vertragsarbeitgebers maßgeblich. Die Bezugnahmeklausel halte insoweit auch einer AGB-Kontrolle nicht stand. Dieser Sichtweise ist das BAG im Urteil vom 21.11.20123 zu Recht nicht gefolgt. Vielmehr ist der 4. Senat des BAG davon ausgegangen, dass in der 3
4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 29 ff.
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Wirksamkeit der großen dynamischen Bezugnahmeklausel
entsprechenden Vereinbarung eine wirksame große dynamische Bezugnahmeklausel zu sehen sei, die einen Tarifwechsel zur Folge habe. Nach seinem Verständnis erfassten die Bezugnahmeklauseln in § 3 und ihre Konkretisierung in § 5 kein bestimmtes Bezugnahmeobjekt. Sie verwiesen weder auf einen konkreten Tarifvertrag oder auf Tarifverträge eines bestimmten Arbeitgebers, noch würden sie eine (bestimmte) Branche, Fläche oder Region benennen. Vielmehr seien die für den Arbeitgeber „jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen“ anzuwenden, also diejenigen, an die der Arbeitgeber gebunden sei. Fehle es an einer solchen Tarifgebundenheit, greife hinsichtlich des Entgelts die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrags ein, wonach die „betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge“ maßgebend sein sollten. Damit habe die arbeitsvertragliche Regelung nicht zum Inhalt, dass ausschließlich Tarifverträge des Vertragsarbeitgebers zur Anwendung kämen. Eine solche Bezugnahmeregelung sei auch wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen. Die Verweisungsklauseln in §§ 3 und 5 des Arbeitsvertrags seien – so das BAG – weder von ihrer äußeren Form noch aufgrund ihrer inhaltlichen Gestaltung überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Ein Arbeitnehmer müsse damit rechnen, dass sein Arbeitgeber auf die für ihn geltenden oder die betrieblich und fachlich einschlägigen Tarifverträge verweise. Dies gelte auch, wenn nur auf einzelne Regelungsbereiche wie in § 5 des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Entgeltbestimmungen verwiesen werde oder wenn eine sogenannte Tarifwechselklausel im Falle eines Branchenwechsels zur Anwendbarkeit der dort geschlossenen Tarifverträge führe. Zwar dürfe die Auslegung einer vertraglichen Verweisung nicht soweit ausgedehnt werden, dass für die Parteien des Rechtsgeschäfts zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses deren Tragweite nicht mehr vorhersehbar sei. Dies sei vorliegend aber schon deshalb nicht der Fall, weil die Bezugnahmeregelungen schon von ihrem Wortlaut her auch Fälle eines „Branchenwechsels“ eindeutig erfassen würden4. Die entsprechende Klausel ist für das BAG auch nicht intransparent (§ 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB). Eine dynamische Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führe für sich genommen noch nicht zur Intransparenz. Bezugnahmeklauseln, auch dynamische, seien im Arbeitsrecht weitverbreitet. Sie entsprächen einer üblichen Regelungstechnik und dienten den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Dass bei Vertragsabschluss noch nicht vorhersehbar sei,
4
BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 33.
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Tarifrecht
welchen zukünftigen Inhalt die in Bezug genommenen Tarifregelungen haben würden, sei unerheblich. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen seien bestimmbar. Das sei zur Wahrung des Transparenzgebots ausreichend5. Dass der Tarifvertrag, auf dem im Wege einer solchen Bezugnahmeklausel verwiesen werde, eine weitere Verweisung auf andere Tarifverträge enthalte, spiele insoweit keine Rolle. Auch mehrstufige Verweisungen seien im Arbeitsrecht üblich. Ein Tarifvertrag, der einzelvertraglich dynamisch in Bezug genommen worden sei, könne seinerseits auf weitere, nicht statische Rechtsquellen verweisen. Dies gelte sogar bei einem fachfremden Tarifvertrag6. Eine weitergehende Inhaltskontrolle lehnt das BAG zu Recht ab. Denn der Regelungsgehalt einer Bezugnahmeklausel erstreckt sich nur auf die Verweisung selbst. Das Bezugsobjekt, hier also der Tarifvertrag, ist nicht Gegenstand einer AGB-Kontrolle. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass insoweit auch keine Abweichung von einer Rechtsvorschrift vorliegt, weil der Tarifvertrag selbst als eine solche zu kennzeichnen ist (§§ 307 Abs. 3, 310 Abs. 4 BGB). Da der Tarifvertrag auch nicht durch den Arbeitgeber verändert wird, kann auch § 308 Nr. 4 BGB nicht zur Anwendung kommen. Für die betriebliche Praxis hat die vorstehende Entscheidung ganz erhebliche Bedeutung. Sie bestätigt, dass es mit den Grundsätzen der AGBKontrolle vereinbar ist, eine große dynamische Bezugnahmeklausel zu vereinbaren. Sie erlaubt es, eine Tarifbindung nicht nur einzufrieren, wenn der Arbeitgeber kraft Gesetzes nicht mehr an neue Tarifverträge gebunden ist (z. B. Arbeitgeberverbandsaustritt). Sie erlaubt auch, im Anschluss an einen Tarifwechsel des Arbeitgebers die dann gültigen Tarifverträge jedenfalls auf der Grundlage des Arbeitsvertrags zur Anwendung zu bringen. Dies wird beispielsweise bei einem Arbeitgeberverbandswechsel, beim Abschluss eines Firmentarifvertrags oder der Übernahme durch einen anderen Rechtsträger mit abweichender Tarifbindung relevant. Voraussetzung ist freilich, dass arbeitgeberseitig von dieser vertraglichen Gestaltungsmöglichkeit in der Praxis auch Gebrauch gemacht wird. Üblicherweise ist dies aus personalpolitischen Gründen nicht der Fall. Wenn deshalb auf einen bestimmten Tarifvertrag bzw. bestimmte Tarifverträge einer konkreten Branche verwiesen wird, finden diese im Zweifel auch im Anschluss an einen Tarifwechsel Anwendung. Denkbar ist allein, dass unter Bezugnahme auf die Feststellungen des EuGH im Urteil vom 18.7.20137, auf das an anderer Stelle verwiesen 5 6 7
BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA2013, 512 Rz. 34 f. BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA2013, 512 Rz. 36, 41. C-426/11, NZA 2013, 835 – Alemo Herron.
540
Bezugnahmeklausel: Fortgeltung eines Anerkenntnistarifvertrags nach Betriebsübergang
wird8, jedenfalls für den Fall eines Betriebsübergangs eine nur noch statische Bindung durchgesetzt werden kann. (Ga)
2.
Bezugnahmeklausel: Fortgeltung eines Anerkenntnistarifvertrags nach Betriebsübergang
Auch eine gesetzliche Bindung an die Regelungen eines Anerkenntnistarifvertrags gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG fällt in den Anwendungsbereich von § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB. Dies hat der 4. Senat des BAG mit Urteil vom 3.7.20139 zu Recht deutlich gemacht. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger (Mitglied der IG Metall) bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1977 beschäftigt. 1998 schloss sein damaliger Arbeitgeber, die Compaq Computer GmbH, mit der IG Metall einen „Anerkennungs-Tarifvertrag“ ab, der u. a. folgenden Inhalt hatte: 2. Geltungsbereich Dieser Vertrag gilt für alle in den Firmen beschäftigten Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied in der IG Metall sind. … 3. Anerkennung der Tarifverträge 3.1. Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages geltenden Tarifverträge für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes Südbaden, abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall – Vorstand oder Bezirksleitung Stuttgart – und dem Gesamtverband metallindustrieller Arbeitgeberverbände e. V. (Gesamtmetall) oder dem Arbeitgeberverband der Badischen Metallindustrie e. V., Freiburg oder dem Verband Südwestmetall in Freiburg, (‚Tarifvertragswerk‘) sind Bestandteil dieses Vertrages und gelten für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich aufgeführten Arbeitnehmer. … 3.3. Das gegenwärtig geltende Tarifvertragswerk ist in der Anlage A bezeichnet, die Teil dieses Vertrages ist. …
8 9
B. Gaul, AktuellAR 2013, 638 ff. 4 AZR 961/11, DB 2013, 1335 Rz. 16 ff.
541
Tarifrecht
4. Rechtsstatus der Tarifverträge 4.1. Die in Bezug genommenen Tarifverträge (auch die nachwirkenden) gelten in der jeweils gültigen Fassung und mit dem jeweils gültigen Rechtsstatus. …
Zum 1.11.2002 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines weiteren Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene H GmbH und von dieser zum 1.3.2010 auf die ebenfalls nicht tarifgebundene Beklagte über. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten geltend, dass an ihn weiterhin Zuschläge für „zuschlagspflichtige Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit“ gewährt werden müssten und er im Anschluss an eine Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren einen „Zusatzurlaub von einem Arbeitstag im Urlaubsjahr“ in Anspruch nehmen könne. Die hierzu getroffenen Regelungen waren in den Tarifverträgen enthalten, die mit dem „AnerkennungsTarifvertrag“ bei der Compaq Computer GmbH zur Anwendung gebracht werden sollten. Die Beklagte weigerte sich indes, diese Leistungen zu erbringen. Zum einen machte sie geltend, dass ihr Betrieb nicht in den räumlichen Geltungsbereich der Tarifverträge falle, die durch den „AnerkennungsTarifvertrag“ zur Anwendung gebracht werden sollten. Ungeachtet dessen sei eine etwaig fortgeltende Tarifregelung durch die bei ihr bestehende „Betriebsvereinbarung über die Verteilung der Arbeitszeit (Arbeitszeitordnung)“, die Zuschlagsregelungen für Überstunden, für geleistete Arbeitszeiten im Schicht-System und für flexible Arbeitszeiten enthalte, abgelöst worden. Das BAG ist dieser Sichtweise des Arbeitgebers nicht gefolgt. Insoweit zunächst einmal überzeugender Weise hat der 4. Senat des BAG deutlich gemacht, dass diejenigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die durch die tariflichen Regelungen des Anerkennungs-Tarifvertrags in Verbindung mit den Bestimmungen des MTV und des Urlaubsabkommens geregelt waren, nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB am 1.11.2002 Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der H GmbH geworden seien. Spätere Änderungen der tariflichen Regelungen – hier in den Jahren 2004/2005 (MTV) und 2008 (Urlaubsabkommen) – hätten entgegen der Auffassung des LAG Hessen keinen Einfluss auf die weitere Anwendbarkeit des nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Normenbestandes für das auf einen Betriebserwerber übergegangenen Arbeitsverhältnisses. Es gelte unter Beibehaltung des kollektiv-
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Bezugnahmeklausel: Fortgeltung eines Anerkenntnistarifvertrags nach Betriebsübergang
rechtlichen Charakters der vormaligen tariflichen Regelungen des MTV und des Urlaubsabkommens fort10. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn ein Tarifvertrag noch während der Jahresfrist von § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB endet. In diesem Fall gilt zwar der Tarifvertrag grundsätzlich fort, kann aber entgegen § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB nach seiner Beendigung auch zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden (§ 613 a Abs. 1 S. 4 BGB). Ist die Nachwirkung ausgeschlossen, endet auch die Fortgeltung als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB11. Ergänzend hierzu schließt das BAG erneut die Ablösung der zwischen einem Veräußerer und einem Arbeitnehmer aufgrund beiderseitigen Tarifgebundenheit geltenden tariflichen Regelungen durch Bestimmungen einer bei einem nicht tarifgebundenen Betriebserwerber geltenden Betriebsvereinbarung im Wege der Über-Kreuz-Ablösung jedenfalls außerhalb des Bereichs der erzwingbaren Mitbestimmung aus12. Leider verzichtet der 4. Senat des BAG dabei auf jede Form der Begründung, sondern verweist allein die Feststellungen des BAG im Urteil vom 21.4.201013. Auch dort ist schlussendlich aber keine Begründung enthalten. Vielmehr hatte der 4. Senat des BAG auch in dieser Entscheidung wiederum auf den 1. Senat des BAG verwiesen, welcher sich auf systematische und telelogische Gründe beruft14. Diese einschränkende Sichtweise überzeugt nicht. Richtiger wäre es, nur dort eine Ablösung durch Betriebsvereinbarung auszuschließen, wo eine solche Betriebsvereinbarung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bereits an § 77 Abs. 3 BetrVG scheitert. Weder der Wortlaut von § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB noch der Zweck der den betrieblichen Sozialpartnern außerhalb von § 77 Abs. 3 BetrVG zuerkannten Regelungsautonomie rechtfertigen, eine ÜberKreuz-Ablösung generell auszuschließen. Andernfalls würden die hiervon betroffenen Arbeitnehmer auch anders behandelt, als dies ohne einen vorangehenden Betriebsübergang der Fall wäre. Denn außerhalb von § 613 a BGB wäre – in den Grenzen von § 77 Abs. 3 BetrVG – durchaus die Ablösung tarifvertraglicher Regelungen durch Betriebsvereinbarung möglich, wenn sich der Tarifvertrag im Stadium der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5
10 11 12 13 14
BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 961/11, DB 2013, 2335 Rz. 16 f. BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 961/11, DB 2013, 2335 Rz. 16. BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 961/11, DB 2013, 2335 Rz. 16. 4 AZR 768/08, DB 2010, 1998 Rz. 43 ff. BAG v. 6.11.2007 – 1 AZR 862/06, NZA 2008, 542 Rz. 32 ff.
543
Tarifrecht
TVG befindet15. Es gibt keinen Grund, von dieser grundsätzlichen Regelungssystematik im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang abzuweichen16. (Ga)
3.
Konsequenzen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Firmentarifverträge
Mit seinem Urteil vom 21.11.201217 hat der 4. Senat des BAG eine für die Praxis überaus wichtige Klarstellung in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Ansprüche getroffen, die beim übertragenden Rechtsträger durch Firmentarifvertrag geregelt sind. Danach ist bei einer Spaltung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG aufgrund der damit verbundenen partiellen Gesamtrechtsnachfolge im Spaltungs- und Übernahmevertrag gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG auch festzulegen, welcher der beiden Rechtsträger in die Rechtsstellung als Vertragspartei eines Firmentarifvertrags eintritt. Fehlt es an einer solchen Regelung, verbleibt der übertragende Rechtsträger nach den Feststellungen des BAG in der Rechtsstellung als Partei des Firmentarifvertrags. Diese Klarstellung ist nicht nur für die Bewertung der materiellen Rechtslage maßgeblich, sondern muss auch bei den Unterrichtungsschreiben nach §§ 324 UmwG, 613 a Abs. 5 BGB beachtet werden. Wie bei der Verschmelzung ist auch bei der Spaltung zunächst einmal zwischen der Übertragung des Vermögens auf einen bereits bestehenden Rechtsträger (Spaltung zur Aufnahme) oder einen dadurch gegründeten Rechtsträger (Spaltung zur Neugründung) zu unterscheiden. Nach § 123 UmwG erfolgt eine Spaltung dabei als Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung, jeweils als Spaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung. Grundlage ist, geht man von der Spaltung zur Aufnahme aus, der Abschluss eines Spaltungs- oder Übernahmevertrags (nachfolgend: Spaltungsvertrag). Da bei der Spaltung zur Neugründung ein Vertragspartner vor dem Wirksamwerden der Spaltung noch nicht besteht, tritt an die Stelle des Spaltungsvertrags ein Spaltungsplan (§ 136 UmwG).
15 Vgl. BAG v. 1.7.2009 - 4 AZR 250/08, NZA-RR 2010, 30 Rz. 21; Wiedemann/Wank, TVG § 4 Rz. 546 ff.; HWK/Henssler, TVG § 4 Rz. 62 f. 16 Eingehend B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 58 ff. 17 4 AZR 85/11, NZA 2013, S. 512 ff.
544
Konsequenzen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Firmentarifverträge
a)
Voraussetzungen der Zuordnung eines Firmentarifvertrags
Der Firmentarifvertrag kann dem übertragenden oder dem bzw. den übernehmenden Rechtsträger(n) zugeordnet werden. Ihr Eintritt als Partei des Tarifvertrags setzt voraus, dass dem jeweiligen Rechtsträger der Firmentarifvertrag im Spaltungsvertrag bzw. Spaltungsplan ausdrücklich zugewiesen wurde18. Dabei kommt es nicht darauf an, dass Betrieb oder Betriebsteile übergehen19. Die Zuordnung könnte auch dann erfolgen, wenn nur einzelne Vermögensgegenstände im Wege einer Spaltung übertragen werden20. Erfolgt die Zuordnung in Bezug auf den übertragenden Rechtsträger, ändert sich an den Parteien des Tarifvertrags nichts. Erfolgt die Zuordnung zum übernehmenden Rechtsträger, tritt dieser als Partei in Bezug auf die schuldrechtlichen und normativen Regelungen des Tarifvertrags ein. Grundlage hierfür sind §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG21. Der jeweils übernehmende Rechtsträger übernimmt damit nicht nur die Bindung an die im Firmentarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers geregelten Inhalts- und Beendigungsnormen. Auch die Abschlussnormen des Tarifvertrags sowie die tariflichen Vereinbarungen über betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen und gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien gelten fort, sofern sich nicht infolge der Umwandlung auch die Struktur der Betriebe des Unternehmens geändert hat, sodass die Grundlage einer Fortgeltung dieser Regelungen entfallen ist. Weiterhin ist der neue Rechtsträger an die schuldrechtliche Verpflichtung aus dem Tarifvertrag gegenüber der Gewerkschaft gebunden (z. B. Friedenspflicht, Maßregelungsverbot). § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB kommt bei dem übernehmenden Rechtsträger insoweit ebenso wenig zum Tragen wie § 4 Abs. 5 TVG22.
18 BAG v. 21.11.2012 - 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 25; Wiedemann/Oetker, TVG § 3 Rz. 198; Stengel/Simon, UmwG § 131 Rz. 51; Bonanni/Mehrens, ZIP 2012, 1217, 1219 f.; a. A. Sagan, RdA 2011, 163, 165. 19 Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Hörtnagl, § 131 UmwG Rz. 67; abw. Rieble, Anm. zu BAG v. 24.6.1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 S. 19. 20 Vgl. B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 7 Rz. 1 ff., 16 ff. 21 B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 139; Bange, Kollektivverträge S.146 f.; Schmitt/Hörtnagl/Stratz/Hörtnagl, § 131 UmwG Rz. 67 m.w.N. 22 Vgl. Mengel, Umwandlungen S. 185; Wieland, Firmentarifverträge Rz. 290.
545
Tarifrecht
b)
Möglichkeit einer mehrfachen Zuordnung
Eine Zuordnung der Rechtsstellung als Partei des Firmentarifvertrags kann grundsätzlich auch gegenüber mehreren Rechtsträgern erfolgen23. Sie muss allerdings im Spaltungsplan bzw. im Spaltungs- und Übernahmevertrag ausdrücklich für die jeweiligen Rechtsträger erkennbar sein24. Dabei kann es sich um den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträger oder mehrere (nicht notwendigerweise alle) Rechtsträger auf der Seite der übernehmenden Rechtsträger oder den übertragenden Rechtsträger und einzelne übernehmende Rechtsträger handeln. Unerheblich ist, ob eine Spaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung vorliegt. In der mehrfachen Zuordnung liegt auch keine unzulässige "Duplizierung" der Vertragsparteien25. Vielmehr entspricht dies entgegen der wohl überwiegend vertretenen Ansicht26 der umwandlungsrechtlichen Gestaltungsfreiheit, nach der auch die Aufteilung eines nur bislang zweiseitigen Vertragsverhältnisses erfolgen kann27, sofern die beteiligten Rechtsträger eine entsprechende Zuordnung zu mehreren Rechtsträgern im Spaltungsplan bzw. Spaltungsund Übernahmevertrag vorsehen. Ob der Tarifvertrag nach der mehrfachen Zuordnung nur die bisherigen Arbeitnehmer oder auch bislang nur beim übernehmenden Rechtsträger beschäftigte Arbeitnehmer erfasst werden, spielt bei der umwandlungsrechtlichen Frage einer Zuordnungsberechtigung keine Rolle. Darin liegt keine Missachtung der negativen Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), weil der übernehmende Rechtsträger bei der Spaltung zur Aufnahme daran mitgewirkt hat. Eine Mitwirkung auf Arbeitnehmerseite ist bei Abschluss eines Firmentarifvertrags ohnehin nicht erforderlich. Die 23 Ebenso B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 140; Müller-Ehlen, Übergang von Arbeitsverhältnissen S. 128 f.; Brinkmann, Spaltung von Rechtsträgern S. 176 f.; ähnlich Däubler/Lorenz, TVG § 3 Rz. 186, die allerdings von einer automatischen Verdoppelung des Tarifvertrags auch ohne eine entsprechende Zuordnung im Spaltungsvertrag ausgehen wollen; a. A. Schmitt/ Hörtnagl/Stratz/Hörtnagl § 131 UmwG Rz. 67, der eine reale Aufteilung mit der Folge, dass sowohl der übertragende als auch der übernehmende Rechtsträger Vertragspartner sind, ablehnt. 24 So wohl auch Wiedemann/Oetker, TVG § 3 Rz. 201 sowie Semler/Stengel/Simon, § 131 UmwG Rz. 52 für den Fall der Abspaltung und Aufgliederung. 25 Ob das BAG diese Duplizierung im Urteil v. 21.11.2013 - 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 f. generell ablehnt oder – insoweit zu Recht – nur für den Fall einer fehlenden Regelung im Spaltungs- und Übernahmevertrag ablehnt, bleibt unklar. 26 Vgl. Boecken, Unternehmensumwandlungen Rz. 207; WHSS/Hohenstatt, Umstrukturierung E Rz. 80 f.; Rieble, Anm. zu BAG v. 24. 6. 1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 S. 18 f. 27 Ebenso Mengel, Umwandlungen S. 185 Rz. 790.
546
Konsequenzen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Firmentarifverträge
Legitimität der gesetzlichen Bindung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich hier aus der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Eine Mitwirkung der Gewerkschaft ist bei einer umwandlungsrechtlichen Zuordnung nicht erforderlich28. Nach dem Wirksamwerden der Spaltung können die tarifvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. Kündigung des Tarifvertrags), wenn es mehrere übernehmende Rechtsträger gibt, durch die jeweils übernehmenden Rechtsträger unabhängig voneinander ausgeübt werden. Eine Kündigung durch die Gewerkschaft muss (jeweils) gegenüber dem Rechtsträger erklärt werden, dem der Firmentarifvertrag zugeordnet wurde. Das unterscheidet die Situation von der Übertragung von Betrieben und Betriebsteilen im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Hier bleibt der Firmentarifvertrag beim übertragenden Rechtsträger. Daran anknüpfend hat der 4. Senat des BAG die (umstrittene) These vertreten, dass eine Kündigung dieses Tarifvertrags mit Folgen für die beim übernehmenden Rechtsträger fortbestehenden Arbeitsverhältnisse noch nach Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs erfolgen kann29. Ebenso kann, wenn die dem Tarifvertrag innewohnende Friedenspflicht beendet ist, ein etwaiger Arbeitskampf durch die Gewerkschaft auf einen der übernehmenden Rechtsträger konzentriert werden. Entgegen der Auffassung von Düwell30 hat die mehrfache Zuordnung im Anschluss an das Wirksamwerden der Spaltung keine „ArbeitgeberTarifgemeinschaft“ zur Folge.
c)
Konsequenzen einer fehlenden Zuordnung für die übernehmenden Rechtsträger
Etwas anderes gilt allerdings - wie nun auch das BAG festgestellt hat - dann, wenn die aus dem Firmentarifvertrag folgenden Verbindlichkeiten keinem der übernehmenden Rechtsträger zugeordnet wurden. In diesem Fall besteht der Firmentarifvertrag kollektivrechtlich allein beim übertragenden Rechtsträger fort. Eine differenzierte Betrachtung wird man nur für den Fall einer Aufspaltung vornehmen müssen, weil der übertragende Rechtsträger hier untergeht. Das gilt selbst dann, wenn der Geltungsbereich des Tarifvertrags an sich nur den ausgegliederten Betrieb oder Betriebsteil erfasst.
28 Boecken, Unternehmensumwandlungen Rz. 207; Müller-Ehlen, Übergang von Arbeitsverhältnissen S. 127 f. 29 Vgl. BAG v. 22.4.2009 - 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41 Rz. 62 ff. und BAG v. 26.8.2009 - 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238 Rz. 24 ff. 30 FS Dieterich S. 101, 120.
547
Tarifrecht
Ein automatischer Übergang entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG ist damit ausgeschlossen. Das bestätigt das BAG im Urteil vom 21.11.201231. Auch eine kollektivrechtliche Fortgeltung des Firmentarifvertrags analog § 3 Abs. 3 TVG für die Rechtsträger, denen die entsprechenden Verbindlichkeiten nicht zugewiesen worden sind, ist wegen des dann bestehenden Vorrangs von § 613 a BGB abzulehnen32. Die Zuordnung i. S. d. § 126 UmwG zum übernehmenden Rechtsträger kann man auch nicht aus den Regelungen des Firmentarifvertrags selbst ableiten. Selbst wenn übertragender Rechtsträger und Gewerkschaft einen Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers für den Fall der Umwandlung vorgesehen haben, liegt darin eine Vereinbarung zu Lasten Dritter. Sie kann die umwandlungsrechtliche Zuordnung im Spaltungs- und Übernahmevertrag nicht ersetzen. Hier bliebe der Firmentarifvertrag also beim übertragenden Rechtsträger. Wird der übernehmende Rechtsträger an der Vereinbarung eines solchen Eintritts beteiligt, kann darin aber die bedingte Beendigung des Tarifvertrags zwischen Gewerkschaft und übertragendem Rechtsträger bei gleichzeitigem Wirksamwerden des Tarifvertrags zwischen Gewerkschaft und übernehmenden Rechtsträger zu sehen sein. Diese Vereinbarung knüpft dann am Wirksamwerden der Umwandlung an, erfolgt aber nach allgemeinen tarifrechtlichen Grundsätzen außerhalb der Gesamtrechtsnachfolge. Rechte und Pflichten, die durch Firmentarifvertrag begründet wurden, gelten bei fehlender Zuordnung für die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer grundsätzlich kollektivrechtlich als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fort (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB). Eine „Fortgeltung“ des Firmentarifvertrags des übertragenden Rechtsträgers als Tarifvertrag des übernehmenden Rechtsträgers setzt damit voraus, dass dieser mit der jeweiligen Gewerkschaft eine inhaltsgleiche (tarifliche) Vereinbarung trifft. Unerheblich für die Anwendbarkeit von § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB ist, ob eine Spaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung vorliegt. Wenn und soweit dies wegen der schon vorhandenen Arbeitnehmer auf Seiten des übernehmenden Rechtsträgers bei der Spaltung zur Aufnahme zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern im Betrieb/Unternehmen des übernehmenden Rechtsträgers führt, ist 31 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 24 f., 27. 32 Ebenso Wiedemann/Oetker, TVG § 3 Rz. 200; a. A Däubler, RdA 1995 S. 136, 142; Boecken, Unternehmensumwandlungen Rz. 208; differenzierend Semler/Stengel/ Simon, § 131 UmwG Rz. 52, der bei der Aufspaltung - insoweit anders als bei der Abspaltung und Ausgliederung - eine Vervielfältig der Parteienstellung mit der Folge für zulässig hält, dass es zu einer kollektivrechtlichen Fortgeltung in allen übernehmenden Rechtsträgern komme, wenn eine Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsträger unterblieben ist.
548
Konsequenzen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Firmentarifverträge
dies - vergleichbar mit den Grundsätzen zur Gleichbehandlung im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen33 - hinzunehmen. Denkbar ist allenfalls eine Verpflichtung des übernehmenden Rechtsträgers bei zukünftigen Änderungen auf eine Angleichung der Unterschiede hinzuwirken. Besteht beim übernehmenden Rechtsträger ein Firmen- oder Verbandstarifvertrag mit einem vergleichbaren Regelungsgegenstand, gelangt § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB zur Anwendung. Die kollektivrechtlich fortgeltenden Rechte aus dem Firmentarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers werden abgelöst, wenn und soweit die übernommenen Arbeitnehmer durch ihre Gewerkschaftszugehörigkeit an den neuen Tarifvertrag gebunden sind (§ 3 Abs. 1 TVG). Beim Firmentarifvertrag ist darüber hinaus erforderlich, dass die Tarifvertragsparteien eine solche Ausweitung des Firmentarifvertrags auf die durch Umwandlung übernommenen Arbeitnehmer gewollt haben34. Eine Ablösung durch Betriebsvereinbarung ist im Zweifel nicht möglich35. Die zeitliche Schranke in § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB ist bei einer Ablösung durch einen anderen Tarifvertrag gemäß § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB nicht zu beachten. Unerheblich ist auch, ob der beim übernehmenden Rechtsträger bestehende Tarifvertrag günstigere oder ungünstigere Regelungen enthält.
d)
Konsequenzen einer ausschließlichen Zuordnung zu den übernehmenden Rechtsträgern
Wenn der Firmentarifvertrag im Spaltungsplan bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag dem oder den übernehmenden Rechtsträger(n) zugeordnet wurde, treten für diese die vorstehend geschilderten Rechtsfolgen ein. Offen ist damit aber die Frage, ob und ggf. in welcher Weise die Regelungen des Firmentarifvertrags weiterhin für den übertragenden Rechtsträger und die dort fortbestehenden Arbeitsverhältnisse zur Anwendung kommen. Dass die fehlende Zuordnung des Firmentarifvertrags auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers einen vollständigen Wegfall der entsprechenden Regelungen bewirkt, kann ausgeschlossen werden. Vielmehr ist von einer Nachwirkung auszugehen, deren Rechtsgrundlage allerdings unterschiedlich bestimmt werden kann.
33 Vgl. hierzu BAG v. 19.11.1992 – 10 AZR 290/91, NZA 1993, 405. 34 Hierzu vgl. Quander, Betriebsinhaberwechsel bei Gesamtrechtsnachfolge S. 279; Däubler, Tarifvertragsrecht Rz. 1574; Henssler, ZfA 1998, 517, 533. 35 Vgl. BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 961/11, DB 2013, 2335 f.; B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 58 f.
549
Tarifrecht
Denkbar ist zunächst einmal, dass insoweit von einer Beendigung des Tarifvertrags mit der Folge einer Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG auszugehen ist36. Damit wäre zwar eine (unbefristete) Fortgeltung gegeben. Gleichzeitig wäre es aber möglich, dass abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Diese könnten durch Tarifvertrag, in den Grenzen von § 77 Abs. 3 BetrVG durch Betriebsvereinbarung oder – soweit die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachtet werden - durch einzelvertragliche Regelung geschaffen werden. Denkbar ist aber auch, dass die Rechte und Pflichten des Firmentarifvertrags beim übertragenden Rechtsträger kollektivrechtliche entsprechend § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fortgelten und gemäß § 613 a Abs. 1 S. 3, 4 BGB abgelöst werden können37. Für eine solche Vorgehensweise spräche der Grundsatz der Gleichbehandlung der von einer Spaltung betroffenen Arbeitnehmer. Im Sinne einer europarechtskonformen Auslegung und Anwendung findet § 613 a Abs. 1 S. 3, 4 BGB damit auch für die Arbeitsverhältnisse beim übertragenden Rechtsträger Anwendung. Änderungen zum Nachteil dieser Arbeitnehmer wären damit innerhalb der Jahresfrist des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Eine zeitliche Begrenzung der zwingenden Fortgeltung kommt entsprechend § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB nur in Betracht, wenn auch die Geltungsdauer des Firmentarifvertrags innerhalb der Jahresfrist endet.
e)
Bedeutung des Geltungsbereichs des Firmentarifvertrags
Unbeachtlich für die Berechtigung der Zuordnung eines Firmentarifvertrags ist sein jeweiliger Geltungsbereich38. Selbst wenn ein Tarifvertrag erkennbar nur bestimmte Betriebe in seinem Geltungsbereich erfasst, müssen im Spaltungs- und Übernahmevertrag Regelungen über seine Zuordnung zu einem – oder auch mehreren – Rechtsträgern aufgenommen werden. Der Geltungsbereich kommt nur insoweit zum Tragen, als im Anschluss an das Wirksamwerden der Spaltung zu prüfen ist, welche Arbeitnehmer des Rechtsträgers, dem der Tarifvertrag zugeordnet wurde, von den Regelungen des Tarifvertrags erfasst werden.
36 So Rieble, Anm. zu BAG v. 24. 6. 1998 – 4 AZR 208/97, EzA § 20 UmwG Nr. 1 S. 21; Semler/Stengel/Simon, § 131 UmwG Rz. 53. 37 So B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 143. 38 BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 f.
550
Konsequenzen einer Spaltung nach § 123 UmwG für Firmentarifverträge
Wie Hanau39 und Däubler40 im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer Verschmelzung im Wege der Aufnahme durch einen anderen bereits bestehenden Rechtsträger übereinstimmend feststellen, kann die Überleitung des beim übertragenden Rechtsträgers bestehenden Firmentarifvertrags im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bei der Übertragung auf einen bereits bestehenden Rechtsträger mit – im Zweifel – eigenen Arbeitnehmern den vertraglichen Geltungsbereich des Firmentarifvertrags ausweiten41. Diese Rechtsfolge einer Ausweitung des Kreises der von einem Tarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers betroffenen Arbeitnehmer ist aber ebenso hinzunehmen wie die Einbeziehung der von einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer in einem beim übernehmenden Rechtsträger schon bestehenden Tarifvertrag. Die letztgenannte Rechtsfolge tritt auch außerhalb des Umwandlungsrechts ein, wenn Betriebe oder Betriebsteile durch ein tarifgebundenes Unternehmen übernommen werden. In allen Fällen hat das Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs zur Folge, dass tarifvertragliche Regelungen, die ursprünglich nur für die Arbeitnehmer- und Tätigkeitsstruktur einer der beiden Rechtsträger konzipiert waren, nunmehr auch für Arbeitnehmer weiterer Rechtsträger gelten. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn diese Arbeitnehmer in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Ob dies so ist, muss durch Auslegung der Regelungen des Tarifvertrags festgelegt werden. Denn in den Grenzen ihrer Zuständigkeit regeln die Tarifvertragsparteien selbst den Geltungsbereich ihrer Vereinbarung. Von einer solchen Ausweitung wird man immer dann ausgehen müssen, wenn der Geltungsbereich eines Tarifvertrags auf das Unternehmen bezogen ist und hier alle Arbeitnehmer erfasst. Da Firmentarifverträge in der Regel unternehmensbezogen abgeschlossen werden und abweichende Regelungen schriftlich zu treffen sind (§ 1 Abs. 2 TVG), dürfte hiervon regelmäßig auszugehen sein. Etwas anderes wäre allerdings dann anzunehmen, wenn der Geltungsbereich des in Rede stehenden Tarifvertrags ausdrücklich auf die vom Übergang betroffenen Arbeitsverhältnisse, bestimmte Bereiche, bestimmte Betriebe (Standorte) oder Betriebsteile oder eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern (Berufsgruppen) begrenzt wäre. In diesem Fall werden auch im Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung nur die Arbeitnehmer des begrenzten Geltungsbereichs erfasst. Denkbar ist, dass damit der Tarifver39 ZGR 1990, 548, 554 f. 40 Tarifvertragsrecht Rz. 1573. 41 Ähnlich Sowka/Weiss, DB 1991, 1518, 1521 f.
551
Tarifrecht
trag auf Arbeitnehmer des übernehmenden Rechtsträgers an anderen Standorten oder anderer Berufsgruppen keine Anwendung findet. Entsprechendes gilt bei der Auslegung des beim übernehmenden Rechtsträger bereits bestehenden Tarifvertrags.
f)
Fazit
Bei einer Spaltung nach § 123 UmwG kann eine kollektivrechtliche Fortgeltung des Firmentarifvertrags durch Zuordnung zu den beteiligten Rechtsträgern bewirkt werden. Die Fortgeltung erfolgt dann nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Das unterscheidet die Umwandlung von der Einzelrechtsnachfolge (z. B. Verkauf eines Betriebs). Im Vorfeld umwandlungsrechtlicher Vorgänge ist deshalb sorgfältig zu prüfen, ob eine solche Zuordnung sinnvoll ist. Dabei wird man auch künftige Akquisitionen und die dort gewünschte Tarifbindung im Auge behalten müssen. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob beim übernehmenden Rechtsträger bereits Tarifverträge bestehen, die eine Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität auslösen würden. Losgelöst davon ist wichtig, im Rahmen der Unterrichtung der Arbeitnehmer nach § 613 a Abs. 5 BGB, 324 UmwG sicherzustellen, dass die vorstehenden Rechtsfolgen zutreffend dargestellt werden. (Ga/Ot)
4.
Günstigkeitsprinzip und Sachgruppenvergleich bei unterschiedlichen tariflichen Ansprüchen nach Betriebsübergang
Im Anschluss an einen Betriebsübergang können verschiedene tarifvertragliche Ansprüche Geltung beanspruchen. Dabei geht es nicht nur um solche Tarifverträge, an die der übernehmende Rechtsträger kraft Gesetzes (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 Abs. 4 TVG) gebunden ist. Vielmehr geht es auch um solche Regelungen, die als Folge einer gesetzlichen Tarifbindung bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB fortgelten. In fast allen Fallgestaltungen werden diese beiden Formen einer kollektivrechtlichen Geltung von Tarifverträgen ergänzt durch eine vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, die nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und übernehmendem Rechtsträger geworden ist. In seinem Urteil vom 12.12.201242 hat der 4. Senat des BAG deutlich gemacht, dass in diesen Fällen das Günstigkeitsprinzip auf der Grundlage ei42 4 AZR 328/11, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 56 Rz. 26 ff.
552
Günstigkeitsprinzip und Sachgruppenvergleich
nes Sachgruppenvergleichs zur Lösung der Anspruchskonkurrenz zur Anwendung kommt43. In dem zugrunde liegenden Fall wurde der Kläger bereits 1992 bei der Deutschen Bundespost Telekom eingestellt. Im Arbeitsvertrag wurde auf die Geltung der Tarifverträge für die Angestellten und Arbeiter der Deutschen Bundespost verwiesen. Nachdem der Kläger im Rahmen der Privatisierung von dem Geschäftsbereich der Deutschen Bundespost zur Deutschen Telekom AG gewechselt war, wurden die jeweils für ihn einschlägigen Tarifverträge der DT AG angewendet, u. a. der Manteltarifvertrag in der Fassung vom 1.3.2004 (MTV DT AG), der in § 11 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden vorsah. Im Wege eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs wechselte der Kläger sodann 2007 zur V C S GmbH. Diese wendete auf das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger den zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen, zum 1.3.2004 in Kraft getretenen Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses (Umsetzungs-Tarifvertrag) an, der Abweichungen von den Tarifverträgen der DT AG u. a. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt enthielt. So war dort eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vorgesehen. Zum 1.3.2008 übernahm die nicht tarifgebundene Beklagte den Beschäftigungsbetrieb des Klägers im Wege eines weiteren Betriebsübergangs. Im Anschluss daran entstand Streit zwischen den Parteien, welche Arbeitszeitdauer für den Kläger maßgeblich sei. Der Kläger, der seit langem bereits Mitglied von ver.di war, machte geltend, dass er nur 34 Stunden pro Woche zu arbeiten habe. Seine Mehrleistung müsse deshalb auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden. Denn auch im Anschluss an die beiden Betriebsübergange seien für ihn weiterhin die Tarifverträge der DT AG maßgeblich. Die Beklagte hingegen nahm an, dass (auch) bei ihr die Vorgaben des Umsetzungs-Tarifvertrags der V C S maßgeblich seien. Dies ergebe sich bereits aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, die 1992 vereinbart worden war. Nachdem das LAG Mecklenburg-Vorpommern der Klage im Wesentlichen stattgegeben hatte, hat das BAG die Revision für begründet gehalten und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat der 4. Senat des BAG zunächst einmal ausgeführt, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahme aus dem Jahre 43 Vgl. EuGH 6.9.2011 C-108/10, NZA 2011, 1077 ff. – Scattolon, welches darauf hinweist, dass Arbeitnehmer allein wegen des Übergangs nicht schlechter gestellt werden dürfen; Winter, RdA 2013, 36 ff.
553
Tarifrecht
1992 (nur) eine Anwendung der Tarifverträge der DT AG rechtfertige. Dies ergebe sich im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung, wie das BAG in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet hatte. Insofern wird also von einer Regelungslücke des Arbeitsvertrags ausgegangen, die angesichts einer vollständigen Übernahme des entsprechenden Geschäftsbereichs durch die DT AG im Zuge der Privatisierung mit einer fortbestehenden (und dynamischen) Bindung an die bei der DT AG als Rechtsnachfolgerin geltenden Tarifverträge führt. Die von der V C S geschlossenen Tarifverträge werden – so das BAG – von der Bezugnahmeklausel indes nicht erfasst. Diese könne weder als eine sogenannte Tarifwechselklausel noch als eine solche Verweisungsklausel verstanden werden, die zumindest auch auf die im Konzern der DT AG für die einzelnen Konzernunternehmen jeweils geschlossenen Tarifverträge verweise44. Die Beklagte ist in die Bezugnahmeklausel mit eben diesem Inhalt gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB eingetreten. Sie ist deshalb arbeitsvertraglich gehalten, den Kläger (nur) mit 34 Stunden/Woche einzusetzen. Losgelöst von dieser vertraglichen Bindung an die Tarifverträge der DT AG war indes zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der V C S kraft kongruenter Tarifbindung normativ auch an den Umsetzungs-Tarifvertrag und die darin enthaltenen Arbeitsbedingungen gebunden war. Auf der Ebene der gesetzlichen Tarifbindung waren diese Vorschriften beim Übergang des Arbeitsverhältnisses von der DT AG auf die V C S gemäß § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG durch die Firmentarifverträge der V C S abgelöst. Mit dem Betriebsübergang von der V C S auf die Beklagte zum 1.3.2008 wurden die tariflich geregelten Rechte und Pflichten des Klägers dann allerdings Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB), ohne ihren kollektiv-rechtlichen Charakter zu verlieren. Mangels Tarifbindung der Beklagten kam eine Ablösung dieser Tarifverträge durch einen neuen Tarifvertrag (§ 613 a Abs. 1 S. 3 BGB) nicht in Betracht45. Bestehen neben transformierten Tarifnormen abweichende Individualvereinbarungen – hier die arbeitsvertragliche Verweisung auf die Tarifverträge der DT AG, - ist die daraus erwachsende Kollision nach dem Günstigkeits44 BAG v. 12.12.2002 - 4 AZR 328/11, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 56 Rz. 33; BAG v. 6.7.2011 – 4 AZR 494/09, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 90 Rz. 45 ff. 45 BAG v. 12.12.2002 - 4 AZR 328/11, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 56 Rz. 42 f.
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Günstigkeitsprinzip und Sachgruppenvergleich
prinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen46. Wie das BAG im Urteil vom 12.12.201247 ausführt, gelte dies nicht nur gegenüber Tarifnormen, an die der Erwerber und der Arbeitnehmer durch Mitgliedschaft gebunden seien, sondern auch gegenüber solchen Tarifnormen, die nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert worden seien. Ein Günstigkeitsvergleich sei ohne weiteres möglich, auch wenn es beim zweiten Betriebsübergang auf einen tarifungebundenen Erwerber komme. Wenn ein solcher Günstigkeitsvergleich durchgeführt werde, müssten alle Regelungen miteinander verglichen werden, die in einem sachlichen Zusammenhang stünden. Insofern habe ein „Sachgruppenvergleich“ zu erfolgen, bei dem nur die Regelungen des Tarifvertrags mit den abweichenden vertraglichen Abmachungen verglichen würden, die jeweils in einem inneren sachlichen Zusammenhang stünden. Bei einem Vergleich verschieden langer Arbeitszeiten sei zumindest das dem gegenüber stehende Entgelt einzubeziehen. Maßgeblich seien dabei alle Vergütungsbestandteile, die sich als Gegenleistung zu der zu erbringenden Arbeitsleistung darstellten. Für das BAG geht es dabei primär um einen Vergleich der bestehenden Regelungen. Der Umstand, dass der Kläger bei der Rechtsvorgängerin unter der Beklagten letztlich mehr verdient haben soll, reiche allein nicht aus, um eine günstigere Regelung anzuerkennen. Vielmehr sei eine umfassende Betrachtung der Einzelfallumstände unter Einbeziehung aller Gestaltungsfaktoren der Sachgruppe vorzunehmen. Dies hatte das LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht gemacht. Insofern fehlten bereits mehrere Feststellungen zum Verhältnis der wöchentlichen Arbeitszeiten und der proportionalen Vergütung, insbesondere zur Höhe und Zusammensetzung der Vergütungen des Klägers bei der DT AG und der Beklagten nach Maßgabe der in Frage stehenden Tarifverträge. Auf der Grundlage entsprechender Feststellungen hätte das LAG MecklenburgVorpommern aber prüfen müssen, ob neben dem regelmäßig zu zahlenden Monatsentgelt u. a. leistungs- und ergebnisbezogene Entgeltbestandteile, Einmalzahlungen, Sonderzuwendungen und Zulagen bei der Bestimmung des für die Arbeitsleistung zu zahlenden Entgelts hätten berücksichtigt werden müssen. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Deutlich wird allerdings einmal mehr, dass das BAG im Rahmen von § 4 Abs. 3 TVG einen sachgruppenübergreifenden Günstigkeitsvergleich ablehnt. Dieser wäre erforderlich, um auch in 46 Ausführlich BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41 Rz. 27 ff. 47 4 AZR 328/11, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 56 Rz. 44 ff.
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Tarifrecht
solchen Abweichungen vom Tarifvertrag eine Begünstigung der betroffenen Arbeitnehmer zu sehen, die für eine längere Arbeitszeit und/oder ein geringeres Gehalt einen Sonderkündigungsschutz einräumen (Bündnis für Arbeit). Es steht zu befürchten, dass das BAG solche Vereinbarungen weiterhin als nicht mit § 4 Abs. 3 TVG vereinbar qualifizieren wird. (Ga)
5.
Fehlende Tariffähigkeit von „medsonet“
Gemäß der §§ 2 a Abs. 1 Nr. 4, 97 Abs. 1 ArbGG entscheidet das Arbeitsgericht auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung, die als Koalition Tarifvertragspartei sein will. Wie das BAG mit Beschluss vom 11.6.201348 noch einmal deutlich gemacht hat, wird durch einen solchen Feststellungsantrag die Tarif(un)fähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift bis zu dem der letzten Anhörung auf der Grundlage der in diesem Zeitraum geltenden Satzungen zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Antragsteller sein Begehren in zeitlicher Hinsicht beschränkt oder eine ausschließlich vergangenheitsbezogene Feststellung erreichen will. Auf der Grundlage dieser Klarstellung hat der 1. Senat des BAG zwar einen Antrag von ver.di zurückgewiesen, aufgrund dessen festgestellt werden sollte, dass medsonet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrags Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken, abgeschlossen zwischen ihr und dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V., keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG war. Denn dieser Antrag war unzulässig. Über die mit diesem Antrag begehrte Feststellung war bereits durch die weitergehende Feststellung des LAG Hamburg, nach der medsonet keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG ist, rechtskräftig entschieden worden. Eine zeitliche Begrenzung war in dem entsprechenden Beschluss des LAG Hamburg vom 21.3.201249 nicht enthalten. Damit bestand auch kein rechtlich geschütztes Interesse an der weiteren punktuellen Feststellung der Tarifunfähigkeit zu einem bestimmten Tag innerhalb dieses Zeitraums, wie dies schlussendlich noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantragt worden war. (Ga) 48 1 ABR 33/12 n. v. 49 3 TaBV 7/11 n. v.
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Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im tarifpluralen Betrieb
6.
Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im tarifpluralen Betrieb
Grundsätzlich ist es dem Arbeitgeber verwehrt, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nach der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft zu fragen. Eine solche Frage stellt einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) dar. Es missachtet den Schutz der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG und ist angesichts der grundsätzlich fehlenden Erforderlichkeit auch datenschutzrechtlich nicht zu rechtfertigen50. Zu Recht macht das LAG Hessen im Urteil vom 7.11.201251 für den tarifpluralen Betrieb allerdings eine Ausnahme. Der tarifplurale Betrieb ist nach der entsprechenden Änderung der BAG-Rechtsprechung dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften kraft Gesetzes Geltung in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse der in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer beanspruchen. Unterstellt man, dass in den Tarifverträgen gleiche Regelungsgegenstände unterschiedlich geregelt wurden, hat dies zur Folge, dass auch bei vergleichbaren Arbeitsverhältnissen grundsätzlich unterschiedliche Arbeitsbedingungen gelten. Die Geltung dieser Arbeitsbedingungen kann nicht bereits an der Tarifbindung des Arbeitgebers festgemacht werden. Vielmehr ist entscheidend, ob auch auf Arbeitnehmerseite durch Mitgliedschaft in einer der jeweils in Rede stehenden Gewerkschaften eine gesetzliche Tarifbindung bewirkt wird. Diese ist sodann für das Arbeitsverhältnis maßgeblich, falls nicht – was zulässig wäre – durch arbeitsvertragliche Bezugnahme in den Grenzen der Günstigkeit nach § 4 Abs. 3 TVG die Anwendung eines anderen Tarifvertrags vereinbart wurde. Hiervon ausgehend lehnt das LAG Hessen zwar auch im tarifpluralen Betrieb grundsätzlich einen Anspruch des Arbeitgebers auf die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im Arbeitsverhältnis ab52. Eine Ausnahme sei allerdings dann gestattet, wenn die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit einer der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist. Arbeitsvertraglich bedürfe der Arbeitgeber der Kenntnis, um feststellen zu können, welcher von mehreren im Betrieb entweder generell oder speziell für die Berufsgruppe des Arbeitnehmers geltenden Tarifverträge unmittelbar und
50 Vgl. HWK/Thüsing, BGB § 123 Rz. 6; ErfK/Schmidt, GG Art. 2 Rz. 96; DKKW/Klebe, BetrVG § 94 Rz. 22. 51 12 Sa 654/11, AuR 2013, 407 (Revision: 1 AZR 257/13). 52 Vgl. Wendeling-Schröder, AuR 2013, 407 (410).
557
Tarifrecht
zwingend im Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangten. Es gehe dabei um die Kenntnis dessen, was zwischen den Arbeitsvertragsparteien geltendes Recht sei. Betroffen seien in der Regel sämtliche Essentialia des Arbeitsvertrags, insbesondere die Vergütung. Sozialversicherungsrechtlich müsse der Arbeitgeber die Gewerkschaftszugehörigkeit erfahren, weil sich (auch) die Höhe der Sozialabgaben nach dem geschuldeten Lohn richte, der sich seinerseits nach dem Tarifvertrag bestimme. Ohne dessen Kenntnis könne er Sozialabgaben nicht richtig berechnen und laufe Gefahr, entweder zu hohe Abgaben zu leisten oder Säumniszuschläge nach §§ 24, 28 e Abs. 4 SGB IV entrichten zu müssen53. Dem ist zuzustimmen. Dass solche Fragen nicht durch den Arbeitgeber zum Nachteil der Arbeitnehmer genutzt werden dürfen, gewährleistet § 612 a BGB54. (Ga)
53 LAG Hessen v. 7.11.2012 - 12 Sa 654/11 n. v. (Rz. 22); Forst, ZTR 2011, 587, 588 f. 54 LAG Hessen v. 7.11.2012 - 12 Sa 654/11 n. v. (Rz. 25); Forst, ZTR 2011, 587, 593; HWK/Thüsing, BGB § 123 Rz. 14.
558
H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.
Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses trotz unvollständiger Tagesordnung?
Gemäß § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG hat der Vorsitzende des Betriebsrats die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Die entsprechende Vorgabe besteht für den Gesamtbzw. Konzernbetriebsrat (§§ 51 Abs. 2 S. 3, 59 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Einhaltung dieser Verpflichtung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit eines in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses1. Die fehlende Benennung eines Tagesordnungspunktes in der Einladung zu einer Betriebsratssitzung kann grundsätzlich geheilt werden. Ebenso kann eine bereits festgesetzte Tagesordnung geändert und/oder ergänzt werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG setzt dies jedoch voraus, dass der vollzählig versammelte Betriebsrat einstimmig sein Einverständnis erklärt, den Beratungspunkt in die Tagesordnung aufzunehmen und darüber zu beschließen. Andernfalls könne – so die bisherige Rechtsprechung – ein Beschluss des Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt nicht wirksam gefasst werden2. Für die betriebliche Praxis kann die Missachtung dieser Formerfordernisse ganz erhebliche – auch wirtschaftliche - Konsequenzen auslösen. Deutlich wurde dies beispielhaft in dem Sachverhalt, der zu der Entscheidung des BAG vom 24.5.20063 geführt hatte. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 3.5.1960 eine Versorgungszusage nach einer seinerzeit bestehenden Einheitsregelung (PZ 60) erteilt. Umstritten war, ob diese Versorgungszusage durch Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat im Jahre 1985 geändert und durch die BV 85 ersetzt worden war. Als der Kläger sodann im Jahre 2000 Betriebsrente von der Beklagten bezog, machte er geltend, dass diese (weiterhin) auf der Grundlage der PZ 60 und nicht der BV 85 hätte berechnet werden sollen. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Gesamtbetriebsrat in der Sitzung vom 25.7.1985 weder einen Beschluss über den Abschluss der BV 85 gefasst, noch einen 1 2 3
Vgl. nur BAG v. 10.10.2007 – 7 ABR 51/06, NZA 2008, 369 Rz. 27; BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, NZA 2006, 1364 Rz. 17. BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, NZA 2006, 1364 Rz. 19; BAG v. 18.2.2003 – 1 ABR 17/02, NZA 2004, 336 Rz. 50; Richardi/Thüsing, BetrVG § 29 Rz. 39. 7 AZR 201/05, NZA 2006, 1364 ff.
559
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
solchen Beschluss habe fassen können, da dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung aufgeführt und ein Teil der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats nicht anwesend gewesen sei. Der 7. Senat des BAG war dieser Argumentationslinie ohne Einschränkung gefolgt. Entgegen der schon zum damaligen Zeitpunkt in der Literatur geäußerten Auffassung4 sei es nicht möglich, durch einen Mehrheitsbeschluss der in der Betriebsratssitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder eine Tagesordnung zu ändern bzw. zu ergänzen. Die vorherige Mitteilung der Tagesordnung diene der sachgerechten Vorbereitung der Betriebsratsmitglieder im Vorfeld einer Betriebsratssitzung. Sie solle ihnen Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Nur bei Kenntnis der Tagesordnung habe ein verhindertes Betriebsratsmitglied die Möglichkeit, seine Betriebsratskollegen schon vor der Sitzung über seine Auffassung zu einer bestimmten Angelegenheit zu unterrichten und sie zu überzeugen, oder sie ggf. auch nur zu bitten, seine Argumente in der Betriebsratssitzung zumindest vorzutragen. Diese Möglichkeit würde einem verhinderten Betriebsratsmitglied genommen, wenn die Tagesordnung durch einen Mehrheitsbeschluss der anwesenden Betriebsratsmitglieder ergänzt werden könnte. Außerdem eröffne die vorherige Bekanntgabe der Tagesordnung dem Betriebsratsmitglied die Möglichkeit zu prüfen, ob es eine bestehende Terminkollision zu Gunsten der Betriebsratssitzung oder zugunsten des anderen Termins löse. Diesen Funktionen würde eine Tagesordnung nicht mehr gerecht, wenn sie in der Betriebsratssitzung, in der nicht alle Betriebsratsmitglieder anwesend seien, durch Beschluss der teilnehmenden Betriebsratsmitglieder ergänzt werden könnte. Dadurch könnten Betriebsratsmitglieder von der Beschlussfassung in einer bestimmten Angelegenheit ausgeschlossen werden5. Dass solche Fehler einer Beschlussfassung des Betriebsrats in Bezug auf wirtschaftlich ganz wesentliche Vereinbarungen eines Unternehmens unter Umständen erst nach Jahren oder Jahrzehnten bekannt werden, steht allein der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses und der daran geknüpften Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht entgegen. Unerheblich ist für das BAG dabei auch, dass solche Fehler in der Sphäre des Betriebsrats für den Arbeitgeber kaum bzw. gar nicht erkennbar sind. Denn auch für die Annahme einer Verwirkung sei nicht nur notwendig, dass dieser Fehler durch den Anspruchsberechtigten gegenüber dem Arbeitgeber 4 5
Vgl. nur Fitting, BetrVG § 29 Rz. 48; DKKS/Wedde, BetrVG § 29 Rz. 20 ff. BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, NZA 2006, 1364 Rz. 20.
560
Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses trotz unvollständiger Tagesordnung?
über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht wurde (Zeitmoment). Vielmehr sei auch erforderlich, dass sich der Arbeitgeber mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten eines Arbeitnehmers darauf einrichten durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dieser werde etwaige Rechte, die durch den Formmangel gegeben seien, auch zukünftig nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment). Hiervon kann – so das BAG – indes nur ausgegangen werden, wenn dem Arbeitgeber das Bestehen eines solchen Anspruchs bekannt ist und er gerade deshalb das Ausbleiben entsprechender Forderungen durch den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, Vertrauen aufzubauen, dass auch zukünftig keine Inanspruchnahme erfolgen wird6. Es überzeugt, dass der 1. Senat des BAG jetzt durch Beschluss vom 9.7.20137 mitgeteilt hat, dass er die Auffassung vertreten möchte, dass die Ladung zur einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht zur Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses führe, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen seien, der Betriebsrat beschlussfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG sei und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen hätten, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen. Aus Sicht des 1. Senats des BAG sei es – abweichend von den Feststellungen des 7. Senats – nicht erforderlich, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend seien. Der 1. Senat des BAG fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 S. 1 ArbGG an, ob der 7. Senat des BAG an seiner Rechtsauffassung festhalte. In dem zugrunde liegenden Fall streiten Arbeitgeber und Betriebsrat über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über Torkontrollen, die der Vorgängerbetriebsrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hatte. Der neu gewählte Betriebsrat hält diese für unwirksam, weil sie das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer unverhältnismäßig beeinträchtige und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen seien. Die Zustimmung zu der Betriebsvereinbarung sei in einer Betriebsratssitzung beschlossen worden, zu der ohne Mitteilung einer Tagesordnung geladen worden sei. Dieser Ladungsmangel habe trotz einer einstimmigen Beschlussfassung nicht geheilt werden können, weil nicht alle Betriebsratsmitglieder anwesend gewesen seien. Das LAG Hessen hatte auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung bereits aus formalen Gründen keine Rechtswirkung entfalte. Der 1. Senat des BAG möchte eine hiervon abweichende 6 7
BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, NZA 2006, 1364 Rz. 22 ff. 1 ABR 2/13 n. v.
561
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Ansicht vertreten. Denn aus seiner Sicht ist die Betriebsvereinbarung materiell wirksam, weil die darin geregelten Torkontrollen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig beeinträchtigten. Ob die gegen § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG verstoßende Ladung zur Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung zur Unwirksamkeit des in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses über die Zustimmung zur Betriebsvereinbarung geführt habe, könne derzeit aber noch nicht entschieden werden. Zwar wäre dies nach bisheriger Rechtsauffassung des BAG der Fall, weil in der Betriebsratssitzung nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend waren. Der 1. Senat des BAG möchte dieses Erfordernis allerdings aufgeben und fragt den 7. Senat, ob er an seiner Rechtsauffassung festhalten will. Es bleibt abzuwarten, wie sich der 7. Senat des BAG positionieren wird. Für die betriebliche Praxis würde mit einer Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung ein ganz wesentlicher Schritt zur Herstellung von Rechtssicherheit geschaffen. Dass auch bei einer veränderten Rechtsprechung für den Arbeitgeber stets eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht, was die Ordnungsgemäßheit einer Ladung und Beschlussfassung durch den Betriebsrat betrifft, ist hinzunehmen. Wenn es um den Abschluss wichtiger Betriebsvereinbarungen geht (z. B. Änderung betrieblicher Versorgungsordnungen), muss der Arbeitgeber möglicherweise bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Auskunft bzw. Vorlage entsprechender Unterlagen verlangen, die das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses und damit auch die wirksame Vertretung des Betriebsrats durch den Betriebsratsvorsitzenden erkennen lassen. Gerade wegen der weitreichenden Auswirkungen eines Fehlers der Beschlussfassung des Betriebsrats ist ein entsprechender Auskunftsanspruch des Arbeitgebers anzuerkennen (§§ 2 Abs. 1 BetrVG, 242, 241 Abs. 2 BGB) (Ga)
2.
Voraussetzungen eines Tarifvertrags über vom Gesetz abweichende Arbeitnehmerstrukturen
a)
Ausgangssituation
Da die gesetzlichen Regelungen zur Struktur der Betriebsräte, Gesamt- und Konzernbetriebsräte den Bedürfnissen der Praxis nicht immer gerecht werden, erlaubt § 3 BetrVG abweichende Regelungen zur Struktur der betriebs-, unternehmens- oder konzernbezogenen Arbeitnehmervertreter durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Abstimmung der Arbeitnehmer herbeizuführen. Auf diese Weise können vom BetrVG abweichende betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten geschaffen werden, die im Interesse
562
Voraussetzungen eines Tarifvertrags
der Arbeitnehmer, Arbeitnehmervertreter und Unternehmen sachnah und kompetent eine – auch mit Blick auf ihre Größe – möglichst effiziente und interessengerechte Vertretung der Arbeitnehmerseite erlauben. Die vereinbarten Strukturen können die gesetzliche Organisationsstruktur durch Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat ersetzen oder neben sie treten8. Eine behördliche Genehmigung für Regelungen nach § 3 ist nicht erforderlich. Grundsätzlich ist der Gestaltungsspielraum, den § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG eröffnet, außerordentlich groß. Die Klarstellungen des BAG in den beiden Entscheidungen vom 13.3.20139 und 24.4.201310 machen allerdings deutlich, dass es nicht nur darum geht, in den Grenzen der denkbaren Organisationsstrukturen zu bleiben. Wirksamkeitsvoraussetzung entsprechender Vereinbarungen ist auch, dass damit die im Gesetz genannte Erleichterung der Mitbestimmung verfolgt wird. Die Parteien solcher Vereinbarungen sollten hierzu gemeinsame Feststellungen treffen. Bei Betriebsvereinbarungen muss zusätzlich der Tarifvorrang beachtet werden.
b)
Unternehmensbezogene Zusammenfassung von Betrieben
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a BetrVG kann ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gebildet werden. Ohne Rücksicht auf die aus den §§ 1, 4 Abs. 1 BetrVG folgende Kennzeichnung eines Betriebs gelten alle Einheiten in diesem Fall als ein Betrieb; die Bildung eines Gesamtbetriebsrats entfällt11. Dies gilt grundsätzlich auch bei räumlich weiter Entfernung. Bestehen mehrere Betriebsräte, die auf der Grundlage der gesetzlichen oder tariflichen Betriebsstruktur gebildet wurden, muss von diesen ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden (§ 47 Abs. 1 BetrVG). Unternehmensübergreifende Strukturen können nicht auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gestützt werden12. Wie das BAG im Urteil vom 24.4.201313 noch einmal deutlich gemacht hat, ist Voraussetzung für solche Zuordnungstarifverträge, dass dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient14. Die Anforderungen an entsprechende
8 9 10 11 12 13 14
Vgl. BT-Drucks. 14/5741, 33. BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 ff. Rz. 35. BAG v. 24.4.2013 - 7 ABR 71/11, DB 2013, 1913 ff. Rz. 24. Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498. BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 Rz. 35 f. 7 ABR 71/11, DB 2013, 1913 ff. Rz. 24. Ausführlich zu Zuordnungstarifverträgen: Meyer, SAE 2013, 49 ff.
563
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Vereinbarungen sind damit relativ gering15. So dürfte die Bildung von Betriebsräten erleichtert werden, wenn Betriebsratswahlen in den nach Gesetz gebildeten Betrieben bereits wegen der geringen Größe einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten16. Die Vereinbarung dient einer sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen, wenn durch die Zusammenfassung mehrerer Betriebe eine übergreifende Interessenvertretung auf Arbeitnehmerseite geschaffen wird, die der entsprechenden Zentralisierung oder Regionalisierung auf Arbeitgeberseite Rechnung trägt. Dies gilt insbesondere dann, wenn damit nicht betriebsratsfähige oder bislang betriebsratslose Einheiten einen Betriebsrat wählen oder durch die Zusammenfassung kleinerer Einheiten die Zahl der repräsentierten Arbeitnehmer erhöht und damit auch die Stärke des Arbeitnehmervertreters gestärkt wird17. Arbeitnehmerinteressen ist auch dann gedient, wenn der Betriebsrat dort errichtet wird, wo ihm ein kompetenter Ansprechpartner und Entscheidungsträger gegenübersteht18. Dieser Vorteil von Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann grundsätzlich auch bei räumlich weit verteilten Einheiten bewirkt werden, insbesondere wenn die Einleitung einer Betriebsratswahl nach Maßgabe des Gesetzes an der Organisationsfähigkeit auf Arbeitnehmerseite scheitert. Dass die Zusammenfassung zu einer Verringerung der Betriebsratsmitglieder führt, steht der Zulässigkeit nicht entgegen19. Allerdings sind bei der Prognose vielfältige Gesichtspunkte zu berücksichtigen (z. B. Organisation der Personalsteuerung, fachliche Verknüpfung der Arbeitsprozesse, räumliche Entfernung)20. Wenn die Bildung eines Betriebsrats bereits durch eine Zusammenfassung von Betrieben nach Buchst. b) erleichtert wird, steht dies im Zweifel einem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat entgegen21. Eine unmittelbare tatsächliche Verbesserung der sachgerechten Interessenvertretung der Arbeitnehmer ist nicht erforderlich22. Da es genügt, wenn die
15 16 17 18 19
Vgl. Giesen, BB 2002, 1480 ff.; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498 f. ArbG Dresden 19.6.2008 – 5 BV 25/08 n. v. LAG Niedersachsen v. 22.8.2008 – 12 TaBV 14/08 n. v. BT-Drs. 14/5741, 34. LAG Niedersachsen v. 22.8.2008 – 12 TaBV 14/08, n. v.; abl. Trümner/Sparchholz, AiB 2009, 98 ff. für den Fall, dass die Zahl der gesetzlichen Betriebsratsmitglieder durch Tarifvertrag drastisch reduziert wird. 20 Eingehend BAG v. 24.4.2013 – 7 ABR 71/11, DB 2013, 1913 f. Rz. 27 ff.; Sprenger, NZA 2013, 990 ff. 21 BAG v. 24.4.2013 – 7 ABR 71/11, DB 2013, 1913 f. Rz. 30. 22 A. A. Trümner/Sparchholz, AiB 2009, 98 f.: positive Feststellung der Verbesserung durch Gerichte.
564
Voraussetzungen eines Tarifvertrags
Vereinbarung diesem Ziel „dient“, reicht es, wenn eine entsprechende Wirkung von den Tarifvertragsparteien angestrebt wird und ein Erfolg nicht objektiv ausgeschlossen ist. Es besteht ein Beurteilungsspielraum der Tarifvertragsparteien23.
c)
Spartenbezogene Arbeitnehmervertreter
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kann durch Tarifvertrag unternehmens- oder konzernbezogen eine spartenbezogene Bildung von Betriebsräten vereinbart werden. Die Sparte wird dabei als produkt- oder projektbezogener Geschäftsbereich definiert24. Nicht erforderlich ist, dass in den Einheiten einer Sparte jeweils der gleiche Betriebszweck verfolgt wird (z. B. Herstellung und Vertrieb). Diesen Bereichen können dann nicht nur verschiedene Betriebe mit der Folge zugeordnet werden, dass betriebsübergreifend eine einzige Arbeitnehmer-Vertretung gewählt wird. Wenn in einem Betrieb i. S. d. BetrVG verschiedene Sparten vertreten sind, können diese Bereiche auch betriebsintern entsprechend ihrer produkt- oder projektbezogenen Ausrichtung jeweils getrennten Spartenbetriebsräten zugeordnet werden. Die ursprüngliche Kennzeichnung nach den allg. Vorgaben des BetrVG ist dann unerheblich. Eine konzernübergreifende Bildung von Spartenbetriebsräten - z. B. in Zusammenhang mit einem Joint Venture ohne Mehrheitsbeteiligung oder Arbeitsgemeinschaften – wird durch § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht gestattet, wäre aber nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erlaubt. Abs. 1 Nr. 2 erlaubt auch die Bildung von Spartengesamtbetriebsräten innerhalb eines Unternehmens mit verschiedenen Sparten. Wenn die Sparten im Konzern unternehmensübergreifend bestehen, können Gesamtbetriebsräte auch für mehrere Betriebe unterschiedlicher Unternehmen gebildet werden25. Der Begriff des „Betriebsrats“ in Abs. 1 Nr. 2 bezieht alle Ebenen der betriebsverfassungsrechtlichen Organstruktur ein (Spartenbetriebsrat, -gesamtbetriebsrat, -konzernbetriebsrat), ohne dass insoweit ein Rückgriff auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erforderlich ist26. Grundlage der Bildung von Spartengesamtbetriebsräten kann eine gesetzliche Betriebsratsstruktur sein. Wenn die gesetzlichen Strukturen auf der betrieblichen Ebene eine ord23 BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 Rz. 38. 24 Eingehend ArbG Frankfurt v. 24.05.2006 – 14 BV 518/04 n. v.; Friese, RdA 2003, 92 ff. 25 Vgl. BAG v. 10.11.2004 – 7 ABR 17/04, AiB 2005, 619 ff. Rz. 32; LAG Hessen v. 21.4.2005 – 9/5 TaBV 115/04 n. v.; B. Gaul/Mückl, NZA 2011, 657 ff.; abl. Teusch, NZA 2007, 124 ff. 26 Ebenso LAG Hessen v. 21.4.2005 – 9/5 TaBV 115/04, AiB 2009, 522; offen gelassen BAG v. 16.5.2007 – 7 AZN 34/07 n. v.; abl. DKKW/Trümner, BetrVG § 3 Rz. 70.
565
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
nungsgemäße Interessenvertretung erlauben, ist es nicht erforderlich, neben den Spartengesamtbetriebsräten auch Spartenbetriebsräte zu bilden27. Allerdings ist es ausgeschlossen, Teile eines nach dem Gesetz gebildeten Betriebs gleichzeitig auch in einen Spartenbetriebsrat einzubinden28. Arbeitnehmer dürfen nicht gleichzeitig durch verschiedene Betriebsräte vertreten werden. Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG treten stets an die Stelle der gesetzlichen Struktur, soweit sie für die betroffene Ebene vereinbart werden. Die Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kann sich indes auf die zweite Ebene beschränken. Der Spartengesamtbetriebsrat hat dann, bezogen auf die ihm durch Vereinbarung zugeordneten Betriebe, die Zuständigkeit gemäß § 50 BetrVG29. Oberhalb mehrerer Spartenkonzernbetriebsräte kann durch Vereinbarung ein übergreifender Konzernbetriebsrat gebildet werden; notwendig ist dies nicht. Vergleichbar mit der durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG für den Fall der räumlichen Entfernung vorausgesetzten Mindestkompetenzzuweisung genügt es, dass einzelne Fragen, die Beteiligungsrechte des Betriebsrat auslösen, in der Spartenleitung entschieden werden30. Unerheblich ist, ob das Beteiligungsrecht mit Unterrichtungs- oder weitergehenden Mitbestimmungsrechten verbunden ist. Da die Zuordnung dieser Entscheidungskompetenz zur Spartenleitung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit unterliegt, sind die Voraussetzungen von der Arbeitnehmerseite/Gewerkschaft indes nicht erzwingbar. Denkbar ist auch, dass diese Organisation nur für einzelne Sparten im Unternehmen/Konzern gegeben ist, so dass auch nur dort Vereinbarungen nach § 3 BetrVG in Betracht kommen. Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung ist, dass der Tarifvertrag der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient31. Voraussetzung für die Bildung von Spartenbetriebsräten ist deshalb zunächst einmal, dass die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft. Denn damit steht dem Spartenbetriebsrat ein kompetenter Ansprechpartner gegenüber. Nicht erforderlich ist, dass sie wesentliche oder gar alle Fragen in personellen, sozialen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten trifft. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine gesonderte Verein27 A. A. LAG Hessen v. 21.4.2005 – 9/5 TaBV 115/04 n. v. 28 Insoweit ebenso LAG Hessen v. 21.4.2005 – 9/5 TaBV 115/04 n. v. 29 Eingehend – wenn auch mit einer zum Teil abweichenden Zuordnung der Regelungsmöglichkeiten zu § 3 I Nr. 2, 3 vgl. Friese, RdA 2003, 92 ff. 30 Ebenso DKKW/Trümner, BetrVG § 3 Rz. 72 f.; Friese, RdA 2003, 92 f.; a. A. ErfK/Koch, BetrVG § 3 Rz. 5, der offenbar eine weiter gehende Kompetenzzuweisung für erforderlich hält. 31 Eingehend Friese, RdA 2003, 92 ff.
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Voraussetzungen eines Tarifvertrags
barung ohnehin nur dann erforderlich, wenn die einer Sparte zuzuordnenden Einheiten wegen ihrer räumlichen Entfernung keinen Betrieb bilden könnten. Andernfalls wären sie schon wegen der übergreifenden Steuerung als ein Betrieb anzusehen.
d)
Sonstige Arbeitnehmervertretungsstrukturen
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ermöglicht durch Tarifvertrag die Bildung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen, die an die Stelle der vom Gesetz an sich vorgegebenen Strukturen treten. Damit ist eine umfassende Neuorganisation der betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen möglich. Neben der Aufteilung eines Betriebs in mehrere betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten, der betriebsübergreifenden Zusammenfassung von Betriebsteilen oder der Bildung von unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsäten ist z. B. im mittelständischen Konzern mit wenigen kleinen Konzernunternehmen eine zwei- oder gar einstufige Interessenvertretung anstelle der dreistufigen Struktur des BetrVG möglich. Es können unternehmensübergreifende Regionalbetriebe oder ein Gesamtbetriebsrat für mehrere (Regional-)Betriebe verschiedener Unternehmen errichtet werden, der dann – was indes klarzustellen ist – an die Stelle des im Gesetz vorgesehenen Gesamtoder Konzernbetriebsrat tritt32. Ohne Vereinbarung nach § 3 BetrVG kann unternehmensübergreifend kein Gesamtbetriebsrat gebildet werden33. Bei mehreren gemeinsamen Betrieben gleicher Trägerunternehmen kann nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG für alle Trägerunternehmen ein gemeinsamer Gesamtbetriebsrat errichtet werden. Im Gleichordnungskonzern kann durch Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Konzernbetriebsrat errichtet werden34. Die Regelung erlaubt auch die Bildung gestufter Konzernbetriebsräte ohne das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Konzern im Konzern. Aus § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG folgt, dass § 3 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG nicht zur Bildung eines Konzernwirtschaftsausschusses genutzt werden kann35. Wirksamkeitsvoraussetzung ist, dass die Bildung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen insbesondere auf Grund der Betriebs-, Unternehmensoder Konzernorganisation oder auf Grund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Das macht auch das BAG in seinem Be-
32 33 34 35
BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 Rz. 32. BAG v. 3.2.2007 – 1 AZR 184/06, NZA 2007, 825 Rz. 19. Vgl. BT-Drucks. 14/5741, 34. A. A. WHSS/Hohenstatt, D Rz. 174.
567
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
schluss vom 13.3.201336 noch einmal deutlich. Da dieses Ziel keinen abschließenden Charakter hat („insbesondere“), kann die wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer auch aus anderen (wertungsmäßig vergleichbaren) Gründen verfolgt werden. Beispiel: Spartenorganisation, Zusammenarbeit im Joint Venture oder in Arbeitsgemeinschaften. Im Zweifel dürfte damit jede sachlich begründete Form der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit eine vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretungsstruktur rechtfertigen, sofern diese besser als die gesetzliche Struktur eine wirksame Interessenvertretung der Arbeitnehmer bewirkt. Dass solche abweichenden Strukturen nur zulässig sind, wenn die Errichtung einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung als Folge der – vornehmlich organisatorischen oder funktionalen – Rahmenbedingungen rechtlich oder tatsächlich „generell mit besonderen Schwierigkeiten verbunden“ ist37, erscheint auch mit Blick auf den Wortlaut und Zweck des Gesetzes zu eng. Gerade weil in großen Konzernen mit vielen Ebenen die Zusammenführung von unternehmensübergreifenden Strukturen erst beim Konzernbetriebsrat der Konzernobergesellschaft wegen der Größe solcher Organe häufig keine interessengerechte Wahrnehmung mehr ermöglicht, kann es z. B. zweckmäßig sein, einen Konzernbetriebsrat außerhalb der strengen Voraussetzungen des Konzerns im Konzern zu bilden. Solange solche „vereinbarten Teilkonzerne“ eine ausreichende Eigenständigkeit haben und der Teilkonzern-Konzernbetriebsrat eine interessengerechtere Mitbestimmungsmöglichkeit verschafft, kann dies die gleichzeitige Ausgrenzung der Arbeitnehmervertreter des Teilkonzerns aus dem Konzernbetriebsrat der Konzernobergesellschaft rechtfertigen. Dass die gesetzliche Organisation der Betriebsverfassung damit zur Disposition der Tarifvertragsparteien gestellt wird und dies durch nicht organisierte Arbeitnehmer hingenommen werden muss, ist mit Blick auf § 3 Abs. 2 BetrVG hinzunehmen, zumal der Betriebsrat selbst auch in der neuen Struktur ohne Rücksicht auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft durch Wahlen demokratisch legitimiert werden muss und Arbeitsbedingungen selbst durch den Tarifvertrag nur bei beiderseitiger Tarifbindung gestaltet werden können38. Unstatthaft ist aber, dass der Tarifvertrag den Arbeitnehmern überlässt, vor jeder Betriebsratswahl abzustimmen, ob der Tarifvertrag zur Anwendung kommt oder ob in den einzelnen Betrieben eigenständige Betriebsräte gewählt werden sollen39.
36 37 38 39
7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 Rz. 38. So aber BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738 Rz. 41. Abw. Richardi/Richardi, BetrVG § 3 Rz. 37. BAG v. 10.11.2004 – 7 ABR 17/04, AiB 2005, 619 Rz. 29.
568
Voraussetzungen eines Tarifvertrags
e)
Abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarung
§ 3 Abs. 2 BetrVG erlaubt nur sehr eingeschränkt vom Gesetz abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarung, Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung. Zum einen können nur Regelungen entsprechend § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 BetrVG getroffen werden, sofern dies im Rahmen des Einschätzungsspielraums der Betriebsparteien die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dient40. Hier gelten die vorstehenden Grundsätze. Zum anderen ist eine Regelung ausgeschlossen, wenn im Betrieb oder Unternehmen, das in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallen soll, irgendeine tarifliche Regelung gilt. Im Kern geht es also um einen „Supertarifvorbehalt“, der §§ 77 Abs. 3 S. 1, 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG deutlich übertrifft. Jede Regelung durch Verbands- oder Firmentarifvertrag, gleich welchen Geltungsbereich sie betrifft (z. B. vermögenswirksame Leistungen), schließt eine Betriebsvereinbarung nach § 3 Abs. 2 BetrVG aus. Dies gilt auch, wenn der Tarifvertrag keine Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen enthält41. Dabei werden auch allgemeinverbindliche Regelungen einbezogen42. Da § 3 Abs. 2 BetrVG indes von Tarifgeltung und nicht bloß Tarifgebundenheit spricht, muss - vergleichbar mit der tariflichen Systematik - eine beiderseitige gesetzliche Tarifgebundenheit vorliegen. Dies setzt mindestens einen Arbeitnehmer voraus, der im Betrieb in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt und - wenn keine Allgemeinverbindlichkeit besteht - Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist. So kann ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag „Ausbildung“ keine Sperrwirkung auslösen, wenn der Arbeitgeber selbst keine Auszubildenden beschäftigt. Wie das BAG vom 24.4.201343 zu Recht deutlich macht, genügt eine einzelvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht, um die Sperrwirkung für eine Betriebsvereinbarung auszulösen; § 3 Abs. 2 BetrVG verlangt eine gesetzliche Geltung des Tarifvertrags. Warum der Gesetzgeber den betrieblichen Sozialpartnern bedauerlicherweise so wenig Kompetenz zugesteht, ist nicht erkennbar. Der damit bewirkte Vorrang der Gewerkschaften ist unverhältnismäßig und sachlich unbegründet. Dies gilt umso mehr, wenn die Regelungsbefugnis der Gewerkschaft nur bei Vertretung im Betrieb und der damit verbundenen Kenntnis um betriebliche Verhältnisse anerkannt wird44. 40 41 42 43 44
BAG v. 24.4.2013 – 7 ABR 71/11, DB 2013, 1913 Rz. 30 f. BT-Drucks. 14/5741, 34. Richardi/Richardi, BetrVG § 3 Rz. 75. 7 ABR 71/11, DB 2013, 1913 Rz. 40. BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 27/08, NZA 2009, 1424 Rz. 27.
569
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Den betrieblichen Sozialpartnern kann indes durch Öffnungsklauseln im Tarifvertrag der Gestaltungsspielraum zuerkannt werden45. Dass § 3 Abs. 2 BetrVG eine solche Möglichkeit - anders als § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG - nicht nennt, steht dem nicht entgegen. Andernfalls läge ein unverhältnismäßiger Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers vor, der – entgegen dem eigentlichen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien – bereits durch Abschluss eines Tarifvertrags zu völlig anderen Fragen jedwede Gestaltungsmöglichkeit auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene verböte. Eine solche Öffnungsklausel berechtigt Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat indes nicht, ihren originären Zuständigkeitsbereich (Betrieb, Unternehmen oder Konzern), wie er durch §§ 50 I, 58 I gekennzeichnet wird, zu überschreiten46. Die Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung bestimmt sich grundsätzlich nach § 77 BetrVG. Beansprucht ein Tarifvertrag erst nach Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG Wirkung, endet die Wirkung der Betriebsvereinbarung ohne Übergang an diesem Tag. Unerheblich ist, auf welche Weise die Geltung herbeigeführt wird (z. B. Neuabschluss eines Firmentarifvertrags, Beitritt zum Arbeitgeberverband). Auch der Regelungsgegenstand des Tarifvertrags spielt keine Rolle. Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG ist nicht gegeben. Endet der Tarifvertrag, ist damit auch ein Wiederaufleben der Betriebsvereinbarung ausgeschlossen. Allerdings kann vereinbart werden, dass die Betriebsvereinbarung in diesem Fall wieder in Kraft tritt. Die Ablösung der bestehenden Organisationsstrukturen bestimmt sich sodann (wieder) nach § 3 Abs. 4 BetrVG. (Ga/Ha)
3.
Betriebsratswahl 2014
a)
Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts
Nach § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus drei oder mehr Mitgliedern besteht.
45 Vgl. LAG Hamm v. 10.11.1999 – 3 TaBV 92/99 n. v., das (zu weitgehend) sogar einseitige Gestaltung durch ArbGeb erlaubt hatte; a. A. Annuß, NZA 2002, 290 ff; Thüsing, Tarifautonomie im Wandel, 2003, S. 285 ff.; Spinner/Wiesenecker, FS Löwisch, 2007, S. 375 ff. 46 B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 27 Rz. 98.
570
Betriebsratswahl 2014
Der Wahlvorstand stellt gemäß § 5 Abs. 1 WO fest, welches Geschlecht von seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betrieb in der Minderheit ist. Sodann errechnet der Wahlvorstand den Mindestanteil der Betriebsratssitze für das Geschlecht in der Minderheit (§ 15 Abs. 2 BetrVG) nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Zu diesem Zweck werden die Zahlen der am Tage des Erlasses des Wahlausschreibens im Betrieb beschäftigten Frauen und Männer in einer Reihe nebeneinander gestellt und beide durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt. Die ermittelten Teilzahlen sind nacheinander reihenweise unter den Zahlen der ersten Reihe aufzuführen, bis höhere Teilzahlen für die Zuweisung der zu verteilenden Sitze nicht mehr in Betracht kommen. Unter den so gefundenen Teilzahlen werden so viele Höchstzahlen ausgesondert und der Größe nach geordnet, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Das Geschlecht in der Minderheit erhält so viele Mitgliedersitze zugeteilt, wie Höchstzahlen darauf entfallen. Wenn die niedrigste in Betracht kommende Höchstzahl auf beide Geschlechter zugleich entfällt, so entscheidet das Los darüber, welchem Geschlecht dieser Sitz zufällt (§ 5 Abs. 2 WO). Bei der Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrats entfällt nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren nicht mindestens ein Sitz auf eine Frau, wenn von 33 Arbeitnehmern 26 Angehörige des männlichen Geschlechts sind47. Beispiel: 145 Arbeitnehmer, davon 100 Männer und 45 Frauen. Zu wählen sind 7 Betriebsratsmitglieder. :1
100 Männer
45 Frauen
:2
50
22,5
:3
33,3
15
:4
25
11,25
:5
20
9
:6
16,6
7,5
:7
14,3
6,4
Nach dieser Berechnung steht fest, dass auf die Frauen, die in diesem Fall das Geschlecht in der Minderheit bilden, zwei Sitze entfallen. Würde die Berechnung ergeben, dass das Geschlecht in der Minderheit keinen Betriebsratssitz erhält, wäre damit nicht ausgeschlossen, dass gleichwohl ein oder mehrere Vertreter des Geschlechts in der Minderheit im Be47 BAG v. 10.3.2004 – 7 ABR 49/03, NZA 2004, 1340 Rz. 31.
571
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
triebsrat vertreten sind. Das hängt vom Wahlergebnis ab. Erfolgt etwa eine Listenwahl, dann sind aus den einzelnen zu berücksichtigenden Listen die Bewerberinnen und Bewerber in der Reihenfolge gewählt, in der sie in der Liste aufgeführt sind (§ 15 Abs. 4 WO). Im Falle einer Mehrheitswahl werden diejenigen Bewerber gewählt, auf die die jeweils höchste Stimmenzahl entfällt. Es ist daher möglich, dass das Geschlecht in der Minderheit mehr Sitze erhält als das Geschlecht in der Mehrheit. Der Wahlvorstand ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 WO verpflichtet, im Wahlausschreiben den Anteil der Geschlechter im Betrieb unter Hinweis darauf anzugeben, dass das Geschlecht in der Minderheit im Betriebsrat entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis vertreten sein muss, wobei maßgeblicher Zeitpunkt der Tag des Erlasses des Wahlausschreibens ist. Bei der Aufstellung der Wahlvorschläge gilt dies freilich nicht, weil die Wähler das Recht haben müssen, ihre Kandidaten ohne bestimmte Vorgaben aufstellen und wählen zu können. Es ist in diesem Zusammenhang erlaubt, reine Männerlisten oder reine Frauenlisten aufzustellen, ohne dass diese vom Wahlvorstand zurückgewiesen werden dürfen. In einer Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 13.3.201348 ging es um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl, die deshalb von einer im Betrieb der Arbeitgeberin vertretenen Gewerkschaft nach § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten worden war, weil die Angabe im Wahlausschreiben bezüglich der auf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsätze im Betriebsrat unzutreffend vorgenommen worden war. Die Arbeitgeberin beschäftigte 639 Arbeitnehmer, die sich aus 515 Frauen und 124 Männern zusammensetzten. In dem Wahlausschreiben wies der Wahlvorstand auf § 15 Abs. 2 BetrVG hin und erklärte in diesem Zusammenhang: „Danach müssen mindestens neun Frauen / zwei Männer dem Betriebsrat angehören.“ Während das LAG Düsseldorf im Beschluss vom 16.6.201149 den Wahlanfechtungsantrag der Gewerkschaft für unbegründet hielt, ist das BAG davon ausgegangen, dass wegen der unzutreffenden Angabe des Wahlvorstandes im Wahlausschreiben bezüglich der auf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Sitze im Betriebsrat die Anfechtung der Wahl rechtfertigt und damit zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führt. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt 48 7 ABR 67/11, DB 2013, 1794 ff. 49 4 TaBV 86/10 n. v. (Rz. 26).
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Betriebsratswahl 2014
ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Danach kam es darauf an, ob das Wahlausschreiben einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 Erste Verordnung zur Durchführung des BetrVG (Wahlordnung – WO) vom 11.12.200150 aufwies und ein derartiger Verstoß geeignet war, die Anfechtung der Wahl zu rechtfertigen. Dies wird vom BAG bejaht. Bei einer Belegschaft von 515 Frauen und 124 Männern müssen nach § 15 Abs. 2 BetrVG die Männer mit mindestens zwei Sitzen im Betriebsrat vertreten sein. Nur hierauf hätte das Wahlausschreiben gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO hinweisen dürfen und nicht zusätzlich darauf, dass auch mindestens neun Frauen gewählt werden müssten. Der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO war auch nach Ansicht des BAG geeignet, das Wahlverhalten der Arbeitnehmer und damit das Ergebnis der Betriebsratswahl zu beeinflussen. Dafür ist entscheidend, ob eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bei einer hypothetischen Betrachtung zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte. Die Wiederholung einer fehlerhaften Betriebsratswahl erübrigt sich nur dann, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre51. Ist dies nicht der Fall, muss es bei der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl verbleiben. Da im kommenden Jahr 2014 die turnusmäßigen Betriebsratswahlen anstehen, stellt diese Entscheidung des BAG vor allem für Wahlvorstände einen deutlichen Fingerzeig dar, wie bei der Anwendung von § 15 Abs. 2 BetrVG vorzugehen ist. Dies ist auch aus der Perspektive des Arbeitgebers von erheblicher Bedeutung, weil er mit den Kosten der Wahl belastet ist (§ 20 Abs. 3 BetrVG). (Boe)
b)
Kennzeichnung einer Gewerkschaftsliste
Wie sich aus § 14 Abs. 2 BetrVG entnehmen lässt, erfolgt die Betriebsratswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, wenn ein Betriebsrat mit mindestens fünf Mitgliedern gewählt wird und mehrere Wahlvorschläge (Listenwahl) eingereicht werden. Eine Mehrheitswahl findet nur dann statt, wenn lediglich ein Wahlvorschlag eingereicht wird oder der Betriebsrat im vereinfachten Verfahren (§ 14 a BetrVG) zu wählen ist. Die näheren Einzelheiten sind in den §§ 6 - 10 der WO geregelt. Dabei beziehen sich die §§ 6 bis 8 WO im Wesentlichen auf die Einreichung der Vorschlagslisten und ihre Prüfung daraufhin, ob sie ungültig oder zu beanstanden sind. Die §§ 9 und
50 BGBl. I S. 3494. 51 BAG v. 21.1.2009 - 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481 Rz. 29.
573
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
10 WO behandeln die Nachfristsetzung für Vorschlagslisten sowie ihre Bekanntmachung. Die Vorschlagslisten sind von den Wahlberechtigten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einzureichen (§ 6 Abs. 1 WO). Jede Vorschlagsliste soll mindestens doppelt so viele Bewerberinnen oder Bewerber aufweisen, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind (§ 6 Abs. 2 WO). In jeder Vorschlagsliste sind die einzelnen Bewerberinnen oder Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer und unter Angabe von Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Art der Beschäftigung im Betrieb aufzuführen. Die schriftliche Zustimmung der Bewerberinnen oder der Bewerber zur Aufnahme in die Liste ist beizufügen (§ 6 Abs. 3 WO). Wenn kein anderer Unterzeichner der Vorschlagsliste ausdrücklich als Listenvertreter bezeichnet ist, wird die oder der an erster Stelle Unterzeichnete als Listenvertreterin oder Listenvertreter angesehen. Diese Person ist berechtigt und verpflichtet, dem Wahlvorstand die zur Beseitigung von Beanstandungen erforderlichen Erklärungen abzugeben sowie Erklärungen und Entscheidungen des Wahlvorstands entgegenzunehmen (§ 6 Abs. 4 WO). Bei einem gewerkschaftlichen Wahlvorschlag gilt der an erster Stelle unterzeichnete Beauftragte als Listenvertreter. Die Gewerkschaft kann einen Arbeitnehmer des Betriebs, der Mitglied der Gewerkschaft ist, als Listenvertreter benennen (§ 27 Abs. 3 WO). Jeder Wahlvorschlag der Arbeitnehmer muss von mindestens 5 % der wahlberechtigten Arbeitnehmer, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein; in Betrieben mit in der Regel bis zu zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern genügt die Unterzeichnung durch zwei Wahlberechtigte. In jedem Fall genügt die Unterzeichnung durch fünfzig wahlberechtigte Arbeitnehmer. Jeder Wahlvorschlag einer Gewerkschaft muss von zwei Beauftragten unterzeichnet sein (§ 14 Abs. 4, 5 BetrVG, § 27 Abs. 2 WO). Jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft kann jeweils nur einen Wahlvorschlag machen. Wer Beauftragter der Gewerkschaft ist, bestimmt sich nach der jeweiligen Satzung der Gewerkschaft. In Zweifelsfällen kann der Wahlvorstand den Nachweis der Beauftragung durch Einreichung einer schriftlichen Vollmacht verlangen. Der Wahlvorstand hat bei Überbringen der Vorschlagsliste oder, falls die Vorschlagsliste auf eine andere Weise eingereicht wird, der Listenvertreterin oder dem Listenvertreter den Zeitpunkt der Einreichung schriftlich zu bestätigen (§ 7 Abs. 1 WO). Der Wahlvorstand hat außerdem die eingereichten Vorschlagslisten, wenn die Liste nicht mit einem Kennwort versehen ist, mit Familienname und Vorname der beiden in der Liste an erster Stelle Benannten zu bezeichnen (§ 7 Abs. 2 S. 1 WO). Durch das Kennwort darf keine 574
Betriebsratswahl 2014
Verwechselungsgefahr eintreten. Auf eine Gewerkschaft hinweisende Kennworte sind zulässig, sofern die Gewerkschaft hinter der Liste steht. Ob dies auch noch gilt, wenn die Gewerkschaft selbst einen Wahlvorschlag einreicht, kann fraglich sein. In einem Beschluss vom 15.5.2013 hatte der 7. Senat des BAG52 der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen ein wirksamer gewerkschaftlicher Wahlvorschlag zur Betriebsratswahl vorliegt und ob der Wahlvorstand einen Wahlvorschlag, der zu Unrecht eine Gewerkschaftsbezeichnung als Kennwort trägt, zurückweisen darf. Der für die Betriebsratswahl gebildete Wahlvorstand leitete die Wahl mit einem Wahlausschreiben ein, das am 11.1.2010 ausgehängt wurde. Darin war die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlagslisten auf den 25.1.2010, 15.30 Uhr, festgesetzt. Am letzten Tag dieser Frist um 13.15 Uhr überreichte der die Wahlanfechtung betreibende Antragsteller zu 1. als Listenvertreter einen Wahlvorschlag mit dem Kennwort „IG Metall Kündigungsschutz und Arbeitsplatzsicherheit“. Am 25.1.2010 um 15.45 Uhr trat der Wahlvorstand zu einer Sitzung zusammen und forderte mit Schreiben vom 26.1.2010 den Listenvertreter auf, „innerhalb einer Frist von drei Arbeitstagen einen Nachweis der IG Metall Frankfurt darüber vorzulegen, dass diese hinter der eingereichten Wahlvorschlagsliste steht und somit die Bezeichnung ‚IG Metall’ als Bestandteil des Kennwortes verwendet werden darf". Der Listenvertreter K reagierte nicht. Daraufhin fasste der Wahlvorstand am 1.2.2010 den Beschluss, die Vorschlagsliste des Listenvertreters K von der Betriebsratswahl auszuschließen. Aus diesem Grunde kam es im Anschluss an die durchgeführte Betriebsratswahl zu ihrer Anfechtung. Nach § 19 BetrVG können u. a. mindestens drei Wahlberechtigte binnen einer Frist von zwei Wochen vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet beim Arbeitsgericht die Wahl anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Das BAG geht davon aus, dass im vorliegenden Fall die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung vorliegen. Der Wahlvorstand habe dadurch gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen, dass er die vom Antragsteller zu 1. eingereichte Liste von der Wahl ausgeschlossen habe anstatt lediglich an Stelle des unzulässigen Kennworts „IG Metall
52 7 ABR 40/11 - BB 2013, 2163 ff.
575
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Kündigungsschutz und Arbeitsplatzsicherheit“ nach Streichung des Kennworts die Liste mit Familienname und Vorname der beiden in der Liste an erster Stelle Benannten zu bezeichnen. Durch diesen Verstoß habe das Wahlergebnis auch beeinflusst werden können. Zunächst weist das BAG darauf hin, dass der Wahlvorstand eine eingereichte Vorschlagsliste nach § 7 Abs. 2 S. 2 WO BetrVG unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten hat. Dabei hat der Wahlvorstand alle erkennbaren Unwirksamkeitsgründe für den eingereichten Wahlvorschlag zu kontrollieren53. Mögliche Gründe für die Ungültigkeit einer Vorschlagsliste ergeben sich dabei aus § 8 Abs. 1 und Abs. 2 WO BetrVG, der die Unzulässigkeit eines Kennworts allerdings nicht aufführt. Da jedoch aus § 7 Abs. 2 S. 1 WO BetrVG hervorgeht, dass der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten, wenn die Liste nicht mit einem Kennwort versehen ist, mit Familienname und Vorname der beiden in der Liste an erster Stelle Benannten zu bezeichnen hat, muss er sich auch mit der Zulässigkeit des Kennworts befassen, wie das BAG zu Recht ausführt. Hier war das Kennwort „IG Metall Kündigungsschutz und Arbeitsplatzsicherheit“ auf der Liste des Antragstellers zu 1. bereits deshalb unzulässig, weil es sich bei der Liste offenkundig nicht um einen Vorschlag der Gewerkschaft handelte. Da das Gesetz in § 15 Abs. 5 BetrVG eine besondere Regelung für die Vorschlagsliste einer Gewerkschaft vorsieht, folgt daraus nach Ansicht des BAG zugleich, dass nur ein solcher Vorschlag durch sein Kennwort als gewerkschaftlicher Vorschlag ausgewiesen werden darf, der den gesetzlichen Voraussetzungen genügt54. Im vorliegenden Fall war der vom Antragsteller zu 1. eingereichte Vorschlag schon deshalb kein Vorschlag einer Gewerkschaft im Sinne vom § 14 Abs. 5 BetrVG, weil er nicht von zwei Beauftragten der Gewerkschaft unterzeichnet worden war. Damit stellte sich für den Wahlvorstand die Frage der Legitimation der Wahlvorschlagsliste durch die Gewerkschaft, sowie die Reaktion, nachdem diese Legitimation nicht erfolgte. Das BetrVG bzw. die WO geben darauf keine klare Antwort oder Hilfestellung. Ein fehlendes oder fehlerhaftes und damit unzulässiges Kennwort wird weder nach § 8 Abs. 1 WO BetrVG als unheilbarer noch nach § 8 Abs. 2 WO BetrVG als heilbarer Mangel aufgeführt. Auch wenn die Aufzählung in 53 BAG v. 21.1.2009 - 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481 Rz. 25. 54 A. A. jedoch LAG Berlin v. 14.5.2003 - 15 TaBV 2341/02, Rz. 62; Fitting, § 7 WO 2001 Rz. 2; GK-BetrVG/Kreutz § 7 WO Rz. 7.
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Betriebsratswahl 2014
dieser Bestimmung - wie das BAG ausführt - nicht abschließend sein dürfte55, spreche bereits dieser Umstand dafür, an die Unzulässigkeit des Kennworts nicht die weitreichende Rechtsfolge der Ungültigkeit des Wahlvorschlags zu knüpfen. Aus § 7 Abs. 2 S. 1 WO BetrVG ergäbe sich, dass eine Vorschlagsliste auch ohne Kennwort eingereicht werden könne und dann vom Wahlvorstand mit den Namen und Vornamen der beiden in ihr an erster Stelle benannten Bewerber als Kennwort ergänzt werden müsse. Das BAG will diese Lösung der WO auf das unzulässig verwendete Kennwort übertragen und dieses wie ein fehlendes Kennwort behandeln. Im Streitfall hätte daher der Wahlvorstand den Wahlvorschlag nicht zurückweisen dürfen, sondern in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 S. 1 WO stattdessen den Vorschlag mit den Familien- und Vornamen der beiden ersten in der Liste Benannten bezeichnen müssen. Ohne Belang ist dabei für diese Verfahrensweise des Wahlvorstands nach Auffassung des BAG, ob sich ein irreführendes Kennwort möglicherweise bereits bei der Sammlung von Stützunterschriften ausgewirkt hat. Dies kann möglicherweise einen Anlass für eine Anfechtung der Wahl abgeben, nicht aber zur Zurückweisung des Wahlvorschlags durch den Wahlvorstand führen, der vor allem für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Betriebsratswahl zu sorgen und damit organisatorische Aufgaben abzuwickeln hat. Keiner besonderen Begründung bedurfte es, dass die unzulässige Zurückweisung des Wahlvorschlags geeignet war, das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen, so dass sich die Anfechtung als berechtigt erwies. Auch diese Entscheidung des BAG verdeutlicht, mit welchen formaltechnischen Fragen eine Betriebsratswahl belastet sein kann, deren Nichtbeachtung oder Verkennung zu einer Wahlanfechtung führt. (Boe)
c)
Fehlerhafte Bildung eines Wahlvorstands
Unter Hinweis auf die Feststellungen des BAG im Beschluss vom 27.7.201156 hat das LAG Hamm im Beschluss vom 6.9.201357 auch den Abbruch einer Betriebsratswahl wegen fehlerhafter Bildung des Wahlvorstands abgelehnt und die gegenteilige Entscheidung des ArbG Iserlohn vom 18.7.201358 abgeändert.
55 56 57 58
GK-BetrVG/Kreutz, § 8 WO Rz. 1; Richardi/Thüsing, BetrVG § 8 WO 2001 Rz. 4. 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345 Rz. 36, 51. 7 TaBVGa 7/13 n. v. 2 BVGa 2/13 n. v.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Betriebsrat in einem Betrieb mit etwa 450 Arbeitnehmern bereits am 28.6.2013 einen Wahlvorstand gebildet und dies mit der Notwendigkeit einer Vorbereitung der Betriebsratswahl im Jahre 2014 begründet. Entgegen der Praxis in den vorangehenden Jahren, in denen der Wahlvorstand aus jeweils drei bzw. fünf Mitgliedern bestanden hatte, war ein Wahlvorstand von neun Mitgliedern gebildet worden. Hintergrund war offenkundig, dass der Arbeitgeber beabsichtigte, im Anschluss an den Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan Entlassungen im Rahmen einer Betriebsänderung durchzuführen. Vor diesen sollten nicht nur die Mitglieder des Betriebsrats und des Wahlvorstands, sondern auch etwaige Wahlbewerber geschützt werden. Nach Auffassung des LAG Hamm reicht auch eine Missachtung der in § 16 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Vorgaben für die Bildung eines Wahlvorstands nicht, um einen entsprechenden Antrag des Arbeitgebers auf Unterlassung der Einleitung einer Betriebsratswahl stattzugeben. Denn ein solcher Verstoß habe allenfalls die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge. Entgegen der Auffassung des LAG Nürnberg im Beschluss vom 30.3.200659 könne eine Betriebsratswahl aber nur abgebrochen werden, wenn sie sich als voraussichtlich nichtig erweise. Hiervon geht im Anschluss an die Feststellungen des BAG auch ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung aus60. Soweit der Arbeitgeber seinen Antrag auch mit dem Hinweis des Rechtsmissbrauchs begründet hatte, hat das LAG Hamm nicht nur den zeitlichen Zusammenhang zu der geplanten Umsetzung der Betriebsänderung als nicht ausreichend angesehen, um ein rechtsmissbräuchlisches Verhalten anzunehmen. Die 7. Kammer hat auch darauf verwiesen, dass eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Kündigungsschutzes für Mitglieder des Betriebsrats, des Wohlvorstands oder etwaige Wahlbewerber nicht im Rahmen eines entsprechenden Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Betriebsratswahl geltend gemacht werden könne. Vielmehr sei dies ein Umstand, der erst im Rahmen eines etwaigen Kündigungsschutzverfahrens relevant werde. Dem ist nicht zuzustimmen. Denn auch § 16 Abs. 1 BetrAVG berücksichtigt bei der Frage, ob die Bildung eines Wahlvorstands unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben erfolgt ist, ob die frühe Bildung tatsächlich erforderlich gewesen ist. Andernfalls wird der Arbeitgeber mit Ausfallzeiten 59 6 TaBV 19/06 n. v. 60 Vgl. nur LAG Düsseldorf v. 13.3.2013 – 9 TaBVGa 5/13 n. v.; LAG Köln v. 19.3.2010 – 10 TaBVGa 14/09, AE 2010, 178.
578
Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Betriebsratsgröße
der Wahlvorstandsmitglieder belastet, ohne dass dies zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben erforderlich war. Im Übrigen wäre auch eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl bei Missachtung der in §16 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Vorgaben, die das LAG Hamm vom Grundsatz her für durchaus möglich hält, nicht zu rechtfertigen. (Ga)
4.
Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Betriebsratsgröße
Die Zunahme einer Beschäftigung von Leiharbeitnehmern in den vergangenen Jahren hat – wie wir bereits an anderer Stelle berichtet haben61 – zur Folge, dass auch die Behandlung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Betriebsverfassung zur Diskussion gestellt wird. Ausgangspunkt ist dabei zunächst einmal § 14 Abs. 1, 2 S. 1. AÜG. Danach bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers. Sie sind bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat im Entleiherunternehmen und bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Allerdings bestimmt § 7 S. 2 BetrVG, dass Leiharbeitnehmer (aktiv) wahlberechtigt sind, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eines anderen Arbeitgebers eingesetzt werden. Bislang hatte die Rechtsprechung aus dieser Systematik von BetrVG und AÜG abgeleitet, dass Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb nicht als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG behandelt werden. Sie wählten, aber zählten nicht. Eine Ausnahme hatte der Gesetzgeber insoweit nur für Beamte, Soldaten sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten festgelegt, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind (§ 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG). In den übrigen Fällen wurden Leiharbeitnehmer trotz ihrer Eingliederung in den Betrieb des Entleihers nicht als Arbeitnehmer des Entleihers behandelt, weil die weitere – bis dahin für erforderlich gehaltene – Voraussetzung fehlte, dass auch ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher gegeben war. Schließlich hatte die Rechtsprechung auch im Rahmen von § 5 Abs. 1 BetrVG stets den allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zugrunde gelegt. Arbeitnehmer ist danach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Ver-
61 B. Gaul, AktuellAR 2011, 557 ff.; 2012, 217 ff.; 2013, 206 ff.
579
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
trags im Dienste eines anderen in persönlicher Abhängigkeit zur Leistung fremdbestimmter Arbeit verpflichtet ist62. Diese Zwei-Komponenten-Lehre hat das BAG indes in Bezug auf den Einsatz von Fremdpersonal in Drittbetrieben aufgegeben. Wir hatten darüber berichtet63. Das Erfordernis eines Arbeitsverhältnisses neben der Eingliederung in die Betriebsorganisation führe hier nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Vielmehr hätte die uneingeschränkte Anwendung der ZweiKomponenten-Regel hier zur Folge, dass der Arbeitnehmer einerseits dem Betrieb seines Vertragsarbeitgebers mangels Eingliederung nicht zugeordnet werden könnte, während es andererseits zum Betriebsarbeitgeber an einem arbeitsvertraglichen Band fehle. In derartigen Fällen der aufgespaltenen Arbeitgeberstellung bedürfe es daher einer differenzierten Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung von Arbeitnehmern. Diese habe zum einen zu beachten, dass der Gesetzgeber die betriebsverfassungsrechtliche Behandlung des drittbezogenen Personaleinsatzes bereits zu einem nicht unbeträchtlichen Umfang teils im BetrVG, teils in anderen Gesetzen geregelt habe. Zum anderen gelte es zu berücksichtigen, dass im BetrVG in ganz unterschiedlichem Zusammenhang auf „den“ Arbeitnehmer abgestellt werde. Daher seien beim drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung differenzierende Lösungen geboten, die zum einen die ausdrücklich normierten (spezial-)gesetzlichen Konzepte, zum anderen aber auch die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigten64. Hieran hält das BAG ausdrücklich mit Beschluss vom 13.3.201365 fest. Daran anknüpfend geht der 7. Senat des BAG davon aus, dass der Arbeitnehmerbegriff der Zwei-Komponenten-Lehre auch nicht geeignet für die Beantwortung der Frage sei, ob im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer im Sinne von § 9 BetrVG qualifiziert werden müssen. § 9 BetrVG bestimmt die Zahl der Betriebsratsmitglieder und knüpft hierfür an die Zahl der „wahlberechtigten Arbeitnehmer“ bzw. der „Arbeitnehmer“ an. Nach Auffassung des BAG spricht der systematische Kontext der Bestimmung eher dafür, Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb bei der Anwendung von § 9 BetrVG zu berücksichtigen. Zwar lege § 14 Abs. 1 AÜG fest, dass Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher 62 Vgl. BAG v. 12.12.2001 – 5 AZR 253/00, NZA 2002, 787 Rz. 27; Fitting, BetrVG § 5 Rz. 16. 63 B. Gaul, AktuellAR 2013, 206 ff. 64 BAG v. 5.12.2012 – 7 ABR 48/11, NZA 2013, 793 Rz. 20 ff., 25. 65 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 22.
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Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Betriebsratsgröße
weiter dem entsendenden Betrieb des Entleihers angehörten. Eine Aussage darüber, dass Leiharbeitnehmer hinsichtlich der Größe des Betriebsrats nur bei einem der beiden Arbeitnehmer berücksichtigt werden dürften, lasse sich daraus indes nicht entnehmen. Im Gegenteil: Für ihre Einbeziehung spreche der systematische Zusammenhang von § 9 S. 1 BetrVG zu § 7 S. 2 BetrVG. Danach wird Arbeitnehmern, die länger als drei Monate in einem anderen Betrieb eingesetzt werden, dort das aktive Wahlrecht zugestanden. Aus Sicht des BAG wäre es wenig konsistent, die Leiharbeitnehmer auf dieser Grundlage zwar als im Einsatzbetrieb wahlberechtigt zu behandeln, sie aber nicht als „wahlberechtigte Arbeitnehmer“ im Sinne des § 9 S. 1 BetrVG anzusehen66. Für eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Betriebsratsgröße sprächen entscheidend auch Sinn und Zweck dieser in § 9 S. 1 BetrVG getroffenen Regelung67. Durch die in dieser Vorschrift vorgesehene Staffelung solle sichergestellt werden, dass die Zahl der Betriebsratsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betriebsangehörigen Arbeitnehmer stehe, deren Interessen und Rechte der Betriebsrat zu wahren habe. Die Abhängigkeit der Betriebsratsgröße von der Anzahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer trage dem Umstand Rechnung, dass hiervon auch der Tätigkeitsaufwand des Betriebsrats bestimmt werde. Wenn die Zahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer deutlich steige, ohne dass dies bei der Betriebsratsgröße Berücksichtigung finde, sei aber eine angemessene Interessenvertretung gefährdet. Schließlich werde der Umfang der Betriebsratsarbeit durch die im Betrieb regelmäßig tätigen Leiharbeitnehmer auch bei einer nur partiellen Vertretung in erheblichem Umfang beeinflusst. So erstrecke sich die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG in erheblichem Maße auch auf Leiharbeitnehmer. Beispielhaft nennt das BAG dabei die Mitbestimmungsrechte zu Fragen der Ordnung des Betriebs, zur Lage der Arbeitszeit, zur Einführung und Anwendung von Einrichtungen, zur Verhaltens- und Leistungskontrolle, zu Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz und zu Grundsätzen der Gruppenarbeit. Auch im Rahmen der personellen Mitbestimmung sei der Betriebsrat bei Einstellungen und Versetzungen von überlassenen Arbeitnehmern zu beteiligen. Dies gelte selbst dann, wenn nach den Vereinbarungen zwischen dem entleihenden Arbeitgeber und dem Verleiher die Entscheidung über die konkret-personenbezogene Aus-
66 BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 27. 67 So auch Haas/Hoppe, NZA 2013, 294 f.; Dzida, ArbRB 2013, 338, 339 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
wahl der auf Anforderung des Arbeitgebers zum Einsatz kommenden Leiharbeitnehmer allein beim Verleiher liege. Losgelöst davon seien die überlassenen Arbeitnehmer nach § 14 Abs. 2 S. 2 AÜG berechtigt, im Entleiherbetrieb die Sprechstunden der Arbeitnehmervertretungen aufzusuchen und an den Betriebs- und Jugendversammlungen teilzunehmen68. Ferner gelten für sie im Entleiherbetrieb die §§ 81, 82 Abs. 1, 84 bis 86 BetrVG (§ 14 Abs. 2 S. 3 AÜG). Diese Argumentationslinie des 7. Senats des BAG ist – was den Arbeitsaufwand als Folge eines Einsatzes von Leiharbeitnehmer betrifft – in sich schlüssig. Dies gilt erst recht, wenn – was das BAG bei seiner Entscheidung durchaus im Auge hat – man Fallgestaltungen berücksichtigt, in denen die Zahl der Leiharbeitnehmer in einem Betrieb deutlich die Zahl der Stammarbeitnehmer überwiegt. Hier ist es mit Blick auf den Zweck der gesetzlichen Mitbestimmung durchaus problematisch, die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats, der auch für Leiharbeitnehmer zuständig ist, allein an den Stammarbeitnehmern anzuknüpfen. Die Sinnhaftigkeit seiner Betrachtungsweise allein rechtfertigt allerdings gleichwohl nicht die Interpretationsweise des BAG. Sie missachtet, dass der Gesetzgeber bei seiner Konzeption von §§ 5 Abs. 1 S. 1, 3, 7 S. 2 BetrVG sowie § 14 Abs. 1, 2 AÜG unverkennbar davon ausgegangen war, dass Leiharbeitnehmer nicht zu den Arbeitnehmern im Betrieb des Entleihers gehören. Andernfalls wäre auch § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG mit den Sonderregelungen für die Arbeitnehmerstellung überflüssig. Es erscheint auch mit Blick auf den Wortlaut und die Systematik von § 9 BetrVG als zu weitreichend, den Begriff der „Arbeitnehmer“ bzw. „wahlberechtigten Arbeitnehmer“ nach Belieben einmal im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG und zum anderen losgelöst von den danach erkennbar notwendigen Voraussetzungen festzulegen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier die notwendige Korrektur vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die Problemlage bereits erkennbar war, als der Gesetzgeber zuletzt § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG eingefügt hat. Nichtsdestotrotz wird sich die betriebliche Praxis auf die geänderte Bewertung durch das BAG schon im Rahmen der kommenden Betriebsratswahl einstellen müssen. Wenn – was für § 9 BetrVG weiterhin erforderlich ist – die Leiharbeitnehmer „in der Regel“ im Betrieb eingesetzt werden, sind sie bei den Schwellenwerten für die Betriebsratsgröße zu berücksichtigen. Folgt man der Sichtweise des BAG und hält – anders als hier vertreten – eine Korrektur durch den Gesetzgeber nicht für erforderlich, sind die Leiharbeitneh-
68 So BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 28 ff.
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Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Schwellenwerte
mer in entsprechender Weise auch bei der Zahl der Freistellungen nach § 38 BetrVG zu berücksichtigen69. Die frühere Rechtsprechung zu § 9 BetrVG70 und § 38 BetrVG71, welche Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Schwellenwerte noch ausgegrenzt hatte, ist damit obsolet Das wird jetzt auch der Gesetzgeber klarstellen72. (Ga)
5.
Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung
Vergleichbar mit der Anknüpfung der Unternehmensmitbestimmung an den betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb (vgl. §§ 3 Abs. 2 MitbestG, 3 Abs. 2 DrittelbG) wird auch bei der Kennzeichnung des Arbeitnehmers im Bereich der Unternehmensmitbestimmung auf § 5 Abs. 1, 3 BetrVG Bezug genommen (vgl. § 3 Abs. 1 MitbestG, 3 Abs. 1 DrittelbG). Hiervon ausgehend ist Arbeitnehmer im Bereich der Unternehmensmitbestimmung, wer nach § 5 Abs. 1 BetrVG als Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung zu kennzeichnen ist. Trotz dieser zunächst einmal klaren Vorgabe des Gesetzgebers ist umstritten, welche Bedeutung die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern für die Unternehmensmitbestimmung besitzt. Ausgangspunkt ist dabei – vergleichbar mit der Situation in Bezug auf den Betriebsrat73 - § 14 Abs. 1, 2 S. 1 AÜG. Danach bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei ihrem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers. Sie sind bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat im Entleiherunternehmen ebenso wie bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Eine Ausnahme sehen die §§ 7 S. 2 BetrVG in Verbindung mit den §§ 10 Abs. 2 S. 2, 18 S. 2 MitbestG, 5 Abs. 2 S. 2 DrittelbG lediglich insoweit vor, als Leiharbeitnehmer ein aktives Wahlrecht bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem MitbestG bzw. dem DrittelbG erhalten, wenn sie länger als drei Monate in dem Betrieb eines Unternehmens
69 So auch Moderegger, ArbRB 2013, 117 ff.; Markowski/Sendelbeck, AiB 2013, 384. 70 Vgl. BAG v. 10.3.2004 – 7 ABR 49/03, NZA 2004, 1340 Rz. 12; BAG v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02, NZA 2003, 1345 Rz. 14. 71 Vgl. BAG v. 22.10.2003 – 7 ABR 3/03, NAZ 2004, 1052 Rz. 22 f. 72 B. Gaul, AktuellAR 2013, 314 f. 73 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2013, 579 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
eingesetzt werden, dessen Stammarbeitnehmer an den Aufsichtsratswahlen zu beteiligen sind. In der Vergangenheit ist diese Ausnahmeregelung nicht zum Anlass genommen worden, Arbeitnehmer bei der Kennzeichnung der Schwellenwerte für die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat (§§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG) bzw. der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 7 MitbestG) zu berücksichtigen74. Lediglich beispielhaft sei insoweit auch auf die ablehnenden Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 12.5.200475 zum BetrVG 1952 und des Hanseatischen OLG vom 29.10.200776 zum DrittelbG verwiesen. Die ablehnende Bewertung ist dabei im Wesentlichen mit dem Umstand begründet worden, dass für den insoweit maßgeblichen § 5 Abs. 1 BetrVG auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abgestellt werden müsse. Damit setze die Einbeziehung von Personen auch im Bereich der Unternehmensmitbestimmung voraus, dass neben einer Eingliederung in die betriebliche Organisation auch ein Arbeitsverhältnis zu dem Unternehmen gegeben sei, bei dem die Aufsichtsratswahl stattfinde bzw. dessen Arbeitnehmer bei den Wahlen zum Aufsichtsrat eines konzerngebundenen Unternehmens zu beteiligen sind77. Auf die Dauer der Überlassung von Leiharbeitnehmern komme es bei der Kennzeichnung des Arbeitnehmerbegriffs nicht an. Losgelöst von dem Umstand, dass die Kennzeichnung einer insoweit maßgeblichen Dauer der Arbeitnehmerüberlassung mit Rechtsunsicherheit verknüpft sei, müsse berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber weder im Rahmen der Änderung des BetrVG noch im Rahmen der gesetzlichen Änderungen zur Flexibilisierung der Arbeitnehmerüberlassung eine vollständige Gleichstellung der Leiharbeitnehmer mit der Stammbelegschaft in betriebsverfassungsrechtlicher Sicht vorgenommen habe. Im Gegenteil: In Kenntnis der Problematik um die Fragen der Leiharbeitnehmer habe der Gesetzgeber ausdrücklich ausgeführt: Leiharbeitnehmern wird das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat des Entleiherbetriebs eingeräumt, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden. Sie sollen auf diese Weise betriebsverfassungsrechtlich aus der Randbelegschaft an die Stammbelegschaft herangeführt werden, ohne sie in rechtlich unzutreffender Weise als Arbeitnehmer des
74 Vgl. nur HWK/Seibt, DrittelbG § 3 Rz. 2; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG § 3 Rz. 36 f.; ErfK/Oetker, MitbestG § 3 Rz. 2, DrittelbG § 1 Rz. 27. 75 I – 19 W 2/04 AktE, 19 W 2/04 AktE, GmbH-R 2004, 1081 ff. 76 11 W 27/07, DB 2007, 2762 ff. 77 OLG Hamburg v. 29.10.2007 - 11 W 27/07, DB 2007, 2762 Rz. 19; OLG Düsseldorf v. 12.5.2004 - I – 19 W 2/04 AktE, 19 W 2/04 AktE, GmbH-R 2004, 1081 Rz. 23.
584
Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Schwellenwerte
Entleiherbetriebs einzustufen. Ihre betriebsverfassungsrechtliche Stellung im Verleiherbetrieb bleibt unberührt78.
Daraus folge, dass auch im Bereich der Unternehmensmitbestimmung schon der Systematik nach keine Gleichstellung gegeben ist, was auch dem Willen des Gesetzgebers entspreche79. Ergänzend hierzu ist in der Vergangenheit darauf verwiesen worden, dass schon im Bereich der Betriebsverfassung nicht die gleiche Betroffenheit von Leiharbeitnehmern einerseits und Stammarbeitnehmern andererseits in Bezug auf mitbestimmungsrechtlich relevante Entscheidungen des Entleihers gegeben sei. Die insoweit eingeschränkte Betroffenheit sei erst recht gegeben, wenn man sich die Aufgaben eines Aufsichtsrats vor Augen führe. Seine Tätigkeit sei gerichtet auf die langfristige Unternehmenspolitik und die Kontrolle strategischer Entscheidungen der Geschäftsführung. Der Aufsichtsrat sei gehalten, bei unternehmerischen Entscheidungen und allen Geschäftsführungsmaßnahmen das mittel- bis langfristige Gesellschaftsinteresse zu wahren. Leiharbeitnehmer, die im Zweifel nur kurzfristig im Unternehmen eingesetzt würden, seien von solchen Entscheidungen und damit auch ihrer Überprüfung im Aufsichtsrat kaum betroffen80. Wie im Zusammenhang mit der Einbindung von Leiharbeitnehmern in die Berechnung der Schwellenwerte nach § 9 BetrVG an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde81, dürfte die einschränkende Interpretation des Arbeitnehmerbegriffs in § 5 Abs. 1 BetrVG in der Tat der gesetzgeberischen Zielsetzung Rechnung tragen. Insbesondere durch die §§ 5 Abs. 1 S. 3, 7 S. 2 BetrVG wird deutlich, dass der Gesetzgeber an sich nicht davon ausgegangen war, Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu kennzeichnen. Losgelöst von dem Umstand, dass Leiharbeitnehmer ab einer bestimmten Überlassungsdauer das aktive Wahlrecht erlangen können, schließt dies aus, bei der Kennzeichnung der sonstigen Vorschriften des BetrVG einen von § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG abweichenden Arbeitnehmerbegriff zu Grunde zulegen. Eine solche Korrektur ist auch dann Aufgabe des Gesetzgebers, wenn sie – was zuzugestehen ist – mit Blick auf Sinn und Zweck eines Gesetzes sinnvoll erscheint. Gegen eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Unternehmensmitbestimmung außerhalb der gesetzlich für das aktive Wahlrecht vorgesehenen 78 BT-Drucks. 14/5741 S. 28. 79 OLG Hamburg v. 29.10.2007 - 11 W 27/07, DB 2007, 2762 Rz. 22 ff. 80 OLG Hamburg v. 29.10.2007 - 11 W 27/07, DB 2007, 2762 Rz. 24; OLG Düsseldorf v. 12.5.2004 - I – 19 W 2/04 AktE, 19 W 2/04 AktE, GmbH-R 2004 1081 Rz. 26. 81 B. Gaul, AktuellAR 2013, 579 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Ausnahme spricht – wie vorstehend ausgeführt - letztendlich auch der Umstand, dass Aufgaben und Zuständigkeiten eines Aufsichtsrats beim Entleiher bzw. einem mit diesem Konzern verbundenen Unternehmen die Interessen der Leiharbeitnehmer kaum berühren. Dies folgt bereits aus der Beratungs- und Überwachungspflicht, die im Wesentlichen nur Entscheidungen von grundlegender Bedeutung für das Unternehmen betrifft. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass eine ergänzende Einbindung bei zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäften nach § 111 AktG gegeben ist. Dies unterscheidet die Tätigkeit eines Aufsichtsrats grundlegend von der Arbeit eines Betriebsrats, der schon wegen seiner Mitbestimmungsrechte aus den §§ 87, 99 BetrVG unmittelbar Einfluss auf die tägliche Arbeit von Leiharbeitnehmern nehmen kann. Wie Künzel/Schmid82 zutreffend hervorheben, erlaubt auch das Europäische Recht die Ausgrenzung der Leiharbeitnehmer bei der Kennzeichnung von Schwellenwerten im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung. Denn Art. 7 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19.1.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) spricht ausdrücklich davon, dass Leiharbeitnehmer unter Bedingungen, die die Mitgliedsstaaten festlegen, im Leiharbeitsunternehmen bei der Berechnung des Schwellenwerts für die Einrichtung der Arbeitnehmervertretungen berücksichtigt werden. Dies geschieht in Deutschland in Bezug auf Leiharbeitnehmer entsprechend der §§ 7 S. 2 BetrVG i. V. m. 10 Abs. 2 S. 2, 18 S. 2 MitbestG, 5 Abs. 2 S. 2 DrittelbG. Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Leiharbeitnehmer im entleihenden Unternehmen bei der Berechnung des Schwellenwerts für die Einrichtung der nach Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht oder in den Tarifverträgen vorgesehenen Arbeitnehmervertretungen in gleichem Maße zu berücksichtigen wie Arbeitnehmer, die das entleihende Unternehmen für die gleiche Dauer unmittelbar beschäftigen würde, besteht nicht. Dies ist in Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2008/104/EG nur als eine Option vorgesehen. Ob die arbeitsgerichtlich Rechtsprechung deshalb auch in Zukunft Leiharbeitnehmer aus der Berechnung der Schwellenwerte im Bereich der Unternehmensmitbestimmung ausgrenzen wird, ist nach den Feststellungen des BAG zu § 111 BetrVG83 und zu § 9 BetrVG84 indes zweifelhaft. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch hier die Zwei-Komponenten-Lehre aufgegeben und – abweichend von der bisherigen Interpretation des § 5 Abs. 1 BetrVG – 82 NZA 2013, 300, 302. 83 Vgl. BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 ff. 84 Vgl. BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 ff.
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Bedeutung von Leiharbeitnehmern für die Schwellenwerte
die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung von Schwellenwerten auf der Grundlage einer zweckgerichteten Interpretation von §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG angenommen wird. Einen ersten Schritt hierfür hat das LAG Hessen mit seinem Beschluss vom 11.4.201385 getan. Nach seiner Auffassung sind Leiharbeitnehmer jedenfalls bei der Berechnung des in § 9 MitbestG genannten Schwellenwerts zu berücksichtigen. Danach werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (§ 7 Abs. 2 MitbestG) eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Hauptwahlvorstand neben 7.875 Arbeitnehmern und 22 leitenden Angestellten weitere 444 Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hatte er eine Delegiertenwahl vorbereitet. Diese Vorgehensweise ist in Übereinstimmung mit der vorangehenden Entscheidung des ArbG Offenbach vom 22.8.201286 bestätigt worden. In der Begründung hat das LAG Hessen zunächst einmal deutlich gemacht, dass der Arbeitnehmerbegriff im Sinne des § 9 Abs. 1, 2 MitbestG keinen eindeutigen Inhalt besitze. Zwar verweise § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MitbestG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG. Unter Berücksichtigung der vorstehend bereits genannten Entscheidungen des BAG zu den §§ 9, 111 BetrVG müsse allerdings davon ausgegangen werden, dass dem Wortlaut des Gesetzesbegriffs kein sicherer Sinn entnommen werden könne, weil der Begriff „Arbeitnehmer“ in verschiedenen Vorschriften unterschiedlich definiert werde. Entscheidend sei insoweit der Sinn und Zweck des jeweiligen Gesetzes87. Eine am Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1, 2 MitbestG orientierte Auslegung führe indes dazu, dass Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Überschreitung des Schwellenwerts in dieser Vorschrift mitgezählt werden müssten88. § 9 Abs. 1, 2 MitbestG ziele auf eine Steigerung der Transparenz und eine wirksamere Einflussnahme der Arbeitnehmer in kleineren und mittleren Betrieben auf die Wahl ab. Hierfür mache es ebenfalls keinen Unterschied, ob die Arbeitsplätze mit eigenen Arbeitnehmern oder Leiharbeitnehmern be85 86 87 88
9 TaBV 308/12 n. v. 10 BV 6/11 n. v. LAG Hessen v. 11.4.2013 – 9 TaBV 308/12, ZIP 2013, 1740 Rz. 25. Ebenso WWKK/Kobersky, MitbestG § 21 Ziff. 35; Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch § 260 Rz. 3.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
setzt seien89, zumal es bei § 9 MitbestG um das Wahlverfahren und nicht wie bei § 7 MitbestG um die Größe des Aufsichtsrats gehe. Dies gelte umso mehr, als Leiharbeitnehmer nach §§ 10 Abs. 2, 18 S. 2 MitbestG i. V. m. § 7 S. 2 BetrVG wahlberechtigt seien und dadurch die Möglichkeit hätten, auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats Einfluss zu nehmen. Der Schwellenwert von 8.000 Arbeitnehmern war damit bei Einhaltung der Aufsichtsratswahl überschritten. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist nach allgemeiner Auffassung der Zeitpunkt der Bekanntmachung gemäß § 13 Abs. 3 MitbestGWO 3. Entscheidend ist dabei die normale Beschäftigtenzahl. Hierbei muss – so das LAG Hessen – eine wertende Gesamtbetrachtung erfolgen. Entscheidend sei dabei die Personalstärke, die für das Unternehmen im Allgemeinen kennzeichnend sei. Dies erfordere regelmäßig sowohl einen Rückblick als auch eine Prognose. Dabei müsse ein angemessener Referenzzeitraum zugrunde gelegt werden, der von sechs Monaten bis zu zwei Jahren bemessen werden könne90. Würden Arbeitnehmer nicht ständig, sondern lediglich zeitweilig beschäftigt, komme es für die Frage der regelmäßigen Beschäftigung darauf an, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, also länger als sechs Monate, beschäftigt würden91. Die zukünftige Entwicklung könne berücksichtigt werden, wenn sich Veränderungen konkret abzeichneten92. Führt man sich diese aktuelle Rechtsprechung vor Augen, kann für künftige Aufsichtsratswahlen keine sichere Prognose mehr abgegeben werden, wie mit dem Umstand einer Beschäftigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung umzugehen ist. Hilfreich wäre, wenn hier bald eine höchstrichterliche Klarstellung erfolgt, sofern nicht der Gesetzgeber – was nicht auszuschließen ist – seinerseits im Rahmen der Betriebsverfassung bzw. Unternehmensmitbestimmung tätig wird. (Ga)
6.
Wahlrecht bei Aufsichtsratswahlen im gemeinsamen Betrieb
In Literatur und Rechtsprechung gibt es bislang keine einheitliche Auffassung zu der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die in einem gemeinsa-
89 90 91 92
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Vgl. WWKK/Wissmann, MitbestG § 9 Rz. 4. So ErfK/Oetker, MitbestG § 1 Rz. 6; Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, MitbestG § 3 Rz. 44. BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 Rz. 21. LAG Hessen v. 11.4.2013 – 9 TaBV 308/12, ZIP 2013, 1740 Rz. 27; LAG München v. 24.7.2007 – 6 Ta BV 3/07 n. v.
Wahlrecht bei Aufsichtsratswahlen im gemeinsamen Betrieb
men Betrieb mehrerer Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten, der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen sind. Uneinheitlich wird auch bewertet, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen wechselseitig bei der Berechnung der Schwellenwerte nach den §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG zu berücksichtigen sind93. So hatte das LG Hannover mit Beschluss vom 14.5.201294 die mehrfache Zurechnung von Arbeitnehmern bei der Berechnung der Schwellenwerte aus den §§ 1 DrittelbG, 1 MitbestG entgegen der ganz h. M. noch abgelehnt. Zu berücksichtigen seien die Arbeitnehmer lediglich insoweit, als jeweils auch eine arbeitsvertragliche Bindung zu dem in Rede stehenden Unternehmen bestehe. In seinem Beschluss vom 13.3.201395 hat sich der 7. Senat des BAG jedenfalls teilweise für eine Berücksichtigung der in dem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer auch außerhalb des jeweiligen Vertragsarbeitgebers ausgesprochen. Es folgt damit der ganz h. M. Allerdings ging es in dem Beschluss nicht um die Frage, ob in den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen überhaupt eine Arbeitnehmerbeteiligung nach Maßgabe des DrittelbG im Aufsichtsrat hätte gebildet werden müssen. Denn die Schwellenwerte waren bei beiden Unternehmen bereits durch eigene Arbeitnehmer überschritten. Vielmehr ging es (nur) um die Frage, ob Arbeitnehmer auch dann ein (aktives) Wahlrecht im Rahmen von Aufsichtsratswahlen besitzen, wenn diese nicht beim (eigenen) Vertragsarbeitgeber stattfinden sollen. Das BAG hat eine solche Zurechnung vorgenommen und die Wahlberechtigung auch solcher Arbeitnehmer anerkannt, die nicht in einer arbeitsvertraglichen Beziehung zu dem Unternehmen stehen, bei dem die Aufsichtsratswahlen durchgeführt werden. In der Begründung seiner Entscheidung hat der 7. Senat des BAG zwar zunächst einmal zugestanden, dass die im Gesetz vorgenommen Bezugnahme auf die Arbeitnehmer des Unternehmens „auf den ersten Blick“ nahelege, nur die arbeitsvertraglich mit diesem Unternehmen verbundenen Arbeitnehmer als wahlberechtigt anzusehen. Wenn man sich aber vor Augen führe, dass der gemeinsame Betrieb letztendlich auch 93 Zust. Däubler, FS Zeuner S. 19, 31; UHH/Henssler, MitbestG § 10 Rz. 21; Hjort, NZA 2001, 696, 701; HWK/Seibt, DrittelbG § 3 Rz. 3; B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 34 Rz. 45; abl. Hohenstatt/Schramm, NZA 2010, 846, 850; ErfK/Oetker, DrittelbG § 5 Rz. 6, MitbestG §§ 10 bis 18 Rz. 3; differenzierend Bonnani, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen S. 293. 94 25 O 65/11 n. v. (Rz. 17). 95 BAG v.13.3.2013 - 7 ABR 47/11, DB 2013, 1545 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
ein Betrieb dieses Unternehmens sei, lasse indes schon der Wortlaut auch eine abweichende Interpretation zu. Entscheidend für die wechselseitige Anerkennung einer aktiven Wahlberechtigung sei nicht nur die Entstehungsgeschichte, die erkennen lasse, dass der Gesetzgeber an der früheren Anknüpfung an den Betrieb, die auch den gemeinsamen Betrieb einbezogen hatte, mit der Schaffung des DrittelbG nichts habe ändern wollen. Im Wesentlichen könne die aktive Wahlberechtigung auch mit der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Unternehmensmitbestimmung begründet werden. Zum einen stelle das Gesetz bei den Wahlvorschlägen auf „die Betriebsräte“ und bei der Organisationsstruktur auf die Betriebe im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ab. Es erschiene eher unstimmig, beim aktiven Wahlrecht in einem Gemeinschaftsbetrieb tätige Arbeitnehmer nach dem Vertragsarbeitgeber zu differenzieren, während die Wahlvorschlagsberechtigung ebenso wie die Wahlanfechtungsberechtigung nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 DrittelbG dem Betriebsrat des gemeinsamen Betriebs zuerkannt werde, ohne dass es auf eine etwaige arbeitsvertragliche Bindung ankomme. Losgelöst davon sei zu berücksichtigen, dass Arbeitnehmer eines Gemeinschaftsbetriebs nicht nur durch die Entscheidungen desjenigen Unternehmens betroffen würden, mit dem sie einen Arbeitsvertrag geschlossen hätten, sondern gleichermaßen von den unternehmerischen Entscheidungen des (oder der) weiteren am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen. Dem Gemeinschaftsbetrieb – so das BAG – sei typisch, dass Entscheidungen eines an ihm beteiligten Unternehmens über dessen Unternehmensgrenzen hinaus wirken. Das Ziel der Repräsentation aller von den unternehmerischen Entscheidungen betroffenen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat könne daher bei Gemeinschaftsbetrieben am ehesten erreicht werden, wenn die dort beschäftigten Arbeitnehmer hinsichtlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei allen Trägerunternehmen wahlberechtigt seien96. Dabei sei auch ein „doppeltes“ oder „mehrfaches“ aktives Wahlrecht der Arbeitnehmer hinzunehmen97. Dieser Bewertung durch das BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Hilfreich für die Vorbereitung entsprechender Aufsichtsratswahlen in der betrieblichen Praxis wäre indes, dass möglichst bald eine höchstrichterliche Klarstellung auch in Bezug auf die wechselseitige Zurechnung der im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer bei den jeweiligen Schwellenwerten in den §§ 1 DrittelbG, 1 MitbestG erfolgen 96 So BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 47/11, DB 2013, 1545 Rz. 26 ff., 36; Bachner, AiB 2013, 615 ff. 97 BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 47/11, DB 2013, 1545 Rz. 37; anders Lüers/Schomaker, BB 2013, 565 ff.
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Zeiterfassung für freigestellte Betriebsratsmitglieder
würde. Entsprechendes gilt für die wechselseitige (passive) Wahlberechtigung, die nach zutreffender Auffassung ebenfalls anerkannt werden muss98. (Ga)
7.
Zeiterfassung für freigestellte Betriebsratsmitglieder
Wenn Betriebsratsmitglieder gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG vollständig von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden, ändert sich ihre arbeitsvertragliche Situation nicht. Mit der Freistellung wird ihnen allerdings ohne weiteren Rechtfertigungsbedarf in Bezug auf die jeweilige Tätigkeit das Recht eingeräumt, betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben zu erfüllen. Die in § 37 Abs. 2 BetrVG vorgesehene Prüfung, nach der eine Freistellung von Mitgliedern des Betriebsrats von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts nur erfolgt, wenn und soweit es nach Umfang der Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist, findet bei einer Freistellung nach § 38 BetrVG nicht statt. Vielmehr geht das Gesetz davon aus, dass bei einer bestimmten Betriebsgröße die in § 38 BetrVG festgelegte Mindestzahl von Freistellungen erforderlich ist, damit die Betriebsratstätigkeit ordnungsgemäß durchgeführt werden kann99. Wie das BAG mit Beschluss vom 19.7.2013100 deutlich gemacht hat, verlangt die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der gemäß § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht, sie von den Möglichkeiten zur Arbeitszeiterfassung auszunehmen, die in einer für ihr Arbeitsverhältnis geltenden Betriebsvereinbarung vorgesehen sind. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Beteiligten darüber, ob die vollständig von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellten Mitglieder des Betriebsrats ihre Betriebsanwesenheitszeiten elektronisch nach der „Betriebsvereinbarung für das Bodenpersonal München Zeitdatenmanagementsystem (ZDMS) TARIS“ (BV TARIS) erfassen dürfen. Bei dem Arbeitgeber bestanden für tarifgebundene Arbeitnehmer, zu denen auch die freigestellten Betriebsratsmitglieder gehörten, am Standort M drei Arbeitszeitmodelle: Gleitende Arbeitszeit, Arbeitszeit nach Schicht- oder Dienstplänen sowie Vertrauensarbeitszeit. Eine Teilnahme an der Vertrauensarbeitszeit, die zur fehlenden Anwendbarkeit der betrieblichen Regelungen zur Zeitdokumentation und -bewertung führte, war „für den Mitarbeiter freiwillig“. In der BVTARIS war auszugsweise geregelt: 98 Ebenso WWKK/Kleinsorge, DrittelbG § 4 Rz. 20. 99 So BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 22/12, NZA 2013, 1221 Rz. 19. 100 7 ABR 22/12, NZA 2013, 1221 Rz. 18 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
§ 1 Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle BodenmitarbeiterInnen der D L AG in MUC, soweit sie in Gleitender Arbeitszeit, nach Schicht- oder Dienstplänen oder nach flexiblen Arbeitszeitsystemen arbeiten. § 2 Zweckbestimmung Das Zeitdatenmanagementsystem dient dazu, arbeitszeitrelevante Anund Abwesenheitsdaten zu erfassen, diese nach steuerlichen, tarifvertraglichen und sonstigen L-Regeln zu bewerten und zum Zwecke der Vergütungsabrechnung an das Abrechnungssystem zu übergeben. Darüber hinaus unterstützt das Zeitdatenmanagement durch definierte Auswertungen bei der Information der Mitarbeiter über ihre Arbeitszeitdaten, der Ermittlung bestimmter mitbestimmungsrelevanter und fest definierter und vereinbarter personalwirtschaftlicher Daten, der Einhaltung und Anwendung gesetzlicher, tariflicher und sonstiger LRegeln sowie der Erfüllung gesetzlicher Pflichten zur Buchhaltung. … Es soll darüber hinaus die technischen und organisatorischen Grundlagen für die Administration flexibler Arbeitszeitsysteme, wie Jahresarbeitszeit, ermöglichen. … § 6 Erfasste Zeitpunkte Es werden die Zeitpunkte „Kommt“ und „Geht“ erfasst. …
Die vier Mitglieder des Betriebsrats, die nach § 38 BetrVG freigestellt waren, arbeiteten bis zu ihrer Freistellung in gleitender Arbeitszeit oder nach Schicht- und Dienstplänen. Nach Vollzug dieser Freistellung teilte der Arbeitgeber ihnen indes mit, dass er während der beruflichen Freistellung auf die Arbeitszeiterfassung nach TARIS verzichte. Die Betriebsratsmitglieder waren damit nicht einverstanden. Sie vertraten die Auffassung, dass die BV TARIS ihren Anspruch rechtfertige, an der elektronischen Zeiterfassung teilzunehmen. Diese gelte jedenfalls solange, als sie nicht freiwillig an der Vertrauensarbeitszeit gemäß den hierzu getroffenen Regelungen teilnehmen würden. Das BAG ist dieser Sichtweise gefolgt. Nach seiner Auffassung ist der Arbeitgeber verpflichtet, in Durchführung der BV TARIS auch den vollständig von der beruflichen Tätigkeit freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats die Teilnahme am Arbeitszeiterfassungssystem nach dieser Betriebsvereinbarung zu ermöglichen, soweit sie nicht freiwillig an der Vertrauensarbeitszeit teilnehmen. 592
Zeiterfassung für freigestellte Betriebsratsmitglieder
Dem Wortlaut nach findet § 1 BV TARIS auch auf diese Mitarbeiter Anwendung. Dadurch, dass sie von ihrer beruflichen Tätigkeit gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellt worden seien, änderte sich nichts. Insbesondere erfordere die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht, dass sie von den Regelungen der auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren BV TARIS nicht mehr erfasst würden. Für die Dauer der Freistellung besteht – so das BAG – zwar keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Anstelle der Arbeitspflicht trete jedoch die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehöre, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeiten bereit zu halten. Dies sei eine gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung101. Ergänzend hierzu geht der 7. Senat des BAG davon aus, dass es zu Abzügen vom Arbeitsentgelt führen könne, wenn ein Betriebsratsmitglied nicht in diesem Sinne im Umfang seiner Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit erbringe. Schließlich werde die Freistellung dann – entgegen der Zweckbestimmung von § 38 BetrVG – nicht für Betriebsratstätigkeit genutzt, so dass der Anspruch auf Leistung von Arbeitsentgelt auch ohne berufliche Arbeitsleistung entfalle102. Die letztgenannte Anmerkung des BAG erscheint zwar problematisch. Denn die typisierte Annahme des Gesetzgebers, bei einer bestimmten Betriebsgröße eine bestimmte Anzahl von Freistellungen vorzusehen, bringt gerade zum Ausdruck, dass die Arbeitnehmer von ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung auch dann befreit sind, wenn ihre Beanspruchung mit den betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben mehr oder weniger Zeit erfordert, als sie aufgrund individual- oder kollektivrechtlicher Regelung zur arbeitsvertraglichen Tätigkeit verpflichtet gewesen wären. Dennoch erscheint es aber im Ergebnis zutreffend, wenn das BAG annimmt, dass es jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der Freistellung nach § 38 BetrVG heraus keinen Grund gebe, von der beruflichen Tätigkeit freigestellte Betriebsratsmitglieder von den der BV TARIS geregelten Zeiterfassung auszunehmen. Ihr Zweck, An- und Abwesenheitsdaten zu erfassen und diese nach einschlägigen Regeln u. a. zum Zweck der Vergütungsabrechnung an das Abrechnungssystem zu übergeben, treffe auch auf freigestellte Betriebsratsmitglieder zu. Dem ist zuzustimmen. Insbesondere dann, wenn man mit dem BAG eine der individuellen Arbeitszeit entsprechende Anwesenheits101 BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 22/12, NZA 2013, 1221 Rz. 20; BAG v. 13.6.2007 – 7 ABR 62/06, NZA 2007, 1301 Rz. 14. 102 BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 22/12, NZA 2013, 1221 Rz. 20; BAG v. 19.5.1983 – 6 AZR 290/81, DB 1983, 2038 Rz. 8.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
verpflichtung auch der freigestellten Betriebsratsmitglieder annimmt, muss dort das gleiche Interesse wie bei „normalen“ Arbeitnehmern bestehen, diese Zeit gegebenenfalls auch elektronisch zu erfassen. (Ga)
8.
Verbreitung eines Streikaufrufs im Intranet durch den Betriebsratsvorsitzenden
Ein Arbeitnehmer ist – so das BAG im Beschluss vom 15.10.2013103 – nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account ([email protected]) für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn ein Mitglied des Betriebsrats den entsprechenden Versand veranlasst. In dem zugrundeliegenden Fall betrieb die Arbeitgeberin ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigen. Am 13.4.2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei der Arbeitgeberin auf. Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer, der Betriebsratsvorsitzender und ver.di-Mitglied war, nahm dies zum Anlass, diesen Aufruf über das Intranet der Arbeitgeberin an alle Mitarbeiter weiterzuleiten. Dabei rief er diese auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte die E-Mail mit den Worten: „F für die ver.di-Betriebsgruppe“ und fügte seinen Namen an. Dass die Arbeitgeberin das Intranet kraft ausdrücklicher Anordnung ausschließlich zu dienstlichen Zwecken verfügbar gemacht hatte, ließ er unberücksichtigt. Die Arbeitgeberin machte daraufhin geltend, ihr stehe wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch zu. Der Arbeitnehmer sah dies anders. Er berief sich darauf, nicht als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt zu haben. Die Arbeitgeberin habe deshalb zum Schutze seiner individuellen Koalitionsfreiheit (auf Art. 9 Abs. 3 GG) die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden. In den Gründen seiner Entscheidung hat der 1. Senat des BAG zunächst einmal einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers aus § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG abgelehnt. In § 74 Abs. 2 S. 1, 2 BetrVG wird zwar bestimmt, dass Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig sind. Darüber hinaus haben Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf und/oder der Frieden des Be-
103 1 ABR 31/12 n. v.
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Zeiterfassung für freigestellte Betriebsratsmitglieder
triebs beeinträchtigt werden. Schon in seinem Beschluss vom 17.3.2010104 hatte der 1. Senat allerdings im Zusammenhang mit dem Verbot parteipolitischer Betätigung nach § 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG festgestellt, dass – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift – daraus generell kein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat resultieren könne. Der Betriebsrat sei vermögenslos, so dass auch zwangsvollstreckungsrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Anspruchs keinen Erfolg zeigen würden. Für den Fall einer groben Missachtung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten bleibe dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten zu beantragen. Im Beschluss vom 15.10.2013105 hat der 1. Senat des BAG allerdings einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsratsvorsitzenden aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB anerkannt. Danach könne der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen. Unerheblich sei hierfür, ob dem Arbeitnehmer der auf dienstlichen Zwecken beschränkte Zugang zum Intranet in seiner Funktion als Amtsträger oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt worden sei. Die Arbeitgeberin sei nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Von ihr könne nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen. Der Bewertung des BAG ist zuzustimmen. Allerdings dürfte dies die Nutzung der E-Mail-Adressen im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf nicht in Gänze ausschließen. Denn bereits mit seinem Urteil vom 20.1.2009106 hatte das BAG deutlich gemacht, dass die Gewerkschaft im Rahmen einer arbeitskampfbezogenen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber aus Art. 9 Abs. 3 GG berechtigt sei, ihren Aufruf zur Beteiligung am Streik über die arbeitgeberseitigen E-Mail-Adressen in das Unternehmen zu senden. Es steht zu erwarten, dass die insoweit fortbestehende Betätigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerseite auch zukünftig genutzt wird. Losgelöst davon wird man allerdings auch den datenschutzrechtlichen Aspekt einer solchen Verwendung von E-Mail-Adressen eines Arbeitgebers im Auge behalten müssen. Denn nach den Feststellungen des Bayerischen Lan104 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133 Rz. 27 f. 105 1 ABR 31/12 n. v. 106 1 AZR 515/08, NZA 2009, 615 Rz. 45 ff., 59.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
desamts für Datenschutzaufsicht (BayLDA)107 stellen E-Mail-Adressen, die sich in erheblichem Umfang aus Vornamen und Nachnamen zusammensetzen, personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts dar. Sie dürfen an Dritte – also außerhalb der bearbeitenden Stelle – nur dann übermittelt werden, wenn eine Einwilligung vorliegt oder eine gesetzliche Grundlage gegeben ist. Wenn E-Mail-Adressen in das „An-Feld“ oder das „CCFeld“ gesetzt werden, kann dies zu einem Bußgeld gegen den Handelnden Mitarbeiter oder das Unternehmen führen. Diese Vorgaben kommen auch dann zur Anwendung, wenn eine Gewerkschaft als Dritte entsprechende Daten verwendet. Bei einer unternehmensinternen Versendung von E-Mails geht es hingegen um die Abwicklung der Arbeitsverhältnisse der Beteiligten. Wenn es z. B. wegen der Mitwirkung in einem gemeinsamen Projekts, erforderlich ist, dass ein größerer Kreis von Mitarbeitern Kenntnis von dem Empfängerkreis als Mitwirkende und Mitwissende haben, ist von einer Zulässigkeit gemäß § 32 BDSG auszugehen. Denn hinsichtlich der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) bestehen auch unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen keine Bedenken. Ungeachtet dessen muss auch und insbesondere bei der unternehmensinternen Verwendung solcher Adressen berücksichtigt werden, dass nach §43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG ohnehin nur die unbefugte Bearbeitung personenbezogener Daten, „die nicht öffentlich zugänglich sind“ bußgeldbewehrt ist. Dies kann dann fraglich sein, wenn EMail-Adressen auch öffentlich (z. B. auf der Webside oder im Intranet bzw. im frei erreichbaren Adressspeicher des Unternehmens) für die Verwendung im Arbeitsverhältnis kommuniziert werden. Dies steht dann einem Verstoß gegen § 31 BDSG entgegen. (Ga)
9.
Anspruch auf Durchführung eines angefochtenen Einigungsstellenspruchs über Sozialplan
In vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind Beschlüsse der Arbeitsgerichte vorläufig vollstreckbar (§ 85 Abs. 1 S. 2 ArbGG). Dies kommt beispielsweise dann zum Tragen, wenn ein einzelner Arbeitnehmer Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus dem Sozialplan geltend macht. Mit Urteil vom 22.1.2013108 hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass dieser Grundsatz allerdings dann nicht zum Tragen kommt, wenn der Betriebsrat die Durchführung einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Eini107 Vgl. Pressemitteilung v. 28.6.2013. 108 1 ABR 92/11, EzA § 85 ArbGG 1979 Nr. 6 Rz. 8 ff.
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Durchführung eines angefochtenen Einigungsstellenspruchs über Sozialplan
gungsstellenspruchs geltend macht, selbst wenn in der Kollektivvereinbarung bzw. dem Spruch Zahlungsansprüche einzelner Arbeitnehmer geregelt sind. Denn dem Betriebsrat geht es bei einem solchen Verfahren nicht um die Verfolgung (eigener) vermögensrechtlicher Rechtspositionen. Auch ist es nicht Ziel des Verfahrens, vermögensrechtliche Ansprüche einzelner Arbeitnehmer durchzusetzen. Dies wäre unzulässig109. Vielmehr geht es dem Betriebsrat in einem solchen Verfahren um die Durchsetzung seines Mitbestimmungsrechts in Form der Vornahme „pflichterfüllender“ bzw. durch das Unterlassen vereinbarungswidriger Handlungen durch den Arbeitgeber110. Voraussetzung für den Durchsetzungsanspruch ist deshalb auch die Rechtsstellung als Partei der Betriebsvereinbarung bzw. als Beteiligter einer Einigungsstelle nach § 76 Abs. 1 S. 1 BetrVG111. § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG bestimmt allerdings, dass im Beschlussverfahren die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nur aus rechtskräftigen Beschlüssen stattfindet. Wenn die Durchführung eines Einigungsstellenspruchs geltend gemacht wird, kommt eine Vollstreckung des Durchführungsantrags deshalb erst mit Rechtskraft der Entscheidung in dem parallel geführten Verfahren über die Anfechtung des Sozialplans in Betracht. Folgerichtig hat das BAG den Arbeitgeber erst dann verpflichtet, den Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan hinsichtlich der Berechnung der Abfindungen durchzuführen und die sich aus der Berechnung ergebenden Beträge an die berechtigten Arbeitnehmer auszuzahlen, wenn der auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtete Antrag der Arbeitgeberin im Ergebnis rechtskräftig abgewiesen wurde112. Die Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle über den Sozialplan hat auch Konsequenzen für Arbeitnehmer, die von der Betriebsänderung betroffen sind. Da der Spruch der Einigungsstelle nicht die Bedeutung und Wirkung eines Vollstreckungstitels hat113, sind - wenn der Spruch eine Betriebsvereinbarung ersetzt - die sich aus ihr ergebenden Rechte und Pflichten der Arbeit-
109 Fröhlich/Schelp, ArbRB 2012, 385 ff.; Staack/Sparchholz, AiB 2012, 584, 586. 110 BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 92/11, EzA § 85 ArbGG 1979 Nr. 6 Rz. 8; BAG v. 16.11.2011 – 7 ABR 27/10, NZA-RR 2012, 579 Rz. 15. 111 Vgl. BAG v. 18.5.2010 – 1 ABR 6/09, NZA 2010, 1433 Rz. 17. 112 BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 92/11, EzA § 85 ArbGG 1979 Nr. 6 Rz. 11. 113 Vgl. LAG Köln v. 20.4.1999 - 13 Ta 243/98, NZA-RR 2000, 311 ff.; LAG Niedersachsen, 11 TaBV 89/10 n. v.; Fitting, BetrVG § 76 Rz. 137; GK/Kreutz, BetrVG § 76 Rz. 139; HSWGNR/Worzalla, BetrVG § 76 Rz. 79
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
nehmer gegen den Arbeitgeber und umgekehrt im Streitfall im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Die Rechtswirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle ist in diesem Verfahren (z. B. im Rahmen einer Zahlungsklage des Arbeitnehmers) als Vorfrage zu prüfen und inzidenter mitzuentscheiden. Ist jedoch ein Beschlussverfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Einigungsstellenspruches bereits anhängig, ist ein Urteilsverfahren, in dem die Rechtmäßigkeit des Spruchs der Einigungsstelle entscheidungserheblich ist, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens gemäß § 148 ZPO auszusetzen114. Denn die Frage der (Un-)Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle nimmt in dem Urteilsverfahren nicht an der Rechtskraft teil, sie kann nur im Beschlussverfahren rechtsverbindlich geklärt werden115. Für die Überprüfung der Frage, ob die Einigungsstelle das ihr zustehende Ermessen eingehalten hat, ist das Beschlussverfahren die ausschließliche Verfahrensart. Ein dahingehender Rechtsfehler kann somit im Urteilsverfahren über arbeitsvertragliche Ansprüche nur berücksichtigt werden, wenn über ihn im Beschlussverfahren entschieden ist. Läuft die Frist noch oder ist das Verfahren über die Rechtsgültigkeit des Spruchs der Einigungsstelle eingeleitet, aber noch nicht beendet, ist das Urteilsverfahren ebenfalls auszusetzen116. Die betroffenen Arbeitnehmer können somit zwar unmittelbar nach dem Einigungsstellenspruch die ihnen aus dem Sozialplan individuell zustehenden Ansprüche gerichtlich geltend machen, allerdings muss das Verfahren nach der überwiegenden Auffassung im Falle eines gleichzeitig eingeleiteten Beschlussverfahrens ausgesetzt werden. Eine Vollstreckung kann damit nicht drohen117.
114 LAG Hamm v. 22.6.1978 - 8 Ta 85/78, DB 1978, 1699 f. 115 Vgl. hierzu Fitting, BetrVG § 76 Rz. 140; GK/Kreutz, BetrVG § 76 Rz. 139; HSWGNR/Worzalla, BetrVG § 76 Rn. 79. 116 LAG Hamm v. 22.6.1978 – 8 Ta 85/78, DB 1978, 1699 f.; GK/Kreutz, BetrVG § 76 Rz. 139; HSWGNR/Worzalla, BetrVG § 76 Rz. 79; Richardi, BetrVG § 76 Rz. 113; a. A. LAG Berlin v. 22.11.1983 - 3 Ta 11/83 n. v., das gegen eine „Regelaussetzung“ ist und eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall verlangt; LAG Nürnberg v. 19.12.1975 – 2 Sa 279/75 n. v. 117 A. A. LAG Nürnberg v. 19.12.1975 – 2 Sa 279/75 n. v., das eine Entscheidung über die individuellen Sozialplanansprüche für möglich erachtet, so dass für den Fall der Erklärung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs die bereits durchgesetzten Sozialplanleistungen zurückgewährt werden müssen.
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Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beim Einsatz von Leiharbeitnehmern
Hiervon ausgehend droht den Arbeitnehmern für den Fall einer Anfechtung doppeltes Ungemach. Einerseits kann der Arbeitgeber die Betriebsänderung umsetzen, weil die Interessenausgleichsverhandlungen abgeschlossen sind. Andererseits besteht keine Pflicht, Sozialplanleistungen auszuzahlen. Denkbar ist, dass dieser Nachteil von Seiten der Betriebsräte zum Anlass genommen wird, im Einigungsstellenverfahren doch noch einer Einigung zuzustimmen. (Ga/Ri)
10. Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beim Einsatz von Leiharbeitnehmern Im Urteil vom 15.5.2013118, über das wir an anderer Stelle berichteten119, hatte der 7. Senat des BAG noch offen gelassen, wann von einer „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG die Rede ist. Denn in dem seiner damaligen Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um die Überlassung von Arbeitnehmern in der Zeit vor dem 1.12.2011. Die in Umsetzung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) in das Gesetz aufgenommene Regelung, nach der die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgt, fand zu diesem Zeitpunkt noch keine Anwendung. Bei der Frage, ob eine dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern zu der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher unmittelbar oder analog § 10 Abs. 1 AÜG führen kann, kam es daher auf die Kennzeichnung einer „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung nicht an. In seinem Beschluss vom 10.7.2013120 hat der 7. Senat jetzt allerdings eine erste Klarstellung vorgenommen. Danach ist jedenfalls dann nicht mehr von einer noch „vorübergehenden“ Überlassung auszugehen, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers ohne jede zeitliche Begrenzung anstelle einer Stammkraft erfolgen soll. In ähnlicher Weise hatte auch das LAG Niedersachsen im Urteil vom 19.9.2012121 die Ansicht vertreten, dass „der Dauerverleih“ von Arbeitnehmern im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit seit der Neufassung des AÜG, die am 1.12.2011 in Kraft getreten ist, unzulässig ist. Völlig zu Recht hat der 7. Senat des BAG dabei auch klargestellt, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG insoweit nicht als ein lediglich „unverbindlicher Programmsatz“ angesehen
118 119 120 121
7 AZR 494/11, DB 2013, 2334 f. B. Gaul, AktuellAR 2013, 384 ff. 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296. 17 TaBV 124/11, AiB 2013, 130 Rz. 30.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
werden kann122, sondern ein Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung enthält123. Wir hatten uns bereits bei früherer Gelegenheit eingehend mit den damit zusammenhängenden Fragen befasst und auf die zu erwartende Bewertung hingewiesen124. Offen ist derzeit allerdings, ob bei der Kennzeichnung einer noch vorübergehenden Überlassung eine arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise erfolgen kann125 oder ob eine nicht mehr nur vorübergehende Überlassung auch dann gegeben ist, wenn unterschiedliche Leiharbeitnehmer auf einem einzigen Dauerarbeitsplatz hintereinander eingesetzt werden126. Ebenso offen ist, ob für die Kennzeichnung einer vorübergehenden Überlassung eine zeitliche Angabe erforderlich ist oder ob sie auch aus weitergehenden Gesichtspunkten abgeleitet werden kann127. Im Mittelpunkt der Entscheidung des BAG vom 10.7.2013128 stand allerdings die Frage, ob der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers u. a. mit der Begründung verweigern kann, dass mit der Absicht eines nicht nur vorübergehenden Einsatzes gegen eine gesetzliche Regelung verstoßen werde. Diese Frage war in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Denn anders als bei der Missachtung beispielsweise von § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG129 war insoweit umstritten, ob § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG als ein Verbotsgesetz qualifiziert werden kann, dessen Missachtung im Zusammenhang mit dem Einsatz eines Leiharbeitnehmers dem Betriebsrat zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berechtigt. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Betriebsrat seine Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern mit der Begründung verweigert, dass der Arbeitgeber als Entleiher beabsichtigte, diese nicht nur vorübergehend ein122 So aber Lembke, DB 2011, 414, 415. 123 BAG v. 10.7.2013 - 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296; Haman, NZA 2011, 70, 75; ErfK/Wank, AÜG § 1 Rz. 12; Leuchten, NZA 2011, 608, 609; a. A. Thüsing/Stiebert, DB 2012, 632, 633; Böhmke, RiW 2009, 177, 179; Lembke, DB 2011, 414, 415; Grüneberg/Schuster, AiB 2013, 78, 79. 124 B. Gaul, AktuellAR 2012, 52 ff., 278 ff.; 2013, 48 ff. 125 So B. Gaul, AktuellAR 2012, 52 ff.; LAG Niedersachsen v. 14.11.2012 – 12 TaBV 62/12 n. v. (Rz. 32). 126 So LAG Berlin-Brandenburg v. 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12, LAGE § 99 BetrVG 2001 Nr. 17 Rz. 41; LAG Niedersachsen vom 19.9.2012 – 17 TaBV 124/11, AiB 2013, 130 Rz. 30; Ludwig, BB 2013, 1276, 1278; Hamann, NZA 2011, 70, 72. 127 So LAG Düsseldorf v. 2.10.2012 – 17 TaBV 38/12, AiB 2013, 203 f. 128 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296. 129 Vgl. hierzu LAG Hessen v. 29.1.2013 – 4 TaBV 202/12, NZA-RR 2013, 359 ff.
600
Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beim Einsatz von Leiharbeitnehmern
zusetzen. Er berief sich insoweit auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG und machte geltend, dass damit gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG in der seit dem 1.12.2011 geltenden Fassung verstoßen werde. Diese Bestimmung enthalte nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersage die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. In vergleichbaren Sachverhalten war von einem Teil der Literatur und Rechtsprechung in der Vergangenheit noch angenommen worden, dass keine Berechtigung zur Zustimmungsverweigerung gegeben sei. So hatte das LAG Niedersachsen in seinem Beschluss vom 14.11.2012130 noch angenommen, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG kein Verbotsgesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sei. Dagegen spreche nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, sondern auch der Umstand, dass im AÜG keine Höchstüberlassungsgrenze festgelegt worden sei. Auch das EG-Recht verpflichte den Gesetzgeber nicht, eine hiervon abweichende Auslegung vorzunehmen, wenn der Leiharbeitnehmer nach Ende seines Einsatzes wieder zum Verleiher zurückkehren solle. Im Übrigen stünden die gesetzlichen Vorgaben zur Begrenzung der Überlassung auf vorübergehende Tatbestände letztlich im Zusammenhang mit einer Sicherung des Equal-Pay-Grundsatzes, dessen Einhaltung den Betriebsrat indes nicht zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berechtigten. Im Anschluss an die gegenteilige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung hat das BAG dies im Beschluss vom 10.7.2013131 anders gesehen. Nach seiner Auffassung dient § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG zum einem dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum anderen solle die gesetzliche Vorgabe auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern132. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs könne dabei seine Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese im Entleiherbetrieb nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen. Dabei komme es nicht darauf an, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Leiharbeitnehmers zum Entleiher ergeben würden. Hiervon ausgehend hat das BAG den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der durch den Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur dauerhaften Einstellung einer Leiharbeitnehmerin abgelehnt.
130 12 TaBV 62/12 n. v. (Rz. 25 ff.). 131 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296. 132 Lipinski, NZA 2013, 1245, 1247.
601
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Insbesondere in solchen Fallgestaltungen, in denen die Praxis sich auf die Möglichkeit einer dauerhaften Überlassung von Personal eingelassen hat (z. B. nach Widerspruch gegen einen Betriebsteilübergang) wird man neue Gestaltungsmöglichkeiten suchen müssen. Neben einem Wechsel von Leiharbeitnehmern in ein Anstellungsverhältnis zum Entleiher kommt dabei insbesondere der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen in Betracht. Dieser erlaubt den gemeinsamen Einsatz von Arbeitnehmern verschiedener Rechtsträger innerhalb einer betrieblichen Organisationsstruktur. Da der Einsatz durch beide Arbeitgeber gemeinsam erfolgt, ist auch keine Arbeitnehmerüberlassung gegeben. Das AÜG findet keine Anwendung. Allerdings muss sehr genau analysiert werden, ob die damit verbundenen Rechtsfolgen auch in Bezug auf das Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzrecht gewollt sind oder ob – jedenfalls auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene – im Wege eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hiervon abweichende Lösungen geschaffen werden können. (Ga)
11.
Mitbestimmung bei betrieblicher Berufsbildung
Die Beteiligung des Betriebsrats an der Berufsbildung und ihre besondere Bedeutung für die betriebliche Praxis werden vom Gesetzgeber allein dadurch dokumentiert, dass er hierfür im Gegensatz zur Regelung des § 56 Abs. 1 d BetrVG 1952 drei Paragraphen, die §§ 96 bis 98 BetrVG, für notwendig erachtet hat, die diesen Komplex behandeln. Dabei entsteht zugleich ein Abgrenzungsproblem zu § 81 BetrVG, der sich mit der Unterrichtungsund Erörterungspflicht des Arbeitgebers beschäftigt und zunächst in Abs. 1 den Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Der Schwerpunkt dieser Unterrichtungsverpflichtung liegt nicht in der Berufsbildung im weiteren Sinne, sondern begründet nur die Pflicht einer Arbeitsplatzbeschreibung in Gestalt einer Einweisung in die Tätigkeit, die der Arbeitnehmer verrichten soll. Während die mitbestimmungsfreie Einweisung nach § 81 Abs. 1 BetrVG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer die für die Ausübung der Tätigkeit an diesem Arbeitsplatz erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen bereits besitzt, umfasst der Begriff der Berufsbildung in § 98 Abs. 1 BetrVG zunächst alle Maßnahmen der Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes, also Berufsausbildung, berufliche Fortbildung und berufliche Umschulung, aber auch Ausbildungsmaßnahmen, die den Arbeitnehmern die für die Ausfüllung ihres Arbeitsplatzes und ihrer beruflichen Tätigkeit notwen-
602
Mitbestimmung bei betrieblicher Berufsbildung
digen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln sollen133. Der Begriff der Berufsbildung in § 98 Abs. 1 BetrVG ist nach der Rechtsprechung des BAG weit auszulegen134. Zur Klarstellung dieses weiten Begriffs der Bildungsmaßnahme bestimmt § 98 Abs. 6 BetrVG, dass die Vorgaben des § 98 Abs. 1 bis 5 BetrVG auch für sonstige Bildungsmaßnahmen entsprechend heranzuziehen sind, wenn der Arbeitgeber diese im Betrieb durchführt. Danach hat der Betriebsrat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Das gilt für Inhalt, Umfang und Methode der Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ebenso wie für die Ausgestaltung der Prüfung135. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat hierüber nicht verständigen, so entscheidet die Einigungsstelle, deren Spruch die mangelnde Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt (§ 98 Abs. 3 BetrVG). Daneben sieht der Gesetzgeber in § 98 Abs. 2 BetrVG vor, dass der Betriebsrat der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person widersprechen oder ihre Abberufung verlangen kann, wenn diese die persönliche oder fachliche, insbesondere die berufs- und arbeitspädagogische Eignung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht besitzt oder ihre Aufgabe vernachlässigt. Können sich in diesem Zusammenhang Arbeitgeber und Betriebsrat nicht verständigen, so kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung zu unterlassen oder die Abberufung durchzuführen (§ 98 Abs. 5 BetrVG). Die Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Berufsbildung war Gegenstand eines Beschlusses des 1. Senats des BAG vom 5.3.2013136. Arbeitgeber und Betriebsrat stritten darüber, ob der Betriebsrat vor der Bestellung von Ausbildungstrainern zu beteiligen, insbesondere rechtzeitig und umfassend zu unterrichten war. Dabei ging es um die Besetzung der Leitung mit Trainern für die Ausbildung an Simulatoren, die mit Wiederholungsschulungen und Eignungsprüfungen einhergingen. Das BAG hat die Verpflichtung des Arbeitgebers bejaht, den Betriebsrat vor der Bestellung dieser Trainer rechtzeitig und umfassend unterrichten zu müssen.
133 BAG v. 5.3.2013 – 1 ABR 11/12, BB 2013, 184 Rz. 12; BAG v. 23.4.1991 - 1 ABR 49/90, NZA 1991, 817 Rz. 42; BAG v. 10.2.1988 - 1 ABR 39/86, NZA 1988, 549 Rz. 20. 134 BAG v. 23.4.1991 - 1 ABR 49/90, NZA 1991, 817 Rz. 42. 135 BAG v. 5.11.1985 - 1 ABR 49/83, DB 1986, 1341 Rz. 18 f. 136 1 ABR 11/12, BB 2013, 1843.
603
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Dabei knüpft das BAG an die weite Auslegung der betrieblichen Berufsbildung in § 98 BetrVG an und versteht darunter alle Maßnahmen, die über die mitbestimmungsfreie Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs im Sinne von § 81 BetrVG hinausgehen. Dies ist der Fall, wenn dem Arbeitnehmer gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden, die ihn erst zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit befähigen. Darunter sind nach Ansicht des BAG auch Lehrgänge zu subsumieren, die dem Arbeitnehmer die für die Ausfüllung seines Arbeitsplatzes und seiner beruflichen Tätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verschaffen sollen137. Es ging in der Fallkonstellation auch um eine betriebliche Berufsbildung. Darunter fallen alle Bildungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber als Träger oder Veranstalter der Bildungsmaßnahme abwickelt und für die Arbeitnehmer durchgeführt werden. Veranstalter oder Träger ist der Arbeitgeber, der einen rechtlich und tatsächlich beherrschenden Einfluss auf die Durchführung der Fortbildung oder Weiterbildungsmaßnahme hat. Da im Streitfall diese Voraussetzung gegeben war, hatte der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der Bestellung der Ausbildungstrainer rechtzeitig und umfassend zu informieren, damit der Betriebsrat seine Rechte aus § 98 Abs. 2 BetrVG wahrnehmen konnte. Diese Vorschrift ist darauf angelegt, die Arbeitnehmer vor einer unqualifizierten Fort- oder Weiterbildung zu schützen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, welche Rechtsbeziehung der Ausbilder zum Arbeitgeber hat, d. h. diese überhaupt dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterliegt. Diese besondere Einflussnahme des Betriebsrats auf die Bestellung der Ausbilder ist dem Umstand geschuldet, die Qualität der beruflichen Bildung zu gewährleisten und zu sichern und den Arbeitgeber daran zu hindern, unqualifizierte Ausbilder einzusetzen. (Boe)
12. Rechtsfolgen einer Altersdiskriminierung durch Betriebsvereinbarung §§ 1, 7 AGG verbieten nicht nur, Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu benachteiligen. Vielmehr bestimmt das Gesetz auch, das Bestimmungen in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, unwirksam sind.
137 So bereits BAG v. 10.2.1988 – 1 ABR 39/86, NZA 1988, 549 Rz. 20.
604
Rechtsfolgen einer Altersdiskriminierung durch Betriebsvereinbarung
In seinem Urteil vom 14.5.2013138 musste sich der 1. Senat des BAG mit der Frage auseinandersetzen, welche weitergehenden Rechtsfolgen die von einer solchen Diskriminierung betroffenen Arbeitnehmer für den Fall geltend machen können, dass die Ungleichbehandlung durch eine Betriebsvereinbarung ausgelöst wird. In dem zugrunde liegenden Fall war der 1969 geborene Kläger bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit war er seit 1995 der sogenannten IK-Gruppe zugeordnet, die nur Langstrecken- bzw. Interkontinentalflüge durchführte. Daneben gab es noch eine gemischte Gruppe, deren Angehörige sowohl auf Langstrecken- als auch auf Kurzstreckenflügen eingesetzt wurden. 2009 führte die Beklagte eine neue Einsatzstruktur ein, die eine Auflösung der IK-Gruppe zur Folge hatte. Um die Einteilung der Flugbegleiter zu optimieren und die Vorteile sowie Belastungen von Einsätzen auf Interkontinental- und Kurzstrecken gerecht zu verteilen, wurden von diesem Zeitpunkt an alle Flugbegleiter sowohl auf Lang- als auch auf Kurzstreckenflügen eingesetzt. Mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal schloss die Beklagte hierzu am 8.6.2009 einen Sozialplan, der in Nr. 2 auszugsweise bestimmte: Dienst- und lebensältere Mitglieder der heutigen IK-Gruppe erhalten einen Zusatzrequest Kont. Es wird sichergestellt, dass nicht mehr als max. 5 Einsatztage Kont im Quartal zu fliegen sind. Die Regelung gilt für alle Mitarbeiter, die zum Stichzeitpunkt 31.12.2009 das 43. Lebensjahr vollendet haben und mindestens 15 Dienstjahre haben.
Von den etwa 8.000 Flugbegleitern, die die Beklagte am Standort in F beschäftigte, fielen etwa 1.350 Flugbegleiter unter diese Sonderregelung. Der Kläger, der wegen seines Alters nicht erfasst wurde, machte geltend, er werde durch Nr. 2 SP wegen seines Alters diskriminiert. Die darin vorgenommene Gruppenbildung bei der Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs benachteilige jüngere Flugbegleiter der früheren IK-Gruppe. Sie müssten nunmehr häufiger und auf Dauer die ungünstigeren Kontinentalflüge übernehmen. Hiervon ausgehend beantragte er, die Beklagte zu verurteilen, ihm monatlich einen weiteren Zusatzrequest Kont. entsprechend Nr. 2 SP zu gewähren sowie festzustellen, dass er entsprechend Nr. 2 SP nicht verpflichtet sei, mehr als fünf Einsatztage Kont. im Quartal zu fliegen. Mit Urteil vom 14.5.2013139 hat der 1. Senat des BAG die Klage zwar für unbegründet gehalten. Er hat allerdings für die betriebliche Praxis überaus 138 1 AZR 44/12, NZA 2013, 1160. 139 1 AZR 44/12, NZA 2013, 1160 Rz. 14 ff..
605
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
wichtige Feststellungen zu den Rechtsfolgen einer Unwirksamkeit von Betriebsvereinbarungen wegen eines Verstoßes gegen das in §§ 1, 7 AGG geregelte Diskriminierungsverbot getroffen. Nach seinen Feststellungen ist die in § 2 SP getroffene Regelung ohne Rücksicht darauf unwirksam, ob es sich dabei um einen freiwilligen Sozialplan oder eine freiwillige Betriebsvereinbarung handelte. Denn die betrieblichen Sozialpartner hätten mit der entsprechenden Regelung jüngere Arbeitnehmer wegen ihres Alters benachteiligt, ohne dass dies nach § 10 S. 1, 2 AGG gerechtfertigt sei. Mit Nr. 2 SP verfolgten die Betriebsparteien zwar das Ziel, die Umstellungsschwierigkeiten älterer Flugbegleiter zu mildern, die für diese Personengruppe durch die Anwendung der neuen Einsatzstruktur entstanden. Nr. 2 SP war allerdings weder geeignet noch erforderlich, dieses Ziel zu erreichen. Zum einen gewährleistete die Regelung nicht, dass nur Flugbegleiter erfasst wurden, die infolge eines langjährigen Einsatzes im Interkontinentalbereich überhaupt Umstellungsschwierigkeiten haben könnten. Denn Nr. 2 SP galt auch für Flugbegleiter, die viele Jahre in der gemischten Gruppe geflogen waren und erst kurze Zeit vor dem in Nr. 2 geregelten Stichtag des 31.12.2009 den Interkontinentalbereich (IK-Gruppe) zugeordnet worden waren. Losgelöst davon war die Regelung auch nicht zur Erreichung des vorgegebenen Ziel erforderlich. Denn sie führte zu einer dauerhaften Begünstigung der von ihr erfassten (älteren) Flugbegleiter, die mit dem beabsichtigten schonenden Heranführen an geänderte Einsatzbedingungen in keinem Zusammenhang stand. Denn die gewährten Vorteile stünden diesen Flugbegleitern nicht nur für eine Übergangszeit zur Überwindung der Umstellungsschwierigkeiten zu, sondern auf Dauer bis zum Erreichen der für sie geltenden Altersgrenze und der damit verbundenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wenn die Beklagte in der Begründung der Differenzierung von einer „längeren Eingewöhnungsphase“ gesprochen habe, rechtfertige dies nicht, dauerhaft eine unterschiedliche Behandlung vorzunehmen. Ein nennenswertes altersbedingtes Nachlassen des physischen und psychischen Leistungsvermögens des Kabinenpersonals bereits vor Vollendung des 55. oder 60. Lebensjahres, welches auf eine dauerhaft eingeschränkte Anpassungsfähigkeit hinweise, und eine Verwendung als Flugbegleiter nur eingeschränkt zulassen würde, sei nicht erkennbar. Angesichts dessen fehlten – so das BAG – jegliche Anhaltspunkte dafür, dass sich Flugbegleiter nach Vollendung des 43. Lebensjahres nicht mehr dauerhaft an die veränderten Anforderungen von Kurzstrecken- oder Kontinentalflügen gewöhnen könnten140.
140 BAG v. 14.5.2013 – 1 AZR 44/12, NZA 2013, 1160 Rz. 20 ff..
606
Rechtsfolgen einer Altersdiskriminierung durch Betriebsvereinbarung
In den weiteren Entscheidungsgründen macht das BAG indes deutlich, dass diese Unwirksamkeit nach § 7 Abs. 2 AGG für den benachteiligten Arbeitnehmer unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen könne. So sei es durchaus denkbar, dass dem benachteiligten Arbeitnehmer ein Anspruch auf die vorenthaltene Leistung zuzuerkennen sei. Solche „Anpassungen nach oben“ waren durch die Rechtsprechung im Bereich der Vergütung oder bei Urlaubsansprüchen vorgenommen worden141. Unter Bezugnahme auf die Kücükdeveci-Entscheidung des EuGH vom 19.1.2010142 und die Mangold-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005143 verweist der 1. Senat des BAG allerdings darauf, dass (auch) der EuGH nicht einschränkungslos eine Anpassung „nach oben“ verlange. Zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts lasse er insbesondere in Bereichen, die keine Entgeltdiskriminierung beträfen, auch die Nichtanwendung der benachteiligenden Regelung genügen144. Hiervon ausgehend hat es das BAG genügen lassen, eine fehlende Anwendbarkeit der diskriminierenden Regelung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers festzustellen. Denn die durch den Kläger geforderte Erstreckung des Geltungsbereichs der gesetzwidrigen Norm auf die von ihr nicht erfassten Arbeitnehmer hätte zur Folge, dass alle rund 8.000 Flugbegleiter am Standort F ein Zusatzrequest Kont. beanspruchen könnten und nicht verpflichtet wären, mehr als fünf Einsatztage Kont. im Quartal zu fliegen. Damit wäre die Beklagte außerstande gewesen, ihren Flugbetrieb aufrechtzuerhalten und die Arbeitsleistung des Klägers in Anspruch zu nehmen. Das BAG sieht in der Nichtanwendung von Nr. 2 SP auch eine geeignete und effektive Sanktion. Denn der Kläger werde damit individualrechtlich in wirksamer Weise geschützt. Wenn die Beklagte künftig Dienstpläne unter Beachtung von Nr. 2 SP erstellen sollte, wären diese unwirksam. Einer hierauf beruhenden Weisung müsste der Kläger nicht nachkommen. Vielmehr wäre diese nicht nur unbillig im Sinne der §§ 106 GewO, 315 BGB, sondern nichtig, weil sie auf einer unwirksamen Regelung beruhe. Verweigere der Arbeitnehmer seine Leistung, könnte die Beklagte in Annahmeverzug geraten145.
141 Vgl. EuGH v. 22.6.2011 – C-399/09, SLG 2011, I-5573-5614 - Landtovà; BAG v. 20.3.2012 – 9 AZR 529/10, NZA 2012, 803 Rz. 30; BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 148/09, NZA 2012, 161 Rz. 21. 142 C-555/07, NZA 2010, 85 ff. – Kücükdeveci. 143 C-144/04, NZA 2005, 1345 Rz. 77 - Mandold. 144 BAG v. 14.5.2013 – 1 AZR 44/12, NZA 2013, 1160 Rz. 25. 145 BAG v. 14.5.2013 – 1 AZR 44/12 NZA 2013, 1160 Rz. 27.
607
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV war aus Sicht des BAG nicht geboten. Der EuGH überlasse es – so das BAG – den nationalen Gerichten, im Rahmen ihrer Zuständigkeit den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergebe, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu garantieren146. Dem ist zuzustimmen. (Ga)
146 Vgl. EuGH v. 22.11.2005 – C-144/04, NZA 2005, 1346 Rz. 77 – Mangold; BAG v. 14.5.2013 – 1 AZR 44/12 NZA 2013, 1160 Rz. 28.
608
I.
Betriebsänderung und Betriebsübergang
1.
Sozialplanabfindung: Wege zur Vermeidung einer Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung
a)
Ausgangssituation
Fast alle Sozialpläne in Deutschland enthalten Regelungen, nach denen Arbeitnehmer, die nach der betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Altersrente – gleich welcher Art – haben, von einem Anspruch auf Zahlung einer Abfindung ausgenommen werden. Dies gilt dann auch für eine Rente wegen Schwerbehinderung. In vielen Fällen wird dabei auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente berücksichtigt, was zur Folge hat, dass auch Arbeitnehmer keine Leistungen erhalten, die vor Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dies gilt erst recht, wenn auch solche Fälle einbezogen werden, in denen die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersrente unmittelbar nach einem Anspruch auf Kurzarbeitergeld und/oder Arbeitslosengeld haben, das unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen werden kann. Berücksichtigung finden Altersgrenzen in einem Sozialplan auch insoweit, als daran in der Regel Kappungsgrenzen geknüpft sind. So ist es nicht nur möglich, den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung summenmäßig zu begrenzen. Vielmehr wird in fast allen Sozialplänen für die „rentennahen“ Jahrgänge festgelegt, dass die Sozialplanabfindung jedenfalls den Betrag nicht übersteigt, den der Arbeitnehmer bei einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der – ggf. vorzeitigen - Altersrente (gleich welcher Art) als Bruttogehalt oder einen bestimmten Prozentsatz des Bruttogehalts erhalten hätte. Häufig finden für diesen Personenkreis deshalb auch abweichende Abfindungsformeln Anwendung. Dabei kann für die hier in Rede stehende Frage offen bleiben, ob dabei auf 100 Prozent oder auf einen geringeren Prozentsatz dieses Gehalts abgestellt wird. Offen bleiben kann auch, ob sich der Arbeitnehmer auf diesen Anspruch anderweitige Leistungen (z. B. Arbeitslosengeld, Zwischenverdienst) anrechnen lassen muss.
609
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Auf der Grundlage der Feststellungen des EuGH in seinem Urteil vom 6.12.20121 stand zu besorgen, dass die vorstehend genannten Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen als Diskriminierung wegen des Alters und/oder der Behinderung qualifiziert werden. Wegen des Vorrangs der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 2000/78/EG gilt dies ohne Rücksicht auf den Umstand, dass § 10 S. 3 Nr. 3 AGG an sich vergleichbare Regelungen erlaubt. Wichtig ist es deshalb, die Vorgaben des EuGH und die aktuellen Klarstellungen durch die Urteile des BAG vom 26.3.20132 und 23.4.20133 bei der künftigen Gestaltung von Sozialplänen zu berücksichtigen.
b)
Vorliegen einer Ungleichbehandlung
Ein Anspruch auf Altersrente ist nur älteren Arbeitnehmern vorbehalten. Folgerichtig benachteiligt eine Klausel, die wegen des Anspruchs auf den Bezug der gesetzlichen Altersrente den Wegfall einer Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat, Arbeitnehmer wegen ihres Alters. Auf diesen Umstand hatte schon der EuGH in seinem Urteil vom 12.10.20104 hingewiesen. Wir hatten darüber berichtet5. Entsprechendes wird man für Klauseln annehmen müssen, die eine Kürzung der Sozialplanabfindung zur Folge haben, weil im Rahmen einer Kappungsgrenze nur die Zeit bis zum Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der Altersrente als Grundlage für eine Ausgleichspflicht genommen wird. Wenn und soweit bei den vorstehenden Regelungen auch die Altersrente wegen Schwerbehinderung berücksichtigt wird, wird man darin wohl auch eine Benachteiligung wegen einer Behinderung sehen müssen. Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind nach den §§ 37, 236 a SGB VI zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente mit Vollendung des 60. bzw. 62. Lebensjahres berechtigt. Damit werden sie in jüngeren Jahren von einem Anspruch auf die Abfindung ausgeschlossen bzw. müssen schon deutlich früher als Arbeitnehmer, die keine Altersrente wegen Schwerbehinderung beanspruchen können, eine Kappung ihrer Sozialplanabfindung hinnehmen. Hiervon ausgehend erhalten schwerbehinderte Arbeitnehmer bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses im gleichen Lebensalter geringere Leis-
1 2 3 4 5
C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. – Odar. 1 AZR 857/11, DB 2013, 1792 ff. und 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 ff. 1 AZR 916/11, NZA 2013, 2619 ff. C-499/08, NZA 2010, 1341 ff. – Andersen. B. Gaul, AktuellAR 2011, 241 ff.
610
Wege zur Vermeidung einer Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung
tungen als Arbeitnehmer ohne eine Schwerbehinderung. Diese Benachteiligung knüpft zwar nicht ausdrücklich an der Schwerbehinderung an. Allerdings benachteiligt die Regelung mittelbar schwerbehinderte Arbeitnehmer wegen der Schwerbehinderung stärker als andere Arbeitnehmer, weil die dem Anschein nach neutrale Vorschrift („Ausschluss der Abfindung bei Anspruch auf Altersrente“ oder „Begrenzung der Höhe der Abfindung auf die Zeit bis zum Anspruch auf Altersrente“) nur bei dieser Personengruppe einen Ausschluss von bzw. eine frühere Kürzung der Sozialplanansprüche zur Folge hat. Dies gilt umso mehr, wenn der Sozialplan durch die Einbeziehung der Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente diesen zeitlichen Abstand erhöht. Ob dabei ein Ausgleich für das dauerhafte Absenken des Zugangsfaktors (§ 77 Abs. 2 SGB VI) gezahlt wird, spielt keine Rolle.
c)
Rechtfertigung der Ungleichbehandlung und Maßgabe des EuGH
Unter welchen Voraussetzungen entsprechende Differenzierungen zulässig sind, hängt zunächst einmal davon ab, ob eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters oder der Behinderung erfolgt. Unabhängig davon wird man unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH im Urteil vom 6.12.20126 zu berücksichtigen haben, ob und ggf. in welchem Umfang tatsächlich eine Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer erfolgt. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auch die sonstigen Leistungen berücksichtigt. Insbesondere kann der Umstand, dass kein vollständiger Ausschluss der älteren und/oder behinderten Arbeitnehmer von Sozialplanansprüchen vorgesehen ist, unter Einbeziehung der allgemeinen Schranken der Verhältnismäßigkeit eine Zulässigkeit der Differenzierung zur Folge haben. Dies gilt für individual- und kollektivrechtliche Regelungen gleichermaßen. In Bezug auf die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer stellt der EuGH zunächst einmal klar, dass eine Sozialplanabfindung (zulässigerweise) eine „Überbrückungsfunktion“ verfolge. Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der begrenzten Mittel solle sie einen Ausgleich für die Zukunft gewähren, jüngere Arbeitnehmer schützen und eine Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung schaffen. Solche Ziele seien mit Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG vereinbar7. Hinzu kom6 7
C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. – Odar; Seiwerth, ZESAR 2013, 319, 320.f EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 42 f. – Odar, Willemsen, RdA 2013, 166, 175.
611
Betriebsänderung und Betriebsübergang
me, dass die betrieblichen Sozialpartner bei der Festlegung der für die Erreichung dieser Ziele geeigneten Maßnahmen einen weiten Ermessensspielraum besäßen8. Ausdrücklich weist er in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Sozialplan die „Frucht“ einer von den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ausgehandelten Vereinbarung ist, die damit ihr Grundrecht auf Kollektivverhandlungen ausgeübt hätten. Dass es damit den Sozialpartnern überlassen sei, einen Ausgleich zwischen ihren Interessen festzulegen, biete eine nicht unerhebliche Flexibilität, zumal jede der Parteien ggf. die Vereinbarung hätte kündigen können9. Vor diesem Hintergrund hält es der EuGH zwar (weiterhin) für zulässig, an Arbeitnehmer, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Altersrente beziehen, eine geringere Sozialplanabfindung zu zahlen. Dies gelte sogar dann, wenn auf den Zeitpunkt der vorzeitigen Altersrente mit Abschlägen abgestellt werde. Zulässig war für den EuGH auch, dass der Faktor für die Berechnung der Sozialplanabfindung nicht nur von 0,35 mit zunehmenden Alter auf bis zu 1,70 angehoben, sondern nach Überschreiten des 59. Lebensjahres auch wieder abgesenkt wurde und beim Alter 64 sein Minimum in Höhe von 0,30 erreicht hatte. Ganz entscheidend für die Anerkennung der streitgegenständlichen Regelung des Sozialplans durch den EuGH war, dass der Kläger nicht vollständig ausgeschlossen wurde. Denn der Sozialplan sah ausdrücklich vor, dass auch diese Arbeitnehmergruppe mindestens die Hälfte des sich nach der Standardformel ergebenden Betrags der Sozialplanabfindung erhalten sollte. Dies sollte sogar dann gelten, wenn nach der Sonderformel an sich gar keine Abfindung hätte gezahlt werden müssen. Daraus folgt, dass ein vollständiger Ausschluss unwirksam ist. Angesichts des Ermessensspielraums der betrieblichen Sozialpartner dürfte es zwar nicht erforderlich sein, immer mindestens 50 Prozent der Standardabfindung auszuzahlen. Ob die Grenze einer (noch) angemessenen Benachteiligung älterer Arbeitnehmer aber bei 20, 30 oder 40 Prozent liegt, lässt sich den Gründen der Entscheidung des EuGH leider nicht entnehmen. Deutlicher wird der EuGH in seinem Urteil vom 6.12.201210 allerdings in Bezug auf die Frage, ob die hier in Rede stehenden Regelungen als eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung zu qualifizieren sind.
8 EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 47 – Odar. 9 EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 53 – Odar. 10 C-152/11, NZA 2012, 1435 Rz. 55 ff. – Odar.
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Wege zur Vermeidung einer Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung
Nach Auffassung des EuGH soll der Umstand, dass Schwerbehinderte bis zu drei Jahre vor den anderen Arbeitnehmern Altersrente in Anspruch nehmen können, nicht geeignet sein, ihre Benachteiligung in einem Sozialplan zu rechtfertigen. Denn mit den Regelungen des Sozialplans werde die praktische Wirksamkeit nationaler Vorschriften beeinträchtigt, die schwerbehinderten Arbeitnehmern durch Sonderregelungen im Rahmen der Sozialversicherung an sich Vorteile verschaffen sollten, um Schwierigkeiten und besondere Risiken schwerbehinderter Arbeitnehmer auszugleichen bzw. zu mildern. Dass das besondere Risiko einer fehlenden Anschlussbeschäftigung und die spezifischen Bedürfnisse schwerbehinderter Arbeitnehmer mit dem Alter zunähmen, bliebe bei einer Kürzung von Sozialplanabfindungen, die an die Altersrente geknüpft sei, unberücksichtigt. Der Umstand, dass eine Abfindung bei gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit und gleichem Lebensalter bei dem Schwerbehinderten zu einer Kürzung führe, stelle deshalb eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen schwerbehinderter Arbeitnehmer dar und gehe über das hinaus, was zur Erreichung der vom deutschen Gesetzgeber verfolgten sozialpolitischen Ziele erforderlich sei. Bedauerlich an dieser Entscheidung ist, dass der EuGH im Grunde nicht berücksichtigt, dass mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Schwerbehinderung durchaus wirtschaftliche Ausgleichsleistungen in Rede stehen, die auch durch den Arbeitgeber finanziert wurden. Dieser Vorteil bleibt dem Arbeitnehmer insbesondere dann ganz oder teilweise, wenn die Nachteile der vorzeitigen Inanspruchnahme durch die dem Arbeitnehmer verbleibende Abfindung ganz oder teilweise ausgeglichen werden. So hatte der Arbeitnehmer in dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall nämlich trotz der Möglichkeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Schwerbehinderung noch eine Abfindung in Höhe von 308.253,31 € erhalten. Die Abfindung ohne die entsprechende Minderung wegen der Rentennähe hätte bei 616.506,63 € gelegen11. Auch ohne diese ergänzenden Feststellungen des EuGH wird man mit Blick auf den Leitsatz und die übrigen Gründe seiner Entscheidung indes davon ausgehen können, dass jedenfalls die Kürzung eines Anspruchs auf eine Sozialplanabfindung jedenfalls dann als eine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung zu qualifizieren ist, wenn sie Arbeitnehmer gleichen Lebensalters wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte der gesetzlichen Altersrente verschieden behandeln und die benachteiligte Gruppe allein schwerbehinderte Arbeitnehmer betrifft. Der Zweck eines Sozialplans recht11 Vgl. Seel, FA 2013, 70,72.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
fertigt die Ungleichbehandlung entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG nicht (mehr). Entsprechendes dürfte im Zweifel auch für die Regelung gelten, nach der keine Abfindung gezahlt wird, wenn im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ein Anspruch auf Altersrente besteht, falls diese Regelung auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Altersrente nicht tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die letztgenannte Gestaltungsmöglichkeit hatte der EuGH jedenfalls im Urteil vom 12.10.201012 zugelassen. Für die Zulässigkeit einer solchen Regelung spricht zwar, dass in diesen Fällen unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine wirtschaftliche Absicherung gegeben ist, die auch durch den Arbeitgeber finanziert wurde. Dagegen spricht aber, dass auch insoweit eine nicht unerhebliche Benachteiligung wegen der Behinderung gegeben ist. Denn die Zahlung einer Abfindung dürfte deutlich höher sein als die gesetzliche Altersrente, die im gleichen Zeitraum bezogen wird. Hinzu kommt, dass bei einer Altersrente wegen vorzeitiger Minderung ein lebenslanger Abschlag erfolgt: Häufig wird hierfür im Sozialplan auch dann kein Ausgleich vereinbart, wenn bei Ausschluss- und Kürzungstatbeständen an die Berechtigung zur vorzeitigen Inanspruchnahme angeknüpft wird. Schwerbehinderte Arbeitnehmer, die wegen der Behinderung besondere Schwierigkeiten und (Lebens-)Risiken haben, erfahren insofern keinen erhöhten, sondern einen geringeren Ausgleich, als er Arbeitnehmern ohne diese Behinderung gezahlt wird.
d)
Neue Rechtsprechung des BAG
Das BAG hat diese Leitlinien des EuGH inzwischen aufgegriffen und – zu Recht - unter Verzicht auf ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in seinen Urteilen vom 26.3.201313 und 23.4.201314 umgesetzt. Dabei lassen sich folgende - auch überzeugende – Grundsätze zusammenfassen, die der Praxis noch einen ganz erheblichen Gestaltungsspielraum belassen, ohne dass unzulässige Diskriminierungen wegen des Alters oder einer Behinderung vorliegen: Differenzierungen zwischen den „normalen“ Arbeitnehmern und Arbeitnehmern, die unmittelbar oder zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können („rentennahe“
12 C-499/08, NZA 2010, 1341 ff. – Andersen. 13 1 AZR 857/11, DB 2013, 1792 ff. und 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 ff. 14 1 AZR 916/11, NZA 2013, 2619 ff.
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Wege zur Vermeidung einer Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung
Jahrgänge), sind trotz des Verbots einer Diskriminierung wegen des Alters oder einer Behinderung nicht generell unzulässig. Unter Berücksichtigung der EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung und ihrer Umsetzung durch § 10 S. 3 Nr. 6 AGG kommt es auf die Ausgestaltung im Einzelfall an. Schließlich habe der Gesetzgeber den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen wollen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit könne das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden sei, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden. Dies gelte ohne Rücksicht auf den insoweit engeren Wortlaut von § 10 S. 3 Nr. 6 AGG auch in Bezug auf Arbeitnehmer, die nicht unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Altersrente in Anspruch nehmen können15. Die Betriebsparteien sind unionsrechtlich nicht verpflichtet, in einem Sozialplan für rentennahe Arbeitnehmer einen wirtschaftlichen Ausgleich vorzusehen, der mindestens die Hälfte der Abfindung rentenferner Arbeitnehmer beträgt16. Dies führte zu einer unverhältnismäßigen Besserstellung rentennaher Arbeitnehmer. Erforderlich, aber auch ausreichend, sei, wenn die Abfindung so bemessen werde, dass die wirtschaftlichen Nachteile in der Zeit nach Erfüllung des gesetzlichen Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente ausgeglichen würden. Dies sei stets der Fall, wenn – was in dem zugrundeliegenden Fall geschehen war – die Abfindungshöhe für diesen Zeitraum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreiche. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer seien dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem Zeitpunkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nahtlos eine Altersrente beziehen könnten. Mit dieser Regelung läge eine geeignete und auch verhältnismäßige Einschränkung der Leistungshöhe in Bezug auf diesen Personenkreis vor17.
15 BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 Rz. 23 f., 33; BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 857/11, DB 2013, 1792 Rz. 14 ff., 24; BAG v. 23.4.2013 – 1 AZR 916/11, NZA 2013, 2619 Rz. 19 f.; Willemsen, RdA 2013, 166, 171; Reichold, NZA 2013, Editorial. 16 BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 Rz. 39 ff. 17 BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 Rz. 25.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Dass damit „rentenferne“ Arbeitnehmer deutlich höhere Ansprüche haben, ist aus Sicht des 1. Senats des BAG zulässig. Denn die Betriebsparteien könnten bei den rentennahen Jahrgängen davon ausgehen, dass diese selbst bei fortbestehender Arbeitslosigkeit nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I jedenfalls dann weitgehend abgesichert seien, wenn die Abfindungshöhe bis zum Erreichen der Altersgrenze für den Bezug der Altersrente unter Einbeziehung von Arbeitslosengeld I als Abfindung den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erhalten18. Eine vergleichbare Absicherung liege vor, wenn Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine kalenderjährliche Pauschalleistung in Höhe von 3.000 Euro (brutto) erhielten und – wie die jüngeren Arbeitnehmer - zunächst einmal in eine Transfergesellschaft wechseln könnten19. Eine vergleichbare Absicherung könnten die Betriebsparteien bei den rentenfernen Jahrgängen nicht prognostizieren. Selbst wenn diese eine Anschlussbeschäftigung fänden, verlören die entlassenen Arbeitnehmer ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehörten bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt werde. Überdies könnten sie regelmäßig bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie führe20. Trotz der insoweit eigentlich kritischen Bewertung durch den EuGH ist aus Sicht des BAG kein Ausgleich für etwaige Abschläge wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente erforderlich. Auf solche Leistungen könnten die Betriebsparteien angesichts der begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanmittel und der den anderen Arbeitnehmern voraussichtlich entstehenden Nachteile verzichten21. Es liegt keine (mittelbare) Benachteiligung wegen Behinderung vor, wenn sich die Höhe einer Sozialplanabfindung für rentennahe Jahrgänge nach der Bezugsmöglichkeit einer vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit richtet und schwerbehinderte Arbeitnehmer die gleiche Sozialplanabfindung erhalten wie nicht behinderte Arbeitnehmer. Das hat das BAG im Urteil vom 23.4.201322 bestätigt. Wichtig allerdings ist, den Anspruch auf eine (vorge-
18 BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 857/11, DB 2013, 1792 Rz. 16. 19 BAG v. 23.4.2013 – 1 AZR 916/11, NZA 2013, 2619 Rz. 29. 20 So BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 Rz. 34; BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 857/11, DB 2013, 1792 Rz. 25. 21 BAG v. 26.3.2013 – 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 Rz. 35. 22 1 AZR 916/11, NZA 2013, 2619 Rz. 31 ff.
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Wege zur Vermeidung einer Diskriminierung wegen Alters oder Schwerbehinderung
zogene) Altersrente wegen Schwerbehinderung (§ 236 a Abs. 1 SGB VI) im Rahmen des Sozialplans nicht zu berücksichtigen, sondern auf die allgemeinen Tatbestände einer Altersrente abzustellen. Damit ist auch ein Verstoß gegen die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention ausgeschlossen. Entsprechende Regelungen zur Differenzierung bei der Berechnung von Sozialplanansprüchen können eine ganz erhebliche Kürzung der Leistungen an rentennahe Arbeitnehmer bewirken. So hatten die Betriebsparteien in dem Fall, der einer der Entscheidungen vom 26.3.201323 zugrunde lag, eine Zusage in Höhe von 85 % des Bruttomonatsentgelts getroffen und diese mit einem pauschalen Zuschlag in Höhe von 15 % des Bruttomonatsentgelts als Abfindungssumme verknüpft. Der Kläger erhielt auf dieser Grundlage eine Abfindung in Höhe von 4.974,62 € (brutto), wohingegen er nach der für „normale“ Arbeitnehmer geltenden Formel eine Abfindung in Höhe von 236.721,49 € (brutto) erhalten hätte. In einer weiteren Entscheidung vom 26.3.201324 hat es das BAG sogar für zulässig gehalten, dass ein Arbeitnehmer nach Vollendung des 62. Lebensjahres nur noch die Mindestabfindung von 2 Bruttomonatsgehältern erhält, wohingegen für die jüngeren Arbeitnehmer eine Abfindung nach der Formel Bruttomonatsvergütung x Betriebszugehörigkeit x Faktor bestimmt wurde. Nach der für Arbeitnehmer zwischen 60 und 62 Jahren geltenden Formel hätte der Kläger eine Abfindung in Höhe von 36.885,30 € (brutto) erhalten, nach der Formel für Arbeitnehmer von 51 bis 59 Jahren hätte er eine Abfindung in Höhe von 122.951,00 € (brutto) bekommen. Tatsächlich zahlte die Beklagte dem Kläger aber nur 10.650,00 € (brutto). Der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 64jährige Kläger konnte allerdings schon ein Jahr später Regelaltersrente beziehen. Im dem seinem Urteil vom 23.4.201325 zugrunde liegenden Fall hatte das BAG gebilligt, dass der Kläger wegen der Sonderregelung für rentennahe Arbeitnehmer nur einen Abfindungsanspruch in Höhe von 9.000 € (brutto) besaß, während er nach der Standardabfindungsformel einen Betrag in Höhe von 50.229,47 € (brutto) erhalten hätte. Allerdings besaßen (auch) Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatten, einen Anspruch auf einen Wechsel in eine Transfergesellschaft für die Dauer von 12 Monaten, was zur Folge hatte,
23 1 AZR 813/11, NZA 2013, 921 Rz. 4. 24 1 AZR 857/11, DB 2013, 1792 Rz. 3, 18 ff. 25 1 AZR 916/11, NZA 2013, 2619 Rz. 5 f.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
dass sie erst im Anschluss daran auf den 24monatigen Anspruch auf Arbeitslosengeld I zurückgreifen mussten. (Ga)
2.
Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage
a)
Einführung
Mit Beschluss vom 22.1.201326 hat der 1. Senat des BAG für die Praxis wichtige Feststellungen in Bezug auf Voraussetzungen einer Unwirksamkeit des durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Sozialplans getroffen, wenn diese mit der fehlenden wirtschaftlichen Vertretbarkeit begründet wird. Dabei knüpft das BAG an seine früheren Entscheidungen an27, lässt aber die Frage des möglichen Berechnungsdurchgriffs in einer Konzernbindung offen. Lässt man die Besonderheiten einer Spaltung nach § 123 UmwG, die durch die Trennung von Betriebs- und Anlagevermögen entsprechend § 134 Abs. 1 UmwG zu einer Vermögensverlagerung auf eine Anlagegesellschaft führt, einmal unberücksichtigt28, wird man hier allerdings Einschränkungen gegenüber der früheren Rechtsprechung vornehmen müssen. In vergleichbarer Weise hatte der 3. Senat im Urteil vom 15.1.201329 seine Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff bei der Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG geändert. Es dürfte hilfreich sein, die daraus folgenden Grundsätze bereits im Vorfeld einer Betriebsänderung bei der Feststellung der denkbaren Kosten eines Sozialplans zu berücksichtigen. Hiervon hängt schlussendlich auch die Höhe von Rückstellungen ab.
b)
Zweck von Sozialplanleistungen
Ein Sozialplan soll wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder mildern, die Arbeitnehmer infolge der geplanten Betriebsänderung hinnehmen müssen (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Sozialplanabfindungen stellen insoweit einen unmittelbaren wirtschaftlichen Ausgleich bzw. Teilausgleich dar. Dabei ist an die tatsächlichen, typischen oder prognostizierten Nachteile anzuknüpfen.
26 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 ff. 27 Vgl. nur BAG v. 24.8.2004 – 1 ABR 23/03, NZA 2005, 302 ff.; BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 ff. 28 Hierzu BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 97/09, DB 2011, 1698 ff. 29 3 AZR 638/10, DB 2013, 1368.
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Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage
Neben konkreten Ausgleichsmaßnahmen können auch pauschale Festbeträge für bestimmte Nachteile vereinbart werden. Sozialplanabfindungen dienen aber nur zum Ausgleich oder zur Milderung zukünftig zu erwartender Nachteile. Das BAG spricht insoweit von einer Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion30 bzw. von einem „zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter“31. Sie sind keine Entschädigung für den Verlust des im Betrieb erworbenen Besitzstandes, keine Vergütung und keine Belohnung der dem Unternehmen erwiesenen Leistungen oder der in der Vergangenheit erwiesenen Betriebszugehörigkeit32. Dabei kann neben dem Alter33, einer Schwerbehinderung, etwaigen Unterhaltspflichten34, Kenntnissen, Fähigkeiten und der jeweiligen Ausbildung, der Arbeitsmarktsituation, dem örtlichen Bezug des Arbeitnehmers und sonstigen Nachteilen einer Betriebsänderung zwar auch die Betriebszugehörigkeit35 zur Berechnung von Sozialplanabfindungen Berücksichtigung finden36. In jedem Fall steht aber bei der Vereinbarung eines Sozialplans das Ziel im Vordergrund, die Voraussetzungen für einen Übergang der von Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer aus Arbeit in Arbeit zu fördern. Mit den Vorgaben zur Förderung der in einem Sozialplan vorgesehenen Transfermaßnahmen und den Regelungen zum Transferkurzarbeitergeld in den §§ 110, 111 SGB III bestehen gerade insoweit sinnvolle Regelungen, von denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen profitieren37.
c)
Konsequenzen für die Festsetzung des Sozialplanvolumens
aa)
Grundsatz: Wirtschaftliche Vertretbarkeit als Ermessensgrenze
Mit Ausnahme der Sonderregelungen für den Sozialplan im Insolvenzverfahren (§§ 123, 124 InsO) finden sich im Gesetz mit Blick auf Sozialplanverhandlungen außerhalb der Einigungsstelle keine Vorgaben für ein bestimmtes Sozialplanvolumen. Insbesondere ist § 1 a KSchG schon wegen 30 BAG v. 23.4.2013 – 1 AZR 916/11, DB 2013, 2094 ff. Rz. 28. 31 Vgl. BAG v. 23.4.2013 – 1 AZR 916/11, DB 2013, 2094 ff. Rz. 19. 32 BAG v. 19.11.2009 – 6 AZR 561/08, NZA 2010, 583 Rz. 22; HWK/Hohenstatt/Willemsen, BetrVG § 112 Rz. 29. 33 BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 Rz. 48. 34 BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 Rz. 48. Hier kann auch auf die auf der Steuerkarte an einem Stichtag eingetragenen Unterhaltspflichten abgestellt werden (BAG v. 12.3.1997 – 10 AZR 648/96, NZA 1997, 1058 f.). 35 Vgl. EuGH v. 12.10.2010 – C-499/08; NZA 2010, 1341 Rz. 27 – Andersen. 36 Näher B. Gaul, DB 2004, 1498. 37 Eingehend Fiene, Transfer- Sozialpläne S. 35 ff. m. w. N.; Ricken, NZA 2013, 1258.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
der gegenüber § 112 Abs. 1 S. 2 unterschiedlichen Zielsetzung ohne Bedeutung. Freiwillig ist jedes Volumen vereinbar. Gesetzliche Richtlinien für die Festlegung des Sozialplanvolumens finden sich deshalb nur für einen Sozialplan, der durch Spruch der Einigungsstelle festgelegt wird. Hier bestimmt § 112 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nr. 3 BetrVG, dass unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Entscheidung für das Unternehmen zu berücksichtigen sind38. Bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften kann das Privatvermögen maßgeblich sein39. Grundsätzlich bemisst sich der Ausgleichs- und Milderungsbedarf der Arbeitnehmer nach den ihnen durch die Betriebsänderung tatsächlich entstehenden oder prognostizierten (wirtschaftlichen) Nachteilen. Nachteile, die nicht entstanden sind und mit Sicherheit auch nicht entstehen werden, sind nicht auszugleichen40. Umgekehrt muss die Einigungsstelle aber grundsätzlich mindestens solche Leistungen vorsehen, die noch als substanzielle, spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile angesehen werden können41. Wie das BAG im Beschluss vom 22.1.201342 noch einmal deutlich gemacht hat, kommt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit dabei eine „Korrekturfunktion“ zu. Insofern habe die Einigungsstelle von dem von ihr vorgesehenen Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile abzusehen, wenn dieser den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde. Im Rahmen der Vertretbarkeit sind auch einschneidende Belastungen des Unternehmens bis an den Rand der Bestandsgefährdung möglich. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Entscheidung für ein bestimmtes Sozialplanvolumen stelle – so das BAG – in diesem Zusammenhang aber eine Grenze der Ermessenausübung für die Einigungsstelle dar43. Sei der für angemessen erachtete Ausgleich von Nachteilen der Arbeitnehmer für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar, sei das Sozialplanvolumen bis zum Erreichen der Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu mindern. Die gebotene Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens könne die Einigungsstelle sogar
38 BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 16. 39 Vgl. B. Gaul, DB 2004, 1498, 1500. 40 BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 Rz. 50; HWK/Hohenstatt/Willemsen, BetrVG § 112 Rz. 31 ff. 41 BAG v. 24.8.2004 – 1 ABR 23/03, NZA 2005, 302 Rz. 39. 42 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 16. 43 Ebenso schon BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 97/09, NZA 2011, 1112 Rz. 18.
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Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage
zum Unterschreiten der aus § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG folgenden Untergrenze des Sozialplans zwingen. Erweise sich auch eine noch substanzielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile als für das Unternehmen wirtschaftlich unvertretbar, sei es nach § 112 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nr. 3 BetrVG zulässig und geboten, von einer solchen Milderung abzusehen44. Wie schwer die Belastungen des Unternehmens durch den Sozialplan tatsächlich sein dürften, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. Ausgehend vom Zweck eines Sozialplans sind damit umso größere Belastungen für das Unternehmen vertretbar, je härter die Betriebsänderung den Arbeitnehmer treffe. Nach der Rechtsprechung ist der Verlust des Arbeitsplatzes insoweit als der für den Arbeitnehmer am schwersten wiegende Nachteil anzusehen. Eine relative Belastung bis zu der in § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG genannten Grenze werde deshalb am ehesten bei einer Betriebsänderung vertretbar sein, die zur Entlassung eines großen Teils der Belegschaft führe und ein wirtschaftlich wenig leistungsfähiges Unternehmen betreffe. Dass sich das Unternehmen bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, könne es nach der Konzeption des BetrVG nicht von der Notwendigkeit entbinden, weitere Belastungen durch einen Sozialplan einzugehen. Dementsprechend werde das Volumen eines Sozialplans, der eine Betriebsänderung in einem leistungsfähigen Unternehmen betreffe, regelmäßig „weit diesseits“ der in § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BetrVG gezogenen Grenze liegen müssen45. bb)
Sozialplanmindernde und sozialplanerhöhende Faktoren
Mit Blick auf den Zweck des Sozialplans, wirtschaftliche Nachteile einer Betriebsänderung auszugleichen bzw. zu mildern, müssen damit zunächst einmal die Folgen der Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ermittelt werden. Sie bilden die Obergrenze für einen Sozialplan. Dabei können Leistungen, die Arbeitnehmern nach der Vertragsbeendigung zum Ausgleich der damit verbundenen Nachteile zufließen, unter bestimmten Voraussetzungen angerechnet werden. Erst wenn auf diese Weise der „Abfindungsbedarf“46 der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer erkennbar wird, lässt sich unter Berücksichtigung von sozialplanmindernden
44 BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 16; BAG v. 24.8.2004 – 1 ABR 23/03, NZA 2005, 302 Rz. 33. 45 BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 18; BAG v. 5.6.2003 – 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 Rz. 41. 46 So v. Hoyningen-Huene, RdA 1986, 102, 103.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
und sozialplanerhöhenden Faktoren feststellen, ob ein Sozialplanvolumen für das Unternehmen wirtschaftlich vertretbar ist. Einzelne sozialplanmindernde Faktoren hat das BAG in der Entscheidung vom 22.1.2013 nochmals aufgeführt.47 Es hat erneut deutlich gemacht, dass die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit regelmäßig überschritten ist, wenn die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zu einer Illiquidität, zur bilanziellen Überschuldung oder zu einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt. Dies gelte auch, wenn ein Unternehmen seinen einzigen Betrieb stilllegt. Allerdings darf bei einer Stilllegung eines Betriebs nicht unberücksichtigt bleiben, wenn nach Umsetzung der Betriebsänderung gar keine Arbeitnehmer mehr im Betrieb verbleiben, deren Arbeitsplätze gesichert werden sollen48. Der Umstand, dass sich ein Unternehmen bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, entbindet es – so das BAG – nicht von der Notwendigkeit, weitere Belastungen durch einen Sozialplan auf sich zu nehmen. Sogar in der Insolvenz seien Betriebsänderungen sozialplanpflichtig, was § 123 InsO deutlich macht49. Mit Blick auf sozialplanerhöhende Faktoren ist u. a. zu berücksichtigen, ob und in welcher Höhe die Betriebsänderung Einsparungen für das Unternehmen zur Folge hat50. cc)
Entscheidungserheblicher Zeitpunkt
Stichtag für die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans sind die objektiven Umstände am Tag seiner Vereinbarung bzw. des Spruchs der Einigungsstelle. Nicht entscheidend ist für das BAG, ob diese Umstände der Einigungsstelle schon bekannt waren oder sein konnten. Andernfalls würde in fehlerhafter Weise nicht die wirtschaftliche Vertretbarkeit der von der Einigungsstelle getroffenen Regelungen, sondern die Richtigkeit der von ihr angestellten Erwägungen überprüft.51
47 48 49 50
Siehe im Einzelnen auch schon B. Gaul, DB 2004, 1498, 1500. BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 18. BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 18. BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 18; eingehend zu weiteren Faktoren vgl. B. Gaul, DB 2004, 1498, 1500 f. 51 BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 11/02, NZA 2004, 108 Rz. 69.
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Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage
d)
Besonderheiten im Konzern
Grundsätzlich ist in Bezug auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplanvolumens auf den Arbeitgeber abzustellen, welcher die Betriebsänderung vornimmt. Dieser Grundsatz findet an sich auch im Konzern Anwendung52, wie der 1. Senat des BAG zu Recht bereits mit Wortlaut und Systematik des § 112 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nr. 3 BetrVG begründet hat. Schließlich werde nur in Bezug auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf eine konzernbezogene Betrachtungsweise verwiesen (§ 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BetrVG). Auch die Entstehungsgeschichte53 enthielte keine Hinweise darauf, dass anstelle des Unternehmens die wirtschaftliche Lage des Konzerns maßgeblich sei54. Ein sogenannter Berechnungs- oder Bemessungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Konzernobergesellschaft kommt deshalb grundsätzlich nicht in Betracht. Von diesem Grundsatz kann es aber Ausnahmen geben: aa)
Grundsatz und mögliche Fallgruppen eines Berechnungsdurchgriffs
Ein sogenannter Berechnungsdurchgriff, bei dem auf die günstigere wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens, insbesondere der Konzernobergesellschaft, abgestellt wird, wird für eine Reihe von Fallgruppen diskutiert55. Eine parallele Diskussion wird zu der Frage geführt, wann im Rahmen der Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG ein Bemessungsdurchgriff möglich ist. Nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des BAG zu § 16 BetrAVG setzt ein Berechnungsdurchgriff „einen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht / Haftung des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner voraus“. Werde der Versorgungsschuldner auf Betriebsrentenanpassung in Anspruch genommen, weil ihm die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens oder der Konzernmutter zugerechnet wird, so müsse er auch die Möglichkeit haben, diese höhere Belastung an das andere Unternehmen weiterzugeben, sich also bei diesem zu „refinanzieren“56.
52 BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 97/09, NZA 2011, 1112 Rz. 20. 53 BT-Drucks. VI/1786 S. 55. 54 BAG v. 22.1.2013 – 1 ABR 85/11, DB 2013, 1182 Rz. 17; BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 97/09, NZA 2011, 1112 Rz. 20. 55 Ausführlich Ahrendt, RdA 2012, 340 ff. 56 BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1041 Rz. 31; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 Rz. 32.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Dieser Maßstab wird verbreitet auch auf den Berechnungsdurchgriff beim Sozialplan übertragen57. Von den in der Diskussion befindlichen Fallgruppen sind – neben dem Fall des § 134 UmwG – vor allem relevant: • das Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags58 oder auch eines Verlustübernahmevertrags59; • das Vorliegen einer Patronatserklärung, wobei zwischen „weichen“ und „harten“ sowie weiter zwischen konzerninternen und konzernexternen Patronatserklärungen zu differenzieren ist60; • die Schaffung eines Vertrauenstatbestands61.
Ein besonders wichtiger Fall war darüber hinaus bislang die Zurechnung bei Vorliegen eines sog. „qualifiziert faktischen Konzerns“. Hier wird man allerdings künftig Einschränkungen gegenüber der früheren Rechtsprechung vornehmen müssen: bb)
Rechtsprechungsänderung zum qualifiziert faktischen Konzern
Mit einer ersten Rechtsprechungsänderung schon im Jahr 2001 hatte allerdings der BGH die Haftungsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns aufgegeben und die Haftung wegen qualifizierter Nachteilszufügung auf eine neue dogmatische Grundlage gestellt. Haftungstatbestand ist seither nicht mehr eine negative Einflussnahme durch Ausübung der Konzernleitungsmacht, sondern der Missbrauch der Gesellschaftsform der GmbH durch existenzvernichtenden Eingriff62. Das bisherige Konzept eines Durchgriffs-
57 Zuletzt vor allem Ahrendt, RdA 2012, 340, 341. 58 Offen gelassen von BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 97/09, NZA 2011,1112 Rz. 38; bejahend zuletzt etwa Ahrendt, RdA 2012, 340, 342; Fröhlich, ArbRB 2013, 161, 164; für den Fall der Anpassung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch BAG v. 26.5.2009 – 3 AZR 369/07, DB 2009, 2384 Rz. 30 ff., wonach das Bestehen eines Beherrschungsvertrags ohne weitere Voraussetzungen einen Berechnungsdurchgriff rechtfertigt; für einen Gewinnabführungsvertrag offen lassend BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1041 Rz. 28; s. auch Schlewing, RdA 2010, 364, 367 f. 59 Ahrendt, RdA 2012, 340, 342 f. 60 Vgl. zum Berechnungsdurchgriff im Rahmen der Anpassung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 Rz. 36 ff.; zum Sozialplan Ahrendt, RdA 2012, 340, 343. 61 Vgl. zum Berechnungsdurchgriff im Rahmen der Anpassung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1041 Rz. 38 ff.; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 Rz. 46 ff.; Vogt, NZA 2013, 1250, 1254 f. 62 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, DB 2001, 2338 ff.
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Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage
anspruchs der Gesellschaftsgläubiger gegen den Gesellschafter wurde aber zunächst beibehalten. Durch eine weitere Rechtsprechungsänderung im Jahr 2007 hat sodann der BGH die Haftung im Konzern insgesamt neu geordnet. Die Durchgriffshaftung des Gesellschafters gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wurde aufgegeben. Die „Existenzvernichtungshaftung“ des Gesellschafters knüpft als Binnenhaftung an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und stellt eine Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB dar63. Im Bereich des § 16 BetrAVG hat das BAG zunächst offen gelassen, ob für den qualifiziert faktischen Konzern an den Grundsätzen zum Berechnungsdurchgriff im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff festgehalten werden kann64. Mit Urteil vom 15.1.201365, auf das wir an anderer Stelle verwiesen haben66, hat das BAG jetzt aber entschieden, dass sich die Grundsätze des Berechnungsdurchgriffs im Rahmen der betriebsrentenrechtlichen Anpassungsprüfung nach der Aufgabe des Haftungskonzepts des qualifiziert faktischen Konzerns durch den BGH nicht mehr aufrechterhalten lassen. Es fehle nunmehr an dem für einen Berechnungsdurchgriff erforderlichen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht bzw. Haftung des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf der Basis der neuen Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff lagen in dem zu entscheidenden Fall nicht vor. Denn die Haftung des Gesellschafters nach § 826 BGB setzt u. a. den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und eine dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft bzw. deren Vertiefung voraus67. In dem jetzt durch den 3. Senat des BAG entschiedenen Fall war die Versorgungsschuldnerin nicht von einer Insolvenz bedroht68. 63 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BB 2008, 1697; BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, DB 2007, 1802 ff.; vgl. dazu im hiesigen Zusammenhang Uhl/Polloczek, DStR 2010, 1481, 1483 f.; Ahrendt, RdA 2012, 340, 344. 64 BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 ff., Rz. 33 ff.; BAG v. 10.2.2009 – 3 AZR 727/07, DB 2009, 2554 ff., Rz. 16; s. zur Entwicklung der Rechtsprechung auch Schlewing, RdA 2010, 364, 365 ff.; Vogt, NZA 2013, 1250, 1252. 65 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1041 Rz. 31. 66 Boewer, AktuellAR 2013, 513 ff. 67 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, DB 2007, 1802 ff. 68 BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, ZIP 2013, 1045 Rz. 35 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Nach dieser Rechtsprechungsänderung stellt sich die Frage nach einem Berechnungsdurchgriff auch im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer Sozialplandotierung im Konzern neu69. Denn wenn man die neue Rechtsprechung des BGH auch auf diese Fragestellung überträgt, so kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs an. Dabei ist aber zu beachten, dass es nicht um einen Durchgriff auf Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur um die Berücksichtigung eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB als Bestandteil des Vermögens der Arbeitgebergesellschaft selbst gehen kann: Die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB ist insoweit also als Schadensersatzanspruch der Gesellschaft ausgestaltet. Sie schützt das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen. Geht man - analog zur Rechtsprechung des BAG zu § 16 BetrAVG - von dem Erfordernis eines Gleichlaufs von Zurechnung und Innenhaftung für einen Bemessungsdurchgriff aus, kann die Existenzvernichtungshaftung auch im Rahmen der Sozialplandotierung keinen Durchgriff auf die wirtschaftliche Lage der schädigenden Konzernobergesellschaft im Sinne einer Einbeziehung des Vermögens der Obergesellschaft rechtfertigen. Es erfolgt also kein Berechnungsdurchgriff (mehr). Denn der Anspruch aus § 826 BGB hat nicht zur Folge, dass der schädigende Gesellschafter für die sozialplanbedingten Verbindlichkeiten einzustehen hat. Vielmehr beschränkt sich seine Ausgleichspflicht auf die finanziellen Schäden, die dem Gesellschaftsvermögen durch seinen Eingriff entstanden sind70. Diese Ausgleichspflicht erhöht die Aktiva im Vermögen des verbundenen Unternehmens, bei dem die Betriebsänderung abgewickelt wird. Sie ist damit auch für die Vermögenslage und die daraus folgende wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans maßgeblich71. Hierzu neigt offenbar auch das BAG, auch wenn die Frage nicht entschieden werden musste72. Ob es der Einigungsstelle allerdings gelingt, die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs verlässlich
69 Röger/Tholuck, NZA 2010, 294, 298. 70 Ahrendt, RdA 2012, 340, 344. 71 Ahrendt, RdA 2012, 340, 344 f.; Röger/Tholuck, NZA 2012, 294, 298 f.; Fröhlich, ArbRB 2013, 161, 163; Entsprechendes gilt für einen Schadensersatzanspruch gem. § 317 Abs. 1 AktG, s. Ahrendt, RdA 2012, 340, 346; Röger/Tholuck, NZA 2012, 294, 299; Fröhlich, ArbRB 2013, 161, 163. 72 BAG v. 15.3.2011 – 1 ABR 97/09, NZA 2011, 1112 Rz. 36.; s. dazu auch Röger/Tholuck, NZA 2012, 294, 299.
626
Vertretbarkeit eines Sozialplans in wirtschaftlicher Notlage
festzustellen, dürfte zweifelhaft sein73. Einen Berechnungsdurchgriff (im engeren Sinne) auf eine andere Konzerngesellschaft wird man daher außerhalb der durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag gekennzeichneten Verknüpfung zur Konzernobergesellschaft und den Fällen, in denen eine („harte“) Patronatserklärung gegeben ist, nur noch selten annehmen können74. cc)
Konsequenzen für den Vertragskonzern
Richtigerweise wird man davon ausgehen müssen, dass der Fall eines Vertragskonzerns (Bestehen eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags) von der vorstehend dargestellten Rechtsprechungsänderung nicht betroffen ist. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass der Vertragskonzern zwar vom BAG in der Entscheidung vom 15.1.2013 zu § 16 BetrAVG eingangs der Begründung genannt, schlussendlich die Bewertung aber auf die besondere Situation im qualifiziert faktischen Konzern abgestimmt wird. Die Frage, ob hier ein Berechnungsdurchgriff erfolgt und ggf. unter welchen Voraussetzungen, war aber auch schon vor der Rechtsprechungsänderung nicht abschließend geklärt. Überzeugender dürfte es allerdings sein, sowohl beim Beherrschungs- als auch beim (isolierten) Gewinnabführungsvertrag ohne weitere Voraussetzungen von einem Berechnungsdurchgriff auszugehen, und zwar sowohl im Rahmen der Betriebsrentenanpassung als auch bei der Sozialplandotierung. Im Rahmen von § 16 BetrAVG hat das BAG bereits in seinem Urteil vom 26.5.200975 entschieden, dass das Bestehen eines Beherrschungsvertrages ohne weitere Voraussetzungen einen Berechnungsdurchgriff rechtfertigt76. Zur Begründung wird maßgeblich auf § 302 Abs. 1 AktG abgestellt, der wie folgt lautet: § 302 Verlustübernahme (1) Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird,
73 Dazu Ahrendt, RdA 2012, 340, 345; weiterführend Uhl/Polloczek, DStR 2010, 1481, 1484 f. 74 Vgl. für § 16 BetrAVG schon Schlewing, RdA 2010, 364, 367; jüngst Schäder, ArbRB 2013, 179, 180; Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 24/2013, Anm. 6.; Vogt, NZA 2013, 1250, 1252 f. 75 3 AZR 369/07, NZA 2010, 641 Rz. 30 ff. 76 Vogt, NZA 2013, 1250, 1252 f.
627
Betriebsänderung und Betriebsübergang daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.
In der Entscheidung vom 15.1.2013 stand zwar auch ein Gewinnabführungsvertrag (ohne Beherrschungsvertrag) in Rede. Da dessen Abschluss in dem dort für § 16 BetrAVG maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorhersehbar war, konnte das BAG die Frage, ob auch er für einen Durchgriff genügt hätte, offen lassen, ohne sich zu der Entscheidung vom 26.5.2009 in Widerspruch zu setzen. Für die Sozialplandotierung hat das BAG schon am 15.3.201177 die Frage sowohl für Beherrschungs- als auch für Gewinnabführungsvertrag dahinstehen lassen. Das LAG Niedersachsen hatte sie in diesem Zusammenhang für einen Gewinnabführungsvertrag bejaht78, wobei sich die Begründung auch auf den Fall des Beherrschungsvertrags übertragen lässt. Auch das Schrifttum geht ganz überwiegend davon aus, dass im Vertragskonzern eine Berücksichtigung der Vermögenslage im herrschenden bzw. gewinnberechtigten Unternehmen zulässig ist. Dies gilt für § 16 BetrAVG79 ebenso wie für die Sozialplandotierung im Rahmen von § 112 BetrVG80. Das entscheidende Argument dürfte § 302 AktG sein. Dieser stellt den nach BAG und BGH gleichermaßen erforderlichen (und ausreichenden) Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht her. Hierzu sei auf die instruktiven Feststellungen von Ahrendt81 verwiesen: Besteht zwischen zwei Unternehmen ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen nach dem – auch auf abhängige Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH entsprechend anwendbaren – § 302 Abs. 1 AktG grundsätzlich verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer bei der abhängigen Gesellschaft entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht durch Entnahmen aus innervertraglichen Gewinnrücklagen gedeckt
77 1 ABR 97/09, NZA 2011, 1112 Rz. 38. 78 Vgl. LAG Niedersachsen v. 18.10.2011 - 11 TaBV 88/10 n. v. (Rz. 45 f.). 79 Vgl. Kock/Milenk, EWiR 2013, 503; HWK/Schipp, BetrAVG § 16 Rz. 34; ErfK/Steinmeyer, BetrAVG § 16 Rz. 36 f.; ausführlich und differenzierend Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetrAVG § 16 Rz. 208 ff., 218. 80 Vgl. GK-BetrVG/Oetker, BetrVG §§ 112, 112 a Rz. 413; WPK/Preis/Bender, BetrVG §§ 112, 112 a Rz. 62; Ahrendt, RdA 2012, 340, 342; Fröhlich, ArbRB 2013, 161, 164; a. A. offenbar etwa Richardi/Annuß, § 112 Rn. 146 (wohl nur bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag). 81 RdA 2012, 340, 342; dort auch zu den Folgen einer Beendigung des Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags.
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Kennzeichnung des anspruchsberechtigten Personenkreises beim Nachteilsausgleich
werden kann. Da aufgrund dieser Regelung der für einen Bemessungsdurchgriff bei der Sozialplandotierung erforderliche „Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung” gegeben ist, ist (…) davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen das sozialplanpflichtige Unternehmen seine Leitung vertraglich einem anderen Unternehmen unterstellt oder sich verpflichtet hat, seinen ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen, bei der Festsetzung des Sozialplanvolumens ein Bemessungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage dieses herrschenden Unternehmens zulässig ist.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann der Abschluss von Vereinbarungen nach § 302 AktG also erhebliche Risiken für die Obergesellschaft begründen. (Ga/Sch)
3.
Kennzeichnung des anspruchsberechtigten Personenkreises beim Nachteilsausgleich
Wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden, können sie gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG einen Nachteilsausgleich geltend machen. In entsprechender Weise besteht ein Nachteilsausgleichsanspruch dann, wenn der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund abweicht (§ 113 Abs. 1 BetrVG). Geht es um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, können Arbeitnehmer, die hiervon betroffen sind, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen. Hinsichtlich der Abfindungshöhe findet § 10 KSchG entsprechende Anwendung. Mit seinem Urteil vom 22.1.201382 hat das BAG für die Betriebspraxis wichtige Feststellungen zur Kennzeichnung des anspruchsberechtigten Personenkreises in Bezug auf den Nachteilsausgleich getroffen. In dem der Klage zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Konsequenz einer Eigenkündigung zum 31.5.2010 bei der Beklagten ausgeschieden. Diese hatte bereits am 7.9.2009 mit ihrem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan (GBV 2009) abgeschlossen. Nach § 2 Abs. 1 GBV 2009 waren bis zu 82 Arbeitsplätze von den dort bezeichneten Restrukturierungsmaßnahmen betroffen. § 2 A GBV 2009 lautete:
82
1 AZR 873/11, EzA BetrVG 2001 § 113 Nr. 9 Rz. 18 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
1.
Vertriebsaußendienst
Bedingt durch die Schließung des B2C-Vertriebskanals entfallen alle 14 Arbeitsplätze im Außendienst inkl. der Vertriebsleitung (1 Arbeitsplatz) und der zwei Regionalleiter (2 Arbeitsplätze) sowie der Assistenz des Betriebsleiters (1 Arbeitsplatz). Gleichzeitig soll eine Verstärkung des B2B-Vertriebskanals erfolgen über eine Aufteilung in 17 Vertriebsgebiete, unterteilt in die Regionen Nord und Süd, die jeweils von einem Regionalleiter geführt werden. In jedem Vertriebsgebiet wird ein Außendienstmitarbeiter beschäftigt, so dass die Anzahl der Außendienstmitarbeiter im B2B-Vertriebskanal um 8 Mitarbeiter aufgestockt wird. … Der Zuschnitt der derzeit geplanten Vertriebsgebiete ist in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich beschrieben. Dieser Zuschnitt kann zukünftig Änderungen durch die C-Deutschland GmbH unterliegen. Dabei sind etwaige beteiligungsrechtliche Arbeitnehmervertretungen zu berücksichtigen.
Der Kläger, der im B2B-Vertriebskanal der Beklagten beschäftigt war, bewarb sich auf die ausgeschriebene Vertriebsaußendienststelle im Vertriebsgebiet 13 der Region Süd. Weitere Bewerber gab es nicht. Nach Eingang der Bewerbung des Klägers entschied sich die Beklagte indes, das Vertriebsgebiet 13 aufzuteilen und den Vertriebsmitarbeitern der benachbarten Regionen zuzuweisen. Hierüber unterrichtete sie den Kläger in einem am 6.10.2009 geführten Gespräch. Dieses nahm der Kläger zum Anlass, eine Eigenkündigung auszusprechen. Im Rahmen der Klage machte er geltend, dass ihm als Folge dieser Änderungen bei der Aufteilung des zukünftigen Vertriebsgebiets ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden sei, den die Beklagte gemäß § 113 BetrVG auszugleichen habe. Denn als Vertriebsaußendienstmitarbeiter hätte er jedenfalls noch bis zum 31.5.2010 auf einer jährlichen Basis etwa 60.000,- € (brutto) verdient, was wegen der fehlenden Einsatzmöglichkeiten in der Restvertragslaufzeit nicht mehr der Fall gewesen war. Mit überzeugender Begründung hat das BAG diese auf Zahlung einer Vergütungsdifferenz gerichtete Klage als unbegründet angesehen. In der Begründung seiner Entscheidung hat der 1. Senat des BAG darauf verwiesen, dass die Beklagte mit der Auflösung des Vertriebsgebiets 13 schlussendlich gar nicht von der GBV 2009 abgewichen sei. Denn die vorstehend wiedergegebene Regelung der GBV 2009 habe bereits nach dem Wortlaut und Gesamtzusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass bei der Ausgestaltung des künftigen Vertriebsgebietes noch Änderungen erfolgen 630
Kennzeichnung des anspruchsberechtigten Personenkreises beim Nachteilsausgleich
könnten. Dies folgt nicht nur aus dem Hinweis auf „derzeit geplante Vertriebsgebiete“ oder der Verwendung des Wortes „soll“. Insbesondere der Vorbehalt in Satz 2, wonach der Zuschnitt zukünftig Änderungen unterliegen kann, spricht – so das BAG – bereits gegen eine die Beklagte bindende Festlegung ihrer bei Abschluss der GBV 2009 bestehenden Planungen. Andernfalls wäre auch der Hinweis darauf, dass etwaige Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen beachtet werden, überflüssig. Entscheidend für die betriebliche Praxis sind allerdings die weitergehenden Feststellungen des BAG. Danach wäre die Klage auch dann unbegründet, wenn als Konsequenz der Regelungen im Interessenausgleich zugunsten des Klägers eine Verpflichtung der Beklagten zur Besetzung der Vertriebsaußendienststelle im Vertriebsgebiet 13 unterstellt würde. Denn die Verstärkung des B2B-Vertriebskanals stelle – so das BAG – keine Regelung im Sinne des § 111 S. 1 BetrVG dar, deren Nichteinhaltung einen Anspruch auf Nachteilsausgleich begründe83. Gegenstand des Interessenausgleichs seien die organisatorische Umsetzung der Betriebsänderung und die mit ihrer Durchführung verbundenen personellen Maßnahmen. Hierzu gehörten insbesondere der Ausspruch von Kündigungen und Versetzungen gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern. Berechtigterweise verweist der 1. Senat des BAG indes darauf, dass die Betriebsparteien bei der Vereinbarung eines Interessenausgleichs nicht auf die Ausgestaltung solcher Maßnahmen beschränkt sind. Vielmehr könnten Arbeitgeber und Betriebsrat auch Abreden über Sachverhalte treffen, deren Regelungsbedürftigkeit nicht unmittelbar auf die Betriebsänderung zurückgeht, sondern mittelbare Folgen dieser Maßnahme betreffen (Folgeregelungen). Sie behandeln dann nicht die nachteiligen Wirkungen der Betriebsänderung, sondern andere Beteiligungssachverhalte. Hierzu zählten etwa Vereinbarungen über die Auswirkungen der geänderten Betriebsstruktur auf die Personalplanung, die Besetzung neu geschaffener Arbeitsplätze und/oder das darauf bezogene Auswahlverfahren. Gerade diese Aspekte sind vielfach Gegenstand von Interessenausgleichsverhandlungen und können, wenn hiervon bei der weiteren Umsetzung abgewichen werde, entsprechende Diskussionen über einen Nachteilsausgleichsanspruch auslösen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass der 1. Senat des BAG solche Folgeregelungen nicht in den Anwendungsbereich von § 113 Abs. 1 BetrVG einbezieht. § 113 Abs. 2, 1 BetrVG diene vornehmlich der Einhaltung des abgeschlossenen Interessenausgleichs über die geplante Betriebs-
83
BAG v. 22.1.2013 – 1 AZR 873/11, EzA BetrVG 2001 § 113 Nr. 9 Rz. 15 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
änderung und stütze dabei mittelbar die Interessen der von dieser betroffenen Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber solle durch die drohende individualrechtliche Entschädigung zur Einhaltung seiner sich aus den §§ 111 S. 1, 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG ergebenden Pflichten angehalten werden. Da diese Pflichtenstellung nur in Bezug auf die Teile der Belegschaft bestehe, die von den betriebsändernden Maßnahmen nachteilig betroffen seien, erstrecke sich die durch § 113 BetrVG bewirkte Sanktion auch nicht auf eine Zuwiderhandlung des Arbeitgebers gegen die in einem Interessenausgleich enthaltene Folgeregelungen84. Für diese Sichtweise spricht nach Auffassung des BAG auch § 113 Abs. 3 BetrVG. Danach erhielten Arbeitnehmer einen Anspruch aus Nachteilsausgleich, wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführe, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen würden oder andere wirtschaftliche Nachteile erlitten. Unterbleibe der Versuch eines Interessenausgleichs überhaupt, könnten also (auch) nur solche Arbeitnehmer eine Entschädigung beanspruchen, die von der Betriebsänderung selbst nachteilig betroffen würden. Es sei – so das BAG – kein Sachgrund ersichtlich, den begünstigen Personenkreis in § 113 Abs. 1 BetrVG weitergehend zu bestimmen als nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Für die betriebliche Praxis hat dies zwar in Bezug auf die Interessenausgleichsverhandlungen selbst kaum praktische Bedeutung. Man wird auch in Zukunft wechselseitig ein Interesse daran haben, bei der einvernehmlichen Umsetzung einer Betriebsänderung auch Regelungen zu mittelbaren Folgen der Betriebsänderung zu treffen. Dies gewährleistet, dass veränderte Organisationsstrukturen und/oder personelle Einzelmaßnahmen in Abwicklung der Betriebsänderung einvernehmlich zur Umsetzung kommen. Mit dem Urteil des BAG vom 22.1.201385 wird allerdings deutlich, dass hinsichtlich der Folgeregelungen jedenfalls aus § 113 BetrVG keine Sanktionsmöglichkeit besteht. Dass dies die Arbeitgeber zukünftig veranlasst, entsprechende Vereinbarungen zu ignorieren, ist allerdings nicht zu erwarten. Dagegen spricht nicht nur das allgemeine Interesse an einer (weiterhin) vertrauensvollen Zusammenarbeit, die gestört würde. Bereits auf der rechtlichen Ebene ist zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Interessenausgleichen als Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, die einen entsprechenden Durchführungsanspruch aus § 77 Abs. 1 BetrVG zur Folge haben. Damit kann zwar von Arbeitnehmerseite aus bei etwaigen Nachteilen kein Zah84 85
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BAG v. 22.1.2013 – 1 AZR 873/11, EzA BetrVG 2001 § 113 Nr. 9 Rz. 15 ff., 21. 1 AZR 873/11, EzA BetrVG 2001 § 113 Nr. 9.
Zuordnung von Arbeitnehmern beim Betriebsteilübergang
lungsanspruch geltend gemacht werden. Der Betriebsrat als Vertragspartner ist aber in der Lage, eine Umsetzung der Folgeregelungen des Interessenausgleichs – ggf. im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren - durchzusetzen86. (Ga)
4.
Zuordnung von Arbeitnehmern beim Betriebsteilübergang
In § 613 BGB und den umwandlungsrechtlichen Regelungen zur Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen fehlen gesetzliche Vorgaben zu der Frage, wie die Zuordnung von Arbeitnehmern erfolgen soll. Von daher blieb es Rechtsprechung und Literatur vorbehalten, Lösungsvorschläge zu entwickeln. Dabei ist zunächst einmal zwischen solchen Arbeitnehmern, die betriebsoder betriebsteilübergreifend zum Einsatz kommen (z. B. EDVKoordinatoren, Springer), und solchen Arbeitnehmern, die innerhalb einer organisatorischen Einheit tätig werden, deren Arbeitsergebnis mehreren Betrieben oder Betriebsteilen zu Gute kommt (z. B. Personalabteilung, zentrales Controlling), zu unterscheiden. Wenn der Bereich, in dem die letztgenannte Personengruppe eingesetzt wird, als Betrieb oder Betriebsteil i. S. d. § 613 a BGB gekennzeichnet werden kann, sind sie nicht von dem Übergang eines anderen Betriebs oder Betriebsteils betroffen. Wie das BAG bereits in seinem Urteil vom 7.4.201187, über das wir berichtet hatten88, deutlich gemacht hat, geht das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern, die „in“ der von einem der hier in Rede stehenden Übertragungsvorgängen betroffenen Einheit beschäftigt sind, kraft Gesetzes auf einen anderen Rechtsträger über, falls kein Widerspruch des Arbeitnehmers erfolgt. Arbeitnehmer hingegen, die „in“ einer anderen Einheit arbeiten, sind selbst dann nicht betroffen, wenn sie dort „für“ den vom Übergang betroffenen Betrieb oder Betriebsteil tätig sind. Nur wenn die – häufig zentral ausgerichteten – Funktionen, zu denen vor allem Service- und Stabsfunktionen gehören, nicht als Betriebsteil organisiert werden, so dass tatsächlich von einer betriebs- oder betriebsteilübergreifenden Tätigkeit der mit diesen Aufgaben beschäftigten Arbeitnehmer ausgegangen werden kann, muss bei einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang
86 87 88
Vgl. HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 93. 8 AZR 730/09, NZA 2011, 1231 ff. B. Gaul, AktuellAR 2011, 573 ff.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
bzw. einer Umwandlung eine gesonderte Zuordnung dieser Arbeitnehmer erfolgen. Soweit in diesem Zusammenhang ein Wahlrecht des Arbeitnehmers angenommen wird, durch das die Zuordnung zu einzelnen Betrieben oder Betriebsteilen festgelegt wird89, kann dem nicht gefolgt werden. Auf diese Weise würden die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Übergang von Arbeitsverhältnissen nach § 613 a BGB bzw. den umwandlungsrechtlichen Regelungen in die Entscheidungskompetenz des Arbeitnehmers gestellt. Nur mit Hilfe des Widerspruchsrechts nach §§ 613 a Abs. 6 BGB, 324 UmwG, das einseitig auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem übertragenden Rechtsträger gerichtet ist, kann von Seiten der betroffenen Arbeitnehmer der Übergang beeinflusst werden. Eine Zustimmung des Arbeitnehmers zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses ist weder bei einer Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge noch bei einem Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge notwendig. Dies gilt entgegen der im Schrifttum wohl überwiegend geäußerten Ansicht für den Fall der Spaltung eines Rechtsträgers selbst dann, wenn Vermögen übertragen wird, das nicht die Qualität eines Betriebsteils besitzt90. Wenn der Arbeitnehmer deshalb oder – insbesondere weil er eine übergreifende Tätigkeit ausübt – aus anderen Gründen dem übertragenen Vermögen nicht zugeordnet werden kann, muss der übertragende Rechtsträger im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts eine entsprechende Zuordnung vornehmen. Auch eine an der überwiegenden Tätigkeit ausgerichtete Zuordnung kann nicht überzeugen. Sie ist mit Zufälligkeiten verbunden und lässt, gerade in einer arbeitsteiligen Betriebsorganisation, den objektiven Arbeitsaufwand für untergeordnete Bereiche außer Acht. Wie das BAG in den beiden Urteilen vom 24.1.201391 und 21.2.201392 deutlich gemacht hat, ist vorzugswürdig zunächst einmal eine einvernehmliche Zuordnung, die zwischen den beteiligten Rechtsträgern unter Einbeziehung des Arbeitnehmers gefunden wird. Diese kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen93. Sie kann auch darin zu sehen sein, dass nach einer entsprechenden Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts eine einvernehmli89 90 91 92 93
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So ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 72; MüKo BGB/Müller-Glöge, § 613 a Rz. 87. Wie hier ebenso B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 12 Rz. 43 f.; a. A. vgl. Däubler, RdA 1995, 136, 143. 8 AZR 706/11, DB 2013, 1556 Rz. 67 f. 8 AZR 877/11, DB 2013, 1178 ff. LAG Schleswig-Holstein v. 13.6.2013 – 5 Sa 367/12, NZA-RR 2013, 456 ff.
Zuordnung von Arbeitnehmern beim Betriebsteilübergang
che Aufnahme der zugewiesenen Tätigkeit erfolgt. Wenn der Einsatz auch nach einer solchen Zuordnungsvereinbarung weiterhin (auch) in anderen Bereichen erfolgt, kann der Schwerpunkt der Tätigkeit jedenfalls ein Indiz sein, dass eine solche Einigung erfolgt ist. Denn mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers können Lösungen gefunden werden, die die zwingende Wirkung des § 613 a BGB unberücksichtigt lassen. Vereinbarungen, die allein zwischen den am Übertragungsvorgang beteiligten Rechtsträgern getroffen werden, spielen für die Zuordnung keine Rolle94. Wenn und soweit eine solche Einigung nicht zustande kommt, muss der übertragende Rechtsträger einseitig eine Zuordnung vornehmen. Auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts kann eine solche Zuordnung auch dann erfolgen, wenn eine Zuordnung an sich bereits erfolgt. Entgegen dem Eindruck, den Feststellungen des 8. Senats des BAG im Urteil vom 24.1.201395 entstehen lassen könnten, kann also auch nach einer mehrjährigen Tätigkeit in einem anderen Betriebsteil noch eine Zuordnung zu einem Betriebsteil erfolgen, der anschließend Gegenstand eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsvorgangs ist. Die Umsetzung der gewillkürten Zuordnung vollzieht sich in zwei Schritten: Zunächst einmal ist festzustellen, mit welchem (arbeitszeitbezogenen) Aufwand die betroffenen Arbeitnehmer für die einzelnen Betriebe oder Betriebsteile tätig sind. Daraus ergibt sich, wie viele Arbeitsplätze den einzelnen Einheiten zugeordnet sind. In einem zweiten Schritt muss dann eine Zuordnung der übergreifend beschäftigten Arbeitnehmer zu den insoweit bereits zugeordneten Arbeitsplätzen erfolgen. Grundlage dieser Zuordnung ist das arbeitgeberseitige Direktionsrecht. Denn der Arbeitgeber – so das BAG – entscheidet aufgrund seines Organisations- und Direktionsrechts über den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer habe nur Anspruch auf vertragsgemäße Arbeit zu vertragsgemäßen Bedingungen, nicht auf eine Beschäftigung auf einem bestimmten Arbeitsplatz oder in einem bestimmten Arbeitsbereich, außer wenn sich die Tätigkeit – was allerdings außerordentlich selten ist – rechtsverbindlich auf eine bestimmte Arbeit auf einem bestimmten Arbeitsplatz konkretisiert hat96. Neben höherrangigem Recht (einschließlich etwaiger Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge) müssen dabei vor allem die Schranken billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) berücksichtigt werden. Im Rahmen der insoweit erforderlichen Interessenabwägung sind neben betrieblichen Belangen 94 95 96
BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 706/11, DB 2013, 1556 Rz. 65. 8 AZR 706/11, DB 2013, 1556 Rz. 67. Vgl. BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 877/11, DB 2013, 1178 Rz. 46.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
(z. B. Leistungsstruktur der Belegschaft) auch Belange der betroffenen Arbeitnehmer (z. B. berufliche Entwicklungsmöglichkeiten) zu berücksichtigen. Obgleich dabei auch soziale Gesichtspunkte (z. B. Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten) einfließen, kommt eine Sozialauswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG nicht in Betracht. In die Zuordnungsentscheidung sind alle übergreifend tätigen Arbeitnehmer einzubeziehen. Hierzu gehören auch solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht. Betriebsratsmitglieder sind für den Fall der Freistellung entsprechend der Tätigkeit einzubeziehen, die nach § 37 Abs. 4 BetrVG als Grundlage ihrer Vergütung und beruflichen Entwicklung herangezogen wird. Die Übereinstimmung der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Betrieben oder Betriebsteilen mit billigem Ermessen ist gerichtlich voll überprüfbar (§ 315 Abs. 3 BGB). Ggf. wird durch das Arbeitsgericht eine korrigierende Entscheidung getroffen. Dies gilt auch dann, wenn - was zulässig ist - zwischen Betriebsrat und übertragendem Rechtsträger ein Punkteschema entwickelt wird, das festlegt, welche sozialen Kriterien bei der Zuordnung Berücksichtigung finden und wie sie zueinander zu gewichten sind. Auch dies bewirkt keine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit. Entsprechend der früheren Rechtsprechung zu Punkteschemata bei der Sozialauswahl ist allerdings von einer höheren Richtigkeitsgewähr auszugehen, als dies bei einer einseitigen Entscheidung des Arbeitgebers der Fall wäre. Eine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit auf grobe Fehlerhaftigkeit ist nur dann gegeben, wenn die Zuordnung des übertragenden Rechtsträgers auf der Grundlage eines Interessenausgleichs erfolgt, in dem eine namentliche Benennung derjenigen Arbeitnehmer erfolgt ist, die nach der Spaltung oder Vermögensteilübertragung einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet werden (§ 323 Abs. 2 UmwG). § 323 Abs. 2 UmwG ist insoweit lex specialis zu § 315 Abs. 3 BGB. Eine von einem Interessenausgleich i. S. d. § 323 Abs. 2 UmwG abweichende Zuordnung von Arbeitnehmern ist wirksam. Allerdings kann sie einen Nachteilsausgleichsanspruch der hiervon unmittelbar oder mittelbar betroffenen Arbeitnehmer auslösen (§ 113 Abs. 1 BetrVG). § 613 a BGB wird durch die Möglichkeit, im Interessenausgleich eine Zuordnung vorzunehmen, nicht berührt. Denn trotz kollektivrechtlicher Regelung muss auf einzelvertraglicher Ebene noch eine Umsetzung vorgenommen werden. Eine Zuordnung, die im Widerspruch zu der klaren Zugehörig-
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Zuordnung von Arbeitnehmern beim Betriebsteilübergang
keit eines Arbeitnehmers zu einem Betrieb oder Betriebsteil erfolgt, ist dabei als grob fehlerhaft und insoweit unwirksam anzusehen. Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit einer Zuordnung von Arbeitnehmern können sich vor allem im Hinblick auf Versetzungen nach §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG ergeben97. Weitergehende Rechte aus den §§ 111, 112 BetrVG wegen einer geplanten Betriebsänderung, die in der Regel an die Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung der Arbeitsorganisation gebunden ist, dürften auf Ausnahmefälle begrenzt bleiben. Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses, das ordnungsgemäß einem Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet wurde, kann nur durch Widerspruch des Arbeitnehmers nach §§ 613 a Abs. 6 BGB, 324 UmwG verhindert werden. Ein Recht solcher Arbeitnehmer, die wegen des Widerspruchs anderer Arbeitnehmer von betriebsbedingten Kündigungen bedroht sind, besteht nicht. Allerdings kann die vorstehende Gestaltungsmöglichkeit des übertragenden Rechtsträgers nutzbar gemacht werden, wenn Arbeitnehmer dem Übergang widersprechen, die in der von einem Übergang betroffenen Einheit beschäftigt waren. Denn wenn der Widerspruch vor Wirksamwerden eines Betriebsteilübergangs erklärt wird, ist der übertragende Rechtsträger in den Grenzen seines durch § 106 S. 1 GewO vorgegebenen Direktionsrechts berechtigt, auch solche Arbeitnehmer dem Betriebsteil zuzuordnen, die an sich in einer anderen Einheit tätig sind. Wenn die Zuordnung unter Berücksichtigung etwaiger Beteiligungsrechte des Betriebsrats tatsächlich vor dem Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs umgesetzt wird, geht das Arbeitsverhältnis auf den anderen Rechtsträger über. Ein Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass damit ggf. Arbeitnehmern eine Weiterbeschäftigung ermöglicht wird, deren Arbeitsverhältnis als Folge einer Sozialauswahl gekündigt werden muss, weil ein anderer Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat. Wenn der betroffene Arbeitnehmer diesen Vorteil nicht nutzen will, ist ein Widerspruch nach §§ 613 a Abs. 6 BGB, 324 UmwG möglich. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass – wenn dies im Sozialplan entsprechend vereinbart wird - für den Fall des Übergangs oder einer Kündigung nach Widerspruch gegen den Übergang keine Abfindung gezahlt werden muss. Wichtig ist allerdings, dass diese Vorgehensweise nicht in Widerspruch zu den Vereinbarungen steht, die in Bezug auf die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger getroffen wurden. Hier ist also ggf. eine Anpassung notwendig. (Ga)
97
Niklas/Ittmann, ArbRB 2013, 347, 349 f.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
5.
EuGH: Keine dynamische Bezugnahme auf nach Betriebsübergang verhandelte und abgeschlossene Tarifverträge
In der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit der Frage beschäftigt, welche Konsequenzen ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang auf die bis zum Wechsel des Arbeitgebers geltenden tarifvertraglichen Ansprüche hat. Dabei ging es nicht nur um den Umstand, dass die bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes geltenden Tarifverträge gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB bei der Übernahme durch einen Arbeitgeber ohne Tarifbindung grundsätzlich kollektivrechtlich als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fortgelten und für die Dauer eines Jahres auf individualrechtlicher Ebene nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden können. Ganz entscheidende Bedeutung für die betriebliche Praxis hat der Umstand, dass der übernehmende Rechtsträger gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB generell in das Arbeitsverhältnis eintritt. Dies hat zur Folge, dass auch die im Arbeitsvertrag enthaltenen Klauseln zu einer Bezugnahme auf die für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge nunmehr zwischen Arbeitnehmer und übernehmendem Rechtsträger zur Anwendung kommen. Welche Rechtsfolgen mit einer solchen Fortgeltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln verbunden sind, hängt vom Inhalt der arbeitsvertraglichen Regelung ab. Ggf. ist eine Auslegung vorzunehmen. Diese kann zur Folge haben, dass kraft Bezugnahme die jeweils für den Arbeitgeber kraft Gesetzes verbindlichen Tarifverträge zur Anwendung kommen. Konsequenz einer solchen Vereinbarung ist, dass die Tarifverträge des übertragenden Rechtsträgers durch die beim übernehmenden Rechtsträger geltenden Tarifverträge ersetzt werden. Voraussetzung ist freilich, dass diese Dynamik auch hinreichend transparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist. Konsequenz der arbeitsvertraglichen Bezugnahme kann indes auch sein, dass nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses beim übernehmenden Rechtsträger weiterhin die bis zum Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs beim übertragenden Rechtsträger geltenden Tarifverträge zur Anwendung kommen. Wenn diese Bezugnahme nur die zuletzt geltenden Tarifverträge einbezieht, wird man damit als übernehmender Rechtsträger im Zweifel leben können. Der Status quo bis zum Betriebsübergang wird fortgeführt. Problematisch sind solche Bezugnahmeklauseln indes dann, wenn sie nach dem Verständnis der Rechtsprechung zur Folge haben, dass auch im Anschluss an das Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs geänderte Tarifverträge in der jeweils aktuellen Fassung dynamisch zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und 638
EuGH: Keine dynamische Bezugnahme
übernehmendem Rechtsträger werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der übernehmende Rechtsträger wegen fehlender oder abweichender Tarifbindung selbst keine Chance hat, auf die sich verändernden Arbeitsbedingungen der beim übertragenden Rechtsträger geltenden Tarifverträge Einfluss zu nehmen. Dies kann nicht nur eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des übernehmenden Rechtsträgers auslösen. Konsequenz einer solchen Dynamik in Bezug auf die Anwendung fremder Tarifverträge kann auch sein, dass der Zweck des Übertragungsvorgangs jedenfalls aus wirtschaftlicher und/oder operativer Sicht nicht erreicht wird. Im Hinblick auf diese Problemlage hat das Urteil des EuGH vom 18.7.201398 ganz erhebliche Bedeutung99. Denn bereits im Leitsatz seiner Entscheidung hat der EuGH deutlich gemacht, dass Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen dahingehend auszulegen sei, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt sei, vorzusehen, dass im Falle eines Unternehmensübergangs die Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs verhandelte und abgeschlossene Kollektivverträge verweisen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar sind, wenn dieser nicht die Möglichkeit habe, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang abgeschlossenen Kollektivverträgen teilzunehmen. In dem zugrunde liegenden Fall, der in England spielte, übertrug einer der Bezirksräte Londons, der Lewisham London Borough Council (Lewisham), im Jahre 2002 das Leisure Department (Abteilung für Freizeit) auf das Privatunternehmen CCL Limited (CCL), das die Arbeitnehmer dieser Abteilung übernahm. 2004 übertrug CCL diesen Geschäftsbereich auf Parkwood, ein anderes Privatunternehmen. Solange das Leisure Department Lewisham unterstand, galten für die Verträge mit den Arbeitnehmern dieser Abteilung die Arbeitsbedingungen, die im Rahmen des NJC, einem Tarifverhandlungsorgan auf der lokalen öffentlichen Ebene, ausgehandelt wurden. Die Anwendbarkeit der im Rahmen des NJC ausgehandelten Vereinbarungen beruhte nicht auf dem Gesetz, sondern auf einer im jeweiligen Arbeitsvertrag enthaltenen Vertragsklausel, die folgendes vorsah: Während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses mit [Lewisham] richten sich die Arbeitsbedingungen nach den vom [NJC] periodisch ausge-
98 C-426/11, NZA 2013, 835 - Alemo-Herron. 99 Steffan, NZA 2013/17, Editorial.
639
Betriebsänderung und Betriebsübergang
handelten Tarifverträgen …, die durch von den Verhandlungsausschüssen von [Lewisham] auf lokaler Ebene geschlossene Vereinbarungen ergänzt werden.
Zum Zeitpunkt des Übergangs des Leisure Departments auf CCL galt der im Rahmen des NJC für die Zeit vom 1.4.2002 bis zum 31.3.2004 geschlossene Kollektivvertrag. Im Mai 2004 ging das diesen Geschäftsbereich betreibende Unternehmen auf Parkwood über. Parkwood beteiligt sich nicht am NJC und könnte dies auch gar nicht, da sie ein privates Unternehmen ist und nicht zur öffentlichen Verwaltung gehört. Im Rahmen des NJC wurde im Juni 2004 eine neue Vereinbarung geschlossen, die rückwirkend zum 1.4.2004 in Kraft trat und bis zum 31.3.2007 galt. Da diese Vereinbarung im Anschluss an die Übernahme des Leisure Departments abgeschlossen wurde, vertrat Parkwood die Auffasung, dass eine Bindung an die abgeänderte Vereinbarung nicht mehr gegeben war. Sie teilte dies auch den Arbeitnehmern mit, denen sie die im Rahmen des NJC für die Zeit vom April 2004 bis März 2007 vereinbarte Lohnerhöhung verweigerte. Im Rahmen der daraufhin durch die Arbeitnehmer erhobenen Klage war zu entscheiden, ob auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auch im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses eine dynamische Bindung auf die Tarifverträge gegolten hatte, die bis dahin nur beim übertragenden Rechtsträger Anwendung fanden. In den Gründen seiner Entscheidung hat der EuGH zunächst einmal deutlich gemacht, dass bereits Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 77/187/EG dahin auszulegen gewesen sei, dass er nicht der Annahme entgegenstehe, dass der Erwerber, der nicht Partei eines den Veräußerer bindenden Kollektivvertrags sei, auf den der Arbeitsvertrag verweise, durch Kollektivverträge nicht gebunden sei, die dem zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs geltenden nachfolgten. Dieser Grundsatz könne auch auf die heute maßgebliche Richtlinie 2001/23/EG übertragen werden. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass mit der Richtlinie zum Betriebs- und Unternehmensübergang auch ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer einerseits und denen des Erwerbers andererseits gewährleistet werden solle. Insofern stelle die Richtlinie klar, dass der Erwerber in der Lage sein müsse, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vorzunehmen100. In diesem Zusammenhang geht der EuGH davon aus, dass bei dem Übergang eines Unternehmens vom öffentlichen auf den privaten Sektor ange100 EuGH v. 18.7.2013 - C-426/11, NZA 2013, 835 Rz. 22 ff., 25 - Alemo-Herron.
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EuGH: Keine dynamische Bezugnahme
nommen werden müsse, dass die Fortsetzung der Tätigkeit durch den Erwerber in Anbetracht der unvermeidlichen Unterschiede zwischen beiden Sektoren in Bezug auf die jeweils geltenden Arbeitsbedingungen beträchtliche Anpassungen erforderlich mache. Eine Klausel, die dynamisch auf nach dem Übergang des betreffenden Unternehmens verhandelte und abgeschlossene Kollektivverträge verweise, welche die Entwicklung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Sektor regeln solle, könne aber den Handlungsspielraum, den ein privater Erwerber benötige, um diese Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen, erheblich einschränken. Damit könne eine entsprechende Klausel in einer solchen Situation den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Erwerbers in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber einerseits und denen der Arbeitnehmer andererseits beeinträchtigen. Hiervon ausgehend müsse geprüft werden, ob und inwieweit Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG im Einklang mit Art. 16 der GRC zur unternehmerischen Freiheit auszulegen sei. Denn Art. 16 GRC umfasse auch und insbesondere die Vertragsfreiheit. Im Hinblick auf Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG folge daraus, dass es dem Erwerber möglich sein müsse, seine Interessen im Rahmen eines zum Vertragsabschluss führenden Verfahrens, an dem er beteiligt sei, wirksam geltend zu machen und die Entwicklung der Arbeitsbedingungen mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln. Diese Rahmenbedingungen sind für den Erwerber, der selbst nicht unmittelbar an den streitgegenständlichen Tarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers gebunden ist, nicht gegeben. Vielmehr ist es dem Erwerber – wie auch im vorliegenden Fall – verwehrt, in dem betreffenden Tarifverhandlungsorgan mitzuwirken. Damit habe – so der EuGH – der Erwerber weder die Möglichkeit, im Rahmen eines zum Vertragsabschluss führenden Verfahrens seine Interessen wirksam geltend zu machen, noch die Möglichkeit, die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer bestimmenden Faktoren mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln. Unter diesen Umständen sei die Vertragsfreiheit dieses Erwerbers so erheblich reduziert, dass darin eine Einschränkung des Wesensgehalts seiner Rechte auf unternehmerische Freiheit liegen könne101. Konsequenz dieser Einschränkung der Handlungs- und Vertragsfreiheit des Erwerbers ist für den EuGH, das eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel im Anschluss an einen Betriebs- und Betriebsteilübergang keine dynamische Bindung an die weiterhin (nur) beim übertragenden Rechtsträger geltenden und im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses abgeän101 EuGH v. 18.7.2013 - C-426/11, NZA 2013, 835 Rz. 31 ff., 35 - Alemo-Herron; Sutchet, RdA 2013, 28, 31.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
derten Tarifverträge erlaubt. Überträgt man das auf die bisherige Rechtsprechung des BAG, wäre es auch im Rahmen der Vertragsfreiheit unzulässig, durch Vereinbarung beim übertragenden Rechtsträger eine auch nach Übergang dynamische Tarifbindung an die Alt-Tarifverträge herzustellen. Nimmt man diese Feststellung ernst, muss die dahingehende Rechtsprechung des BAG aufgegeben werden102. Dass die entsprechende Dynamik solcher Bezugnahmeklauseln im Wege einer Auslegung nach §§ 133, 157 BGB festgestellt werden kann, spielt dabei keine Rolle. Denn hier wäre, losgelöst von den allgemeinen Überlegungen zur AGB-Kontrolle, jedenfalls über §§ 242, 241 Abs. 2, 306 Abs. 2 BGB eine Einschränkung der Wirkung dieser Bezugnahmeklausel vorzunehmen, die den europarechtlichen Vorgaben aus Art. 16 GRC Rechnung trägt. Wollte man dem nicht folgen, wäre jedenfalls eine erneute Vorlage beim EuGH notwendig103. (Ga)
6.
Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Unerheblich ist dabei, ob der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt wird (§ 613 a Abs. 6 BGB). Wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an diesen Widerspruch, der den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum übertragenden Rechtsträger zur Folge hat, Ansprüche diesem gegenüber geltend macht, stellt sich die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich der übertragende Rechtsträger als Schuldner dieser Ansprüche dem Ablauf einer Ausschlussfrist entgegenhalten kann. Mit eben dieser Frage hat sich das BAG im Urteil vom 16.4.2013104 befasst. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Nachdem die Beklagte den Reinigungsauftrag für das Krankenhaus H, in dem der Kläger eingesetzt war, an einen Wettbewerber verloren hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 23.10.2009. Der Kläger, der seit 2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, machte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend. Als die Beklagte eine Erfüllung dieses Anspruchs mit der Begründung ablehnte, dass ein Betriebsübergang auf den 102 Vgl. Schiefer/Hartmann, BB 2013, 2614 f.; Lobinger, NZA 2013, 947 f. 103 Siehe Forst, DB 2013, 1847, 1849 f. 104 9 AZR 731/11, NZA 2013, 850.
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Ausschlussfrist nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses
neuen Auftragnehmer erfolgt sei, verwies der Kläger nicht nur auf § 613 a Abs. 2 BGB. Da das Arbeitsverhältnis erst im Anschluss an den vermeintlichen Betriebsübergang geendet hatte, war dieser Ansatz allerdings ohne Erfolg. Entscheidend für die Begründung seiner Klage war indes, dass er vorsorglich auch dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen hatte. Da keine ordnungsgemäße Unterrichtung über den Betriebsübergang erfolgt war, konnte dieser Widerspruch noch durch Schreiben vom 23.12.2009 erfolgen. Die Beklagte lehnte eine Erfüllung des Anspruchs unter Bezugnahme auf die im allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV) vereinbarte Ausschlussfrist ab. Diese lautete wie folgt: § 22 Ausschlussfristen Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Entgegen der Auffassung des LAG Köln beginnt die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs gemäß der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 16.4.2013105 erst mit dem Zugang des Widerspruchs nach § 613 a Abs. 6 BGB bei der Beklagten zu laufen und damit nicht vor dem 23.12.2009. Da die Klage am 22.2.2010 beim Arbeitsgericht einging, wurde die Frist von zwei Monaten zur Wahrung der zweiten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist eingehalten. Richtig an der instanzgerichtlichen Betrachtungsweise war zunächst einmal, dass der Widerspruch zur Folge hatte, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien ununterbrochen fortbestand106. Allerdings war es nicht überzeugend, wenn daraus die Schlussfolgerung gezogen wurde, auch Ausschlussfristen fänden bei einem später erklärten Widerspruch so Anwendung, als habe das 105 9 AZR 731/11, NZA 2013, 280 Rz. 23. 106 BAG v. 16.4.2010 – 9 AZR 731/11, NZA 2013, 280 Rz. 26; BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268 Rz. 39.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortbestanden107. Dies hätte zur Folge, dass Ansprüche im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechts ggf. bereits verfallen wären. Vor diesem Hintergrund geht der 9. Senat des BAG zu Recht davon aus, dass ein solches Verständnis dem Zweck tariflicher Ausschlussfristen widerspricht. Tarifvertragsparteien wollten durch die Normierung der Verpflichtung zur gerichtlichen Geltendmachung alsbaldige Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs schaffen. Ein solcher Zwang zur Anrufung des Arbeitsgerichts sei allerdings nur sinnvoll, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auch durchsetzbar sei. Dies gilt erst recht, wenn ein Anspruch als Konsequenz des Übergangs des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a BGB während des zum Erwerber bestehenden Arbeitsverhältnisses (noch) gar nicht hätte entstehen können. Grundsätzlich ist dieser Sichtweise zuzustimmen. Der Einwand, der Kläger habe es damit in der Hand, durch die Ausübung seines Widerspruchrechts die zweite Stufe der Verfallfrist in Gang zu setzen, ist dabei durch das BAG zu Recht zurückgewiesen worden. Ein Arbeitnehmer kann den Widerspruch nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB wirksam erklären. Insofern habe es – so das BAG – der bisherige Arbeitgeber mithin selbst in der Hand, den Arbeitnehmer durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung zu einer zeitnahen Erklärung zu veranlassen108. Eine Frage lässt das Urteil vom 16.4.2013109 indes offen. Denn mit der strikten Anknüpfung an den Zeitpunkt des Zugangs des Widerspruchs, die abstrakt-generell richtig erscheint, bleibt im konkreten Einzelfall unberücksichtigt, dass der Kläger für den Fall des Vorliegens eines Betriebsübergangs mit einem bereits gekündigten Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergegangen wäre. Unterstellt man, dass der Kläger – was dem Sachverhalt nicht anders zu entnehmen ist – keine Kündigungsschutzklage erhoben hat, würde das Arbeitsverhältnisses damit auch im Anschluss an einen Übergang gemäß § 613 a BGB mit Ablauf der Kündigungsfrist – also am 23.10.2009 – beendet worden sein. Damit aber wäre bereits zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstanden, der nach Maßgabe des § 22 RTV gegenüber dem Erwerber hätte geltend gemacht werden müssen. Wenn dies nicht geschehen ist, muss dies auch durch den Erwerber im Anschluss an einen Widerspruch geltend gemacht werden können. Das gleiche gilt dann, 107 So LAG München v. 19.8.2010 – 4 Sa 311/10, LAGE BGB 2002 § 613 a Nr. 31; Däubler/Zwanziger, TVG § 4 Rz. 1148. 108 BAG v. 16.4.2010 – 9 AZR 731/11, NZA 2013, 280 Rz. 31. 109 9 AZR 731/11, NZA 2013, 280.
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Keine missbräuchliche „Doppelversorgung“ bei Streit über Betriebsübergang
wenn nach Beginn der Ausschlussfrist und noch vor ihrem Ablauf ein Widerspruch erklärt wird. Abweichend von der Handhabe durch das BAG erscheint es hier überzeugender, dem Arbeitnehmer in Bezug auf den Ablauf der Ausschlussfrist die Zeitspanne auch im Verhältnis zum übertragenen Erwerber zuzurechnen, die im Anschluss an die Entstehung eines Anspruchs noch im Arbeitsverhältnis zum Erwerber abgelaufen ist. Andernfalls hätte es der Arbeitnehmer in der Hand, zweimal mit einer jeweils eigenständigen Berechnung der Ausschlussfrist den Anspruch geltend zu machen. (Ga)
7.
Keine missbräuchliche „Doppelversorgung“ bei Streit über Betriebsübergang
In seinem Urteil vom 17.10.2013110 hat das BAG zu Recht deutlich gemacht, dass ein Arbeitnehmer, der nach einem Betriebsübergang mit dem potenziellen Erwerber in einer prozessualen Auseinandersetzung über den Übergang des Arbeitsverhältnisses steht, durch die Art und Weise der Prozessführung und -beendigung sein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber verwirken kann. Damit wird ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer im Sinne einer missbräuchlichen „Doppelversorgung“ gleichzeitig und/oder hintereinander Ansprüche gegenüber beiden Unternehmen aus einem jeweils zu diesen Unternehmen behaupteten Arbeitsverhältnis geltend macht. In dem zugrundeliegenden Fall war der Kläger ursprünglich bei einer Catering-Firma tätig, die 1996 den Betrieb einer Kantine übernommen hatte. Zum 31.12.2010 verlor die Beklagte den Catering-Auftrag und informierte den Kläger darüber, dass sein Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 BGB auf einen anderen Caterer übergehen werde. Der Betriebserwerber bestritt jedoch einen Betriebsübergang, woraufhin ihn der Kläger auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses verklagte. In diesem Prozess einigte sich der Kläger mit dem Betriebserwerber allerdings darauf, ein Betriebsübergang habe niemals stattgefunden, ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen habe nie bestanden. Zum Ausgleich hierfür verpflichtete sich der Betriebserwerber zur Zahlung von 45.000 € an den Kläger. Im Anschluss an den Abschluss dieses Vergleichs erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 BGB widerspreche. Er verlangte nunmehr von der Beklagten
110 8 AZR 974/12 n. v.
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Betriebsänderung und Betriebsübergang
als Betriebsveräußerer die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und die Zahlung von Annahmeverzugslohn, weil von dieser trotz des als Folge seines Widerspruchs fortbestehenden Arbeitsverhältnisses keine Beschäftigung erfolgt sei. In Übereinstimmung mit dem LAG Hessen hat das BAG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger habe durch sein Verhalten das Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 BGB widersprechen zu können, verwirkt, wenn er – wie geschehen - zunächst das Bestehen seines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber geltend mache und dann über diesen Streitgegenstand eine vergleichsweise Regelung treffe. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein Betriebsübergang stattgefunden habe und das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers tatsächlich auf den zunächst verklagten Betriebserwerber übergegangen sei. Nach einer vergleichsweisen Einigung mit dem Betriebserwerber, durch die der Bestand des Arbeitsverhältnisses geregelt werde, gehe ein rechtsgestaltender Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines „bereinigten“ Arbeitsverhältnisses ins Leere. Es bleibt zu hoffen, dass solche Entscheidungen helfen, den Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Ungewissheiten über das Vorliegen eines Betriebsübergangs einzuschränken. Dass arbeitnehmerseits im Zusammenhang mit solchen Übertragungsvorgängen Klage gegen einen der beiden beteiligten Rechtsträger mit dem Ziel einer weiteren Beschäftigung erhoben wird, ist ohne Einschränkung nachvollziehbar. Rechtsmissbrauch liegt allerdings vor, wenn dieser Streit zweifach mit dem Ziel genutzt werden soll, Vorteile aus einem vermeintlichen Arbeitsverhältnis zu ziehen, das auch im Zusammenhang mit § 613 a BGB nur zu einem der beiden Rechtsträger bestehen kann. (Ga)
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J.
1.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Schadensersatz wegen Sperrzeit als Folge vereinbarungswidriger Auskünfte des Arbeitgebers
Nach § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat. Ein versicherungswidriges Verhalten mit der Folge, dass die Sperrzeit 12 Wochen beträgt, liegt nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund gegeben war. Jede Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe hat darüber hinaus eine Minderung der Anspruchsdauer für den Bezug des Arbeitslosengeldes um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit, in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer zur Folge (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Die Festsetzung einer Sperrzeit durch die zuständige Agentur für Arbeit erfolgt auf der Grundlage der Angaben des Arbeitgebers im Rahmen der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III. Auch wenn der Arbeitnehmer seinerseits die Agentur für Arbeit mit entsprechenden Informationen versorgen kann, sind es damit zunächst einmal die Erklärungen des Arbeitgebers, die diese Nachteile auslösen. Behauptet der Arbeitgeber wahrheitswidrig Tatsachen, die die Agentur für Arbeit dazu veranlassen, eine Sperrzeit festzusetzen, kann dies Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers auslösen. Ausgangspunkt hierfür dürften nachvertragliche Rücksichtnahmepflichten sein, wie sie schlussendlich auch in §§ 241 Abs. 2, 242 BGB zum Ausdruck kommen. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des LAG Hessen im Urteil vom 17.7.20121 ist allerdings ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich anzulehnen, wenn die Agentur für Arbeit auf der Grundlage der Angaben des Arbeitgebers zu Recht eine Sperrzeit nach § 159 SGB III verhängt. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber mit diesen (wahrheitsgemäßen) Erklärungen von einer zuvor mit dem Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarung abweicht, diese Erklärung gegenüber der Agentur für Arbeit aber den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.
1
13 Sa 1053/11 n. v.
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Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien am 18.6.2009 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen. In der Präambel zu diesem Aufhebungsvertrag hieß es: Das … Arbeitsverhältnis wird im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitgebers aufgrund einer Betriebs- und Organisationsänderung und zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung mit Wirkung zum 31. März 2010 zu den nachstehenden Modalitäten aufgelöst … .
Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gab die Beklagte in der Arbeitsbescheinigung an, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt hätte, wenn der Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben worden wäre. Die Agentur für Arbeit verhängte deshalb eine Sperrzeit für den Zeitraum von 12 Wochen, die auf der Grundlage einer rechtskräftigen Entscheidung des SG Wiesbaden zu einem späteren Zeitpunkt auf sechs Wochen reduziert wurde. Der Kläger erlitt dadurch einen Ausfall an Arbeitslosengeld in Höhe von 2.292,36 €, deren Erstattung er nunmehr im Wege des Schadensersatzes von der Beklagten geltend machte. Nach Auffassung des LAG Hessen war ein solcher Zahlungsanspruch des Klägers weder als Schadensersatz für entgangenes Arbeitslosengeld noch im Wege einer Anpassung des Aufhebungsvertrags wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage gerechtfertigt. Dabei hat das LAG Hessen offen gelassen, ob die Beklagte tatsächlich gegen ihre in dem Aufhebungsvertrag vom 18.6.2009 übernommene Verpflichtung verstoßen hat, nur solche Angaben in der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III zu machen, die eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld verhindern. Entscheidend für das LAG Hessen war, dass dem Kläger kein Schaden entstanden ist, dessen Ersatz von der Rechtsordnung gebilligt werde. Der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die nach der Rechtsordnung kein Anspruch bestehe, stelle nämlich keinen ersatzfähigen Nachteil dar2. Niemand könne im Wege des Schadensersatzes mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen könne3. Da mit der rechtskräftigen Entscheidung des SG Hessen feststand, dass die Agentur für Arbeit zu Recht eine Sperrzeit von sechs Wochen verhängt hatte, war in Höhe des dadurch dem Kläger entgangenen Arbeitslosengeldes 2 3
So bereits BGH v. 6.7.2006 – XI ZR 88/02, BB 2006, 2215 Rz. 8; LAG Niedersachsen v. 24.3.2003 – 16 Sa 19/03, NZA-RR 2004, 46, Rz. 38. LAG Hessen v. 17.7.2012 – 13 Sa 1053/11 n. v. (Rz. 27).
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Sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche bei Entlassung
kein erstattungsfähiger Schaden entstanden. Da auch die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage keinen Ausgleich eines Nachteils rechtfertigen, den eine Vertragspartei nach der materiellen Rechtslage tragen solle, könne der Zahlungsanspruch auch insoweit nicht begründet werden. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie macht noch einmal deutlich, dass auch Vereinbarungen in einem Aufhebungsvertrag oder Vergleich keine Rechtsgrundlage dafür bieten, gegenüber der Arbeitsverwaltung Erklärungen abzugeben, die – entgegen der materiellen Rechtslage – Leistungsansprüche des Arbeitnehmers zur Folge haben. Das gilt auch bei einer Einbeziehung des Gerichts in die Vergleichsverhandlungen. Schlussendlich läge darin auch ein Betrug zu Lasten der Agentur für Arbeit, weil diese sonst Leistungen gewähren würde, auf die an sich kein Anspruch besteht. Dies kann eine Strafbarkeit der auf beiden Seiten des Arbeitsverhältnisses Beteiligten gemäß § 263 StGB zur Folge haben. (Ga)
2.
Sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche bei Entlassung trotz ordentlicher Unkündbarkeit
Folgt man der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit (Stand: 09/2012) zu § 159 SGB III, ist an sich von einer Sperrzeit in Bezug auf den Arbeitslosengeldanspruch auszugehen, wenn von Seiten des Arbeitnehmers eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung des Arbeitgebers hingenommen wird. Denn dies deute darauf hin, dass der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst habe, also ein leistungsschädlicher Beteiligungssachverhalt vorliege. Zu den Fallgestaltungen, in denen eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung vorliegen soll, werden dabei auch Sachverhalte gerechnet, in denen der Arbeitslose nach tarif- oder einzelvertraglichen Bestimmungen nur noch aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) kündbar war (GA 159.17 zu § 159 SGB III). In entsprechender Weise wird ein wichtiger Grund, der trotz Vorliegen eines Beteiligungssachverhalts gemäß § 159 Abs. 1 S. 3 SGB III einer Sperrzeit entgegenstehen kann, im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder einer Eigenkündigung abgelehnt, wenn der Arbeitnehmer unkündbar war (GA 159.102 zu § 159 SGB III). Von dieser Sichtweise wird die Bundesagentur für Arbeit abrücken müssen. Dies macht aktuelle Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg vom 19.2.20134, die durch Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das
4
L 13 AL 5131/11 n. v.
649
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
BSG am 18.6.20135 bestätigt wurde, deutlich. Denn nach diesen Entscheidungen ist davon auszugehen, dass bereits die ernste Absicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu entlassen, für die „Bedrohung von Arbeitslosigkeit im Sinne des § 17 SGB III“ ausreichend ist. Indizien dafür seien eine Anzeige über den Arbeitsausfall oder die namentliche Liste im Rahmen des Interessenausgleichs. Auf die Wirksamkeit der Kündigung komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Dies gilt auch bei einem Arbeitsverhältnis, dass der Arbeitgeber nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) kündigen kann. Konsequenz dieser Bewertung ist zunächst einmal, dass auch Arbeitnehmer, die auf der Grundlage einer individual- oder kollektivrechtlichen Regelung nur noch aus wichtigem Grund kündbar sind, bei entsprechender Absicht des Arbeitgebers einen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 110, 111 SGB III (Transfermaßnahmen/Transferkurzarbeitergeld) bzw. § 134 SGB III (erfolgsabhängige Pauschale bei Transfermaßnahmen) haben. Ausgangspunkt der entsprechenden Annahme der Sozialgerichte ist die Annahme, dass es keine Verpflichtung der Arbeitnehmer gebe, eine Kündigung durch Kündigungsschutzklage anzufechten und dadurch Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Hiervon müsse auch im Rahmen von § 111 SGB III ausgegangen werden, der auf die Bedrohung mit Arbeitslosigkeit abstelle. Auf die Möglichkeiten einer Gegenwehr komme es nicht an. Entsprechendes muss für § 159 SGB III gelten. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass es auch der Rechtsprechung des BAG entspricht, dass tarifvertraglich ordentlich unkündbare Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) mit einer Frist durch den Arbeitgeber gekündigt werden können, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht6. Die Hinnahme einer solchen Kündigung kann deshalb selbst dann keine Sperrzeit auslösen, wenn sich bei einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung herausgestellt hätte, dass keine Wirksamkeit der Kündigung gegeben war. In entsprechender Weise wird man das Vorliegen eines wichtigen Grundes für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder für eine Eigenkündigung im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 3 SGB III anerkennen müssen, wenn - eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist,
5 6
B 11 AL 41/13 B n. v. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 494 ff.
650
Rentenversicherungspflicht bei Berufsständischen Versorgungswerken
- die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche Gründe gestützt wird, die bei einem Verzicht auf die Kündigung ein sinnentleertes Vertragsverhältnis zur Folge gehabt hätten, und - diese Arbeitgeberkündigung zu demselben Zeitpunkt, zu dem das Beschäftigungsverhältnis aufgrund Aufhebungsvertrags oder Eigenkündigung geendet hat, oder zu einem früheren Zeitpunkt wirksam geworden wäre, - die Frist für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eingehalten wurde und - eine Abfindung von 0,5 Monatsgehältern, mindestens aber 0,25 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt wird.
Wenn eine höhere Abfindung gezahlt würde, müssten die weitergehenden Voraussetzungen der GA zu § 159 SGB III (159.105) berücksichtigt werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesagentur für Arbeit ihre Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III anpasst. Zu § 111 SGB III ist dies durch E-Mail-Info vom 30.8.20137 erfolgt. (Ga)
3.
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei Berufsständischen Versorgungswerken
Unter den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI genannten Voraussetzungen werden Beschäftige und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen derer sie Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (Berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Betroffen hiervon sind z. B. Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte. Wichtig für die Handhabe dieser Befreiung in der betrieblichen Praxis ist, dass das BSG mit drei Entscheidungen vom 31.10.20128 die Feststellung getroffen hat, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils nur auf die ihrer Erteilung zugrunde liegende „jeweilige“ Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist. Eine früher erteilte Befrei-
7 8
75110/75111/9031/9042/9043. B 12 R 5/10 R, NJW 2013, 1628 ff.; BAG v. 31.10.2012 – B 12 R 3/11 R, NJW 2013, 1624 ff.; BSG v. 31.10.2012 – B 12 R 8/10 R, NJW 2013, 1901 ff.
651
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
ung entfalte bei einem Wechsel der Beschäftigung hinsichtlich des neuen Beschäftigungsverhältnisses auch dann keine Wirkung, wenn hierbei dieselbe oder eine vergleichbare berufliche Tätigkeit verrichtet werde. Entgegen der bisherigen Praxis der Rentenversicherungsträger entfaltet eine in der Vergangenheit ausgesprochene Befreiung bei einem Arbeitgeberwechsel damit grundsätzlich keine Wirkung mehr. Dies gilt nach dem Wortlaut der Entscheidungen auch bei einer „berufsgruppenspezifischen“ Tätigkeit in den klassischen Berufsfeldern (z. B. Rechtsanwalt in Rechtsanwaltskanzlei, Arzt im Krankenhaus). Hiervon ausgehend ist der betrieblichen Praxis zu empfehlen, bei jeder Änderung der beruflichen Tätigkeit, die mit einem Arbeitgeberwechsel verbunden ist, eine erneute Feststellung der Befreiung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger herbeizuführen. Denn die Befreiung ergibt sich nach den Feststellungen des BSG nicht aus dem Gesetz. Vielmehr muss die Erstreckung der Befreiung – ebenso wie die ursprüngliche Befreiung selbst – vom Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt entschieden werden. Entsprechendes gilt dann, wenn die Tätigkeit ohne einen Arbeitgeberwechsel inhaltlich nicht unwesentlich verändert wird. Denn auch die Erstreckung einer für eine andere Beschäftigung erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine weitere, vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung setzt nach Maßgabe des BSG voraus, dass die ursprünglichen Befreiungsvoraussetzungen (Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) weiterhin vorliegen9. Wenn der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der neuen Beschäftigung gestellt wird, wirkt die Befreiung ab Beschäftigungsbeginn, sofern die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI genannten Voraussetzungen (weiterhin) vorliegen. Wird auf einen entsprechenden Antrag verzichtet, kann dies zur Folge haben, dass keine Befreiung in der Rentenversicherung mehr gegeben ist10. (Ga)
9 BSG v, 31.10.2012 – B 12 R 8/10 R, NJW 2013, 1901 1903 Rz. 26. 10 Eingehend hierzu Leßmann/Herrmann, DB 2013, 1114 ff.
652
Neue Beitragsgrößen der Sozialversicherung 2014
4.
Neue Beitragsgrößen der Sozialversicherung 2014 2013 West
2014 Ost
West
Ost
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Rentenversicherung) *
5.800
69.600
4.900
58.800
5.950
71.400
5.000
60.000
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Knappschaft) *
7.100
85.200
6.050
72.600
7.300
87.600
6.150
73.800
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Arbeitslosenversicherung)*
5.800
69.600
4.900
58.800
5.950
71.400
5.000
60.000
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
3.937,50
47.250
3.937,50
47.250
4.050
48.600
4.050
48.600
Versicherungspflichtgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
4.350
52.200
4.350
52.200
4.462,50
53.550
4.462,50
53.550
Bezugsgröße in der Sozial-
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
versicherung ***
2.695
32.340
2.275
27.300
2.765
33.180
2.345
28.140
Geringfügigkeitsgröße
EUR
EUR
EUR
EUR
450
450
450
450
cherung) *
cherung) **
*
Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.
**
Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.
***
In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar.
(Do) 653
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Abfindung - Altersdiskriminierung 231 ff., 609 ff. - Schwerbehinderte 231 ff., 609 ff. - Sozialplan 231 ff., 609 ff. - Widerspruch Betriebsübergang 279 f. Abgeltungsregelung, tariflicher Mehrurlaub 109 f. Ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff., 508 f., 605 ff. Ablösung, Gesamtzusage 164 f., 503 ff., 508 f. Abmahnung - Aufbewahrungsfristen 113 - außerordentliche Kündigung 113 - Beförderung 113 - berechtigte 113 - Betriebsratsmitglied 226 f., 228 ff. - betriebsverfassungsrechtliche 226 f. - Dokumentationsfunktion 113 - Entfernungsanspruch 113 - Personalakte 113 - Rügefunktion 113 - verhaltensbedingte Kündigung 113 - Versetzung 113 - Vertrauensbereich 113 - Warnfunktion 113 - Zeugnis 113 Abordnung, AÜG 331 ff. AEntG, Koalitionsvertrag 311 f.
AGB-Kontrolle - Anwendungsbereich 70 - Arbeitszeitverlängerung 70 - Ausschlussfrist 54 f., 57, 179 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 368 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 508 f. - Bezugnahmeklausel 180, 184 ff., 539 ff. - Einheitsregeln 195 ff., 508 f. - ergänzende Vertragsauslegung 532 - Ermessenstantieme 79 - Fortbildungskosten 527 ff. - Hauptleistungspflicht 70 - Preiskontrolle 70 - Rechtsvorschrift 70, 186 f. - Rückzahlungsklausel 43, 527 ff. - salvatorische Klausel 529 - Tarifvertrag 186 f. - ungerechtfertigte Bereicherung 43 - Weiterbildungskosten 527 ff. - Zieleinkommen 79 AGG-Änderung - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 329 - DIE LINKE 330 AktG, Frauenquote 5 f. Akzessorietät, Urlaubsgeld 99 f. Alkohol, Arbeitnehmerhaftung 41 f. Allgemeine Arbeitsbedingungen, ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff., 508 f. 655
Stichwortverzeichnis
Allgemeinverbindlicherklärung, Tarifvertrag 312 f. Ältere Arbeitnehmer - Diskriminierung 609 ff. - Erholungsurlaub 468 - Sozialplan 235 f., 238, 609 ff. Altersdiskriminierung - Abfindung 609 ff. - Arbeitszeit 605 ff. - Altersgrenze 506 f. - befristeter Arbeitsvertrag 535 - Berufsanfänger 347 ff. - Betriebsrente 172 ff., 524 ff. - Betriebsvereinbarung 605 ff. - Bewerber 31 ff., 350 f. - Erholungsurlaub 468 - Gleichbehandlungsanspruch 607 f. - Hochschulabsolvent 347 ff. - Rechtsfolge 607 f. - Sanktion 607 f. - Sonderleistung 95 - Sozialplan 231 ff., 261, 280, 284, 609 ff. - Stellenausschreibung 347 ff. - Trainee 347 ff. - Wartezeit 172 ff. Altersgrenze - Betriebsvereinbarung 200 f., 503 ff. - Diskriminierung 506 f. Altersgruppe - betriebliche Interessen 148 f. - Proportionalität 148 f. - Sozialauswahl 146 ff.; 148 f. Altersrente - Altersgrenze 323 - Bruttolohnprinzip 166 - Dienstzeitabhängigkeit 166 - gehaltsbezogene Zusage 166 - Koalitionsvertrag 323 656
Altersrente - langjährig Versicherte 323 - Minijobs 323 - Mütterrente 323 - Nettolohnprinzip 166 - Sozialplan 609 ff. Altersstruktur, Sozialauswahl 146 ff. Altersteilzeit - bisherige Arbeitszeit 446 ff. - Urlaubsanspruch 104 ff. Altersvorsorge - Besteuerung 289 f. - private 289 f., 326 Amtskonflikt, Interessenabwägung 142 Amtspflichtverletzung, Vertrauensperson 142 Änderungskündigung, betriebliche Übung 508 Anderweitiger Verdienst, Erholungsurlaub 459 Anerkenntnistarifvertrag - Betriebsübergang 541 ff. - Bezugnahmeklausel 541 ff. Anfechtbarkeit - Betriebsratswahl 209 f., 572 f., 578 - Einigungsstellenspruch 596 ff. Angemessenheit, Ausschlussfrist 180 Annahmeverzug, tarifliche Ausschlussfrist 55 f. Anpassung, Betriebsrenten 161 f. Anpassungsprüfung, Betriebsrenten 161 ff. Antidiskriminierungsstelle, Bericht 334 f. Anti-Stress-Verordnung 5 Apotheker, Sozialversicherung 651 f.
Stichwortverzeichnis
Arbeitgeber, Unterlassungsanspruch 594 f. Arbeitnehmerbegriff - BetrVG 579 ff. - Personalgestellung 204 ff. Arbeitnehmerdatenschutz → Datenschutz Arbeitnehmerfreizügigkeit, EURichtlinie 340 f. Arbeitnehmerhaftung 40 - Alkohol 41 f. - Billigkeitsgesichtspunkte 40 f. - grobe Fahrlässigkeit 40 - Fahrlässigkeit 40 ff. - Grundlagen 40 ff. - Höchstgrenze 40 - Pauschalbegrenzung 40 ff. - Quotierung 40 - Risikoprämie 41 - Schadensersatz 40 - Trunkenheit 40 - Vorsatz 40 f. Arbeitnehmerüberlassung - Arbeitgeberwechsel 10, 48 - Arbeitnehmerbegriff 204 ff. - Arbeitsentgelt 179 ff. - Arbeitskampf 315 - Arbeitsschutz 317 - Arbeitsvermittlung 10 - Arbeitsvertrag Entleiher 384 ff. - Aufwendungsersatz 181, 296 - Ausschlussfrist 179 ff., 397 ff. - Beratung Betriebsrat 10 - Betriebsänderung 133 ff. - betriebsbedingte Kündigung 133 ff., 488 ff. - Betriebsbegriff 132 f. - Betriebsratsgröße 579 ff. - Betriebsübergang 128, 130 f. - BetrVG 315
Arbeitnehmerüberlassung - Bezugnahmeklausel 7, 181, 388 ff. - CGZP 179 ff. - dauerhafte 48, 384 ff. - DGB-Gewerkschaften 182 ff., 388 ff. - Differenz 179 ff. - Einstellung 48, 599 ff. - Equal-Pay 6 f., 179 ff., 315, 394 ff. - Equal-Treatment 6 f., 179 ff. - Fahrtkosten 396 - Freistellung Betriebsratmitglieder 583 - Gewerkschaften 7 - Indizien 374 ff. - Interessenausgleich 133 ff. - Kennzeichnung 9 f., 15, 371 ff. - Kleinbetrieb 132 f. - Koalitionsvertrag 314 f. - Konzern 48 - Leiharbeit 179 ff. - Massenentlassung 128 ff. - mehrgliedriger Tarifvertrag 388 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 599 ff. - öffentlicher Dienst 204 ff. - Ordnungswidrigkeit 10 - Personalgestellung 331 ff. - Personalplanung 10 - Personalreserve 134 f. - Rechtsmissbrauch 48, 361 ff. - Sanktion 384 ff. - Schwellenwerte 315, 579 ff., 583 ff. - Sozialversicherungspflicht 179 ff. - Spesen 396 - Streik 315 657
Stichwortverzeichnis
Arbeitnehmerüberlassung - Tariffähigkeit 182 ff. - Tarifvertrag 6 f., 179 ff. - unbefristete 48, 384 ff. - unerlaubte 48 - Unternehmensmitbestimmung 589 ff. - Unterrichtung Betriebsrat 10 - Verjährungsfrist 179 ff., 399 f. - Vermittlungsquote 7 - Vermutung 9 f. - vorübergehende 48, 384 ff. - Werkvertrag 316 f. Arbeitsentgelt - betriebliche Übung 76, 507 ff. - Sabbatical 423 - Sittenwidrigkeit 70 Arbeitsgerichtsbarkeit, GmbHGeschäftsführer 63 Arbeitskampf - E-Mail-Adressen 594 ff. - Streikaufruf 595 ff. - Unterlassungsanspruch Arbeitgeber 595 ff. Arbeitslosengeld - Aufhebungsvertrag 649 ff. - außerordentliche Kündigung 649 ff. - Sperrzeit 647 ff. Arbeitslosenversicherung, BBG 653 Arbeitsmittelnachweis - Betriebsrat 218 - Mitbestimmung 218 Arbeitspflicht, Behinderung 405 Arbeitsschutz - Anti-Stress-Verordnung 5 - Arbeitsministerkonferenz 4 f. - Behinderung 405 - Führungskraft 400 ff. - Gesundheitsbegriff 3 658
Arbeitsschutz - Haftung 400 ff. - Haftungsbeschränkung 401 - IG-Metall 5 - Koalitionsvertrag 322 f. - Leiharbeit 317 - psychische Belastung 2 ff., 324 f. - Werkvertrag 317 Arbeitsunfähigkeit, Urlaubsabgeltungsanspruch 109 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 52 - Vorlage 52 Arbeitsverhalten - Laufzettel 218 - Mitbestimmung 217 f. - Standardisierung 219 Arbeitsvermittlung 10 Arbeitsvertrag - Abhängigkeit 374 - Abrechnung 374 - Arbeitsabläufe 377 - Arbeitszeit 376 f. - Auftragserteilung 375 - Ausschlussfrist 357 ff. Arbeitsvertrag, Ausschlussfrist 57 Arbeitsvertrag, Besteuerung 379 Arbeitsvertrag, Betriebsmittel 375 - betriebsvereinbarungsoffener 507 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. - deklaratorische Regelung 436 f. - Eingliederung 376 - Freiwilligkeitsvorbehalt 451 f. - GmbH-Geschäftsführer 63 - Haftung 376 - Indizien 374 ff. - persönliche Leistungspflicht 377 - räumliche Nähe 378
Stichwortverzeichnis
Arbeitsvertrag - Risikostruktur 378 - Sozialversicherung 379 - Vertragsinhalt 371 ff., 380 - Weisungsrecht 380 - wirtschaftliche Abhängigkeit 374 - Wochenarbeitszeit 436 f. - zweistufige Ausschlussfrist 57 Arbeitszeit - Arbeitsvertrag 436 f. - bisherige 446 ff. - Dienstvertrag 376 f. - innerbetriebliche Wegezeiten 68 ff. - Umkleidezeit 67 ff. - Vertrauensarbeitszeit 431 ff. - Werkvertrag 376 f. Arbeitszeitverlängerung - AGB-Kontrolle 70 - Sittenwidrigkeit 70 Arbeitszeitverringerung, Elternzeit 73 Arbeitszeugnis → Zeugnis Arzt, Sozialversicherung 651 f. AT-Angestellte, Betriebsrente 520 ff. Aufbewahrungsfrist, Abmahnung 113 Auffanggesellschaft, Betriebsübergang 261 Aufhebungsvertrag - Abgrenzung Befristung 533 f. - Arbeitslosengeld 649 ff. - Kennzeichnung 533 f. - Transferkurzarbeitergeld 649 ff. Auflösende Bedingung - Bedingungskontrollklage 38 - Beendigungsmitteilung 39 - Erwerbsminderung 37 ff.
Auflösungsantrag, leitender Angestellter 152 ff. Aufsichtsrat - Frauenquote 25 f., 318 - Quotenregelung 5 f. Aufsichtsratswahl - gemeinsamer Betrieb 588 ff. - Wahlrecht 588 ff. Auftragsdatenverarbeitung, Datenschutz 408 f. Auftragsnachfolge, Betriebsübergang 252 f. Aufwendungsersatz, Leiharbeitnehmer 181 AÜG - Abordnung 331 ff. - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 330 - öffentlich-rechtliche Körperschaft 331 ff. Ausgleichsklausel, Urlaubsanspruch 460 ff. Ausgliederung → Outsourcing Auskunftsanspruch - Bewerber 351 ff. - Diskriminierung 351 ff. Auskunftserteilung, Wettbewerbsverbot 58 Ausland - Datenschutz 412 - freier Arbeitsplatz 487 f. Auslauffrist - außerordentliche betriebsbedingte Kündigung 139, 494 ff. - außerordentliche personenbedingte Kündigung 139 - verhaltensbedingte Kündigung 138 f. - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 138 f., 494 ff. 659
Stichwortverzeichnis
Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 54 f., 57, 180, 357 ff. - Angemessenheit 180 - Arbeitsvertrag 57, 357 ff. - Beginn 180 - Bestandsschutzklage 54 ff. - Betriebsübergang 276 ff., 642 ff. - Bezugnahmeklausel 184 ff. - Entfristungsklage 54 ff. - Equal-Pay 397 ff. - Haftung für Vorsatz 357 ff. - Kündigungsschutzklage 54 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tarifvertrag 184 ff. - Urlaubsanspruch 460 ff. - Widerspruch Betriebsübergang 642 ff. Ausschlussverfahren, Betriebsratsmitglied 228 Außerordentliche Kündigung, Zwei-Wochen-Frist 503 Außerordentliche Kündigung - Abmahnung 113 - Arbeitslosengeld 649 ff. - Aufhebungsvertrag 649 ff. - betriebsbedingte 139, 494 ff. - Betriebsratsanhörung 498 - Betriebsratsmitglied 136 ff., 213, 228 - Beweislast 498 - Darlegungslast 498 - Dauertatbestand 498 f. - Ersatzmitglied 228 ff. - Fremdvergabe 494 ff. - Outsourcing 494 ff. - Rauchverbot 230 - Social Media 418 f. - Sperrzeit 649 ff. - Umdeutung 137 f. 660
Außerordentliche Kündigung - unternehmerische Entscheidungsfreiheit 496 ff. - Verdachtskündigung 499 ff. - Zwei-Wochen-Frist 498 f. Auswahlrichtlinie, Sozialauswahl 492 ff. BBG-Änderung, Betriebsrente 520 ff. BDSG, Neufassung 1 f. Bedingungskontrollklage, auflösende Bedingung 38 Beendigungsmitteilung, auflösende Bedingung 39 Befristeter Arbeitsvertrag - Abgrenzung Aufhebungsvertrag 533 f. - AGB-Kontrolle 368 ff. - Altersdiskriminierung 535 - Betriebsratmitglied 364 ff. - Ersatzmitglied 366 - EU-Richtlinie 360 - gedankliche Vertretung 35 ff. - Gesamtvertretungsbedarf 37 - Koalitionsvertrag 313 - Konzern 364 - Leiharbeitnehmer 361 ff. - mittelbare Vertretung 35 f. - Probezeit 368 ff. - Rechtsmissbrauch 361 ff. - Rentner 532 ff. - sachgrundloser 333, 361 ff. - sachlicher Grund 35 ff. - überraschende Klausel 368 ff. Begünstigungsverbot, Betriebsratsmitglied 137 Beherrschungsvertrag, Sozialplan 624, 627 ff. Behinderung - Abfindung 609 ff.
Stichwortverzeichnis
Behinderung - Arbeitspflicht 405 - Arbeitsschutz 405 - Betriebsübergang 231 ff. - Bewerber 33 f. - Direktionsrecht 405 - Diskriminierung 33 f., 609 ff. - EU-Recht 403 ff. - Kennzeichnung 403 ff. - Krankheit 403 ff. - Kündigung 278, 405 - Schwerbehindertenquote 34 - Sozialplan 231 ff., 609 ff. - Sozialplanabfindung 231 ff. - Übereinkommen der Vereinten Nationen 403 ff. Beitragsbemessungsgrenze, Sozialversicherung 653 Beitragszeiten - Geschlechtsdiskriminierung 170 ff. - Gleichbehandlungsgrundsatz 170 ff. - mittelbare Diskriminierung 171 - Rentenversicherung 169 ff. - Teilzeitbeschäftigung 169 ff. Belastung, psychische 2 ff. Berater - Betriebsänderung 234, 239, 242 - Betriebsrat 239 ff. Berechnungsdurchgriff 513 ff. - Betriebsrente 618 - Konzern 513 ff. - Sozialplan 618, 625 Berechnungsfaktoren, Altersversorgung 166 Berufsanfänger, Diskriminierung 31 ff. Berufsbildung - Ausbildungsträgner 604 - betriebliche 602 ff.
Berufsbildung - Einigungsstelle 603 Berufsständisches Versorgungswerk, Befreiung 651 f. Beschäftigtendatenschutz → Datenschutz Beschäftigung - abhängige 12 - sozialversicherungspflichtige 12, 14 - Vermutung 12 Beschäftigungsgesellschaft, Betriebsübergang 260 ff., 266 Bescheid, Rentenversicherungsträger 38 Besitzstand, Versorgungszusage 163 Bestandsschutzklage - Ausschlussfrist 54 ff. - tarifliche Ausschlussfrist 54 ff. - zweistufige Ausschlussfrist 54 ff. Betrieb, Kündigungsschutz 142 ff. Betriebliche Altersversorgung - ablösende Betriebsvereinbarung 518 - Altersdiskriminierung 172 ff., 524 ff. - Änderung 161 ff., 516 ff. - Anpassung 161 f., 513 ff. - Anpassungsprüfung 161 ff. - BBG-Änderung 520 ff. - Berechnungsdurchgriff 513 ff., 618 - Berechnungsfaktoren 166 - Besitzstand 516 - Betriebszugehörigkeitsdauer 172 ff. - Drei-Stufen-Theorie 516 f. - Durchgriffshaftung 514 - erdiente Dynamik 516 661
Stichwortverzeichnis
Betriebliche Altersversorgung - Gesamtbetriebsvereinbarung 165 f. - Geschlechtsdiskrimninierung 524 ff. - gespaltene Rentenformel 520 ff. - Koalitionsvertrag 323 - Konzern 513 ff. - Mindestalter 524 - Portabilität 339 - sachlich-proportionale Gründe 516 - Solvency II 339 - Störung Geschäftsgrundlage 522 f. - Teuerungsausgleich 162 f. - triftige Gründe 516 - Übergangsregelung 522 - Unverfallbarkeit 172 ff., 524 ff. - Unverfallbarkeitsfristen 340 - Versorgungsrichtlinien 162 f. - vertragliche Einheitsregelung 162 f. - Vorschaltzeit 172 ff. - Wartezeit 172 ff., 339 - Zuwachsraten 516 - zwingende Gründe 516 Betriebliche Interessen, Altersgruppe 148 f. Betriebliche Übung - Ablösung 508 f. - Änderungskündigung 508 - Arbeitsentgelt 76, 507 ff. - Begriff 76 - Betriebsvereinbarung 508 - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff., 507 ff. - Entstehung 76 - Kennzeichnung 76 - übertarifliche Leistung 76 - Wegezeitvergütung 69 662
Betrieblicher Grund, Teilzeitanspruch 75, 313 f. Betriebsänderung - Kennzeichnung 631 ff. - Berater 234, 239, 242 - Betriebsübergang 11 - Diskriminierung 232 f., 235 - Durchführungsanspruch 632 f. - Fremdvergabe 11, 15 - Gesamtbetriebsrat 244 ff. - Leiharbeitnehmer 133 ff. - Nachteilsausgleichspflicht 631 ff. - Namenliste 142 ff., 147 f. - Outsourcing 11, 317 - Schwellenwerte 245 Betriebsbedingte Kündigung - Ausland 487 f. - freier Arbeitsplatz 133 ff., 487 f. - Fremdvergabe 494 ff. - Konzerndirektionsklausel 284 - Leiharbeitnehmer 133 ff. - Massenentlassung 474 ff. - Outsourcing 494 ff. - Personalreserve 134 f. - Vertretungskraft 134 f. - Zeitarbeit 488 ff. Betriebsbegriff - BetrVG 475 f. - KSchG 475 f., 488 ff. - Massenentlassung 475 f. - Sozialauswahl 142 ff., 488 ff. Betriebsgröße, Massenentlassung 128 ff. Betriebsmittel - Arbeitsvertrag 375 - Betriebsübergang 247 ff., 265 ff. - Dienstvertrag 375 - Werkvertrag 375 Betriebsorganisation, Betriebsübergang 246 ff.
Stichwortverzeichnis
Betriebsrat - Arbeitsmittelnachweis 218 - Berater 239 ff. - D&O Versicherung 243 - Datenschutz 223 ff. - Formularnachweis 218 f. - Freistellung 206 ff. - Freistellungsanspruch 240 - Kostenerstattungsanspruch 239 - Leiharbeitnehmer 2 ff., 315, 579 ff. - Massenentlassung 475 f., 477 f. - Neutralitätsgebot 594 - Restmandat 279, 283 - Sachverständige 239 - Streikaufruf 595 ff. - Teilrechtsfähigkeit 240 - Unterlassungsanspruch 217 f. - Wahlberechtigung 202 ff. - Zutrittsberechtigungen 218 Betriebsratsmitglied - Abmahnung 226 f., 228 ff. - Anwesenheitspflicht 593 f. - Ausschlussverfahren 228 - außerordentliche Kündigung 136 ff., 213, 228 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 364 ff. - Begünstigungsverbot 137 - Erholungsurlaub 228 ff. - Freistellung 591 ff. - fristlose Kündigung 136 ff. - Haftung 239, 241 ff. - Kündigung mit Auslauffrist 137 f. - Sonderkündigungsschutz 136 ff. - Streikaufruf 594 ff. - Verhinderungsfall 229 - Vertretungsbefugnis 240 ff - Zeiterfassung 591 ff. Betriebsratsanhörung - E-Mail 210
Betriebsratsanhörung - rechtsgeschäftsähnliche Handlung 211 f. - schriftliche Information 210 - subjektive Determination 211 - vertrauensvolle Zusammenarbeit 213 - Vollmachtsurkunde 210 ff. - Vollmachtsvorlage 210 ff. - Willenserklärung 211 Betriebsratsarbeit, Kontinuität 138 Betriebsratsbeschluss - Betriebsvereinbarung 559 ff. - Einladung 559 ff. - Formerfordernisse 559 ff. - Tagesordnung 559 ff. - Wirksamkeitsvoraussetzung 559 ff. Betriebsratsgröße, Leiharbeitnehmer 206 ff., 579 ff. Betriebsratsstruktur - Arbeitnehmerinteressen 564 - Betriebsratsbildung 564 - Betriebsvereinbarung 569 f. - Gesamtbetriebsrat 567 - Konzernwirtschaftsausschuss 567 - Spartenbezug 565 ff. - Sperrwirkung Tarifvertrag 569 f. - Tarifvertrag 118, 121 f., 562 ff. - Unternehmensbezug 563 - Zuordnungstarifvertrag 562 ff. Betriebsratswahl 570 ff. - Anfechtbarkeit 209 f., 578 - Anfechtung 572 f. - Frauenquote 570 ff. - Geschlechterquote 570 ff. - Gewerkschaftsliste 573 ff. - Minderheitengeschlecht 570 ff. - Nichtigkeit 578 - Prüfungspflicht 576 663
Stichwortverzeichnis
Betriebsratswahl - Vorschlagsliste 574 f. - Wahlvorschlag 574 ff. - Wahlvorstandsbildung 577 ff. Betriebsrente → Betriebliche Altersversorgung Betriebsrentenanpassung - Berechnungsdurchdriff 513 ff. - Eigenkapitalausstattung 168 - handelsrechtlicher Jahresabschluss 168 f. - IFRS 167 ff. - Kaufkraftentwicklung 167 - Konzern 513 ff. - Umlaufrendite 168, 513 Betriebsrentenzusage, Verschlechterung 167 Betriebsübergang - Anerkenntnistarifvertrag 541 ff. - Arbeitnehmer 231, 240, 247 ff. - Auffanggesellschaft 261 - Auftragsnachfolge 252 f. - Ausschlussfrist 276 ff., 642 ff. - Beschäftigungsgesellschaft 260 ff. - Betriebsänderung 11 - Betriebsidentität 246, 248, 250 f., 254 f. - Betriebsmittel 247 ff., 265 ff. - betriebsmittelarm 249, 259 - betriebsmittelreich 249, 259 - Betriebsorganisation 246 ff. - Betriebszweck 254 - Bewachungsgewerbe 250 - Bezugnahmeklausel 537 ff., 541 ff., 638 ff. - Branchenwechsel 638 ff. - Dienstleistungen 252 - Dienstvertrag 270 - Direktionsrecht 634 664
Betriebsübergang - dynamische Bezugnahmeklausel 638 ff. - Fortsetzung 247, 255 ff., 268 - Funktionsnachfolge 252, 259 - Gesamtschuld 275 f. - Gesamtwürdigung 247, 252 - große dynamische Bezugnahmeklausel 537 ff. - Günstigkeitsprinzip 552 ff. - Haftung Betriebserwerber 239 ff., 267 - Haftung Veräußerer 247 f. - Haftung 239 ff., 267 - Insolvenz 260 ff., 275 ff. - Insolvenzgeld 275 f. - Integrationsamt 278 f. - Interessenausgleich 636 f. - IT-Service-Techniker 521 - Kennzeichnung 244, 246 - kleine dynamsiche Bezugnahmeklausel 540 f. - Kündigung 278 ff. - Leiharbeitnehmer 128, 130 f., 363 f. - organisatorische Einheit 248, 270 - Outsourcing 11, 15 - Qualifizierungsgesellschaft 260 ff., 266 - Rechtsgeschäft 247, 255 - Rechtsmissbrauch 645 f. - Restmandat 279 - Sachgruppenvergleich 552 ff. - schrittweiser 269 f. - Schwerbehinderte 231 ff. - Seeleute 341 ff. - Sozialauswahl 637 - Sozialplan 11 - Stilllegung 253 ff., 283 f. - Tarifvertrag 552 ff., 638 ff.
Stichwortverzeichnis
Betriebsübergang - Tarifwechselklausel 539 ff. - Transfergesellschaft 261 f., 266 - Übergangsmandat 283 f. - Umgehung 246, 259, 264 - Umwandlung 271 ff., 544 ff. - Unterbrechung 247, 253 - unternehmerische Freiheit 641 - Verkauf 249 - Vermeidung 279 ff. - Verpachtung 249 - Voraussetzungen 249 - Werkvertrag 249 - Widerspruch 279 f., 284 f., 637, 645 f. - Zeitpunkt 247, 253 ff., 260 f., 265 ff., 273 ff. - Zuordnung Arbeitnehmer 633 ff. Betriebsvereinbarung - ablösende 195 ff., 508 f., 605 ff. - Altersgrenze 200 f.; 503 ff. - Änderung 516 ff. - Auswahlrichtlinie 492 ff. - betriebliche Übung 508 - Betriebsratsbeschluss 559 ff., 562 - Betriebsratsstruktur 569 f. - Betriebsrente 516 ff. - Datenschutz 1 f., 409 f., 337 - Datenschutz-Grundverordnung 337 - Drei-Stufen-Theorie 516 f. - Durchführungsanspruch 597 f., 632 f. - Günstigkeitsprinzip 195 ff., 200 f., 504 ff. - Inhaltskontrolle 504 f. - Rechtskontrolle 504 f. - Sonderleistung 195 ff. - Versorgungszusage 163 ff.
Betriebsvereinbarungsoffenheit, Arbeitsvertrag 195 ff., 507 ff. Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung 226 f. Betriebszugehörigkeit, Wahlberechtigung 202 ff. Betriebszweck, Betriebsübergang 254, 257, 267, 272 BetrVG - Arbeitnehmerbegriff 579 ff. - Betriebsbegriff 475 f. - Schwellenwerte 204 ff., 315, 579 ff. Bewerber - Absage 34 - Altersdiskriminierung 31 ff., 347 ff. - Auskunftsanspruch 351 ff. - Behinderung 33 f. - Diskriminierung 33 f. - Schwerbehindertenquote 34 Bezugnahmeklausel - AGB-Kontrolle 180, 184 ff., 539 ff. - Anerkenntnistarifvertrag 541 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 7, 388 ff. - Ausschlussfrist 184 ff. - Betriebsübergang 541 ff. - Branchenwechsel 537 f., 638 ff. - dynamische 638 ff. - große dynamische 537 ff. - Kollisionsregel 390 ff. - Leiharbeit 388 ff. - Leiharbeitnehmer 181 - mehrgliedriger Tarifvertrag 388 ff. - nachwirkender Tarifvertrag 184 ff. - Tarifvertrag 181 - Tarifwechsel 187 ff. 665
Stichwortverzeichnis
Bezugnahmeklausel - Tarifwechselklausel 539 ff. - Transparenz 181, 390 ff. - Zeitarbeit 388 ff. Bezugsdauer, Kurzarbeitergeld 325 Bezugsgröße, Sozialversicherung 653 Billiges Ermessen, Sonderleistung 79, 88 Billigkeitsgesichtspunkte, Arbeitnehmerhaftung 40 f. Binding Corporate Rules, Datenschutz 412 Blockmodell, Urlaubsanspruch 104 ff. Bonus → Sonderleistung Bruttolohnprinzip, Altersrente 166 Bruttomethode, Pfändung 427 ff. CGZP - Equal-Treatment 179 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tariffähigkeit 179 ff. Charta der Grundrechte, Urlaubsanspruch 102 f. Cloud-Computing 23 ff. - Cyberkriminalität 25 - Datenschutz-Grundverordnung 24 - Drittstaaten 24 - Verschlüsselung 24 - Zertifizierungsverfahren 23 Cyperkriminalität 25 D&OVersicherung, Betriebsrat 243 Darlegungslast, Überstunden 439 f. Daten, personenbezogene 1 f. Datenschutz - Admin-Funktion 407 - Arbeitsvertragsbezug 407 f. 666
Datenschutz - Auftragsdatenverarbeitung 408 f. - Ausland 410, 412 - Betriebsrat 223 ff. - Betriebsvereinbarung 1 f., 409 f. - Binding Corporate Rules 412 - Cloud-Computing 23 ff. - Compliance 408 - Datenschutzbeauftragter 338 - Datenschutz-Grundverordnung 337 f. - Einwilligung 337, 410 f. - EU-Recht 337 ff. - EU-Standardvertrag 412 - Koalitionsvertrag 319 f. - Konzern 337 f., 406 ff. - Konzernbetriebsvereinbarung 409 f. - Löschungspflicht 113 - Matrix-Struktur 407 - Mitbestimmung Betriebsrat 410 ff. - Personalakte 113 - Personalentwicklung 408 - Safe Harbour 412 - Screening 337 - Shared-Service-Einheit 406 ff. - Skill-Datenbank 408 - Trennungsgebot 409 Datenschutzbeauftragter, Datenschutz-Grundverordnung 338 Datenschutz-Grundverordnung 337 ff., 344 - Betriebsvereinbarung 337 - Cloud-Computing 24 - Datenschutzbeauftragter 338 - Einwilligung 337 - E-Mail 337 - Intranet 337 - Konzern 337 f.
Stichwortverzeichnis
Datenschutz-Grundverordnung - Screening 337 - Tarifvertrag 337 - Zeitplan 338 f. Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung 48, 384 ff. DCGK, Vorstandsvergütung 319 DGB-Gewerkschaften, Tariffähigkeit 182 ff. Dienstleistungsvertrag, Betriebsübergang 11 Dienstvertrag - Abhängigkeit 374 - Abrechnung 374 - Arbeitsabläufe 377 - Arbeitsort 378 - Arbeitszeit 376 f. - Auftragserteilung 375 - Besteuerung 379 - Betriebsmittel 375 - Eingliederung 376 - GmbH-Geschäftsführer 63 - Haftung 376 - Indizien 374 ff. - Kennzeichnung 371 ff. - Missbrauch 8 ff. - Öffnungszeiten 377 - persönliche Leistungspflicht 377 - Risikostruktur 378 - Risikoverteilung 374 f. - Sozialversicherung 379 - Vertragsinhalt 371 ff., 380 - Weisungsrecht 380 - wirtschaftliche Abhängigkeit 374 Dienstzeitabhängigkeit, Altersrente 166 Differenzierungsklausel, Tarifvertrag 191 ff. Direktionsrecht - Behinderung 405
Direktionsrecht - Mitbestimmung 217 f. - Sozialauswahl 489 Diskriminierung - Auskunftsanspruch 351 ff. - Behinderung 33 f., 403 ff. - Berufsanfänger 31 ff. - Betriebsänderung 232 f., 235 - Betriebsrente 172 ff. - Beweislast 351 ff. - Bewerber 33 f. - Darlegungslast 351 ff. - Geschlecht 320 ff. - Gleichbehandlungsanspruch 607 f. - Indizien 34 - Koalitionsfreiheit 191 - Sanktion 607 f. - Schwangerschaft 356 f. - Schwerbehindertenquote 34 - Schwerbehinderung 609 ff. - Unverfallbarkeitsfristen 524 ff. - Vorstellungsgespräch 33 f - Wartezeit 172 ff. Dokumentationsfunktion, Abmahnung 113 Drei-Stufen-Theorie 516 ff. DrittelbG - Frauenquote 318 - Leiharbeitnehmer 315, 583 ff. Durchführungsanspruch - Betriebsvereinbarung 597 ff. - Interessenausgleich 632 f. Durchgriffshaftung 514 Dynamische Verweisung, vertragliche Einheitsregelung 163 f. Effektiver Rechtsschutz, tarifliche Ausschlussfrist 55 f.
667
Stichwortverzeichnis
Eigenkapitalausstattung, Betriebsrentenanpassung 168 Einheitliches Arbeitsverhältnis, Kündigung 154 f. Einheitsregeln - ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff. - AGB-Kontrolle 195 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. Einigungsstelle - Berufsbildung 603 - Sozialplan 596 ff. - Zuständigkeit 219 f. Einigungsstellenspruch - Anfechtung 596 ff. - Durchführungsanspruch 597 ff. Einstellung - Fremdpersonal 16 - Leiharbeit 48, 599 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 11, 16, 599 ff. - Personal 11 Einstellungsbefugnis 153 f. Einstiegsgehalt, Mitbestimmung Betriebsrat 219 ff. Einwilligung, Datenschutz 337, 410 f. Elternzeit - Arbeitszeitverringerung 73 - Konsensverfahren 445 f. - Teilzeit 73, 314, 443 ff. - Verringerung Arbeitszeit 443 ff. E-Mail, Betriebsratsanhörung 210 Entfernungsanspruch, Abmahnung 113 Entfristungsklage, Ausschlussfrist 54 ff. Entgeltdiskriminierung, Geschlecht 320 ff. Entgeltfortzahlung, Feiertag 454 f. 668
Entgeltgleichheit, FDP 330 Entgeltgleichheitsgesetz 321 f. - SPD 330 Entlassungsbefugnis 153 f. Entscheidung 133 f. Equal-Pay - Arbeitnehmerüberlassung 6 f., 394 ff. - Aufwendungsersatz 179 ff., 396 - Ausschlussfrist 397 ff. - Darlegungslast 396 f. - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Inhalt 395 f. - Kennzeichnung 395 f. - Leiharbeit 179 ff. - Spesen 396 - Tarifvertrag 184 - Verjährung 399 f. Equal-Treatment - Arbeitnehmerüberlassung 6 f. - Aufwendungsersatz 179 ff. - CGZP 179 ff. - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Leiharbeit 179 ff. - Tarifvertrag 184 Ergänzende Vertragsauslegung, AGB-Kontrolle 532 Ergebnisabführungsvertrag, Sozialplan 624, 627 ff. Erholungsurlaub - 15-Monats-Frist 110 - ältere Arbeitnehmer 468 - Altersdiskriminierung 468 - Altersteilzeit 104 ff. - anderweitiger Verdienst 459 - Arbeitsunfähigkeit 110 - Arbeitszeitänderung 464 ff. - Ausgleichsklausel 460 ff. - Ausschlussfrist 460 ff. - Befristung 456 - Betriebsratsmitglied 228 ff.
Stichwortverzeichnis
Erholungsurlaub - Blockmodell 104 ff. - Charta der Grundrechte 102 f. - einheitlicher Anspruch 99 f. - Erkrankung 98, 108 - Erwerbstätigkeit 62 - EU-Arbeitszeitrichtlinie 110 - Feiertag 452 ff. - Freistellung 458 f. - Freistellungsphase 105 ff. - Kurzarbeit 100 ff. - Quotierung 464 ff. - ruhendes Arbeitsverhältnis 104 f. - Sabbatical 423 f. - Schadensersatz 456 ff. - Teilzeitarbeit 101 ff., 464 ff. - Tilgung 97 ff. - Übertragungszeitraum 109, 110 - unwiderrufliche Freistellung 62 f. - Zwölftelung 107 Erkrankung, Urlaubsanspruch 98 f., 108 Ersatzmitglied - außerordentliche Kündigung 228 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 366 - Nachrücken 229 Erwerbsminderung, auflösende Bedingung 37 ff. Erwerbsminderungsrente, Rentenversicherungsträger 38 Erwerbstätigkeit, Urlaub 62 EU-Kommission - Arbeitsprogramm 343 ff. - Cloud-Computing 23 f. EU-Portabilitätsrichtlinie 339 f. EU-Richtlinie - Altersdiskriminierung 231 ff.
EU-Richtlinie - Arbeitnehmerfreizügigkeit 340 f. - Arbeitszeit 110, 456 - befristeter Arbeitsvertrag 360, 364 ff. - Betriebsübergang 246 f., 249, 252 ff., 268 ff., 342 - Erholungsurlaub 110, 456 - Europäische Betriebsräte 342 - Frauenquote 25 ff. - Gleichbehandlung 403 - Leiharbeit 586 - Massenentlassung 130, 342, 474 ff. - Schwerbehinderte 231 ff., 403 f. - Unterrichtung und Anhörung Arbeitnehmer 342 - Zahlungsunfähigkeit Arbeitgeber 342 - Zahlungsunfähigkeit, Seeleute 341 ff. Europäischer Betriebsrat, Seeleute 341 ff. EU-Standardvertragsvereinbarung, Datenschutz 412 Facebook → Social Media Faktischer Konzern, Sozialplan 624 ff. Fälligkeit, Urlaubsabgeltung 108 f. Feiertag - Entgeltfortzahlung 454 f. - Tarifvertrag 454 - Urlaub 452 ff. Firmentarifvertrag - Spaltung (§ 123 UmwG) 544 ff. - Tarifkonkurrenz 187 ff. Formulararbeitsvertrag, Versorgungszusage 163 f.
669
Stichwortverzeichnis
Formzwang, Zustimmungserklärung 213 Fortbildungskosten, Rückzahlung 43 527 ff. Fragerecht Arbeitgeber, Gewerkschaftszugehörigkeit 557 f. Frauenquote - Aufsichtsrat 5 f., 25 f., 318 - Betriebsratwahl 570 ff. - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 329 - DIE LINKE 329 - EU-Richtlinie 25 ff. - Führungskräfte 318 - Geschäftsführung 6, 25 f. - Koalitionsvertrag 318 - Selbstverpflichtung 26 - SPD 329 - Vorstand 6, 25 f., 318 Freie Mitarbeit - Kennzeichnung 371 f. - Vertragsinhalt 371 ff., 380 Freier Arbeitsplatz - Ausland 487 f. - Kündigung 487 f. - Leiharbeitnehmer 133 ff. Freistellung - Vergütungsfortzahlung 62 f. - anderweitiger Verdienst 459 - Anwesenheitspflicht 593 f. - Betriebsratsmitglied 591 ff. - Leiharbeitnehmer 206 ff.; 583 - Urlaubsanspruch 458 f. - Wettbewerbsverbot 58, 460 - Widerruflichkeit 458 ff. Freistellungsphase - Urlaubsabgeltung 105 ff. - Urlaubsanspruch 105 ff. - Urlaubsverbrauch 107 f. Freiwilligkeitsvorbehalt - Arbeitsvertrag 451 f. 670
Freiwilligkeitsvorbehalt - Intransparenz 450 - Kennzeichnung 449 - Sonderleistung 88, 448 ff. - Widerrufsvorbehalt 450 f. - Widerspruch 451 - wiederkehrende Zahlung 449 f. Fremdpersonal - Einstellung 11 - Kennzeichnung 371 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 10 f. Fremdvergabe - Betriebsänderung 11, 15 - Betriebsübergang 11, 15 Fristlose Kündigung → außerordentliche Kündigung Führungskraft - Arbeitsschutz 400 ff. - Vergütung 319 Funktionsnachfolge, Betriebsübergang 252, 259 Gedankliche Vertretung - Ausübungskontrolle 37 - befristeter Arbeitsvertrag 35 ff. - Inhaltskontrolle 37 Gefährdungsanalyse 3 - Dokumentation 3 f. - Kleinunternehmen 3 f. - psychische Belastung 324 f. Gehaltsband, Mitbestimmung Betriebsrat 222 Gehaltsbezogene Zusage, Altersrente 166 Gemeinsame Einrichtung, Allgemeinverbindlicherklärung 312 Gemeinsamer Betrieb - Aufsichtsratswahl 588 ff. - KSchG 142 ff. - Schwellenwerte 590 f. - Schwellenwerte 590 f.
Stichwortverzeichnis
Gemeinsamer Betrieb - Sozialauswahl 142 ff. Genehmigung, Kündigung 157 ff. Geringfügig Beschäftigte - Arbeitsentgelt 288 - Beitragspflicht 288 - Gesetzesänderung 288 - Mindestversicherungszeit 287 - Opt-in-Lösung 288 - Opt-out-Lösung 288 - Sozialversicherungspflicht 287 - Vergütungsgrenze 287 Geringfügigkeitsgröße, Sozialversicherung 653 Gesamtbetriebsrat - Betriebsänderung 244 ff. - Interessenausgleich 243 f. - Massenentlassung 118, 244 f. - Namenliste 243 f. - Tarifvertrag 567 ff. - unternehmensübergreifend 567 f. - Zuständigkeit 244 f. Gesamtbetriebsvereinbarung, Altersversorgung 165 f. Gesamtschuld, Betriebsübergang 275 f. Gesamtvertretungsbedarf, befristeter Arbeitsvertrag 37 Gesamtzusage - Ablösung 164 f. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 195 ff. Geschäftsführung, Frauenquote 6, 25 f., 318 Geschäftsgeheimnis, Social Media 419 f. Geschlechterquote → Quotenregelung Geschlechtsdiskriminierung - Beitragszeiten 170 ff.
Geschlechtsdiskriminierung - Betriebsrente 524 ff. Gesetz, Auslegung 173 ff. Gesetzliche Altersrente → Altersrente Gesundheitsmanagement 2, 322 Gesundheitszirkel 322 f. Gewerkschaft - Arbeitnehmerüberlassung 7 - Tariffähigkeit 556 Gewerkschaftsliste, Betriebsratswahl 573 ff. Gewerkschaftszugehörigkeit - Fragerecht Arbeitgeber 557 f. - Maßregelungsverbot 558 - Tarifpluralität 557 f. Gewinnabführungsvertrag, Sozialplan 624, 627 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz, Beitragszeiten 170 ff. GmbH-Geschäftsführer - Arbeitsgerichtsbarkeit 63 - Arbeitsvertrag 63 - Dienstvertrag 63 Grobe Fahrlässigkeit, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. Grobe Fehlerhaftigkeit, Sozialauswahl 142, 145 Große dynamische Bezugnahmeklausel 537 ff. Günstigkeitsprinzip - Betriebsübergang 552 ff. - Betriebsvereinbarung 195 ff., 200 f., 504 ff. - Sachgruppenvergleich 552 ff. - Tarifvertrag 187 ff. Haftung - Arbeitsschutz 400 ff. - Betriebsratsmitglied 239, 241 ff. - Betriebsveräußerer 247 f. 671
Stichwortverzeichnis
Handelsrechtlicher Jahresabschluss, Betriebsrentenanpassung 168 f. Handelsregister, Kündigung 159 Hauptversammlung, Vorstandsvergütung 327 Hilfstätigkeit, Wettbewerbsverbot 58 Historische Auslegung 173 ff. IFRS, Betriebsrentenanpassung 167ff. Inhaltskontrolle, Tarifvertrag 186 f. Innerbetriebliche Wegezeiten - Arbeitszeit 68 ff. - Vergütungspflicht 67 ff. Insolvenz - Betriebsübergang 260 ff., 275 ff. - Masseverbindlichkeit 91 - Sonderleistung 91 Insolvenzgeld, Betriebsübergang 275 f. Insolvenzsicherung, Sabbatical 426 Integrationsamt - Betriebsübergang 278 f. - Zustimmung 40 Interessenabwägung - Amtskonflikt 142 - Sozialauswahl 150 f. Interessenausgleich - Durchführungsanspruch 632 f. - Gesamtbetriebsrat 243 f. - Leiharbeitnehmer 128, 130 f., 134 - Massenentlassung 123 - Namensliste 142 ff., 147 f. - Schriftform 147 f. - Sozialauswahl 142 ff., 492 ff. - Zuordnung Arbeitnehmer 636 f. Interessenkollision, Schwerbehindertenvertreter 509 ff.
672
Intransparenz, Jeweiligkeitsklausel 163, 537 ff. Jahresabschlüsse, Betriebsrentenanpassung 167 ff. Jahressonderzahlung → Sonderleistung Jahresurlaub, Teilzeitarbeit 103 f. Jeweiligkeitsklausel - Intransparenz 163, 537 ff. - vertragliche Einheitsregelung 165 f. Kaufkraftentwicklung, Betriebsrentenanpassung 167 Klagefrist - mündliche Kündigung 157 ff. - vollmachtloser Vertreter 157 ff. - Wirksamkeitsfiktion 157 ff. Kleinbetrieb, Leiharbeitnehmer 132 f. Kleinunternehmen, Gefährdungsanalyse 3 f. Koalitionsfreiheit - Diskriminierung 191 - Tarifvertrag 191 ff., 317 f. Koalitionsvertrag 311 ff. - AEntG 311 f. - Allgemeinverbindlicherklärung 312 f. - Altersrente 323 - Arbeitsschutz 322 f. - AÜG 314 f. - befristeter Arbeitsvertrag 313 - BEM 322 - betriebliches Eingliederungsmanagement 322 - Betriebsrente 323 - Datenschutz 319 f. - Entgeltgleichheit 321 f. - Equal-Pay 315
Stichwortverzeichnis
Koalitionsvertrag - Frauenquote 318 - Gesundheitszirkel 322 - Leiharbeit 314 f. - Lohngleichheit 320 - Managergehalt 319 - Mindestlohn 311 f. - Mütterrente 323 - Outsourcing 317 - psychische Belastung 322 - Rentenversicherung 38, 169 ff. - Schwellenwerte 315 - Tarifeinheit 317 f. - Tarifvertrag 312 f. - Teilzeitarbeit 313 f. - Unternehmensmitbestimmung 315 - Vorstandsvergütung 319 - Werkverträge 316 f. - Whistleblowing 320 Kollektive Verschlechterung, Versorgungsrichtlinien 162 f. Kontinuität der Amtsführung, Schwerbehindertenvertretung 140 Kontinuität, Betriebsratsarbeit 138 Konventionsverletzung, Menschenrecht 156 ff. Konzern - befristeter Arbeitsvertrag 364 - Betriebsrente 513 ff. - Datenschutz 406 ff. - Datenschutz-Grundverordnung 337 - Sozialplan 623 ff. Konzernbetriebsrat - Massenentlassung 118 ff. - technische Einrichtung 214 ff. - Zuständigkeit 214 ff. Konzerndirektionsklausel, betriebsbedingte Kündigung 284
Konzernwirtschaftsausschuss, Tarifvertrag 567 Kostenerstattung, Betriebsrat 239 Krankenversicherung, BBG 653 Krankheit, Behinderung 403 ff. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - AU-Bescheinigung 52 - Erholungsurlaub 110 - medizinischer Dienst 52 - Missbrauch 52 KSchG - Betriebsbegriff 475 f., 488 ff. - gemeinsamer Betrieb 142 ff. - leitender Angestellter 152 ff. Kündigung - Auslauffrist 137 f., 494 ff. - außerordentliche → Außerordentliche Kündigung - Behinderung 405 - Bestimmtheit 472 ff. - Betriebsübergang 278 ff. - einheitliches Arbeitsverhältnis 154 f. - fristlose → Außerordentliche Kündigung - Genehmigung 157 ff. - Handelsregister 159 - Konzerndirektionsklausel 284 - Kündigungsfrist 472 ff. - Massenentlassung 474 ff. - mündliche 157 ff. - nächst zulässiger Termin 472 ff. - Originalvollmacht 159 - Schwangerschaft 356 f. - Schwerbehinderte 278 - Schwerbehindertenvertreter 509 ff. - Social Media 414 ff. - Sonderleistung 79, 95 - Verdachtskündigung 499 ff. 673
Stichwortverzeichnis
Kündigung - Vertretungsbefugnis 159 - vollmachtloser Vertreter 157 ff. - Wartezeit 469 ff. - Zeitpunkt 472 ff. - Zurückweisung 157 ff. Kündigungsfrist, Wettbewerbsverbot 59 Kündigungsschutz, Wartezeit 469 ff. Kündigungsschutzklage, Ausschlussfrist 54 ff. Kündigungsschutzrechtlicher Betrieb 142 ff. Kündigungszustimmung, Schwerbehindertenvertretung 140 ff. Kurzarbeitergeld - Bezugsdauer 325 - Unkündbarkeit 649 ff. - Urlaubsanspruch 100 ff. Laufzettel - Arbeitsverhalten 218 - Mitbestimmung 217 ff. - Ordnungsverhalten 218 Leichteste Fahrlässigkeit, Arbeitnehmerhaftung 40 Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung - Equal-Pay 6 f. Leiharbeitnehmer - Betriebsratsgröße 206 ff., 579 ff. - Betriebsübergang 363 f. - DrittelbG 583 ff. - Freistellung 206 ff., 583 - MitbestG 583 ff. - Schwellenwerte 206 ff. - Unternehmensmitbestimmung 583 ff. - Wahlberechtigung 202 ff.
674
Leistungsträger, Sozialauswahl 150 f. Leitender Angestellter - Auflösungsantrag 152 ff. - Einstellungsbefugnis 154 f. - Entlassungsbefugnis 154 f. - Kennzeichnung 153 f. - KSchG 152 ff. - Selbständigkeit 153 f. LinkedIn → Social Media Lohngestaltung, Mitbestimmung Betriebsrat 219 f. Lohngleichheit, Koalitionvertrag 320 Mandatsträger, Sonderkündigungsschutz 136 ff. Massenentlassung - Agentur für Arbeit 486 f. - Anzeigepflicht 483 f., 486 f. - Beratungspflicht 482 f. - Betriebsbegriff 475 f. - Betriebsgröße 129 f. - Betriebsrat 118 ff. - Betriebsratszuständigkeit 123 f., 126 ff. - Beweislast 484 ff. - Darlegungslast 484 ff. - Entlassungsbegriff 128, 130 f. - Formerfordernisse 126 f. - Gesamtbetriebsrat 118, 244 f. - Heilung Formfehler 127, 486 f. - Informationspflicht 123 ff. - Interessenausgleich 123 ff., 478 ff. - Konsultationsverfahren 125, 479 f., 482 f. - Konzernbetriebsrat 118, 244 f. - Leiharbeitnehmer 128 ff. - Papierform 126 f. - Schriftform 126 f., 480 ff.
Stichwortverzeichnis
Massenentlassung - Schwellenwert 128 ff. - Seeleute 341 ff. - Sozialplan 123 f. - Sozialplanverfahren 478 - Stellungnahme Betriebsrat 483 f. - Strukturtarifvertrag 118, 121 f. - Transfersozialplan 482 f. - Unterrichtung Betriebsrat 118, 477 ff. - Zeitplan 125, 479 f. - Zuständigkeitsstreit 118, 122 f. - Zweck 482 Massenentlassungsanzeige 123 - Leiharbeitnehmer 128 ff. Maßregelungsverbot, Gewerkschaftszugehörigkeit 558 Matrix-Struktur, Datenschutz 407 medizinischer Dienst, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 52 Medsonet, Tariffähigkeit 556 Mehrarbeit → Überstunden Mehrgliedriger Tarifvertrag, Bezugnahmeklausel 388 ff. Mehrurlaub - Tilgung 97 ff. - Urlaubsabgeltung 108 ff. Menschenrecht, Konventionsverletzung 156 ff. Menschenrechtskonvention, Restitutionsklage 155 ff. Minderheitengeschlecht, Betriebsratwahl 570 ff. Mindestalter, Betriebsrente 524 Mindestjahresurlaub, Tilgung 98 ff. Mindestlohn - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 329 - DIE LINKE 334 - gesetzlicher 12, 17 ff. - Koalitionsvertrag 311 f.
Mindestlohn - Kommission 18 - Rechtsverordnung 18 f. Mindesturlaubsanspruch, Tilgung 97 ff. Minijobs, Altersrente 323 MitbestG - Frauenquote 318 - Leiharbeitnehmer 315, 583 ff. Mitbestimmung → Unternehmensmitbestimmung Mitbestimmung Betriebsrat - Arbeitsentgelt 219 ff. - Arbeitsmittelnachweis 218 - Arbeitsverhalten 217 f. - Berufsbildung 602 ff. - betriebliche Berufsbildung 602 ff. - Betriebsänderung 22, 118 - Datenschutz 410 ff. - Dienstleister 10 f., 16 f. - Direktionsrecht 217 f. - Dotierungsrahmen 219 ff. - Einigungsstelle 219 f. - Einstellung 11, 16, 599 ff. - Einstiegsgehalt 219 ff. - Entlohnungsmethode 219 ff. - Formerfordernisse 126 f. - Formularnachweis 218 f. - Fremdpersonal 10 f., 16 f. - Gehaltsbänder 222 - Gehaltstabelle 219 ff. - Laufzettel 217 ff. - Leiharbeitnehmer 10, 599 ff. - Lohngestaltung 219 f. - Massenentlassung 118, 475 f., 477 f. - Ordnung des Betriebs 217 f. - Outsourcing 317 - Personalplanung 10 675
Stichwortverzeichnis
Mitbestimmung Betriebsrat - Personalverwaltungssoftware 214 ff. - Rentner 533 - Stellungnahme 483 f. - technische Einrichtung 214 ff. - Unterlassungsanspruch 217 f. - Vergütungsgrundsatz 219 ff. - Vergütungshöhe 219 ff. - Vergütungstabelle 219 ff. - Werkvertrag 10 f., 16 f., 316 f. - Zuständigkeitsstreit 118, 122 f. - Zutrittsberechtigungen 218 MitbestG, Änderung 21 f. Mittelbare Diskriminierung - Beitragszeiten 171 - Teilzeitbeschäftigte 171 Mittelbare Vertretung, befristeter Arbeitsvertrag 35 f. Mündliche Kündigung, Klagefrist 157 ff. Nachteilsausgleich - Anspruchsberechtigung 629 ff. - Betriebsänderung 629 ff. Nachwirkender Tarifvertrag 184 ff. Nachwuchsführungskraft, Altersdiskriminierung 31 ff. Namensliste - Betriebsänderung 147 f. - Gesamtbetriebsrat 243 f. - Schriftform 147 f. - Betriebsänderung 142 ff. - Interessenausgleich 142 ff., 147 f. - Sozialauswahl 142 ff., 492 ff. Nettolohnprinzip, Altersrente 166 Nettomethode, Pfändung 427 ff. Nichtigkeit - Betriebsratwahl 578 - Rentenbescheid 39 f. 676
Normale Fahrlässigkeit, Arbeitnehmerhaftung 40 Öffentlicher Dienst, CloudComputing 24 f. Öffentlich-rechtliche Körperschaft, AÜG 331 ff. Ordnung des Betriebs, Mitbestimmung 217 f. Ordnungsverhalten, Laufzettel 218 Organisatorische Einheit, Betriebsübergang 248, 270 Originalvollmacht, Kündigung 159 Outsourcing - Betriebsänderung 11, 22, 317 - betriebsbedingte Kündigungen 494 ff. - Betriebsübergang 11, 15, 544 ff. - Firmentarifvertrag 544 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 317 - Sozialplan 11, 15 - Zuordnung Auftragnehmer 544 ff. Patronatserklärung, Sozialplan 624 Pauschalbegrenzung, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. Pauschalierung, Wegezeitvergütung 70 Pensionskasse, Solvency II 339 Personalakte - Abmahnung 113 - Datenschutz 113 - Entfernungsanspruch 113 Personalgestellung - Arbeitnehmerbegriff 204 f. - AÜG 331 ff. Personalplanung - Fremdpersonal 10 - Leiharbeitnehmer 10
Stichwortverzeichnis
Personalverwaltungssoftware - Konzernbetriebsrat 214 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 214 ff. Personenbezogene Daten → Datenschutz Pfändung - Bruttomethode 427 ff. - Nettomethode 427 ff. Pflegeversicherung, BBG 635 Pflichtversicherungsgrenze, Sozialversicherung 653 Probezeit, befristeter Arbeitsvertrag 368 ff. Praktikantenprogramm, Altersdiskriminierung 31 ff. Private Altersvorsorge - Besteuerung 326 - Riester-Förderung 289 f. Provisionsherausgabe, Wettbewerbsverbot 61 Psychische Belastung 2 ff. - Anti-Stress-Verordnung 325 - Arbeitsschutz 324 - Gefährdungsanalyse 3, 324 - Index Gute Arbeit 324 f. - Verordnungsentwurf 325 Punkteschema - Änderung 492 ff. - Sozialauswahl 492 ff. Qualifiziert faktischer Konzern - Betriebsrentenanpassung 513 ff. - Sozialplan 624 ff. Qualifizierungsgesellschaft, Betriebsübergang 260 ff., 266 Qualitative Ziele, Sonderleistung 79 Quantitative Ziele, Sonderleistung 79 Quotenregelung → Frauenquote
Rauchverbot, außerordentliche Kündigung 230 Rechtsanwalt, Sozialversicherung 651 f. Rechtsgeschäftsähnliche Handlung, Betriebsratsanhörung 211 f. Rechtsmissbrauch - Arbeitnehmerüberlassung 48 - befristeter Arbeitsvertrag 361 ff. - Betriebsübergang 645 f. - sachgrundlose Befristung 361 ff. Rechtsschutzversicherung, tarifliche Ausschlussfrist 57 Rechtsverordnung, Mindestlohn 18 f. Rechtsvorschrift, AGB-Kontrolle 70, 186 f. Rentenbescheid, Nichtigkeit 39 f. Rentennahe Arbeitnehmer, Sozialplan 609 ff. Rentenversicherung - BBG 653 - Beitragszeiten 169 ff. - Koalitionsvertrag 311 ff. - Mütterrente 323 Rentenversicherungsträger - Bescheid 38 - Erwerbsminderungsrente 38 Rentner, befristeter Arbeitsvertrag 532 ff. Rentner, Mitbestimmung Betriebsrat 533 Restitutionsgrund, Überleitungsvorschrift 156 f. Restitutionsklage - Menschenrechtskonvention 155 ff. - Stichtagsregelung 156 f. Restmandat - Betriebsrat 279, 283 - Betriebsübergang 279 677
Stichwortverzeichnis
Restmandat - Widerspruch Betriebsübergang 279 ff. Riester-Förderung, Beendigung 290 Risikoprämie, Arbeitnehmerhaftung 41 Risikozuschlag, Betriebsrentenanpassung 168 Rückzahlungsklausel - AGB-Kontrolle 43 - Fortbildungskosten 527 ff. - Kostenerstattung 43 - Transparenz 43 Rügefunktion, Abmahnung 113 Ruhendes Arbeitsverhältnis, Urlaubsanspruch 104 f. Sabbatical 420 ff. - Arbeitgeberförderung 422 f. - Dienstwagen 423 - Entgeltanspruch 423 f. - Insolvenzsicherung 426 - Nebenpflichten 423 f. - ÖPNV-Ticket 423 - ruhender Arbeitsvertrag 422 - Sachleistungen 423 - Sozialversicherungsbeiträge 425 - Urlaubsanspruch 423 f. - Wertguthaben 425 - Wertguthabenvereinbarung 421 f. - Zweck 421 Sachgrundlose Befristung 333 - Anschlussverbot 362 - Rechtsmissbrauch 361 ff. Sachlicher Grund, befristeter Arbeitsvertrag 35 ff. Sachverständige, Betriebsrat 239 Safe Harbour, Datenschutz 412
678
Salvatorische Klausel, AGBKontrolle 529 Schadengeneigtheit, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. Schadensersatz - Arbeitnehmerhaftung 40 - Erholungsurlaub 456 ff. - Sperrzeit 647 ff. - Wettbewerbsverbot 59 Scheinselbständigkeit 14 Scheinwerkvertrag 13 f. - Kennzeichnung 371 ff. - Missbrauch 330 - Strafrecht 383 Schlusszeugnis → Zeugnis Schriftform - Betriebsratsanhörung 210 - Interessenausgleich 147 f. - Massenentlassung 126 f., 480 f. - Namensliste 147 f. Schrittweiser Betriebsübergang 269 f. Schwangerschaft - Diskriminierung 356 f. - Kündigung 356 f. Schwellenwerte - Arbeitnehmerbegriff 204 ff. - Betriebsänderung 245 - Betriebsratsgröße 206 ff. - BetrVG 204 ff., 579 ff. - DrittelbG 21, 209, 583 ff., 590 f. - Einstellungen 206 ff. - Freistellung 206 ff. - gemeinsamer Betrieb 590 f. - Kleinbetrieb 132 f. - Kündigungsschutz 132 f. - Leiharbeitnehmer 206 ff. - Massenentlassung 128 ff. - MitbestG 21, 209, 583 ff., 590 f. Schwerbehinderte → Behinderung
Stichwortverzeichnis
Schwerbehindertenquote, Diskriminierung 34 Schwerbehindertenvertreter, Interessenkollision 509 ff. Schwerbehindertenvertretung - Kontinuität der Amtsführung 140 - Kündigungszustimmung 140 ff. Seeleute - Europäischer Betriebsrat 341 ff. - Massenentlassung 341 ff. - Zahlungsunfähigkeit Arbeitgeber 341 ff. Selbständigkeit, Kennzeichnung 371 ff. Sittenwidrigkeit - Arbeitszeitverlängerung 70 - Geldhöhe 70 Social Media 413 ff. - Beleidigung 415 f. - Gefällt-Mir-Button 417 - Geschäftsgeheimnis 419 f. - Kündigung 414 ff. - Meinungsäußerung 414 ff. - Vertraulichkeit 414 ff. - Zwei-Wochen-Frist 418 f. Sonderkündigungsschutz - betriebsbedingte Kündigung 139, 494 ff. - Betriebsratsmitglied 136 ff. - Mandatsträger 136 ff. - Vertrauensperson 140 ff. Sonderleistung - ablösende Betriebsvereinbarung 195 ff., 508 f. - AGB-Kontrolle 79 - Altersdiskriminierung 95 - arbeitsleistungsbezogene 91 - Berufsfreiheit 79 - Betriebsvereinbarung 508 f. - Beweislast 79
Sonderleistung - Bezugszeitraum 91 - Darlegungslast 79 - einseitiges Bestimmungsrecht 79 - Entstehung 91 - Ermessensgratifikation 79 - Ermessenstantieme 79 - Freiwilligkeitsvorbehalt 88, 448 ff. - Insolvenz 91 - Kündigung 79, 95 - Masseverbindlichkeit 91 - qualitative Ziele 79 - quantitaive Ziele 79 - Stichtagsregelung 79, 91, 95 - Transparenz 88 - ungekündigtes Arbeitsverhältnis 79, 95 - Vertragsbeendigung 79, 95 - Weihnachtsgratifikation 88 - Widerrufsvorbehalt 450 - zeitanteilige Entstehung 91 - Zielvereinbarung 79 - Zweck 91 - Tranzparenz 79 Sonderzahlung → Sonderleistung Sozialauswahl - Altersgruppe 146 ff., 148 f. - Altersstruktur 146 ff. - Auswahlermessen 490 - Auswahlrichtlinie 492 ff. - Betriebsbegriff 142 ff., 488 ff. - Betriebsübergang 637 - Direktionsrecht 489 - Geltungsbereich 142 ff. - gemeinsamer Betrieb 142 ff. - Gewichtung 150 f. - grobe Fehlerhaftigkeit 142 ff. - Interessenabwägung 150 f. - Interessenausgleich 142 ff., 492 ff. 679
Stichwortverzeichnis
Sozialauswahl - Leiharbeitnehmer 491 - Leistungsträger 150 f. - Namensliste 142 ff., 492 ff. - Punkteschema 492 ff. - Vergleichbarkeit 489 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 637 Soziale Netzwerke → Social Media Sozialplan - ältere Arbeitnehmer 231 ff., 609 ff. - Altersdiskriminierung 231 ff., 261, 280, 284, 609 ff. - Beherrschungsvertrag 624, 627 ff. - Benachteiligung 609 ff. - Berechnungsdurchgriff 618, 623 f., 625 - Betriebsübergang 11 - Diskriminierung 609 ff. - Dotierung 618 ff. - Durchführungsanspruch 597 ff. - Einigungsstelle 596 ff. - entscheidungserheblicher Zeitpunkt 622 - Ergebnisabführungsvertrag 624, 627 ff. - erhöhende Faktoren 621 f. - Ermessensgrenze 619 ff. - faktischer Konzern 624 ff. - Faktoren 621 f. - Gewinnabführungsvertrag 624 - Kappungsgrenze 609 - Konzern 623 ff. - Leiharbeitnehmer 128, 130 f. - Massenentlassung 123 - mindernde Faktoren 621 f. - Outsourcing 11 - Patronatserklärung 624 - qualifiziert faktischer Konzern 624 ff. 680
Sozialplan - rentennahe Jahrgänge 235 f. 238, 609 ff. - Schwerbehinderung 231 ff., 609 ff. - Verlustübernahmevertrag 624 - Vertragskonzern 627 ff. - Vertretbarkeit 618 ff. - Widerspruch Betriebsübergang 279 f. - wirtschaftliche Nachteile 11 - Zweck 618 f. Sozialversicherung - Apotheker 6541 f. - Arzt 651 f. - Befreiung 651 f. - Beitragsbemessungsgrenze 653 - Berufsständische Versorgungseinrichtung 651 f. - Bezugsgröße 653 - Geringfügigkeitsgröße 653 - Rechtsanwalt 651 f. - Versicherungspflichtgrenze 653 - Wertguthabenvereinbarung 424 Sozialversicherungspflicht 12, 14 - geringfügig Beschäftigte 287 - Leiharbeit 179 ff. Spaltung (§ 123 UmwG) - Betriebsübergang → Betriebsübergang - fehlende Zuordnung 547 ff. - Firmentarifvertrag 544 ff. - Kennzeichnung 544 - mehrfache Zuordnung 546 f. - Spaltungsvertrag 544 ff. - Tarifkonkurrenz 552 - Tarifpluralität 552 - Zuordnung Tarifvertrag 545 Spartenbetriebsrat 565 ff. Sperrwirkung Tarifvertrag, Betriebsratsstruktur 569 f.
Stichwortverzeichnis
Sperrzeit - Arbeitslosengeld 647 ff. - Schadensersatz 647 ff. - Unkündbarkeit 649 ff. Standardisierung, Arbeitsverhalten 219 Stellungnahme Betriebsrat, Massenentlassung 483 f. Stichtagsregelung - Restitutionsklage 156 f. - Sonderleistung 79 Stilllegung, Betriebsübergang 253 ff., 283 f. Strafrecht, Scheinwerkvertrag 383 Streik - Leiharbeit 315 - Streikaufruf 594 ff. Streikaufruf - Betriebsrat 594 ff. - Betriebsratmitglied 594 ff. Strukturtarifvertrag - Betriebsbegriff 209 f. - Massenentlassung, 121, 123 Subjektive Determination, Betriebsratsanhörung 211 Surrogatstheorie, Urlaubsabgeltungsanspruch 109 Tagesordnung, Betriebsratsbeschluss 559 ff. Tantieme → Sonderleistung Tarifeinheit 317 f. - Koalitionsvertrag §!/ F: Tariffähigkeit - Aussetzungsbeschluss 183 - CGZP 179 ff. - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Gewerkschaft 556 - medsonet 556 - Tarifvertrag 179 ff. Tarifkonkurrenz 187 ff.
Tarifkonkurrenz - Firmentarifvertrag 187 ff. - Verbandstarifvertrag 187 ff. Tarifliche Ausschlussfrist - Annahmeverzug 55 f. - Bestandsschutzklage 54 ff. - effektiver Rechtsschutz 55 f. - Rechtsschutzversicherung 57 - verfassungskonforme Auslegung 57 Tarifliche Regelungskompetenz, übergesetzlicher Urlaub 106 Tariflicher Mehrurlaub, Abgeltungsregelung 109 f. Tarifpluralität 187 ff. - Gewerkschaftszugehörigkeit 557 f. Tarifurlaub, Tilgung 98 ff. Tarifvertrag - AGB-Kontrolle 186 f. - Allgemeinverbindlicherklärung 312 f. - Arbeitnehmerüberlassung 6 f. - Arbeitnehmervertreterstruktur 562 ff. - Ausschlussfrist 184 ff. - Betriebsbegriff 209 f. - Betriebsratsstruktur 118, 121 f., 209 f., 562 ff. - Betriebsübergang 552 ff., 638 ff. - Bezugnahmeklausel 181, 388 ff., 537 ff., 638 ff. - Datenschutz-Grundverordnung 337 - DGB-Gewerkschaften 182 ff. - Differenzierungsklausel 191 ff. - dynamische Bezugnahmeklausel 638 ff. - Equal-Pay 184, 315, 394 ff. - Equal-Treatment 184, 315, 394 ff. 681
Stichwortverzeichnis
Tarifvertrag - Feiertag 454 - Geltungsbereich 550 f. - Gesamtbetriebsrat 567 ff. - große dynamische Bezugnahmeklausel 537 ff. - Günstigkeitsprinzip 187 ff., 552 ff. - Inhaltskontrolle 186 f. - Koalitionsfreiheit 191 ff. - Konzernwirtschaftsausschuss 567 - Leiharbeit 179 ff., 182 ff. - mehrgliedriger 388 ff. - nachwirkender 184 ff. - Sachgruppenvergleich 552 ff. - Sonderkündigungschutz 494 ff. - Spartenbetriebsrat 565 ff. - Tarifeinheit 317 f. - Tariffähigkeit 179 ff. - Versorgungsanpassung 164 f. - Versorgungszusage 164 f. Tarifvertragsrecht, DIE LINKE 330 Tarifwechsel, Bezugnahmeklausel 187 ff. Tarifwechselklausel 539 ff. Technische Einrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 214 ff. Teilbetriebsübergang → Betriebsübergang Teilzeitarbeit - Anspruch 73, 313 f., 441 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 313 f. - Beitragszeiten 169 ff. - betrieblicher Grund 314 - Elternzeit 73, 314, 443 ff. - Erholungsurlaub 464 ff. - Jahresurlaub 103 f. - Koalitionsvertrag 313 f. - minimale Absenkung 441 ff. - mittelbare Diskriminierung 171 682
Teilzeitarbeit - Rechtsmissbrauch 441 ff. - SPD 330 - TzBfG 75, 313 f. - Urlaubsanspruch 101 ff. - Wechsel Vollzeit 464 ff. Teuerungsausgleich, Betriebsrenten 162 f. Tilgung, Zusatzurlaub 99 f. Traineeprogramm, Altersdiskriminierung 31 ff. Transfergesellschaft, Betriebsübergang 261 f., 266 Transferkurzarbeit, unkündbare Arbeitnehmer 649 ff. Transparenzgebot, übergesetzlicher Urlaub 110 Trunkenheit, Arbeitnehmerhaftung 40 ff. TzBfG, Anspruch Teilzeitbeschäftigung 75, 313 f. Überbetriebliche Leistung, betriebliche Übung 76 Übereinkommen Vereinte Nationen 403 Übergangsmandat, Betriebsübergang 283 f. Übergesetzlicher Urlaub - tarifliche Regelungskompetenz 106 - Transparenzgebot 110 - Vertragsregelung 110 Überstunden - Anordnung 437 ff. - Anwesenheitszeiten 440 - Beweislast 437, 439 f. - Billigung 437 ff. - Darlegungs- und Beweislast 439 f. - Duldung 437 ff.
Stichwortverzeichnis
Überstunden - Vergütung 437 ff. Übertragungszeitraum, Urlaubsanspruch 109 Umdeutung, fristlose Kündigung 137 f. Umkleidezeit - Arbeitszeit 67 ff. - Vergütungspflicht 67 ff. Umlaufrendite, Betriebsrentenanpassung 168 Umwandlung → Betriebsübergang Unbefristete Arbeitnehmerüberlassung 48, 384 ff. Unkündbare Arbeitnehmer - Kündigung mit Auslauffrist 137 f., 494 ff. - Kurzarbeitergeld 649 ff. - Sperrzeit 649 ff. - Transferkurzarbeitergeld 649 ff. Unterlassungsanspruch - Arbeitgeber 594 ff. - Betriebsrat 217 f. - Mitbestimmung 217 f. - Streik 594 ff. Unternehmenmitbestimmung - Änderung 21 f. - DIE LINKE 330 - Schwellenwerte 21 f., 590 f. - SPD 330 Unverfallbarkeit, Betriebsrente 172 ff., 340, 524 ff. Unwiderrufliche Freistellung - Urlaubsanspruch 62 f., 458 f. - Wettbewerbsverbot 59 ff. Urlaub → Erholungsurlaub Urlaubsabgeltung - Arbeitsunfähigkeit 109 - Fälligkeit 108 f. - Freistellungsphase 105 f., 106 f. - Mehrurlaub 108 ff.
Urlaubsabgeltung - Surrogatstheorie 109 - Urlaubsgeld 99 f. Urlaubsgeld - Akzessorietät 99 f. - Urlaubsabgeltung 99 f. Variable Vergütung, Sonderleistung 79 Verbandstarifvertrag - Ablösung 187 ff. - Tarifkonkurrenz 187 ff. - Tarifpluralität 187 ff. Verdachtskündigung - Anhörung 502 f. - außerordentliche 499 ff. - Kündigungsgrund 499 ff. - Kündigungsschutzprozess 499 ff. - Nachschieben Kündigungsgrund 499 ff. - Zwei-Wochen-Frist 503 Verfallfrist → Ausschlussfrist Verfassungskonforme Auslegung, tarifliche Ausschlussfrist 57 Vergütung Herausgabepflicht, Wettbewerbsverbot 59 f. Vergütungsfortzahlung, Freistellung 62 f. Vergütungsgrenze, geringfügig Beschäftigte 287 Vergütungsgrundsatz, Mitbestimmung Betriebsrat 219 f. Vergütungspflicht - innerbetriebliche Wegezeiten 67 ff. - Umkleidezeit 67 ff. Vergütungstabelle, Mitbestimmung Betriebsrat 219 f. Verhaltensbedingte Kündigung - Abmahnung 113 683
Stichwortverzeichnis
Verhaltensbedingte Kündigung - Auslauffrist 138 f. - Rauchverbot 230 Verhältnismäßigkeit, Versorgungszusage 163 f. Verjährung - Arbeitnehmerüberlassung 179 ff., 399 f. - Equal-Pay 399 f. Verjährungsfrist - Beginn 180 - Kenntnis 180 - Leiharbeit 179 ff. Verlustübernahmevertrag, Sozialplan 624 Verschlechterung, Betriebsrentenzusage 167 Versetzung, Abmahnung 113 Versorgungsanpassung, Tarifvertrag 164 f. Versorgungszusage - Besitzstand 163 - Betriebsvereinbarung 163 ff. - Formulararbeitsvertrag 163 f. - kollektive Verschlechterung 162 f. - Tarifvertrag 164 f. - Verhältnismäßigkeit 163 f. - Vertrauensschutz 163 f. - Wartezeit 172 ff. Vertragliche Einheitsregelung - Ablösung 503 ff. - Betriebsrenten 162 f. - dynamische Verweisung 163 f. - Jeweiligkeitsklausel 165 f. Vertragspflichtverletzung, Vertrauensperson 142 Vertrauensarbeitszeit 431 ff. - Anwesenheitspflicht 434 ff. - Arbeitspflicht 431 ff. 684
Vertrauensarbeitszeit - betriebsübliche Arbeitszeit 435 f. - Vergütungsanspruch 434 ff. - Zweck 431 Vertrauensbereich, Abmahnung 113 Vertrauensperson - Amtspflichtverletzung 142 - Sonderkündigungsschutz 140 ff. - Vertragspflichtverletzung 142 Vertrauensschutz, Versorgungszusage 163 f. Vertrauensvolle Zusammenarbeit, Betriebsratsanhörung 213 Vertretbarkeit, Sozialplan 618 ff. Vertreter, vollmachtsloser 157 ff. Vertretungsbefugnis, Kündigung 159 Vollmachtloser Vertreter, Kündigung 157 ff. Vollmachtsnachweis, Betriebsratsanhörung 212 Vollzeit, Wechsel Teilzeit 464 ff. Vorsatz, Arbeitnehmerhaftung 40 f. Vorstand, Frauenquote 6, 25 f., 318 Vorstandsvergütung 319, 326 ff. - Aufsichtsrat 327 - Besteuerung 328 - Bezugszeitraum 328 - DCGK 319 - Hauptversammlung 327 - Herabsetzung 329 - Höchstgrenze 328 - Jahresabschluss 328 Vorstellungsgespräch, Diskriminierung 33 f. Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung 48, 384 ff. Wahlberechtigung, Betriebsrat 202 ff.
Stichwortverzeichnis
Wahlberechtigung, Betriebszugehörigkeit 202 ff. Wahlberechtigung, Leiharbeitnehmer 202 ff. Wahlvorschlag, Betriebsratwahl 574 ff. Wahlvorstand, Betriebsratwahl 577 ff. Warnfunktion, Abmahnung 113 Wartezeit - Betriebsrente 172 ff., 339 - Betriebszugehörigkeitsdauer 469 - KSchG 469 ff. - Kündigungsschutz 469 ff. Wegezeitvergütung - betriebliche Übung 69 - Pauschalierung 70 Weiterbildungskosten, Rückzahlung 43, 527 ff. Werkvertrag - Abhängigkeit 374 - Abrechnung 374 - Arbeitnehmerüberlassung 316 f. - Arbeitsabläufe 377 - Arbeitsbedingungen 15 - Arbeitsort 378 - Arbeitsschutz 317 - Arbeitszeit 376 f. - Auftragserteilung 375 - Besteuerung 379 - Betriebsmittel 375 - Betriebsrat 316 f. - Betriebsübergang 11 - Eingliederung 376 - Haftung 376 - Indizien 374 ff. - Kennzeichnung 371 ff. - Kennzeichnungspflicht 316 - Lohndumping 8 ff. - Missbrauch 8 ff., 316 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 10 f.
Werkvertrag - Öffnungszeiten 377 - persönliche Leistungspflicht 377 - Risikoverteilung 374 f., 378 - Sozialversicherung 379 - Vermutungsregel 13 f. - Vertragsinhalt 371 ff., 380 - Weisungsrecht 380 - wirtschaftliche Abhängigkeit 374 - zeitbezogene Vergütung 374 Werkvertragsmissbrauch - Bundesrat 330 - DIE LINKE 330 Wertguthaben - Insolvenzsicherung 426 - Zusammensetzung 425 Wertguthabenvereinbarung 424 - Schriftform 424 - Zweck 424 Wettbewerbsverbot - Auskunftserteilung 58 - Freistellung 58 ff. - Hilfstätigkeit 58 - Kündigungsfrist 59 - Provisionsherausgabe 61 - Schadensersatzpflicht 59 - unwiderrufliche Freistellung 59 ff. - Vergütungsherausgabepflicht 59 f. Whistleblowing, Koalitionsvertrag 320 Widerrufsvorbehalt, Sonderleistung 450 Widerspruch Betriebsübergang - Abfindung 279 ff. - Ausschlussfrist 642 ff. - Kündigung 279 ff. - Rechtsmissbrauch 645 f. - Sozialplan 279 f. 685
Stichwortverzeichnis
Widerspruch Betriebsübergang - Zuordnung Arbeitnehmer 637 Willenserklärung, Betriebsratsanhörung 211 Wirksamkeit, Betriebsübergang 279 ff. XING → Social Media Zeitarbeit → Arbeitnehmerüberlassung Zeiterfassung, Betriebsratmitglied 591 ff. Zeitpunkt, Betriebsübergang 247, 253 ff., 260 f., 265 ff., 273 ff Zeugnis - Abmahnung 113 - Dankesformel 173 ff. - einfaches 173 ff. - Geheimsprache 173 ff. - Grußformel 173 ff. - qualifiziertes 173 ff. - Wahrheit 173 ff. - Widersprüchlichkeit 173 ff. - Wohlwollen 173 ff.
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Zeugnisauslegung Gesetz 173 ff. Zielvereinbarung - qualitative Ziele 79 - quantitative Ziele 79 Zuordnung Arbeitnehmer, Betriebsteilübergang 633 ff. Zuordnungstarifvertrag 562 ff. Zusatzurlaub, Tilgung 99 f. Zuständigkeit Betriebsrat - Gesamtbetriebsrat 233 - Konzernbetriebsrat 214 ff. - Massenentlassung 123 f., 126 ff. Zustimmung, Integrationsamt 40 Zustimmungserklärung, Formzwang 213 Zutrittsberechtigungen - Betriebsrat 218 - Mitbestimmung 218 Zweistufige Ausschlussfrist - Arbeitsvertrag 57, 337 ff. - Bestandsschutzklage 54 ff.