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German Pages 300 Year 2014
Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2/2014
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Band 2/2014
Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von
Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von
Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.
Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2014, S. ...
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42677-4 ©2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany
Vorwort Während die Altersrente mit 63 schon seit dem 1.7.2014 positive Gestaltungsoptionen im Umfang mit älteren Arbeitnehmern eröffnet, schafft das Mindestlohngesetz ab 1.1.2015 branchenübergreifend neue Schranken in Bezug auf das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeitflexibilisierung. Ob auch durch das Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit neue Schranken für das Tarif- und Arbeitskampfrecht geschaffen werden, ist zweifelhaft. Der aktuelle Entwurf des BMAS dürfte verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen. Dies ist sehr zu bedauern, weil damit keine Rechtssicherheit im dringend regelungsbedürftigen Bereich des Arbeitskampfrechts geschaffen wird. Wahrscheinlicher sind Veränderungen in Bezug auf das Elterngeld, die Elternzeit, die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, die zum 1.1.2015 bzw. 1.7.2015 in Kraft treten sollen. Es wäre zu wünschen, dass ebenso schnell die frühere Rechtslage zur Rentenversicherungspflicht der Syndici wieder hergestellt wird. Derzeit ist dies aber leider nicht erkennbar. Zur Arbeitnehmerüberlassung fehlen zurzeit noch Vorschläge. Sollten sich die Feststellungen des EuGH-Generalanwalts vom 20.11.2014 durchsetzen, steht einer Umsetzung des Koalitionsvertrags aber wohl nichts im Wege. Hier kann man nur hoffen, dass den Tarifvertragsparteien und den betrieblichen Sozialpartnern ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben, um Flexibilisierungsbedürfnissen zu entsprechen. Erhebliche praktische Bedeutung hat der Entwurf der Verordnung zum arbeitsschutzrechtlichen Umgang mit Arbeitsmitteln. Sollte die Verordnung zum 1.1.2015 in Kraft treten, hätte dies kaum umsetzbare Handlungspflichten der Unternehmen zur Folge. Unter Berücksichtigung von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG wären damit auch weitreichende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verknüpft, die insbesondere die Beschaffung der Arbeitsmittel, die Festlegung einer Organisationsstruktur im Bereich des Arbeitsschutzes, die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen und die Unterweisung der Mitarbeiter betreffen. Mit § 41 S. 3 SGB VI und mehreren BAG-Entscheidungen werden neue Akzente für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge gesetzt. Hinzu kommen neue Leitlinien für die Vertragssprache (deutsch / "denglisch"), den Umgang mit behinderten Menschen, zur Kürzung des Urlaubsanspruchs, zu Ausschlussfristen und zur Ausgestaltung von Boni-Vereinbarungen, die in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt werden sollen. Im Kündigungsrecht hat sich das BAG in einer Reihe von Urteilen mit der außerordentlichen Kündigung aus Gründen in der Person (AlkoV
Vorwort
hol/Krankheit), dem Verhalten (Meinungsäußerung in Social Media) oder aus betrieblichen Gründen befasst und die Anforderungen an eine Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Verdachtskündigung klargestellt. Hinzu kommen Feststellungen zur betriebsbedingten Kündigung wegen Auftragsrückgangs, zur Kündigung durch einen "Personalleiter" und zur Bestimmtheit einer Kündigung. Erhebliche Bedeutung für Konzernunternehmen hat die Rechtsprechungsänderung zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern. Sie schränkt die Möglichkeit eines Berechnungsdurchgriffs bei der Betriebsrentenanpassung und der Sozialplandotierung ganz erheblich ein. Im Tarifrecht scheint die Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern endgültig und vorbehaltlos gebilligt zu werden. Leider bleiben dabei Feststellungen des Großen Senats des BAG zur Bedeutung von Art. 9 Abs. 3 GG unbeachtet. Im Betriebsverfassungsrecht hat sich das BAG nicht nur mit Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen (einschließlich Fremdpersonal) befasst. Neuen Gestaltungsspielraum eröffnen die Überlegungen zu einem obligatorischen Schlichtungsverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei einem Streit über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung. Hilfreich sind darüber hinaus Klarstellungen zum Einsichtsrecht in Bruttoentgeltlisten und zum Freizeitausgleich des Betriebsrats bei Betriebsratstätigkeiten außerhalb der individuellen Arbeitszeit. Sehr ausführlich hat das BAG in mehreren Urteilen noch einmal die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebs- und Betriebsteilübergangs aufgezeigt. Daran kann in der Praxis angeknüpft werden. Soweit sich das BAG mit dem Widerspruch nach mehrfachen Betriebsübergang befasst hat, müssen seine Feststellungen auch bei der Vorbereitung von Unterrichtungsschreiben beachtet werden. Gleiches gilt für die Ablehnung eines Übergangsmandats des Betriebsrats bei einem Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 BGB, wenn der Betrieb unter Wahrung seiner Identität übertragen wurde. Ich danke Dietrich Boewer (Boe) sehr herzlich für die umfassenden Hinweise zu grundlegenden Feststellungen der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und ihren Auswirkungen für die Betriebspraxis. Ebenso danke ich Herrn Daniel Dominik (Do), Frau Patricia Jares (Ja), Frau Laura Jung, Frau Linda Kriebel, Herrn Christian Mach (Ma), Frau Daniela Rindone (Ri) und Frau Viola Vorbrüggen, die – wie auch Frau Doris Hensch – in tatkräftiger Weise die Fertigstellung dieser Übersicht zur aktuellen Rechtsentwicklung maßgeblich unterstützt haben. Köln, im Herbst 2014
VI
Björn Gaul (Ga)
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort............................................................................. ............................. V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV
A.
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 273
1.
Gesetzlicher Mindestlohn – Handlungsvorgaben für betriebliche Entgelt- und Arbeitszeitregelungen .............................. 273 a) Höhe des Mindestlohns und Anrechnung verschiedener Vergütungsbestandteile ............................................................. 273 b) Fälligkeit des Mindestlohns/Arbeitszeitflexibilisierung ........... 281 c) Unabdingbarkeit des Mindestlohns ........................................... 283 d) Haftung des Auftraggebers........................................................ 284 e) Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit .................................. 285 f) Pflicht zur Bereithaltungspflicht von Unterlagen zum Nachweis der Einhaltung des Mindestlohns ............................. 287 g) Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge ................... 288 h) Gesetzliche Regelungen zum persönlichen Anwendungsbereich .................................................................. 288 i) Ausnahmen für leitende Angestellte und AT-Angestellte?........ 289 j) Übergangsregelungen ................................................................ 290 k) Verstöße gegen das MiLoG ....................................................... 291
2.
Praktika: Niederschrift wesentlicher Vertragsbedingungen in Schriftform ....................................................................................... 292
3.
Gesetzliche Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Kraft ............................................................................................. 293 a) Anrechnung von Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld in den letzten Jahren vor Rentenbeginn .................................... 293
VII
Inhaltsverzeichnis
b) Überbrückung der letzten Jahre durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ....................................................... 295 c) Vereinbarungen über ein Hinausschieben der Altersgrenze .............................................................................. 297 d) Vermeidung einer Beendigung von Altersteilzeitverträgen ...... 298 e) Keine Mehrkosten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ....................................................................... 299 4.
Frauen- bzw. Geschlechterquote für Aufsichtsräte, Vorstände, Geschäftsführer und oberste Führungskräfte ................................... 300 a) Geschlechterquote im Aufsichtsrat bei „voller“ Mitbestimmung börsennotierter Gesellschaften ....................... 300 b) Frauenquote für Aufsichtsrat, Vorstand/Geschäftsführung und obere Führungsebenen ....................................................... 302 c) Änderungen des Gleichstellungsgesetzes ................................. 304 d) Fazit ........................................................................................... 305
5.
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit ....................................................................................... 306 a) b) c) d) e) f)
Auflösung einer Tarifkollision .................................................. 307 Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft ............................. 308 Bedeutung des Betriebsbegriffs ................................................ 309 Verbleibende Rechte der Minderheitsgewerkschaft.................. 310 Umgang mit Altvereinbarungen ................................................ 312 Arbeitsgerichtliches Verfahren zur Feststellung des im Betrieb anwendbaren Tarifvertrags ........................................... 312 g) Fehlen arbeitskampfrechtlicher Vorgaben ................................. 312 h) Fazit ........................................................................................... 314 6.
Gesetz zur Flexibilisierung der Elternzeit und zur Einführung von Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus................................... 314 a) Elterngeld, Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus ............... 315 b) Flexibilisierung der Elternzeit ................................................... 316 c) Flexibilisierung der Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ................................................................................... 316 d) Kündigungsschutz nach § 18 BEEG ......................................... 317 e) Inkrafttreten des Gesetzes ......................................................... 317
VIII
Inhaltsverzeichnis
7.
Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ................................................................................................. 318
8.
Neuregelung des Fremdpersonaleinsatzes ....................................... 320
9.
Gesetzliche Regelungen zur psychischen Belastung in der Arbeitswelt“ ..................................................................................... 321
10.
Entwurf einer Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen .................................................... 323 a) b) c) d)
Anwendungsbereich .................................................................. 323 Neue Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung ............................ 324 Schaffung einer geeigneten Arbeitsorganisation ....................... 325 Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln ............................................................................ 326 e) Unterweisung der Beschäftigten ............................................... 327 f) Fazit ........................................................................................... 328
B.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 329
1.
Veränderungen in Bezug auf Safe-Harbor-Regelungen ................... 329
2.
Aktuelles zur Datenschutz-Grundverordnung ................................. 329
3.
Vorschlag für eine Richtlinie zur Geschlechterquote unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften ......................................................... 330
4.
Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter ............... 331
5.
Vorschlag für eine Richtlinie zur Einbeziehung der Aktionäre in die Festlegung der Vergütungspolitik .......................................... 332
C.
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 335
1.
Deutsch als Vertragssprache bei ausländischen Arbeitnehmern? ................................................................................ 335
2.
Keine Intransparenz durch deutsch-englische Kunstsprache („Denglisch“) ................................................................................... 340
IX
Inhaltsverzeichnis
3.
Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Übernahme aus befristetem Arbeitsvertrag? .............................................................. 340
4.
Möglichkeiten der Altersbefristung bei Neueinstellung mit 63 ....... 344
5.
Indizien einer rechtsmissbräuchlichen Befristung von Arbeitsverhältnissen nach Arbeitgeberwechsel ............................... 349
6.
Stellenausschreibung: Benachteiligung wegen des Alters durch die Suche nach Berufsanfängern ............................................ 353
7.
Benachteiligung wegen des Geschlechts bei einer Bewerbung ....... 353
8.
Die Frage nach Einschränkungen wegen einer Behinderung im Bewerbungsgespräch: Zwischen gebotener Förderung und verbotener Benachteiligung ............................................................. 355 a) Zulässige Frage nach der Einschränkung wegen Behinderung .............................................................................. 355 b) Unzulässiger Verzicht auf Überlegungen zu „angemessenen Vorkehrungen“................................................. 357
9.
Obliegenheit einer deutlichen Mitteilung einer Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerberverfahren ............................... 359
10.
Fettleibigkeit als Behinderung ......................................................... 362
11.
Arbeitnehmerseitiger Beschäftigungsanspruch trotz Nachtdienstuntauglichkeit ................................................................ 365
12.
Übernahme kollektivrechtlicher Regelungen (hier: Betriebsvereinbarung) im Arbeitsvertrag ......................................... 368
13.
AGB-Kontrolle einer Ausschlussfrist .............................................. 371
14.
Arbeitnehmerüberlassung: Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG ................................................................................................. 373
15.
Islamisches Kopftuch in kirchlichem Krankenhaus? ....................... 374
D.
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 377
1.
Rückforderungsanspruch bei Freistellung unter Entgeltfortzahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses ................................... 377
2.
Widerruf der Prokura als auflösende Bedingung für Zulagengewährung ........................................................................... 379
X
Inhaltsverzeichnis
3.
Bindungswirkung bei der arbeitgeberseitigen Zusage eines Leistungsbonus ................................................................................. 381
4.
Entgeltfortzahlung bei medizinischer Vorsorge und Rehabilitation ................................................................................... 388
5.
Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit? .......................... 389
6.
Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub .................................................................................... 391
7.
Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung............................... 394
8.
Urlaubsanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ......... 396
9.
Stichtagsklausel beim Urlaubsgeld .................................................. 398
10.
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei verfallenem Urlaub ............................................................................................... 401
11.
Zusätzliche Urlaubstage für ältere Arbeitnehmer ............................ 402
12.
Keine Kürzung des Anspruchs auf Erholungsurlaub bei Wechsel in Teilzeitbeschäftigung ..................................................... 403
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................... 405
1.
Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern ........................................................................... 405
2.
Bestimmtheit einer Kündigung zum „nächstzulässigen Termin .............................................................................................. 408
3.
Zurückweisung der Kündigung eines Personalleiters ...................... 411
4.
Darlegungs- und Beweislast bei betriebsbedingter Kündigung wegen Auftragsrückgangs ................................................................ 413
5.
Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen ...................................................................... 415
6.
Krankheitsbedingte Kündigung bei ordentlicher Unkündbarkeit .................................................................................. 418
7.
Personenbedingte Kündigung wegen Alkoholerkrankung............... 420
8.
Praktische Handhabe der 2-Wochen-Frist bei außerordentlicher Verdachtskündigung ............................................ 423
XI
Inhaltsverzeichnis
9.
Social Media: Außerordentliche Kündigung wegen kritischer Meinungsäußerung in You-Tube-Video ........................................... 428
10.
Änderungskündigungen als Entlassung im Sinne des § 17 KSchG .............................................................................................. 431
11.
Keine Altersdiskriminierung durch betriebszugehörigkeitsbezogene Staffelung von Kündigungsfristen ............................................................................ 432
12.
Schriftformerfordernis bei tarifvertraglicher Altersgrenze bzw. auflösender Bedingung wegen Erwerbsunfähigkeit ................ 434
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ....................................................................... 437
1.
Betriebsrentenanpassung: Kennzeichnung der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners........................... 437
2.
Betriebsrentenanpassung: Wahrung der Rügefrist nach § 16 BetrAVG ........................................................................................... 441
3.
Betriebsrentenanpassung in konzernbezogener Rentnergesellschaft .......................................................................... 443 a) Grundsätze der Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ........................................................................ 443 b) Besonderheiten bei einer Rentnergesellschaft .......................... 445 c) Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs im Konzern ..................................................................................... 448 d) Besonderheiten bei Beherrschungs- bzw. Ergebnisabführungsverträgen ................................................... 449 e) Rechtsfolgen eines Schuldbeitritts ............................................ 450
4.
Insolvenzsicherung bei Versorgungszusage einer Konzernobergesellschaft .................................................................. 451
5.
Datenschutzrechtliche Anforderungen an die Personalakte ............. 454
G.
Tarifrecht........................................................................................ 457
1.
Zulässigkeit einer tarifvertraglichen Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern................................................................ 457
XII
Inhaltsverzeichnis
a) Ausgangsfeststellungen des Großen Senats des BAG .............. 458 b) Aktuelle Feststellungen des BAG ............................................. 459 c) Begünstigung bei Leistungen wegen einer Betriebsänderung....................................................................... 460 d) Stellungnahme ........................................................................... 461 2.
Tarifzuständigkeit im Bereich der Zeitarbeit ................................... 463
H.
Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 465
1.
Einsichtsrechte des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten .................... 465
2.
Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit .................................................................. 467
3.
Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständiger des Betriebsrats ....................................................................................... 472
4.
Keine Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Vollzug einer Betriebsvereinbarung ................................................. 474
5.
Betriebsverfassungsrechtliche Pflicht zur Gleichbehandlung bei Dienstbekleidungsvorschriften ................................................... 475
6.
Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren bei Meinungsverschiedenheiten über eine Betriebsvereinbarung ......... 476
7.
Pflicht zur Neuausschreibung bei verzögerter Stellenbesetzung? ............................................................................. 479
8.
Kein Durchführungsanspruch des Betriebsrats bei mitbestimmungswidrig eingeführter Vergütungsregelung ............... 481
9.
Mitbestimmung bei Beendigung einer vorläufigen personellen Maßnahme .................................................................... 484
10.
Unbeachtliche Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats bei Versetzungen .......................................................... 486
11.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beim Einsatz von Fremdpersonal ..................................................... 487
12.
Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen .................................................................. 489
13.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Bereich des Arbeitsschutzes ................................................................................ 491
XIII
Inhaltsverzeichnis
14.
Benennung von Beisitzern der Einigungsstelle ............................... 494
I.
Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 497
1.
Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers im Transferarbeitsverhältnis .................................................................. 497
2.
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Unterbindung einer Betriebsänderung..................................................................... 499
3.
Bedeutung von Vereinbarungen in Bezug auf das Vorliegen eines Betriebsübergangs ................................................................... 501
4.
Widerspruch bei mehrfachem Betriebsübergang ............................. 503
5.
Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für gekündigte Tarifverträge ..................................................................................... 504
6.
Fortbestand und Zuständigkeit des Betriebsrats beim Betriebsübergang .............................................................................. 507
J.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 509
1.
Neues zur Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte .......... 509 a) b) c) d) e)
Die Begründung des BSG ......................................................... 510 Stellungnahme ........................................................................... 512 Überblick Vertrauensschutz ...................................................... 513 Praktische Verfahrensweise ....................................................... 516 Handlungsauftrag ...................................................................... 517
2.
Ruhenszeitraum beim Arbeitslosengeld wegen außerordentlicher Kündigung aus betrieblichen Gründen ............... 517
3.
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2015 .................................................................................................. 519
Stichwortverzeichnis................................................................................... 521
XIV
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz AltZertG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm. AO AP ArbG ArbGG
anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz 1979
XV
Abkürzungsverzeichnis
AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG ArbRB ArbSchG
ARSt ArbStättVO ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG AufenthG Aufl. AÜG AuR AVmG AWbG
XVI
Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
BA BAG BAVAZ BAT BAT-O BB BBG BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancengesetz BeschFG BeschSchG BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG BKK Bl. BMF
Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen XVII
Abkürzungsverzeichnis
BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks. BRTV-Bau BSDG BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG
DA DAG DB XVIII
Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb
Abkürzungsverzeichnis
DBGrG DCGK ders. DGB d. h. DKK DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EGMR EMRK ErfK ESC EStG etc. EU EuGH
Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof XIX
Abkürzungsverzeichnis
EUZBLG
EWG EWiR EzA
Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
FamPflegeZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FR FS
Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift
GA-AÜG
Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Genossenschaftsgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GleichStG
EuZW EUV e. V. evtl. EVÜ
GefStoffV gem. GenDG GenG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen
XX
Abkürzungsverzeichnis
in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst GmbHR GmbH-Rundschau GmS-OBG Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes GNBZ Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste GRC Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GS Großer Senat GSG Gerätesicherheitsgesetz 1992 GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HAG HaKo-KSchR Halbs. h. M. HGB HinGebSchG SWG
Heimarbeitergesetz Handkommentar- Kündigungsschutzrecht Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock
i. d. F. i. E. i. H. a. INF InKDG
in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit
InsO Institutsvergütungsverordnung InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz XXI
Abkürzungsverzeichnis
KDZ Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KMU KO KPK KR K&R krit. KSchG KuG LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG
XXII
Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Kleiner und mittlere Unternehmen Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung
Abkürzungsverzeichnis
m. w. N. MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbErgG Montan-MitbG MonzanMitbErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG NachwG
mit weiteren Nachweisen Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968
n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG
Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OLG
Oberlandesgericht
PatG PersR PersVG NW
Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz
PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
PSABV PSDG PSH-BV PSV PW
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Preis/Willemsen
RabattG RAG RAGE
Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken RIW Recht der internationalen Wirtschaft RL Richtlinie(n) Rz. Randzahl/Randziffer Rs. Rechtssache RsprEinhG Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 RV-LeistungsverGesetz über Leistungsverbesserungen besserungsgesetz in der gesetzlichen Rentenversicherung RVO Reichsversicherungsordnung 1911 RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG XXIV
siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957
Abkürzungsverzeichnis
SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI SGb SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr. Tarifautonomie stärkungsgesetz TKG TransPuG TVG
Sozialgesetzbuch, I. Buch - Allgemeiner Teil 1975 Sozialgesetzbuch, III. Buch - Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch - Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch - Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch - Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch - Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994 Die Sozialgerichtsbarkeit Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (=Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie Telekommunikationsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 XXV
Abkürzungsverzeichnis
TVöD TzBfG
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001
u. a. u. ä. ÜbernG
unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften
UmlFinG UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG VersAusglG vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib
XXVI
vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag
Abkürzungsverzeichnis
WissZeitG WM WpHG WPrax WpÜG WWKK z. B. ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG
Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wlotzke, Wissmann, Koberski, Kleinsorge: Mitbestimmungsrecht zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz
XXVII
A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.
Gesetzlicher Mindestlohn – Handlungsvorgaben für betriebliche Entgelt- und Arbeitszeitregelungen
Auf der Grundlage des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) wird durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) zum 1.1.20151 ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn eingeführt2. Wir hatten schon im Frühjahr darüber berichtet3.Da seine Vorgaben an die Stelle tarifvertraglicher Normsetzung treten werden, ist die Bezeichnung einer „Tarifautonomiestärkung“ hier zwar verfehlt. Ein Bezugspunkt zum gesetzlichen Titel schaffen nur die ergänzenden Regelungen im TVG und im AEntG, die den Staat in die Lage versetzen, durch Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung verbindliche Lohnuntergrenzen zu setzen, deren Ursprung durch Tarifvertrag gesetzt wird.
a)
Höhe des Mindestlohns und Anrechnung verschiedener Vergütungsbestandteile
Nach § 1 Abs. 2 MiLoG hat jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe von mindestens 8,50 € je Zeitstunde. Entsprechend den Feststellungen zur Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche im BAG-Urteil vom 19.11.20144 sind dabei auch Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft einzubeziehen. Die Fälligkeit bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 MiLoG. Leider hat der Gesetzeber darauf verzichtet klarzustellen, welche Entgeltbestandteile dabei zu berücksichtigen sind. Sachleistungen, zu denen die private Dienstwagennutzung ebenso wie Personalrabatte oder ein ÖPNV-Ticket gehören, werden ganz überwiegend in die Berechnung des Mindestlohns selbst dann nicht eingebunden, wenn dem 1 2
3 4
BGBl. I 2014, 1348 ff. Hierzu auch Barczak, RdA 2014, 290 ff.; Bayreuther, NZA 2014, 865 ff.; Berndt, DStR 2014, 1878 ff.; ErfK/Franzen, MiLoG § 1, Rz. 1; Lakies, ArbRAktuell 2014, 527 ff.; Maschmann, NZA 2014, 929 ff.; Picker/Sausmikat, NZA 2014, 942 ff.; Spielberger/Schilling, NZA 2014, 414 ff. und NJW 2014, 2897 ff.; Grau/Sittard, ArbRB 2014, 336 ff.; Grimm/Linden, ArbRB 2014, 339 ff.; Bonanni/Hahne, ArbRB 2014, 343 ff.; Wortmann, ArbRB 2014, 346 ff.; Bonanni/Otto, ArbRB 2014, 349 ff.; Reufels/Blöchl, ArbRB 2014, 352 ff. B. Gaul, AktuellAR 2014, 9 ff. 5 AZR 1101/12 n. v.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Arbeitnehmer diese Vorteile monatlich zufließen. Dies gilt ohne Rücksicht auf den Umstand, dass auf der Grundlage lohnsteuerrechtlicher Vorschriften eine Berechnung des Werts solcher Leistungen erfolgen könnte. Grundlage dieser berechtigten Ausgrenzung ist bereits der Umstand, dass § 1 MiLoG eine Bezahlung in Euro verlangt. Es genügt nicht, dass die Sachleistungen einen Vermögenswert haben, der auch versteuert werden muss. Unerheblich ist auch, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung nach § 107 Abs. 2 GewO auf das Arbeitsentgelt erfolgen kann. Schon die Behandlung von Zulagen und Zuschlägen ist aber streitig. So sehen zahlreiche individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarungen Erschwerniszulagen wie etwa Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, Schmutz- oder Gefahrenzulagen vor. Darüber hinaus stehen übertarifliche Zulagen und Überstundenzuschläge in Rede. Problematisch ist auch die Behandlung von leistungs- oder erfolgsabhängigen Zahlungen, die monatlich, quartalsweise oder jährlich gewährt werden. Hierzu gehören z. B. Boni, Provisionen oder Tantiemen. Umstritten ist zudem die Behandlung sonstiger Zuwendungen, die kalenderjährlich gezahlt werden sollen. In Bezug auf Jahressonderzahlungen werden verschiedene Auffassungen vertreten: Während in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten wird, dass allein arbeitsleistungsbezogene Zuwendungen, die monatlich pro rata temporis verdient werden, zur Anrechnung kommen dürften, während Sonderleistungen mit anderer oder gemischter Zweckbestimmung generell keine Berücksichtigung fänden5, nimmt ein anderer Teil der Literatur an, dass Jahressonderzahlungen, die einmal im Jahr zur Auszahlung kommen, ohne Rücksicht auf ihre Zweckbestimmung nicht geeignet seien, den Anspruch auf den Mindestlohn zu erfüllen6. Nach wiederum anderer Ansicht können jährliche Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld unabhängig von ihrer Zweckrichtung bei der Anrechnung berücksichtigt werden7. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH8, geht der Gesetzgeber und der überwiegende Teil der Literatur davon aus, dass hinsichtlich Jahressonderzahlungen wie des 13. Monatsgehalts, Weihnachts- oder Urlaubsgelds eine Anrechnung auf den Mindestlohn zwar grundsätzlich in Betracht komme. Voraussetzung für die Anrechenbarkeit sei jedoch, dass der Arbeitnehmer
5 6 7 8
So Däubler, NJW 2014, 1924, 1927. So Bayreuther, NZA 2014, 865, 868; Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103 f.; Schweibert/Leßmann, DB 2014, 1866, 1869. So ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rz. 15. Vgl. EuGH v. 7.11.2013 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Rz. 36 ff. – Isbir; EuGH v. 14.4.2005 – C-341/02, NZA 2005, 573 Rz. 39 – Kommission/Deutschland.
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Gesetzlicher Mindestlohn
den anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn nach § 2 MiLoG maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhalte9. Für die generelle Ausgrenzung kalenderjährlicher Zuwendungen spricht bereits, dass § 2 MiLoG die darin liegende Verzögerung der Auszahlung nicht erlaubt10. Wenn solche Zahlungen berücksichtigt werden sollen, müsste also die Abrechnung dahin gehend umgestellt werden, dass diese Jahreszahlungen dann monatlich zu je 1/12 erfolgen. Geschieht dies nicht, kommt eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nur im Monat der Fälligkeit und dem vorangehenden Monat in Betracht. Die wohl überwiegende Meinung zum MiLoG knüpft bei der Frage einer Anrechnung sonstiger Vergütungsbestandteile an den Ergebnissen der EuGH-Rechtsprechung zu den Auswirkungen der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 16.12.199611 (Entsende-Richtlinie) an12. Diese Rechtsprechung sei maßgeblich, weil die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf eine entsprechende Anfrage des Bundesrats hin erklärt habe, dass die Frage der Auslegung des Begriffs des Mindestentgeltsatzes und damit die Frage der Berechnung von Mindestlöhnen bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG mit Blick auf den Mindestentgeltsatz des AEntG geklärt sei. Da dessen europarechtlicher Hintergrund die EntsendeRichtlinie sei, seien die vom EuGH zur Entsende-Richtlinie aufgestellten Vorgaben zur Einbeziehung von Vergütungsbestandteilen auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu übertragen13. Konsequenz sei, dass Zulagen/Zuschläge, die voraussetzten, dass der Arbeitnehmer zu besonderen (Tages-)Zeiten arbeite (z. B. Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, (Wechsel-)Schichtzulagen, regelmäßig Überstundenzuschläge), unter besonders unangenehmen, beschwerlichen, körperlich oder psychisch besonders belastenden oder gefährlichen Umständen arbeite (z. B. Schmutz- oder Gefahrenzulage) oder mehr Arbeit pro Zeiteinheit leiste
9 10 11 12 13
Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f.; Bayreuther, NZA 2014, 865, 868; Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899; einschränkend Sittard, NZA 2014, 951, 952. Bayreuther, NZA 2014, 865, 868. ABlEG L 18 1997, 1 ff. Vgl. EuGH v. 7.11.2013 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Rz. 36 ff. – Isbir; EuGH v. 14.4.2005 – C-341/02, NZA 2005, 573 Rz. 39 – Kommission/Deutschland. BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
(z. B. Akkordprämien) oder eine besondere Qualität der Arbeit erbringe (z. B. Qualitätsprämien) nicht berücksichtigungsfähig14. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH wird eine Anrechnung nur dann für möglich gehalten, wenn sich nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändere15. Hiervon ausgehend werden in der Literatur z. B. Überstundenzuschläge16, Wechselschichtzuschläge17, Akkordprämien18, Qualitätsprämien19 und Gefahrenzulagen20 in der Regel nicht berücksichtigt. Denn mit diesen Zahlungen werde keine „Normalleistung“, sondern eine zusätzliche und andere Leistung des Arbeitnehmers bezahlt. Funktionale Gleichwertigkeit einer Zahlung liege nur dann vor, wenn es um Zahlungen gehe, mit denen die „normale“ Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet werden solle. Hier sei dann auch eine Anrechenbarkeit anzunehmen. Eine Anrechenbarkeit sei hingegen abzulehnen, wenn mit der in Rede stehenden Leistung ein über die normale Arbeitsleistung hinausgehender Zweck honoriert werden soll21. Etwas anderes könne aber dann gelten, wenn die Leistung des Arbeitnehmers gerade darin besteht, solche „besonderen“ Arbeiten auszuführen und deshalb nicht von einem darüber hinausgehenden Zweck, sondern von der „Normalleistung“ auszugehen sei22. Die Frage der Anrechenbarkeit könne daher nicht pauschal für Zulagen einer bestimmten Art beantwortet werden, sondern bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Entscheidend sei, ob der Arbeitgeber eine Leistung vergütet, die der Arbeitnehmer „normalerweis“ erbringen muss oder ob die Zahlung für eine besondere Leistung erfolgt23. Hiervon ausgehend könnten Nachtzuschläge bei Nachtwächtern ebenso zur Anrechnung kommen, wie Schmutzzulagen bei Kanalarbeitern. Auch Wegegeld soll zur Anrechnung kommen, wenn es sich nicht um Fahrt-
14 BT-Drucks. 18/1558 Anlage 4 S. 84 f. 15 Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f. 16 So ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 13; Brors, NZA 2014, 938, 940; Däubler, NJW 2014, 1924, 1927; Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103. 17 So Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103, a. A. Schweibert/Leßmann, DB 2014, 1866, 1869 (in Bezug auf Nachtzuschläge). 18 So Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899. 19 So ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 13; Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899. 20 So Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; a. A. Sittard, NZA 2014, 951, 952; Sittard/Sassen, ArbRB 2014, 142, 143. 21 Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899. 22 Vgl. ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 14. 23 Vgl. Ulber, RdA 2014, 176, 177; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899.
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Gesetzlicher Mindestlohn
kosten- oder sonstigen Aufwendungsersatz handele, sondern die für den Weg erforderliche Zeit vergütet werde24. Für eine Anwendung der EuGH-Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung von § 1 MiLoG spricht zwar, dass das Gesetz nach § 20 MiLoG auch für Arbeitnehmer gilt, die grenzüberschreitend eingesetzt werden. Das entspricht dem Geltungsbereich der Entsenderichtlinie, die sich an Arbeitnehmer richtet, die in das Hoheitsgebiet eines anderen Landes innerhalb der EU überlassen werden. Dafür spricht auch, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort angenommen hat, dass schon die EuGH-Rechtsprechung zu einer Ausgrenzung der vorstehend genannten Zulage führe. Diese Rechtsauffassung ist aber falsch. Die EuGH-Rechtsprechung selbst bietet keine Grundlage, um in Bezug auf § 1 MiLoG festzustellen, was zur Anrechnung kommen soll. Denn auch Art. 3 Entsenderichtlinie garantiert Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nur dann und insoweit, als sie in einem Mitgliedsstaat durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder durch für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge festgelegt wurden. Die Entsenderichtlinie bestimmt also nicht, was verbindlich ist. Sie regelt die Rahmenbedingungen zur Durchsetzung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nach den nationalen Bestimmungen eines Mitgliedsstaats auch bei grenzüberschreitender Tätigkeit verbindlich sein sollen. Dazu können neben der Arbeitszeit und den sonstigen Aspekten des Katalogs von Art. 3 Abs. 1 Entsenderichtlinie auch die Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze gehören. Was von dem Begriff der Mindestlohnsätze erfasst wird, muss aber – wie Art. 3 Abs. 1 S. 2 Entsenderichtlinie bestimmt – durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken desjenigen Mitgliedstaats festgelegt werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird. Dass hierzu auch Zulagen und Zuschläge gehören können, bestätigt die Richtlinie selbst. Denn Entsendezulagen gelten schon nach den Feststellungen der Richtlinie selbst als Bestandteil des Mindestlohns im Sinne der Entsenderichtlinie, sofern sie nicht einem Ausgleich durch die Entsendung tatsächlich entstehender Mehrkosten dienen (Art. 3 Abs. 7 Entsenderichtlinie). Daraus folgt, dass es eine Frage des nationalen Rechts ist, welche Zahlungen von dem Begriff des Mindestlohns erfasst sind. Die Entsenderichtlinie und die daran anknüpfende Rechtsprechung des EuGH zur Durchsetzung dieser Vergütungsansprüche kommt erst dann zum Tragen, wenn klar ist, was auf nationaler Ebene durch den Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien als 24 Vgl. ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 17; Jöris/Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103; Schweibert/Leßmann, DB 2014, 1866, 1869; BT-Drucks. 18/2010 S. 15.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Mindestlohn oder Mindestarbeitsbedingungen bestimmt wurde25. Folgerichtig können auch Ergebnisse in Bezug auf die Auslegung anderer Mindestvorschriften durch den EuGH oder die deutschen Arbeitsgerichte, nicht nutzbar gemacht werden. Sie betreffen andere Rechtsvorschriften, die bei ihrer Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen einen jeweils unterschiedlichen Zweck verfolgen, jedenfalls nach ihrem individuellen Zweck ausgelegt und angewendet werden müssen (z. B. Mindestlohns im Baugewerbe26, Mindestlohntarifvertrag der Abfallwirtschaft27, Mindestlohntarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks28). Entscheidend ist, welchen Zweck § 1 MiLoG verfolgt, um zu bestimmen, was mit der gesetzlichen Vergütung in Höhe von 8,50 € abgegolten werden soll. Eine Anrechnung anderweitiger Vergütungsbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch hängt deshalb davon ab, welchen Zweck diese Leistungen verfolgen. Wenn der Zweck der Leistungen gleich ist, wenn also eine „funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen“ vorliegt, kann eine Anrechnung vorgenommen werden29. Auf diese Systematik hat das BAG mit Urteil vom 16.4.201430 völlig zutreffend hingewiesen. Hiervon ausgehend wird man annehmen müssen, dass alle arbeitsleistungsbezogenen Zuwendungen auf den Mindestlohn ohne Rücksicht darauf angerechnet werden können, ob sie auf individual- oder kollektivrechtlicher Grundlage gezahlt werden. Denn § 1 MiLoG verfolgt nur den Zweck, eine Mindestvergütung für jede Form von Arbeit zu sichern. Die gegenteilige Sichtweise hat auch in Wortlaut oder Gesamtsystematik des Gesetzes keinen Ausdruck gefunden. § 1 MiLoG verpflichtet zur Zahlung von „Mindestlohn“ als Vergütung für die Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Auch § 24 MiLoG spricht abstrakt von dem „Entgelt“. Der
25 Vgl. EuGH v. 7.11.2013 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Rz. 36 ff. – Isbir; EuGH v. 14.4.2005 – C-341/02, NZA 2005, 573 Rz. 39 – Kommission/Deutschland; BAG v. 16.4.2014 – 4 AZR 802/11, BeckRS 2014, 72797 Rz. 48. 26 Vgl. EuGH v. 14.4.2005 –C-341/02, NZA 2005, 573 – Kommission/Deutschland. 27 Hierzu vgl. BAG v. 16.4.2014 – 4 AZR 802/11, BeckRS 2014, 72797 Rz. 37 ff. (hier: Anrechnung von Spätschichtzulage, Nachtschichtzulage, vermögenswirksamen Leistungen). 28 Hierzu vgl. EuGH v. 7.11.2012 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Tz. 45 – Isbir (hier: Anrechnung tarifliche Einmalzahlungen und vermögenswirksame Leistungen); BAG v. 18. 4. 2012 – 4 AZR 139/10, NZA 2013, 392 Rz. 31 ff. (hier: Anrechnung einer Erschwerniszulage). 29 Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f. 30 4 AZR 802/11, BeckRS 2014, 72797 Rz. 39 ff.
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Gesetzlicher Mindestlohn
„Lohn“ und das „Entgelt“ eines Arbeitnehmers kann aber, was auch §§ 107 f. GewO deutlich machen, aus mehreren Bestandteilen bestehen. Der arbeitsleistungsbezogene Bezug des Mindestlohns schließt vorliegend zwar aus, dass Vergütungsbestandteile, die die Betriebszugehörigkeit honorieren oder den Urlaub erleichtern sollen, einbezogen werden. Anrechenbarkeit ist auch bei vermögenswirksamen Leistungen, bei Personalrabatten oder einer Werkmiet- oder Werkdienstwohnung nicht gegeben. Dass es sich um vermögenswirksame Leistungen und/oder gezahltes Entgelt handelt, genügt wegen der abweichenden Zweckbestimmung nicht. Es fehlt an der „funktionalen Gleichwertigkeit“. Alle übrigen Zahlungen, die dem Arbeitnehmer innerhalb der gesetzlichen Fälligkeitsregelungen gezahlt werden, um im Synallagma einen Ausgleich für die geleistete Arbeit zu zahlen, können aber auf den Mindestlohn angerechnet werden. Das gilt nicht nur für Zulagen und Zuschläge, sondern auch für solche Leistungen, die leistungs- oder erfolgsabhängig innerhalb der gesetzlichen Fälligkeitszeiträume gewährt werden. Dass mit § 1 Abs. 1 MiLoG nur eine Normalleistung bezahlt werden soll, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil eine „Normalleistung“ tätigkeits- und branchenübergreifend nicht definiert werden kann. Im Gegensatz zu tarifvertraglichen Regelungen, die auf der Grundlage von § 5 TVG oder den Vorgaben des AEntG Allgemeinverbindlichkeit erhalten können, verzichtet das Mindestlohngesetz deshalb auch darauf, eine tätigkeits- und/oder belastungsspezifische Festlegung des Arbeitsentgelts vorzunehmen. Auch wenn der Arbeitgeber wegen des hochwertigen Anforderungsprofils, der besonderen Schwierigkeiten und Belastungen einer Tätigkeit oder wegen des individuellen Erfolgs der Arbeit eines Arbeitnehmers eine höhere Vergütung verspricht, handelt es sich um den in § 1 MiLoG geregelten Ausgleich von Arbeit gegen Geld. Dieses Verhältnis besteht ohne Rücksicht darauf, ob die Zahlung als stundenbezogene Vergütung, als Monatsentgelt oder als stunden- und/oder monatsbezogene Vergütung mit Zuschlägen oder Zulagen versprochen wird. Auch der Bonus steht in diesem unmittelbaren Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Hätte der Gesetzgeber Vergütungsbestandteile ausgrenzen wollen, die durch den Arbeitgeber bezahlt werden, weil eine Arbeit besonders schwierig ist oder unter erschwerten Belastungen geleistet wird, hätte dies – darauf hat das BAG in Bezug auf die vergleichbare Frage einer Anrechnung von Zulagen auf den Mindestlohn nach § 2 des Mindestlohntarifvertrags für die
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Branche Abfallwirtschaft vom 12.8.2009 im Urteil vom 16.4.201431 hingewiesen – im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden müssen. § 1 MiLoG spricht aber nur von einer Vergütung der Arbeit pro Stunde. Wenn der Gesetzgeber solche erschwerten Arbeiten aber nicht mit einem höheren Mindestlohn versieht, sind sie Bestandteil der Arbeit, die durch den Mindestlohn vergütet wird. Auch solche Zahlungen, die einem höheren Arbeitswert oder erschwerten Bedingungen Rechnung tragen, werden deshalb von § 1 MiLoG erfasst. Anders ausgedrückt: Jede Art der Tätigkeit mit jeder Form der Belastung ist Arbeit i. S. d. § 1 MiLoG. Folgerichtig ist jede Vergütung, die dafür gezahlt wird, anzurechnen. Wenn der Gesetzgeber Zulagen und Zuschläge sowie leistungsbezogene Vergütungsbestandteile hätte ausgrenzen wollen, hätte er erkennbar machen müssen, dass die 8,50 € schon für eine einfache Tätigkeit ohne besondere Belastung innerhalb bestimmter Tageszeiten mit einem bestimmten Mindestniveau an Ausbildung gewährt werden müssen. Die darin liegende Ausgrenzung anderweitiger Tätigkeiten fehlt aber. Für dieses Verständnis des gesetzlichen Mindestlohns spricht auch der Zweck des Gesetzes. Ausweislich der Begründung soll der Mindestlohn Arbeitnehmer vor Niedrigstlöhnen schützen, die generell als unangemessen anzusehen sind. Es soll eine existenzsichernde Vergütung gewährleistet werden. Auf diese Weise soll ein Lohnunterbietungswettbewerb zwischen den Unternehmen zu Lasten der Arbeitnehmer durch Vereinbarung immer niedrigerer Löhne verhindert werden. Zugleich sollen durch die Einführung des Mindestlohns negative Kostenwirkungen für die steuerfinanzierte Grundsicherung, Einnahmeausfälle für die Sozialversicherung und negative Folgen für die Alterssicherung der Arbeitnehmer vermieden werden32. Keiner dieser Zweckbestimmungen verlangt, dass der Mindestlohn in Form eines Betrags geleistet wird, der ohne weitergehende Anknüpfungspunkte für die stundenbezogene Arbeit geleistet wird. Auch bei Zahlungen, die eine besondere Qualität oder Belastung bei der Arbeit honorieren, wird gewährleistet, dass der Arbeitnehmer eine Gegenleistung für seine Arbeit erhält, die die gesetzliche Lohnuntergrenze überschreitet. Da auch solche Zahlungen, die eine besondere Belastung des Arbeitnehmers vergüten oder an bestimmte Arbeitszeiten geknüpft sind der Sozialversicherungspflicht unterfallen, werden durch die Einbeziehung entsprechender Zulagen und Zuschläge auch eine Verbesserung der Einnahmesituation der Sozialversicherung und eine
31 4 AZR 802/11, BeckRS 2014, 72797 Rz. 40, 42, 49 f. 32 Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 27 f.
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Gesetzlicher Mindestlohn
Vermeidung negativer Folgen für die steuerfinanzierte Grundsicherung und die Alterssicherung der betroffenen Arbeitnehmer erreicht33. Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen34 Einbindung stunden-, tagesoder monatsbezogener Zahlungen wird man allerdings dort machen müssen, wo der Gesetzgeber durch zwingendes Recht eine eigenständige Zahlungspflicht mit abweichender Zweckbestimmung geschaffen hat. Das ist durch § 6 Abs. 5 ArbZG der Fall. Denn dieser verpflichtet den Arbeitgeber, dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, falls keine tarifvertraglichen Regelungen bestehen. Solche Zahlungen können, weil sie einen eigenständigen Rechtsgrund und einen eigenständigen Regelungszweck haben, auf § 1 MiLoG nicht zur Anrechnung kommen.
b)
Fälligkeit des Mindestlohns/Arbeitszeitflexibilisierung
Nach § 2 Abs. 1 MiLoG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens aber am Ende des auf die Tätigkeit folgenden Monats zu zahlen. Fehlt eine dahingehende Vereinbarung, gilt § 614 BGB. Abweichend hiervon erlaubt § 2 Abs. 2 MiLoG, auf der Grundlage einer individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarung ein Arbeitszeitkonto zu bilden, im Rahmen dessen abweichend von den grundsätzlichen Fälligkeitsregelungen eine Auszahlung bzw. ein Ausgleich durch Freizeit erfolgen kann. Problematisch daran ist aber, dass der Ausgleich etwaiger Zeitguthaben innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach der monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns erfolgen muss. Grundsätzlich muss also ein Ausgleich innerhalb eines rollierenden Zeitraums von zwölf Kalendermonaten erfolgen. Eine Bindung an das Kalenderjahr besteht nicht. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Abs. 1 MiLoG nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Hiervon ist bei einer Beschäftigung innerhalb der arbeitszeitrechtlich zulässigen Höchstdauer dann auszugehen, wenn monatlich mindestens 1.767,- € (brutto) gezahlt werden. In diesem Fall können die geleisteten Stunden auch über den 12-Monats-Zeitraum hinaus gespeichert werden, ohne dass ein Ausgleich erfolgt. Denn das verstetigte Gehalt deckt bereits den 33 Vgl. Bayreuther, NZA 2014, 865, 869. 34 Vgl. zu einer vergleichbaren Interpretation von § 2 Mindestlohntarifvertrag der Abfallwirtschaft BAG v. 16.4.2014 – 4 AZR 802/11, BeckRS 2014, 72797 Rz. 50 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Anspruch auf Mindestlohn, soweit die monatliche Arbeitszeit insgesamt 208 Stunden nicht übersteigt (4,33 x 48 Stunden/Woche). Bei einem monatlichen Gehaltsanspruch in Höhe von 6.222,- € (jährlich: 74.664,- €) würde der Anspruch auf Mindestlohn sogar dann verstetigt erfüllt, wenn arbeitszeitrechtliche Grenzen missachtet würden. Denn dieser Gehaltsanspruch unterstellt, dass sogar in einem Schaltjahr (= 366 Tage) 24 Stunden pro Tag gearbeitet werden. Unklar und problematisch ist darüber hinaus die Bestimmung, dass die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen dürfen (§ 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG). Will der Gesetzgeber damit aber (wirklich) erlauben, dass jeden Monat bis zu 50 % der vereinbarten Arbeitszeit als Zeitguthaben festgeschrieben werden? 35 Diese Interpretation, die der Wortlaut zuließe, könnte zur Folge haben, dass das Zeitguthaben am Ende eines Zwölf-MonatsZeitraums der Arbeitszeit eines halben Jahres entsprechen könnte. Dieser Spielraum könnte bei Teilzeitbeschäftigten ohne Überschreitung der Schranken des Arbeitszeitgesetzes ausgeschöpft werden. Bei Vollzeitbeschäftigten könnten, wenn man arbeitszeitrechtliche Schranken einmal unberücksichtigt lässt, bei einer monatlichen Arbeitszeit von 165 Stunden innerhalb von zwölf Monaten sogar bis zu 990 Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, ohne dass bis dahin ein Ausgleich erfolgt. Eine solche Interpretation würde zwar den praktischen Bedürfnissen mehr als gerecht, wäre aber mit einer schwer vertretbaren Flexibilisierung der Arbeitszeit verbunden. Wenn entsprechende Veränderungen der Arbeitszeit nicht jeweils einvernehmlich vereinbart würden, sondern einseitig angeordnet werden sollen, stünde eine entsprechende Regelung auch im Widerspruch zu §§ 12 TzBfG, 307 Abs. 1 BGB. Üblich sind deshalb nur Volumina von bis zu 200 oder 300 Stunden, die in den Grenzen billigen Ermessens (§§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB) abgerufen werden. Naheliegender erscheint daher, dass der Gesetzgeber durch § 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG gewährleisten wollte, dass etwaige Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto zu keiner Zeit ein Volumen in Höhe von 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit übersteigen36. Dafür spricht, dass damit ein stärkerer Schutz des Arbeitnehmers bewirkt würde. Gleichzeitig wäre damit aber eine ganz erhebliche Einschränkung der aktuellen betrieblichen und tariflichen Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung verbunden. Denn die heute übli35 So Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2900. 36 So Bayreuther, NZA 2014, 865, 870.
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Gesetzlicher Mindestlohn
chen Regelungen, die Zeitguthaben in größerem Umfang erlauben, wären unzulässig. Dass der Gesetzgeber diese Einschränkung bewirken wollte, ist zwar nicht anzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die hier in Rede stehende Regelung zur Arbeitszeitflexibilisierung von ihrem Geltungsbereich alle Arbeitnehmer erfasst. Auch solche Arbeitnehmer, deren Tätigkeit besonderen saisonalen Schwankungen unterworfen ist, würden erfasst. Für diese Regelung spricht aber, dass damit solche Arbeitnehmer geschützt werden, deren verstetigte Vergütung den Mindestlohn nicht erreicht. Denn sie erhalten ihre Vergütung tatsächlich erst dann, wenn auch das Guthaben ausgezahlt wird. Die darin liegende Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Absicherung mag vertretbar sein, wenn es maximal um die Hälfte der Arbeitszeit geht, die bei einschränkender Interpretation als Zeitguthaben aufgespart werden kann. Wenn es aber darum geht, dass bis zur Hälfte der jährlichen Arbeitsvergütung auf einem Arbeitszeitkonto „geparkt“ werden können, würde die damit verbundene Gegenleistung ggf. erst nach 12 Monaten ausgezahlt. Das hätte zur Folge, dass dem Arbeitnehmer in den ersten Monaten seiner Tätigkeit tatsächlich nur eine Vergütung in Höhe von 5,26 €, also zwei Drittel des Mindestlohnes, gezahlt würde. Die verbleibende Vergütung würde – ggf. sogar rend - erst nach Ablauf des 12-Monats-Zeitraums ausgezahlt37. Schlussendlich bleibt abzuwarten, welche Interpretation durch die Gerichte erfolgt. Da § 3 MiLoG abweichende Regelungen auch in Bezug auf die Fälligkeit der Vergütung verbietet, können weitergehende Vereinbarungen zur Arbeitszeitflexibilisierung auch nicht durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag getroffen werden. Vertretbar dürfte allerdings sein, teleologisch jedenfalls dort eine Einschränkung der Anwendbarkeit von § 2 Abs. 2 S. 3 MiLoG vorzunehmen, wo der Arbeitnehmer verstetigt immer mehr erhält, als im Monat maximal dem Arbeitszeitkonto zugeführt werden darf. Denn hier ist die Mindestabsicherung gemäß § 1 Abs. 1, 2 MiLoG gewahrt.
c)
Unabdingbarkeit des Mindestlohns
In § 3 MiLoG ist die Unabdingbarkeit des Mindestlohns geregelt. Zunächst wird in Satz 1 klargestellt, dass Vereinbarungen unwirksam sind, soweit sie eine Unterschreitung des Mindestlohnanspruchs oder eine Beschränkung der Geltendmachung vorsehen. Mit Ausnahme der Einschränkungen in § 23 MiLoG ist der Mindestlohn damit nicht dispositiv38. Ein Verzicht auf den
37 Vgl. Bayreuther, NZA 2014, 865, 870. 38 ErfK/Franzen, MiLoG § 3 Rz. 1.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
entstandenen Anspruch auf Mindestlohn ist nur aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs möglich; eine Verwirkung ist ausgeschlossen. Beides entspricht § 3 S. 2, 3 MiLoG. Mit dieser Regelung werden nicht nur außergerichtliche Vereinbarungen untersagt, die eine geringere Vergütung oder eine spätere Fälligkeit zum Inhalt haben. Ausgeschlossen werden auch Vereinbarungen, die die gesetzliche Verjährung in Bezug auf diese Ansprüche verkürzen. Ausschlussfristen müssen daher so ausgestaltet werden, dass sie Ansprüche auf den Mindestlohn nicht erfassen. Weil es keine Öffnungsklausel gibt, gilt dies für individualund kollektivrechtliche Regelungen gleichermaßen. Soweit heutige Vereinbarungen eine solche Einschränkung nicht enthalten, dürfte dies aber nicht zu ihrer generellen Unwirksamkeit führen. Denn der Gesetzgeber bestimmt ausdrücklich, dass die Regelung nur „soweit“ unwirksam ist, wie sie zu einer Unterschreitung des Mindestlohns und zu einer Einschränkung seiner Geltendmachung führt. Im Übrigen bleiben sie wirksam. Das unterscheidet eine Unwirksamkeit nach § 3 MiLoG von einer Unwirksamkeit, die z. B. wegen einer unangemessen kurzen Frist in arbeitsvertraglichen Regelungen durch §§ 306, 307 BGB bestimmt wird. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, die Ausschlussfristen insbesondere auf arbeitsvertraglicher Ebene anzupassen, wie dies mit Blick auf § 202 BGB und andere Schranken an anderer Stelle behandelt wurde39.
d)
Haftung des Auftraggebers
Mit § 13 MiLoG wird die derzeit bereits in § 14 AEntG vorgesehene Haftung des Auftraggebers für Zahlungspflichten aus dem Mindestlohngesetz übernommen, soweit diese durch Auftragnehmer oder Nachunternehmer zu erfüllen sind. Die Haftung erstreckt sich auf den Nettobetrag und kommt auch im Insolvenzfall zum Tragen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf hatte abweichend zum AEntG noch einen Entfall der Haftung bei Unkenntnis der Nichtzahlung des Mindestlohns vorgesehen40. Durch den Verzicht auf diese Einschränkung ist die Haftung jetzt aber verschuldensunabhängig ausgestaltet. Dabei haftet der Auftraggeber für die gesamte Nachunternehmerkette. Hierbei werden Arbeitnehmer ebenso wie Leiharbeitnehmer erfasst. Fehlendes Verschulden des Auftraggebers macht sich erst bei der Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit bemerkbar. 39 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, S.185 ff., 341 ff. 40 Vgl. Spielberger/Schilling, NZA 2014, 414, 417.
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Gesetzlicher Mindestlohn
Hiervon ausgehend muss der Auftraggeber dafür Sorge tragen, dass etwaige Nachunternehmer ihre Verpflichtungen in Bezug auf den Mindestlohn einhalten41. Dies betrifft nicht nur die Auswahl etwaiger Auftragnehmer und die Vertragsgestaltung, sondern auch die weitere Zusammenarbeit. Sie muss durch das Verbot gekennzeichnet sein, weitere Nachunternehmer ohne vorherige Abstimmung mit dem Auftraggeber einzubinden. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass für den Auftraggeber die Möglichkeit der regelmäßigen Überprüfung gegeben ist. Erstattungsansprüche und/oder Vertragsstrafen für den Fall der Missachtung sind zwar sinnvoll, laufen aber leer, wenn der Auftragnehmer bzw. Nachunternehmer insolvent wird. Hier kann es sinnvoll sein, außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten vorzusehen.
e)
Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit
Bei geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB IV und Arbeitnehmern, die in den in § 2 a SchwarzArbG genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigt sind (Baugewerbe, Gaststätte und Beherbergung, Personenbeförderungsgewerbe, Spedition, Transport und Logistik, Schausteller, Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau, Fleischwirtschaft), wird der Arbeitgeber durch § 17 MiLoG verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertags aufzuzeichnen. Die an einem Montag erbrachte Arbeitszeit muss somit am kommenden Montag aufgezeichnet werden; die Aufzeichnung ist mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Eine entsprechende Verpflichtung gilt für Entleiher, dem ein Verleiher in diesen Sektoren Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen hat. § 17 MiLoG entspricht damit § 19 Abs. 1 AEntG, der diese Pflichten zur Überwachung der Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge nach dem AEntG begründet. Im Zweifel wird man bei § 17 Abs. 1 MiLoG wohl eine betriebsbezogene Betrachtung vornehmen müssen, was z. B. auch Arbeitnehmer in den Verwaltungsbereichen einbeziehen würde. Würde man abweichend hiervon tätigkeitsbezogen vorgehen - was der Wortlaut nicht völlig ausschließt - würde § 17 Abs. 1 MiLoG die den in § 2 a SchwarzArbG genannten Tätigkeiten auch in solchen Betrieben erfassen, die überwiegend andere Zwecke (z. B. Metall, Chemie) verfolgen. Das dürfte nicht beabsichtigt sein. 41 Berndt, DStR 2014, 1878, 1882.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Die Verpflichtung aus § 17 Abs. 1 MiLoG stellt eine erhebliche Ausweitung von § 16 ArbZG dar, nach der die kalendertäglich über die Dauer von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit erfasst werden muss. Wichtig für die Betriebspraxis ist allerdings, dass das MiLoG keine Regelung dazu enthält, in welcher Form diese Aufzeichnungen erfolgen müssen. Es ist dem Arbeitgeber somit freigestellt, ob die Aufzeichnungen analog oder digital geführt werden. Sie müssen dem Zweck der Vorschrift entsprechend (nur) so erfolgen, dass es möglich ist, sie aufzubewahren und sie im Bedarfsfall durch die Zollämter, die gemäß § 14 MiLoG zur Überprüfung der Einhaltung des Mindestlohns zuständig sind, überprüfen zu lassen. Das Speichern einer Datei, die dem Zollamt im Bedarfsfall zur Verfügung gestellt werden kann, stellt insoweit auch ein „Aufbewahren“ im Sinne des § 17 Abs. 1 MiLoG dar. Das Gesetz verlangt nicht, dass die Aufzeichnung durch den Arbeitgeber selbst erfolgen muss. Die Pflicht kann auf Führungskräfte oder den Arbeitnehmer selbst übertragen werden42. Dies ist auch sachgerecht. Gerade bei einer flexiblen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses bzw. bei einer Leistungserbringung außerhalb des direkten Einflussbereichs des Arbeitgebers ist es diesem oftmals schon praktisch nicht möglich, den Arbeitsbeginn, das Arbeitsende sowie die Arbeitsdauer jedes Arbeitnehmers an jedem Arbeitstag selbst festzuhalten. Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnung deshalb dem Arbeitnehmer überlassen und darf grundsätzlich auch auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben vertrauen. Dies gilt auch dann, wenn Arbeitnehmer betroffen sind, die in Vertrauensarbeitszeit tätig sind. Das entspricht der praktischen Handhabe von § 16 ArbZG. Das Risiko, dass die Arbeitszeiterfassung insoweit allerdings Lücken aufweist, trägt der Arbeitgeber. Das muss den Beteiligten bewusst sein, zumal die Einhaltung dieses Dokumentationserfordernisses in den Bußgeldvorschriften des § 21 MiLoG erfasst wird. Hiervon ausgehend obliegt es dem Arbeitgeber, die Vollständigkeit und Richtigkeit der Aufzeichnungen jedenfalls stichprobenartig zu überprüfen. Darin dürfte die wichtigste Veränderung in Bezug auf die Vertrauensarbeitszeit zu sehen sein. Vertrauensarbeitszeit wird damit zwar nicht ausgeschlossen. Hat der Arbeitgeber bisher darauf vertraut, dass der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitsleistung (ohne Aufzeichnung der Arbeitszeit) auch tatsächlich erbringt, kann dieses Vertrauen auch insoweit bestehen, als die individuelle Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer in einer überprüfbaren Weise aufgezeichnet wird. Allerdings
42 Vgl. OLG Jena v. 3.5.2005 – 1 Ss 115/05, NStZ-RR 2005, 278.
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Gesetzlicher Mindestlohn
verlangt die Schutzbedürftigkeit des Vertrauens, dass gelegentliche stichprobenartige Überprüfungen erfolgen.
f)
Pflicht zur Bereithaltungspflicht von Unterlagen zum Nachweis der Einhaltung des Mindestlohns
In den Branchen, für die die vorgenannte Dokumentationspflicht geschaffen wurde, muss der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 2 MiLoG zudem alle für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen im Inland in deutscher Sprache für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmer bereithalten, jedoch maximal zwei Jahre lang. Diese Verpflichtung entspricht § 19 Abs. 2 AEntG. Mit „erforderlichen Unterlagen“ sind nicht lediglich die in § 17 Abs. 1 MiLoG genannten Aufzeichnungen gemeint, da diese für eine Überprüfung der Zahlung des Mindestlohns nicht ausreichen. Aus ihnen geht schon nicht hervor, welche Vergütungsleistungen erbracht worden sind. Vielmehr sind aufgrund von § 17 Abs. 2 MiLoG neben den Aufzeichnungen gemäß § 17 Abs. 1 MiLoG auch Unterlagen (individual- und/oder kollektivrechtliche Vereinbarungen, Lohn-/Gehaltsabrechnung) in Bezug auf solche Zahlungen bereitzuhalten, die bei der Berechnung des Mindestlohns Berücksichtigung finden. Die Behörde muss anhand der Unterlagen in die Lage versetzt werden, den Umfang der geleisteten Arbeit und das dafür gezahlte Stundenentgelt nach Höhe und Fälligkeitszeitpunkt zu ermitteln. Besonderheiten gelten bei Arbeitnehmern, deren Arbeitszeit flexibel gehandhabt wird. Um überprüfen zu können, dass auch bezüglich der auf einem Arbeitszeitkonto verbuchten geleisteten Arbeitszeit der Mindestlohn gesichert ist, müssen zusätzlich die individual- und/oder kollektivrechtliche Vereinbarung über die Arbeitszeitflexibilisierung und Nachweise zur Höhe des Guthabens / Saldos bereitgehalten werden. Wichtig ist, dass bei den Vereinbarungen zur Arbeitszeitflexibilisierung die Höchstgrenzen in Bezug auf den Umfang des Guthabens und die Dauer des Ausgleichszeitraums aus § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG beachtet werden. Auch hinsichtlich dieser Unterlagen ist sowohl eine analoge als auch eine digitale Vorhaltung ausreichend, um der Pflicht zur Bereithaltung zu genügen. Grundsätzlich genügt es, wenn die Unterlagen in der Verwaltung des Arbeitgebers vorliegen, typischerweise in der Personalabteilung. Auf besondere Anordnung hin kann die Prüfbehörde anordnen, sie am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten. Die Verfügbarkeit kann dann auch durch einen Ausdruck oder eine elektronische Übermittlung geschehen.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
g)
Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge
Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern nicht ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 MiLoG spätestens zu dem in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. MiLoG genannten Zeitpunkt zahlen, können nach Maßgabe von § 19 MiLoG für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit von der Teilnahme an einem Wettbewerb zur öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Voraussetzung ist, dass sie wegen eines Verstoßes mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500,- € belegt worden sind.
h)
Gesetzliche Regelungen zum persönlichen Anwendungsbereich
Das MiLoG gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer i. S. dieses Gesetzes. Nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen allerdings Praktikantinnen und Praktikanten, die 1. ein Praktikum verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlichen geregelten Berufsakademie leisten, 2. ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten, 3. ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufsoder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht bereits zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Auszubildenden bestanden hat, oder 4. an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54 a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 BBiG teilnehmen.
Praktikanten sind nach § 22 MiLoG Personen, die sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterziehen, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare prak-
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Gesetzlicher Mindestlohn
tische Ausbildung handelt. Für diese Personen ist auch das NachwG geändert worden43. Ungeachtet dessen werden Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ohne abgeschlossene Berufsausbildung ebenso wie ehrenamtlich Tätige und die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten vom Anwendungsbereich des MiLoG nicht erfasst. Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos i. S. d. § 18 SGB III waren, gilt der Mindestlohn nicht in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung. Dies bestimmt § 22 MiLoG.
i)
Ausnahmen für leitende Angestellte und AT-Angestellte?
Das Gesetz enthält keine Öffnungsklausel, nach der leitende Angestellte i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG oder AT-Angestellte nicht vom Anwendungsbereich erfasst würden. Dies gilt z. B. auch für die Aufzeichnungs- und Bereithaltungspflichten nach § 17 Abs. 1, 2 MiLoG, die in den dort genannten Branchen (z. B. Baugewerbe, Spedition und Logistik, Gebäudereinigung) damit an sich auch für Arbeitnehmer gelten, deren Vergütung zweifelsfrei oberhalb der Schwellenwerte des § 1 Abs. 1 MiLoG liegt. Denn der Arbeitnehmerbegriff des MiLoG enthält insoweit keine Ausnahme. Das etwaige Fehlen einer Tarifbindung und die Höhe der Vergütung sind für den Arbeitnehmerstatus irrelevant. Nach dem Wortlaut gelten die im MiLoG vorgeschriebenen Pflichten somit auch für diesen Personenkreis. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes erscheint es allerdings geboten, in Bezug auf einzelne Vorschriften (teleologisch) eine einschränkende Auslegung vorzunehmen. So dürfte jedenfalls bei solchen Arbeitnehmern, die eine derart hohe Vergütung erhalten, dass schon denklogisch der Anspruch auf den Mindestlohn erfüllt wird, die Schranken der Arbeitszeitflexibilisierung aus § 2 Abs. 2 MiLoG oder der Aufzeichnungspflicht des § 17 Abs. 1 MiLoG entfallen. Es ist überflüssig, die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers zu dokumentieren, dessen Vergütung schon rein rechnerisch nicht unter 8,50 € pro Stunde liegen kann. Das ist bei einem monatlichen Gehalt von 6.222,- € bzw. einem Jahresgehalt von 74.664,- € sogar im Schaltjahr der Fall. Hier genügt es, wenn die Unterlagen für die Dauer der vereinbarten Arbeitszeit und die Höhe des gezahlten Arbeitsentgelts gemäß § 17 Abs. 2 MiLoG bereitgehalten werden. Da kein Arbeitnehmer 24 Stunden am Tag arbeiten kann und auch grundsätzlich nicht 365 (366) Tage im Jahr arbeitet, dürfte es allerdings geboten 43 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 292 f.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
sein, die vorstehende Einschränkung des Geltungsbereichs schon bei einer niedrigeren Vergütung anzunehmen. Anknüpfungspunkt könnte dabei aus Gründen der äußersten Vorsorge eine durchschnittliche Arbeitsleistung von 12 Stunden an jedem Tag im Kalenderjahr sein. Unterstellt man, dass ein Arbeitnehmer in diesem Fall eine Vergütung von 37.332 € (366 Tage x 12 Stunden x 8,50 €) erhält, kann auch ohne weitergehende Aufzeichnungen nach § 17 Abs. 1 MiLoG davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Anspruch auf den Mindestlohn erfüllt wird. Schließlich läge in einer solchen Zeit schon eine erhebliche Überschreitung arbeitszeitrechtlicher Schranken. Denkbar ist auch, an die arbeitszeitrechtliche Höchstgrenze anzuknüpfen, was Arbeitnehmer ausgrenzen würde, die mehr als 1.767,- €/Monat erhalten. Folgt man dieser Bewertung, ist § 17 Abs. 1 MiLoG einschränkend dahingehend auszulegen, dass keine Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers besteht, wenn durch die Höhe des laufenden Entgelts bereits sichergestellt ist, dass der Anspruch auf Erhalt des Mindestlohns erfüllt worden ist. § 17 Abs. 2 MiLoG bleibt hiervon – wie ausgeführt – unberührt. Auch § 2 Abs. 2 MiLoG findet keine Anwendung. Dies gilt für die Dauer des Ausgleichszeitraums ebenso wie für die Höhe eines etwaigen Zeitguthabens. Dass man sich in der Praxis durchaus für eine solche Handhabe der vorgenannten Handlungspflichten entschließen kann, bestätigt § 21 Abs. 3 MiLoG. Danach „können“ Verstöße mit einem Bußgeld belegt werden. Die Prüfbehörden haben also im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob sie Verstöße gegen das Gesetz, insbesondere gegen §§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 MiLoG, mit einem Bußgeld belegen. Selbst wenn man eine teleologische Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften ablehnen wollte, wäre die Belegung des Arbeitgebers mit einem Bußgeld jedenfalls dann ermessensfehlerhaft bzw. unverhältnismäßig, wenn ein Verstoß gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns schon durch die Gesamthöhe des Arbeitsentgelts ausgeschlossen ist. Anderenfalls würde der Verstoß gegen eine Pflicht bestraft, deren Zweck bereits erfüllt ist. Dies wäre ermessensfehlerhaft. Als Nachweis zur Erfüllung dieser Verpflichtungen sollten die Vereinbarungen zur Dauer der Arbeitszeit und Nachweise zu der dafür gezahlten Vergütung ausreichen.
j)
Übergangsregelungen
Zwar gilt der Anspruch auf den Mindestlohn bereits ab dem 1.1.2015. § 24 MiLoG sieht jedoch bis zum 31.12.2017 hiervon abweichende Regelungen vor. So können abweichende Regelungen durch Tarifvertrag getroffen werden, sofern es sich um Vereinbarungen repräsentativer Tarifvertragsparteien handelt und die Regelungen für alle unter den Geltungsbereich des Tarifver290
Gesetzlicher Mindestlohn
trags fallende Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind und spätestens zum 1.1.2017 ein Entgelt von 8,50 € (brutto) je Zeitstunde vorgesehen ist. Davon sind also Tarifverträge betroffen, die nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich oder gemäß § 7 AEntG für zwingend erklärt worden sind und in den Anwendungsbereich des AEntG fallen44. Unerheblich ist, ob sie vor oder nach dem 1.1.2015 geschlossen wurden45. Losgelöst davon enthält das Gesetz Sonderregelungen für Zeitungszusteller (§ 24 Abs. 2 MiLoG). Nach Abs. 2 gelten auch Sonderregelungen für Zeitungszusteller/innen, wonach ab dem 1.1.2015 ein Anspruch auf 75 % des Mindestlohns besteht, also 6,83 € (brutto), und ab dem 1.1.2016 ein Anspruch i. H. v. 85 %, also 7,23 € (brutto). Hinsichtlich der geringfügigen Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung gilt ab dem 1.1.2015 zwar ebenfalls der Anspruch auf Mindestlohn. Jedoch sieht § 115 SGB IV bis zum 31.12.2018 die Möglichkeit vor, dass eine Einsatzdauer von bis zu drei Monaten bzw. 70 Arbeitstagen vereinbart werden kann. Auf diese Weise sollen insbesondere etwaige Probleme bei der Durchsetzung des Mindestlohns im Rahmen von Saisonarbeit Rechnung getragen werden46. Damit diese Sonderregelung aber keine generelle Ausweitung der versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung zur Folge hat, ist die Regelung auf vier Jahre befristet worden47.
k)
Verstöße gegen das MiLoG
Vorsätzliche und fahrlässige Verstöße gegen das MiLoG können nach § 21 MiLoG als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Im „Regelfall“ sind die Verstöße mit einer Geldbuße von bis 30.000 € verbunden. Bei einem Verstoß gegen die Zahlung bzw. einer verspäteten Zahlung des Mindestlohns oder bei einem erheblichen Einsatz vom Auftragsunternehmern und Nachunternehmern, bei denen der Auftraggeber Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Nichtzahlung oder nicht rechtzeitigen Zahlung des Mindestlohns hat, kann allerdings ein Bußgeld von bis zu 500.000 € fällig werden. Grundlage für eine Ahndung dieser Ordnungswidrigkeiten sind die allgemeinen Regelungen des OWiG48. (Ga/Ma)
44 45 46 47 48
Vgl. Bayreuther NZA 2014, 865, 873. ErfK/Franzen, MiLoG § 24 Rz. 2. BT-Drucks. 18/2010 S. 28. BT-Drucks. 18/2010 S. 28. Berndt, DStR 2014, 1878, 1885.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
2.
Praktika: Niederschrift wesentlicher Vertragsbedingungen in Schriftform
Im Frühjahr hatten wir über den Vorschlag der EU-Kommission vom 4.12.2013 berichtet, in dem eine Empfehlung des Rats zu einem Qualitätsrahmen für Praktika enthalten war49. Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf die diesbezügliche Zusammenfassung verwiesen50. Im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie hat die Bundesregierung diese Empfehlung durch Änderung des Nachweisgesetzes umgesetzt51. Die Änderungen sind am Tag nach der Verkündung des Gesetzes, also am 16.8.2014, in Kraft getreten. Gemäß § 2 Abs. 1 a NachwG ist derjenige, der einen Praktikanten einstellt, verpflichtet, unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrags, spätestens bei Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: 1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, 2. die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele, 3. Beginn und Dauer des Praktikums, 4. Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit, 5. Zahlung und Höhe der Vergütung, 6. Dauer des Urlaubs, 7. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsver hältnis anzuwenden sind.
Dabei ist es ausgeschlossen, den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form vorzunehmen. Hinsichtlich der Kennzeichnung von Praktikanten wird durch § 1 S. 2 NachwG an § 22 Abs. 1 MiLoG angeknüpft. Praktikantin oder Praktikant sind danach unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertrags-
49 COM(2013)857 final. 50 B. Gaul, AktuellAR 2014, 43 f. 51 Eingehend Düwell, DB 2014, 2047 ff.
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Gesetzliche Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Kraft
verhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt (§ 22 Abs. 1 S. 3 MiLoG). Auch für das NachwG wird man allerdings die Praktikanten ausgrenzen können, für die der Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG nicht gilt. Der Gesetzgeber hat mit den Änderungen im NachwG zwar keine ausdrückliche Übergangsvorschrift geschaffen, die Handlungspflichten für bereits bestehende Praktika betrifft. Im Zweifel wird man insoweit aber auf § 4 NachwG zurückgreifen müssen. Danach ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift im Sinne des § 2 NachwG auszuhändigen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestanden hat. Da Praktikanten nach der gesetzlichen Neuregelung als Arbeitnehmer im Sinne des NachwG gelten, wird man hiervon auch in Bezug auf diese Beschäftigungsverhältnisse ausgehen können. Voraussetzung für eine dahingehende Handlungspflicht bleibt damit aber, dass von Seiten der Praktikantin bzw. des Praktikanten ein entsprechendes Verlangen geäußert wird. (Ga)
3.
Gesetzliche Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Kraft
Im Frühjahr hatten wir über den Entwurf des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) berichtet52. Es ist mit letzten Änderungen am 1.7.2014 in Kraft getreten53. Wegen seiner wesentlichen Regelungen sei zunächst einmal auf die Ausführungen im Frühjahr verwiesen. Einige Punkte sollen nachfolgend noch einmal gesondert aufgezeigt werden.
a)
Anrechnung von Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld in den letzten Jahren vor Rentenbeginn
Bei der Berechnung der Pflichtversicherungsjahre werden Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, Leistungen bei Krankheit sowie Übergangsgeld berücksichtigt werden, sofern sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind (§ 51 Abs. 3 a S. 1 Nr. 3 SGB VI). Neben Arbeitslosengeld gehören hierzu auch Zeiten des Bezugs sämtlicher Formen von Kurzarbei52 B. Gaul, AktuellAR 2014, 1 ff. 53 BGBl. I 2014 S. 2 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
tergeld, Teilarbeitslosengeld, Schlechtwettergeld, Winterausfallgeld, Leistungen der beruflichen Weiterbildung oder Insolvenzgeld. Dass diese Beiträge nicht durch Arbeitsleistung „verdient“ wurden, spielt insoweit keine Rolle. Zeiten, in denen Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II bezogen wurden und deshalb auch keine Beiträge entrichtet wurden, finden keine Berücksichtigung54. Um eine Frühverrentung vor Vollendung des 63. Lebensjahres zu vermeiden, sieht § 51 Abs. 3 a Ziff. 3 SGB VI vor, dass Zeiten mit Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten Jahren vor dem Rentenbeginn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Entgegen gegenteiliger Feststellungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in einem Schreiben vom 24.7.201455 wird man im Zweifel dabei auch die Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld in den letzten beiden Jahren nicht berücksichtigen können; gegenteilige Feststellungen müssten mit der DRV abgestimmt werden. Eine Ausnahme gilt dann, wenn ihre Inanspruchnahme durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Entsprechendes gilt für die Einbindung von freiwilligen Beiträgen nach § 51 Abs. 3 a Ziff. 4 SGB VI. Wann eine „vollständige Geschäftsaufgabe“ vorliegt, definiert der Gesetzgeber nicht. Richtig erscheint es aber, unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausnahmeregelung an vergleichbaren Vorgaben zur „vollständigen Geschäftsaufgabe“ in § 51 SGB VI und ihrer Interpretation anzuknüpfen. Danach ist der Begriff der vollständigen Geschäftsaufgabe i. S. d. § 51 Abs. 3 a S. 1 Nr. 3, 2. HS SGB VI eng auszulegen. Von einer vollständigen Geschäftsaufgabe ist nach der Arbeitsanweisung der DRV nur dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine gesamte Betriebstätigkeit auf Dauer eingestellt hat. Eine Einstellung der Tätigkeit eines einzelnen Betriebsteils, einer Filiale, eines Standorts sowie eine Zusammenlegung von Betrieben oder eine Teilstilllegung sind danach nicht ausreichend, um den Tatbestand der vollständigen Geschäftsaufgabe zu begründen, sofern der Arbeitgeber weitere Betriebsteile oder andere einzelne Betriebe weiterführt. Auch bei einem Inhaberwechsel liegt keine vollständige Geschäftsaufgabe vor, da der neue Inhaber als Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis eintritt. Dieser Bewertung ist zuzustimmen, wenn man den gesetzlichen Regelungszweck ernst nimmt. Denn das Privileg einer Anrechnung der Entgeltersatz54 Vgl. auch Wikel/Nakielski, AuR 2014, 275 f.; Kröger, BetrAV 2014, 427, 429. 55 IVb1-96-BVTB e.V./14.
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Gesetzliche Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Kraft
leistungen soll nur zum Tragen kommen, wenn es beim bisherigen Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt. Hiervon kann rechtssicher aber nur dann ausgegangen werden, wenn keinerlei geschäftliche Tätigkeiten entfaltet werden. Die bloße Stilllegung eines Betriebs genügt damit im Zweifel selbst dann nicht, wenn Vertragsbeziehungen zu Kunden (z. B. Lieferverträge) fortgeführt werden, aber die dafür erforderlichen Leistungen auf der Grundlage von Werk- oder Dienstleistungsverträgen durch Dritte erbracht werden. Das entspricht der umgekehrten Annahme der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit im Rahmen von § 112 a Abs. 2 BetrVG. Ob ein Unternehmen in einer Konzernbindung steht, spielt allerdings für § 51 Abs. 3 a SGB VI keine Rolle. Arbeitsplätze in einem anderen Konzernunternehmen müssen selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn eine steuernde Einflussnahme durch eine andere Gesellschaft des Konzerns gegeben ist. Unerheblich sind auch steuerrechtliche Organschaften, Beherrschungsverträge oder Gewinn- oder Ergebnisabführungsverträge. Die vollständige Geschäftsaufgabe muss ferner ursächlich für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und den folgenden Leistungsbezug gewesen sein. Auf die zeitliche Reihenfolge (erst Geschäftsaufgabe, dann Kündigung) kommt es dabei nicht an. Wenn es um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Insolvenz geht, wird man – vergleichbar mit § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III - annehmen können, dass es bei der Frage einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit nicht darauf ankommt, ob die Betriebsstilllegung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits vollständig durchgeführt wurde. Es reicht, wenn sie bereits „greifbare Formen“ angenommen hat. Der Arbeitgeber muss alle Maßnahmen eingeleitet haben, die Produktion und den Warenvertrieb vollständig einzustellen. Das ist nicht der Fall, wenn bestehende Aufträge noch ausproduziert werden. Zulässig sind allenfalls Erhaltungs-, Abwicklungs- und Liquidationsarbeiten, die eine Verwertung der Insolvenzmasse sicherstellen. Auch ein kurzfristiger Liquidationsverkauf von Restware steht der Beendigung der Betriebstätigkeit nicht entgegen.
b)
Überbrückung der letzten Jahre durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse
Der Gesetzgeber berücksichtigt die letzten zwei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze für den Bezug von Altersrente für besonders langjährig Versicherte nur dann nicht, wenn in dieser Zeit nur Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung bezogen werden. Wenn der Arbeitnehmer – ggf. neben dem Bezug dieser Leistungen – eine Beschäftigung ausübt, in der Rentenversi-
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
cherungspflicht besteht und Beiträge abgeführt werden, findet wieder eine Anrechnung statt. Hiervon ausgehend ist es möglich, eine Anrechnung der Zeiten mit einem Arbeitslosengeld- oder einem Kurzarbeitergeldanspruch auszulösen, wenn in dieser Zeit zugleich auch eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt wird, innerhalb derer der Arbeitnehmer keinen Verzicht auf die Befreiung von der Rentenversicherung erklärt. Auf die Höhe des Arbeitsentgelts kommt es nicht an; die Höchstgrenze von 450 € (brutto) muss also nicht ausgeschöpft werden. Die Beschäftigung könnte sogar beim alten Arbeitgeber erfolgen. Auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld hat eine geringfügige Beschäftigung keinen Einfluss. Denn § 138 Abs. 3 SGB III erlaubt eine solche Tätigkeit, sofern die Arbeitszeit wöchentlich weniger als 15 Stunden beträgt. Allerdings erfolgt eine Anrechnung, sofern der Freibetrag von 165 € pro Monat überschritten wird (§ 155 Abs. 1 SGB III). Grundsätzlich steht die geringfügige Beschäftigung auch dem Anspruch auf Kurzarbeit oder Transferkurzarbeit nicht entgegen. Allerdings wird durch §§ 106 Abs. 3, 111 Abs. 10 SGB III festgelegt, dass sich der Arbeitnehmer das Entgelt für die geringfügige Beschäftigung anrechnen lassen muss. Wenn diese Rechtsfolgen in Kauf genommen werden, könnte also auch die Zeit einer Transfergesellschaft zur Anrechnung kommen, wenn während dieser Zeit eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt wird. Allerdings wird man ergänzend hierzu im Einzelfall zu klären haben, ob nicht § 111 Abs. 8 SGB III der Inanspruchnahme von Transferkurzarbeit mit der Begründung entgegensteht, dass der Wechsel in die Transfergesellschaft nur dazu diene, eine Anschlussbeschäftigung beim Altarbeitgeber oder einem anderen Konzernunternehmen aufzunehmen. Grundsätzlich kann eine solche Beschäftigung auch über den Zeitpunkt hinaus fortgesetzt werden, zu dem an sich bereits Altersrente für besonders langjährig Versicherte bezogen werden kann. In diesem Fall steht die geringfügige Beschäftigung dem Anspruch auf Altersrente nicht entgegen. Allerdings kommt die Hinzuverdienstgrenze (§ 34 Abs. 2, 3 SGB VI) zum Tragen, wenn die Tätigkeit noch vor Erreichen der Regelaltersgrenze ausgeübt wird. Danach entfällt der Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis mehr als 450 € (brutto) pro Monat verdient. Das zweimalige Überschreiten dieser Grenze bis zum Doppelten bleibt dabei unberücksichtigt. Die Möglichkeit, als besonders langjährig Versicherter ab Vollendung des 63. Lebensjahres gesetzliche Altersrente neben einem (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnis zu beziehen, lohnt sich damit wohl nur bis zur Hinzuverdienstgrenze. Erst ab
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Gesetzliche Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Kraft
Erreichen der Regelaltersgrenze ist uneingeschränkter Hinzuverdienst möglich (§ 34 Abs. 2 S. 1 SGB VI).
c)
Vereinbarungen über ein Hinausschieben der Altersgrenze
Mit § 41 S. 3 SGB VI wurde die Möglichkeit geschaffen, durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach, hinauszuschieben. Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, diese Regelung mit der notwendigen Klarheit zu versehen. Unstreitig dürfte es sich bei einer solchen Vereinbarung um eine Befristung handeln, so dass die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG gewahrt werden muss. Anzunehmen ist auch, dass die Vereinbarung – entsprechend der Rechtsprechung zur Verlängerung nach § 14 Abs. 2 TzBfG – nur zu einer Veränderung des Beendigungszeitpunkts, nicht aber zur Veränderung von Arbeitsbedingungen führen kann. Wenn die Dauer und/oder Lage der Arbeitszeit, die Tätigkeit oder die Vergütung für die Zeit nach Überschreiten der Altersgrenze verändert werden sollen, muss dies also gesondert von der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts vereinbart werden. Unklar ist bedauerlicherweise, ob Vereinbarungen nach § 41 S. 3 SGB VI an das Vorliegen eines Sachgrundes geknüpft sind oder ob – wofür die besseren Gründe sprechen - das Gesetz selbst eine sachgrundlose Verlängerung zulassen will. Für die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung spricht die Bezugnahme des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Altersgrenzenklauseln. Soweit die Begründung des Gesetzentwurfs Gründe für eine Verlängerung nennt (z. B. Know-how-Transfer, Projektarbeit), liegt darin also nur ein Anlass, aber nicht die beispielhafte Rechtfertigung entsprechender Vereinbarungen nach § 14 Abs. 1 TzBfG56. Dafür spricht auch, dass es § 41 S. 3 SGB VI wegen § 14 Abs. 1 TzBfG gar nicht bedurft hätte, wenn ein Sachgrund für ein wirksames Hinausschieben erforderlich wäre. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber von der im Gesetz vorgesehenen Befugnis einer mehrfachen Verlängerung nicht schrankenlos Gebrauch machen darf. Denn in solchen Fällen besteht die Gefahr eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, das die Unwirksamkeit des vereinbarten Beendigungszeitpunkts zur Folge hat. Vergleichbar mit entsprechenden Überlegungen zur mehrfachen Befristung von Arbeitsverhältnissen zum Zwecke der Vertretung dürfte es deshalb zwar entsprechend § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig sein, Vereinba56 Eingehend hierzu Boewer, AktuellAR 2014, 344, 347 ff.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
rungen bis zu einer Gesamtdauer von 2 Jahren und bis zu dreimalig eine Verlängerung zu vereinbaren. Dass diese Grenzen entsprechend den Überlegungen zur Mehrfachbefristung im Rahmen von § 14 Abs. 1 TzBfG auf das Doppelte ausgedehnt werden können, erscheint mit Blick auf die Wertentscheidung in § 14 Abs. 3 TzBfG fraglich, weil der Arbeitnehmer in den hier in Rede stehenden Fällen bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war, was jedenfalls gegen eine personenbezogene Rechtfertigung der mehrfachen Verlängerung spricht57. Notfalls muss in der Praxis geprüft werden, ob zur ergänzenden Rechtfertigung nicht doch noch ein sachlicher Grund i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben ist.
d)
Vermeidung einer Beendigung von Altersteilzeitverträgen
Grundsätzlich hat die Einführung einer abschlagsfreien Altersrente mit 63 Jahren keine Auswirkungen auf den Beendigungszeitpunkt von Altersteilzeitvereinbarungen, wenn darin ein festes Datum genannt wird. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn gemäß § 8 Abs. 3 ATG vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet, wenn der Arbeitnehmer vor dem vereinbarten Zeitpunkt einen Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente besitzt58. In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig, was nach den Regelungen zum Störfall auch eine vorzeitige Auszahlung etwaiger Wertguthaben zur Folge hat. Da insoweit nicht an eine etwaige Behinderung angeknüpft wurde, liegt darin keine unzulässige Diskriminierung. Die Neuregelung trifft schwerbehinderte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer ohne Behinderung gleichermaßen. Bei Altersteilzeitverträgen, bei denen die Altersteilzeit vor dem 1.1.2010 begonnen hatte, war eine vorzeitige Beendigung in der Vergangenheit in der Regel dadurch veranlasst, dass von dem Zeitpunkt an, von dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen ungekürzten Bezug gesetzlicher Altersrente besaß, der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattungsleistungen der Agentur für Arbeit entfiel (§§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 2 ATG). Diese Rechtsfolge beseitigt jetzt § 15 h ATG für die Fälle, in denen es um einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte geht. Bei Vorliegen einer Vereinbarung nach § 8 Abs. 3 ATG kann der Arbeitgeber zwar weiterhin auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen, wenn der Rentenanspruch gegeben ist. Zulässig wäre es aber auch zu vereinbaren, die Beendigung erst mit Wirkung zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, der ursprünglich
57 Vgl. Boewer, AktuellAR 2014, 344, 347 ff. 58 Vgl. auch Lorenz-Schmidt, ZTR 2014, 511, 519.
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Gesetzliche Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Kraft
vereinbart wurde. Wirtschaftliche Nachteile in Bezug auf eine etwaige Neueinstellung werden mit der gesetzlichen Neuregelung vermieden.
e)
Keine Mehrkosten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung
Die Möglichkeit einer vorgezogenen Altersrente lässt bestehende Versorgungswerke unberührt. Es bleibt also insbesondere bei den in der Versorgungsordnung vorgesehenen Altersgrenzen für den Bezug der Betriebsrente. Ausgehend davon, dass Betriebsrente ohnehin erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, schließt dies zunächst einmal aus, dass Betriebsrente neben einem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis bezogen wird. Eine gesetzliche Regelung, nach der abschlagsfrei ab Vollendung des 63. Lebensjahres auch die Betriebsrente bezogen werden kann, ist mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz also nicht geschaffen worden. Denkbar ist aber gleichwohl, dass wegen des zunehmenden Ausscheidens von Arbeitnehmern mit Vollendung des 63. Lebensjahres auch die gleichzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente zunehmen wird. Grundsätzlich führt die Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung vor Vollendung des in der Versorgungsordnung vorgesehenen Lebensalters zu einer zeitratierlichen Minderung der Betriebsrente, wenn die Versorgungszusage keine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung trifft. Daran hat sich nach dem 1.7.2014 nichts geändert. Wenn die Versorgungsordnung den Versorgungsfall an den Zeitpunkt knüpft, an dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreicht, wird die Versorgungsanwartschaft weiterhin auf der Grundlage des Lebensalters berechnet, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht59. Diese Regelaltersgrenze liegt zwischen der Vollendung des 65. und des 67. Lebensjahres. Endet das Arbeitsverhältnis vor diesem Zeitpunkt, erfolgt eine m/n-tel Kürzung der Versorgungsanwartschaft. Nimmt der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch noch frühzeitig die Altersrente in Anspruch, kommt es – falls gegenteilige Regelungen fehlen – unter Berücksichtigung der BAG-Rechtsprechung darüber hinaus zu einer Kürzung, die der Mehrbelastung durch längere Inanspruchnahme Rechnung trägt. Entsprechendes gilt unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 2 bis 5 BetrAVG geregelten Besonderheiten für die mittelbaren Versorgungszusagen.
59 So auch Koch, BB 2014, 1589, 1594.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Soweit § 2 Abs. 1 BetrAVG bislang bestimmt hatte, dass die Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente keine Rolle spielt, wenn der Arbeitnehmer ausscheidet und gleichzeitig Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für die besonders langjährig Versicherten in Anspruch nimmt, ist ganz bewusst keine Absenkung auf das Lebensalter 63 erfolgt. Vielmehr stellt § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG klar, dass bei der Berechnung einer etwaigen m/n-tel Kürzung generell auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgestellt wird, selbst wenn das Arbeitsverhältnis bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres beendet wird und ein ungekürzter Anspruch auf Altersrente besteht. (Ga/Ja)
4.
Frauen- bzw. Geschlechterquote für Aufsichtsräte, Vorstände, Geschäftsführer und oberste Führungskräfte
Mit dem gemeinsamen Referentenentwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst wollen das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Geschlechterquoten bzw. Frauenquoten im oberen Management mitbestimmter Unternehmen einführen. Damit verbunden sind weitreichende Verpflichtungen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, die durch Veränderungen im Bundesgleichstellungsgesetz mit Wirkung für die Bundesgerichte, die unmittelbare und mittelbare Bundesverwaltung sowie Unternehmen in bundeseigener Verwaltung umgesetzt werden sollen.
a)
Geschlechterquote im Aufsichtsrat bei „voller“ Mitbestimmung börsennotierter Gesellschaften
Nach § 96 Abs. 2 S. 1 AktG-E soll sich bei börsennotierten Gesellschaften, für die das MitbestG, das Montan-MitbG oder das MitbErgG gelten, der Aufsichtsrat zu mindestens 30 % aus Frauen und 30 % aus Männern zusammensetzen. Für die Arbeitnehmervertreter werden entsprechende Vorgaben im MitbestG, dem Montan-MitbG und dem MitbErgG getroffen. Beispielhaft sei insoweit nur auf § 7 Abs. 3 MitbestG-E verwiesen. Der Mindestanteil ist auf Seiten der Aktionäre und der Arbeitnehmer gesondert zu erfüllen (§ 96 Abs. 2 S. 2 AktG-E). Hinsichtlich der Arbeitnehmervertreter muss darüber hinaus noch eine Aufteilung zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer und denen der Gewerkschaften erfolgen. Dies stellt § 18 a MitbestG-E klar. Danach müssen bei einem Aufsichtsrat 300
Frauen- bzw. Geschlechterquote
mit insgesamt 12 Mitgliedern jeweils mindestens eine Frau und ein Mann unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften vertreten sein. Bei einem Aufsichtsrat mit 16 oder 20 Mitgliedern müssen unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer jeweils mindestens zwei Frauen und mindestens zwei Männer und unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Gewerkschaften jeweils eine Frau und ein Mann vertreten sein. Dies erfolgt aus der Vorgabe, dass zur nächsten vollen Personenzahl aufgerundet werden muss (§ 96 Abs. 2 S. 3 AktG-E). Wenn die Geschlechterquote bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nicht beachtet wird, führt dies zum „leeren Stuhl“. Denn eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung und eine Entsendung in den Aufsichtsrat unter Verstoß gegen den Mindestanteil des jeweiligen Geschlechts ist nach § 96 Abs. 2 S. 4 AktG-E nichtig. In vergleichbarer Weise bestimmt § 18 a Abs. 2 MitbestG, das die Wahl desjenigen Bewerbers unwirksam ist, mit dessen Eintritt in den Aufsichtsrat ein Überschreiten der Geschlechterquote des jeweils anderen Geschlechts bewirkt würde. In entsprechender Weise wird das Nachrücken eines Ersatzmitglieds ausgeschlossen, wenn dadurch der Anteil von Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht mehr der Geschlechterquote entspricht (§ 17 Abs. 3 MitbestG-E). In allen Fällen ist der „leere Stuhl“ durch eine gerichtliche Ersatzbestellung nach § 104 AktG zu füllen. Die Geschlechterquote, die mit ergänzenden Regelungen auch im MontanMitbG und MitbestErgG verknüpft ist, soll bei Wahlen zur Anwendung kommen, die nicht bis zum 31.12.2015 abgeschlossen sind. Eine Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer gilt insoweit als abgeschlossen, wenn die Bekanntmachung der Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 19 Abs. 1 MitbestG durch das zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugte Organ erfolgt ist. Auf die spätere Bekanntmachung im Bundesanzeiger soll es nicht ankommen (vgl. nur § 40 MitbestG-E). Neben der Sanktion des „leeren Stuhls“ wird sich die betriebliche Praxis darauf einstellen müssen, dass das Erreichen bzw. Verfehlen der Geschlechterquote im Aufsichtsrat im Lagebericht der Gesellschaft behandelt werden soll. Obwohl, was unionsrechtlich bedenklich erscheint, das Gesetz keine Ausnahmen vorsehen soll, gehören hierzu auch die Gründe, falls die Quote nicht erreicht wird. Das HGB wird mit Blick auf den Lagebericht der börsennotierten Gesellschaft entsprechend angepasst.
301
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
b)
Frauenquote für Aufsichtsrat, Vorstand/Geschäftsführung und obere Führungsebenen
Durch Änderungen im AktG, im GmbHG und im Genossenschaftsgesetz (GenG) soll eine Verpflichtung geschaffen werden, für den Aufsichtsrat, den Vorstand bzw. die Geschäftsführung und die beiden oberen Führungsebenen einer Gesellschaft, die unter eine gesetzliche Regelung zur Unternehmensmitbestimmung fällt, eine Frauenquote festzusetzen. Nach der gesetzlichen Regelung soll der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder einer gesetzlichen Regelung zur unternehmerischen Mitbestimmung unterliegen, für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen festlegen. Entsprechende Vorgaben müssen für die Geschäftsführung der GmbH festgesetzt werden, sofern die Gesellschaft unter ein Mitbestimmungsstatut fällt (vgl. nur §§ 111 Abs. 5 AktG-E, 52 Abs. 4 GmbHG-E). Mit der Festsetzung der Zielgrößen sind Fristen festzulegen, innerhalb derer diese Größen erreicht werden sollen. Die Fristen dürfen nicht länger als drei Jahre sein. Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Gesetzes darf die erste Frist sogar zwei Jahre nicht überschreiten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass erste Ergebnisse dieser Neuregelung noch vor der nächsten Bundestagswahl erkennbar werden. Eine inhaltliche Vorgabe für die Kennzeichnung einer Zielgröße sieht das Gesetz nicht vor. Insofern kann die Zielgröße als Zahl oder als Prozentsatz bestimmt werden. Ob dabei an umgerechneten Vollzeitbeschäftigten (FTE) oder an Köpfen angeknüpft wird, lässt das Gesetz offen. Hier besteht ein Spielraum für die Gesellschaften. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Bei einem erreichten Frauenanteil von 30 % oder mehr dürfen die Zielgrößen 30 % nicht mehr unterschreiten. Eine Korrektur von Zielgrößen, die entgegen der ersten Erwartung nicht erreicht werden, ist damit grundsätzlich zulässig, auch wenn dies unternehmenspolitisch möglicherweise nicht wünschenswert ist. Ergänzend hierzu legen der Vorstand bzw. die Geschäftsführer einer Gesellschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, für die Erhöhung des Frauenanteils in den beiden Führungsebenen unterhalb von Vorstand bzw. Geschäftsführung entsprechende Zielgrößen fest (§§ 76 Abs. 4 AktG-E, 36 GmbHGE). Folgt man den weitgehend unklaren Ausführungen des Referentenentwurfs, sind unter einer Hierarchieebene insoweit organische Einheiten zu 302
Frauen- bzw. Geschlechterquote
sehen, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind. Im Zweifel soll die Ebene erfasst werden, die an den Vorstand berichtet. Darüber hinaus ist die Ebene einzubeziehen, die an eine Ebene berichtet, die wiederum dem Vorstand berichtet. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Ebene selbst die Aufgabe hat, Mitarbeiter zu führen. Die Umsetzung dieser Vorgabe dürfte in der betrieblichen Praxis angesichts dieser unklaren Vorgabe zur Kennzeichnung einer Führungsebene Probleme begründen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil keine Gewichtung des Werts einer Stelle bzw. der mit einer Stelle verbundenen Führung vorgesehen ist. Insofern werden Bereichsleiter mit einer Verantwortung für mehrere hundert Mitarbeiter ebenso erfasst, wie ein Arbeitnehmer, der nur gegenüber einem einzigen weiteren Arbeitnehmer weisungsbefugt ist. Geboten erscheint, hier mit dem Verweis auf die fehlende „Gleichberechtigung“ der Personen auch dann keine Einbeziehung vorzunehmen, wenn von beiden Stellen aus unmittelbar einem Mitglied des Vorstands bzw. der Geschäftsführung berichtet wird. Dies ist insbesondere bei vorstandsnahen Assistenzoder Stabsfunktionen der Fall. Problematisch ist darüber hinaus, dass das Gesetz bei der Festsetzung der Frauenquote für die oberen beiden Führungsebenen eine unternehmensbezogene Betrachtung verfolgt. Dies lässt die tatsächliche Praxis unberücksichtigt, in der – insbesondere in Matrix-Strukturen - unternehmensübergreifende Leitungsfunktionen und Hierarchieebenen bestehen. Ebenso wie bei der Geschlechterquote im Aufsichtsrat sieht das Gesetz keine Ausnahmeregelung vor. Allerdings führt das Verfehlen der Frauenquote nicht zu einer Sanktion. Eine Einstellung oder Beförderung von Arbeitnehmern ist also ebenso wirksam, wie die Anstellung bzw. Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern, selbst wenn damit die festgelegte Quote verfehlt wird. Die Frauenquote soll nach dem derzeit vorliegenden Entwurf bereits mit Wirkung zum 1.7.2015 festgesetzt werden. Wichtig dürfte sein, hier differenzierte Lösungen zu finden, die den Besonderheiten in Aufsichtsrat, Geschäftsführung bzw. Vorstand und den beiden oberen Führungsebenen Rechnung tragen. Insofern ist es auch denkbar, dass für die jeweiligen Funktionen und Ebenen unterschiedliche Zielgrößen bestimmt werden. Denkbar ist auch, dass für bestimmte Bereiche eines Unternehmens verschiedene Quoten bzw. Zeiträume, innerhalb derer die Quoten erreicht werden sollen, festgelegt werden.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Auch die Frauenquote muss im Lagebericht behandelt werden. So sind dort die Quote und der Zeitraum für ihr Erreichen bzw. Nichterreichen zu erfassen. Auch insoweit werden die Vorgaben des HGB angepasst.
c)
Änderungen des Gleichstellungsgesetzes
Das Gleichstellungsgesetz wird umfassend neu gestaltet, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung bzw. den Bundesgerichten zu verwirklichen. Hierzu gehören beispielsweise folgende Regelungen: • Nach § 4 Abs. 1 GleichStG-E soll bei der dienstlichen Beurteilung von Beschäftigten mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben auch berücksichtigt werden, ob sie eine „Genderkompetenz“ haben. Diese bestimmt sich danach, ob und inwieweit die Ziele des Gleichstellungsgesetzes verwirklicht werden. Neben der Gleichstellung von Frauen und Männern gehört hierzu auch die Verhinderung bestehender Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts sowie eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit für Männer und Frauen. • Nach § 7 Abs. 1 GleichStG-E sollen bei der Besetzung von Arbeitsplätzen in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, mindestens ebenso viele Frauen wie Männer zu Vorstellungsgesprächen oder besonderen Auswahlverfahren eingeladen werden, wenn in ausreichender Zahl geeignete Bewerbungen von Frauen vorliegen. Für Männer gilt eine entsprechende Vorgabe. Auswahlkommissionen sollen geschlechterparitätisch besetzt sein. • Nach § 9 Abs. 2 GleichStG-E sind bei der vergleichenden Bewertung von Bewerberinnen und Bewerbern Unterbrechungen der Berufstätigkeit, Reduzierungen der Arbeitszeit sowie Verzögerung beim Abschluss einzelner Ausbildungsgänge als Folge von Familien- und Pflegeaufgaben nicht zu berücksichtigen. Ebenso wenig sollen zeitliche Belastungen aufgrund von Familien- und Pflegeaufgaben sowie die Absicht berücksichtigt werden, von der Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung oder einer Beurlaubung zur Wahrnehmung von Familien- und Pflegeaufgaben Gebrauch zu machen. • § 10 GleichStG-E sieht umfangreiche Förderungspflichten im Zusammenhang mit Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Unterstützungspflichten im Zusammenhang mit Dienstreisen vor. Hierzu gehört auch die Möglichkeit eines Angebots der Be-
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Frauen- bzw. Geschlechterquote
treuung von Kindern oder pflegebedürftigen Personen oder die Übernahme von Betreuungskosten, um die Verknüpfung von Arbeit, Familie und Pflege zu fördern. • Nach § 17 Abs. 3 GleichStG-E soll die Teilnahme an einer Fortbildung während der Beurlaubung zur Wahrnehmung von Familienund Pflegeaufgaben einen Anspruch auf bezahlte Dienst- oder Arbeitsbefreiung nach dem Ende der Beurlaubung begründen. Die Dauer der bezahlten Dienst- oder Arbeitsbefreiung richtet sich insoweit nach der Dauer der Fortbildung. • § 18 GleichStG-E enthält umfangreiche Regelungen über ein Verbot von Benachteiligungen. Danach dürfen eine bestehende oder geplante Schwangerschaft, schwangerschafts- oder mutterschutzbedingte Abwesenheiten aufgrund eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots oder Beurlaubungen aufgrund von Familien- oder Pflegeaufgaben einschließlich der Inanspruchnahme einer Eltern- oder Pflegezeit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Ergänzend hierzu sind Fragen in Vorstellungs- oder Auswahlgesprächen zu diesen Aspekten unzulässig (§ 7 Abs. 2 GleichStG-E). • Eine Verzögerung in der beruflichen Entwicklung, die sich aus einer Schwangerschafts- oder mutterschutzbedingten Abwesenheit aufgrund eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots, aus einer Beurlaubung aufgrund von Familien- oder Pflegeaufgaben, einschließlich der Inanspruchnahme einer Eltern- oder Pflegezeit ergibt, soll nach § 18 Abs. 4 GleichStG-E durch eine fiktive Nachzeichnung der Qualifikation ausgeglichen werden. Offenkundig will der Gesetzgeber insoweit bewirken, dass auch ohne die notwendige Berufserfahrung und den Erwerb der damit verbundenen Kenntnisse und Fähigkeiten eine Beförderung bzw. die berufliche Fortentwicklung erfolgen kann. Dies dürfte gerade bei längeren Fehlzeiten kaum sachgerecht sein.
Für die Privatwirtschaft haben diese Änderungen im GleichStG keine unmittelbare Bedeutung. Allerdings wird man daraus zum Teil Anregungen für die eigene Personalpolitik ableiten können, wie sie insbesondere den Umgang mit Bewerbern betreffen.
d)
Fazit
Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen die weitere Diskussion über den Referentenentwurf noch bewirken wird. Bei der Geschlechterquote wird 305
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
man schon aus unionsrechtlichen Gründen Ausnahmen zulassen müssen, sofern die Besetzung einer Position im Aufsichtsrat durch das quotenmäßig gebotene Geschlecht nicht mit der notwendigen Sachkunde – jedenfalls nicht zu dem beabsichtigten Zeitpunkt – erfolgen kann. Hinsichtlich der Frauenquote wird sich der Gesetzgeber mit einer genaueren Kennzeichnung der Führungsebenen und der Einbeziehung von Konzernsachverhalten befassen müssen. Dass eine Frauenquote auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben kommen wird, wird dadurch indes nicht zu verhindern sein. Schlussendlich ist ein solches Gesetz die Folge des Umstands, dass trotz zahlreicher qualifizierter Frauen bislang nicht die notwendige Repräsentanz in den Führungsebenen erreicht wurde. Selbstverpflichtungen der Unternehmen, wie sie in den vergangenen Jahren diskutiert wurden, haben hier nur zum Teil Verbesserungen zur Folge gehabt. (Ga)
5.
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit
Entsprechend der Ankündigung im Koalitionsvertrag beabsichtigt die Bundesregierung, im Dezember den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Der Referentenentwurf liegt bereits vor. Im Mittelpunkt der gesetzlichen Neuregelung soll die Einfügung eines § 4 a TVG sein, der Fälle von Tarifkollisionen regelt. Auf diese Weise sollen die Schutzfunktion, Verteilungsfunktion, Befriedungsfunktion sowie Ordnungsfunktion von Rechtsnormen eines Tarifvertrags gesichert werden (§ 4 a Abs. 1 TVG). Bedauerlicherweise verzichtet die Bundesregierung darauf, ergänzend hierzu auch Regelungen zur Einschränkung der aktuellen Gestaltungsfreiheit im Bereich des Arbeitskampfs vorzulegen. Die Wirkungsweise der im Referentenentwurf zur Auflösung einer Tarifkollision enthaltenen Vorgaben und das Fehlen arbeitskampfrechtlicher Vorgaben haben allerdings zur Folge, dass der Entwurf zu Recht erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Denn jedenfalls auf der Grundlage der im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen wird der Minderheitsgewerkschaft jede ernst zu nehmende Freiheit einer Betätigung als Koalition abgesprochen, falls das Ergebnis ein Tarifvertrag wäre, der sich mit dem Geltungsbereich eines Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft überschneiden würde. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diesen Bedenken noch Rechnung tragen wird.
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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit
a)
Auflösung einer Tarifkollision
Nach § 4 a Abs. 2 TVG-E kann der Arbeitgeber nach § 3 TVG unmittelbar und zwingend an mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften gebunden sein. Soweit sich aber die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), sollen im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar sein, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat. Da der Gesetzgeber nach diesem Vorschlag allein am Geltungsbereich und nicht – wie beim Tarifvorrang nach § 77 BetrVG – am Gegenstand der konkurrierenden Tarifverträge anknüpfen will, reicht es, wenn sich in einem Betrieb der räumliche, sachliche, fachliche oder (!) persönliche Geltungsbereich von Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften nur in einem einzigen Teil überschneiden. Dies erscheint unverhältnismäßig in Bezug auf die daraus resultierende Folge für Tarifverträge der Minderheitsgewerkschaft. Denn damit würde ein Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft, der für Arbeitnehmer eines Betriebs gilt, jeden anderen Tarifvertrag einer anderen Gewerkschaft, der für diese Arbeitnehmer oder einen Teil dieser Arbeitnehmer gelten soll, verdrängen. Auf dessen denkbaren Regelungsgegenstand kommt es nach dem Referentenentwurf nicht an, was geändert werden muss. Der generelle Vorrang aller Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaft erfasst wegen der fehlenden Berücksichtigung des Regelungsgegenstands auch Sachfragen, die die Mehrheitsgewerkschaft noch nicht durch Tarifvertrag geregelt hat. Nach der Begründung des Referentenentwurfs soll es für diesen Vorrang nicht erforderlich sein, dass auf Seiten der Mehrheitsgewerkschaft überhaupt ein Regelungswille besteht oder eine Regelungsüblichkeit gegeben ist. Der Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft soll nur dann nicht verdrängt werden, wenn die Mehrheitsgewerkschaft – was nicht zu erwarten ist – ausdrücklich ergänzende Regelungen durch andere Gewerkschaften zulässt. Damit steht die unmittelbare und zwingende Wirkung eines eigenen Tarifvertrags der Minderheitsgewerkschaft in der Disposition der Mehrheitsgewerkschaft. Mit den Regelungen in § 4 a Abs. 2 TVG-E erfasst der Gesetzgeber auch die gewillkürte Tarifpluralität. Hierzu kommt es dann, wenn der Arbeitgeber ganz bewusst mit verschiedenen Gewerkschaften Tarifverträge abschließt,
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
die einen überschneidenden Geltungsbereich haben. Rechtsprechung und Literatur haben solche Fälle bislang zugelassen60. Unklar ist, ob § 4 a Abs. 2 TVG auch nachwirkende Tarifverträge erfasst. Dagegen spricht zwar zunächst einmal, dass das Vorliegen kollidierender Tarifverträge nur daran geknüpft wird, dass sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden. Gegen eine Einbeziehung der nachwirkenden Tarifverträge spricht allerdings bereits der Umstand, dass § 4 a Abs. 2 TVG offenbar nur solche Tarifverträge erfassen soll, deren Geltung durch § 3 TVG bestimmt wird. Dies ist nach einer Beendigung des Tarifvertrags und dem Eintritt der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG nicht mehr der Fall. Gegen die Einbindung nachwirkender Tarifverträge spricht auch der Umstand, dass sonst durch § 4 a Abs. 4 TVG-E ein Widerspruch bewirkt werde. § 4 a Abs. 4 TVG-E will der Minderheitsgewerkschaft durch das Recht auf „Nachzeichnung“ des kollidierenden Tarifvertrags die Möglichkeit geben, dem eigenen (nachgezeichneten) Tarifvertrag unmittelbare und zwingende Wirkung zu geben. Wenn zu den kollidierenden Tarifverträgen nach § 4 a Abs. 2 TVG auch noch nachwirkende Tarifverträge gehörten, könnte die Minderheitsgewerkschaft ihrer „Kopie“ des (nachwirkenden) Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft eine stärkere Wirkung zumessen, als dies nach § 4 Abs. 5 TVG für den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft als Folge der Nachwirkung der Fall wäre. Ungeachtet dessen wird die Frage einer Einbindung noch nachwirkender Tarifverträge nach dem derzeitigen Konzept des Referentenentwurfs nur dann relevant, wenn es nur noch einen einzigen Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft gibt, der sich – wenn auch mit anderem Gegenstand – im Geltungsbereich der Tarifverträge der Minderheitsgewerkschaft überschneidet. Solange es noch einen einzigen (anderen) Tarifvertrag gibt, der nach § 3 TVG gilt, bewirkt dieser bei einem Überschneiden der Geltungsbereiche den Vorrang nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG-E.
b)
Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft
Bei der Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft soll nach dem Referentenentwurf auf den Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb abgestellt werden. Sollte darüber Streit bestehen, soll nach § 58 ArbGG-E über die Zahl der Mitglieder oder
60 Vgl. BAG v. 7.7.2014 – 4 AZR 549/08, NZA 2010, 1068 ff.; ErfK/Franzen, TVG § 4 Rz. 71; HWK/Henssler, TVG § 4 Rz. 57.
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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit
das Vertretensein einer Gewerkschaft in einem Betrieb Beweis auch durch die Vorlegung öffentlicher Urkunden angetreten werden können. Mit dieser Kollisionsnorm unterstellt der Gesetzgeber, dass Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften für einen Betrieb bereits bestehen. Der Fall, dass eine (neue) Gewerkschaft erst einen Tarifvertrag abschließen will, wird damit nicht erfasst. Da eine Tarifkollision erst nach Abschluss des (neuen) Tarifvertrags entstehen kann, kann damit auch die Frage seiner Durchsetzbarkeit zum Zeitpunkt etwaiger Verhandlungen über diesen (neuen) Tarifvertrag noch gar nicht abschließend bewertet werden. Dies dürfte zu ganz erheblichen Problemen in Bezug auf die Bewertung der Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen führen, falls der Vorrang einer Mehrheitsgewerkschaft nicht bereits auf der Grundlage bestehender Tarifverträge entschieden werden kann. Denn ein Vorrang des Tarifvertrags einer anderen Gewerkschaft kann auch im einstweiligen Verfügungsverfahren nur angenommen werden, wenn durch den Arbeitgeber glaubhaft gemacht werden kann, dass in der Zukunft – also bei Abschluss des neuen Tarifvertrags - weiterhin eine andere Gewerkschaft die Mehrheit der Arbeitnehmer vertreten wird. Da öffentliche Urkunden einen solchen zukunftsbezogenen Beweis nicht führen können, stellt sich die Frage, wie das Arbeitsgericht solche hypothetischen Mitgliederzahlen feststellen will.
c)
Bedeutung des Betriebsbegriffs
Bei der Auflösung einer Tarifpluralität knüpft der Referentenentwurf an den Betrieb an, ohne allerdings eine Kennzeichnung vorzunehmen. Dies dürfte insbesondere im Bereich der Luftfahrtunternehmen von Bedeutung sein, für die Arbeitnehmervertreter nach § 117 Abs. 2 BetrVG durch Tarifvertrag für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer bestellt werden. Hier dürfte in der Zukunft die Frage entstehen, ob durch Tarifvertrag jeweils auch Betriebsstrukturen i. S. des § 4 a Abs. 2 TVG-E geschaffen werden oder ob bei der Kennzeichnung des Betriebs an der Steuerung in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten angeknüpft werden muss. Die letztgenannte Betrachtungsweise erscheint vorzugswürdig und würde dann aber eine Kollision der heute bestehenden Tarifverträge von Flug- und Bodenpersonal auslösen. In jedem Fall dürfte insoweit tarifvertraglicher Gestaltungsspielraum bestehen. Denn nach § 4 a Abs. 2 S. 3, 4 TVG-E gelten als Betriebe auch ein Betrieb nach § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG und ein durch Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BetrVG errichteter Betrieb. Dabei ist abweichend von der generellen Regelung in § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG-E der Zeitpunkt des Entstehens
309
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
des Betriebs maßgeblich, wenn der Betrieb nach Abschluss des letzten kollidierenden Tarifvertrags entstanden ist. Mit der vorstehenden Regelung schafft der Referentenentwurf für den Arbeitgeber und die Mehrheitsgewerkschaft die Möglichkeit, die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen durch Tarifvertrag so festzulegen, dass in Bezug auf die Kennzeichnung der Mehrheits- und Minderheitsgewerkschaft klare Ergebnisse erzielt werden. Dies gilt selbst dann, wenn zu einem früheren Zeitpunkt entsprechende Vereinbarungen zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen nach §§ 3 Abs. 1, 117 Abs. 2 BetrVG zwischen Arbeitgeber und Minderheitsgewerkschaft geschlossen wurden. Solche Tarifverträge sind gemäß § 4 a Abs. 3 TVG-E zwar ausnahmsweise wirksam, solange mit der Mehrheitsgewerkschaft zu diesen Fragen keine eigene tarifvertragliche Regelung getroffen wurde. Mit Abschluss eines Tarifvertrags zwischen Arbeitgeber und Mehrheitsgewerkschaft, der eine hiervon abweichende Regelung trifft, verliert der Tarifvertrag mit der Minderheitsgewerkschaft allerdings seine Geltungskraft. Soweit der Referentenentwurf hinsichtlich der Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft auch den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (§ 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG) einbeziehen will, scheint er zu übersehen, dass im gemeinsamen Betrieb eine getrennte Tarifbindung besteht. Denn die Frage der Geltung eines Tarifvertrags gemäß § 3 Abs. 1 TVG ist schon als Ergebnis der Koalitionsfreiheit an den Abschluss dieses Tarifvertrags durch den Arbeitgeber bzw. seine eigene Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband geknüpft. Wenn der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen trotz dieser Unterscheidung hinsichtlich der Tarifbindung bei der Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft übergreifend einbezogen werden soll, kann dies zur Folge haben, dass Arbeitnehmer eines Unternehmens, die ihrerseits nicht an den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft geknüpft sind, durch ihre Mitgliedschaft in dieser Gewerkschaft den Vorrang dieses Tarifvertrags bei einem weiteren Arbeitgeber des gemeinsamen Betriebs bewirken können. Das überzeugt nicht, jedenfalls dann nicht, wenn die Kollision zweier Tarifverträge am Geltungsbereich, nicht aber an ihrem am Regelungsgegenstand festgemacht wird.
d)
Verbleibende Rechte der Minderheitsgewerkschaft
Nach § 4 a Abs. 4 TVG-E kann eine Gewerkschaft vom Arbeitgeber oder der Vereinigung der Arbeitgeber die Nachzeichnung eines mit ihrem Tarifvertrag kollidierenden Tarifvertrags verlangen, soweit sich die Geltungsbereiche der Tarifverträge überschneiden. Der Anspruch auf Nachzeichnung beinhaltet den Abschluss eines mit dem kollidierenden Tarifvertrag inhalts310
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit
gleichen Tarifvertrags. Die Rechtsnormen eines insoweit nachgezeichneten Tarifvertrags gelten unmittelbar und zwingend, soweit der Tarifvertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft gemäß § 4 a Abs. 1 S. 2 TVG-E nicht zur Anwendung kommt. Bei dieser Regelung handelt es sich letztlich nur um ein Recht auf „Kopie“ des Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft. Eine inhaltliche Gestaltungsmöglichkeit der Minderheitsgewerkschaft besteht nicht. Dies würde wegen der Einbeziehung der gewillkürten Tarifpluralität in § 4 a Abs. 2 TVG-E selbst dann gelten, wenn entsprechende Abweichungen mit Zustimmung des Arbeitgebers vereinbart würden. Losgelöst von den Bedenken in Bezug auf den Umfang der damit verbundenen Einschränkung der Koalitionsausübungsfreiheit lässt § 4 a Abs. 4 TVG-E den Fall unberücksichtigt, dass eine Gewerkschaft noch gar keinen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Denn der Referentenentwurf begründet ein Recht zur Nachzeichnung nur dann, wenn bereits eine Tarifpluralität vorliegt. Hier müssen in jedem Fall Änderungen erfolgen. Denn der Minderheitsgewerkschaft ist ein Recht auf Nachzeichnung auch in solchen Fällen einzuräumen, in denen noch kein eigener Tarifvertrag besteht. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass von dieser Befugnis in der Praxis kaum Gebrauch gemacht werden kann. Denn selbst wenn man Arbeitskampfmaßnahmen der Minderheitsgewerkschaft trotz des bereits bestehenden Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft zuließe, was nach der Konzeption des Gesetzes zweifelhaft erscheint, dürfte es für die Minderheitsgewerkschaft schwierig sein, ihre Mitglieder zu motivieren, wenn als Ergebnis nur die Kopie des schon vorhandenen Tarifvertrags der Mehrheitsgewerkschaft lockt. Die für eine Minderheitsgewerkschaft verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten werden auch durch § 4 a Abs. 5 TVG-E kaum verbessert61. Danach soll ein Arbeitgeber oder eine Vereinigung von Arbeitgebern zwar verpflichtet werden, rechtzeitig und in geeigneter Weise bekannt zu geben, wenn Verhandlungen mit einer Gewerkschaft über den Abschluss eines Tarifvertrags aufgenommen werden. Darüber hinaus soll eine andere Gewerkschaft, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben der Abschluss eines Tarifvertrags gehört, das Recht haben, dem Arbeitgeber oder der Vereinigung von Arbeitgebern ihre Vorstellungen und Forderungen mündlich vorzutragen. Ein solches Vortragsrecht ist aber völlig unzureichend, um von einer Ausübung der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsausübungsfreiheit sprechen zu können. Es ist eine Gnade, kein Recht, das tatsächlich auf die 61 Vgl. hierzu auch Hromadka, NZA 2014, 1105, 1109.
311
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ausgerichtet ist. Dies gilt umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass Vorgaben in Bezug auf den Zeitpunkt, die Dauer und die Vertreter des Arbeitgebers in solchen Gesprächen durch den Referentenentwurf nicht gemacht werden.
e)
Umgang mit Altvereinbarungen
Gemäß § 13 Abs. 3 TVG-E soll § 4 a TVG-E nicht auf Tarifverträge zur Anwendung kommen, die am Tag des Inkrafttretens der gesetzlichen Neuregelung bereits gelten. Minderheitsgewerkschaften, die – wie die GDL – derzeit noch in Tarifvertragsverhandlungen stehen, werden dies zum Anlass nehmen, möglichst noch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu einem Tarifabschluss zu kommen. Auch dies erklärt, warum die GDL derzeit in unverhältnismäßiger Weise versucht, die Deutsche Bahn zu einem Tarifabschluss zu bringen.
f)
Arbeitsgerichtliches Verfahren zur Feststellung des im Betrieb anwendbaren Tarifvertrags
Gemäß §§ 2 a Abs. 1 Nr. 6, 99 ArbGG-E soll jede Partei eines kollidierenden Tarifvertrags die Möglichkeit haben, eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über den nach § 4 a Abs. 2 S. 2 TVG-E im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag zu beantragen. Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4 Abs. 2 S. 2 TVG-E im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt sodann für und gegen jedermann.
g)
Fehlen arbeitskampfrechtlicher Vorgaben
Die aktuelle Diskussion zur Tarifpluralität hatte zwar ihren Ursprung in der Änderung der Rechtsprechung des BAG durch Urteil vom 7.7.201062. Unlösbare Probleme sind durch die Anwendung mehrerer Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften im Betrieb allerdings bis heute nicht entstanden. Die Problematik liegt losgelöst von dieser Rechtsprechung darin, dass mehr und mehr durch Berufsgruppen- oder Spartengewerkschaften Partikularinteressen verfolgt werden, die schlussendlich auch durch Arbeitskampfmaßnahmen durchgesetzt werden sollen. Da die von solchen Gewerkschaften vertretenen Arbeitnehmer häufig in Schlüsselpositionen eingesetzt werden, sind die Gewerkschaften in der Lage, mit geringem (eigenen) Aufwand eine erhebliche Belastung nicht nur auf Arbeitgeberseite auszulösen. Weil Fluglotsen, Lokomotivführer oder Piloten Funktionen innehaben, bei denen 62 4 AZR 549/08, NZA 2010, 1068 ff.
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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit
Störungen mit einer erheblichen Belastung der Allgemeinheit verbunden sind, können entsprechende Arbeitskampfmaßnahmen auch und insbesondere Belastungen Dritter verursachen, die schnell die Grenze der Verhältnismäßigkeit erreichen. Hier stehen Partikularinteressen im Vordergrund, die Solidarfunktion des Tarifvertrags fehlt. Trotz dieser offenkundigen Belastungen wird die Rechtswidrigkeit eines Arbeitskampfs im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens aber nur außerordentlich selten mit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begründet. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur eine Glaubhaftmachung durch die betroffenen Unternehmen und/oder Arbeitgeberverbände erfolgen kann. Bedauerlicherweise verzichtet der Gesetzgeber im Referentenentwurf aber trotz dieser erkennbaren Problematik auf jedwede Vorgabe, die hier Schranken mit dem Ziel einer Gewährleistung von verhältnismäßigen Arbeitskampfmaßnahmen schaffen könnte. Hintergrund dafür dürfte sein, dass der DGB zwar Regelungen zur Sicherung der Tarifeinheit fordert, sich aber vehement gegen eine gesetzliche Einschränkung von Maßnahmen des Arbeitskampfs ausgesprochen hat. Damit überlässt es der Gesetzgeber allerdings weiterhin den Arbeitsgerichten, die grundrechtlich geschützte Rechtsposition der von Arbeitskampfmaßnahmen betroffenen Arbeitgeber und Dritter herzustellen. Das genügt, wie die aktuelle Entwicklung zeigt, nicht63. Zwar scheint die Bundesregierung zu glauben, dass Arbeitskampfmaßnahmen einer Minderheitsgewerkschaft, deren Tarifvertrag nach § 4 a Abs. 2 TVG-E keine unmittelbare und zwingende Wirkung erlangen kann, per se unverhältnismäßig sind. Schließlich sind sie nicht geeignet, den Abschluss eines Tarifvertrags zur Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durchzusetzen. Da die hierfür im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen indes in einer unverhältnismäßigen Weise die Rechtsposition von Minderheitsgewerkschaften beschränken und in Bezug auf den zukunftsbezogenen Nachweis der Mitgliederzahlen Nachweisprobleme begründen, dürfte mit einem solchen Gesetz im Bereich des Arbeitskampfs nicht oder nur auf Zeit für Ruhe gesorgt werden können. Das aber ist außerordentlich bedauerlich und führt zu der Frage, warum nicht von Beginn an eine umfassende Regelung auch im Tarif- und Arbeitskampfrecht getroffen werden kann. Geeignete Regelungen im Bereich des Arbeitskampfrechts könnten gesetzliche Schranken für die Dauer eines Warnstreiks, die Pflicht zur Urabstimmung, Regelungen zu Tarifge-
63 Vgl. Bonanni/Otto, DB 1683, 1684.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
meinschaften oder ein obligatorisches Schlichtungsverfahren sein. Diese sollten allerdings nicht auf den Bereich der Daseinsvorsorge beschränkt werden. Zum einen dürften insoweit Kennzeichnungsprobleme bestehen. Zum anderen gibt es auch außerhalb der Daseinsvorsorge Fallgestaltungen, in denen durch den streikbedingten Ausfall einzelner Berufsgruppen ein erhebliches Schädigungspotenzial des Arbeitgebers und/oder Dritter gegeben ist (z. B. Betriebsfeuerwehren, IT-Center).
h)
Fazit
Es bleibt zu hoffen, dass der Referentenentwurf grundlegend überarbeitet wird. In dieser Form stellt er keine verfassungsgemäße Reaktion auf den Streit über die Tarifpluralität und die arbeitskampfbedingten Belastungen dar64. (Ga)
6.
Gesetz zur Flexibilisierung der Elternzeit und zur Einführung von Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus
Einer Vielzahl von Statistiken lässt sich entnehmen, dass der Anteil der Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, sehr gering ist. Die meisten von ihnen fehlen im Übrigen nur zwei Monate, um damit eine Verlängerung des Elterngeldes von 12 auf 14 Monate zu bewirken. Bei den Müttern ist es anders. Hier wird ganz überwiegend eine Elternzeit zwischen 10 und 12 Monaten in Anspruch genommen. Problematisch wirkt sich hier allerdings der Umstand aus, dass der Höchstbetrag des Elterngeldes auf 1.800,- € pro Monat begrenzt ist. Arbeitnehmer, deren Einkommen 2.770,- € übersteigt, erhalten damit nur noch einen Bruchteil der 67 % ihres Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes. Einkommensübergreifend macht sich zum Nachteil der Väter und Mütter gleichermaßen bemerkbar, dass eine Erwerbstätigkeit durch Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit unmittelbar eine Minderung des Anspruchs auf Elterngeld zur Folge hat (§ 2 Abs. 3 BEEG). Das trifft insbesondere Alleinerziehende65. Mit dem Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im BEEG66 will die Bundesregierung nicht nur den Anteil der Väter erhöhen, die Elternzeit in Anspruch nehmen. Darüber hinaus sollen die Inanspruchnahme erleichtert und für beide Elternteile 64 Siehe hierzu auch Bonanni/Otto, DB 1683, 1684. 65 Vgl. Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in BT-Drucks. 18/3090. 66 BT-Drucks. 18/2583, BR-Drucks. 355/14.
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Gesetz zur Flexibilisierung der Elternzeit
zusätzliche Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Elternzeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres geschaffen werden.
a)
Elterngeld, Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus
Die bisherigen Regelungen zum Elterngeld für die Dauer von 12 bzw. 14 Monaten bleiben bestehen. Allerdings wird durch Änderungen in § 4 BEEG die Möglichkeit geschaffen, dass die berechtigte Person statt für einen Monat Elterngeld jeweils 2 Monate lang ein Elterngeld Plus bezieht. Das Elterngeld Plus beträgt monatlich höchstens die Hälfte des Elterngeldes, das der berechtigten Person zustünde, wenn sie während des Elterngeldbezugs keine Einnahmen i. S. des § 2 BEEG oder des § 3 BEEG hätte oder hat. Auf diese Weise können vor allem Eltern, die nach der Geburt des Kindes in Teilzeit arbeiten, länger vom Elterngeld profitieren. Der Mindestbetrag des Elterngeldes in Höhe von 300,- € (§ 2 Abs. 4 BEEG) findet dabei auch für das Elterngeld Anwendung. Die Regelungen über die Anrechnung des Einkommens während der Elternzeit werden für die Dauer des Elterngeld Plus indes nicht verändert. Auch das Elterngeld Plus wird also durch Einkommen aus einer Teilzeitbeschäftigung reduziert, dafür aber doppelt so lange gewährt. Wie bisher setzt eine Verlängerung des Anspruchs auf Elterngeld von 12 auf 14 Monate voraus, dass beide Teile jedenfalls für mindestens 2 Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vornehmen. In welchem Umfang dies geschieht, legt der Gesetzgeber (weiterhin) nicht fest. Über diese Partnermonate hinaus soll jetzt ein Partnerschaftsbonus eingeführt werden, der mit einem weiteren Anspruch auf 4 Monate Elterngeld Plus für jedes Elternteil verknüpft ist. Voraussetzung ist, dass beide Elternteile in 4 aufeinanderfolgenden Lebensmonaten gleichzeitig 1. nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sind und 2. die Voraussetzungen des § 1 BEEG erfüllen.
Dies soll Eltern veranlassen, das gesetzlich vorgegebene „Zeitarrangement“ auszuprobieren und in eine partnerschaftliche Aufgabenteilung hineinzuwachsen. Für diesen Zeitraum besteht grundsätzlich auch ein Teilzeitanspruch während der Elternzeit gemäß § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 BEEG. Ergänzend zu dieser Regelung in § 4 Abs. 4, 5 BEEG wird durch § 4 Abs. 6 BEEG die Möglichkeit geschaffen, dass auch Alleinerziehende unter bestimmten Voraussetzungen eine dem Partnerschaftsbonus entsprechende Verlängerung des Anspruchs auf Elterngeld Plus geltend machen können.
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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
b)
Flexibilisierung der Elternzeit
Durch eine Änderung von § 15 Abs. 2 BEEG wird für beide Elternteile das Recht geschaffen, einen Anteil der Elternzeit von bis zu 24 Monaten zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes in Anspruch zu nehmen. Die bisherige Regelung wird damit von 12 auf 24 Monate ausgedehnt. Außerdem wird darauf verzichtet, eine solche Übertragung von einer Zustimmung des Arbeitgebers abhängig zu machen. Nicht erforderlich ist, die Überlegungen in Bezug auf eine spätere Inanspruchnahme in der Zeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres dem Arbeitgeber gegenüber anzukündigen. Es genügt, wenn die Elternzeit für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes spätestens 13 Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangt wird. Dies soll durch eine Neufassung von § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG bestimmt werden. Lediglich die Elternzeit, die bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, ist zukünftig an die kurze Erklärungsfrist von 7 Wochen geknüpft. Ergänzend hierzu soll in § 16 Abs. 1 S. 6 BEEG gewährleistet werden, dass jeder Elternteil seine Elternzeit auf drei Zeitabschnitte verteilen kann. Eine Zustimmung des Arbeitgebers ist hierfür nicht erforderlich. Da zukünftig die Fälle zunehmen werden, in denen Arbeitnehmer (auch) nach der Vollendung des 3. Lebensjahres ihres Kindes Elternzeit in Anspruch nehmen, soll durch § 16 Abs. 1 S. 7 BEEG die Verpflichtung geschaffen werden, dass bei einem Arbeitgeberwechsel und der anschließenden Anmeldung von Elternzeit auf Verlangen des neuen Arbeitgebers eine Bescheinigung des früheren Arbeitgebers über bereits genommene Elternzeit vorgelegt wird. Dies vermeidet eine mehrfache Inanspruchnahme der Elternzeit, ohne dass damit allerdings eine Verbesserung der Planungssituation für den Arbeitgeber verknüpft ist.
c)
Flexibilisierung der Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit
Der Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung kann in jeder Phase der Elternzeit geltend gemacht werden. Betroffen hiervon sind also auch solche Zeiten, die zwischen der Vollendung des 3. Lebensjahres und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes liegen. Hier wird indes durch eine Änderung von § 7 S. 1 Nr. 5 BEEG klargestellt, dass die Geltendmachung des Anspruchs auf Teilzeit 13 Wochen vor Beginn der Teilzeittätigkeit schriftlich mitgeteilt werden muss.
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Gesetz zur Flexibilisierung der Elternzeit
Auf der Grundlage einer Stellungnahme des Bundesrats67 vom 19.9.2014 soll der Anspruch auf eine Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit entsprechend § 8 TzBfG auch mit einem Anspruch auf eine bestimmte Form der Verteilung verknüpft werden. Im Hinblick darauf soll § 15 Abs. 7 S. 4, 5 BEEG geändert und ergänzt werden. Vorgesehen ist darüber hinaus, dass die Zustimmung des Arbeitgebers zur Verringerung und/oder der Verteilung der Arbeitszeit als erteilt gilt, wenn der Arbeitgeber nicht spätestens 4 Wochen nach Zugang des Antrags schriftlich seine Ablehnung gegenüber dem Arbeitnehmer mitgeteilt hat. Dies vermeidet, dass der Arbeitnehmer trotz eines Schweigens des Arbeitgebers Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen mit dem Ziel erheben muss, die Zustimmung des Arbeitgebers zu dem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung zu erhalten. Eine solche Klage ist zukünftig nur dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber den Antrag auf Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit rechtzeitig und mit der im Gesetz vorgesehenen Begründung abgelehnt hat.
d)
Kündigungsschutz nach § 18 BEEG
Der Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG soll nach dem Willen der Bundesregierung beginnen 1. frühestens 8 Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes und 2. frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes.
In der Praxis dürfte dies zur Folge haben, dass Arbeitnehmer Elternzeit zunehmend auch mit dem Ziel in Anspruch nehmen, Schutz vor einer bevorstehenden Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zu erhalten. Der gleiche Kündigungsschutz gilt nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG weiterhin für Teilzeitbeschäftigte, die – auch ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen – einen Anspruch auf Elterngeld haben. Dieser Sonderkündigungsschutz besteht aber maximal bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes.
e)
Inkrafttreten des Gesetzes
Das Gesetz soll zwar am 1.1.2015 in Kraft treten. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat bereits zugestimmt68. Gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 BEEG finden die vorstehend genannten Änderung in Bezug auf das Elterngeld und 67 BR-Drucks. 355/14. 68 BT-Drucks. 18/3087.
317
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
die Flexibilisierung der Elternzeit allerdings erst für Kinder Anwendung, die nach dem 30.6.2015 geboren oder mit dem Ziel der Adoption aufgenommen worden sind. (Ga)
7.
Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Obwohl in Deutschland derzeit rund 2,63 Millionen Menschen pflegebedürftig sind, von denen etwa 1,2 Millionen Menschen ambulant ausschließlich durch Angehörige versorgt werden, haben die Regelungen im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und im Familienpflegezeitgesetz (FamPflegeZG) bislang kaum praktische Bedeutung erlangt. Insbesondere die Regelungen des FamPflegeZG waren bislang so kompliziert ausgestaltet, dass Arbeitgeber und betroffene Arbeitnehmer in der Regel auf individueller Basis Vereinbarungen getroffen haben, die dem Bedürfnis nach einer vollständigen oder teilweisen Freistellung von der Pflicht zur Arbeitsleistung zum Zwecke der Pflege von Angehörigen Rechnung getragen haben. Mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, das die Bundesregierung am 16.10.2014 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat69, soll bereits mit Wirkung zum 1.1.2015 eine grundlegende Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgen, die eine Vereinfachung und daraus folgend eine Erleichterung der Inanspruchnahme, insbesondere der Familienpflegezeit zum Ziel hat. Zunächst einmal wird durch § 2 FamPflegeZG ein Anspruch auf Familienpflegezeit eingeführt, den der Arbeitgeber nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen kann. Im Gegensatz zur Pflegezeit, die für die Dauer von sechs Monaten mit einer vollständigen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitspflicht verbunden ist, soll die Familienpflegezeit allerdings weiterhin mit einer Teilzeitbeschäftigung von mindestens 15 Std./Woche verknüpft werden. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt. Pflegezeit und Familienpflegezeit dürfen gemeinsam 24 Monate je pflegebedürftigem nahen Angehörigen nicht überschreiten (Gesamtdauer). Hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes wird in Bezug auf die Familienpflegezeit insoweit auf §§ 5 ff. PflegeZG verwiesen. Gemäß § 2 a FamPflegeZG muss diese dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich angekündigt werden. 69 BR-Drucks. 463/14 = BT-Drucks. 18/3124; BT-Drucks. 18/3157.
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Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Gleichzeitig muss erklärt werden, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer nach § 2 Abs. 2 PflegeZG die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Dabei ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben. Sofern die Gesamtdauer nicht überschritten wird, sind innerhalb des 24-Monats-Zeitraums auch Verlängerungen möglich. Voraussetzung ist, dass ein vorgesehener Wechsel in der Person der oder des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 2 a Abs. 3 FamPflegeZG). Ist die oder der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege der oder des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar, endet die Familienpflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Arbeitgeber ist hierüber unverzüglich zu unterrichten. Im Übrigen kann die Familienpflegezeit nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber dem zustimmt. In der Vergangenheit sollte die wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers während der Familienpflegezeit durch eine Vor- oder Nacharbeit im Rahmen sozialversicherungsrechtlicher Wertguthaben erfolgen. Ergänzend hierzu sollte dem Arbeitnehmer durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein zinsloses Darlehen gewährt werden. Von diesem Fördermodell rückt die Bundesregierung jetzt ab. Nach den in §§ 3 ff. FamPflegeZG jetzt vorgesehenen Regelungen soll der Beschäftigte selbst ein zinsloses Darlehen des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen können. Die monatliche Darlehensrate ist auf den Betrag begrenzt, der bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit während der Familienpflegezeit von 15-Wochenstunden zu gewähren ist. Auch das PflegeZG erfährt Modifikationen. Insbesondere wird auch die Pflege minderjähriger Angehöriger eingebunden. Hier ist es – wie im FamPflegeZG – nicht erforderlich, dass die Pflege in häuslicher Umgebung erfolgt. Darüber hinaus sieht § 3 Abs. 6 PflegeZG jetzt auch eine Sterbebegleitung für die Dauer von maximal drei Monaten vor. Abschließend konkretisiert und ergänzt die Bundesregierung den Begriff der Angehörigen in § 7 Abs. 3 PflegeZG, der insoweit auch für das FamPflegeZG maßgeblich ist. Durch die Neufassung werden jetzt neben den Schwiegereltern auch die Stiefeltern einbezogen. Insgesamt ist die gesetzliche Neuregelung zu begrüßen. Allerdings nimmt die Komplexität der gesetzlichen Vorgaben nicht ab. Die Fälle einer Anwendung des Gesetzes dürften weiterhin außerordentlich gering sein. Wichtiger
319
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
ist auch in Zukunft, dass auf betrieblicher Ebene freiwillig Vereinbarungen über entsprechende Freistellungen getroffen werden. (Ga)
8.
Neuregelung des Fremdpersonaleinsatzes
Im Rahmen des Koalitionsvertrags hatte die Bundesregierung umfangreiche Änderungen für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung angekündigt70, die mit Regelungen zur Einschränkung des Missbrauchs von Werk- und Dienstverträgen verknüpft werden sollten71. Entgegen früherer Ankündigungen liegt allerdings ein Gesetzentwurf bislang nicht vor, was wahrscheinlich auch unionsrechtlichen Bedenken Rechnung tragen sollte. Nachdem es der EuGH-Generalanwalt am 20.11.201472 aber unionsrechtlich für zulässig gehalten hat, die Einsatzdauer von Leiharbeitnehmern zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer auf einen Ausgleich von Arbeitsspitzen oder sonst auf zeitlich oder ihrer Art nach begrenzte Aufgaben zu beschränken, ist mit einem entsprechenden Entwurf im Frühjahr zu rechnen. Neue Schranken, insbesondere im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, werden dann wohl zum 1.7.2015 zum Tragen kommen. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung werden die wesentlichen Schranken für den Einsatz von Fremdpersonal insbesondere auf tarifvertraglicher Ebene gesetzt. Entgegen der unionsrechtlichen Bedenken des Generalanwalts begrenzen sie die Zahl der im Unternehmen beschäftigten Leiharbeitnehmer häufig auf eine Quote. Darüber hinaus wird in der Regel die Einsatzdauer beschränkt und Leiharbeitnehmern ein Anspruch eingeräumt, einen unbefristeten Arbeitsvertrag beim Entleiher zu erhalten. Dabei wird in der Regel nicht konkretisiert, welchen Inhalt dieser Arbeitsvertrag haben kann. Konsequenz ist, dass zum Teil ein Anspruch der Leiharbeitnehmer auf Abschluss eines Arbeitsvertrags über eine Beschäftigung auf dem Arbeitsplatz angenommen wird, auf dem der Leiharbeitnehmer bis dahin beim Entleiher eingesetzt wurde73. Der Wortlaut der meisten Tarifverträge sieht eine solche Einschränkung der Vertragsfreiheit allerdings nicht vor. Insbesondere ermöglicht er es, den Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge vorzulegen, die – wie bei den vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers – mit einer Direktionsklausel verbunden sind.
70 71 72 73
Siehe hierzu auch Brors/Schüren, NZA 2014, 569 ff. B. Gaul, AktuellAR 2013, 331 ff. C-533/13 – Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry. So Brors, AuR 2014, 258 ff.
320
Gesetzliche Regelungen zur psychischen Belastung in der Arbeitswelt
Ergänzende Schranken werden inzwischen allerdings auf der Grundlage von Tarifverträgen auch in Bezug auf den Einsatz von Werkverträgen geschaffen. Beispielhaft sei insoweit auf den entsprechenden Tarifvertrag vom 8.7.2014 verwiesen, der fachlich und räumlich im Geltungsbereich des MTV Stahl zur Anwendung kommt. Darin ist nicht nur eine Präferenz solcher Werkunternehmer enthalten, deren Beschäftigte nach Maßgabe von Entgelttarifverträgen einer DGB-Gewerkschaft vergütet werden. Grundsätzlich soll eine Auftragserteilung an solche Unternehmen erfolgen. Eine nicht unerhebliche Formalisierung des Verfahrens zur Vergabe entsprechender Werkverträge wird aber insbesondere dadurch geschaffen, dass vor dem Abschluss von Werkverträgen von „wesentlicher Bedeutung“ durch das Mitgliedsunternehmen „sorgsam“ geprüft werden muss, ob das zu erstellende Werk technisch und ökonomisch gleichwertig auch von eigenen Beschäftigten ausgeführt werden könnte. Bei dieser Prüfung sind auch personalpolitische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Sollte durch das Mitgliedsunternehmen eine Gleichwertigkeit festgestellt oder insoweit keine einvernehmliche Bewertung erfolgen, muss eine gleichwohl erfolgende Fremdvergabe gegenüber dem Betriebsrat begründet werden. Dieser kann dann den Abschluss des Werkvertrags zwar nicht verhindern, die Nichtberücksichtigung seiner eigenen Vorstellungen durch den Arbeitgeber aber zum Anlass nehmen, mit diesem über Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung nach § 92 a BetrVG zu verhandeln. Schon dies dürfte die Auftragserteilung nicht nur verzögern, sondern auch verhindern, wenn arbeitgeberseits langwierige Unterrichtungs- und Beratungsverfahren zwischen Mitgliedsunternehmen und Arbeitnehmervertretung vermieden werden sollen. (Ga)
9.
Gesetzliche Regelungen zur psychischen Belastung in der Arbeitswelt
Bereits seit einigen Jahren wird darüber diskutiert, ob und inwieweit dem Anstieg der psychischen Belastung bei der Arbeit durch gesetzliche Regelungen Rechnung getragen werden soll. Wir hatten darüber berichtet74. Zuletzt waren §§ 3, 5 ArbSchG mit dem Ziel geändert worden klarzustellen, dass bei der Ausgestaltung der Arbeit und einer daran anknüpfenden Gefährdungsanalyse auch die psychische Belastung von Arbeitnehmern Berücksichtigung finden muss75.
74 B. Gaul, AktuellAR 2012, 334 ff.; 2013, 2 ff., 324 ff.; 2014, 27 ff. 75 B. Gaul, AktuellAR 2013, 324 ff.
321
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Noch vor der Bundestagswahl hatte die SPD in den Bundesrat den Entwurf einer Verordnung über den Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit76 eingebracht77. Nachdem der Bundesrat diesen Entwurf zustimmend zur Kenntnis genommen hatte, war die Frage entstanden, welche Zukunft der Entwurf im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag haben würde. In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage einiger Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu psychischen Belastungen in der Arbeitswelt78 hat die Bundesregierung jetzt aber deutlich gemacht, dass derzeit nicht mit einer eigenständigen Verordnung zu rechnen sei. Für eine solche Verordnung, die als „Anti-Stress-Verordnung“ auch durch die IG Metall gefordert wird, lägen derzeit noch keine hinreichend konkreten Gestaltungsanforderungen vor, die als Handlungsaufforderungen an den Arbeitgeber gestellt werden könnten. Diese Gestaltungsanforderungen seien indes Voraussetzung für rechtssicheres Handeln des Arbeitgebers und für die Durchsetzung durch die zuständigen Arbeitsschutzaufsichtsbehörden. Insbesondere bleibe noch die Frage offen, inwieweit der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis genüge, mögliche Gefährdungen in ihrer Komplexität klar zu definieren und zu erfassen, um auf dieser Basis moderne Arbeitsformen menschengerecht zu gestalten. Im Hinblick darauf hat die Bundesregierung Forschungsvorhaben eingeleitet, die als eigenständiges Projekt in der Zeit von 2014 bis 2016 laufen sollen. In ihrer letzten Phase sollen Handlungsempfehlungen zur psychischen Gesundheit erarbeitet werden, auf deren Grundlage das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüfen will, ob sich daraus hinreichend konkrete Gestaltungsanforderungen ableiten lassen, die in einer Arbeitsschutzverordnung geregelt werden sollten79. (Ga)
76 77 78 79
BR-Drucks. 315/13, 315/13 (B); BT-Drucks. 17/13851, 17/13088, 17/12818. B. Gaul, AktuellAR 2014, 27 ff. BT-Drucks. 18/2291. BT-Drucks. 18/2291 S. 13 f.; Änderungsvorschläge der Ausschüsse des BR (BRDrucks. 400/1/14) führen zu keiner Einschränkung der arbeitgeberseitigen Handlungspflichten, wie sie der aktuelle Entwurf der Bundesregierung begründet.
322
Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz
10. Entwurf einer Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen Am 28.8.2014 hat die Bundesregierung den Entwurf einer Verordnung zur Neureglung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen in den Bundesrat eingebracht80. Mit dieser Verordnung, die auf der vorläufigen Tagesordnung der Plenarsitzung vom 28.11.2014 steht, würde nicht nur eine Konkretisierung der bereits aus dem ArbSchG folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz geschaffen. Vielmehr würde ein Regelungswerk in Kraft gesetzt, das - verknüpft mit einem umfangreichen Katalog an Ordnungswidrigkeiten - eine enorme Erweiterung der Handlungsvorgaben begründete, die kaum noch rechtskonform umsetzbar sind. Wenn man sich den Umfang des Beteiligungsrechts des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vor Augen führt, ist die Nichtbeachtung darüber hinaus mit dem hohen Risiko unwirksamer Anordnungen des Arbeitgebers im Bereich des Arbeitsschutzes verknüpft. Zu wünschen ist, dass die Bundesregierung diese Folgen erkennt und rechtzeitig eine deutliche Einschränkung ihres Vorschlags veranlasst. Die Verordnung ist nach dem aktuellen Entwurf in mehrere Abschnitte aufgeteilt. Die wesentlichen Handlungspflichten hieraus sollen nachfolgend aufgezeigt werden. Ergänzend hierzu gibt es umfangreiche Anhänge, in denen Besonderheiten zu bestimmten Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen geregelt werden.
a)
Anwendungsbereich
Nach § 1 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs (VE) gilt die Verordnung insbesondere für die Auswahl geeigneter Arbeitsmittel und deren sichere Verwendung, die für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignete Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren sowie die Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten. Arbeitsmittel werden insoweit als Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen einschließlich überwachungsbedürftiger Anlagen definiert (§ 2 Abs. 1 VE). Hinsichtlich des Begriffs der Beschäftigten knüpft § 2 Abs. 4 VE an die Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 2 ArbSchG an.
80 BR-Drucks. 400/14.
323
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Leiharbeitnehmer werden zwar in § 2 nicht genannt. Allerdings folgt die inhaltsgleiche Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 11 Abs. 6 AÜG. Danach unterliegt die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts. Diese Verpflichtungen obliegen dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers. Dabei nennt das Gesetz ausdrücklich die Verpflichtung zur Arbeitsunterweisung, die den Entleiher im Verhältnis zum Leiharbeitnehmer trifft. Soweit Fremdpersonal auf der Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen eingesetzt wird, soll es nach dem Entwurf nicht bei den Verpflichtungen aus § 8 ArbSchG bleiben. Vielmehr werden durch § 13 VE weitergehende Vorgaben begründet, die nicht nur aus Informationspflichten bestehen. Vielmehr sieht § 13 Abs. 2 VE eine gemeinsame Gefährdungsbeurteilung und die abgestimmte Unterweisung der eingesetzten Arbeitnehmer vor. Darüber hinaus muss zwischen den beteiligten Unternehmen abgestimmt werden, wer hinsichtlich etwaiger Schutzmaßnahmen in Bezug auf die eingesetzten Arbeitnehmer weisungsbefugt ist, ohne dass allerdings die Bestellung einer solchen Person den jeweiligen Arbeitgeber von seinen Pflichten entbindet.
b)
Neue Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung
Mit § 3 VE sollen umfangreiche Pflichten zur Gefährdungsbeurteilung geschaffen werden. Diese liegen nicht nur in einer Konkretisierung der schon heute in § 5 ArbSchG geregelten Aspekte, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind. Vielmehr soll der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 3 VE schon vor der Auswahl und der Beschaffung der Arbeitsmittel mit der Gefährdungsbeurteilung beginnen. Dabei sind – so der Entwurf – insbesondere die Eignung des Arbeitsmittels für die geplante Verwendung, die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation zu berücksichtigen. Obwohl es sich dabei nur um eine „Soll“-Vorgabe handelt, ist zu befürchten, dass der Betriebsrat schon zu diesem Zeitpunkt seine Beteiligungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG geltend machen kann, denen Auskunftsansprüche nach § 3 Abs. 4 VE, 80 Abs. 2 BetrVG vorgeschaltet sind. Eine Gefährdungsbeurteilung muss nach § 4 Abs. 7 VE den Stand der Technik berücksichtigen. Dieser wird in § 2 Abs. 10 VE definiert. Das Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung muss nach § 3 Abs. 8 VE – ggf. elektronisch – dokumentiert werden. Dabei sind mindestens anzugeben: 1. die Gefährdungen, die bei der Verwendung der Arbeitsmittel auftreten, 2. die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
324
Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz
3. wie die Anforderungen dieser Verordnung eingehalten werden, wenn von den nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 VE bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen abgewichen wird, und 4. Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen sowie die Fristen der wiederkehrenden Prüfungen und 5. das Ergebnis der Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen.
Unbeschadet von § 22 ArbSchG muss diese Dokumentation auf Verlangen der zuständigen Behörde vorgelegt werden können (§ 19 Abs. 3 Nr. 1, 2 VE). Werden Arbeitsmittel verwendet, ohne dass zuvor eine Gefährdungsbeurteilung erfolgt ist, liegt darin eine Ordnungswidrigkeit (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 VE). Die Missachtung der gesetzlichen Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung wird also mit deutlich schärferen Sanktionen verknüpft und könnte bei gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Folgen eines Arbeitsunfalls auch die damit verbundene Darlegungs- und Beweislast beeinflussen.
c)
Schaffung einer geeigneten Arbeitsorganisation
Im Rahmen der in § 4 VE geregelten Grundpflichten des Arbeitgebers ist auch vorgesehen, dass der Arbeitgeber die Belange des Arbeitsschutzes in Bezug auf die Verwendung von Arbeitsmitteln angemessen in seine betriebliche Organisation einbinden und hierfür die erforderlichen personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen muss. Dabei hat er die Vertretungen der Beschäftigten in geeigneter Form zu beteiligen. Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass bei der Gestaltung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsverfahrens und des Arbeitsplatzes sowie bei der Auswahl und beim Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitsmittel alle mit der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zusammenhängenden Faktoren, einschließlich der psychischen, ausreichend berücksichtigt werden. Wie mit Blick auf den Beschluss des BAG vom 18.3.201481 an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde82, löst diese abstrakt-generelle Organisationsvorgabe umfangreiche Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG aus. Davon war das BAG mit Blick auf § 3 Abs. 2 ArbSchG ausgegangen. Konsequenz ist, dass damit die Festlegung des Anforderungsprofils von Arbeitsplätzen, soweit darin auch eine Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Anforderungen liegt, an eine Zustimmung des Betriebsrats geknüpft ist. 81 1 ABR73/12, NZA 2014, 855 ff. Rz. 22 ff. 82 B. Gaul, AktuellAR 2014, 491 ff.
325
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
Kann darüber zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung erzielt werden, wird die notwendige Festlegung durch Spruch der Einigungsstelle getroffen (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Im Zweifel kann der Arbeitgeber erst im Anschluss daran eine Delegation der ihm obliegenden Handlungspflichten im Bereich des Arbeitsschutzes gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG vornehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man – was nicht ausgeschlossen erscheint – die Grundsätze zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, nach denen die Zustimmung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für verhaltensbezogene Maßnahmen des Arbeitgebers ist83, übertragen will. In welcher Weise die Festlegung einer am Arbeitsschutz ausgerichteten Organisation konkrete Handlungspflichten einzelner Arbeitnehmer begründet, soll nach § 19 Abs. 3 Nr. 3 VE zukünftig dokumentiert werden. Denn danach hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde auf Verlangen auch Angaben zu den nach § 13 ArbSchG verantwortlichen Personen zu übermitteln.
d)
Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln
§ 6 VE soll umfangreiche Schutzmaßnahmen festlegen, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu berücksichtigen sind. Bei diesen Grundsätzen einer „menschengerechten Gestaltung der Arbeit“ ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: 1. Die Arbeitsmittel einschließlich ihrer Schnittstelle zum Menschen müssen an die körperlichen Eigenschaften und die Kompetenz der Beschäftigten angepasst sein sowie biomechanische Belastungen vermeiden. Zu berücksichtigen sind hierbei die Arbeitsumgebung, die Lage der Zugriffstellen und des Schwerpunktes des Arbeitsmittels, die erforderliche Körperhaltung, die Körperbewegung, die Entfernung zum Körper, die benötigte persönliche Schutzausrüstung sowie die psychische Belastung der Beschäftigten. … 3. Es sind ein Arbeitstempo und ein Arbeitsrhythmus zu vermeiden, die zu Gefährdungen der Beschäftigten führen können.
Insbesondere die letztgenannte Regelung hat eine ganz erhebliche Ausweitung der Mitbestimmung des Betriebsrats zur Folge. Denn zukünftig kann der Betriebsrat nicht nur Beteiligungsrechte in Bezug auf den Beginn, das Ende und die Verteilung sowie eine vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 ArbSchG) geltend machen. 83 Vgl. BAG v. 24.3.1981 – 1 ABR 32/78, DB 1981, 1882 ff.; HWK/Clemenz, BetrVG § 87 Rz. 60.
326
Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz
Vielmehr eröffnet § 6 Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VE dem Betriebsrat die Möglichkeit, als Bestandteil seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch Veränderungen in Bezug auf das Arbeitstempo und den Arbeitsrhythmus bei der Verwendung von Arbeitsmitteln durchzusetzen. Kommt es zu keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, entscheidet die Einigungsstelle zukünftig damit auch über die Arbeitsausführung und die Arbeitsdichte, wenn und soweit diese zu Gefährdungen der Beschäftigten führen kann. Der damit verbundene Eingriff in das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erscheint nicht mehr vertretbar. Dies gilt nicht nur für den Umfang, sondern auch für die Auswirkungen, die in zeitlicher Hinsicht durch eine Beteiligung des Betriebsrats in Bezug auf die Umsetzung arbeitgeberseitiger Weisungen nach § 106 S. 1 GewO geschaffen werden.
e)
Unterweisung der Beschäftigten
Nach dem Willen der Bundesregierung soll es im Hinblick auf die arbeitsschutzbezogene Unterweisung der Beschäftigten nicht bei § 12 Abs. 1 ArbSchG bleiben. Vielmehr sieht § 12 VE deutlich weitergehende Handlungspflichten vor. So soll der Arbeitgeber, bevor Beschäftigte Arbeitsmittel erstmalig verwenden, ihnen nach § 12 Abs. 1 VE ausreichende und angemessene Informationen anhand der Gefährdungsbeurteilung in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zur Verfügung stellen über 1. vorhandene Gefährdungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln einschließlich damit verbundener Gefährdungen durch die Arbeitsumgebung, 2. erforderliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensregelungen und 3. Maßnahmen bei Betriebsstörungen, Unfällen und zur Ersten Hilfe bei Notfällen.
Die Arbeitsunterweisung muss tätigkeitsbezogen anhand dieser Information durch den Arbeitgeber erfolgen und regelmäßig, mindestens einmal im Jahr wiederholt werden. Das Datum einer jeden Unterweisung und die Namen der Unterwiesenen soll insoweit schriftlich festgehalten werden. Schon diese Vorgabe ist arbeitgeberseitig mit einem noch angemessenen Aufwand nicht umzusetzen. Dass der Gesetzgeber eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben nicht hinnehmen will, bestätigt indes § 22 Abs. 1 Nr. 21, 22 VE. Danach begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder fahrlässig die zur Arbeitsunterweisung erforderliche Information den Beschäftigten nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zur Verfügung
327
Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
stellt und/oder einen Beschäftigten nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterweist.
f)
Fazit
Im Grunde ist mit dem hier in Rede stehenden Entwurf einer Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen ein Bereich in den Fokus des Gesetzgebers geraten, der durchaus eine weitergehende Konkretisierung vertragen kann. Allerdings dürfte es insoweit genügen, wenn auf betrieblicher Ebene die bereits vorhandenen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts durch Arbeitgeber und Betriebsrat umgesetzt werden. Wenn die Verordnung in der jetzt vorliegenden Fassung kommen sollte, würden Handlungspflichten begründet, die unmöglich umgesetzt werden können. Dies gilt sowohl auf individual- als auch auf kollektivrechtlicher Ebene. (Ga)
328
B.
1.
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
Veränderungen in Bezug auf Safe-HarborRegelungen
Bereits seit 2013 verhandeln die Europäische Union und die USA über Verbesserungen beim Datenaustausch. Die Europäische Kommission hatte parallel dazu bereits am 27.11.20131 eine Mitteilung zur Wiederherstellung des Vertrauens beim Datenaustausch zwischen der EU und den USA vorgelegt. Bewegung in diese Diskussion könnte der Beschluss des Irischen High Court vom 18.6.20142 bringen. Darin hat der High Court den EuGH um Auskunft gebeten, ob das Safe-Harbor-Abkommen, das dem Transfer personenbezogener Daten von Facebook-Nutzern in die USA zugrunde liegt, (noch) mit Art. 7, 8 GRC vereinbar ist. Problematisch daran ist, dass das Safe-Harbor-Abkommen unterstellt, dass auf der Grundlage diesbezüglicher Vereinbarungen auch in den USA ein angemessenes Datenschutzniveau erreicht wird. Angesichts der Auswertung des Datentransfers durch die PRISM-Programme der NSA bestehen indes Zweifel, ob ein solches Niveau in den USA noch erreicht wird. Bis zu einer abschließenden Entscheidung des EuGH wird man in der Praxis an bestehenden Vereinbarungen einschließlich etwaiger StandardVertragsklauseln festhalten können. Die Entscheidung des EuGH könnte aber nicht nur Auswirkungen in Bezug auf die Wirksamkeit entsprechender Regelungen zur Legitimation des transatlantischen Datentransfers haben. Sie könnte auch bewirken, dass noch einmal weitergehende Veränderungen in die Diskussion über die Datenschutz-Grundverordnung eingebracht werden müssen. (Ga)
2.
Aktuelles zur Datenschutz-Grundverordnung
Noch immer ist ein Ende der Verhandlungen über eine DatenschutzGrundverordnung nicht erkennbar. Zwar hatte man sich im Rat am 6.6.2014 auf den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung insbesondere mit Blick auf Verantwortliche geeinigt, die nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ansässig sind. Damit waren Regelungen zur Übermittlung per1 2
COM(2013) 846 final. 2013 765 jr. n. v.
329
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
sonenbezogener Daten in Drittländer und an internationale Organisationen verbunden. Darüber hinaus war eine Einigung zu den unternehmensinternen Datenschutzvorschriften gefunden worden, die schlussendlich auch den Datentransfer im Konzern erleichtern würden. Am 10.10.2014 hat der Rat weitere Einigungen in Bezug auf die Kennzeichnung der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlichen und zur Auftragsdatenverarbeitung erzielt. Letztgenannte Einigung könnte die Grundlage bieten, Cloud-Dienste zu nutzen. Umstritten ist nach wie vor, unter welchen Voraussetzungen die generellen Verpflichtungen aus der Datenschutz-Grundverordnung für Unternehmen anwendbar sein sollen. Während die Kommission hier an der Anzahl der Mitarbeiter des Unternehmens anknüpfen will, hatte das EU-Parlament vorgeschlagen, sich am Umfang der verarbeiteten Daten zu orientieren. Auf der Grundlage seiner Einigung vom 10.10.2014 verfolgt der Rat nunmehr einen „risikobasierten Ansatz“. Danach soll der für die Verarbeitung Verantwortliche selbst eine Risikoabwägung vornehmen, die die Art der verarbeiteten Daten berücksichtigt, und im Anschluss daran abgestufte Maßnahmen zu deren Schutz treffen. Hinsichtlich des Datenschutzbeauftragten soll nun gar keine Vorgabe in die Datenschutz-Grundverordnung aufgenommen werden. Seine Bestellung soll nur dann erforderlich sein, wenn nationales oder Unionsrecht dies verlangen. In Deutschland würde es dann bei der heutigen Rechtslage bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Kompromisslinie durchsetzt. Insbesondere die offene, risikoorientierte Betrachtungsweise dürfte nicht die erforderliche Rechtsklarheit schaffen. Überdies besteht die Gefahr, dass durch unterschiedliche Maßstäbe in den einzelnen Ländern die gewünschte Rechtsvereinheitlichung gerade im grenzüberschreitenden Datenschutzrecht nicht erreicht wird. Wir werden über den Fortgang berichten. Derzeit ist geplant, dass eine abschließende Einigung möglichst noch bis zum 31.12.2014 getroffen werden soll. (Ga)
3.
Vorschlag für eine Richtlinie zur Geschlechterquote unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften
Bereits am 14.11.20123 hatte die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung
3
COM(2012) 614 final.
330
Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung
von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen vorgelegt. Wie hatten darüber berichtet4. Der Vorschlag hatte vorgesehen, dass börsennotierte Gesellschaften, in denen das unterrepräsentierte Geschlecht in den Leitungsorganen weniger als 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder stellt, neue Mitglieder auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen der Kandidaten nach vorab festgelegten, klaren, neutral formulierten und eindeutigen Kriterien jeweils männlicher und weiblicher Mitglieder auswählen, dass spätestens zum 1.1.2020 (öffentliche Unternehmen: 1.1.2018) ein Anteil von 40 % so erreicht werde. Ausgenommen hiervon sollten nur KMU werden, die weniger als 250 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erzielen. Am 20.11.2013 ist diese Richtlinie durch das Europäische Parlament angenommen worden. Derzeit steht die erste Lesung des Europäischen Rates, in der durch qualifizierte Mehrheit verbindlich über das Vorhaben entschieden werden kann, noch aus5. Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit sich die Bundesregierung bei ihren Überlegungen zur Einführung von Frauen- und Geschlechterquoten, über die wir an anderer Stelle berichtet haben6, hierdurch beeinflussen lässt. Insbesondere die Anforderungen, die an eine Bevorzugung von Kandidaten eines Geschlechts gestellt werden, sind im Richtlinienvorschlag deutlich angemessener festgehalten, als dies bei der ausnahmslosen Festlegung einer Geschlechterquote für den Aufsichtsrat im aktuellen Referentenentwurf vorgesehen ist. (Ga)
4.
Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter
Am 25.9.20147 hat die Kommission auf die Stellungnahme des Bundesrats zum Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haf-
4 5 6 7
B. Gaul, AktuellAR 2013, 25 ff. BT-Drucks. 18/2402. B. Gaul, AktuellAR 2014, 300 ff. C(2014)6855 final.
331
Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
tung mit einem einzigen Gesellschafter geantwortet8. Über den Vorschlag dieser Richtlinie (SUP) hatten wir an anderer Stelle bereits berichtet9. In ihrer Antwort hat die Kommission zunächst einmal deutlich gemacht, dass sie in Art. 50 AEUV eine ausreichende unionsrechtliche Rechtfertigung für die in Rede stehenden Vorschläge sehe. Dies gelte auch dann, wenn die Richtlinie nur Inlandssachverhalte betreffe. Hiervon ist auszugehen, wenn - wie beabsichtigt – der Vorschlag Regularien für die Ausgestaltung des Rechts von Kapitalgesellschaften schaffen soll, die weiterhin nach den Vorgaben des jeweiligen Mitgliedstaats ausgestaltet werden sollen. Das bei der Gründung solcher Gesellschaften vor allem auf die Möglichkeit einer Online-Eintragung zurückgegriffen werden soll, hält die Kommission nicht für problematisch. Dieses Verfahren, an dem Rechtsanwälte oder Notare nicht beteiligt würden, gebe es heute bereits in 16 Ländern der Europäischen Union. Eine besondere Missbrauchsgefahr sei nicht erkennbar. Insbesondere KMU profitierten davon. Es sei ausreichend, wenn im Recht der Mitgliedstaaten jeweils auch eine Alternative als parallele Form der Gründung solcher Gesellschaften geschaffen werde. Der Bundesrat hatte auch kritisiert, dass die Mindestkapitalanforderung von einem Euro mit der Verpflichtung zu einem Bilanztest und einer Solvenzbescheinigung verknüpft wurde. Die Kommission will auch daran festhalten. Aus ihrer Sicht werde durch die persönliche Haftung der Geschäftsführung und des einzigen Gesellschafters über ein Missbrauch dieser Mindestkapitalanforderungen ein ausreichender Schutz der Gläubiger erreicht. Insgesamt lässt sich die Kommission damit durch die Kritik des Bundesrats nicht beeindrucken. Sie hält an ihrem Vorhaben fest. Wenn Änderungen im Richtlinienvorschlag folgen sollen, muss dies im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer Ebene bewirkt werden. (Ga)
5.
Vorschlag für eine Richtlinie zur Einbeziehung der Aktionäre in die Festlegung der Vergütungspolitik
An anderer Stelle hatten wir über den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in 8 9
BR-Drucks. zu Drucks. 165/14. B. Gaul, AktuellAR 2014, 36 f.; eingehend hierzu vgl. auch Beurskens, GmbHR 2014, 738 ff.
332
Einbeziehung der Aktionäre in die Festlegung der Vergütungspolitik
Bezug auf bestimmte Elemente der Klärung zur Unternehmensführung10 berichtet11. Darauf sei wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen. In seiner Stellungnahme zu diesem Richtlinienvorschlag hatte der Bundesrat kritisiert, in welchem Umfang die Hauptversammlung gemäß Art. 9 a der geänderten Richtlinie 2007/36/EG ein Recht auf Abstimmung über die Vergütungspolitik in der börsennotierten Aktiengesellschaft haben soll. Nach Auffassung des Bundesrats sollten Entscheidungen über die Vergütung der Vorstandsmitglieder im Aufsichtsrat getroffen werden, dem auch Interessenvertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angehörten. Damit werde vermieden, dass viele Aktionäre kurzfristige Gewinne anstrebten, was bei der Einbindung der Hauptversammlung zu sachwidrigen Ergebnissen führen könne. Die Europäische Kommission sieht dies in ihrer an den Bundesrat gerichteten Antwort vom 19.9.201412 anders. Zunächst einmal werde der Kritik des Bundesrats bereits dadurch im Entwurf Rechnung getragen, dass die von den Aktionären genehmigte Vergütungspolitik die langfristigen Interessen und die langfristige Tragfähigkeit des Unternehmens fördern müsse. Gleichzeitig sei damit keine Regulierung der Vergütungsstruktur verbunden. Vielmehr werde die konkrete Ausgestaltung der Vergütung weiterhin durch den Aufsichtsrat festgelegt. Seine allgemeinen Kriterien für die Gewährung der festen und variablen Bestandteile der Vergütung müssten allerdings der Hauptversammlung mit dem Ziel einer Zustimmung vorgelegt werden. Dies gelte auch für die sonstigen (wichtigen) Bestimmungen der Verträge von Vorstandsmitgliedern, einschließlich der Dauer der Verträge, der geltenden Kündigungsfristen und der Zahlungen im Zusammenhang mit einer Vertragsbeendigung. Auf diese Weise werde eine Vorsorge, Kontrolle und Transparenz erreicht. Nach der Stellungnahme der Europäischen Kommission ist nicht zu erwarten, dass sie von sich aus den Richtlinienvorschlag überarbeiten wird. Änderungen können damit erst im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene eingebracht werden. (Ga)
10 COM(2014) 213 final. 11 B. Gaul, AktuellAR 2014, 41. 12 C(2014) 6502 final.
333
C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.
Deutsch als Vertragssprache bei ausländischen Arbeitnehmern?
In dem Urteil vom 19.3.2014 setzt sich der 5. Senat des BAG1 mit der Frage auseinander, ob ein in deutscher Sprache abgefasster Arbeitsvertrag mit einem ausländischen Arbeitnehmer, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, bei Anwendung deutschen Rechts in wirksamer Weise zustande kommt, wenn dieser trotz Unkenntnis des Vertragsinhalts den Vertrag unterschreibt. Der Fall betrifft einen portugiesischen Kläger mit Wohnsitz in Portugal, der bei einer deutschen Spedition mit Sitz in Deutschland vom 24.7.2009 bis zum 31.3.2011 als Kraftfahrer im internationalen Transport zu einer Bruttomonatsvergütung von 900,- € nebst Reisekostenpauschale beschäftigt war. Der Kläger ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Nach in portugiesischer Sprache geführten Einstellungsverhandlungen unterzeichnete der Kläger in einem Büro der Schuldnerin in Portugal einen von der Schuldnerin vorformulierten, in deutscher Sprache abgefassten Arbeitsvertrag, der u. a. eine Ausschlussfrist enthält, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 13.4.2011 hat der Kläger mit der am 12.5.2011 eingereichten Klage Entgelt für den Monat Dezember 2010 sowie Reisekostenpauschalen für Fahrten in dem Zeitraum März bis September 2010 verlangt und diese Forderungen zur Insolvenztabelle der zwischenzeitlich insolvent gewordenen Schuldnerin angemeldet, die vom Insolvenzverwalter bestritten worden sind. In materiell-rechtlicher Hinsicht ging es in dem Rechtsstreit vor allem darum, ob sich die Zahlungsansprüche des Klägers wegen der nicht eingehaltenen vertraglichen Ausschlussfrist erledigt hatten und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob sich der Kläger trotz Unkenntnis der deutschen Sprache an dem Vertrag festhalten lassen muss. Das BAG prüft zunächst hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage von Amts wegen2 die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit und bejaht diese auf der Grundlage der noch anwendbaren VO
1 2
5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076. BAG v. 8.12.2010 - 10 AZR 562/08, NZA-RR 2012, 320 Rz. 15.
335
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Nr. 44/2001(EuGVVO)3. Der Auslandsbezug4 ergab sich deshalb, weil der Kläger portugiesischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Portugal ist. Da die Schuldnerin ihren Wohnsitz, genauer, ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland hat, war sie in zutreffender Weise nach den Zuständigkeitsvorschriften der Art. 18 Abs. 1, 19 Nr. 1 i. V. mit Art. 60 Abs. 1 lit. a) EuGVVO vor einem international zuständigen deutschen Arbeitsgericht verklagt worden. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte sich daran nichts geändert, weil sich insoweit die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte für dieses Annexverfahren aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO5 ergibt, wonach bei Gesellschaften und juristischen Personen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats international zuständig sind, in dessen Gebiet sich der Ort des satzungsmäßigen Sitzes befindet6. Da die Arbeitsvertragsparteien keine ausdrückliche Rechtswahl im Arbeitsvertrag getroffen hatten, untersucht das BAG zunächst, ob deutsches Arbeitsrecht oder möglicherweise portugiesisches Arbeitsrecht zur Anwendung gelangt. Dabei geht das BAG davon aus, dass die Parteien zumindest konkludent deutsches Recht anwenden wollten, weil sie übereinstimmend während des Rechtsstreits von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen sind. Dies schließt jedoch nicht aus, dass zwingende Bestimmungen des objektiven Vertragsstatuts vorrangig zu berücksichtigen sind. Wäre dies der Fall, muss durch einen Günstigkeitsvergleich geklärt werden, ob deutsches Recht durch zwingende Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts verdrängt wird. Im Streitfall waren noch die Bestimmungen der Art. 27 ff. EGBGB anwendbar, weil die diese Artikel ablösende Verordnung Nr. 593/2008/EU vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM I) erst ab 17.12.2009 (Art. 29) gilt und auf Verträge angewandt wird, die nach dem 17.12.2009 geschlossen werden (Art. 28). Der im Rechtsstreit noch maßgebende Art. 30 EGBGB stimmt inhaltlich mit Art. 8 ROM I überein, wonach sich mangels einer Rechtswahl das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nach dem Recht des Staates richtet, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dem Arbeitnehmer darf nicht der Schutz entzogen werden, der ihm durch die zwingenden Bestim3 4 5 6
Diese VO wird ab dem 10.1.2015 durch die VO Nr. 1215/2012/EU v. 12.12.2012 (L 351/1) für Verfahren abgelöst, die am 10.1.2015 und danach eingeleitet werden: Art. 66 VO 1215/2012. EuGH v. 17.11.2011 - C-327/10 , ZIP 2011, 2377 - Lindner. VO Nr. 1346/2000/EG v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (L 160/1). BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 253/11, NZA 2013, 797.
336
Deutsch als Vertragssprache bei ausländischen Arbeitnehmern?
mungen des Rechts zuteilwird, das mangels einer Rechtswahl anwendbar wäre. Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten aus, so ist in Ermangelung eines Mittelpunkts der Tätigkeit der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeit verrichtet, maßgebend. Dabei ist im internationalen Transportsektor nach der Rechtsprechung des EuGH7 insbesondere zu ermitteln, in welchem Staat sich der Ort befindet, von dem aus der Arbeitnehmer seine Transportfahrten durchführt, Anweisungen zu diesen Fahrten erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden. Es bedarf auch der Prüfung, an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert werden, wo sie entladen werden und wohin der Arbeitnehmer nach seinen Fahrten zurückkehrt. Diese Bewertung des EuGH greift das BAG auf und ergänzt sie durch den Hinweis, dass möglicherweise auf das Recht des Staats abzustellen ist, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, wenn sich ein gewöhnlicher Arbeitsort nach den allgemeinen Grundsätzen nicht feststellen lässt. Als Niederlassung lässt sich jede auf Dauer angelegte arbeitsorganisatorische Einheit eines Unternehmens qualifizieren, ohne dass sie eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisen muss. Dies kann nicht nur eine Zweigstelle, sondern auch ein Büro eines Unternehmens sein. Ergibt sich jedoch aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem des Arbeitsorts oder der einstellenden Niederlassung aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden (Art. 30 Abs. 2 EGBGB, Art. 8 Abs. 4 ROM I). Dies richtet sich nach der Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, dem Sitz des Arbeitgebers und dem Wohnort des Arbeitnehmers, wobei ergänzend die Vertragssprache und die Währung der Vergütung zu berücksichtigen sind. Da das LAG dieser Problematik nicht nachgegangen war, musste die Frage des auf das Arbeitsverhältnis objektiv anzuwendenden Rechtsstatuts noch vom LAG geklärt und ermittelt werden, ob zwingendes portugiesisches Recht einer Ausschlussfristenregelung entgegensteht. Für den Fall der Anwendung deutschen Rechts geht das BAG davon aus, dass die Arbeitsvertragsparteien mit der Unterzeichnung einen wirksamen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, wobei die mangelnde Kenntnis der Vertragssprache nichts daran ändert. Für das Vertragsangebot des Arbeitgebers gilt der Zugang der schriftlich verkörperten Willenserklärung mit der Maßgabe, dass der Arbeitnehmer die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme haben musste. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme beurteilt sich 7
v. 15.3.2011 – C-29/10, NZA 2011, 625 Rz. 49 - Koelzsch.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs, wobei im Interesse der Rechtssicherheit ein generalisierender Standpunkt einzunehmen ist. In Anbetracht dieser Bewertung geht das BAG überzeugend davon aus, dass der Kläger aus der Sicht des Arbeitgebers durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags diesen mit seinem Gesamtinhalt angenommen hat, wobei gleichgültig ist, ob der Kläger den Inhalt des Vertrags verstanden hat. Damit stellt das BAG den sprachunkundigen Arbeitnehmer demjenigen gleich, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt. Insofern fällt auch nicht ins Gewicht, ob die Vertragsverhandlungen in deutscher oder in portugiesischer Sprache geführt worden sind. In diesem Zusammenhang stellt das BAG klar, dass die Verwendung einer Sprache in Vertragsverhandlungen keine Rechtspflicht oder Obliegenheit begründet, zukünftige Erklärungen nur in dieser Sprache abgeben und entgegennehmen zu müssen. Damit trägt ein der deutschen Sprache unkundiger ausländischer Arbeitnehmer das Sprachrisiko der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsvertrags. Für eine derartige Risikoverteilung spricht nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer vor Vertragsabschluss für eine Übersetzung sorgen oder sich eine Bedenkzeit ausbitten kann, die es ihm erlaubt, sich den Vertragsinhalt übersetzen zu lassen. Eine ganz andere Frage ist dabei, ob ein sprachunkundiger Arbeitnehmer mit dem Vertragsinhalt eine bestimmte unrichtige Vorstellung verbindet, die ihn zur Anfechtung berechtigen kann. Nach deutschem Recht wurde die Ausschlussfrist Inhalt der vertraglichen Bedingungen. Da nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB keine Anwendung findet, war der Arbeitgeber als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht verpflichtet, auf die vertragliche Ausschlussfrist besonders hinweisen zu müssen, damit diese Bestandteil des Arbeitsvertrags wurde. Ebenso wenig erweist sich eine Ausschlussfrist als „überraschend“ i. S. von § 305 c Abs. 1 BGB, weil ihre Vereinbarung einer weitverbreiteten Übung im Arbeitsleben entspricht8 und die Ausschlussfrist im Streitfall in einem unter Fettdruck hervorgehobenen eigenen Paragrafen geregelt worden war. Auch bei sprachunkundigen Arbeitnehmern liegt kein Überrumpelungseffekt vor, wenn kein inhaltlicher Widerspruch zwischen den Erwartungen des Vertragspartners und dem Inhalt der Klausel auftritt. Schließlich scheitert nach Ansicht des BAG die Ausschlussfristenregelung nicht an § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, weil sie nicht in der Muttersprache des konkreten Vertragspartners gefasst ist. Ist die Ausschlussfrist in der Vertragssprache klar und verständlich formuliert worden, trägt derjenige das 8
BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 Rz. 19.
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Deutsch als Vertragssprache bei ausländischen Arbeitnehmern?
Sprachrisiko, der sich auf einen Vertrag in fremder Sprache einlässt. Aus den Begleitumständen bei Vertragsabschluss führt allein die Sprachunkundigkeit des Arbeitnehmers als persönliche Eigenschaft nicht zur Unwirksamkeit der vertraglichen Ausschlussfrist (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB), weil sonst die Wirksamkeit jeder Allgemeinen Geschäftsbedingung unter dem Vorbehalt stünde, vom Vertragspartner intellektuell verstanden worden zu sein. Eine derartige Betrachtung stünde jedoch im Widerspruch zum abstrakt-generellen Prüfungsmaßstab des § 307 Abs. 1 BGB, der durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergänzt wird. In Anbetracht dessen weist das BAG zu Recht darauf hin, dass zur Sprachunkundigkeit des Arbeitnehmers noch weitere Umstände, wie etwa das Drängen des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag ohne vorherige Übersetzung zu unterschreiben, hinzutreten müssen. Allerdings kann auch bei der Anwendung deutschen Rechts eine Sonderanknüpfung an das Aufenthaltsstatut aus Billigkeitserwägungen in Betracht kommen. Grundsätzlich bestimmt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags nach dem Statut des Hauptvertrags (Art. 10 Abs. 1 ROM I). Aus Billigkeitsgründen lässt jedoch Art. 10 Abs. 2 ROM I neben dem Statut des Hauptvertrags zu, dass sich eine Partei auf das Recht des Staats ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts berufen kann, wenn das nach dem Vertragsstatut eintretende Ergebnis für die Partei unbillig wäre. Die Partei soll nicht nach einem ihr fremden Recht rechtsgeschäftlich gebunden werden, mit dessen Geltung sie nicht zu rechnen brauchte, so dass sie ihr Verhalten nicht nach diesen fremden rechtsgeschäftlichen Verhaltensregeln ausrichten musste9. Damit wird allein die Frage behandelt, ob überhaupt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vorliegt, nicht dagegen, ob diese Willenserklärung wirksam ist. Auf den Streitfall bezogen wäre damit zu prüfen, ob es nach portugiesischem Recht ausgeschlossen ist, dass die Unterzeichnung einer Vertragsurkunde keine rechtsgeschäftliche Bindung auslöst, wenn der Vertragspartner den Inhalt der Vertragsurkunde nicht versteht. Für die betriebliche Praxis ist diese Entscheidung des BAG von besonderer Bedeutung, weil damit für in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsverträge mit ausländischen Arbeitnehmern die notwendige Rechtssicherheit und Verlässlichkeit begründet wird, wenn dem Vertragsinhalt allein die Sprachunkenntnis entgegengesetzt wird. (Boe)
9
BGH v. 19.3.1997 - VIII ZR 316/96, DB 1997, 1224 Rz. 46.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
2.
Keine Intransparenz durch deutsch-englische Kunstsprache („Denglisch“)
Im Urteil vom 20.8.201410 hat der 10. Senat des BAG deutlich gemacht, dass arbeitsvertragliche Regelungen im Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle weder generell überraschend (§ 305 c Abs. 1 BGB) noch intransparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) sind, wenn der Arbeitgeber englische Begriffe oder eine deutsch-englische Kunstsprache („Denglisch“) verwendet. Dies gelte jedenfalls in einem international tätigen IT-Unternehmen, sofern im Wege der Auslegung der jeweils in Rede stehenden Regelungen hinreichend klar der Inhalt erkennbar werde. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber eine Gesamtzusage vorgenommen, durch die Arbeitnehmer in den Genuss einer „Krankheitspolicy“ kommen sollten. Ausweislich der Intranetveröffentlichung war der „Scope“ dieser Zusage allerdings wie folgt bestimmt: Mitarbeiter auf der deutschen Payrole mit HP Standard Terms & Conditions
Mit zutreffender Begründung ist das BAG davon ausgegangen, dass nach der arbeitgeberseitigen Regelung nur solche Arbeitnehmer in den Geltungsbereich der Zusage fallen sollten, die den Standardarbeitsvertrag des Arbeitgebers hatten. Die Klägerin, die gemäß § 613 a Abs. 1 BGB mit ihrem alten Arbeitsvertrag des früheren Betriebsinhabers übernommen worden war, konnte deshalb Leistungen der „Krankheitspolicy“ nicht in Anspruch nehmen. (Ga)
3.
Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Übernahme aus befristetem Arbeitsvertrag?
Ob die nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern ebenso mit Ablauf der vereinbarten Befristung enden, wie diejenigen anderer Arbeitnehmer oder der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 TzBfG aus unionsrechtlichen Gründen teleologisch zu reduzieren ist, war bereits Gegenstand einer Entscheidung des BAG vom 5.12.201211.
10 10 AZR 453/13 n. v. (Rz. 19 ff.). 11 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515 Rz. 36 ff.; dazu näher Boewer, AktuellAR 2013, 364 ff.
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Übernahme aus befristetem Arbeitsvertrag
In einer Entscheidung vom 25.6.2014 war der 7. Senat des BAG12 erneut mit der Frage befasst, ob auch Arbeitsverträge mit Betriebsratsmitgliedern nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 TzBfG wirksam ohne Sachgrund befristet werden dürfen. Die Klägerin war bei dem beklagten Chemieunternehmen zunächst sachgrundlos befristet eingestellt worden. Danach wurde sie in den Betriebsrat gewählt und ihr Arbeitsvertrag befristet verlängert. Nach dessen Ablauf lehnte die Beklagte den Abschluss eines weiteren Vertrags ab, worin die Klägerin eine unzulässige Benachteiligung wegen ihrer Betriebsratstätigkeit sah und mit einer Befristungskontrollklage die Unwirksamkeit der Befristung geltend machte und hilfsweise den Abschluss eines Folgevertrags beanspruchte. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Soweit es um die Befristungskontrollklage geht, verweist das BAG auf seine frühere Entscheidung vom 5.12.2012 und die darin enthaltene ausführliche Begründung dafür, dass sich unter unionsrechtlichen Aspekten kein Grund dafür ergibt, bei Betriebsratsmitgliedern von der Unzulässigkeit einer in den Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG vereinbarten Befristung des Arbeitsvertrags auszugehen. Insoweit ist auch kein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 KSchG geboten, der Amtsträger vor einer ordentlichen Kündigung, nicht jedoch vor der sonstigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schützt. Auch während des Sonderkündigungsschutzes nach §§ 15 Abs. 1 KSchG, 103 BetrVG bleibt es bei der Wirksamkeit von Befristungsabreden. Dies gilt nach Ansicht des BAG auch für die hier maßgebende Fallkonstellation, dass während der Amtszeit des Betriebsratsmitglieds eine Verlängerung der Befristung vereinbart worden ist13. Diese Bewertung des BAG entspricht der Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 7 der Richtlinie 2002/14 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der europäischen Gemeinschaft nicht verlangt, Arbeitnehmervertretern einen verstärkten Kündigungsschutz zu gewähren. Der Mindestschutz von Art. 7 der Richtlinie 2002/14/EG wäre allerdings dann nicht mehr gewahrt, wenn die Kündigung eines Arbeitnehmervertreters aus Gründen ausgesprochen wird, die auf die ausgeübte Funktion als Arbeitnehmervertreter zurückzuführen wäre. Ohne Erfolg blieb auch die von der Klägerin beanspruchte Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Vertragsangebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrags. Ein derartiger Anspruch auf Abgabe eines Vertragsangebots ließe sich allerdings aus § 78 S. 2 BetrVG i. V. mit § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB herleiten, wenn der beklagte Arbeitgeber gerade wegen 12 7 AZR 847/12, DB 2014, 2416 mit zust. Anm. von Ecklebe, DB 2014, 1930. 13 Vgl. auch ErfK/Kiel, KSchG § 15 Rz. 2 m.w.N.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
der Betriebsratsmitgliedschaft einen Folgevertrag ablehnt. Nach der Rechtsprechung des BAG14 genügt für eine Anwendung von § 78 S. 2 BetrVG, wonach Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen, jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Dabei genügt bereits die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern, ohne dass diese Schlechterstellung durch eine Benachteiligungsabsicht motiviert ist. Daher stellt nach Ansicht des BAG die Nichtübernahme eines befristet beschäftigten Betriebsratsmitglieds in ein unbefristetes oder auch nur in ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis eine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung dar, wenn sie gerade wegen der Betriebsratstätigkeit oder wegen des Betriebsratsmandats erfolgt15. Allerdings hat es das BAG16 bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Maßregelungsverbot (§ 612 a BGB) in entsprechender Anwendung von § 15 Abs. 6 AGG abgelehnt, die im Abschluss eines Folgevertrags bestehende Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB zu befürworten. Abweichend vom AGG hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt, ob sich aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 612 a BGB ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses ergeben kann. Unabhängig davon, dass bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 612 a BGB regelmäßig ein Schadensersatzanspruch insbesondere aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 oder aus 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommt, entnimmt das BAG aus § 15 Abs. 6 AGG eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, wonach der Arbeitgeber selbst bei massivsten Diskriminierungen nicht zu einem Vertragsabschluss gezwungen werden soll und der Arbeitnehmer auf einen Geldersatz verwiesen wird. Die Interessenlage von Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei bei einer Verletzung des Maßregelungsverbots in § 612 a BGB vergleichbar mit derjenigen bei einem Verstoß gegen die Benachteiligungsverbote in § 7 Abs. 1 i. V. mit § 1 AGG, so dass nicht anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber bei einer Verletzung des Maßregelungsverbots dem bislang befristet beschäftigten Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags einräumen wollte. Mit dieser Aussage des BAG steht nicht im Widerspruch, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags eine unzulässige Benachteiligung
14 BAG v. 20.1.2010 – 7 ABR 68/08, NZA 2010, 777 Rz. 11; BAG v. 5.12.2012 – 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515 Rz. 47. 15 So bereits BAG v. 5.12.2012 – 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515 Rz. 47. 16 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 44 f.
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Übernahme aus befristetem Arbeitsvertrag
des Arbeitnehmers darstellen und gemäß § 7 Abs. 2 AGG zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede führen kann17. Da im Unterschied zum Maßregelungsverbot des § 612 a BGB durch § 78 S. 2 BetrVG nicht nur ein personenbezogener Schutzzweck verfolgt wird, sondern neben den Betriebsratsmitgliedern als Personen auch der Betriebsrat als Organ geschützt werden sollen, verbietet der nicht nur individuell personenbezogene, sondern zugleich kollektiv gremienbezogene Normzweck (Ämterkontinuität) dieser Vorschrift eine analoge Anwendung des eine Wiedereinstellung ausschließenden § 15 Abs. 6 AGG. Im Ergebnis ließe sich daher eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 6 AGG mit dem durch § 78 BetrVG verfolgten Zweck der Sicherung der Ämterkontinuität des Betriebsrats nicht in Einklang bringen. Für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung trägt allerdings das Betriebsratsmitglied die Darlegungs- und Beweislast, wenn es den Arbeitgeber auf Abschluss eines Folgevertrags in Anspruch nimmt18. In diesem Zusammenhang schließt das BAG eine entsprechende Anwendung der Beweislastregel des § 22 AGG zugunsten des Betriebsratsmitglieds aus. Dies darf freilich nicht dazu führen, dass dem Betriebsratsmitglied in unzumutbarer Weise wegen der in der Sphäre des Arbeitgebers liegenden inneren Tatsache die Führung des Beweises einer unzulässigen Benachteiligung i. S. von § 78 S. 2 BetrVG erschwert wird19. Regelmäßig genügt das Betriebsratsmitglied seiner Vortragslast, wenn es Hilfstatsachen (Indizien) in den Prozess einbringt, die den Schluss auf die zu beweisende Haupttatsache der Benachteiligung ermöglichen. Beispielhaft verweist das BAG in diesem Zusammenhang darauf, dass es als Indiz ausreichen kann, wenn das Betriebsratsmitglied darlegt, dass der Arbeitgeber allen anderen Arbeitnehmern Folgeverträge angeboten hat, oder etwa Äußerungen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit gefallen sind, die gerade deswegen auf die Ablehnung eines Folgevertrags schließen lassen. Kann das Betriebsratsmitglied nicht einmal derartige Hilfstatsachen vortragen, darf es nach Ansicht des BAG ohne Verstoß gegen die zivilprozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) zunächst behaupten, ihm sei gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit der Abschluss eines Folgevertrags verweigert worden. Be-
17 BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 524/09, NZA 2011, 970 Rz. 28. 18 So bereits zu § 612 a BGB BAG v. 21.9.2011 - 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 Rz. 42; zur Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen: BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 35 ff. 19 Vgl. zur Missbräuchlichkeit einer sachgrundlosen Befristung: BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840 Rz. 21.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
streitet der beklagte Arbeitgeber diese Behauptung nicht ausdrücklich, so gilt der Vortrag des Betriebsratsmitglieds nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Eine Erklärung mit Nichtwissen wäre in diesem Zusammenhang unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO). Da sich im Streitfall die von der Klägerin vorgetragenen Indizien für die von ihr behauptete Benachteiligung als Betriebsratsmitglied nicht nachweisen ließen, hat das BAG in Übereinstimmung mit der Vorinstanz die Klage auf Abschluss eines Folgearbeitsvertrags für unbegründet erachtet. (Boe)
4.
Möglichkeiten der Altersbefristung bei Neueinstellung mit 63
Bereits im Herbst 201320 hatten wir die Frage der befristeten Beschäftigung von Rentnern unter Berücksichtigung einer Entscheidung des LAG Berlin– Brandenburg vom 20.11.201221 thematisiert. In dieser Entscheidung ist das LAG davon ausgegangen, dass die Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt ist. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Parteien das Erreichen der Regelaltersgrenze zum Anlass für die Befristungsvereinbarung nehmen und den nach § 41 S. 2 SGB VI möglichen Beendigungstermin hinausschieben. Die Gründe für die Zulässigkeit der Vereinbarung von Altersgrenzen bezogen auf das Erreichen der Regelaltersgrenze sollen in einem solchen Falle gleichermaßen gelten. Dabei geht das LAG davon aus, dass eine unterschiedliche Behandlung der Befristungsabreden, die zeitlich bereits vor Bezug der gesetzlichen Regelaltersrente eine auf diesen Zeitpunkt abstellende Beendigung zum Inhalt haben, im Vergleich zu den Befristungsabsprachen, die nach Eintritt in das gesetzliche Rentenalter getroffen werden, sachlich nicht gerechtfertigt sei. Die Interessen des durch den Bezug der Altersrente wirtschaftlich abgesicherten Arbeitnehmers hätten Nachrang vor dem Interesse des Arbeitgebers, rechtzeitig geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können. Dabei sei die ausreichende wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers generalisierend zu beurteilen22, so dass es nicht auf die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers ankäme, wenn dieser die gesetzliche Regelaltersrente bezöge. Mit dieser Bewertung sei auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten keine Altersdiskriminierung des Arbeitnehmers verbunden, weil § 10 Nr. 5 AGG die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne 20 B. Gaul/AktuellAR 2013, 532 ff. 21 12 Sa 1303/12, EzTöD 100 § 30 Abs. 1 TVöD-AT Sachgrundbefristung Nr. 49. 22 BAG v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586 Rz. 32.
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Möglichkeiten der Altersbefristung bei Neueinstellung mit 63
Kündigung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen könne, als Rechtfertigungsgrund zuließe23. Schließlich sei die Befristung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil alle an den unbefristeten Vertrag anknüpfenden Befristungsabreden erst abgeschlossen worden seien, nachdem der Kläger bereits Anspruch auf die gesetzliche Regelaltersrente gehabt habe. Im Streitfall hatten die Arbeitsvertragsparteien, nachdem der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet hatte und seitdem die gesetzliche Altersrente bezog, insgesamt vier befristete Arbeitsverträge bis zum 31.12.2011 geschlossen. Da der Arbeitgeber das Vertragsverhältnis nicht weiterhin fortsetzen wollte, erhob der Kläger rechtzeitig beim ArbG Berlin eine Befristungskontrollklage, die weder vor dem ArbG noch vor dem LAG Berlin-Brandenburg erfolgreich war. Die Argumentation des LAG zum Sachgrund der Befristung nach § 14 Nr. 6 TzBfG vermag nicht zu überzeugen, weil ihre Konsequenz im Ergebnis darin besteht, dass mit einem altersrentenberechtigten Arbeitnehmer beliebig viele Zeitverträge mit Sachgrund abgeschlossen werden können, was einer sachgrundlosen Befristung gleichkäme. Ebenso wenig wird die Frage der Altersdiskriminierung vom LAG zutreffend beantwortet, weil sich mit den jeweiligen Befristungsperioden nicht ausreichend begründen lässt, dass sie im Interesse einer Nachbesetzung des Arbeitsplatzes durch jüngere Arbeitnehmer im Sinne einer Nachwuchsförderung vorgenommen werden. Richtig ist, dass das LAG die Problematik der Befristung und die Frage der Altersdiskriminierung voneinander trennt und gesondert gewichtet sowie unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten prüft. Angesichts dessen bedarf es zusätzlich eines Rückgriffs auf die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG als auch auf die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Die Zweckdetermination der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist darauf gerichtet (§ 5 Nr. 1), den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge aus Gründen eines Missbrauchs zum Nachteil der Arbeitnehmer zu begrenzen, weil jedenfalls unionsrechtlich der unbefristete Arbeitsvertrag der Prototyp im Arbeitsverhältnis sein soll24. Die Rahmenvereinbarung differenziert nicht danach, ob ein Arbeitnehmer bereits eine (gesetzliche) Al23 Vgl. EuGH v. 12.10.2012 – C-45/09, NZA 2010, 1167 Rz. 36 ff. - Rosenbladt; BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 946/07, NZA 2012, 866. 24 EuGH v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 37 - Kücük; EuGH v. 3.7.2014 - C-362/13 n. v. - Flamingo.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
tersrente in Anspruch nehmen kann. Allerdings muss auch die mehrfache Befristung des Arbeitsvertrags zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien nicht rechtsmissbräuchlich sein, soweit keine völlig unbegrenzte oder erhebliche Zahl von Verlängerungen praktiziert wird25. In jedem Fall sind aber im jeweiligen Einzelfall vor allem die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu prüfen. Da Rentner mit befristeten Anschlussverträgen eine weniger günstige Behandlung erfahren als andere Arbeitnehmer, müsste zudem die Ungleichbehandlung nach Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG im Hinblick auf ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind26, gerechtfertigt sein und die Mittel der befristeten Verträge zur Erreichung dieses Ziels der Angemessenheit und Erforderlichkeit entsprechen. Dies kann die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen betreffen, um die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer zu begünstigen oder auch die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu ermöglichen. Ist ein Arbeitnehmer wirksam befristet mit Erreichen der Regelaltersrente aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, ist dieser Sachgrund der Befristung „verbraucht“ und lässt sich nicht beliebig über das Rentenalter hinaus über § 14 Nr. 6 TzBfG auf Dauer verlängern. Eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwischen denselben Parteien bedarf daher – wie auch sonst mit anderen Arbeitnehmern – eines Sachgrunds nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Ebenso wenig lässt sich mit der Argumentation der wirtschaftlichen Absicherung aufgrund einer Rentenzahlung ein Rechtfertigungsgrund für die Benachteiligung wegen des Alters heranziehen, weil die Zweckrichtung der Befristung nicht mehr von einem beschäftigungspolitischen Gesichtspunkt getragen wird. Dieser mit dem Bezug der Regelaltersrente verbundene Aspekt des Generationenwechsels verliert im Anschluss an die einmal eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Fortsetzungsgrund, der vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt, das keinen begründbaren Bezug zur Nachbesetzung des Arbeitsplatzes durch einen jüngeren Arbeitnehmer aufweist.
25 Vgl. dazu BAG v. 18.7.2012 7 AZR – 783/10, NZA 2012, 1359 Rz. 39; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 44. 26 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 77 - Prigge.
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Möglichkeiten der Altersbefristung bei Neueinstellung mit 63
Fraglich kann allerdings sein, ob mit der Ergänzung von § 41 SGB VI durch das Gesetz über Leistungsverbesserung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.201427, das am 1.7.2014 in Kraft getreten ist, eine Ausweitung der Befristungsmöglichkeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze geschaffen wird, die neben § 14 TzBfG zur Anwendung gelangt. Nach § 23 TzBfG bleiben nämlich besondere Regelungen über Teilzeitarbeit und über die Befristung von Arbeitsverträgen nach anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt. § 41 SGB VI (Altersrente und Kündigungsschutz) ist durch folgenden Satz ergänzt worden: „Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.“
In der Regierungsbegründung heißt es hierzu: In der Praxis gibt es Wünsche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze und darauf bezogener Beendigungsvereinbarungen einvernehmlich das Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Dieses Anliegen greift die Ergänzung des § 41 auf, in dem ein bereits vereinbarter Beendigungszeitpunkt – gegebenenfalls auch mehrfach – zeitlich hinausgeschoben werden kann. Die Regelung knüpft widerspruchsfrei an die Praxis der Beendigungsvereinbarungen an28. Die Neuregelung lässt diese Praxis unberührt. Auch künftig kann die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart werden. Dabei können die Sozialpartner auf die spezifischen Belange in einzelnen Branchen Rücksicht nehmen. Der neue Satz 3 regelt allein das Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunkts über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus. Erforderlich ist hierfür eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus können Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise reagieren, wenn eine Nachbesetzung 27 BGBl. I S. 787. 28 Zur Unionsrechtskonformität tarifvertraglicher Beendigungsvereinbarungen: EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 - Rosenbladt.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
der entsprechenden Stelle nicht nahtlos erfolgen kann. Auch können Arbeitnehmer laufende Projekte mit ihrer Sachkunde erfolgreich zum Abschluss bringen oder neu eingestellte, jüngere Kollegen ihre Tätigkeit einarbeiten. Die sonstigen im jeweiligen Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen bleiben von der Neuregelung unberührt.
Zunächst ist davon auszugehen, dass diese Regelung nur für bestehende Arbeitsverträge mit einem Arbeitgeber zur Anwendung gelangt (nahtlose Weiterbeschäftigung mit befristetem Vertrag), nicht aber für die Neueinstellung eines Rentners. Insofern bleibt es bei den Varianten des § 14 TzBfG, d. h. die befristete Beschäftigung mit Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) oder die Beschäftigung ohne Sachgrund in den Alternativen der Abs. 2, 2 a des § 14 TzBfG. Folgt man allerdings der Entscheidung des LAG Berlin– Brandenburg vom 20.11.201229, bedürfte es keines Rückgriffs auf § 41 SGB VI. Der Begriff „Vereinbarung“ betrifft auch kollektive Vereinbarungen. Hinzukommen muss, dass die auf die Regelaltersgrenze bezogene Befristung wirksam vereinbart worden ist. Sonst kann der Beendigungszeitpunkt nicht hinausgeschoben werden. Die begriffliche Kennzeichnung des Hinausschiebens der Vertragsbeendigung ist der Regelung des § 14 Abs. 2 TzBfG (dreimalige Verlängerung) nachempfunden worden und bedeutet, dass während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nur das Ende des Arbeitsverhältnisses verlängert werden darf, ohne dass damit inhaltliche Änderungen verbunden werden dürfen. Wie bei § 14 Abs. 2 TzBfG müssen Vertragsänderungen entweder vor dem Verlängerungsvertrag oder im Anschluss an den Verlängerungsvertrag erfolgen, um das Privileg der Vertragsverlängerung nutzen zu können. Da es sich um eine Befristung handelt, muss auch das Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 TzBfG als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Befristungsabrede beachtet werden. Dem Wortlaut des § 41 SGB VI lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob, ähnlich wie dies in § 8 ATG (Beendigung bei Anspruch auf Rente wegen Alters) geschieht, mit dem Gesetz selbst schon eine Rechtfertigung für die Befristung geschaffen werden soll, wofür die Anlehnung an die sachgrundlose Befristung in § 14 Abs. 2 TzBfG spricht. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber davon Abstand genommen, das Wort „sachgrundlos“ in den Text des § 41 SGB VI aufzunehmen. Auch die Regierungsbegründung liefert keine eindeutige Antwort, wenn man sich die darin aufgeführten Beispiele vor 29 12 Sa 1303/12, EzTöD 100 § 30 Abs. 1 TVöD-AT Sachgrundbefristung Nr. 49.
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Indizien einer rechtsmissbräuchlichen Befristung von Arbeitsverhältnissen
Augen führt. Dauer und Anzahl der Verlängerungen bleiben ungeregelt und damit dem Belieben der Vertragsparteien überlassen. Dies dürfte im Hinblick auf § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG auf Bedenken stoßen, wenn mit einer Vielzahl kurzfristiger Arbeitsverhältnisse die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen um ein Mehrfaches überschritten sind30. Aus der Regierungsbegründung, die ausdrücklich auf die Entscheidung des EuGH vom 12.10.201031 verweist, könnte der Eindruck entstehen, dass der Gesetzgeber mit Erreichen der Regelaltersgrenze bei befristeter Fortführung der beruflichen Tätigkeit eine ausreichende Rechtfertigung für eine Benachteiligung wegen des Alters in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sieht und wie das LAG Berlin-Brandenburg32 die befristete Verlängerung der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze gleichstellt. Ob die Rechtsprechung dieser Bewertung folgen wird, lässt sich zurzeit nicht seriös prognostizieren. (Boe)
5.
Indizien einer rechtsmissbräuchlichen Befristung von Arbeitsverhältnissen nach Arbeitgeberwechsel
Die Themenstellung ist veranlasst durch die Rechtsprechung des EuGH33, die auch zu einem Wandel der Rechtsprechung des BAG34 geführt hat35. Zunächst hat das BAG keine rechtsmissbräuchliche Umgehung des § 14 Abs. 2 TzBfG darin gesehen, wenn ein für die Dauer von zwei Jahren sachgrundlos befristeter Arbeitnehmer zu einem anderen Arbeitgeber wechselte, der diesen Arbeitnehmer ebenfalls für die Dauer von zwei Jahren sachgrundlos befristet eingestellt hat und dem früheren Arbeitnehmer auf der Grundlage einer Arbeitnehmerüberlassung wieder als Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat36. Dies galt auch dann, wenn es sich bei den beiden Unternehmensträgern um konzernverbundene Unternehmen handelte. Dabei stand die Erwä30 Vgl. dazu grundsätzlich BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 Rz. 48. 31 C-45/09, NZA 2010, 1167 - Rosenbladt. 32 v. 20.11.2012 - 12 Sa 1303/12, EzTöD 100 § 30 Abs. 1 TVöD-AT Sachgrundbefristung Nr. 49. 33 v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 - Kücük; EuGH v. 8. 3.2012 – C-251/11, NZA 2012, 441 - Huet. 34 Einerseits BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443; andererseits BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. 35 Vgl. dazu bereits Boewer, AktuellAR 2013, 360, 361 ff. 36 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443 Rz. 22.
349
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
gung im Vordergrund, dass § 14 Abs. 2 TzBfG allein auf den Arbeitgeber, nicht jedoch auf die Besetzung des konkreten Arbeitsplatzes abstellt, d. h. arbeitgeberbezogen und nicht betriebsbezogen anzuwenden ist. Insofern bestanden auch keine rechtlichen Bedenken, im Falle eines Gemeinschaftsbetriebs die Dauer der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG auf vier Jahre auszudehnen, wenn der Arbeitnehmer nach dem Arbeitgeberwechsel erneut sachgrundlos befristet für die Dauer von zwei Jahren auf dem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wurde. Im Anschluss an die Entscheidung „Kücük“ des EuGH37 ist den Gerichten aufgegeben worden, bei der Auslegung innerstaatlicher Befristungsvorschriften in Anwendung von § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG aufgrund aller Umstände des Einzelfalles einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsverträge stets prüfen zu müssen, ob eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Rahmenvereinbarung vorliegt. Eine derartige rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Zulässigkeit sachgrundloser Befristungsmöglichkeiten im Sinne einer Umgehung des Anschlussverbots nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG hat das BAG38 im Anschluss an diese Entscheidung unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung bejaht, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber auf diese Weise bewusst das Anschlussverbot umgehen, um sachgrundlose Befristungen über die zeitliche Begrenzung von zwei Jahren hinaus – formal in Übereinstimmung mit dem Gesetz – zu verlängern. Der für Befristungsfragen zuständige 7. Senat des BAG hat nunmehr in einer neuen Entscheidung vom 19.3.201439 die in der Entscheidung vom 15.5.201340 entwickelten Grundsätze bestätigt und vor allem im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast vertieft. Der Fall betrifft eine Klägerin, die zunächst aufgrund eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags für die Zeit vom 1.8.2008 bis zum 31.7.2009 bei der Bundesagentur für Arbeit in einer mit der beklagten Stadt gebildeten gemeinsamen Einrichtung zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende beschäftigt war. Etwa fünf Wochen vor dem 31.7.2009 wurden den bei der Bundesagentur beschäftigten Arbeitnehmern in einer Betriebsversammlung neue Arbeitsverträge mit der beklagten Stadt in Aussicht gestellt. Ende Juli 2009 wurde die Klägerin von der beklagten Stadt sachgrundlos befristet für die Zeit vom 1.8.2009 bis zum 31.12.2010 eingestellt und wie bisher an ihrem 37 38 39 40
v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 Rz. 40 – Kücük. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214 Rz. 17. 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840 Rz. 21. 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214 Rz. 17.
350
Indizien einer rechtsmissbräuchlichen Befristung von Arbeitsverhältnissen
bisherigen Arbeitsplatz weiterhin eingesetzt. Die von der Klägerin rechtzeitig erhobene Entfristungsklage war in den ersten beiden Instanzen erfolgreich. Das BAG hat den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das LAG Köln zurückverwiesen. Zunächst hält das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach Arbeitgeber i. S. von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nur der Vertragsarbeitgeber ist, d. h. die natürliche oder juristische Person, die den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer abgeschlossen hat. Daher ist das Anschlussverbot aus dieser Vorschrift nicht mit dem Beschäftigungsbetrieb oder dem Arbeitsplatz des Arbeitnehmers verbunden. Das BAG betont an dieser Stelle, dass die Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, die auf den Vertragsarbeitgeber abstellt, die unionsrechtlichen Vorgaben aus § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG beachtet. Insbesondere werden – nach Ansicht des BAG - weder der Äquivalenzgrundsatz (Grundsatz der Gleichwertigkeit) noch der Grundsatz der Effektivität, der verhindern soll, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte weder übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht werden darf, verletzt. Dem Gebot der Verhinderung des missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge wird im nationalen Recht durch eine besondere Rechtsmissbrauchskontrolle nach den Grundsätzen von Treu und Glauben genügt. Denn die sich aus einer Rechtsnorm ergebenden Rechtsfolgen müssen dann zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Ergebnis führen. Davon ist auszugehen, wenn eine an sich rechtlich erlaubte Gestaltungsmöglichkeit treuwidrig zum Nachteil des Vertragspartners verwendet wird, um sich zu dessen Nachteil Vorteile zu verschaffen. Eine derartige treuwidrige Verschaffung eines Eigennutzes der durch das TzBfG erlaubten Gestaltungsmöglichkeiten nimmt das BAG dann an, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu umgehen. Die Rechtsfolge einer derartigen Verfahrensweise besteht dann darin, dass sich der unredliche Vertragspartner auf eine solche Befristung nicht berufen kann41. Für die prozessuale Durchsetzbarkeit der Verhinderung der rechtsmissbräuchlichen Umgehung des Anschlussverbots ist die Darlegungs- und Be41 So bereits BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214 Rz. 17; BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, DB 2014, 1322 Rz. 18 ff.
351
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
weislast von besonderer Bedeutung. Zu Recht geht das BAG in diesem Zusammenhang von dem Grundsatz aus, dass derjenige für das Vorliegen einer missbräuchlichen Vertragsgestaltung Darlegungs- und beweispflichtig ist, der sich darauf beruft. Die dafür maßgebenden tatsächlichen Umstände werden dem Arbeitnehmer, der die Darlegungs- und Beweislast trägt, häufig verborgen bleiben, so dass ihm damit die Durchsetzung seiner Rechte (Grundsatz der Effektivität) erschwert wird. Diesem prozessualen Nachteil begegnet das BAG mit einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer genügt damit zunächst seiner Darlegungslast, wenn er einen Sachverhalt in den Prozess einbringt, der die Missbräuchlichkeit der Befristung nach § 242 BGB indiziert. Entsprechende Indizien sind dabei – wie das BAG ausführt – neben den Umständen, aus denen sich die rechtliche und tatsächliche Verbundenheit zwischen dem vormaligen und dem letzten Vertragsarbeitgeber ergibt, insbesondere der nahtlose Anschluss des mit dem neuen Vertragsarbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags an den befristeten Vertrag mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber, eine ununterbrochene Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz oder in demselben Arbeitsbereich – auch zu im Wesentlichen unveränderten oder gleichen Arbeitsbedingungen –, die weitere Ausübung des Weisungsrechts durch den bisherigen Vertragsarbeitgeber oder eine gemeinsame Ausübung des Weisungsrechts, die Vermittlung des Arbeitnehmers an den letzten Vertragsarbeitgeber durch den vormaligen Vertragsarbeitgeber und ein erkennbar systematisches Zusammenwirken von bisherigem und neuem Arbeitgeber. Äußert sich der Arbeitgeber auf entsprechenden Sachvortrag nicht (§ 138 Abs. 2 ZPO) oder lässt er sich nicht substantiiert auf das Vorbringen des Arbeitnehmers ein, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Es ist dann davon auszugehen, dass der letzte Vertragsarbeitgeber im gewollten Zusammenwirken mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nur deshalb vereinbart hat, um über den Zeitrahmen des § 14 Abs. 2 TzBfG hinaus die weitere sachgrundlose Befristung zu ermöglichen. Mit dieser Entscheidung werden der betrieblichen Praxis zahlreiche Umstände vor Augen geführt, die den Schluss auf eine rechtsmissbräuchliche Umgehung des Anschlussverbots aus § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG indizieren. Liegen diese Umstände vor, die der Arbeitnehmer vorzutragen und nachzuweisen hat, dürfte es dem Arbeitgeber regelmäßig schwer fallen, einen Sachvortrag in den Prozess einzuführen, der den Rechtsmissbrauch ausschließt. (Boe)
352
Stellenausschreibung: Benachteiligung wegen des Alters
6.
Stellenausschreibung: Benachteiligung wegen des Alters durch die Suche nach Berufsanfängern
In seinem Urteil vom 20.11.201342 hat das LAG Köln darauf hingewiesen, dass die Suche nach Arbeitnehmern mit einer Berufserfahrung von bis zu zwei Jahren eine mittelbare Benachteiligung älterer Bewerber zur Folge haben kann. Schließlich kann das Anforderungsprofil einer Stelle in der Regel auch mit einer längeren Berufserfahrung erfüllt werden. Da aber gerade die kürzere Berufserfahrung in der Regel nur bei jüngeren Bewerbern gegeben ist, würden ältere Arbeitnehmer bzw. Bewerber aus dem Auswahlverfahren ausgegrenzt. Das Interesse des Arbeitgebers, Personalkosten einzusparen, stellt keine ausreichende Rechtfertigung für die darin liegende Benachteiligung wegen des Alters dar. Dies gilt selbst dann, wenn die längere Berufserfahrung als Folge einer kollektivrechtlichen Ordnung automatisch auch zu einem höheren Arbeitsentgeltanspruch führt. Denn damit haben die Tarifvertragsparteien an die Überlegung angeknüpft, dass mit höherer Berufserfahrung auch eine Verbesserung der Arbeitsquantität und -qualität eintritt. Der Praxis ist zu empfehlen, auf entsprechende Zusätze in Stellenausschreibungen zu verzichten. Entsprechendes gilt für Bemerkungen in Bewerbungsgesprächen, dass Bewerber für „überqualifiziert“ gehalten werden. Auch solche Bemerkungen treffen überwiegend ältere Arbeitnehmer und können deshalb als Indiz verstanden werden, wegen des Alters zu benachteiligen. (Ga)
7.
Benachteiligung wegen des Geschlechts bei einer Bewerbung
Mit seinem Urteil vom 18.9.201443 hat das BAG deutlich gemacht, dass eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts auch darin liegen kann, dass eine Bewerberin, die ausweislich der Bewerbungsunterlagen ein kleines Kind hat, (auch) wegen dieses Kindes nicht eingestellt wird. In dem zugrunde liegenden Fall betrieb die Beklagte einen lokalen Radiosender und suchte im Frühjahr 2012 für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die Klägerin
42 5 Sa 317/13 n. v. 43 8 AZR 753/13 n. v.
353
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
bewarb sich um diese Stelle im April 2012. In den Bewerbungsunterlagen gab sie an, „Familienstand: verheiratet, 1 Kind“. Als sie Anfang Mai 2012 eine Absage erhielt, war auf dem zurückgesandten Lebenslauf der Angabe zum Familienstand hinzugefügt, „7 Jahre alt!“. Die von der Klägerin stammende Angabe „1 Kind“ war unterstrichen. Die Klägerin sah sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebte, benachteiligt. Sie machte geltend, dass die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf dafür spreche, dass die Beklagte Vollzeittätigkeit und Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Sie verlangte deshalb, dass ihr eine Entschädigung wegen Diskriminierung gezahlt wird. Das BAG hat die klagestattgebende Entscheidung, mit der die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3.000,- € verurteilt wurde, aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das LAG Hamm zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung waren keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine mittelbare Benachteiligung gegeben. Eine solche liegt vor, wenn die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium erfolgt. Dabei kann zwar auch eine Statistik Verwendung finden, wenn sich daraus ein Indiz ableiten lässt. Die vom LAG Hamm herangezogene Statistik (Mikrozensus) für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollzeitbeschäftigten lasse aber keine ausreichende Aussage für den Fall der Klägerin zu. Ungeachtet dessen hält es das BAG aber für erforderlich, dass auf der Ebene der Tatsacheninstanz geprüft wird, ob in dem Verhalten der Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist, was eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erfordere. Der kritischen Bewertung des BAG ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Dies gilt sowohl für die Annahme, dass die ausgewertete Statistik nicht die erforderliche Indizwirkung hat. Dies gilt umgekehrt allerdings auch für die Annahme, dass die Benachteiligung einer Bewerberin wegen des Kindes eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts sein kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Benachteiligung der Bewerberin die typisierte Annahme des Arbeitgebers zugrunde lag, dass die Versorgung des Kindes bei einer Arbeitnehmerin – anders als bei Arbeitnehmern – zu höheren Fehlzeiten oder einer Einschränkung der arbeitszeitbedingten Flexibilität führen kann. Für die Praxis hat dies zur Folge, dass im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs Fragen nach der familiären Situation ein Indiz begründen können, wegen des Geschlechts zu benachteiligen. Wichtig ist deshalb, dass diese 354
Die Frage nach Einschränkungen wegen einer Behinderung im Bewerbungsgespräch
Fragen nicht nur Frauen, sondern auch Männern gegenüber gestellt werden. Nur dann wird erkennbar, dass es eine geschlechtsunabhängige Frage ist, die etwaigen Schranken in Bezug auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht vorbeugen soll. (Ga)
8.
Die Frage nach Einschränkungen wegen einer Behinderung im Bewerbungsgespräch: Zwischen gebotener Förderung und verbotener Benachteiligung
In den Urteilen vom 22.5.201444 und vom 26.6.201445 hat sich das BAG aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Frage befasst, ob und ggf. in welcher Weise etwaige Einschränkungen eines Bewerbers als Folge einer Behinderung zum Gegenstand des Bewerbungsgesprächs gemacht werden können. Deutlich wird, dass damit verbundene Fragen des Arbeitgebers einerseits der Verpflichtung Rechnung tragen können, Vorkehrungen zu treffen, die eine Beschäftigung behinderter Menschen ermöglichen. Das wäre zulässig. Andererseits aber liegt auf der Hand, dass mit solchen Fragen eine Behinderung erkennbar gemacht und zum Anlass genommen werden könnte, keine Einstellung vorzunehmen. Darin läge eine Diskriminierung.
a)
Zulässige Frage nach der Einschränkung wegen Behinderung
Grundsätzlich dürfen Bewerber nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Macht der Bewerber geltend, dass diese Vorgabe zu seinem Nachteil missachtet wurde, muss er im Streitfall Indizien vortragen, die einen solchen Verstoß gegen §§ 1, 7 AGG jedenfalls vermuten lassen. In diesem Fall trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor einer Benachteiligung wegen Behinderung vorgelegen hat (§ 22 AGG). Soweit es sich um eine Benachteiligung im Rahmen einer Bewerbungssituation handelt, können auch Fragen im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs berücksichtigt werden. Sofern der Bewerber an einer solchen Benachteiligung anknüpfend einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend macht, setzt dies kein Verschulden oder gar eine Benachteiligungsabsicht der an einem solchen Gespräch beteiligten Vertreter des Arbeitgebers
44 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 ff. 45 8 AZR 547/13 n. v.
355
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
voraus. Bereits ein „unglücklicher“ Gesprächsverlauf kann einen Anspruch auf Entschädigung begründen46. In dem der Entscheidung des BAG vom 26.6.201447 zugrunde liegenden Fall hatte sich der Kläger um zwei Stellen als „Communitymanager/in und Gründungsberater/in“ beworben, die von Seiten einer Universität ausgeschrieben worden waren. Der Kläger war wegen einer Gehbehinderung schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Im Rahmen des Bewerbungsgesprächs war er durch die teilnehmende Abteilungsleiterin nach der Art seiner in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Schwerbehinderung und der damit verbundenen Einschränkung gefragt worden. Er hatte darauf erwidert, dass es sich um eine Gehbehinderung handele, die ihn aber nicht einschränke. Nur beim Treppensteigen habe er Schwierigkeiten. Er könne Treppen allerdings steigen, wenn ein Geländer vorhanden sei. Nachdem – so sein Vortrag – daraufhin die Abteilungsleiterin gemeint habe, er brauche dann wohl keinen Aufzug, habe er sich erkundigt, ob seine Gehbehinderung ein Problem darstelle. Erst dann sei der anstehende Umzug der Abteilung, innerhalb derer der Arbeitsplatz ausgeschrieben war, einschließlich der zukünftigen Notwendigkeit des Treppensteigens erklärt worden. Mit überzeugender Begründung hat der 8. Senat des BAG in diesem Gesprächsverlauf kein ausreichendes Indiz für die Vermutung einer Benachteiligung nach §§ 1, 7, 22 AGG angenommen. Nach seiner Auffassung ist es unbedenklich, in einer Bewerbungssituation nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus einer in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Behinderung ergeben, sofern damit die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ zum Tragen komme. Denn damit trage der Arbeitgeber nur seinen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses denkbaren Verpflichtungen aus Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG i. V. m. Art. 27 Abs. 1 S. 2 lit. i) Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK, § 8 Abs. 1 AGG und § 241 Abs. 2 BGB Rechnung. Eine solche, auch besonderen Umständen geschuldete Nachfrage im Bewerbungsgespräch in Bezug auf eine durch den Bewerber selbst angeführte Schwerbehinderung sei nicht zu verwechseln mit der „Frage nach der Schwerbehinderung“ oder der Anerkennung als Schwerbehinderter48.
46 BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13 n. v. (Rz. 56); BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 563/12, NZA 2014, 82 Rz. 37. 47 8 AZR 547/13 n. v. 48 BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13 n. v. (Rz. 53).
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Die Frage nach Einschränkungen wegen einer Behinderung im Bewerbungsgespräch
Bei der Beurteilung einer solchen Nachfrage im Zusammenhang mit einer Behinderung ist nach den Feststellungen des BAG indes sicherzustellen, dass die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels einer Vermeidung etwaiger Benachteiligungen nicht beeinträchtigt wird. Die Frage des Arbeitgebers muss deshalb einen objektiven – und wünschenswerterweise zu Beginn der Nachfrage darzulegenden – Anlass haben. Beispielsweise kann es um die Klärung gehen, ob ergänzende Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit dienen können, um die tatsächliche Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, etwa der Einbau von weiteren Handläufen im Treppenhaus oder die Bereitstellung eines ebenerdigen Arbeitsraums außerhalb der Abteilung. Entscheidend ist dabei der Einzelfall. Hiervon ausgehend hat das BAG in dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall keine ausreichenden Indizien für die Vermutung einer Benachteiligung angenommen. Zwar sei die Fragerichtung erkennbar auf Einschränkungen des Bewerbers als Folge seiner Behinderung ausgerichtet. Das gesamte Bewerbungsverfahren, die bevorzugte Berücksichtigung schwerbehinderter Bewerber, die Einbindung der Schwerbehindertenvertretung und der weitere Gesprächsverlauf waren für den 8. Senat des BAG allerdings Tatsachen, die trotz der erkennbaren Berücksichtigung der körperlichen Einschränkungen des Bewerbers gegen die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung sprachen.
b)
Unzulässiger Verzicht auf Überlegungen zu „angemessenen Vorkehrungen“
In seinem Urteil vom 22.5.201449 musste sich der 8. Senat des BAG nicht nur mit der Frage auseinandersetzen, ob die Wahrung der in § 15 Abs. 4 S. 1 AGG begründeten Form- und Fristerfordernisse in Bezug auf die Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen auch durch eine Klage gewahrt werden kann. Hier ist das BAG in Übereinstimmung mit vergleichbarer Rechtsprechung des BGH50 davon ausgegangen, dass entsprechend § 167 ZPO der rechtzeitige Eingang der auf Schadensersatz oder Entschädigung gerichteten Klage bei Gericht ausreichend ist, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wird. Ergänzend hierzu ging es in der Entscheidung allerdings auch um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Einstellung eines schwerbehinderten Bewerbers wegen der Behinderung abgelehnt werden kann.
49 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924. 50 Vgl. BHG v. 17.7.2008 – I ZR 109/05, NJW 2009, 765 ff.
357
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich die Klägerin, die wegen einer Erkrankung an Multipler Sklerose (MS) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert war, gegen Ende ihrer dreijährigen Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bei der Beklagten, die Hallenund Freibäder betreibt, beworben. Grundsätzlich entsprach die Ausbildung der Klägerin der ausgeschriebenen Stelle, so dass die Beklagte ihr einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht stellte. Ein Musterarbeitsvertrag wurde übersandt. Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Klägerin ihre Behinderung mit. Die Beklagte zog daraufhin das Vertragsangebot zurück, was die Klägerin zum Anlass nahm, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Auf die Revision der Klägerin hat das BAG die klageabweisende Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Dabei hat das BAG darauf verwiesen, dass § 8 Abs. 1 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung zulasse, wenn „dieser Grund“ wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderungen angemessen sei. Allerdings müsse unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt werde, sondern ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Das Merkmal, das im Zusammenhang mit einem der in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgründe stehe, oder sein Fehlen könne nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i. S. d. § 8 Abs. 1 AGG sein, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhänge51. Besondere körperliche Fähigkeiten sind dabei zunächst einmal eine wesentliche berufliche Anforderung im Hinblick auf die Kontrolle des Badebetriebs einschließlich des Rettungsdienstes, da die Sicherheit der Badegäste betroffen ist und körperliche Schwächen beträchtliche Konsequenzen haben können. Wenn der Arbeitgeber bei einem Bewerber mit einer Behinderung, die Zweifel in Bezug auf die uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit auch bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten begründet, eine Ablehnung vornehmen will, ist dies allerdings nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig. Denn die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 AGG eine unmit51 BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 34; BAG v. 18.3.2010 – 8 AZR 77/09, NZA 2010, 872 Rz. 26.
358
Mitteilung einer Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerberverfahren
telbare Benachteiligung wegen einer Behinderung vorzunehmen, ist eng auszulegen. In jedem Fall setzt eine Rechtfertigung der Benachteiligung voraus, dass die Beschäftigung des schwerbehinderten Bewerbers auch unter Berücksichtigung angemessener Vorkehrungen i. S. der Art., 5 Richtlinie 2000/78/EG bzw. Art. 27 Abs. 1 S. 2 lit. i), Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK nur in einer Weise erfolgen kann, bei der wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen nicht erfüllt werden. Bleiben notwendige Vorkehrungen, die nicht mit einer unverhältnismäßigen oder unbilligen Belastung des Arbeitgebers verbunden wären, unberücksichtigt, ist die Benachteiligung unter Anknüpfung an die Behinderung unzulässig52. Für die Praxis folgt daraus, dass nicht nur eine Berechtigung besteht, im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs nach den Auswirkungen etwaiger Einschränkungen als Folge einer Behinderung zu fragen. Das hat die vorstehend bereits genannte Entscheidung des BAG vom 26.6.201453 deutlich gemacht. Wenn der Arbeitgeber als Folge des Verzichts auf entsprechende Fragen nicht erkennt, dass etwaige Einschränkungen als Folge der Behinderung durch noch angemessene Vorkehrungen beseitigt werden könnten, stellt die Ablehnung der Bewerbung des schwerbehinderten Menschen eine unmittelbare Benachteiligung wegen Behinderung dar. Insofern besteht damit sogar eine Obliegenheit, bei erkennbaren Einschränkungen die erforderliche Aufklärung vorzunehmen. (Ga)
9.
Obliegenheit einer deutlichen Mitteilung einer Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerberverfahren
Die Obliegenheit eines schwerbehinderten Menschen zur Information über seine Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsverfahren war bereits im Frühjahr54 Gegenstand einer Erörterung aufgrund einer Entscheidung des 8. Senats des BAG vom 26.9.201355. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um sogenannte Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen geht, weil diese vom Arbeitgeber nur verletzt werden können, wenn er eine positive Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers
52 EuGH v. 11.4.2013 – C-335/11, NZA 2013, 553 Rz. 49 ff., 66, 68 – Ring; BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 40 ff., 42 f. 53 8 AZR 547/13 n. v. 54 Boewer, AktuellAR 2014, 45 ff. 55 8 AZR 650/12, NZA 2014, 258.
359
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
bzw. eines Bewerbers hat56. Die Problematik der Förderpflichten ist dabei nicht nur auf die Vorschriften des SGB IX begrenzt, was etwa für den öffentlichen Dienst für die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nach § 82 S. 2 SGB IX gilt, sondern hat durch die HIV-Entscheidung des BAG vom 19.12.201357 eine erhebliche Bedeutung auch für die Privatwirtschaft und den privaten Arbeitgeber erlangt. Hintergrund dabei bildet eine Entscheidung des EuGH vom 11.4.201358, wonach Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG nach der Genehmigung der UN-BRK59 durch den Rat im Namen der Europäischen Gemeinschaft60 unter Beachtung und in Übereinstimmung mit der UN-BRK auszulegen ist. Aufgrund dieser Regelung hat der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Da der deutsche Gesetzgeber diese Regelung nicht in deutsches Recht umgesetzt hat, ist nach Ansicht des BAG61 eine entsprechende unionskonforme Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB geboten, um den unionsrechtlich vorgegebenen Förderpflichten des Arbeitgebers nachzukommen. Dabei ist der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ weit zu verstehen und umfasst die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame, gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben behindern62. In diesem Zusammenhang ist der Arbeitgeber bei der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen berechtigt nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus der Behinderung ergeben, weil nur bei Kenntnis der jeweiligen Merkmale der Behinderung die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG i. V. mit § 241 Abs. 2 BGB umgesetzt werden kann63. Soweit es um die Anwendung des AGG geht, kommt es bei einer Behinderung i. S. des § 1 AGG auf einen bestimm-
56 57 58 59 60 61 62 63
BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG Rz. 37. 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 ff. C-335/11, NZA 2013, 553 ff. - Ring. Übereinkommen der Vereinten Nationen v. 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Beschluss 2010/48/EG v. 26.11.2009 ABl. EU L 23 v. 27.1.2010 S. 35. BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 53. BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 52. BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13 n. v.
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Mitteilung einer Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerberverfahren
ten GdB nicht an, so dass eine Schwerbehinderung i. S. von § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 SGB IX nicht vorliegen muss. Will sich ein schwerbehinderter Mensch auf die den Arbeitgeber treffenden Förderpflichten berufen, ist er auf der Grundlage von § 241 Abs. 2 BGB i. V. mit § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB verpflichtet, den Arbeitgeber in geeigneter Weise auf die Schwerbehinderteneigenschaft hinzuweisen. Dabei hat das BAG64 im Zusammenhang mit der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen, soweit die Schwerbehinderteneigenschaft dem Arbeitgeber nicht nachweislich schon bekannt ist oder offensichtlich bei der persönlichen Vorstellung bekannt wird, gefordert, dass die Information über die Behinderung regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst oder unter deutlicher Hervorhebung im Lebenslauf unter Angabe des GdB, gegebenenfalls einer Gleichstellung, zu geschehen hat, da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen. Informationen oder indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten oder eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises etc. sind in diesem Sinne keine ordnungsgemäße Information. In einer weiterführenden Entscheidung vom 18.9.2014 hat der 8. Senat des BAG65 diese Rechtsprechung bestätigt und weiter entwickelt. Der Fall betrifft einen Diplom-Kaufmann mit einem Grad der Behinderung von 50 %, der sich bereits im Juni 2010 bei der beklagten Universität beworben und eine Absage erhalten hatte. Bei dieser Bewerbung war die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises in den Anlagen zum Bewerbungsschreiben aufgefallen, die Schwerbehindertenvertretung eingeschaltet und der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Ende Juli 2010 bewarb sich der Kläger auf eine andere von der Universität ausgeschriebene Stelle. Diese Bewerbung wurde von einer anderen personalführenden Stelle als die erste Bewerbung bearbeitet. Seiner Bewerbung fügte er eine 30-seitige Anlage bei, in der sich auf Seite 24 die Kopie seines Schwerbehindertenausweises befand. Der Kläger erhielt von der Universität eine Absage, ohne dass er zu einem Einstellungsgespräch eingeladen worden war, weshalb er die Universität als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch nahm. Während das LAG Köln66 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 5.378,58 € zugesprochen hat, ist die Klage auf die Revision der Universität vom BAG abgewiesen worden. 64 v. 26.9.2013 – 8 AZR 650/12, NZA 2014, 258 Rz. 30. 65 8 AZR 759/13 n. v. 66 v. 24.10.2012 – 9 Sa 214/12 n. v.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Zunächst knüpft das BAG an seine bisherige Rechtsprechung an und bestätigt, dass ein schwerbehinderter Mensch diese Eigenschaft grundsätzlich im Bewerbungsschreiben mitzuteilen hat und es nicht ausreicht, darauf in irgendwelchen Unterlagen hinzuweisen. Neu und weiterführend ist jedoch der Hinweis des BAG darauf, dass diese aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. mit § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ableitbare Pflicht „bei jeder Bewerbung erneut“ zu erfolgen hat, wobei es auf Erklärungen bei früheren Bewerbungen nicht ankommt. Maßgebend ist dabei die Erwägung, dass die Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Bewerbung, nicht aber zu einem früheren Zeitpunkt entscheidend ist. Zudem kann ein schwerbehinderter Mensch selbst darüber entscheiden, ob er sich bei der Bewerbung auf die Schwerbehinderteneigenschaft berufen will. Demgemäß fand der Kläger im Streitfall kein Gehör damit, dass die beklagte Universität bei der vorangegangenen Bewerbung des Klägers einen Monat früher seine Schwerbehinderung berücksichtigt hatte. Wird in entscheidendem Maße mitberücksichtigt, dass ein schwerbehinderter Mensch selbst darüber befinden darf, ob er sich bei der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung beruft, kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an, ob ein Arbeitgeber, der bei einer vorangegangenen Bewerbung die Schwerbehinderung des Bewerbers berücksichtigt hat, bei einer späteren Bewerbung die Schwerbehinderung berücksichtigen muss, wenn der Bewerber darauf keinen Wert legt, indem er die Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben unerwähnt lässt. (Boe)
10. Fettleibigkeit als Behinderung Bereits im Frühjahr hatten wir darüber berichtet, dass zunehmend über die Frage diskutiert wird, ob die Fettleibigkeit eines Arbeitnehmers unter bestimmten Voraussetzungen als Behinderung qualifiziert werden muss67. Die Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 17.7.201468 machen deutlich, dass hiervon wohl auch mit Blick auf unionsrechtliche Vorgaben ausgegangen werden muss. In dem zugrunde liegenden Fall machte der Kläger geltend, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses auch wegen seiner Adipositas erklärt worden sei. Der Kläger, der mit einer Körpergröße von 1,72 m immer mehr als 160 kg wog, war seit 1996 als Tagesvater bei einer dänischen Gemeinde beschäftigt. Tageseltern werden dort eingestellt, um fremde Kinder in deren 67 B. Gaul, AktuellAR 2014, 49 ff. 68 C-354/13 n. v. - Kaltoft.
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Fettleibigkeit als Behinderung
Heim zu betreuen. Nicht erkennbar ist, dass die Fettleibigkeit des Klägers Probleme bei der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten begründete. Allerdings war diese nicht nur Gegenstand von Gesprächen, die im Vorfeld der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im November 2010 geführt wurden. Bereits 2008/2009 hatten sich die Parteien mit dem körperlichen Zustand des Klägers befasst. Denn die Gemeinde hatte ihm im Rahmen ihrer Gesundheitspolitik finanzielle Unterstützung gewährt, damit er ein FitnessStudio besuchen und Sport treiben konnte. Obwohl die spätere Kündigung ausweislich der schriftlichen Begründung „vor dem Hintergrund sinkender Kinderzahlen“ erfolgte, machte der Kläger geltend, dass sie jedenfalls auch als Folge der Fettleibigkeit erklärt worden sei. Er machte deshalb geltend, dass ihm die Gemeinde eine Entschädigung für die darin liegende Diskriminierung zahlen müsse. Im Rahmen des Vorlagebeschlusses obliegt es nunmehr dem EuGH festzustellen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Adipositas einer Person als Behinderung qualifiziert werden kann. Denn dies hätte zur Folge, dass die Maßnahmen der dänischen Gemeinde auch im Lichte der entsprechenden Diskriminierungsverbote zu sehen wären. In seinen Schlussanträgen hat der EuGH zwar zunächst einmal deutlich gemacht, dass die Fettleibigkeit einer Person kein sonstiger Grund ist, der nach Art. 21 GRC einer daran anknüpfenden Benachteiligung entgegenstehe. Zwar spreche Art. 21 Abs. 1 GRC davon, dass Diskriminierungen „insbesondere“ wegen der dort genannten Gründe verboten seien. Daraus könne allerdings nicht abgeleitet werden, dass über die dort genannten Gründe hinausgehend weitere physische Merkmale wie die äußere Erscheinung oder Größe, psychologische Eigenschaften wie Temperament oder Charakter bzw. soziale Faktoren wie Gesellschaftsschicht oder Statuts einer Benachteiligung entgegenstünden. Insbesondere gebe es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der eine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt generell ausschließe. Völlig zu Recht geht der Generalanwalt allerdings davon aus, dass die Fettleibigkeit einer Person als eine Behinderung i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG verstanden werden kann. Denn darunter fallen Einschränkungen, die sich insbesondere aus langfristigen physischen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen ergeben und in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren eine Person an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben hindern können69. Auch der Begriff der Behinderung, wie er in Art. 1 Abs. 2
69 Vgl. zum Begriff der Behinderung Günther/Frey, NZA 584, 586.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
UN-BRK genannt wird, kann vorliegend zur Anwendung kommen. Denn danach zählen zu den Menschen mit Behinderungen diejenigen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Für beide Begriffsbestimmungen spielt es keine Rolle, ob die Fettleibigkeit als Krankheit zu qualifizieren ist. Die Krankheit eines Arbeitnehmers kann zugleich auch eine Behinderung darstellen. Umgekehrt gilt allerdings auch, dass eine Behinderung auch ohne das Vorliegen einer Krankheit gegeben sein kann. Entscheidend ist schlussendlich, ob die körperliche, seelische oder psychische Beeinträchtigung, die durch eine Fettleibigkeit vermittelt werden kann, die betroffene Person an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft hindern kann. Hiervon ist zwar nicht bei jeder Form der Übergewichtigkeit auszugehen. Allerdings ist in Übereinstimmung mit dem Generalanwalt anzunehmen, dass eine Behinderung vorliegt, wenn die Fettleibigkeit ein solches Maß erreicht hat, dass die Wechselwirkung mit den im Übereinkommen der Vereinten Nationen erwähnten einstellungsund umweltbedingten Barrieren aufgrund der physischen und/oder psychischen Einschränkungen, die sie mit sich bringt, offenkundig die hiervon betroffenen Arbeitnehmer an einer vollen, mit anderen Arbeitnehmern gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben hindert. Ob dies, wovon der Generalanwalt ausgeht, im Zweifel nur bei einer schweren, extremen bzw. morbiden Adipositas (BMI > 40) gegeben ist oder ob man hier – was überzeugender erscheint – fließende Grenzen annehmen muss, kann offenbleiben. Dies entspricht auch der Sichtweise zu den US-amerikanischen Regelungen zum Schutz behinderter Menschen70. Entgegen der von einem Teil der deutschen Kommentarliteratur vertretenen Auffassung71 geht der Generalanwalt zu Recht davon aus, dass es für die Kennzeichnung einer Behinderung irrelevant ist, aus welchen Gründen die Fettleibigkeit eingetreten ist. Insofern spiele es keine Rolle, ob der Betroffene schlicht aufgrund einer im Verhältnis zum Energieverbrauch übermäßigen Energieaufnahme adipös geworden sei oder ob dies auf psychologische oder metabolische Probleme oder eine Nebenwirkung von Medikamenten 70 Vgl. Monahan/Goldman/Oswald, ABA Journal of Labour and Employment Law, Volume 23, Nr. 3, 537 ff. 71 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG § 1 Rz. 44; Stiebert/Schmidt, ZESAR 2014, 128, 129.
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Beschäftigungsanspruch trotz Nachtdienstuntauglichkeit
zurückgeführt werden müsse. Der Begriff der Behinderung i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG sei objektiver Art und hänge nicht davon ab, ob sie in dem Sinne „selbst verursacht“ sei, dass die Person ursächlich zum Eintritt der Behinderung beigetragen habe. Andernfalls wären beispielsweise körperliche Behinderungen infolge eines bewussten oder fahrlässigen Eingehens von Risiken im Verkehr oder im Sport vom Begriff der Behinderung ausgeschlossen72. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Auch wenn die notwendige Klarstellung durch den EuGH noch nicht erfolgt ist, wird sich die betriebliche Praxis darauf einstellen müssen, dass auch Fettleibigkeit zu einer Behinderung führen kann. Dies muss nicht nur bei der Ausgestaltung von Maßnahmen des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses beachtet werden. Auch in Bewerbungsverfahren, die mit Blick auf die Fettleibigkeit eines Bewerbers zu negativen Entscheidungen führen können, müssen zukünftig verstärkt die Verpflichtungen aus §§ 1, 7 AGG Berücksichtigung finden. (Ga)
11.
Arbeitnehmerseitiger Beschäftigungsanspruch trotz Nachtdienstuntauglichkeit
Bereits im Frühjahr hatten wir über die Entscheidung des BAG vom 9.4.201473 berichtet74. In diesem Urteil hatte der 10. Senat des BAG angenommen, dass eine Nachtschwester, die aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten könne, deshalb nicht arbeitsunfähig krank sei. Vielmehr habe sie einen Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. Erfülle der Arbeitgeber diesen Beschäftigungsanspruch nicht, habe dies einen Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zur Folge. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um die Klägerin, die seit 1983 als Krankenschwester bei der Beklagten beschäftigt war. Die Beklagte betrieb ein Krankenhaus mit etwa 2.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin, die nach Maßgabe des Arbeitsvertrags und ergänzender Vereinbarungen eines Tarifvertrags die ausdrückliche Verpflichtung besaß, im Bedarfsfall auch im Rahmen der Nachtarbeit tätig zu werden, lehnte solche Einsätze seit 2011 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie Medikamente einnehmen müsse, die zum Einschlafen führten und einen nächtlichen Schlaf zur Folge hätten. Sie bat deshalb darum, auf die Nachtschichten, die etwa zweimal im 72 Schlussantrag des Generalanwalts v. 17.7.2014 – C-354/13 n. v. (Rz. 58) – Kaltoft. 73 10 AZR 637/13, DB 2014, 1434 ff. 74 B. Gaul, AktuellAR 2014, 68 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Monat anfielen, zu verzichten. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Er machte geltend, dass in der fehlenden Einsetzbarkeit eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liege, die einem Einsatz der Klägerin entgegenstehe. Er verzichtete deshalb auf den weiteren Einsatz und stellte die Entgeltfortzahlung nach Ablauf des 6-Wochen-Zeitraums ein. Die Klägerin nahm dies nicht hin. Sie erhob Klage mit dem Begehren, sie als Krankenschwester ohne Ableistung von Nachtschichten einzusetzen. Darüber hinaus machte sie geltend, dass ihr die ausgefallene Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu bezahlen sei. Das BAG hat der Klage in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen stattgegeben. Nach seiner Auffassung lag keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, obwohl die Klägerin gesundheitlich bedingt Medikamente einnehmen musste und aus diesem Grunde keine Nachtschichten mehr leisten konnte. Aus Sicht des BAG konnte offen bleiben, ob das körperliche Defizit der Klägerin bereits als Krankheit zu bezeichnen war. In jedem Fall liege darin keine Arbeitsunfähigkeit, die einem Arbeitseinsatz entgegenstehe. Für den Begriff der Arbeitsunfähigkeit sei – so das BAG – eine vom Arzt nach objektiven Maßstäben vorzunehmende Bewertung des Gesundheitszustands maßgebend. Arbeitsunfähigkeit liege insoweit vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht ausüben könne oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde75. Diese Voraussetzung war für den 10. Senat des BAG nicht erfüllt, weil – so seine Annahme – die Klägerin ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Krankenschwester weiterhin ausüben könne. Einschränkungen gäbe es nur hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit und insoweit auch nur in Bezug auf die Nachtschicht. Dass diese Nachtschichten zwar grundsätzlich von der Arbeitspflicht der Klägerin mitumfasst seien, führe nicht dazu, dass eine vertragliche Festlegung der Arbeit auf die Nachtschicht gegeben sei. Vielmehr sei es der Beklagten nach § 106 GewO überlassen, die Arbeitszeit im Rahmen ihres Schichtmodells festzulegen. Hiervon ausgehend liege – so das BAG – kein Fall einer verminderten Arbeitsfähigkeit vor, die die Rechtsprechung des BAG als Arbeitsunfähigkeit verstehe und für den sie die Annahme einer teilweisen Arbeitsfähigkeit bzw. teilweisen Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich ablehne. Eine Teilarbeitsunfä75 BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, DB 2014, 1434 Rz. 21; BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595 Rz. 19.
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Beschäftigungsanspruch trotz Nachtdienstuntauglichkeit
higkeit mit teilweiser Arbeitspflicht und teilweisem Entgeltfortzahlungsanspruch soll es nicht geben. Jedenfalls brauche sich weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer auf eine Teilleistung einzulassen. Dagegen würden aber von der Arbeitsunfähigkeit nicht die Fälle umfasst, in denen der Arbeitnehmer eine volle Arbeitsleistung erbringen könne und lediglich gehindert sei, der gesamten Brandbreite der arbeitsvertraglich an sich möglichen Leistungsbestimmungen gerecht zu werden. Hier sei der Arbeitgeber vielmehr verpflichtet, bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer aus Gründen seiner Gesundheit nicht (mehr) alle an sich geschuldeten Tätigkeiten voll umfänglich ausführen könne. Diese Interpretation der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit und ihre Einbindung in den Begriff der Arbeitsunfähigkeit überzeugt nicht. Denn der hier vorgenommenen Differenzierung liegt der Gedanke zugrunde, dass die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit aufteilbar ist. Soweit der Kern der tätigkeitsbezogenen Verpflichtungen erfüllt werden kann, soll Arbeitsfähigkeit vorliegen. Dass der Arbeitnehmer diese Tätigkeit nicht zu jeder Zeit mit der arbeitsvertraglich möglichen Dauer oder an arbeitsvertraglich denkbaren Orten ausüben kann, soll dann keine Rolle spielen. Eine solche Sichtweise berücksichtigt nicht ausreichend, dass auch die Ausübung einer Tätigkeit zu bestimmten Tageszeiten unmittelbarer und wesentlicher Bestandteil der im Synallagma stehenden Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers sein kann. Gerade diese Fertigkeit, auch wenn sie nur selten abgerufen wird, kann für den Arbeitgeber ein Grund für den Abschluss des Arbeitsvertrags und die Zahlung der damit verknüpften Vergütung sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier geschehen – im Arbeitsvertrag und/oder dem anwendbaren Tarifvertrag entsprechende Leistungspflichten ausdrücklich festgehalten worden sind. Ungeachtet dessen führt die hier durch den 10. Senat des BAG vertretene Sichtweise auch dazu, dass das arbeitgeberseitige Direktionsrecht in Aspekte unterschiedlicher Gewichtung aufgeteilt wird. Soweit der Arbeitgeber tätigkeitsbezogene Weisungen erteilen soll, scheint dies (noch) die unmittelbare Arbeitsfähigkeit zu betreffen. Wenn hier bestimmte Weisungen nicht ausgeführt werden können (z. B. das Heben schwerer Lasten), scheint das BAG noch von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Soweit die Weisungen aber die Arbeitszeit oder den Ort betreffen, scheint das BAG trotz fehlender Erfüllbarkeit durch den Arbeitnehmer noch eine fortbestehende Arbeitsfähigkeit für möglich zu halten. Insgesamt gesehen ist die hier vorgenommene Interpretation der Arbeitspflicht, des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und der daran anknüpfen367
Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
den Kennzeichnung einer Arbeitsunfähigkeit deshalb abzulehnen. Sie war auch nicht notwendig, um den in der Sache durchaus gebotenen Schutz der Klägerin zu gewährleisten. Denn mit Blick auf die Angaben im Sachverhalt dürfte die Annahme gerechtfertigt sein, dass eine Behinderung der Klägerin vorlag. Diese hätte den Arbeitgeber unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 1 AGG enthaltenen Wertentscheidung verpflichtet, entsprechend §§ 81 Abs. 4 SGB IX, 241 Abs. 2 BGB angemessene Vorkehrungen zu treffen, um trotz der körperlichen Einschränkung der Klägerin einen Einsatz als Krankenschwester zu ermöglichen. Da solche Vorkehrungen – wie § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX deutlich macht – auch arbeitszeitbezogene Veränderungen gebieten, wäre es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglich gewesen, auf dieser Grundlage eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum eingeschränkten Einsatz der Klägerin anzunehmen. Dies kann ohne weiteres zur Folge haben, dass ein Teil der arbeitsvertraglichen Anforderungen nicht erfüllt wird, sofern dies – wie hier – nicht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. (Ga)
12. Übernahme kollektivrechtlicher Regelungen (hier: Betriebsvereinbarung) im Arbeitsvertrag In der betrieblichen Praxis ist es nicht unüblich, im Arbeitsvertrag inhaltsgleiche Formulierungen aus kollektiven Normenverträgen zu verwenden oder in Gestalt von sogenannten dynamischen Bezugnahmeklauseln auf den Inhalt von jeweils im Betrieb geltende Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge hinzuweisen. Dabei besteht der Geltungsgrund für die Anwendung des in Bezug genommenen Regelwerks im Arbeitsvertrag selbst, wenn der kollektive Normenvertrag nicht unmittelbar und zwingend – etwa mangels eines persönlichen Geltungsbereichs oder mangels einer bestehenden Tarifbindung – auf das Arbeitsverhältnis einwirkt. Die Kollisionslösung erfolgt dann nicht über das sogenannte Günstigkeitsprinzip, wonach bei identischem Regelungsgegenstand die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung zur Anwendung gelangt. Vielmehr soll sich der Inhalt des Arbeitsvertrags allein an der kollektivrechtlichen Ordnung orientieren. Das Günstigkeitsprinzip wird dort relevant, wo beide Rechtsquellen, d. h. Arbeitsvertrag und kollektiver Normenvertrag miteinander konkurrieren, d. h. zugleich anwendbar sind. Allerdings können die Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Absprachen auch dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen, also bei gleichem Regelungsgegenstand des Vertrags unter ihrem Vorbehalt stehen. Dies kann – soweit etwa § 77 Abs. 3
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Übernahme kollektivrechtlicher Regelungen
S. 1 BetrVG die Betriebsvereinbarung nicht verbietet – auch durch konkludente Vereinbarung geschehen, wobei das BAG76 eine solche konkludente Vereinbarung regelmäßig annehmen möchte, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug aufweist. In der Entscheidung des BAG vom 18.2.201477 hatte der 9. Senat in diesem Zusammenhang die Fragen zu behandeln, welche Bedeutung es hat, wenn eine vertragliche Regelung den Inhalt einer Betriebsvereinbarung/Sprecherausschussvereinbarung wörtlich wiedergibt und wie die Formulierung gedeutet werden kann, dass „im Übrigen die mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen bezüglich einer bestimmten Regelungsmaterie“ anwendbar sein sollen. Der Fall betrifft den Bonusanspruch eines Arbeitnehmers während der Altersteilzeit. Der Kläger hatte mit dem Arbeitgeber eine Altersteilzeitvereinbarung getroffen, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung am 30.11.2010 enden sollte. Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung eines Bonus übernahm der Vertrag wörtlich die in einer Gesamtbetriebsvereinbarung über Altersteilzeit für außertarifliche Angestellte vorgesehene Bonusregelung, die vorsah, dass für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend sein sollten, für das der Bonus gezahlt wird. „Im Übrigen“ sollten die mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sein. Vor dem Ausscheiden des Klägers wurde im Mai 2010 eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, die bei ruhestandsbedingten Austritten für das Austrittsjahr vorsah, dass für den Fall, dass der Vorstand die Feststellung der Zielerreichung und der Höhe der Bonuszahlung bei den Konzern- und Bereichszielen noch nicht vorgenommen hatte, die Berechnung auf der Basis des bei 100-prozentiger Zielerreichung geltenden Werts vorzunehmen war. Die Zielerreichungsgrade und die damit verbundene Bonushöhe der Konzern- und Bereichsziele sollten vom Vorstand auf der Grundlage des Jahresergebnisses festgelegt werden. Als der Kläger am 30.11.2010 in den Ruhestand trat, erhielt er auf der Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung auf der Basis einer 100 prozentigen Zielerreichung einen Betrag in Höhe von 13.662,- € brutto. Die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für das Jahr 2010 wurden vom Vorstand der Beklagten im Frühjahr 2011 auf über 100 % angesetzt, so dass der Kläger hätte 19.928,- € brutto beanspruchen können. Die Differenz machte der Kläger
76 v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 58. 77 9 AZR 821/12, NZA 2014, 1036 Rz. 21.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
klageweise gegen die Beklagte geltend. Diese verteidigte sich mit der Konzernbetriebsvereinbarung, die allein für die Zahlung und Bonusberechnung maßgebend sei. Die Zahlungsklage blieb in allen Instanzen erfolglos. Das BAG klärt zunächst, ob die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Regelung einer Bonuszahlung zum Zuge kam und den geltend gemachten prozessualen Anspruch des Klägers begründen konnte. Dies war nicht der Fall, wie das BAG im Wege der Auslegung dieser Betriebsvereinbarung ermittelt hat, weil diese nur klarstellte, dass für die Berechnung des Bonus nicht auf die Arbeitsphase zurückgegriffen werden sollte, weil auf der Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung die Bestimmung der Höhe der Bonuszahlung zunächst einer Festlegung der Zielerreichungsgrade durch den Vorstand bedurfte. Ebenso wenig vermochte der Kläger seinen Anspruch auf Differenzzahlung aus dem Altersteilzeitvertrag herzuleiten. Die darin wörtlich wiederholte Regelung der Gesamtbetriebsvereinbarung gibt nämlich nur das wieder, was ohnehin auf der Grundlage der unmittelbar und zwingend anwendbaren Gesamtbetriebsvereinbarung galt (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Da es sich bei der vertraglichen Regelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, ist sie nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden muss, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind78. Diese Auslegungsgrundsätze gelten nach Ansicht des BAG auch für die Frage, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben hat. Demgemäß gelangt das BAG zu Recht zu dem Ergebnis, dass der inhaltlich mit der Gesamtbetriebsvereinbarung vollständig übereinstimmenden vertraglichen Regelung der Parteien – unabhängig davon, ob es sich um eine deklaratorische oder konstitutive Vertragsregelung handelt – keine andere Bedeutung als dem Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung zukommen soll. Dies entspricht auch dem Verständnis des durchschnittlichen Arbeitnehmers, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer von der kollektiven Regelung Kenntnis genommen hat, weil davon auszugehen ist, dass er sich diese verschafft hat, wenn der Vertrag eine Bezugnahmeklausel enthält.
78 BAG v. 18.5.2010 - 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935 Rz. 50; BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 59; BAG v. 18.2.2014 - 9 AZR 821/12, NZA 2014, 1036 Rz. 20.
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AGB-Kontrolle einer Ausschlussfrist
Die Entscheidung des Falles hing damit von der Frage ab, ob die für den Kläger möglicherweise ungünstige Bonusregelung der Konzernbetriebsvereinbarung aufgrund der Bezugnahmeklausel des Altersteilzeitvertrags anwendbar war. Die Formulierung „im Übrigen“ bringt nach überzeugender Ansicht des BAG den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass überall dort, wo der zwischen ihnen abgeschlossene Vertrag – hier der Altersteilzeitvertrag – keine ausdrückliche Regelung enthält, der Vertrag in Verbindung mit den sonstigen in Bezug genommenen Kollektivvereinbarungen gelten soll und damit im Anschluss an die Vereinbarung eine Modifizierung erfahren kann. Keineswegs liegt die Bedeutung der Bezugnahmeklauseln „im Übrigen“ darin, dass die im Altersteilzeitvertrag vorhandenen Regelungen zwingend inhaltlich von den in Bezug genommenen Kollektivvereinbarungen abweichen. Das BAG betont in diesem Zusammenhang, dass damit auch eine bereits vorhandene vertragliche Regelung abgeändert werden kann und die Formulierung „im Übrigen“ nicht nur der Lückenfüllung des Vertrags dient. Das BAG lässt in dieser Entscheidung ausdrücklich offen, ob die bezüglich der Bonuszahlung vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ohnehin betriebsvereinbarungsoffen gestaltet waren79. Die Bedeutung der Entscheidung für die betriebliche Praxis bei der Verwendung von Bezugnahmeklauseln liegt darin, dass vor ihrer Festlegung im Arbeitsvertrag im Einzelnen geprüft werden muss, ob ihre dynamische Einflussnahme auf den Vertragsinhalt für alle Bereiche, die der Bezugnahme unterliegen, tatsächlich gewünscht wird. Gerade bei Anstellungsverträgen mit AT-Angestellten oder leitenden Angestellten können sich durch die Bezugnahme auf kollektive Ordnungen unerwartete Entwicklungen ergeben, die von Arbeitgeberseite für diesen Personenkreis möglicherweise nicht übernommen, aber zumindest modifiziert worden wären. (Boe)
13. AGB-Kontrolle einer Ausschlussfrist In der Regel erfassen Ausschlussfristen ihrem Wortlaut nach „alle Ansprüche“ aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung. Soweit entsprechende Regelungen nicht in einem Tarifvertrag enthalten sind, liegt darin jedenfalls insoweit ein Verstoß gegen § 202 BGB, als die Klausel auch Ansprüche wegen einer Haftung wegen Vorsatzes erfasst. Bei solchen Ansprüchen darf die Verjährung nämlich durch Rechtsgeschäft nicht erleichtert werden. Nur durch Tarifvertrag, der kraft Gesetzes eine unmittelbare und
79 BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 58 ff.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
zwingende Wirkung entfaltet, kann wirksam eine entsprechende Einschränkung vorgenommen werden. Trotz der insoweit zwingenden Vorgabe aus § 202 Abs. 1 BGB widersprechenden Regelung hatte das BAG in seinen Urteilen vom 25.5.200580 und vom 20.6.201381, über die wir berichteten82, die Wirksamkeit entsprechender Ausschlussfristen angenommen. Nach seiner Auffassung müsse eine einschränkende Interpretation insoweit erfolgen, als – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – entgegen dem Wortlaut nur solche Ansprüche von der Ausschlussfrist erfasst würden, bei denen unter Berücksichtigung von § 202 Abs. 1 BGB eine Verkürzung der Verjährung erlaubt sei. Hintergrund dieser Interpretation war offenbar die Erkenntnis, dass bei gegenteiliger Sichtweise sonst eine Vielzahl arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen unwirksam wäre und der damit intendierte Rechtsfrieden erst mit Ablauf der Verjährungsfrist hergestellt würde. Trotz der begrüßenswerten Zweckrichtung einer solchen Interpretation arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen kann die Begründung nicht überzeugen. Vielmehr wird man in Übereinstimmung mit den aktuellen Feststellungen des LAG Hamm in der Entscheidung vom 1.8.201483 davon ausgehen müssen, dass die entsprechenden Klauseln nicht nur wegen des darin liegenden Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB unwirksam sind (§ 134 BGB). In solchen Klauseln dürfte auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. mit § 202 Abs. 1 BGB und ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB liegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wovon in der Praxis im Regelfall auszugehen ist – die Ausschlussfrist in einem Arbeitsvertrag enthalten ist, der als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren ist. Konsequenz ist nach § 306 BGB die Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel, ohne dass eine geltungserhaltende Reduktion erfolgen kann. Wichtig ist, bei der Arbeitsvertragsgestaltung dieser Problematik auch dann Rechnung zu tragen, wenn die Sichtweise des BAG für zutreffend gehalten wird. Schließlich ist § 202 Abs. 1 BGB nicht die einzige Vorschrift, die einer Verkürzung der Verjährungsfrist entgegensteht. Vergleichbare Vorgaben können aus einem unmittelbaren und zwingend wirkenden Tarifvertrag oder aus § 3 MiLoG folgen. Auch tarifvertragliche Ansprüche oder Ansprüche 80 81 82 83
5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 Rz. 22 ff. 8 AZR 280/12, NZA 2013, 3741 Rz. 20 ff. B. Gaul, AktuellAR 2012, 57 ff.; 2013, 357 ff. 14 Ta 344/14 n. v.
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Arbeitnehmerüberlassung: Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG
auf den gesetzlichen Mindestlohn sind einer vom Tarifvertrag bzw. dem Gesetz abweichenden Regelung nicht zugänglich. Da es kaum möglich sein dürfte, bei der Ausgestaltung der Ausnahme vom Geltungsbereich einer Ausschlussfrist sämtliche Regelungen zu erfassen, die ihrer Anwendung entgegenstehen, wird man mit einer allgemeinen Einschränkung arbeiten müssen. Diese könnte sehr einfach formuliert werden und festlegen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung nach den auch bislang getroffenen Regelungen verfallen, „soweit nicht durch zwingende gesetzliche oder tarifliche Regelungen etwas anderes bestimmt ist“. Damit würde deutlich, dass der Arbeitsvertrag vorrangige gesetzliche oder tarifliche Regelungen nicht beschränken soll. (Ga)
14. Arbeitnehmerüberlassung: Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG Der Leiharbeitnehmer kann im Falle einer Überlassung von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen (§ 13 AÜG). Dieser Auskunftsanspruch soll dem Leiharbeitnehmer helfen, den grundsätzlichen Anspruch auf Equal-Treatment durchzusetzen. Denn dem Leiharbeitnehmer sind grundsätzlich während seines Einsatzes beim Entleiher die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten. Eine Ausnahme von dem Equal-Treatment-Gebot kann nur dann erfolgen, wenn - was allerdings der Regelfall ist – durch Tarifvertrag oder durch Bezugnahme auf Tarifvertrag hiervon abweichende Arbeitsbedingungen vereinbart werden. Nur in diesen Fällen schließt § 13 AÜG deshalb auch den Auskunftsanspruch aus. Mit Urteil vom 24.4.201484 hat der 8. Senat des BAG deutlich gemacht, dass es sich beim Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG nicht um einen vertraglichen, sondern um einen gesetzlichen Anspruch des Leiharbeitnehmers handelt. Dieser bestehe „im Falle der Überlassung“, was auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung – den Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Betrieb des Entleihers, ggf. Tag für Tag neu – bezogen sei. Der Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG fällt – so das BAG – aber unter § 194 BGB und unterliegt daher der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei
84 8 AZR 1081/12, NZA 2014, 968 ff. Rz. 16.
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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
Jahren nach § 195 BGB. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Leiharbeitnehmer als Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Es obliegt dem Entleiher, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen. Zu erwarten ist, dass dies insbesondere mit Blick auf Vergütungsansprüche relevant wird, die als Folge einer Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge geltend gemacht werden. In der Regel betreffen solche Vergütungsansprüche den Zeitraum vor der Entscheidung des BAG vom 14.12.201085. Konsequenz ist, dass auch der Auskunftsanspruch als Folge der Vergütungsansprüche für Arbeitseinsätze vor diesem Stichtag geltend gemacht wird und mit Ablauf des 31.12.2013 verjährt ist. Wenn und soweit also heute Ansprüche auf Auskunft über die Arbeitsbedingungen für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltend gemacht werden, die Arbeitseinsatzzeiten in der Zeit vor dem 1.1.2011 betreffen, kann die Auskunft durch den Entleiher unter dem Gesichtspunkt der Verjährung verweigert werden. Lediglich dann, wenn der Entleiher zu Unrecht die Auskunft unterlassen oder eine verspätete oder rechtlich unzutreffende Auskunft erteilt hatte, können Schadensersatzansprüche des Leiharbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 BGB bestehen86. (Ga)
15. Islamisches Kopftuch in kirchlichem Krankenhaus? In seinem Urteil vom 24.9.201487 hat der 5. Senat des BAG noch einmal das Recht kirchlicher Arbeitgeber bestätigt, ihre Arbeitnehmer in Bezug auf die Arbeitskleidung zu einem neutralen Auftreten zu verpflichten, das nicht im Widerspruch zu der eigenen Glaubensrichtung steht88. Danach sei das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehörte, seit 1996 bei der Beklagten – zuletzt als Kranken85 86 87 88
1 ABR 19/10, NZA 2011, 289 ff. BAG v. 24.4.2014 – 8 AZR 1081/12, NZA 2014, 968 Rz. 24. 5 AZR 611/12 n. v. So bereits BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 55/09, NZA-RR 2010, 383.
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Islamisches Kopftuch in kirchlichem Krankenhaus?
schwester – angestellt. Arbeitsvertraglich waren die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 27.3.2006 bis zum 28.1.2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig erkrankt. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie der Beklagten mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. Die Klägerin nahm dies zum Anlass, Klage mit dem Ziel zu erheben, Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23.8.2010 bis zum 31.1.2011 zu erhalten. Das BAG hat die klageabweisende Entscheidung des LAG Hamm aufgehoben und die Sache zur weiteren Feststellung der tatsächlichen Umstände zurückverwiesen. Grundsätzlich könne - so das BAG – eine Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung zwar das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden. Aus Sicht des 5. Senats des BAG muss allerdings zunächst einmal geklärt werden, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche auch institutionell zugeordnet ist. Nur dann kann arbeitgeberseits auch unter Bezug auf die religiöse Ausrichtung der betrieblichen Tätigkeit eine entsprechende Neutralität der Klägerin verlangt werden. Darüber hinaus muss durch das LAG Hamm geklärt werden, ob die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt leistungsfähig gewesen ist. Das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, indiziert an sich keine Arbeitsfähigkeit. Denn eine solche Wiedereingliederung geht gerade davon aus, dass zwar noch Arbeitsunfähigkeit vorliegt, aber – abweichend von den eigentlichen arbeitsvertraglichen Pflichten – eine schrittweise Rückkehr in den Arbeitsvertrag probiert werden soll. Lehnt der Arbeitgeber dies ab, können keine Ansprüche aus Annahmeverzug bestehen. Denn eine Verpflichtung, während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eine Teilleistung entgegen zu nehmen, besteht nicht89. (Ga)
89 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12 n. v.
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D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.
Rückforderungsanspruch bei Freistellung unter Entgeltfortzahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses
Im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung um die Berechtigung einer Arbeitgeberkündigung unter Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes entspricht es vielfach der Verfahrenspraxis des gekündigten Arbeitnehmers, mit der Feststellungsklage nach § 4 S. 1 KSchG einen unecht eventuellen Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.2.19851 zu verbinden. Dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch ist vom Arbeitsgericht zu entsprechen, wenn es auf eine entsprechende Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hin festgestellt hat oder gleichzeitig feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Wird der Arbeitgeber verurteilt, einen Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen, so bewirkt diese Verurteilung allein allerdings nicht, dass das gekündigte Arbeitsverhältnis auflösend bedingt durch die rechtskräftige Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortbesteht2. Das ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers während des Kündigungsrechtsstreits erfordert nur die tatsächliche Beschäftigung, nicht aber den Fortbestand des wirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses. Wird der Arbeitnehmer auf der Grundlage der Verurteilung durch das Arbeitsgericht vom Arbeitgeber weiterhin tatsächlich beschäftigt, so wird der Leistungsaustausch der Prozessbeschäftigung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung gelöst, weil für die beiderseitigen Pflichten kein Rechtsgrund bestanden hat. Gegen die Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen werden dabei die Parteien durch die im Bereicherungsrecht anerkannten Regeln geschützt. Da der Arbeitgeber eine erhaltene Arbeitsleistung nicht herausgeben kann, schuldet er Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB3. Das BAG war in einem Urteil vom 20.3.20144 in diesem Zusammenhang mit der Frage befasst, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung von der Erbringung der Arbeits1 2 3 4
GS 1/84, NZA 1985, 702. BAG v. 24.9.2003 – 5 AZR 500/02, NZA 2004, 90 Rz. 21. So bereits BAG v. 1.3.1990 – 6 AZR 649/88, NZA 1990, 696 Rz. 13. 8 AZR 269/13 – 8 AZR 560/13 n. v.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
leistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt hatte, nach § 717 Abs. 2 ZPO berechtigt ist, nach Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Berufungsgericht (Landesarbeitsgericht) die für die Dauer der Freistellung gezahlten Bezüge vom Arbeitnehmer zurückverlangen zu können. Der auf entsprechende Rückzahlung in Anspruch genommene beklagte Arbeitnehmer hatte zuvor beim Arbeitsgericht ein Urteil erstritten, wonach eine ordentliche Kündigung der Klägerin (der frühere Arbeitgeber) für unwirksam angesehen und die Klägerin verurteilt worden war, den Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiterhin zu beschäftigen. Als der Beklagte im Vorprozess die Vollstreckung der Weiterbeschäftigung androhte, dem Kläger aber vorschlug, im Fall seiner Freistellung die Vergütung fortzahlen zu müssen, antwortete diese, dass sie den Beklagten ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung bis auf Weiteres von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freistellen würde. Nachdem das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Klage insgesamt rechtskräftig abgewiesen hatte, beanspruchte die Klägerin aus § 717 Abs. 2 ZPO die Rückzahlung der geleisteten Vergütung für die Dauer der Freistellung in Höhe von 27.543,73 €. Das Sächsische LAG5 hat der Zahlungsklage weitgehend entsprochen. Das BAG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Im Gegensatz zur Auffassung des LAG ist das BAG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin den Zahlungsanspruch nicht aus § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO herleiten kann. Nach dieser Vorschrift ist der Kläger, wenn ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Da die vorläufige Vollstreckbarkeit stets auflösend bedingt ist und außer Kraft tritt, wenn das zu vollstreckende Urteil in der Hauptsache infolge eines Rechtsmittels aufgehoben oder abgeändert wird, will der Gesetzgeber mit § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO dem vollstreckenden Gläubiger im Sinne einer Gefährdungshaftung das Risiko auferlegen, wenn er vor Rechtskraft der Entscheidung die Vollstreckung betreibt. Der Gläubiger handelt dann grundsätzlich auf eigene Gefahr. Leistet der Vollstreckungsschuldner zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung, räumt ihm § 717 Abs. 2 S.1 ZPO einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Schadensersatz ein, dessen Umfang sich nach den §§ 249 ff. BGB richtet. Der Vollstre-
5
v. 11.1.2013 – 3 Sa 380/12 n. v.
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Widerruf der Prokura als auflösende Bedingung für Zulagengewährung
ckungsgläubiger hat den Zustand herzustellen, der ohne die Vollstreckung bestehen würde. Im Streitfall hatte zwar die Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin die Freistellung des Beklagten unter Fortzahlung der Bezüge mit dem Vorbehalt der Abwendung der Zwangsvollstreckung auf Beschäftigung aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil mit dem Beklagten vereinbart, damit jedoch die drohende Zwangsvollstreckung auf tatsächliche Beschäftigung im Sinne von § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht abwenden können. Das BAG weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die von der Klägerin erbrachte Entgeltfortzahlung für den Zeitraum der Freistellung von vornherein ungeeignet war, um die Zwangsvollstreckung wegen des Weiterbeschäftigungsanspruchs abzuwenden. Der Titel war auf Weiterbeschäftigung und nicht auf Zahlung gerichtet, so dass trotz Zahlung der Vergütung die Vollstreckung auf Weiterbeschäftigung hätte betrieben werden können. Überdies war zusätzlich zu bedenken, dass die Parteien allenfalls eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung abgeschlossen haben und die Zahlung der Klägerin aufgrund dieser Vereinbarung vorgenommen worden ist und damit nicht unter der Voraussetzung des § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO. In der Praxis der Prozessführung – und dies wird durch die Entscheidung des BAG nochmals verdeutlicht – wird häufig übersehen, dass der auf Weiterbeschäftigung in Anspruch genommene Arbeitgeber bereits im Erkenntnisverfahren geltend machen muss, dass keine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer über die Kündigungsfrist hinaus tatsächlich beschäftigen zu können. Nur über diesen Weg lässt sich eine Verurteilung zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses vermeiden. Völlig ungeeignet erweist sich regelmäßig die Alternative, mit der Einlegung der Berufung beim Landesarbeitsgericht gemäß § 719 ZPO und § 707 ZPO in Verbindung mit § 62 Abs. 1 S. 2 und S. 3 ArbGG die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erreichen, weil geltend gemacht werden muss, dass die Zwangsvollstreckung zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führt6. (Boe)
2.
Widerruf der Prokura als auflösende Bedingung für Zulagengewährung
In einer Entscheidung vom 23.10.2013 hatte sich das LAG Hamburg7 mit der Frage zu befassen, ob eine vom Arbeitgeber vorformulierte Vertragsbe6 7
BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917 Rz. 26. 6 Sa 29/13, LAGE § 52 HGB Nr. 1.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
stimmung, nach der dem Arbeitnehmer eine Zulage nur für die Dauer des Fortbestands einer ihm erteilten Prokura gewährt wird, von wesentlichen Grundgedanken der Regelung in § 52 Abs. 1 2. Halbs. HGB abweicht und deshalb rechtsunwirksam ist (§ 307 Abs. 1 BGB). Der Klägerin war im Zusammenhang mit einer neuen anspruchsvolleren Aufgabenübertragung vom Arbeitgeber Gesamtprokura erteilt worden. Dazu vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin, solange ihr Gesamtprokura erteilt ist, eine Funktionszulage in Höhe von 1000,- € brutto monatlich erhalten sollte. Nach knapp drei Jahren widerrief die Beklagte die Prokura mit sofortiger Wirkung und stellte ab diesem Zeitpunkt die Zahlung der 1000,- € brutto ein. Die Klägerin machte mit einer allerdings erst neun Monate später erhobenen Klage die Nachzahlung der ihr vorenthaltenen Funktionszulage gegenüber der Beklagten geltend. Das LAG Hamburg hat der Klage entsprochen, die Revision zum BAG zugelassen, die zwar eingelegt, aber von der Beklagten zurückgenommen worden ist. Das LAG geht davon aus, dass der Klägerin trotz Entzugs der Prokura der Anspruch auf Fortzahlung der Funktionszulage gemäß § 611 BGB weiterhin zusteht. Dabei schlussfolgert das LAG Hamburg die Unwirksamkeit der mit dem Widerruf der Prokura verbundenen auflösenden Bedingung für die Zahlung der Funktionszulage aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel gegeben, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht vereinbar ist8. Als eine derartige Bestimmung von der bei einer Verknüpfung des Widerrufs der Prokura mit dem Wegfall der Funktionszulage abgewichen wird, kommt nach Ansicht des LAG Hamm die Regelung des § 52 Abs. 1, 2. Halbs. HGB in Betracht, wonach der Widerruf der Prokura „unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsgemäße Vergütung“ erfolgt. Da die Erteilung der Prokura ohne Rücksicht auf das schuldrechtliche Grundverhältnis unter dem Vorbehalt eines jederzeitigen Widerrufs steht, will der Gesetzgeber eine Verknüpfung zwischen Prokura und Vergütung ausschließen, weil anderenfalls dem Arbeitnehmer ohne Sachgrund die vertragsgemäße Vergütung ent8
BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 Rz. 28.
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Bindungswirkung bei der arbeitgeberseitigen Zusage eines Leistungsbonus
zogen wird. Zu Recht weist das LAG Hamm in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit § 52 Abs. 1, 2. Halbs. HGB eine Trennung der Prokura vom zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ausgedrückt wird. Dieser Grundgedanke wird verletzt, wenn die Arbeitsvertragsparteien, ohne dass hierfür billigenswerte Interessen des Arbeitgebers bestehen, die Zahlung einer Funktionszulage ohne Kompensation an den Fortbestand der Prokura binden. Verknüpft allerdings der Arbeitgeber eine höhere Vergütung mit der Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit, die dem Arbeitnehmer in wirksamer Weise zeitlich befristet oder unter einer auflösenden Bedingung übertragen wird, so kann der Wegfall dieser Tätigkeit gleichzeitig den Entzug der höheren Vergütung zur Folge haben. Diese Situation ist in der betrieblichen Praxis anzutreffen, wenn einem Arbeitnehmer etwa aus Gründen einer Vertretung für eine begrenzte Zeit eine höherwertigere Tätigkeit übertragen wird, die mit einer höheren Vergütung einhergeht. Eine ganz andere Frage ist freilich, ob ein Arbeitgeber schadensersatzpflichtig wird oder seinem Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gibt, wenn er ihm völlig grundlos eine vertraglich zugesagte Prokura entzieht. Der betrieblichen Praxis ist jedenfalls abzuraten, den alleinigen Widerruf der Prokura als auflösende Bedingung für eine zusätzliche Vergütung zu vereinbaren. Wird eine höhere Vergütung in Gestalt einer Funktionszulage aus Anlass der Übertragung einer höherwertigeren Tätigkeit vereinbarungsgemäß vom Arbeitgeber gewährt und steht die Aufgabenübertragung unter einer wirksamen Befristung oder wirksamen auflösenden Bedingung, so kann der Wegfall der Aufgabe auch zum Wegfall der höheren Vergütung führen. (Boe)
3.
Bindungswirkung bei der arbeitgeberseitigen Zusage eines Leistungsbonus
Bereits mit Blick auf die Urteile des BAG vom 12.11.20119 und vom 12.10.201110 hatten wir uns eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen individual- und kollektivrechtlichen Voraussetzungen der Arbeitgeber einen leistungsbezogenen Bonus zusagen kann, gleichzeitig aber das Recht behält, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung
9 10 AZR 746/10, NJW 2012, 1830. 10 BAG v. 12.10.2011- 10 AZR 649/10, NJW 2012, 464.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
des Unternehmens und/oder der wechselnden Performance des Mitarbeiters kalenderjährlich neu über das Bonusbuget und die individuelle Zahlung an den einzelnen Arbeitnehmer zu entscheiden. Daran knüpft die jetzt vorliegende Entscheidung des BAG vom 19.3.201411 an. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber neben dem Gehalt arbeitsvertraglich eine leistungsbezogene Vergütung zugesagt. Die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag lautete auszugsweise wie folgt: … außerdem kann der Mitarbeiter als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch einen Bankbonus erhalten, dessen Höhe alljährlich auf Vorschlag des Vorstands vom Verwaltungsrat beschlossen wird. Der Bankbonus wird jeweils im Folgejahr für das vorangegangene Geschäftsjahr gezahlt. Ferner kann der Mitarbeiter als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch einen Leistungsbonus erhalten, der sich im Einzelnen nach seinen Leistungen im jeweils vorangegangenen Geschäftsjahr bestimmt. Berechnung, Zahlung, Kürzung und Rückzahlung des Bankbonus und des Leistungsbonus erfolgen im Übrigen nach der Vereinbarung über das Bonussystem für die außertariflich Beschäftigten der Bayerischen Landesbank Girozentrale in ihrer jeweils gültigen Fassung …
Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers bestand eine Dienstvereinbarung über die Grundsätze des Vergütungssystems für die außertariflich Beschäftigten, in der es u. a. hieß: 5. Bonus Zusätzlich zum Jahresfestgehalt können die in Nr. 1.1 genannten Beschäftigten einen Leistungsbonus, abhängig von der individuellen Leistung, sowie einen Bankbonus, abhängig vom Gesamtbankergebnis, erhalten. Einzelheiten zum Bonussystem und die Vergabe der Bonuszahlungen regelt eine gesonderte Vereinbarung.
Zwischen 1999 und 2004 lautete die Vereinbarung über das Bonussystem für die außertariflich Beschäftigten der Bayerischen Landesbank Girozentrale auszugsweise wie folgt: 2. Leistungsbonus Der Leistungsbonus ist eine freiwillige Jahresleistung der Bank, mit der die individuelle Leistung des Beschäftigten und sein Beitrag zur Erwirtschaftung des Betriebsergebnisses der Bank jeweils für ein Ge-
11 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 ff.
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Bindungswirkung bei der arbeitgeberseitigen Zusage eines Leistungsbonus
schäftsjahr honoriert und seine Betriebsbindung gefestigt werden sollen. Die Leistung des Beschäftigten beurteilt sich auf der Grundlage der mit ihm getroffenen Zielvereinbarung und anhand des Grades der Zielerreichung. Einzelheiten zur Zielvereinbarung zwischen dem Beschäftigten und der Führungskraft sind in der Vereinbarung zum FdZProzess niedergelegt. Die Höhe des individuellen Leistungsbonus errechnet sich aus dem Zielbonus multipliziert mit dem Leistungsfaktor. … 2.3. Budget Im Rahmen der Ressourcenplanung legt der Vorstand für jeden Bereich jeweils ein Budget für die Vergabe des Leistungsbonus im Folgejahr fest (Planungsbudget). … Das Budget, das nach Ablauf des maßgeblichen Geschäftsjahres tatsächlich zur Auszahlung kommt (Auszahlungsbudget), kann vom jeweiligen Planungsbudget abweichen, wenn dies aufgrund der im jeweiligen Bereich erbrachten Leistungen und erzielten Ergebnisse angezeigt erscheint. … 2.5. Auszahlungsgrundsätze Der Leistungsbonus wird nur ausgezahlt, wenn und soweit die Ertragslage der Bank dies zulässt. Die Zahlung erfolgt rückwirkend für das vergangene Geschäftsjahr.
2004 wurden die vorstehenden Regelungen durch neue Dienstvereinbarungen ersetzt. Dabei lautete Ziffer 5 „Bonus“ der GrundsatzDV VarGeS 2004 wie folgt: Zusätzlich zum Jahresfestgehalt können die in Nr. 2.1. BonusV [VarGeS 2004] genannten Beschäftigten einen Leistungsbonus sowie einen Bankbonus erhalten, soweit es die betriebswirtschaftliche Erfolgssituation der Bank unter Berücksichtigung einer angemessenen Risikovorsorge, der Ausschüttung an die Anteilseigner bzw. der mit der Trägerschaft beliehenen Gesellschaft sowie einer angemessenen Rücklagenbildung gestattet. Einzelheiten zum Bonussystem und die Vergabe der Bonuszahlungen regelt eine gesonderte Vereinbarung.
Ziffer 3 „Leistungsbonus“ der BonusV VarGeS 2004 regelte u. a.: Ein individueller Rechtsanspruch auf Auszahlung des Leistungsbonus entsteht mit der verbindlichen Festsetzung des Leistungsfaktors (3.3.)
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
durch die zuständigen Vergabeberechtigten (3.4.), soweit die Auszahlung vom genehmigten Auszahlungsbudget (3.1.2.) gedeckt ist.
Ergänzend hierzu wurden folgende Regelungen getroffen: 3.1.3. Ausschluss individueller Ansprüche Die Festsetzung eines Planungs- bzw. Auszahlungsbudgets begründet keinen individuellen Rechtsanspruch auf Auszahlung eines Leistungsbonus. … 3.5. Auszahlungsgrundsätze Ein Leistungsbonus wird nur ausgezahlt, wenn und soweit die betriebswirtschaftliche Erfolgssituation der Bank dies zulässt.“
2008 schlossen die Betriebsparteien eine Dienstvereinbarung „Vergabemodus für den leistungsbezogenen Jahresbonus der außertariflich bezahlten Beschäftigten für das Geschäftsjahr 2008“, in der es u. a. hieß: 1. Budget Der Vorstand bestimmt nach der Aufstellung des Jahresabschlusses ein Bonusbudget. Das Budget richtet sich nach dem betriebswirtschaftlichen Erfolg der BayernLB. 2. Vergabe Die individuelle Vergabe erfolgt im Rahmen des dem jeweiligen Geschäftsfeld/Geschäftsbereich zur Verfügung gestellten Budgets auf der Basis eines Orientierungsbonus (2.1.) und der Bewertung der individuellen Zielerreichung (2.2.) nach pflichtgemäßem Ermessen (2.3.) der jeweils zuständigen Führungskräfte.
Im Rahmen der allgemeinen Bankenkrise endete das Geschäftsjahr 2008 für die Beklagte mit einem Verlust in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro. Neben der Zuführung neuen Eigenkapitals in Höhe von 10 Milliarden Euro musste eine staatlich garantierte Abschirmung bis zu einem Höchstbetrag von 4,8 Milliarden Euro in Anspruch genommen werden. Obwohl der Kläger die im Rahmen einer Zielvereinbarung festgelegten Ziele mit einem Leistungsfaktor von 1,2 erreicht hatte, lehnte es die Beklagte ab, für 2008 eine Auszahlung vorzunehmen. Auch 2009 wurde kein Leistungsbonus gezahlt, obwohl der Kläger einen Leistungsfaktor von 1,1 erreicht hatte. 2010 wurde eine neue Dienstvereinbarung zur Vergütung der außertariflich Beschäftigten abgeschlossen, in der es u. a. hieß:
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Bindungswirkung bei der arbeitgeberseitigen Zusage eines Leistungsbonus
5. Jahresfestgehalt Das Jahresfestgehalt ist der Teil des Gesamtgehalts, auf den ein unwiderruflicher, unbedingter und unbefristeter Rechtsanspruch besteht. … 6. Variable Vergütung Die Beschäftigten können als freiwillige Leistung eine variable Vergütung erhalten, mit der die individuelle Leistung eines Beschäftigten und sein Beitrag zum Ergebnis für ein Geschäftsjahr honoriert und seine Betriebsbindung gefestigt werden sollen. Die variable Vergütung ergibt sich aus dem vom Vorstand bewilligten Budget und der Vergabeentscheidung auf der Grundlage der jeweiligen individuellen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Es besteht kein individueller Rechtsanspruch auf Bewilligung eines Budgets und auf Gewährung einer individuellen Zahlung 6.1. Budgets Der Vorstand bestimmt alljährlich Budgets für die variable Vergütung für jeweils von ihm festzulegende Geschäftseinheiten der BayernLB. Die Budgets richten sich nach dem betriebswirtschaftlichen Erfolg (z. B. gemessen an EVA oder ∆EVA) und können auch auf Null festgesetzt werden.
Auf der Grundlage eines Gesamtbudgets von 25 Millionen Euro erhielt der Kläger für 2010 eine variable Vergütung in Höhe von 8.391,- € (brutto). Für das Jahr 2010 war eine Zielvereinbarung geschlossen und die Zielerreichung bewertet worden. Ein Leistungsfaktor wurde indes nicht festgesetzt. Für das Geschäftsjahr 2011 wurde mit dem Kläger eine Zielvereinbarung abgeschlossen, seine Zielerreichung beurteilt und mit „erfüllt“ bewertet. Als Orientierung für die variable Vergütung war in der „Beurteilung & Potenzialeinschätzung 2011“ ein Wert von 90 bis 110 % als Richtwert angegeben. Gleichwohl war keine Bonuszahlung erfolgt, nachdem der Vorstand entschieden hatte, für dieses Geschäftsjahr keine variable Vergütung auszuschütten. Nach Auffassung des Klägers war die in den verschiedenen Jahren vorgenommene Differenzierung durch die Beklagte unzulässig. Er vertrat die Auffassung, dass ihm für die Jahre 2008 bis 2011 schon auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Zusage eine variable Vergütung zustünde. Soweit die Beklagte glaube, mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt gewährleisten zu können, das kalenderjährlich neu über das Ob und die Höhe der Zuwendung ent385
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schieden werden könne, sei dies unzulässig. Auch mit Hilfe einer Dienstvereinbarung sei es nicht möglich, den bereits auf der Grundlage des Arbeitsvertrags entstandenen Anspruch einzuschränken. Für die vorgenannten Jahre sollte die Beklagte deshalb einen Betrag in Höhe von 77.111,21 € (brutto) zahlen. Das BAG hält sein Begehren für die Jahre 2008 und 2009 für unbegründet. Lediglich in den Jahren 2010 und 2011 könne ein Bonusanspruch bestehen, dessen Höhe allerdings weitergehende tatrichterliche Feststellungen verlange. Aus diesem Grund ist die Entscheidung des LAG München aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat das BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass der Arbeitsvertrag selbst keinen unbedingten Anspruch auf eine variable Vergütung begründe. Das mache nicht nur das Wort „kann“ deutlich, mit dem die Zusage des Leistungsbonus verknüpft worden sei. Entscheidend für den 10. Senat des BAG war, dass im Arbeitsvertrag zur weiteren Ausgestaltung dynamisch auf die bei der Beklagten bestehenden Dienstvereinbarungen verwiesen worden sei. Damit werde für den Kläger erkennbar, dass der Arbeitsvertrag selbst das Bonussystem nicht abschließend regele. Erst aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Bestimmungen der jeweils anwendbaren Dienstvereinbarungen ergebe sich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Zahlungsanspruch bestünde12. Eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Regelungen einer Dienstvereinbarung sei auch mit den AGB-Grundsätzen vereinbar. Eine entsprechende Wirkung träte dann ein, wenn die Dienst- oder Betriebsvereinbarung (lediglich) unmittelbar und zwingend kraft Gesetzes gelten würde. Im Übrigen ist ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB ausgeschlossen, weil die Kollektivvereinbarung keiner einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber zugänglich ist13. Hiervon ausgehend war es der Beklagten allerdings nicht möglich, bereits unter Bezugnahme auf den im Arbeitsvertrag enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt die Auszahlung eines Bonus für die verschiedenen Kalenderjahre zu verweigern. Zwar kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt dem Arbeitgeber das Recht verschaffen, in der Zukunft ohne jede Bindungswirkung an Verhaltensweisen in der Vergangenheit frei über das Ob und die Höhe sowie die Anspruchsvoraussetzungen einer Bonuszahlung zu entscheiden. Insbesondere wird mit einem entsprechenden Vorbehalt verhindert, dass auch bei mehr12 BAG v. 19.3.2014 - 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 31. 13 BAG v. 19.3.2014 - 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 37.
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Bindungswirkung bei der arbeitgeberseitigen Zusage eines Leistungsbonus
facher Zahlung entsprechender Boni ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstehen kann. Voraussetzung für die Wirksamkeit entsprechender Vorbehalte ist allerdings, dass diese nicht in Widerspruch mit anderen Vereinbarungen stehen, die zwischen den Parteien abgeschlossen werden. Ein solcher Widerspruch liegt – so das BAG – indes vor, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für das jeweilige Kalenderjahr bereits eine vergütungsorientierte Zielvereinbarung abgeschlossen wurde. Mit Abschluss einer solchen Vereinbarung, die Vergütungsbezug habe, setze der Arbeitgeber Leistungsanreize für den Arbeitnehmer und bestimme damit, wie aus seiner Sicht die Arbeitsleistung in einer bestimmten Periode durch den Arbeitnehmer optimal erbracht werden solle. Die insoweit in Aussicht gestellte erfolgsabhängige Vergütung stehe damit im Gegenseitigkeitsverhältnis. Sie sei Teil der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Damit sei es nicht zu vereinbaren, wenn sich der Arbeitgeber das Recht vorbehalte, trotz erbrachter Arbeitsleistung und auch dann, wenn der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreiche, den Vergütungsanspruch (einfach) entfallen zu lassen. Darin läge eine unangemessene Benachteiligung, die zur Unwirksamkeit entsprechender Vorbehalte führt (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB)14. Hiervon ausgehend war der Arbeitsvertrag in Verbindung mit den jeweiligen Regelungen der Dienstvereinbarung so zu verstehen, dass der Arbeitgeber einseitig nur über die Aufstellung eines Bonusbudgets entscheiden konnte. Dabei bestand allerdings keine vollständige Entscheidungsfreiheit. Vielmehr war der Vorstand gehalten, sein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB auszuüben. Auf der Grundlage des Budgets musste dann eine Bonusvergabe erfolgen, die sich an den Regelungen der Dienstvereinbarung und den daran anknüpfenden Zielvereinbarungen mit den einzelnen Arbeitnehmern ausrichtete. Ungeachtet dessen konnte nach Abschluss des Kalenderjahres eine Entscheidung über die Bonusvergabe nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgen. Nach den Feststellungen des BAG ist davon auszugehen, dass auf der Grundlage solcher Regelungen eine Festsetzung der Höhe eines Bonus auf „Null“ nur in Ausnahmefällen in Betracht komme, wenn der Arbeitgeber nach § 315 BGB über einen Bonusanspruch zu entscheiden habe, der gleichermaßen auf der Ertragslage des Unternehmens wie auf der Leistung des Arbeitnehmers beruhe, sofern der Arbeitnehmer seine durch Zielvereinbarung festgelegten Ziele erreicht habe. Eine solche Ausnahme sei aber in der Bankenkrise 2008/2009 gegeben gewesen, wenn man sich die wirt14 BAG v. 19.3.2014 - 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 52.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
schaftliche Notlage der Beklagten vor Augen führe. Wenn solche Ausnahmeumstände nicht gegeben seien, müsse aber ein festzusetzendes Bonusbudget – in Abhängigkeit von der Ertragslage – eine Größenordnung erreichen, die den Leistungsbonus des Bonussystems beachte und ausreiche, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren. Dies wird für die Jahre 2010 und 2011 auf der Ebene des LAG zu prüfen sein. Eine solche Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. In der Regel kann die Entscheidung nur auf Ermessensfehler überprüft werden. Insofern bleibt für den Inhaber des Leistungsbestimmungsrechts ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der auch zu unterschiedlichen (ermessensgerechten) Ergebnissen führen kann15. Sachverhalte, in denen es nur eine einzige (ermessensgerechte) Entscheidung gibt, sind selten. Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB). Wenn alle maßgeblichen Tatsachen feststehen, kann die Ermessensentscheidung im Streitfall auch durch das Gericht getroffen werden16. Schlussendlich bestimmt damit das Arbeitsgericht über die Höhe des Leistungsbonus, falls bis zu seiner Entscheidung keine ermessensgerechte Festlegung durch den Arbeitgeber erfolgt ist. (Ga)
4.
Entgeltfortzahlung bei medizinischer Vorsorge und Rehabilitation
Nach § 9 Abs. 1 EFZG besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsprechend den in §§ 3 ff. EFZG getroffenen Regelungen auch für den Fall einer Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation. Mit seinem Urteil vom 10.9.201417 hat der 10. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die richterrechtlich entwickelten Grundsätze zur Einheit des Verhinderungsfalls keine Anwendung finden, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit i. S. des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG zusammen15 Vgl. BAG v. 19.3.2014 - 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 41. 16 BAG v. 19.3.2014 - 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 42; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rz. 47. 17 10 AZR 651/12, NZA 2014, 1139 ff. Rz. 17 ff.
388
Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit?
treffen. An gegenteiligen Feststellungen, die das BAG noch im Urteil vom 12.9.196718 getroffen hatte, hält das BAG nicht mehr fest. (Ga)
5.
Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit?
In seinem Urteil vom 16.1.201419 hat sich das LAG Rheinland-Pfalz den vorangehenden Entscheidungen des LAG Niedersachsen vom 29.3.201320 und des LAG Hamm vom 27.6.201321 angeschlossen und ist von einer Vereinbarkeit der in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG vorgesehenen Kürzung des Erholungsurlaubs für die Dauer der Elternzeit ausgegangen. Nach § 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Ausgeschlossen ist eine solche Kürzung nur dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin während der Elternzeit bei seinem oder ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet. In der Begründung seiner Entscheidung geht das LAG Rheinland-Pfalz unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe der vorangehenden Entscheidung des LAG Hamm davon aus, dass Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Jahresurlaub gewährleiste, der nicht von einer tatsächlichen Arbeitsleistung während des Kalenderjahres abhängig sei. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des EuGH zur Kürzung von Jahressonderzahlungen während der Elternzeit hält es das LAG RheinlandPfalz aber für möglich, eine entsprechende Kürzung auch für den Urlaub in Bezug auf solche Zeiten vorzunehmen, in denen die wechselseitigen Hauptleistungspflichten während der Elternzeit ruhten. Dies folge schlussendlich auch aus § 2 Nr. 7 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Diese erlaube es den Mitgliedstaaten den Status des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum der Elternzeit zu bestimmen. Hierzu gehöre auch, in welchem Maß der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums weitere Ansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer erwerben könne22. Es bleibt abzuwarten, ob diese Sichtweise tatsächlich unionsrechtlichen Bestand haben wird. Sollte das BAG im Rahmen der beiden Revisionsverfahren die Sache zu entscheiden haben, dürfte es geboten sein, den EuGH ge-
18 19 20 21 22
1 AZR 367/66, DB 1968, 91. 5 Sa 180/13 n. v. (Revision: 9 AZR 103/14). 5 Sa 140/12 n. v. 16 Sa 51/13 n. v. (Revision: 9 AZR 725/13). LAG Rheinland-Pfalz v. 16.1.2014 – 5 Sa 180/13 n. v. (Rz. 25 ff.).
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
mäß Art. 267 AEUV anzurufen. Hintergrund ist, dass das Verhältnis zwischen Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG, der den Jahresurlaub gewährleistet, und § 5 Abs. 2, 3 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub zur Richtlinie 2010/18/EU mit einer Vielzahl von Fragen verbunden ist, die auf der Basis der bereits vorhandenen Rechtsprechung des EuGH nicht beantwortet werden kann. Für die vom LAG Rheinland-Pfalz vertretene Sichtweise spricht zunächst einmal, dass § 5 Abs. 3 Richtlinie 2010/18/EU den Mitgliedstaaten tatsächlich das Recht gibt, den Status des Arbeitsvertrags oder Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum des Elternurlaubs festzulegen. Daraus wird man durchaus die spezialgesetzliche Grundlage für eine zeitanteilige Kürzung des Erholungsurlaubs während der Dauer der Elternzeit sehen können, wie sie in § 17 BEEG enthalten ist. § 5 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung zum Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU dürfte insoweit auch Vorrang vor der Gewährleistung des Jahresurlaubs durch Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG haben. Problematisch ist aber, dass § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung zum Elternurlaub im Anhang zur Richtlinie 2010/18/EU bestimmt, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Daraus wird man auch den Grundsatz ableiten können, dass sämtliche Urlaubsansprüche, die bei Antritt des Erholungsurlaubs bereits entstanden waren, einer Kürzungsbefugnis entzogen sind. Hiervon ausgehend wäre der im Eintrittsjahr der Elternzeit bestehende Anspruch auf Erholungsurlaub einer Kürzung nach § 17 BEEG entzogen, soweit nicht ausnahmsweise wegen der Begründung des Arbeitsverhältnisses in diesem Kalenderjahr von einer Quotelung gemäß § 5 Abs. 1 lit. a) BUrlG auszugehen ist. Umgekehrt würde der volle Jahresurlaub einer Kürzung entzogen sein, wenn der Arbeitnehmer diesen Anspruch bei Beginn der Elternzeit bereits vollständig erworben hatte. Bei Arbeitsverhältnissen, die mehr als sechs Monate Bestand haben, ist dies bereits am 1. Tag des neuen Kalenderjahres der Fall. Würde diese Vorgabe zutreffen, könnte die Kürzung nach § 17 BEEG zwar für Urlaubstage in Anspruch genommen werden, die erst im darauffolgenden Kalenderjahr entstehen. Urlaubsansprüche des Kalenderjahres, in dem die Elternzeit beginnt, könnten indes nicht zeitratierlich gekürzt werden. Darin läge sonst ein Eingriff in die Rechte, die zu Beginn der Elternzeit bereits bestanden hätten. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG entscheiden wird. Angesichts der übereinstimmenden Bewertungen durch die vorstehend genannten Instanzgerich-
390
Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub
te dürfte es gerechtfertigt sein, in der Praxis zunächst einmal weiterhin von einer Wirksamkeit der Kürzungsvorgabe in §17 BEEG auszugehen. (Ga)
6.
Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub
Für das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs ist nach dem BUrlG allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung23. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet, so dass es unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer die ihm obliegende Beschäftigung tatsächlich ausgeübt hat24. Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub steht auch nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, soweit der gesetzliche Urlaubsanspruch in Rede steht. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG kann von den Vorschriften der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG auch in Tarifverträgen nicht abgewichen werden. Das Verbot der Abweichung gilt unabhängig davon, ob im Urlaubsjahr eine Arbeitsleistung erbracht wurde oder der Arbeitnehmer etwa aus gesundheitlichen Gründen daran ganz oder teilweise gehindert war. Ein anderes Verständnis des Abweichungsverbots in § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG würde sich zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung25 in Widerspruch setzen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH26 ist der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der Richtlinie 2003/88/EG selbst ausdrücklich gezogen sind. Daher hat das BAG27 bereits zu Recht entschieden, dass gesetzliche Urlaubsansprüche auch dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft.
23 24 25 26
BAG v. 7.8.2010 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 m. w. N. BT-Drucks. IV/785 S. 3. ABl. EU L 299 v. 18.11.2003 S. 9. v. 20.1.2009 - C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 Rz. 22 - Schultz-Hoff; EuGH v. 12.6.2014 – C-118/13, NZA 2014, 651 m. w. N. Rz. 15 – Bollacke. 27 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 Rz. 9.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
In einer Entscheidung vom 6.5.2014 musste der 9. Senat des BAG28 erneut der Frage nachgehen, ob einem Arbeitnehmer auch bei unbezahltem Sonderurlaub auf der Grundlage des BUrlG zumindest der gesetzliche Urlaubsanspruch zusteht. Die Klägerin war als Krankenschwester in der Charité in Berlin beschäftigt und hatte in der Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.9.2011 unbezahlten Sonderurlaub. Sie schied am 30.9.2011 aufgrund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus. In dem für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifvertrag Charité ist vorgesehen, dass sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um 1/12 vermindert, wenn das Arbeitsverhältnis ruht. Im Lichte dieser tariflichen Regelung verweigerte die Beklagte die Zahlung einer Urlaubsabgeltung an die Klägerin, die eine Abgeltung von 15 Tagen gesetzlichen Urlaubs aus dem Jahr 2011 klageweise beanspruchte. In Übereinstimmung mit dem LAG hat das BAG der Klage entsprochen und die Beklagte zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG verurteilt. Dabei ist das BAG in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass für das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs (§§ 1, 3, 13 BUrlG) lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt wird. Zu Recht weist das BAG darauf hin, dass es keinen Unterschied machen könne, ob der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann oder das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf einen unbezahlten Sonderurlaub zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang verneint das BAG, ein ruhendes Arbeitsverhältnis einem Teilarbeitsverhältnis mit einer Arbeitspflicht an null Tagen in der Woche gleichzusetzen, weil der suspendierte Arbeitnehmer nicht mit einer Wochenarbeitszeit beschäftigt ist, die kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Würde eine Sonderurlaubsabrede als Vereinbarung einer Arbeitszeit „Null“ verstanden, würde die Arbeitspflicht gänzlich aufgehoben, während die Freistellung von der Arbeit von einer grundsätzlich weiter bestehenden vertraglichen Arbeitspflicht ausgeht. Der entstandene Urlaubsanspruch der Klägerin war – wie das BAG überzeugend ausführt – auch nicht auf der Grundlage des Tarifvertrags für jeden vollen Monat des Sonderurlaubs um 1/12 zu kürzen. Da auch die Tarifvertragsparteien nach § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG in Tarifverträgen nicht von den §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG zu Ungunsten der Arbeitnehmer nicht abweichen dürfen, erweist sich die tarifvertragliche Kürzungsregelung als rechtsunwirksam. Das BAG lehnt in diesem Zusammenhang auch ab, eine Ur28 9 AZR 678/12, BB 2014, 1203.
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Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub
laubskürzung in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 BEEG und § 4 Abs. 1 ArbPlSchG zu befürworten, weil in diesen Vorschriften kein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht wird, im Falle eines ruhenden Arbeitsverhältnisses Urlaubskürzungen vornehmen zu dürfen. So habe der Gesetzgeber im PflegeZG keine Urlaubskürzung vorgesehen, obwohl auch während der Pflegezeit die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen. Nach Ansicht des BAG zwingt auch das Unionsrecht nicht zu einer Verringerung des Urlaubsanspruchs wegen des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der EuGH29 bei Arbeitnehmern, in deren Arbeitsverhältnis die gegenseitigen Hauptleistungspflichten aufgrund von Kurzarbeit suspendiert sind, davon ausgeht, dass deren Situation faktisch mit der Situation von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar sei und deren Urlaubsanspruch pro rata temporis berechnet werden dürfe. Diese tung - so das BAG – schließe nicht aus, dass nach dem Recht der Mitgliedstaaten für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts – und Verwaltungsvorschriften anwendbar blieben (Art. 15 der Richtlinie 2003/88/EG). Mit dieser Argumentation leitet das BAG das Kürzungsverbot ohne Rückgriff auf das Unionsrecht allein aus § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG ab. Entscheidender dürfte jedoch sein, dass Art. 7 S. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ausdrücklich vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Insoweit ist durch den EuGH30 geklärt, dass den Mitgliedstaaten zwar freisteht, die Voraussetzungen für die Ausübung und Umsetzung des Urlaubsanspruchs festzulegen. Sie dürfen jedoch dabei die Entstehung des Urlaubsanspruchs selbst nicht von irgendwelchen Voraussetzungen abhängig machen. Da der Arbeitnehmer während der unbezahlten Freistellung keine Vergütung oder eine Lohnersatzleistung erhält, kann damit der mit einer Bezahlung ausgestattete Mindestjahresurlaub nicht verrechnet werden. Unbezahlter Urlaub kann bezahlten Urlaub nicht ersetzen. Mit dieser Entscheidung zum unbezahlten Sonderurlaub wird der betrieblichen Praxis vor Augen geführt, dass auch in einem ruhenden Arbeitsverhältnis, bei dem die wechselseitigen Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Vergü29 EuGH v. 8.11.2012 – C-229/11 und C-230/11, NZA 2012, 1273 Rz. 34 - Heimann und Toltschin. 30 26.6.2001 – C-173/99, NZA 2001, 827 Rz. 55 - BECTU.
393
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
tung) suspendiert sind, gleichwohl bestimmte Sozialpflichten weiterbestehen und vom Arbeitgeber erfüllt werden müssen. Dies ist nicht ungewöhnlich, weil auch den Arbeitnehmer während der Ruhezeit Nebenpflichten – wie etwa die Pflicht zur Verschwiegenheit oder das Wettbewerbsverbot – treffen und diese weiterbestehen. (Boe)
7.
Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung
Die Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 8.4.201431 behandelt die Frage, wann der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs fällig wird und damit aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen kann. Die Klägerin war bei der Beklagten bis zu ihrem Ausscheiden am 10.12.2008 vom 31.1.2006 an arbeitsunfähig krank und bezog seit dem 1.8.2006 wegen voller Erwerbsminderung eine zunächst befristete Rente. Mit Schreiben vom 25.3.2009 machte die Klägerin erstmalig Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2006 bis 2008 nebst Urlaubsgeld in Höhe von insgesamt 16.453,80 € gegenüber der Beklagten geltend. Die entsprechende Klageschrift vom 31.3.2009 übersandte die Klägerin der Beklagten per Telefax. Auf das Arbeitsergebnis der Parteien findet der MTV der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung, dessen § 19 vorsieht, dass neben bestimmten Ansprüchen mit kürzerer Ausschlussfrist alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend gemacht werden müssen. Während das ArbG und das LAG der Zahlungsklage weitgehend entsprochen haben, ist die Klage vom BAG abgewiesen worden. Der Streit der Parteien konzentrierte sich vor allem darauf, zu welchem Zeitpunkt die von der Klägerin beanspruchten Urlaubsabgeltungsansprüche fällig geworden waren, weil davon abhänge, wann die dreimonatige Ausschlussfrist des Tarifvertrags angefangen hatte, zu laufen. Zunächst bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung32, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Surrogat des Urlaubsanspruchs ist und sich nach dessen Regeln richtet, sondern ein reiner Geldanspruch ist, für den die im Tarifvertrag vorgesehenen Ausschlussfristen für seine Geltendmachung anwendbar sind. Für die tariflichen Ausschlussfristen lassen sich der vom EuGH aufgestellte Rechtssatz, wonach die Dauer des Übertragungszeitraums des Naturalurlaubs bei durchgängiger Arbeitsunfähigkeit die Dauer
31 9 AZR 550/12, NZA 2014, 852 ff. 32 BAG v. 9.8.2011 - 9 AZR 365/10, NZA 2012, 514 Rz. 14; BAG v. 13.12. 2011 – 9 AZR 399/10, NZA 2012, 514 Rz. 15.
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Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung
des Bezugszeitraums deutlich übersteigen muss, nicht übertragen33. Solche Ausschlussfristen können deutlich kürzer als ein Jahr sein. Soweit es um die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs geht, gilt § 271 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken kann, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht34, wird er zu diesem Zeitpunkt nach § 271 Abs. 1 BGB auch sofort fällig. Enthält ein Tarifvertrag für die einmalige Zahlung der Urlaubsabgeltung keine eigenständige Regelung, wonach sie nicht getrennt von anderen Ansprüchen des Arbeitnehmers abzurechnen und auszuzahlen ist, beginnt nach überzeugender Auffassung des BAG die Ausschlussfrist mit der Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen zu laufen. Dies hatte im Streitfall zur Konsequenz, dass die dreimonatige tarifliche Ausschlussfrist versäumt war, als sich die Klägerin erst mit Schreiben vom 25.3.2009 an die Beklagte wandte, um die ihr zustehende Urlaubsabgeltung zu realisieren. Da das Urlaubsgeld eine mit der Urlaubsabgeltung verbundene Zusatzleistung des Arbeitgebers darstellt, entstand es zugleich mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch und wurde gleichzeitig fällig, so dass auch dieser Zahlungsanspruch von der tariflichen Ausschlussfrist erfasst wurde. Diese Rechtsprechung des BAG ist der völligen Aufgabe der Surrogatstheorie geschuldet, die zur Folge hat, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr stets einen auf eine finanzielle Vergütung i. S. des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäisches Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung35 gerichteten reinen Geldanspruch darstellt36. Die damit insbesondere verbundene Möglichkeit des Verfalls aufgrund Nichtwahrung tariflicher Ausschlussfristen steht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG37. (Boe)
33 BAG v. 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, NZA 2012, 514 Rz. 22; BAG v. 18.9.2012 - 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216 Rz. 27. 34 BAG v. 7.8.2012 - 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 Rz. 45. 35 ABl. EU L 299 v. 18.11.2003 S. 9. 36 BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087 Rz. 15. 37 So bereits BAG v. 9.8.2011 - 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421 Rz. 25.
395
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
8.
Urlaubsanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch eine sog. Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird38. Die Freistellungserklärung muss auch erkennen lassen, an welchen Tagen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub von der bestehenden Arbeitspflicht befreit39. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt und damit nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Arbeitspflicht befreit40, kann ihn der Arbeitgeber zum Zwecke der Urlaubserteilung nicht ein weiteres Mal von der Arbeit freistellen und damit nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bewirken. Damit ist die Erfüllbarkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs davon abhängig, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Anderenfalls wird dem Arbeitgeber die Leistung der Urlaubserteilung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, ohne dass er diese Unmöglichkeit zu vertreten hat. Die Frage der Behandlung von Urlaubsansprüchen bei einer dauerhaften Erkrankung des Arbeitnehmers war Gegenstand einer Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 18.3.201441. Der Kläger ist Flugzeugführer bei der Beklagten und seit dem 19.11.2008 dauerhaft fluguntauglich. Aus diesem Grund wird er von der Beklagten tatsächlich nicht mehr beschäftigt. Er beanspruchte von der Beklagten den tariflichen Urlaub für das Jahr 2009 von 30 Arbeitstagen mit der Maßgabe, ihm diese Urlaubstage ab Rechtskraft der Entscheidung zu gewähren. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Zunächst geht das BAG davon aus, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2009 spätestens am 31.3.2011 verfallen ist. Diese Schlussfolgerung basiert auf der unionskonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wonach der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutritt und sodann dem Fristenregime des
38 BAG v. 19.1.2010 – 9 AZR 246/09, NZA-RR 2010, 473 Rz. 27; BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 760/11, DB 2013, 2155 Rz. 17; BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 669/12, DB 2014, 1688 Rz. 16. 39 BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 760/11, DB 2013, 2155 Rz. 17. 40 Schaub/Linck, ArbR-HdB § 49 Rz. 5; Gotthardt/Greiner, DB 2002, 2106, 2111. 41 9 AZR 669/12, DB 2014, 1688.
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Urlaubsanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
§ 7 Abs. 3 BUrlG unterfällt42. Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt. Diese Rechtsfolge ergab sich im Streitfall daraus, dass der Kläger die auf der Grundlage seines Arbeitsvertrags von ihm geschuldete Arbeitsleistung als Flugzeugführer nicht mehr erbringen konnte und deshalb der ihm zustehende Naturalurlaubsanspruch seitens der Beklagten nicht erfüllbar war (§ 275 Abs. 1 BGB). Infolge seiner Erkrankung war der Kläger nicht mehr zur Erbringung einer Arbeitsleistung als Flugkapitän verpflichtet, so dass die Beklagte den Kläger von der geschuldeten Arbeitspflicht nicht mehr durch Urlaubserteilung befreien konnte. Gleichgültig ist dabei, ob der Arbeitnehmer andere – nicht vertragsgemäß geschuldete - Arbeitsleistungen hätte erbringen können, die eine Freistellung von der Arbeitspflicht erlaubt hätten. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sich der Arbeitnehmer ungeachtet seiner Erkrankung hätte tatsächlich erholen können.43 Dem Kläger stand nach Auffassung des BAG auch kein Anspruch auf Gewährung des Naturalurlaubs unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes auf der Grundlage der §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1 und 3, 283 S. 1, 286 Abs. 1 S. 2 i. V. mit S. 1, 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB (Schadensersatz statt Leistung) als Ersatzurlaubsanspruch zu. Ein derartiger Ersatzurlaubsanspruch kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn es sich um eine Leistungsstörung auf Seiten des Arbeitgebers handelt, d. h. der Arbeitgeber dem berechtigten Verlangen nach Urlaubserteilung seitens des Arbeitnehmers schuldhaft nicht nachkommt. Einen breiten Raum widmet das BAG in den Gründen der Entscheidung der Frage, ob diese Rechtsprechung mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang steht. In diesem Zusammenhang verweist das BAG zunächst darauf, dass der EuGH44 entschieden hat, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Insbesondere ist es Sache der Mit42 EuGH v. 22.11.2011 - C-214/10, NZA 2011, 1333 Rz. 44 - KHS; BAG v. 7.8.2012 - 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 Rz. 40; BAG v. 16.7.2013 - 9 AZR 914/11, NZA 2013, 1285 Rz. 26. 43 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 669/12, DB 2014, 1688 Rz. 26; Leinemann/Linck § 9 BUrlG Rz. 3; HWK/Schinz § 9 BUrlG Rz. 8. 44 v. 20.1.2009 - C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 13 Rz. 62 - Schultz-Hoff u. a.; EuGH v. 8.11.2012 – C-229/11 und C-230/11, NZA 2012, 1273 Rz. 25 - Heimann und Toltschin.
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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
gliedstaaten, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Arbeitnehmer ihren Urlaubsanspruch realisieren können, wenn dabei nicht bereits die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig gemacht wird. Aus Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub hat, lässt sich nach überzeugender Ansicht des BAG keine andere Rechtsfolge herleiten, weil daraus keinerlei Regelung über die Bedingungen des Urlaubsanspruchs abzuleiten ist. Das BAG verneint auch die Pflicht zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen bereits durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt sind oder ihre Beantwortung offenkundig ist. Dies gilt zunächst für § 9 BUrlG. Diese Vorschrift behandelt die Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs und sieht vor, dass die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs auf den gesetzlichen Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Diese Vorschrift bewahrt den Arbeitnehmer davor, seinen Urlaubsanspruch ersatzlos zu verlieren, wenn er während des bereits bewilligten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt, weil der Arbeitgeber mit der Urlaubsfestlegung seiner Verpflichtung zur Urlaubserteilung nachgekommen ist. Ebenso wenig lässt sich nach zutreffender Auffassung des BAG aus § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG der Anspruch eines arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auf Urlaubserteilung herleiten. Nach dieser Vorschrift findet eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statt, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Zu Recht weist das BAG im Hinblick auf diese Vorschrift darauf hin, dass es ihrer nicht bedürfe, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer auch während seiner Erkrankung Urlaub gewähren könnte. Abgesehen davon könnte der Arbeitgeber mit einer derartigen Urlaubserteilung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle ausweichen, weil diese monokausal an die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gebunden ist. (Boe)
9.
Stichtagsklausel beim Urlaubsgeld
In den letzten Jahren hatte der 10. Senat des BAG die These entwickelt, dass Stichtagsklauseln nicht nur bei solchen Jahressonderzahlungen unwirksam sind, mit denen eine zusätzliche Vergütung für die während des Bezugszeit-
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Stichtagsklausel beim Urlaubsgeld
raums geleistete Arbeit gezahlt wird. Insbesondere mit seinem Urteil vom 13.11.201345 hatte das BAG die Auffassung vertreten, dass Stichtagsklauseln als unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB auch dann unwirksam sind, wenn die Jahressonderzahlung neben der Arbeitsleistung auch die Betriebszugehörigkeit honorieren soll. Hiervon ausgehend sei es nicht nur ausgeschlossen, Stichtagsklauseln zu vereinbaren, die einen (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf des Bezugszeitraums bewirken sollen. Unzulässig sei es auch, den Anspruch auf die Jahressonderzahlung an ein (ungekündigtes) Arbeitsverhältnis zum Ende des Bezugszeitraums zu knüpfen. Vielmehr entstehe der Anspruch auf die allein oder auch arbeitsleistungsbezogene Jahressonderzahlung stets pro rata temporis mit dem Ergebnis, dass auch bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Bezugszeitraums ein zeitanteiliger Anspruch gegeben sei. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BAG lediglich dann, wenn mit einer Zuwendung allein die Betriebszugehörigkeit vergütet werden soll. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Anspruch dann auch nicht an einen bestimmten Umfang der Arbeitsleistung während des Bezugszeitraums geknüpft wird. Arbeitnehmer, die langandauernd erkrankt sind, müssen dann ebenso wie Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit befinden, eine ungekürzte Zahlung erhalten. Nur in diesen Fällen, in denen allein die Betriebszugehörigkeit honoriert wird, kann die Vereinbarung eines Stichtags zur Folge haben, dass bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf die Sonderzahlung entsteht. In seinem Urteil vom 22.7.201446 hat der 9. Senat des BAG an diese Rechtsprechung angeknüpft und eine Stichtagsklausel im Rahmen einer Vereinbarung über die Zahlung einer Jahressonderzahlung für wirksam gehalten. Die Parteien hatten insoweit arbeitsvertraglich wie folgt vereinbart: § 6 Bezüge … 4.
Weiterhin erhält der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin pro genommenen Urlaubstag ein Urlaubsgeld von 2,4 % des monatlichen Bruttogeldes. Das Urlaubsgeld wird am Monatsende ausgezahlt. Voraussetzung für die Auszahlung des Urlaubsgeldes ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis.
45 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 Rz. 22 ff. 46 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 Rz. 15 ff., 20 ff.
399
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
5.
Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld sind ausdrücklich freiwillige Leistungen der Firma. Die Firma behält sich vor, diese Gratifikationen jederzeit herabzusetzen oder ganz entfallen zu lassen. …
Nach Auffassung des BAG ist mit diesen Regelungen zum Ausdruck gebracht worden, dass das Urlaubsgeld ohne Rücksicht auf die Arbeitsleistung während des Kalenderjahres gewährt wurde. Denn schlussendlich unterlag das Entstehen des Anspruchs auf Urlaubsgeld denselben Voraussetzungen wie das Entstehen des Anspruchs auf Erholungsurlaub und verfolgte deshalb denselben arbeitsleistungsunabhängigen Zweck. Diese Abhängigkeit zwischen Urlaubsgewährung und Urlaubsgeld ist auch darin erkennbar geworden, dass das Urlaubsgeld pro genommenen Urlaubstag gezahlt wurde. Damit teilte der Anspruch auf Urlaubsgeld den von einer Arbeitsleistung unabhängigen Charakter des Urlaubs. Aus Sicht des BAG ist es nicht unangemessen benachteiligend, dass das Urlaubsgeld nicht zur Auszahlung kommt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungstag gekündigt wurde. Dies gelte – so der 9. Senat des BAG – auch dann, wenn die Kündigung durch den Arbeitgeber erfolgt ist, ohne dass dieser Kündigung Gründe aus der Sphäre des Arbeitnehmers zugrunde liegen. Hiervon ausgehend entstehe ein Anspruch auf Urlaubsgeld auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet werde. Denn die hier in Rede stehende Stichtagsregelung sei nicht nur als Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer gedacht. Wenn und soweit die Zuwendung nicht an die Arbeitsleistung geknüpft sei, könne der Arbeitgeber die fortdauernde Betriebszugehörigkeit als solche auch unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers zur Anspruchsvoraussetzung machen, weil ihre motivierende Wirkung sich nur bei den Arbeitnehmern entfalten könne, die dem Betrieb noch oder noch einige Zeit angehörten47. Dieser Sichtweise ist dem Grundsatz nach zuzustimmen. Fallgestaltungen, in denen – wie hier – Sonderzuwendungen allein zur Honorierung fortbestehender Betriebszugehörigkeit gewährt werden, sind in der betrieblichen Praxis allerdings selten. Soweit allein oder auch Arbeitsleistung vergütet wird, bleibt es damit leider bei den überaus einschränkenden Feststellungen des 10. Senat zu Stichtagsklauseln, wie sie zuletzt im Urteil vom 13.11.201348 zum Ausdruck gekommen sind. (Ga)
47 BAG v. 22.7.2014 - 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 Rz. 22 ff., 28 f.; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 Rz. 14. 48 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 Rz. 22 ff.
400
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei verfallenem Urlaub
10. Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei verfallenem Urlaub Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG konnte der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Schadenersatzanspruch geltend machen, wenn dieser trotz rechtzeitigen Verlangens des Arbeitnehmers den Erholungsurlaub nicht gewährt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Gründe vorhanden sind, die nach § 7 Abs. 1 BUrlG der Inanspruchnahme entgegenstehen49. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG war es erforderlich, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Inanspruchnahme des Urlaubs verlangt hat. Ohne ein solches Verlangen konnte der Arbeitgeber nicht in Verzug gebracht werden, was aber nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB notwendig für einen Schadenersatzanspruch ist. Abweichend hiervon hat das LAG Berlin-Brandenburg nunmehr im Urteil vom 12.6.201450 die Ansicht vertreten, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Urlaubsanspruch von sich aus zu erfüllen. Dies gelte auch dann, wenn nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen seien. Ausgangspunkt seiner These ist die Annahme, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten diene und arbeitsschutzrechtlichen Charakter besitze. Es komme deshalb nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber in Verzug gesetzt habe. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass § 7 Abs. 3 S. 1, 3 BUrlG die Feststellung treffe, dass der Urlaub durch den Arbeitgeber „zu gewähren“ sei. Hinzu komme, dass den Arbeitnehmern durch den Urlaub während des Kalenderjahres ein Mindestzeitraum verfügbar gemacht werden solle, in dem sich diese erholen und ihre Zeit selbstbestimmt nutzen könnten. Da der Arbeitgeber aufgrund seiner Organisationsmacht verpflichtet sei, den Betrieb so zu organisieren, dass die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten würden, müsse er auch von sich aus die tatsächliche Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs veranlassen. Der aus § 7 Abs. 1 BUrlG folgenden Verpflichtung, Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, könne er durch eine rechtzeitige Nachfrage Rechnung tragen. Äußerten Beschäftigte auch auf Nachfrage keine Urlaubswünsche, könne er den Urlaub einseitig und verbindlich festlegen. 49 Vgl. BAG v. 15.9.2011 – 8 AZR 846/09, DB 2012, 808 Rz. 64; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 523/05, DB 2006, 1961 Rz. 24, 32. 50 21 Sa 221/14, DB 2014, 2114 f.
401
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
Es bleibt abzuwarten, ob der 9. Senat dieser Auffassung folgen wird. Die Praxis dürfte eine solche Rechtsprechungsänderung nicht übermäßig betreffen. Denn schon mit Blick auf die Vermeidung etwaiger Rückstellungen und/oder die gehäufte Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in den letzten Monaten eines Kalenderjahres ist es üblich, das arbeitgeberseitig während des gesamten Kalenderjahres steuernd auf die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs Einfluss genommen wird. Wenn mit diesem „Dialog“ zwischen den Arbeitsvertragsparteien auch eine Pflicht des Arbeitgebers zur proaktiven Gewährung von Erholungsurlaub erfüllt wird, stellt dies keine besondere Änderung dar. Allerdings sollte in diesem Fall dokumentiert werden, dass eine entsprechende Abstimmung versucht wurde, um ggf. für den Fall eines Scheiterns einseitig durch den Arbeitgeber Zeitpunkt und Dauer des Urlaubs festzulegen. (Ga)
11.
Zusätzliche Urlaubstage für ältere Arbeitnehmer
§ 10 S. 3 Nr. 1 AGG erlaubt die Begünstigung älterer Arbeitnehmer wegen des Alters, wenn dies zu ihrem Schutz objektiv geeignet, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dieser Grundsatz kommt auch dann zum Tragen, wenn auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene Regelungen getroffen werden sollen, durch die älteren Arbeitnehmern nach Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze zusätzliche Urlaubstage eingeräumt werden sollen. Bei der Prüfung, ob eine vom Arbeitgeber begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Arbeitnehmer dient und geeignet, erforderlich und angemessen i. S. von § 10 S. 2 AGG ist, steht dem Arbeitgeber allerdings – wie das BAG mit Urteil vom 21.10.201451 deutlich gemacht hat – eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte ihren in der Schuhproduktion tätigen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub und damit zwei Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern gewährt. Die 1960 geborene Klägerin war der Ansicht, dass darin eine Diskriminierung wegen des Alters liege. Sie machte deshalb geltend, dass auch ihr kalenderjährlich 36 Urlaubstage zu gewähren seien. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung hat die Beklagte mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermü51 9 AZR 956/12 n. v.
402
Keine Kürzung des Anspruchs auf Erholungsurlaub bei Wechsel in Teilzeitbeschäftigung
dende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längere Erholungszeiten als jüngerer Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gelte auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Urlaubsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23.4.1997, der mangels Tarifbindung der Parteien indes keine Anwendung fand, in entsprechender Weise zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah. Der Entscheidung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Allerdings machen die Gründe der Entscheidung auch deutlich, dass es sehr auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, wenn wegen des Alters zusätzliche Urlaubstage eingeräumt werden sollen. Einfacher dürfte es sein, diese Urlaubstage als zusätzliche Sozialleistung an eine erhöhte Dauer der Betriebszugehörigkeit zu knüpfen. Wenn dies dann zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen Alters führt, ist dies ebenso gerechtfertigt, wie eine höhere Vergütung, die nach längeren Beschäftigungsjahren gewährt wird. (Ga)
12. Keine Kürzung des Anspruchs auf Erholungsurlaub bei Wechsel in Teilzeitbeschäftigung Bereits mit Urteil vom 13.6.201352 hatte der EuGH klargestellt, dass ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und § 4 Nr. 2 der am 6.6.1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG in der durch die Richtlinie 98/23/EG geänderten Fassung gegeben ist, wenn die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt werde, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl wöchentlicher Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl stehe. Wir hatten darüber berichtet53. In seinem Urteil vom 11.6.201454 ist diese Vorabentscheidung des EuGH in dem zugrunde liegenden Fall umgesetzt worden. Folgerichtig hat das LAG Niedersachsen festgestellt, dass sich die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs bei einer Änderung der Verteilung der Arbeitszeit auf weniger Arbeitstage in einer Kalenderwoche im Verlaufe eines Kalenderjah52 C-415/12, NZA 2013, 775 – Brandes. 53 Boewer, AktuellAR 2013, 456 ff. 54 2 Sa 125/14, NZA-RR 2014, 527 Rz. 45 ff.
403
Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
res nicht verkürzt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub in dem Zeitraum, in dem er Vollzeitbeschäftigt gewesen ist, nicht nehmen konnte. Etwas anderes könne allenfalls für den Erholungsurlaub festgelegt werden, mit dem der unionsrechtlich abgesicherte Mindesturlaub überschritten werde. Andernfalls läge ein Verstoß gegen die Arbeitszeit-Richtlinie und eine Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vor. Der Entscheidung ist mit Blick auf die zwingenden Vorgaben des EuGH zuzustimmen. Dass der Arbeitnehmer als Folge seines Wechsels in eine Teilzeitbeschäftigung für einen längeren Zeitraum bezahlten Erholungsurlaub geltend machen kann, als dies bei einer Fortdauer seiner Vollzeitbeschäftigung der Fall gewesen wäre, ist hinzunehmen. Schlussendlich wird mit der Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass der einmal erworbene Anspruch auf Erholungsurlaub ein Vermögenswert ist, den der Arbeitnehmer durch eine bezahlte Freistellung in dem einmal entstandenen Umfang geltend machen kann. Unbeantwortet ist mit der vorstehenden Entscheidung allerdings weiter die Frage, wie bei dem umgekehrten Wechsel von der Teilzeitbeschäftigung in eine Vollzeitbeschäftigung zu verfahren ist. Dass hier entsprechend nur der Urlaubsanspruch übertragen wird, den ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Teilzeitbeschäftigung erworben hat, erscheint zweifelhaft. Offen ist darüber hinaus die Frage, wie bei einer Reduzierung der Arbeitszeit ohne eine Verminderung der Zahl der Wochentage, an denen gearbeitet wird, zu verfahren ist. Zu befürchten ist, dass hier – entsprechend den Überlegungen des EuGH – auch während der Teilzeitbeschäftigung ein Anspruch auf Erholungsurlaub gegeben ist, während dessen eine Entgeltfortzahlung entsprechend der früheren Vollzeitbeschäftigung vorgenommen werden muss. Dass damit nicht nur eine Entgeltfortzahlung, sondern eine Überbezahlung erfolgt, könnte insofern als Konsequenz der vermögensrechtlichen Betrachtung des Anspruchs auf Erholungsurlaub geboten sein. Überzeugend erscheint dies aber nicht. (Ga)
404
E.
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern
Nachdem der 1. Senat des BAG1 zu § 111 S. 1 BetrVG und der 7. Senat des BAG2 zu § 9 S. 1 BetrVG im Entleiherbetrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei der Anzahl der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer und bei der Größe des Betriebsrats berücksichtigt haben, hat auch der 2. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 24.1.20133 entschieden, dass bei der Bestimmung der Betriebsgröße i. S. von § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. In dem Urteil des 2. Senats des BAG vom 20.2.20144 ging es unter anderem darum, ob Zeiten, während derer ein Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert war, bei einem späteren, sich unmittelbar an die Überlassung anschließenden Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Entleiher auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen sind. Des Weiteren ist das BAG in dieser Entscheidung der Frage nachgegangen, ob ein Wechsel des Vertragsarbeitgebers im Unternehmensverbund regelmäßig Anlass zu der Prüfung gibt, ob eine zumindest konkludente einzelvertragliche Vereinbarung über die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien geschlossen wird. Die Klägerin war zunächst seit dem 1.9.1997 als Verkaufsstellenleiterin bei Anton Schlecker in einer Filiale beschäftigt. Wegen Schließung dieser Filiale zum 31.10.2009 schlossen die Parteien am 26.10.2009 einen Aufhebungsvertrag. Ab dem 2.11.2009 wechselte die Klägerin sodann zu der M-GmbH, die ebenfalls zum Schlecker Konzern gehörte, und wurde von dieser Gesellschaft als Leiharbeitnehmerin auf der Grundlage eines Vertrags vom 14.9.2009 beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgte bei der Schlecker XL-GmbH in einem Drogeriemarkt. Am 18.1.2010 schloss die Klägerin mit der XLGmbH einen Arbeitsvertrag, wonach sie ab 1.2.2010 ihre bisherige Tätigkeit fortsetzte. Außerdem kam es noch im Januar 2010 zu einem Aufhebungsvertrag mit der M-GmbH. Die XL-GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit 1 2 3 4
v. 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221 Rz. 15. v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 7, 21. 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726 Rz. 11. 2 AZR 859/11, BB 2014, 2227.
405
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
der Klägerin mit Schreiben vom 7.7.2010 zum 31.8.2010. In der von der Klägerin angestrengten Kündigungsschutzklage, die sich zwischenzeitlich gegen den Insolvenzverwalter der insolventen XL-GmbH richtete, machte sie geltend, das KSchG käme zur Anwendung, weil ihre als Leiharbeitnehmerin erbrachten Vordienstzeiten auf die Wartezeit bei der Schuldnerin angerechnet werden müssten. Nach der Entscheidung des 2. Senats des BAG5 zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Anwendung von § 23 KSchG bestand durchaus Veranlassung, eine entsprechende Anrechnung auf die Wartezeit zu bejahen, zumal es in der betrieblichen Praxis nicht unüblich ist, länger beschäftigte Leiharbeitnehmer in ein Arbeitsverhältnis beim Entleiher zu übernehmen. Außerdem war das BAG6 davon ausgegangen, dass die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG auch durch Zeiten einer Beschäftigung in demselben Betrieb oder Unternehmen erfüllt werden kann, während derer auf das Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht zur Anwendung gelangte. Das BAG lehnt es indes ab, die im Betrieb des Entleihers verbrachten Beschäftigungszeiten auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen. Nach dieser Vorschrift ist eine Kündigung dann rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder Unternehmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Sinn und Zweck dieser Wartezeit besteht darin, den Parteien des Arbeitsverhältnisses für eine gewisse Zeit zu ermöglichen, zu prüfen, ob sie sich auf Dauer binden wollen7. Nach Ansicht des BAG kann der Erprobungszweck, der bei der Wartezeitregelung in § 1 Abs. 1 KSchG im Vordergrund steht, umfassend nur verwirklicht werden, wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines mit ihm begründeten Arbeitsverhältnisses „nicht nur die Arbeitsleistung“ des Arbeitnehmers, sondern auch dessen „sonstiges Verhalten“ zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung aus eigener Kenntnis zu beurteilen imstande ist. Für die Erfüllung der Wartezeit – und damit die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 1 KSchG – trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast8. Das Ergebnis, die Vordienstzeit als Leiharbeitnehmer bei der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG unberücksichtigt zu lassen, begründet das BAG mit dem 5 6 7 8
v. 24.1.2013 - 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726 Rz. 13. v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148 Rz. 23. BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148 Rz. 21; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11, NZA-RR 2013, 470 Rz. 12. BAG v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 116 Rz. 28; BAG 20.6.2013 - 2 AZR 790/11, NZA-RR 2013, 470 Rz. 15; BAG v. 20.2.2014 - 2 AZR 859/11, BB 2014, 2227 Rz. 21.
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Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern
Sinn und Zweck der Wartezeitregelung, die auf eine Erprobung des Arbeitnehmers gerichtet ist. Das BAG erkennt zwar an, dass Leiharbeitnehmer weitgehend dem arbeitsbezogenen Weisungsrecht, der Organisationshoheit und der Dispositionsbefugnis des Entleihers unterstellt sind. Damit wird jedoch nur ein Teilbereich der Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen, während andere Funktionen wie die Lohnzahlung, Urlaubsgewährung und Entgeltfortzahlung bei Krankheit den Verleiher betreffen, und das dabei gezeigte Verhalten zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung vom Entleiher nicht beurteilt werden kann. Da die Klägerin ohne Berücksichtigung der Vordienstzeiten als Leiharbeitnehmerin die persönliche Wartezeit bei Zugang der Kündigung noch nicht erfüllt hatte, war jedenfalls diese Voraussetzung für eine Anwendung des § 1 KSchG nicht gegeben. Damit war nach Ansicht des BAG gleichwohl noch nicht abschließend geklärt, dass der Klägerin der allgemeine Kündigungsschutz nach § 1 ff. KSchG nicht zustand. Das BAG hielt nämlich eine ergänzende Prüfung für erforderlich, ob sich die Parteien möglicherweise konkludent auf eine Anrechnung der von der Klägerin bei Anton Schlecker und/oder M-GmbH erbrachten Beschäftigungszeiten verständigt haben und ob andernfalls dem Hinweis, die Wartezeit sei von der Klägerin nicht erfüllt, der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Es stellt sich nämlich die Frage, ob möglicherweise von einer stillschweigenden Vereinbarung über die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten dann auszugehen ist, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns versetzt wird, selbst wenn dies mit dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags verbunden ist. Das BAG lehnt dies unter Hinweis darauf ab, dass der allgemeine Kündigungsschutz nicht konzernbezogen, sondern betriebs-, allenfalls unternehmensbezogen ausgestaltet ist. Dies gilt unabhängig davon, ob auf der Gesellschafterebene Personenidentität besteht. Angesichts dessen bedarf es nach Ansicht des BAG für die Annahme einer konkludenten Vereinbarung über die Anrechnung vorangegangener Beschäftigungszeiten besonderer Anhaltspunkte. Derartige Anhaltspunkte können sich aus den Umständen ergeben, unter denen der Wechsel vollzogen wurde. Ein derartiger Umstand kann beispielsweise nach Ansicht des BAG vorliegen, wenn der Arbeitgeberwechsel ausschließlich auf die Initiative des Arbeitgebers zurück zu führen und der Arbeitnehmer beim verbundenen Unternehmen zu annähernd gleichen Arbeitsbedingungen ohne Vereinbarung einer Probezeit weiter beschäftigt wird. Drängen allerdings der bisherige und ein neuer Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Unternehmenswechsel und verfolgen Sie dabei vorrangig das Ziel, den Verlust des Kündigungsschutzes herbeizuführen, kann der Arbeitnehmer bereits nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB so 407
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
zu stellen sein, als hätte er die Wartefrist beim neuen Arbeitgeber bereits erfüllt. Da im Streitfall die äußeren Umstände dafür sprachen, dass die eingetretenen Arbeitgeberwechsel von der Arbeitgeberseite veranlasst worden waren, was aus der Sicht der Klägerin dadurch bestärkt wurde, dass der letzte Arbeitsvertrag keine Probezeit vorsah und möglicherweise weitere Umstände vorlagen, die bei der Klägerin den Eindruck erwecken mussten, ihre Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber setze sich bei dem neuen Arbeitgeber unverändert fort, hat das BAG den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten ist vor allem bei einem Wechsel des Arbeitnehmers innerhalb verschiedener Konzernunternehmen nicht unüblich, indem etwa im Anstellungsvertrag die Vorbeschäftigungszeiten bei einem anderen Konzernunternehmen als bereits bei dem neuen Unternehmen erbrachte Dienstzeiten vereinbart werden. Ungeachtet der Zulässigkeit derartiger Vertragsklauseln bedarf es der Erklärung, welche möglichen Ansprüche sich daraus für den Arbeitnehmer ergeben können. Dies kann bei der Frage der Anwendung des Kündigungsschutzes ebenso relevant werden, wie etwa im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Aus Gründen der Klarstellung sollte der innere Zusammenhang von Ansprüchen, die von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängen, mit der Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten im Arbeitsvertrag hergestellt werden, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen. (Boe)
2.
Bestimmtheit einer Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“
In der betrieblichen Praxis entstehen immer wieder Zweifel über die Wirksamkeit einer Kündigung oder eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrags. Ebenso kann die Frage entstehen, ob eine Befristung wirksam zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Wenn das Risiko der fehlenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage der bereits in Rede stehenden Beendigungstatbestände verringert werden soll, empfiehlt es sich, dass der Arbeitgeber aus Gründen der Vorsorge eine (weitere) Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Fraglich ist, ob eine solche „vorsorgliche“ Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ die notwendige Bestimmtheit besitzt, um als rechtsgestaltende Willenserklärung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.
408
Bestimmtheit einer Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“
In seinem Urteil vom 10.4.20149 hat der 2. Senat des BAG die Bestimmtheit einer solchen Kündigung angenommen. Nachdem die zum Teil unterschiedlichen Feststellungen der verschiedenen Senate des BAG in der Vergangenheit Zweifel aufgeworfen hatten10, ist es sehr zu begrüßen, dass damit weitgehende Rechtssicherheit und -klarheit geschaffen wird. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Nachdem das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis über einige Jahre bestanden hatte, wechselte er – allerdings ohne einen schriftlichen Aufhebungsvertrag – zu einem anderen Unternehmen. Als das Arbeitsverhältnis dort endete, machte er gegenüber der Beklagten Entgeltzahlungsansprüche geltend. Zur Begründung verwies er auf das noch bestehende Arbeitsverhältnis und die fehlende Beendigung anlässlich des früheren Wechsels. Die Beklagte, die das darin liegende Risiko sah, sprach eine vorsorgliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin aus. Der Kläger machte geltend, dass diese Kündigung mangels Bestimmtheit unwirksam sei. Zur Begründung verwies er darauf, dass im Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Quartalsende vereinbart war. Nach dem Tarifvertrag, der für das Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Geltung beanspruchte, galt mit Blick auf seine Betriebszugehörigkeit eine Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende. § 622 BGB würde für den Fall seiner Anwendbarkeit ebenfalls zu einer Kündigungsfrist von vier Monaten zum Monatsende führen. Da die Beklagte im Kündigungsschreiben nicht deutlich gemacht habe, welche Kündigungsfrist für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sei, müsse von einer Unwirksamkeit der Kündigung ausgegangen werden. Das BAG ist dieser Sichtweise nicht gefolgt. Zunächst einmal hat der 2. Senat deutlich gemacht, dass die Kündigung keine Bedingung enthalte, die ihrer Wirksamkeit im Wege stünde. Auch eine „hilfsweise“ oder „vorsorgliche“ Kündigung drücke den Willen des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Solche Zusätze machen lediglich deutlich, dass der Arbeitgeber sich in erster Linie auf einen anderen Beendigungstatbestand berufe, auf dessen Rechtswirkungen er nicht verzichten wolle. Die „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung stehe unter einer – zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung i. S. des § 158 Abs. 2 BGB. Ihre Wir-
9 2 AZR 647/13 n. v. (Rz. 17). 10 Vgl. nur BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, NJW 2013, 3194 Rz. 15; BAG v. 1.9.2010 - 5 AZR 700/09, DB 2010, 2620 f.; BAG v. 9.9.2010 – 2 AZR 714/08, NJW 2011, 1626 Rz. 12.
409
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
kung ende, wenn feststehe, dass das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden sei11. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Kündigung auch nicht deshalb unwirksam, weil im Kündigungsschreiben kein konkretes Beendigungsdatum genannt wurde. Einer solchen Angabe bedurfte es trotz des Umstands nicht, dass die Anwendbarkeit unterschiedlicher Kündigungsfristen in Rede stand. Nach den Feststellungen des BAG verlangt das Erfordernis der Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung vom Kündigenden nicht, den Beendigungstermin als konkretes kalendarisches Datum ausdrücklich anzugeben. Es reiche aus, wenn der gewollte Beendigungstermin für den Kündigungsempfänger zweifelsfrei bestimmbar sei12. Auch eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ sei hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar sei. Denn sie sei typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen wolle, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergebe13. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin sei damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies sei jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar sei und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordere14. Wenn mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer Erklärung genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll, hat dies zwar die fehlende Bestimmtheit der Kündigung zur Folge. Wenn im Kündigungsschreiben aber eine Beendigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ genannt wird, ohne dass es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass sich der Arbeitgeber auf einen wichtigen Grund i. S. des § 626 Abs. 1 BGB mit der Folge einer fristlosen Beendigung berufen will, spricht dies hingegen dafür, dass die Kündigung zu einem erst in 11 BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13 n. v. (Rz. 12); BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 474/12 n. v. (Rz. 19 f.). 12 BAG 10.4.2014 – 2 AZR 647/13 n. v. (Rz. 16); BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197 Rz. 47. 13 BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197 Rz. 49. 14 BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13 n. v. (Rz. 17); BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197 Rz. 49.
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Zurückweisung der Kündigung eines Personalleiters
der Zukunft liegenden, sich aus der zutreffenden Kündigungsfrist ergebenden Termin wirken solle. In diesem Fall hält es der 2. Senat des BAG für ausreichend, wenn der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen feststellen kann, welche individualoder kollektivvertragliche Frist für ihn maßgeblich ist. Das dies vorliegend die längste Frist war, mit der durch den Tarifvertrag sowohl vom Arbeitsvertrag als auch vom Gesetz abgewichen wurde, sei für den Arbeitnehmer problemlos erkennbar gewesen. Dies gelte umso mehr, als die zur Berechnung jeweils maßgebende Dauer der Betriebszugehörigkeit für den Arbeitnehmer bekannt war. Hiervon ausgehend ist es in der betrieblichen Praxis offenbar doch statthaft, jedenfalls aus Gründen der äußersten Vorsorge die zunächst einmal zu einem bestimmten Termin erklärte Kündigung um eine vorsorgliche Kündigung „zum nächstzulässigen“ Termin zu ergänzen, ohne zusätzlich auf die jeweils maßgeblichen Vorschriften hinzuweisen, auf deren Grundlage sich die Kündigungsfrist berechnet. Da das BAG in der jetzt vorliegenden Entscheidung die Bestimmtheit allerdings auch damit begründet hat, dass es für den Arbeitnehmer „problemlos“ möglich gewesen sei, die richtige Frist zu erkennen, empfiehlt es sich, bei erkennbarer Rechtsgrundlage für die Berechnung der Kündigungsfrist diese auch im Kündigungsschreiben zu benennen. Das vermeidet jedenfalls in diesen Fällen jeden Vorwurf, dass die Erkennbarkeit der insoweit maßgeblichen Vorschriften für den Arbeitnehmer nur mit Problemen gegeben war. In den übrigen Fällen muss man das Risiko der hier beschriebenen Diskussion hinnehmen. (Ga)
3.
Zurückweisung der Kündigung eines Personalleiters
Wenn der Arbeitgeber nicht selbst durch den Geschäftsführer oder den Vorstand der Gesellschaft die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, kann dies auch durch einen Vertreter erfolgen. Da es sich bei der Kündigung allerdings um eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung handelt, muss der Arbeitnehmer als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs erkennen können, ob der Vertreter auch insoweit zur Vertretung des Arbeitgebers berechtigt ist. Diesem Umstand trägt § 174 BGB Rechnung. Danach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Eine Zurückweisung ist nach der Rechtsprechung nicht nur dann ausgeschlossen, wenn sich die Befugnis des Vertreters dem Handelsregister ent411
Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
nehmen lässt. Dies ist bei einer Prokura der Fall, sofern ergänzende Vorgaben zur Gesamtprokura beachtet werden. Nach dem Gesetz ist eine Zurückweisung auch dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Wie das BAG mit Urteil vom 25.9.201415 deutlich gemacht hat, liegt ein InKenntnis-Setzen in diesem Sinne auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter - z. B. durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung – in eine Stelle berufen hat, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden ist. Dabei reiche – so das BAG – die interne Übertragung einer solchen Funktion indes nicht aus. Erforderlich sei, dass sie auch nach außen im Betrieb ersichtlich sei oder eine sonstige Bekanntmachung erfolge. Insofern müsse der Erklärungsempfänger davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Erklärende die Stellung tatsächlich innehabe. Kündige ein Prokurist, könne die Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB selbst dann ausgeschlossen sein, wenn der Erklärungsempfänger keine Kenntnis der Erteilung der Prokura bzw. der Prokuristenstellung habe. Dies gelte jedenfalls im Rahmen der Fiktion des § 15 Abs. 2 HGB. Nach den ergänzenden Feststellungen gelten diese Grundsätze auch dann, wenn der Personalleiter und Gesamtprokurist das Kündigungsschreiben mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnet. Insofern kommt es also auf die Frage, ob er auch als Gesamtprokurist die erforderliche Vertretungsmacht hat, nicht an. Der Zusatz nach § 51 HGB solle zwar klarstellen, dass der Erklärende als Prokurist für den Inhaber handele. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass er aus der Funktion als Personalleiter keine alleinige Kündigungsbefugnis habe. Dies gelte erst recht, wenn man berücksichtige, dass ein Gesamtprokurist selbst dann mit dem gewöhnlichen Prokurazusatz zeichne, wenn er nur mit interner Zustimmung des anderen Gesamtprokuristen handele16. Mit diesen Feststellungen wird zwar grundsätzlich eine für den/die Personalleiter/in günstige Feststellung in Bezug auf die alleinige Vertretungsbefugnis getroffen, sofern dem Arbeitnehmer als Empfänger der Kündigung die Funktion des Unterzeichners bekannt ist. Ungeachtet dessen sei der betrieblichen Praxis zur Vermeidung des Risikos einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen einer Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB aber empfohlen, Kündigungen nur durch Vertreter unterzeichnen zu lassen, deren Gesamtver15 2 AZR 567/13 n. v. (Rz. 20). 16 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13 n. v. (Rz. 23 ff.).
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Kündigung wegen Auftragsrückgangs
tretungsbefugnis sich aus dem Handelsregister oder einer ordnungsgemäß unterzeichneten Originalvollmacht ergibt. Das Risiko, das durch eine erfolgreiche Zurückweisung die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB verpasst oder als Folge einer späteren Kündigungsfrist eine spätere Vertragsbeendigung bewirkt wird, rechtfertigt es nicht, sich allein auf die Funktion und die daraus folgende Befugnis eines Personalleiters zu verlassen. (Ga)
4.
Darlegungs- und Beweislast bei betriebsbedingter Kündigung wegen Auftragsrückgangs
Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich auf Dauer entfallen ist. Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, entstehen in der Regel aus innerbetrieblichen Umständen. Regelmäßig handelt es sich dabei um Rationalisierungsmaßnahmen, eine Arbeitszeitflexibilisierung, die Streichung von Aufgaben und/oder die Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen. Wenn solche Maßnahmen den dauerhaften Wegfall einer Beschäftigungsmöglichkeit auslösen, kann dies grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aber auch aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Dies hat der 2. Senat des BAG in seinem Urteil vom 20.2.201417 mit Blick auf einen Auftragsverlust bzw. einen reduzierten Auftragsbestand noch einmal deutlich gemacht. Wenn der Arbeitgeber in solchen Fällen die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer an die verbliebene Arbeitsmenge anpasse, könne sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ableiten. Voraussetzung sei, dass der Arbeitsanfall – dauerhaft – so zurückgegangen sei, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis mehr für eine Beschäftigung bestehe. Wichtig ist, dass arbeitgeberseitig die damit verbundene Darlegungs- und Beweislast berücksichtigt wird. Dies beginnt bei der Vorbereitung der Betriebsratsanhörung, die bereits den entsprechenden Sachvortrag enthalten muss.
17 2 AZR 346/12, ZIP 2014, 1691 Rz. 13 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Wie das BAG deutlich macht, reicht ein Verweis des Arbeitgebers auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen nämlich regelmäßig nicht aus, um einen nachhaltigen Rückgang zu begründen. Der Arbeitgeber, den im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG treffe, müsse vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliege, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten sei. Die Möglichkeit einer „normalen“, im Rahmen des Üblichen liegenden Auftragsschwankung müsse prognostisch ausgeschlossen sein. Diesem Erfordernis müssten – so das BAG – der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags des Arbeitgebers gerecht werden. Er müsse deshalb den nachhaltigen Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darstellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleiche18. Diesen Anforderungen wurde die Beklagte in dem der Entscheidung vom 20.2.201419 zugrunde liegenden Fall nicht gerecht. Denn der durch die Beklagte behauptete Umsatz- und Auftragsrückgang ließ nicht erkennen, dass es sich dabei um einen dauerhaften Zustand handelte. Die Beklagte hatte den Kläger durch Schreiben vom 30.3.2009 mit Wirkung zum 30.6.2009 gekündigt. Zur Begründung dieser Kündigung hatte sie allerdings nur Umsatzzahlen vorgelegt, die den Zeitraum vom 1. Quartal 2008 bis zum 1. Quartal 2009 betrafen. Was den Auftragsbestand anbelangte, beschränkte sich das Zahlenmaterial auf das 2. Halbjahr 2008 und das 1. Quartal 2009. Wie sich das Geschäft der Beklagten in vergleichbaren Referenzperioden davorliegender Jahre konkret – in Zahlen ausgedrückt – darstellte, hatte die Beklagte nicht vorgetragen. Damit war nicht erkennbar, ob etwaige Schwankungen üblich oder unüblich waren. Ebenso wenig war erkennbar, ob eine nachhaltige Tendenz in Bezug auf die Auftragsentwicklung gegeben war. Damit konnte aus Sicht des BAG weder ausgeschlossen werden, dass nur ein kurzzeitiger Auftragseinbruch zu erwarten war, noch war ausgeschlossen, dass die behaupteten Einbußen nur Umsatz- oder Auftragsspitzen betrafen, die für die „normale“ Auftrags- und Beschäftigungslage bei der Beklagten nicht charakteristisch waren. Die Praxis kann aus diesen in der Sache überzeugenden Feststellungen des BAG ableiten, dass nachhaltiger Auftragsrückgang durchaus die betriebsbe18 BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, ZIP 2014, 1691 Rz. 14; BAG v. 23.2.2012 - 2 AZR 548/10, NJW 2012, 2747 Rz. 20. 19 2 AZR 346/12, ZIP 2014, 1691 Rz. 22.
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Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen
dingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Erforderlich ist allerdings, dass die fehlende Möglichkeit einer zukünftigen Weiterbeschäftigung, die auf der Basis aktueller Auftrags- bzw. Umsatzzahlen prognostiziert wird, auf der Basis von Referenzzeiträumen mehrerer Jahre der Vergangenheit erläutert wird. Nur wenn durch diesen Vergleich erkennbar wird, dass eine abweichende, negative Entwicklung eingetreten ist, kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit angenommen werden. (Ga)
5.
Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen
In Übereinstimmung mit grundsätzlichen Feststellungen im Urteil vom 22.11.201220, auf das wir bei früherer Gelegenheit hingewiesen hatten21, hat das BAG im Urteil vom 23.1.201422 noch einmal bestätigt, dass eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist auch aus betrieblichen Gründen in Betracht kommt. Allerdings ist dies eine Ausnahme. Sie kommt – so das BAG – allenfalls dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde23. Schließlich könne es dem Arbeitgeber auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers unzumutbar sein, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über solche Zeiträume hinweg allein durch Gehaltszahlungen ohne eine adäquate Gegenleistung aufrecht zu erhalten. Der Arbeitgeber sei allerdings wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maße verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete, andere Maßnahmen zu vermeiden. Bestehe irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, sei er in der Regel verpflichtet, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen.
20 21 22 23
2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 15 ff. B. Gaul, AktuellAR 2013, 494 ff. 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 Rz. 15 ff. Ebenso bereits BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 15; BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 453/11, NZA 2013, 959 Rz. 22; BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730 Rz. 15.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Erst wenn – so das BAG – alle denkbaren Alternativen ausscheiden, könne ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen24. Diese Voraussetzungen hat der 2. Senat des BAG allerdings in dem seinem Urteil vom 23.1.201425 zugrunde liegenden Fall nicht als gegeben angesehen. Zwar war dort der Arbeitsplatz des Klägers, demgegenüber eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärt worden war, als Folge eines Betriebsteilübergangs weggefallen. Dem damit verbundenen Übergang des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger widersprochen, ohne dass seine Beschäftigung im verbleibenden Restbetrieb möglich war. Die Besonderheit des Falls lag allerdings darin, dass der Kläger bis zur Ausgliederung des Betriebsteils als Datenschutzbeauftragter tätig war. Diese Beauftragung hatte die Beklagte im Anschluss an seinen Widerspruch rechtskräftig widerrufen und dann noch während des nach § 4 f Abs. 3 BDSG fortbestehenden Kündigungsschutzes eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen erklärt. Nach Auffassung des BAG scheiterte die außerordentliche Kündigung bereits daran, dass die ordentliche Kündigung nach der rechtskräftigen Abberufung des Klägers von seinem Amt als Datenschutzbeauftragter nur noch für ein Jahr ausgeschlossen war. Einen solchen Zeitraum ggf. auch ohne adäquate Gegenleistung des Arbeitnehmers überbrücken zu müssen, sei – so das BAG – einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht unzumutbar. Die Grenze zum wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB sei allenfalls dann überschritten, wenn ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über deutlich längere Zeiträume fortgeführt werden müsste. Hiervon sei aber ohne Rücksicht auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht auszugehen, wenn bereits nach Ablauf eines Jahres eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung erklärt werden kann. Dass der Arbeitgeber damit aber verpflichtet würde, das Arbeitsverhältnis auch dann das eine Jahr ohne Kündigung fortzusetzen, wenn schon jetzt sicher sei, dass eine Beschäftigung auch nach Ablauf des Jahres nicht erfolgen könne, überzeugt nicht. Ungeachtet dessen ist das BAG davon ausgegangen, dass die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil die Beklagte nicht ausreichend dargelegt hatte, alle Anstrengungen unternommen zu haben, um eine Beschäftigung des Klägers zu ermöglichen.
24 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 Rz. 17; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 15. 25 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 ff.
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Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen
Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die fehlende Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung für den Fall einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen zum „wichtigen Grund“ des § 626 Abs. 1 BGB gehört. Es obliegt deshalb dem Arbeitgeber, substantiiert darzulegen und im Streitfall auch zu beweisen, dass überhaupt keine Möglichkeit bestanden hat, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen. Insofern muss aus dem Vorbringen des Arbeitgebers heraus nicht nur erkennbar werden, dass er alle freien und in den kommenden Jahren frei werdenden Arbeitsplätze in seine Überlegungen in Bezug auf eine Weiterbeschäftigung einbezogen hat. Der Arbeitgeber ist angesichts des Sonderkündigungsschutzes gehalten, ggf. auch Einschränkungen oder Veränderungen seines unternehmerischen Konzepts hinzunehmen. So verlangt das BAG nicht nur, dass er die durch sein (neues) unternehmerisches Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt. Vielmehr geht der 2. Senat des BAG davon aus, dass insbesondere bei dem Wegfall eines Arbeitsplatzes durch Ausgliederung von Seiten des Arbeitgebers unter Einbindung des Erwerbers bzw. Auftragnehmers geprüft werden muss, ob nicht eine Weiterbeschäftigung des Arbeitgebers beim Erwerber bzw. Auftragnehmer erfolgen kann. Grundlage eines solchen Einsatzes könnte sodann eine Arbeitnehmerüberlassung sein, die – wenn auch nur vorübergehend – einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis entgegenstünde. Will der Arbeitgeber diesen Vorwurf vermeiden, muss seinerseits initiativ aufgezeigt werden, dass eine solche Beschäftigungsmöglichkeit trotz entsprechender Gespräche mit dem Erwerber bzw. Auftragnehmer nicht möglich gemacht werden konnte26. Mit der hier in Rede stehenden Entscheidung des BAG ist zwar noch einmal erkennbar geworden, dass auch (ältere) Arbeitnehmer mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz als Konsequenz des Wegfalls ihres Arbeitsplatzes entlassen werden können. Die Anforderungen, die arbeitgeberseitig hierfür erfüllt werden müssen, sind allerdings hoch. Wichtig ist, die damit verbundene Darlegung schon im Rahmen der Betriebsratsanhörung zu berücksichtigen. (Ga)
26 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 Rz. 21 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
6.
Krankheitsbedingte Kündigung bei ordentlicher Unkündbarkeit
Ob auch häufige Kurzerkrankungen bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer einen Dauertatbestand darstellen können, der den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigung entspricht, berechtigen kann, ist Gegenstand der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 23.1.201427. Der Fall betrifft eine 52-jährige Friedhofsgärtnerin, die bereits seit über 30 Jahren bei der Beklagten beschäftigt war und aufgrund entsprechender tarifvertraglicher Regelung ordentlich unkündbar ist. Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen immer wieder arbeitsunfähig erkrankt. Bei vertrauensärztlichen Untersuchungen wurde ihr eine positive Prognose erteilt. Da die Klägerin im Durchschnitt der letzten zehn Jahre jährlich an 75,25 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt und in der Zeit von 2006 bis 2011 Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 34.432,82 € verursacht hatte, entschloss sich die Beklagte, der Klägerin nach einer zustimmenden Entscheidung der Einigungsstelle am 28.3.2012 zum 30.9.2012 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Diese Kündigung war Gegenstand der Kündigungsschutzklage, die in allen Instanzen - wenn auch mit unterschiedlicher Begründung - zu Gunsten der Klägerin entschieden worden ist. Das BAG geht zunächst – im Gegensatz zum LAG – davon aus, dass die Beklagte die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, weil auch bei „häufigen Kurzerkrankungen“ wie bei einer lang andauernden durchgehenden Arbeitsunfähigkeit ein so genannter „Dauertatbestand“ vorliegen kann. Dieser zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass der Kündigungsgrund fortlaufend neu entsteht und sich damit fortwährend neu verwirklicht. Dies ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen anzunehmen, wenn diese zum ersten Mal den Schluss auf eine „dauerhafte Krankheitsanfälligkeit“ zulassen. Dieser Dauertatbestand endet, wenn eine derartige dauerhafte Krankheitsanfälligkeit wegen einer längeren Phase der Arbeitsfähigkeit nicht mehr prognostiziert werden kann. Soweit es daher um die Frist des § 626 Abs. 2 BGB geht, kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bei ihrem Beginn gerade krank oder gesund ist, sondern darauf, ob die „negative Prognose“ der dauerhaften Krankheitsanfälligkeit noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Ist das zu bejahen, dann beginnt die Frist fortlaufend neu zu laufen. Für die Prognose dauerhafter Krank27 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962 Rz. 16.
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Krankheitsbedingte Kündigung bei ordentlicher Unkündbarkeit
heitsanfälligkeit ist - wie das BAG ausführt - nicht nur auf die einzelnen Erkrankungen und die aus ihnen folgenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen, sondern auch auf deren „zunehmende Dauer“ abzustellen, weil sonst der besondere Bestandsschutz durch die Unkündbarkeit verloren ginge und nicht verbessert werde, was die Unkündbarkeit aber gerade bezweckt. Im Streitfall konnte das BAG mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts diese Frage nicht beantworten. Darauf kam es nicht an, weil das BAG das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes verneint hat. Auch im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung aus wichtigem Grund prüft das BAG die Wirksamkeit der Kündigung in drei Stufen beginnend mit der negativen Zukunftsprognose. Sodann werden die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und schließlich die Interessenabwägung herangezogen, wobei das Maß in den ersten beiden Stufen der Prüfung deutlich über das Maß der ordentlichen Kündigung hinausgehen muss. So ist bezüglich der erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich, wovon auszugehen ist, wenn der Arbeitgeber über Jahre hinweg erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte und der Arbeitnehmer zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nichts mehr beiträgt. Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen sinnentleerten Arbeitsverhältnisses könne dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein. Bei Anwendung dieses strengen Maßstabs gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin diese Voraussetzungen noch nicht vorliegen und sich damit die außerordentliche Kündigung mangels wichtigen Grundes als unwirksam erweist. Dabei berücksichtigt das BAG bezüglich der negativen Zukunftsprognose, dass der als Grundlage für eine Prognose „geeignete Zeitraum von drei Jahren“ vor Zugang der Kündigung einen deutlichen Rückgang der Fehlzeiten infolge Krankheit aufweise. Anhaltspunkte für ein künftiges Ansteigen der Ausfallzeiten lägen nicht vor. Das BAG verneint auch bezüglich der künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung der Beklagten, auch falls diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Wenn die Klägerin noch fast zu zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit arbeitsfähig sei, könne sie den weitaus größeren Teil des Jahres sinnvoll von der Beklagten eingesetzt werden, so dass von einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis nicht die Rede sein könne.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Nach Ansicht des BAG fällt auch die Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin aus. Dabei misst das BAG vor allem dem Alter der Klägerin von 52 Jahren sowie der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als 30 Jahren erhebliches Gewicht zu und berücksichtigt ferner, dass die Fehlzeiten der Klägerin in den letzten drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung zurückgegangen sind. Angesichts dessen überwiegt damit das Bestandsschutzinteresse der Klägerin das Interesse der Beklagten, sich aus dem Arbeitsverhältnis zu lösen. Der Praxis wird mit dieser Entscheidung verdeutlicht, dass bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern auch bei immer wieder auftretenden Kurzerkrankungen, soweit diese nicht sehr deutlich über die Arbeitsanwesenheit des Arbeitnehmers im Jahr hinausgehen, für den Arbeitgeber ungeachtet der wirtschaftlichen Belastung mit Lohnfortzahlungskosten, kaum eine Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund auch mit sozialer Auslauffrist besteht. Diese Bewertung ist der Unkündbarkeit des Arbeitnehmers geschuldet. (Boe)
7.
Personenbedingte Kündigung wegen Alkoholerkrankung
Alkohol am Arbeitsplatz verursacht nicht unerhebliche Probleme in der betrieblichen Praxis, weil nicht nur die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters beeinträchtigt sein kann, vermehrte Abwesenheitszeiten wegen Krankheit auftreten können und damit zusätzliche Kosten für den Arbeitgeber entstehen. Es können auch Sicherheitsprobleme auftreten, die nicht nur bei Betriebsunfällen eine Rolle spielen, sondern auch andere Arbeitnehmer gefährden können. In den Unfallverhütungsvorschriften „Grundsätze der Prävention“ vom Juli 2004 (GUV – V A 1) wird daher in § 15 Abs. 2 vorgeschrieben, dass sich Versicherte durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen dürfen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. In vielen Fällen regeln Arbeitgeber und Betriebsrat in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung, dass die Mitnahme und der Genuss alkoholischer Getränke im Betrieb untersagt ist, welche Verhaltensweisen Vorgesetzte gegenüber Mitarbeitern an den Tag legen dürfen, wenn ein Verdacht auf Alkoholisierung besteht, und welche rechtlichen Konsequenzen im Falle des Alkoholmissbrauchs oder dann eintreten können, wenn sich herausstellt, dass der Alkoholgenuss Suchtcharakter angenommen hat.
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Personenbedingte Kündigung wegen Alkoholerkrankung
In einer neueren Entscheidung vom 20.3.2014 hatte der 2. Senat des BAG28 die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung zu überprüfen, die gegenüber einem Arbeitnehmer wegen einer bei ihm vorliegenden Alkoholerkrankung ausgesprochen worden war. Der Fall betrifft einen 1956 geborenen und verheirateten Arbeitnehmer, der bei einem Entsorgungsunternehmen für Abbruchschrott aus Metall als Hofarbeiter beschäftigt wurde. Neben Hofarbeitern werden Lkw-Fahrer sowie (nur noch) Verwaltungskräfte bei der Beklagten beschäftigt. Die Hofarbeiter haben die Aufgabe, Schrott zu sortieren, zu reinigen und zu entsorgen, wobei Gabelstapler, Lader und Bagger mit einem Gewicht von bis zu 35 t zum Einsatz kommen und bei der Verrichtung der Tätigkeit teilweise öffentliche Straßen befahren werden müssen. Am 14.1.2010 wurde der Kläger alkoholisiert an seinem Arbeitsplatz angetroffen und nach Hause geschickt. Im Mai 2010 begann er eine Entziehungskur, die er jedoch Anfang Juli 2010 abbrach. Mit Einverständnis des Klägers führte die Beklagte in den Monaten Juli bis September 2010 Alkoholtests bei ihm durch, die am 31.8.2010 einen Wert von 1,81 Promille, am 13., 15. und 20.9.2010 eine Alkoholkonzentration von 0,6, 0,16 und 0,52 Promille ergaben. Am 1.3.2011 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nur eine in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis besaß. Am 7.3.2011 teilte der behandelnde Arzt mit, dass bei dem Kläger keine weiteren Alkoholentwöhnungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Mit Schreiben vom 4.4.2011 kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.8.2011. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Das BAG prüft die Wirksamkeit der Kündigung unter dem Gesichtspunkt der krankheitsbedingten Kündigung – genauer der personenbedingten Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) - nach der Dreistufentheorie. Soweit es um die negative Zukunftsprognose (erste Stufe) geht, durfte die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung davon ausgehen, dass der Kläger aufgrund der Alkoholsucht nicht mehr in der Lage sein würde, seine Tätigkeit als Hofarbeiter dauerhaft ordnungsgemäß zu erbringen. Die Alkoholabhängigkeit hindert den Kläger daran, aus Gründen der Minderung der Wahrnehmungsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit gefahrlos für sich selbst oder für Dritte seine bisherige Tätigkeit weiterhin durchzuführen. Die negative Zukunftsprognose wird dabei – nach Ansicht des BAG - durch den Abbruch der stationären Behandlung gestützt. Vor Ausspruch der Kündigung wurde keine neue Therapie begonnen.
28 2 AZR 565/12, NZA 2014, 602.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Die Alkoholerkrankung führt auch zu einer „erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen“ (zweite Stufe), weil der Kläger nicht gefahrlos für sich selbst oder Dritte seine Tätigkeit weiterhin erbringen konnte. Dabei verweist das BAG auch auf die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“. Diese sieht in § 7 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen darf. Außerdem enthält § 15 Abs. 2 dieser Unfallverhütungsvorschrift das Gebot, dass sich Versicherte nicht durch den Konsum unter anderem von Alkohol in einen Zustand versetzen dürfen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Da die Kündigungsberechtigung des Arbeitgebers zukunftsorientiert angelegt ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob und gegebenenfalls wie oft der Arbeitnehmer in der Vergangenheit objektiv durch seine Alkoholisierung am Arbeitsplatz gesetzliche Vorgaben verletzt oder eine Gefährdungssituation ausgelöst hat. Das BAG prüft nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, ob der Kläger vor Ausspruch der Kündigung anderweitig hätte eingesetzt werden können. Dies wird verneint, weil eine Tätigkeit im Verwaltungsbereich mangels Fähigkeit des Klägers nicht in Betracht kam und andere Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten nicht anfielen. In diesem Zusammenhang ging es auch um die Frage, ob sich das Versäumnis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) für die Beklagte negativ auswirke. Das BAG verneint dies mit der überzeugenden Erwägung, dass mangels Therapiewilligkeit des Klägers ein derartiges Verfahren überflüssig gewesen sei. Auch die Interessenabwägung (dritte Stufe) fiel zu Gunsten der Beklagten aus, so dass bei der Abwägung ihr Beendigungsinteresse Vorrang vor der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses verdiente. Das BAG geht davon aus, dass es der Beklagten auf Dauer nicht mehr zumutbar war, die mit einer möglichen Alkoholisierung des Klägers verbundenen Gefährdungen hinzunehmen, zumal geeignete Mittel, diesen angemessen zu begegnen, nicht verfügbar waren. Dieses Gefahrenpotenzial vermochte auch die zwölfjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, sein Alter und die gegenüber seiner Ehefrau bestehende Unterhaltsverpflichtung nicht aufzuwiegen. Dabei fiel ins Gewicht, dass die Beklagte dem Kläger die Chance einer Bewährung in Gestalt der stationären Behandlung eingeräumt hat, die er nicht genutzt hatte. Angesichts dessen konnte das BAG dahinstehen lassen, ob der Kläger ohne einen deutschen Führerschein in seiner bisherigen Funktion nicht mehr eingesetzt werden konnte. Diese Entscheidung sollte allerdings nicht den Eindruck vermitteln, dass die Kündigung wegen einer Alkoholerkrankung des Arbeitnehmers mangels 422
Praktische Handhabe der Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Verdachtskündigung
seiner Therapiebereitschaft stets für den Arbeitgeber möglich ist. Hier sprach die Besonderheit des Falles wegen der Gefährdung Dritter aufgrund der spezifischen Arbeitssituation für die Möglichkeit der Kündigung, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch keinen alternativen Arbeitsplatz anbieten konnte, bei dem das Gefährdungspotenzial keine Rolle spielte. Der Alkoholismus ist für sich allein betrachtet noch kein personenbedingter Kündigungsgrund, solange damit keine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen verbunden ist. Außerdem ist der Arbeitgeber regelmäßig nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gehalten, dem Arbeitnehmer zumindest eine Chance einzuräumen, dem Suchtproblem mit einer entsprechenden ärztlichen Behandlung zu begegnen29. Bei Rückfällen nach Alkoholtherapien darf der Arbeitgeber in der Regel prognostizieren, dass sich zukünftig an dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers nichts ändern wird30. Für die rechtliche Bewertung der Kündigungsberechtigung des Arbeitgebers kommt es auch nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung seine Bereitschaft signalisiert, Therapiemaßnahmen zu ergreifen31. (Boe)
8.
Praktische Handhabe der Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Verdachtskündigung
Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat tatsächlich begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar32. Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt und ferner dringend sein. Es muss darüber hinaus eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft33. Verdächtigungen, die auf mehr oder weniger haltbare bloße Vermutungen gestützt sind, können eine Verdachtskündigung nicht rechtfertigen34. Der Arbeitgeber muss zudem alle zumutbaren 29 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 639/98, NZA 1999, 1328 Rz. 34; ebenso etwa Schaub/Linck, ArbR-Hdb. § 131 Rz. 18 m. w. N. 30 BAG v. 16.9.1999 – 2 AZR 123/99 - NZA 2000, 141 Rz. 13, 21. 31 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 639/98, NZA 1999, 1328 Rz. 34. 32 BAG v. 25.10.2012 - 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371 Rz. 13; BAG v. 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 16. 33 BAG v. 12.5.2010 - 2 AZR 587/08, NZA-RR 2011, 15 Rz. 27; BAG v. 25.11.2010 - 2 AZR 801/09, NZA-RR 2012, 222 Rz. 16; BAG v. 25.10.2012 - 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371 Rz. 14. 34 BAG v. 24.5.2012 - 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137 Rz. 17; BAG v. 25.10.2012 - 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371 Rz. 14.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben35 (sog. Reinigungsgespräch). Bestätigt sich der Verdacht, ist des Weiteren zu prüfen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist. Diese Zumutbarkeitsprüfung erfolgt anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes36. Dabei sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu gewichten37 und das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers gegenüber zu stellen. Wir hatten bereits im Frühjahr38 mit Blick auf die Problematik der Verdachtskündigung auf die Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 21.11.201339 hingewiesen, wonach eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt ist, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Das BAG rechtfertigt diese Bewertung unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG damit, dass das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers bei der Güterabwägung Vorrang vor dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers verdient, weil die Rechtsordnung das Risiko, einen Unschuldigen zu treffen, nicht in Kauf nimmt40. Nunmehr war die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB bei einer außerordentlichen Verdachtskündigung Gegenstand einer Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 20.3.201441. Der Fall betrifft einen Kläger, der seit 1981 als IT-Techniker im Servicebereich der Beklagten beschäftigt wird. Durch eine anonyme Anzeige veranlasste die Beklagte eine Untersu35 BAG v. 25.11.2010 - 2 AZR 801/09, NZA-RR 2012, 222 Rz. 16; BAG v. 24.5.2012 - 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137 Rz. 16; BAG v. 25.10.2012 - 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371 Rz. 13. 36 So BAG v. 10.6.2010 - 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 34; BAG v. 19.4.2012 - 2 AZR 258/11, NZA-RR 2012, 567 Rz. 15. 37 BAG v. 19.4.2012 - 2 AZR 258/11, NZA-RR 2012, 567 Rz. 14; BAG v. 25.10.2012 - 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371 m. w. N. Rz. 16. 38 Boewer/AktuellAR 2014, 133, 137. 39 2 AZR 797/11, DB 2014, 367. 40 BAG v. 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, DB 2014, 367 Rz. 33. 41 2 AZR 1037/12 – DB 2014, 1932.
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Praktische Handhabe der Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Verdachtskündigung
chung ihrer Innenrevision, deren Bericht am 7.12.2010 vorlag. Danach soll der Kläger durch Manipulation eines Leistungsverzeichnisses über Telekommunikations- und Datennetzleistungen von einer Firma 200,- € bar erhalten haben. Mit Schreiben vom 8.12.2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13.12.2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der seit dem 26.7.2010 erkrankte Kläger befand sich in Reha und bat deswegen mit EMail vom 12.12.2010 darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14.12.2010 sowohl an den Kläger als auch an dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog, der sich auf 13 einzelne Fragenbereiche bezog. Sie setzte dem Kläger eine Frist zur Beantwortung bis zum 17.12.2010, 12:00 Uhr. Mit Schreiben vom 15.12.2010, teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, wegen der bis zum 11.1.2011 andauernden Reha-Maßnahme sei es „kaum möglich“, innerhalb der gesetzten Frist zu den Fragen Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme sei nach Ablauf der Maßnahme zu erwarten. Mit Schreiben vom 20.12.2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Verdachts- und Tatkündigung an. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 22.12.2010 mit der Begründung, der Kläger sei nicht ausreichend angehört worden. Mit Schreiben vom 27.12.2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Das ArbG und das LAG haben der Klage entsprochen. Nach Ansicht des LAG hatte die Beklagte bereits die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB versäumt, so dass sich die Frage der Berechtigung der fristlosen Kündigung nicht mehr stellte. Auf die Revision der Beklagten hat das BAG den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen, weil nach Ansicht des BAG für das Versäumnis der Kündigungserklärungsfrist noch tatsächliche Feststellungen zu treffen waren. In diesem Zusammenhang wiederholt das BAG die bereits in früheren Entscheidungen für den Fristbeginn entwickelten Grundsätze: Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl „die für als auch die gegen eine Kündigung“ sprechenden Umstände42. Hat der Kündigungsberechtigte bis42 BAG v. 27.1.2011 - 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798 Rz. 15; BAG v. 21.2.2013 - 2 AZR 433/12, NZA-RR 2013, 515 Rz. 27.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
lang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann er nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne43. Dies gilt allerdings nur solange, wie er „aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile“ Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Die Anhörung des Kündigungsgegners darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen44. Dabei gereicht es dem Arbeitgeber nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt45. In Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze gelangt das BAG im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Beklagte, nachdem der Bericht der Innenrevision vorlag, den Kläger zeitnah innerhalb einer Woche zu einer Anhörung eingeladen hatte. Wegen der Rehabilitationsmaßnahme habe die Beklagte auch dann mit der gebotenen Eile gehandelt, wenn sie dem Kläger zur Beantwortung des Fragenkatalogs eine Frist bis zum 17.12.2010 gesetzt hat, zumal dies auf eine entsprechende Bitte des Klägers geschah. Erst mit Ablauf der Frist zur Stellungnahme begann am 18.12.2009 die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen, so dass sich die am 27.12.2010 ausgesprochene Kündigung im Rahmen der Zwei–Wochen–Frist bewegte, wenn sie bis zum 30.12.2010 zugegangen sein sollte. Den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hatte das LAG nicht geklärt, weil es davon ausgegangen war, dass die Beklagte spätestens mit der Vorlage des Revisionsberichts am 7.12.2010 die notwendigen Kenntnisse für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung gehabt habe und es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht bedurft hätte. Für den Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB käme es nach Ansicht des BAG auch darauf an, ob eine für die Beklagte kündigungsberechtigte Person bereits vor dem 17.12.2010 von Umständen Kenntnis erlangt hätte, wonach sich der Kläger bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist ohnehin nicht mehr äußern würde. Dann käme ein früherer Fristbeginn infrage. Ungeklärt blieb auch bislang, ob die Beklagte möglicherweise bereits vor dem Revisionsbericht Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile durchgeführt hat.
43 BAG v. 25.11.2010 – 2 AZR 492/92, NZA-RR 2011, 177 Rz. 21; BAG v. 21.2.2013 – 2 AZR 433/12, NZA-RR 2013, 515 Rz. 27. 44 BAG v. 27.1.2011 - 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798 Rz. 15. 45 BAG v. 21.2.2013 – 2 AZR 433/12, NZA-RR 2013, 515 Rz. 27.
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Praktische Handhabe der Zwei-Wochen-Frist bei außerordentlicher Verdachtskündigung
Wenn die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung grundsätzlich davon abhängt, dass dem Arbeitnehmer zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss, kann die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht vor Abgabe der Stellungnahme beginnen. Insofern gilt etwas anderes, als dies bei der Frage der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG der Fall ist, die keine Verlängerung der Zwei-Wochen-Frist auslöst. Fraglich konnte daher im Streitfall sein, ob der Fristbeginn bis nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme hinauszuschieben war, weil der Kläger seine Stellungnahme erst danach in Aussicht gestellt hatte. Einen derartigen Aufschub der Frist lehnt das BAG aber bereits deshalb ab, weil die Beklagte dem Kläger über den 17.12.2010 hinaus keine Fristverlängerung eingeräumt hat. Ergänzend verweist das BAG darauf, dass sich die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten nicht allein deswegen als rechtsunwirksam erweist, weil sie ohne die erforderliche Anhörung des Klägers ausgesprochen worden sei. Wenn auch die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist46, ist ein Unterbleiben der Anhörung des Arbeitnehmers unschädlich, weil es überflüssig ist, wenn er von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und damit an der Aufklärung mitzuwirken. Ebenso ist nach Ansicht des BAG zu entscheiden, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen des Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, und sich dieser innerhalb der ihm gesetzten angemessenen Frist nicht äußert. Dabei soll gleichgültig sein, ob der Arbeitnehmer längerfristig und unfreiwillig auch an einer schriftlichen Stellungnahme aus Gründen einer Erkrankung gehindert ist. Der Arbeitgeber sei nicht gehalten, die Zeit abzuwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern könne, bevor er die Kündigung ausspricht. Er verletzt damit nicht seine Aufklärungspflicht aus § 626 Abs. 1 BGB, weil ihm unter den obwaltenden Umständen eine weitere Verzögerung der Kündigung nicht zugemutet werden kann. Davon ist auszugehen, wenn in absehbarer Zeit mit einer Stellungnahme des Arbeitnehmers nicht gerechnet werden kann. Welcher Zeitraum dafür maßgebend ist, kann davon abhängen, ob die bisherigen Aufklärungsmaßnahmen längere Zeit in Anspruch genommen haben und keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug drohen.
46 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137 Rz. 32 f.; BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2013, 1416 Rz. 31.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Wartet allerdings – so das BAG – der Arbeitgeber bei derartiger Sachlage die Gesundung des Arbeitnehmers ab, um ihm doch noch die Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen, bestehen hinreichende besondere Umstände, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung nachgesucht hat. Auf den Streitfall bezogen fehlten bereits nach Auffassung des BAG Anhaltspunkte dafür, aus welchen Gründen sich der Kläger außer Stande sah, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, nachdem er zunächst um eine solche ohne Hinweis auf die zeitliche Einschränkungen durch die RehaMaßnahme gebeten hatte. Für die betriebliche Praxis verbleiben aufgrund dieser sicherlich weiterführenden Entscheidung des BAG zur außerordentlichen Verdachtskündigung gewisse Unsicherheiten, die darauf zurückzuführen sind, dass das BAG keine automatische Verletzung der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers annehmen will, wenn sich der Arbeitnehmer krankheitsbedingt oder aus persönlichen Gründen längerfristig auch schriftlich zu den ihm vorgehaltenen Verdachtsmomenten nicht äußern kann und um eine Verlängerung der Äußerungsfrist bittet. Es bleibt dann doch die Unsicherheit, ob bei besonderen Fallkonstellationen andere Maßstäbe anzulegen sind. Zumindest aber muss sich der Arbeitnehmer detailliert zu den Gründen äußern, die eine Fristverlängerung für seine Stellungnahme rechtfertigen können. Der Arbeitgeber mag dann entscheiden, ob er ein weiteres Zuwarten mit dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung für zumutbar erachtet. Jedenfalls gereicht ihm dies hinsichtlich der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht zum Nachteil. (Boe)
9.
Social Media: Außerordentliche Kündigung wegen kritischer Meinungsäußerung in You-Tube-Video
Ob Bewerber für den Wahlvorstand einen Sonderkündigungsschutz genießen und ob Erklärungen, die ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Bildung eines Betriebsrats abgibt und die in einem Video über das Internet und über den Facebook-Account des Arbeitnehmers verbreitet werden, für eine außerordentliche Kündigung ausreichen können, war Gegenstand einer Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 31.7.201447.
47 2 AZR 505/13 n. v.
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Außerordentliche Kündigung wegen kritischer Meinungsäußerung in You-Tube-Video
Die Beklagte stellt Verpackungen her. Nachdem in ihrem Betrieb am 10.2.2012 auf Einladung der Gewerkschaft ver.di die Wahl eines Wahlvorstands gescheitert war, stellte ver.di beim Arbeitsgericht den Antrag, einen Wahlvorstand zu bestellen und schlug u. a. auch den Kläger vor, der allerdings unberücksichtigt blieb. Nach Erhalt einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 17.2.2012 zum 31.3.2012, die nach mehreren Abmahnungen aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen worden war, beteiligte sich der Kläger an der Erstellung eines Videos, das im Auftrag von ver.di über gewerkschaftliche Themen berichtet. Dabei erklärte der Kläger, es gebe im Betrieb „Probleme“. An einzelnen Maschinen würden Sicherheitsvorkehrungen fehlen. Man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei „zu 100 % ausgerüstet“. Das Problem sei, dass „ keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 % erfüllt“ werde. Das Video wurde ins Internet gestellt und war bei „You Tube“ zu sehen. Der Kläger verbreitete es zudem über „Facebook“. Diesen Vorgang nahm die Beklagte zum Anlass, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 15.3.2012 fristlos zu kündigen. Mit der gegen die fristlose Kündigung gerichteten Klage machte der Kläger geltend, ihm müsse auch der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG zuteilwerden. Außerdem fehle es an einem wichtigen Grund. Die Vorinstanzen haben die Klage des Klägers abgewiesen. Das BAG hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen und der Feststellungsklage des Klägers entsprochen. In Übereinstimmung mit dem LAG Hamm48 und der herrschenden Lehre im Schrifttum49 lehnt auch das BAG eine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG auf den Wahlvorstandskandidaten ab50. Das BAG geht davon aus, dass der in diesen Vorschriften geregelte besondere Kündigungsschutz nur für Wahlbewerber, nicht aber für Arbeitnehmer gilt, die für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidieren oder vorgeschlagen werden. Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber nur die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, nicht aber den Bewerber zum Wahlvorstand, sondern praktisch im gleichen Atemzug den Wahlbewerber unter den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG stellt, spricht dies unmissverständlich dafür, dass der Gesetzgeber den Wahlvorstandskandidaten nicht für besonders schutzwürdig angesehen hat. Dies wird zusätzlich durch § 103 Abs. 1 48 v. 15.3.2013 – 13 Sa 6/13, AuA 2013, 484 Rz. 51, 54. 49 Fitting, § 103 BetrVG Rz. 10; Richardi/Thüsing § 103 Rz. 8; Fischermeier, ZTR 1998, 433, 434. 50 So aber Stein, AuR 1975, 201, 202; HK/Dorndorf, § 15 KSchG Rz. 30.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
BetrVG bestätigt, der die außerordentliche Kündigung von Wahlvorstandsmitgliedern und Wahlbewerbern von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig macht, jedoch den Wahlvorstandskandidaten unerwähnt lässt. Der von § 15 Abs. 3 KSchG bezweckte Schutz der Unabhängigkeit des Wahlbewerbers51 ist auch vom Zweck des Gesetzes her nicht mit dem Bewerber für das Amt des Wahlvorstands vergleichbar. Ist ein Arbeitnehmer Betriebsratskandidat geworden, muss der Arbeitgeber von diesem Zeitpunkt an ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, ein ihm möglicherweise nicht genehmer Bewerber werde in ein betriebsverfassungsrechtliches Amt gewählt. Der damit verbundenen vergrößerten Kündigungsgefahr will der Gesetzgeber begegnen und damit einen Schutz der Betriebsratswahl bewirken52. Bei einem Kandidaten für den Wahlvorstand lässt sich vor seiner Wahl oder Bestellung zum Wahlvorstandsmitglied ein derartiges Gefährdungspotential nicht ausmachen. Erst das Amt verdient besonderen Schutz, weil es auf die Vorbereitung und Durchführung der Wahl gerichtet ist und zu konfliktiven Situationen mit dem Arbeitgeber führen kann. Angesichts dessen lässt sich auch keine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 3 KSchG oder § 103 Abs. 1 BetrVG rechtfertigen. Insofern hätte es im vorliegenden Fall einer gerichtlichen Zustimmung zum Ausspruch der Kündigung bedurft, weil im Betrieb der Beklagten noch kein Betriebsrat existent war53. Da die Wirksamkeit der Kündigung im Streitfall nicht an fehlender arbeitsgerichtlicher Zustimmung scheiterte, war die Frage gestellt, ob die über das Internet verbreiteten Äußerungen des Klägers Anlass für eine fristlose Kündigung sein konnten. Das BAG verneint bereits das Vorliegen eines wichtigen Grundes, weil die Erklärungen in dem Video erkennbar verdeutlichen sollten, weshalb der Kläger die Bildung eines Betriebsrats als sinnvoll angesehen habe. Der Kläger habe nicht behaupten wollen, die Beklagte beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte. Neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten ist auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben54. Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses eine Rücksichtnahmepflicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners. Danach ist der Arbeitnehmer auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die be-
51 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660 Rz. 31. 52 BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 299/11, AP Nr. 72 zu § 15 KSchG 1969 Rz. 12. 53 BAG v. 16.12.1982 - 2 AZR 76/81, DB 1983, 1049 Rz. 3; HWK/Ricken § 103 BetrVG Rz. 10. 54 BAG v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798 Rz. 24.
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Änderungskündigungen als Entlassung im Sinne des § 17 KSchG
rechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Ein außerdienstliches Verhalten kann die berechtigten Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich jedoch nur dann beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Davon ist auszugehen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus55. Auch bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen außerhalb des Arbeitsverhältnisses können einen Betriebsbezug aufweisen. Sie sind nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst56. Äußerungen, die ein Werturteil enthalten, fallen hingegen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Nach Ansicht des BAG57 dürfen Arbeitnehmer unternehmensöffentlich auch Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern, was auch bei der Teilnahme an einer Betriebsratswahl gilt58. (Boe)
10. Änderungskündigungen als Entlassung im Sinne des § 17 KSchG Mit überzeugender Begründung hat der 2. Senat des BAG im Urteil vom 20.2.201459 klargestellt, dass die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG auch ordentliche Änderungskündigungen erfasst. Diese seien nach Wortlaut, Systematik und Zweck der gesetzlichen Regelung als Entlassung zu behandeln, ohne dass es darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer das ihm im Zusammenhang mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot bei oder nach Zugang der Kündigung mit oder ohne Vorbehalt angenommen habe. Hiervon ausgehend muss in der betrieblichen Praxis geprüft werden, ob die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG unter Einbeziehung von Änderungskündigungen innerhalb des 30-Tage-Zeitraums überschritten werden60. Da die Beteiligung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG und die Erstattung der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG vor Ausspruch der Kündigungen erfolgen müssen, kommt es auch nicht darauf an, ob der 55 BAG v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798 Rz. 31. 56 BVerfG v. 25.10.2012 - 1 BvR 901/11, NJW 2013, 217 Rz. 19. 57 BAG v. 7.7.2011 - 2 AZR 355/10, NZA 2011, 1412 Rz. 14; BAG v. 27.9.2012 - 2 AZR 646/11, AP Nr. 240 zu § 626 BGB Rz. 27; BAG v. 29.8.2013 - 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660 Rz. 36. 58 BAG v. 29.8.2013 - 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660 Rz. 36. 59 2 AZR 346/12, ZIP 2014, 1691 Rz. 36 ff. 60 Zur Massenentlassungsanzeige siehe eingehend Zwarg/Alles, DB 2014, 2287 ff.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt oder ob als Folge seines Schweigens bzw. einer Ablehnung nur noch eine Beendigungskündigung in Rede steht. Missachtet der Arbeitgeber die aus §§ 17 Abs. 2, 3 KSchG folgenden Pflichten, hat dies nach § 17 Abs. 1, 3 S. 2 KSchG i. V. mit § 134 BGB die Unwirksamkeit der Beendigungskündigungen zur Folge. Dies gilt auch für solche, die im Rahmen von Änderungskündigungen erklärt wurden61. Auf diese Rechtsfolge können sich auch solche Arbeitnehmer berufen, die nur eine Beendigungskündigung erhalten, wenn mangels Einbindung der Änderungskündigungen in unzutreffender Weise von einem Unterschreiten der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG ausgegangen wurde. (Ga)
11.
Keine Altersdiskriminierung durch betriebszugehörigkeitsbezogene Staffelung von Kündigungsfristen
Das Verbot mittelbarer Diskriminierung ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Eine mittelbare Diskriminierung kann daher nur vorliegen, wenn die benachteiligten und die begünstigten Personen vergleichbar sind62. In der Entscheidung vom 18.9.2014 war der 6. Senat des BAG erstmalig mit der Frage befasst, ob die in § 622 Abs. 2 BGB vorgesehene Staffel der Kündigungsfristen, die sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Der zur Entscheidung gestellte Fall betrifft eine Klägerin, die bei der Beklagten, die weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt und eine Golfanlage betreibt, seit Juni 2007 als Aushilfe beschäftigt worden war. Nach einer Abmahnung sprach die Beklagte mit Schreiben vom 20.12.2011 eine ordentliche Kündigung zum 31.1.2012 aus. Damit hatte die Beklagte die in § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB einzuhaltende Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats gewahrt. Da das KSchG keine Anwendung fand, stritten die Parteien nur noch darüber, ob die Beklagte wegen mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Alters eine Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats,
61 BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, ZIP 2014, 1691 Rz. 46. 62 EuGH v. 12.10.2004 - C-313/02, NZA 2004, 1325 Rz. 55 - Wippel; BAG v. 27.1.2011 – 6 AZR 526/09, NZA 2011, 1361 Rz. 33; BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, NZA 2014, 489 Rz. 18.
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Staffelung von Kündigungsfristen
d.h. zum 31.7.2012 hätte einhalten müssen. Die entsprechende Feststellungsklage der Klägerin war in allen Instanzen erfolglos. In Übereinstimmung mit dem LAG Hessen63 geht das BAG davon aus, dass die nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit ausgerichtete Kündigungsstaffel des § 622 Abs. 2 S. 1 BGB keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt, weil sie zur Erreichung eines rechtmäßigen Ziels, älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz verschaffen will. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Verlängerung der Kündigungsfristen auch in ihrer konkreten Staffelung nach Ansicht des BAG angemessen und erforderlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b) Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV hielt das BAG nicht für angezeigt. Dieser Bewertung des BAG ist uneingeschränkt beizutreten. Bereits das LAG Hessen hat in seiner Urteilsbegründung zu Recht darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Kündigungsfristen mit zunehmender Dauer der Betriebszugehörigkeit Kündigungsschutzcharakter aufweist, der im beschäftigungspolitischen Interesse liegt. Eine längerfristige Bindung an einen Arbeitsvertrag kann - wie das LAG Hessen überzeugend darlegt - dazu führen, dass für den Arbeitnehmer eine Umorientierung in Richtung einer anderweitigen Beschäftigung ebenso wie die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung zunehmend erschwert wird. Andererseits liefe es einer sinnvollen Beschäftigungspolitik zuwider, wenn bereits zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses sehr lange Kündigungsfristen gölten, da dies durchaus als Einstellungshindernis angesehen werden müsste. Diese Sichtweise entspricht auch den unionsrechtlichen Vorgaben. Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind64. Dabei verfügen die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie 63 v. 13.5.2013 – 7 Sa 511/12, LAGE § 622 BGB 2002 Nr. 8. 64 EuGH v. 13.9.2011 - C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 8 – Prigge.
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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Ermessensspielraum65. Da die Kündigungsstaffelung des § 622 Abs. 2 S. 1 BGB vom Gesetzgeber darauf angelegt ist, älteren Arbeitnehmern mit einer langen Dauer der Betriebszugehörigkeit nach Ausspruch einer Kündigung des Arbeitgebers einen längeren Zeitraum mit einer wirtschaftlichen Absicherung zur Verfügung zu stellen, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden, ist das Mittel der Anhebung der Kündigungsfristen bei fortschreitender Betriebszugehörigkeit erforderlich und angemessen, um dieses Ziel zu erreichen. (Boe)
12. Schriftformerfordernis bei tarifvertraglicher Altersgrenze bzw. auflösender Bedingung wegen Erwerbsunfähigkeit Grundsätzlich rechtfertigt der dauerhafte Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Arbeitnehmer durch eine dauerhafte Rentenleistung wirtschaftlich abgesichert ist66. Dies entspricht vergleichbaren Überlegungen zur Wirksamkeit einer tarifvertraglichen Altersgrenzenklausel, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze für den ungekürzten Bezug der Regelaltersrente bewirken soll67. Eine nur befristete Erwerbsunfähigkeitsrente rechtfertigt dies nicht. Hier gilt auch § 92 SGB IX. Grundsätzlich setzt die Wirksamkeit einer Befristung bzw. die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung voraus, dass darüber eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffen wird (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Obwohl § 14 Abs. 4 TzBfG insoweit nicht tarifdispositiv ist, hält das BAG eine Anwendbarkeit des Schriftformerfordernisses dann für verzichtbar, wenn die Befristung bzw. die auflösende Bedingung in einem einschlägigen Tarifvertrag vereinbart wurde, der aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit, Allgemeinverbindlicherklärung oder arbeitsvertraglicher Bezugnahme zur Anwendung kommt. In seinem Urteil vom 23.7.201468 macht der 7. Senat des BAG indes deutlich, dass die einem Tarifvertrag zukommende Ausgewogenheit, die insbe65 EuGH v. 22.11.2005 - C-144/04, NZA 2005, 1345 Rz. 63 - Mangold. 66 BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12 n. v. (Rz. 58); BAG v. 27.7.2011 – 7 AZR 402/10, ZTR 2014, 162 ff. Rz. 43. 67 Vgl. EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 ff. - Rosenbladt. 68 7 AZR 771/12 n. v. (Rz. 39 ff.).
434
Schriftformerfordernis bei tarifvertraglicher Altersgrenze bzw. auflösender Bedingung
sondere die Warnfunktion des Schriftformerfordernisses in § 14 Abs. 4 TzBfG entbehrlich mache, nur dann gegeben sei, wenn der Tarifvertrag insgesamt auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde und nicht nur einzelne, den Arbeitnehmer belastende Regelungen in Bezug genommen würden. Diese Feststellungen haben für die betriebliche Praxis ganz erhebliche Bedeutung. Sie bewirken nämlich, dass insbesondere Altersgrenzenklauseln, die durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze bewirken sollen, grundsätzlich an eine vollständige Inbezugnahme des einschlägigen Tarifvertrags geknüpft sind. Wenn nur ein Teil des Tarifvertrags einbezogen werden soll, wäre der Verweis unter Berücksichtigung dieser Überlegungen zur § 14 Abs. 4 TzBfG nur wirksam, wenn von den übrigen Regelungen des Tarifvertrags ausschließlich zu Gunsten des Arbeitnehmers abgewichen würde. Dies ist bei AT-Verträgen und Verträgen mit leitenden Angestellten in der Regel nicht der Fall. Denn insbesondere dann, wenn gekorene ATAngestellte in Rede stehen, muss die in Bezug auf Arbeitszeit und Vergütung getroffene Regelung nicht zwingend günstiger als der Tarifvertrag sein. Hier empfiehlt es sich, die Altersgrenzenklausel und/oder eine auflösende Bedingung für den Fall der Erwerbsunfähigkeit in den Arbeitsvertrag selbst zu übernehmen. Denn damit würde das gesetzliche Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG ohne Rücksicht darauf erfüllt, ob und ggf. in welchem Umfang der Tarifvertrag im Übrigen zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht würde. (Ga)
435
F.
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
1.
Betriebsrentenanpassung: Kennzeichnung der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als der Arbeitgeber davon ausgehen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an. Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse bieten den geeigneten Einstieg für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch des vorhandenen Eigenkapitals1. Hat der Arbeitgeber eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen vorzunehmen, ist für die gerichtliche Nachprüfung dieser Entscheidung der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte. Dies gilt auch für die nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vom Arbeitgeber zu treffende Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrenten. Für die Billigkeit seiner Ermessensentscheidung kommt es auf die zum Zeitpunkt des Anpassungsstichtags zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in den folgenden drei Jahren bis zum nächsten Anpassungsstichtag an2. Wie die Bewertung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens bei der vom Versorgungsschuldner zu treffenden Entscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vorgenommen werden muss, das im für die Prüfung maßgeblichen Bewertungszeitraum aus der Verschmelzung zweier Unternehmen entstanden ist, war Gegenstand der Entscheidung des 3. Senats des BAG vom 15.4.20143. Das BAG4 hatte bereits bei früherer Gelegenheit bei einer derar1 2 3
BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 125/11, NZA-RR 2013, 598 Rz. 40; BAG v. 15.4.2014 – 3 AZR 51/12, DB 2014, 2054 Rz. 27. BAG v. 20. 8.2013 – 3 AZR 750/11, BetrAV 2013, 721 Rz. 55. 3 AZR 51/12, DB 2014, 2054.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
tigen Konstellation ausgeführt, dass es grundsätzlich auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der beiden ursprünglich selbständigen Unternehmen „bis zur Verschmelzung“ ankommt. Die Verschmelzung ist jedoch bei der Prognose zu berücksichtigen. Maßgeblich ist deshalb nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG, ob aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der beiden ursprünglich selbständigen Unternehmen am Anpassungsstichtag damit zu rechnen war, dass der Versorgungsschuldner die aus der Anpassung resultierenden höheren Belastungen aus den zu erwartenden Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens aufbringen konnte. Nach Vollzug einer Verschmelzung ist allerdings die gesonderte Bewertung der einzelnen Geschäftsbereiche nicht zulässig. § 16 BetrAVG sieht keine fiktive Fortschreibung früherer gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse vor. An diese Rechtsprechung knüpft der 3. Senat des BAG in der Entscheidung vom 15.4.2014 an. Der Fall betrifft einen Arbeitnehmer, der als außertariflicher Angestellter bei der D-AG beschäftigt war und ab 1.1.1998 eine Betriebsrente von monatlich 847,72 € bezog. Die D-AG, die ihre Anpassungsprüfungen zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres gebündelt hatte, passte die Betriebsrente des Klägers zum 1.1.2007 auf 964,- € monatlich an. Zum Anpassungsstichtag 1.1.2009 hob sie die Betriebsrenten ihrer ehemaligen Mitarbeiter um 7,28 % an. Am 11.5.2009 wurde die D-AG auf die Beklagte verschmolzen. Beide Gesellschaften hatten vor der Verschmelzung zur Sicherung und Befriedigung von Versorgungsansprüchen Treuhandgesellschaften gebildet und auf diese entsprechende Mittel übertragen. Der als Vertrag zugunsten Dritter für die Versorgungsempfänger ausgestattete Treuhandvertrag sollte im Falle der Insolvenz, aber auch bei Verzögerung der Pensionsleistungen den Versorgungsempfängern einen Anspruch auf Zahlung einräumen. Infolge der Bankenkrise nahm die Beklagte aus dem Finanzmarktstabilisierungsfond insgesamt 16 Milliarden € durch entsprechende Einlage in Anspruch, wodurch der Finanzstabilisierungsfond mit knapp 25 % am Aktienkapital der Beklagten beteiligt wurde. Die Beklagte erwirtschaftete nach den handelsrechtlichen Abschlüssen im Jahr 2007 eine Eigenkapitalverzinsung von 7,93 %, im Jahre 2008 einen Verlust von 1,17 Milliarden €, im Geschäftsjahr 2009 einen Verlust von 3,7 Milliarden €. Auch im Jahre 2010 lag der Verlust der Beklagten bei 1,19 Milliarden €. Bei der D-AG waren im Geschäftsjahr 2008 Verluste in Höhe von 6,18 Milliarden € erwirtschaftet worden. Zum 1.1.2010 wäre die Betriebsrente des Klä-
4
BAG v. 31.7.2007 - 3 AZR 810/05, DB 2008, 135 Rz. 23; BAG v. 20.8.2013 – 3 AZR 750/11, BetrAV 2013, 721 Rz. 39.
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Kennzeichnung der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners
gers, die sich inzwischen auf 964,- € belief, unter Berücksichtigung des Anstiegs des Verbraucherpreisindexes für Deutschland um 5,273 % um 50,83 € anzuheben gewesen. Die Beklagte lehnte für ca. 4.000 Betriebsrenten unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrente ab. Im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung berief sich der Kläger unter anderem darauf, dass die D-AG vor der Verschmelzung mit der Beklagten trotz fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Pensionsanpassungen vorgenommen hatte und sich daraus eine betriebliche Übung zu seinen Gunsten ergäbe. Überdies habe die Beklagte nach dem Stichtag am 1.1.2010 hohe Bonuszahlungen an leitende Angestellte ausgeschüttet, die Bezüge der Vorstände erhöht und hohe Sponsorenzahlungen für die C-Arena geleistet. Die Anpassungsklage des Klägers war in allen Instanzen erfolglos. Das BAG wiederholt zunächst die in der Rechtsprechung gefestigten Grundsätze zur Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG. Die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners berechtigt danach zu einer Ablehnung, wenn die Ertragskraft des Unternehmens nicht ausreicht, um die Anpassung der Betriebsrenten bis zum nächsten Stichtag zu finanzieren. Davon ist auszugehen, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei verlorenem Eigenkapital muss dieses wieder aufgebaut werden, bevor eine Anpassung der Betriebsrenten zumutbar ist. Die Eigenkapitalverzinsung muss angemessen sein. Dabei muss der Basiszins der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen nebst einem Risikozuschlag von 2 % in Ansatz gebracht werden. Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die erzielten Betriebsergebnisse und andererseits auf die Höhe des Eigenkapitals abzustellen. Beide Berechnungsfaktoren richten sich nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln und nicht nach den International Financial Reporting Standards5. Unter Berücksichtigung dieser Parameter hat das BAG die vom Kläger gewünschte Anpassung seiner Betriebsrente abgelehnt und dabei auch die Besonderheiten der Verschmelzung berücksichtigt. Das BAG prüft daher die wirtschaftliche Entwicklung der beiden Gesellschaften bis zum Zeitpunkt der Verschmelzung und geht der Frage nach, ob aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der beiden ursprünglich selbständigen Unternehmen am Anpassungsstichtag damit zu rechnen war, dass der Versorgungsschuldner zu der Anpassung in der Lage sein wird. Im Hinblick auf die zu berücksichtigende Verschmelzung gelten diese Grundsätze nicht nur bei einer Ver5
Vgl. dazu Boewer/AktuellAR 2013, 167 ff.
439
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
schmelzung eines wirtschaftlich gesunden Unternehmens auf ein wirtschaftlich schwaches Unternehmen, sondern auch dann, wenn ein wirtschaftlich schwaches Unternehmen auf ein wirtschaftlich starkes Unternehmen verschmolzen wird. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung der beiden Gesellschaften bis zur Verschmelzung und danach kam aus der Sicht des BAG keine Betriebsrentenanpassung in Betracht. Dabei weist das BAG darauf hin, dass nach Vollzug einer Verschmelzung die gesonderte Bewertung der einzelnen Geschäftsbereiche nicht zulässig ist. § 16 BetrAVG sieht keine fiktive Fortschreibung früherer gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse vor6, so dass im Streitfall die wirtschaftliche Lage der C-AG für die Frage der Rentenanpassung entscheidend war, die jedoch eine Anpassung nicht zuließ. Der Kläger vermochte auch nicht mit Erfolg geltend zu machen, dass die DAG vor der Verschmelzung auf die C-AG in mehreren zurückliegenden Jahren die Betriebsrenten höher als den Kaufkraftverlust angepasst hatte und sich daraus zu seinen Gunsten eine betriebliche Übung herleiten ließe, die von der Beklagten fortgesetzt werden müsse. Da der Arbeitgeber zu jedem Anpassungsstichtag erneut über die Anpassung der Betriebsrenten gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG zu entscheiden hat, wobei seine Entscheidung unter Berücksichtigung seiner eigenen wirtschaftlichen Lage neben den Belangen des Versorgungsempfängers billigem Ermessen entsprechen muss, steht es ihm frei, bei ausreichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine höhere Anpassung vorzunehmen, als er schuldet. Aus einem derartigen Verhalten können die Betriebsrentner als Adressaten der Betriebsrentenanpassung nach Auffassung des BAG lediglich den Schluss ziehen, dass die D-AG ihrer Anpassungsverpflichtung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG habe nachkommen wollen. Dies würde auch gelten, wenn die D-AG trotz mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Anpassung nachgekommen wäre, weil auch daraus nicht geschlossen werden könne, dass sie bei künftigen Anpassungsstichtagen gleichermaßen verfahren werde. Die Betriebsrentenanpassung ließ sich auch nicht auf das Argument des Klägers stützen, die Beklagte habe hohe Bonuszahlungen an leitende Angestellte ausgeschüttet, die Gehälter der Vorstände erhöht sowie hohe Sponsorenzahlungen für eine Arena geleistet. Aus derartigen Zahlungen lässt sich – wie das BAG hervorhebt – nicht auf die wirtschaftliche Belastbarkeit der Beklagten schließen, weil derartige Investitionen unabhängig von der wirtschaftlichen Lage für zweckmäßig gehalten werden können und nichts über diese aussagen. 6
So bereits BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 125/11, NZA-RR 2013, 598 Rz. 69.
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Betriebsrentenanpassung: Wahrung der Rügefrist nach § 16 BetrAVG
Die Ablehnung der Betriebsrentenanpassung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage zum Anpassungsstichtag wurde seitens der Beklagten auch nicht dadurch beeinflusst, dass die beiden Gesellschaften vor der Verschmelzung Vermögenswerte auf Treuhandgesellschaften übertragen hatten, die der Sicherung und der zeitnahen Erfüllung der Versorgungsansprüche dienen sollten und den Betriebsrentnern bei derartigem Befund einen unmittelbaren Anspruch nach § 328 Abs. 1 BGB einräumten. Auf der Grundlage der Treuhandverträge bestand nämlich kein direkter Zugriff der Beklagten auf das Treuhandvermögen, so dass dieses bei der Bewertung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten vom BAG unbewertet blieb. Für die betriebliche Praxis sind vor allem zwei Aspekte dieser Entscheidung des BAG bedeutsam: Zum einen der Hinweis, dass der Versorgungschuldner bei ausreichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine höhere Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vornehmen kann, als sie zum Ausgleich des Kaufkraftverlusts geboten wäre, aber auch bei mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit mehrfach eine Anpassung vornehmen kann, ohne Gefahr zu laufen, auch bei künftigen Anpassungsprüfungen aufgrund einer betrieblichen Übung in gleicher Weise verfahren zu müssen. Der weitere Punkt von Bedeutung besteht darin, dass aus Gründen einer Anpassungsprüfungspflicht aus § 16 Abs. 1 BetrAVG der Zeitpunkt der Verschmelzung bedacht werden muss, weil der Teuerungsausgleich nach der Verschmelzung auch an Betriebsrentner gewährt werden muss, deren Unternehmensträger vor der Verschmelzung wegen seiner wirtschaftlichen Lage eine Betriebsrentenanpassung hätte zu Recht ablehnen dürfen. (Boe)
2.
Betriebsrentenanpassung: Wahrung der Rügefrist nach § 16 BetrAVG
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hält der Versorgungsberechtigte die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig, muss er dies nach ständiger Rechtsprechung des BAG vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. In seinem Urteil vom 21.10.20147 hat der 3. Senat des BAG deutlich gemacht, dass eine Klage, die zwar innerhalb dieser Frist bei Gericht eingeht, dem Arbeitgeber aber erst nach dem folgenden Anpassungsstichtag zuge7
3 AZR 690/12 n. v.
441
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
stellt wird, diese Frist nicht wahren kann. § 16 BetrAVG verlange – so das BAG – einen tatsächlichen Zugang der Rüge bei dem Versorgungsschuldner innerhalb der richterrechtlich bestimmten Rügefrist. Im zugrundeliegenden Fall bezog der Kläger seit 1993 eine Betriebsrente. Die Beklagte passte die Betriebsrente des Klägers zum Anpassungsstichtag 1.7.2008 unter Berufung auf die reallohnbezogene Obergrenze auf monatlich 1.452,83 € an. Mit der per Telefax am 27.6.2011 sowie im Original am 28.6.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 6.7.2011 zugestellten Klage hat der Kläger die Anpassungsentscheidung der Beklagten angegriffen und die Zahlung einer höheren Betriebsrente verlangt. Abweichend von den Vorinstanzen hat das BAG die Klage abgewiesen. Der Kläger könne nicht verlangen, dass die Beklagte an ihn ab dem 1.7.2008 eine höhere Betriebsrente zahle, da er die von der Beklagten zu diesem Anpassungsstichtag getroffene Anpassungsentscheidung nicht fristgerecht bis zum 30.6.2011 gerügt habe. Zwar sei die auf Zahlung einer höheren Betriebsrente gerichtete Klage vor Ablauf der Rügefrist beim Arbeitsgericht eingegangen. Sie wurde der Beklagten jedoch erst danach und damit verspätet zugestellt. Auf § 167 ZPO könne in diesem Zusammenhang nicht zurückgegriffen werden. Die Auslegung von § 16 BetrAVG ergebe, dass die Rüge einer unzutreffenden Anpassungsentscheidung dem Arbeitgeber bis zum Ablauf des Tages zugegangen sein müsse, der dem folgenden Anpassungsstichtag vorangehe. Damit der Arbeitgeber seine wirtschaftliche Lage zuverlässig beurteilen könne, müsse er bereits zum jeweils aktuellen Anpassungsstichtag wissen, ob und in wie vielen Fällen eine vorangegangene Anpassungsentscheidung gerügt wurde. Dieser Auffassung und der darin liegenden Ablehnung einer Anwendbarkeit von § 167 ZPO auf die Wahrung materiell-rechtlicher Fristen ist angesichts der besonderen Situation im Rahmen der Anpassungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zuzustimmen. Dass beispielsweise im Rahmen von § 15 Abs. 4 AGG eine andere Sichtweise geboten ist, hatten wir an anderer Stelle aufgezeigt8. (Ga)
8
B. Gaul, AktuellAR 2014, 357.
442
Betriebsrentenanpassung in konzernbezogener Rentnergesellschaft
3.
Betriebsrentenanpassung in konzernbezogener Rentnergesellschaft
Mit seinem Urteil vom 17.6.20149 hat der 2. Senat des BAG für die Betriebspraxis überaus wichtige Feststellungen zur Durchführung einer Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrVG getroffen, die für Gesellschaften maßgeblich sind, die ohne ein operatives Geschäft ausschließlich mit der Abwicklung von Betriebsrentenansprüchen befasst sind (Rentnergesellschaften). Hier hat der 3. Senat des BAG Grundsätze aufgestellt, die deutlich machen, dass frühere Überlegungen zur Betriebsrentenanpassung in einer Rentnergesellschaft nach dem Wirksamwerden einer Ausgliederung gemäß § 123 UmwG nicht verallgemeinerungsfähig sind. Grundsätze, die das BAG im Urteil vom 11.3.200810 entwickelt hatte, bleiben deshalb auf die besondere Situation nach einer Spaltung gemäß § 123 UmwG begrenzt. Unabhängig davon hat das BAG in dem jetzt vorliegenden Urteil vom 17.6.201411 seine bisherige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs im Konzern abgeändert und den neuen Vorgaben der BGH-Rechtsprechung angepasst. Wir hatten an anderer Stelle bereits auf die insoweit zu erwartende Rechtsprechungsänderung hingewiesen, die außerhalb von § 16 BetrAVG auch für die Dotierung von Sozialplänen Relevanz hat12.
a)
Grundsätze der Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG
§ 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet den Arbeitgeber, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat er die Belange der Versorgungsempfänger und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist er nicht zu einer Anpassung verpflichtet. § 16 Abs. 1 BetrAVG knüpft an die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers an, der die Versorgungszusage gemacht hat. Auf seine wirtschaftliche Lage, ggf. die eines Rechtsnachfolgers, ist abzustellen13.
9 10 11 12 13
3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667. 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790 ff. 3 AZR 298/13 n. v. (Rz. 61 ff.). Vgl. B. Gaul/Schmidt, DB 2014, 300 ff. BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13 n. v. (Rz. 38).
443
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ist eine Zukunftsprognose aufzustellen, die auf der Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens bis zum Anpassungsstichtag versucht, die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers aufzuzeigen. Um die notwendige Zuverlässigkeit zu erreichen, muss die bisherige Entwicklung über einen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden14. Gerechtfertigt ist die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung nur dann, wenn das Unternehmen dadurch in der Zukunft übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Hiervon ist in Übereinstimmung mit den Feststellungen des BAG im Urteil vom 17.6.201415 dann auszugehen, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Hiervon ausgehend rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung nur dann und insoweit, als der Arbeitgeber auf der Grundlage seiner Prognose annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Maßgeblich ist dabei die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens. Eine Verpflichtung, die Anpassungen aus der Unternehmenssubstanz zu finanzieren, besteht nicht16. Es genügt nicht, wenn einzelne Einkünfte des Arbeitgebers den Umfang der Anpassungslast übersteigen. Vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen, wie die Ertragskraft des Unternehmens im Ganzen geprägt ist. Grundlage für die insoweit erforderliche Feststellung der erzielten Betriebsergebnisse und des vorhandenen Eigenkapitals sind dabei für das BAG die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse17. Grundsätzlich erlischt der Anspruch auf Prüfung und Entscheidung über eine Anpassung nach § 18 Abs. 1 BetrAVG nach Ablauf einer Frist von drei Jahren ab dem Anpassungsstichtag. Wenn der Betriebsrentner die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für falsch hält, muss dies grundsätzlich
14 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13 n. v. (Rz. 39); BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 125/11, NZA-RR 2013, 598 ff. Rz. 39. 15 3 AZR 298/13 n. v. (Rz. 40). 16 So bereits BAG v. 28.8.2013 – 3 AZR 750/11, AP Nr. 91 zu § 16 BetrAVG Rz. 30; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, NZA 2011, 1416 ff. Rz. 27. 17 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13 n. v. (Rz. 40 f.); BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 615/10, AP Nr. 88 zu § 16 BetrAVG Rz. 42.
444
Betriebsrentenanpassung in konzernbezogener Rentnergesellschaft
vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend gemacht werden. Ohne Rüge erlischt der Anspruch auf nachträgliche Anpassung, also auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung18. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versorgungsschuldner keine ausdrückliche (positive oder negative) Anpassungsentscheidung getroffen hat. Zwar enthält das Schweigen des Versorgungsschuldners die Erklärung, nicht anpassen zu wollen. Diese gilt – so das BAG – jedoch erst nach Ablauf von drei Jahren nach dem Anpassungsstichtag als abgegeben. Der Betriebsrentner kann daher die unterbliebene Anpassung noch bis zum übernächsten Anpassungstermin rügen19. Abweichend von diesen Grundsätzen kann eine unberechtigterweise abgelehnte Anpassung der Betriebsrente auch dadurch unangreifbar werden, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung mit einer Mitteilung gemäß § 16 Abs. 4 S. 2 BetrAVG verknüpft. Denn danach gilt eine Anpassung ohne Rücksicht auf die eigentlichen Anforderungen aus § 16 Abs. 1 BetrAVG als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber den Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er durch den Arbeitgeber auf die Rechtsfolge eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.
b)
Besonderheiten bei einer Rentnergesellschaft
Insbesondere mit Blick auf die bisherige BAG-Rechtsprechung war umstritten, ob und ggf. in welcher Weise diese Anpassungsverpflichtung auch durch eine Rentnergesellschaft erfüllt werden muss. Anlass hierfür war die Entscheidung des BAG vom 11.3.200820. In dieser Entscheidung hatte der 3. Senat die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitgeber, der Versorgungsverbindlichkeiten im Wege einer Spaltung nach § 123 UmwG auf eine Rentnergesellschaft übertrage, als Konsequenz seiner nachvertraglichen Fürsorgepflicht (§§ 242, 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet sei, den übernehmenden Rechtsträger wirtschaftlich so auszustatten, dass er künftige Betriebsrentenanpassungen vornehmen könne. Wir hatten darüber bei früherer Gelegenheit berichtet21.
18 Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2014, 441 f. 19 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 27; BAG v. 25.4.2006 – 3 AZR 372/05, DB 2006, 2527 f. Rz. 15. 20 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790 ff. 21 B. Gaul, AktuellAR 2008, 301 ff.
445
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
In seinem Urteil vom 17.6.201422 hat der 3. Senat des BAG zunächst einmal deutlich gemacht, dass die vorstehend aufgezeigten Grundsätze zur Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG im Wesentlichen zwar auch für sogenannte Rentner- und Abwicklungsgesellschaften gelten. Auch solche Gesellschaften seien nicht verpflichtet, die Kosten für die Betriebsrentenanpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen. Auch ihnen sei eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen. Deshalb reiche es nicht aus, wenn der Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft lediglich das gesetzlich vorgeschriebene Stammkapital verbleibe. Geboten sei lediglich, bei der Rentner- und Abwicklungsgesellschaft eine Eigenkapitalverzinsung schon dann als angemessen zu kennzeichnen, wenn sie der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen entspreche. Für einen Zuschlag von 2 %, wie er bei werbenden Unternehmen vorzunehmen sei, deren in das Unternehmen investierte Eigenkapital einem höheren Risiko ausgesetzt sei, bestehe bei diesen Gesellschaften kein Anlass23. Mit überzeugender Begründung lehnt es der 3. Senat des BAG ab, der Rentner- und Abwicklungsgesellschaft eine Anwendung dieser Grundsätze wegen Missachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verwehren. Eine solche Bewertung könne auch dem Urteil des BAG vom 11.3.200824 nicht entnommen werden. Zwar habe der 3. Senat des BAG in dieser Entscheidung erkannt, dass den versorgungspflichtigen Arbeitgeber grundsätzlich die arbeitsvertragliche Nebenpflicht treffe, eine Gesellschaft, auf die Versorgungsverbindlichkeiten ausgegliedert würden, so auszustatten, dass sie nicht nur die laufenden Versorgungsleistungen zahlen könne, sondern auch zu den gesetzlich vorgesehenen Anpassungen in der Lage sei. Auch eine Verletzung dieser Pflicht zur ausreichenden Ausstattung der Rentnergesellschaft verbiete es dieser aber nicht, sich auf die unzureichende wirtschaftliche Lage zu berufen. Vielmehr habe eine Missachtung der Verpflichtung zur hinreichenden Ausstattung der Rentnergesellschaft zur Folge, dass der Versorgungsempfänger einen Schadenersatzanspruch gegen den früheren Arbeitgeber als übertragenden Rechtsträger gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2, 31, 278 BGB geltend machen könne. Insofern handelt es
22 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 42 ff. 23 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 42; BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, BB 2011, 700 ff. Rz. 37, 39. 24 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790 ff.
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Betriebsrentenanpassung in konzernbezogener Rentnergesellschaft
sich also nicht um einen Anspruch aus § 16 Abs. 1 BetrAVG, sondern um eine Außenhaftung des Alt-Arbeitgebers25. In seinem aktuellen Urteil vom 17.6.201426 lehnt es das BAG ab, eine solche Schadenersatzpflicht auch auf den Fall zu übertragen, dass die Rentnergesellschaft durch Übertragung des operativen Geschäfts auf einen anderen Rechtsträger entsteht. Ein solcher Übertragungsvorgang könne zwar zur Folge haben, dass der künftige Ertrag der Gesellschaft ohne das operative Geschäft nicht mehr ausreiche, um unter Berücksichtigung einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung eine Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zu rechtfertigen. Dennoch bestehe aber keine Verpflichtung, im Zusammenhang mit der Übertragung des operativen Geschäfts das bei der übertragenden Gesellschaft verbleibende Vermögen so festzulegen, dass auch künftige Betriebsrentenanpassungen finanziert werden können. Ausdrücklich unterscheidet das BAG insoweit zwischen diesem Sachverhalt und der Übertragung von Versorgungsverbindlichkeiten im Rahmen einer Spaltung nach § 123 UmwG. Bei einer solchen Übertragung nach § 123 UmwG komme es zu einem Wechsel in der Person des Versorgungsschuldners. Schuldner der Versorgungsleistungen sei in diesem Fall nicht mehr der ursprüngliche Arbeitgeber, sondern die Rentnergesellschaft, auf die die Versorgungsverpflichtungen übertragen würden. Diese habe nunmehr nicht nur die laufenden Versorgungsleistungen zu erbringen, sondern sei zudem zur Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG verpflichtet und dürfe eine Anpassung ablehnen, wenn ihre eigene wirtschaftliche Lage eine solche nicht zulasse. Damit bestünde die Gefahr, dass Gestaltungsoptionen des UmwG dazu genutzt würden, die Versorgungsverpflichtungen auf eine nicht ausreichend ausgestattete Gesellschaft zu übertragen und dadurch die schutzwürdigen Interessen der hätte Versorgungsberechtigten zu beeinträchtigen. Eine vergleichbare Gefahr sieht der 3. Senat des BAG hingegen nicht als gegeben an, wenn der frühere Arbeitgeber und – spätere – Versorgungsschuldner sein operatives Geschäft im Wege des Betriebsübergangs an einen Betriebserwerber veräußere, da die Versorgungsverpflichtungen bei dem ursprünglichen Versorgungsschuldner verblieben27. Dieser Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Denn die Situation entspricht dem Fall, dass der Versorgungsschuldner sich zu einer Einstellung des Geschäftsbetriebs entschließt und – ohne Liquidation – die Gesellschaft 25 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 52; BAG v. 11.3.2008 – 3 AZR 358/06, NZA 2099, 790 ff. Rz. 56. 26 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 53. 27 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 57.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
als Rentnergesellschaft fortgeführt wird. Sie entspricht auch der Situation, dass lukrative Betriebsteile veräußert und solche Betriebsteile beim Versorgungsschuldner fortgeführt werden, mit denen der für eine Betriebsrentenanpassung erforderliche Ertrag nicht erwirtschaftet werden kann. In allen Fallgestaltungen entsprechen diese Veränderungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, vor der ein Betriebsrentner auch durch § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht geschützt wird.
c)
Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs im Konzern
Wenn der Versorgungsschuldner ein verbundenes Unternehmen im Konzern ist, stellt sich die ergänzende Frage, ob im Wege eines Berechnungsdurchgriffs im Rahmen der Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ausnahmsweise auf die wirtschaftliche Lage einer anderen Konzerngesellschaft abgestellt werden kann. Hiervon war das BAG unter Bezug auf die damalige BGH-Rechtsprechung bereits in seinen Urteilen vom 28.4.199228 und vom 14.12.199329 ausgegangen. Grundlage waren die damaligen Grundsätze des BGH zur Haftung des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens im qualifiziert faktischen Konzern30. In Übereinstimmung mit den Überlegungen, die wir in Bezug auf die Dotierung von Sozialplänen bei konzernverbundenen Unternehmen an anderer Stelle festgehalten hatten31, hat der 3. Senat des BAG seine dahingehende Rechtsprechung allerdings aufgegeben und den neuen Grundsätzen, wie sie durch den BGH in der Grundsatzentscheidung vom 16.7.200732 entwickelt wurden, angepasst. Die frühere Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern wird deshalb nicht mehr aufrechterhalten. Ausgangspunkt der neuen Rechtsprechung ist zunächst einmal der Grundsatz, dass ein Berechnungsdurchgriff bei konzernverbundenen Unternehmen nur dann zu einer höheren Zahlungsverpflichtung des in Anspruch genommenen Unternehmens führen kann, wenn für das in Anspruch genommene Unternehmen die Möglichkeit besteht, diese höhere Belastung an das andere
28 3 AZR 244/91, DB 1992, 2401 f. 29 3 AZR 519/93, NZA 1994, 551. 30 Vgl. nur BGH v. 16.9.1985 – II ZR 285/84, BGHZ 295, 330 ff.; BGH v. 23.9.1991 – II ZR 135/90, BGHZ 115, 187 ff.; BGH v. 29.3.1993 - II ZR 265/91, BGHZ 122, 123 ff. 31 B. Gaul/Schmidt, DB 2014, 300 ff. 32 II ZR 3/04, BB 2007, 1970 ff.
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Betriebsrentenanpassung in konzernbezogener Rentnergesellschaft
Unternehmen weiterzugeben, sich also bei diesem zu refinanzieren33. Eine solche „Refinanzierungsmöglichkeit“ besteht nach den neuen Grundsätzen des BGH aber nur dann, wenn ein existenzvernichtender Eingriff mit Ausgleichsansprüchen nach § 826 BGB vorliegt34. Dies wiederum ist daran geknüpft, dass nicht gerechtfertigte und kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen vorliegen und dies eine Insolvenz der Gesellschaft bzw. deren Vertiefung zur Folge hat. Ausgehend davon, dass diese Voraussetzung nur in sehr seltenen Fallkonstellationen gegeben ist, dürfte der Berechnungsdurchgriff sowohl bei der Betriebsrentenanpassung als auch bei der Sozialplandotierung kaum noch praktische Bedeutung besitzen.
d)
Besonderheiten bei Beherrschungs- bzw. Ergebnisabführungsverträgen
Wenn ein Beherrschungsvertrag besteht, hat dies einen Berechnungsdurchgriff zur Folge. Soweit die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners nach § 16 Abs. 1 BetrAVG maßgeblich ist, muss also auch auf die Leistungsfähigkeit der herrschenden Gesellschaft abgestellt werden35. Ob dies auch dann gilt, wenn lediglich ein Ergebnis- bzw. Gewinnabführungsvertrag besteht, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Während zum Teil von einer entsprechenden Möglichkeit eines Berechnungsdurchgriffs ausgegangen wird36, neigt der 3. Senat des BAG in seinem Urteil vom 17.6.201437 erkennbar dazu, einen Berechnungsdurchgriff bei dem bloßen Abschluss eines Ergebnis- bzw. Gewinnabführungsvertrags abzulehnen. Zwar sei nach § 302 Abs. 2 AktG der andere Vertragsteil auch bei Bestehen eines Ergebnis- bzw. Gewinnabführungsvertrags zum Verlustausgleich verpflichtet; allerdings sei die Interessenlage hier eine andere. Ein bloßer Gewinnabführungsvertrag sei weder mit einer tatsächlichen Beherrschung noch mit dem Recht und der Möglichkeit zur nachteiligen Einflussnahme auf den Versorgungsschuldner verbunden. Die Rechtsfolgen der §§ 302 f. AktG träten hier allein unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für die Pflicht der verbundenen Gesellschaft zur Gewinnabführung ein. Der Gewinnabfüh33 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 67; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, NZA 2011, 1416 ff. Rz. 32. 34 Vgl. BGH v. 9.2.2009 – II ZR 292/07, BB 2009, 1037 ff.; BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BB 2007, 1970 ff. 35 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 80; BAG v. 26.5.2009 – 3 AZR 369/07, NZA 2010, 641 ff. Rz. 31; B. Gaul/Schmidt, DB 2014, 300 ff. 36 Vgl. Arendt, RdA 2012, 340, 342; B. Gaul/Schmidt, DB 2014, 300 ff. 37 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 81.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
rungsvertrag gebe der Konzernobergesellschaft insoweit – anders als im Beherrschungsvertrag – nicht das Recht und die Möglichkeit, ihre eigene unternehmerische Zielkonzeption zu entwickeln und zu verfolgen und diese, ggf. durch Ausübung des Weisungsrechts, in der durch den Unternehmensvertrag verbunden Gesellschaft durchzusetzen. Die Möglichkeit einer fast schrankenlosen Disposition über die Geschäftspolitik und das Vermögen der verbundenen Gesellschaft bestehe also nicht. Anders als beim Beherrschungsvertrag verlöre das verbundene Unternehmen deshalb nicht umfassend seine wirtschaftliche Selbständigkeit. Es werde nicht seiner Geschäftspolitik und unternehmerischen Zielsetzung beeinflusst. Es verliere „lediglich“ seine Freiheit, sich für die Verwendung des Gewinns zu entscheiden. Da es der Versorgungsempfänger im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG auch hinzunehmen habe, dass ein nicht durch einen Unternehmensvertrag gebundenes Unternehmen seinen Gewinn nicht im Sinne einer optimalen Prosperität des Unternehmens verwende, sei es zweifelhaft, ob allein das Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags eine Abweichung von der Grundregel des § 16 Abs. 1 BetrAVG rechtfertige, wonach es ausschließlich auf die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners ankomme. Zu erwägen ist aus Sicht des 3. Senats vielmehr, ob dem Interesse der Versorgungsempfänger im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG dadurch ausreichend Rechnung getragen werde, dass die wirtschaftliche Lage des zur Anpassung verpflichteten Unternehmens vor der Gewinnabführung berücksichtigt werde38. Der insoweit durch den 3. Senat ausgearbeitete Mittelweg überzeugt. Er hält die grundsätzliche Systematik einer Anknüpfung an den Versorgungsschuldner, wie er durch § 16 Abs. 1 BetrAVG vorgegeben wird, aufrecht. Zugleich aber berücksichtigt er den Umstand, dass der Ergebnis- bzw. Gewinnabführungsvertrag als Folge der damit verbundenen Abführung des Gewinns die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verschlechtern kann. Die betriebliche Praxis wird sich darauf bei einer Bewertung der Rechtsfolgen solcher Unternehmensverträge einstellen müssen. Dies gilt auch für die Dotierung eines Sozialplans bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG.
e)
Rechtsfolgen eines Schuldbeitritts
Zum Teil ist es im Rahmen von Konzernbindungen üblich, dass andere Konzerngesellschaften in Bezug auf Versorgungsverbindlichkeiten einen Schuldbeitritt erklären. In der Regel wird damit im Innenverhältnis die Zu-
38 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 81.
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Insolvenzsicherung bei Versorgungszusage einer Konzernobergesellschaft
sage des beigetretenen Unternehmens verbunden, dass dieses primär für die Erfüllung der Versorgungsverbindlichkeiten Sorge tragen soll. Der Bestand der Versorgungsverbindlichkeit beim früheren Arbeitgeber wird dadurch aber nicht verändert. Der frühere Arbeitgeber und das beigetretene Unternehmen haften als Gesamtschuldner für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung. Für die Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Schuldbeitritt keine Bedeutung. Denn schlussendlich verpflichtet sich das beitretende Unternehmen nur, die dem früheren Arbeitgeber selbst obliegenden Pflichten zu erfüllen. Wenn der frühere Arbeitgeber als Versorgungsschuldner angesichts der unzureichenden wirtschaftlichen Lage keine Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vornehmen kann, ändert daran auch eine bessere wirtschaftliche Lage des beigetretenen Unternehmens nichts. Für den Bestand und die Höhe der Zahlungsverpflichtung des beigetretenen Unternehmens als Gesamtschuldner bleibt die Hauptverbindlichkeit des früheren Arbeitgebers als Versorgungsschuldner maßgeblich. Auch dies hat das BAG im Urteil vom 17.6.201439 klargestellt. (Ga)
4.
Insolvenzsicherung bei Versorgungszusage einer Konzernobergesellschaft
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG liegt betriebliche Altersversorgung dann vor, wenn einem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zugesagt werden. Nur unter dieser Voraussetzung finden auch die Regelungen des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) Anwendung. Das Urteil des BAG vom 20.5.201440 macht deutlich, wie wichtig die darin liegende Verknüpfung zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Versorgungszusage ist. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Arbeitnehmer einer Konzerntochtergesellschaft in den Jahren 1962 bis 1979 in Nigeria tätig. Parallel zu dieser Beschäftigung in Nigeria hatte er von der Konzernobergesellschaft in Deutschland eine Versorgungszusage erhalten, für deren Insolvenzsicherung die Konzernobergesellschaft fortlaufend Beiträge an den PSV entrichtete. Nachdem der Kläger seine Tätigkeit für die Tochtergesellschaft beendet hatte und im Jahre 2002 die Altersgrenze er-
39 3 AZR 298/13, BetrAV 2014, 667 Rz. 74 ff. 40 3 AZR 1094/12, ZIP 2014, 1453 ff.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
reicht war, zahlte die Konzernobergesellschaft an ihn eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 450,- €. Als die Konzernobergesellschaft allerdings 2010 insolvent wurde, entstand die Frage, ob der PSV nach § 7 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet war, die Betriebsrente fortzuführen. Der PSV lehnte eine entsprechende Zahlung der Betriebsrente ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass keine Zusage der betrieblichen Altersversorgung gegeben war. Der 3. Senat des BAG ist dieser Sichtweise gefolgt und hat einen Insolvenzschutz abgelehnt. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 BetrAVG haben Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlass das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, gegen den PSV als Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei den in Rede stehenden Versorgungsleistungen um betriebliche Altersversorgung i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG handelt41. Diese Voraussetzung war vorliegend nicht erfüllt. Denn nach § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG liegt betriebliche Altersversorgung nur vor, wenn die entsprechenden Leistungen dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt wurden. Damit verlangt das Gesetz eine Versorgungszusage des Arbeitgebers. Nur derjenige, für den ein Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrags nach § 611 BGB eine Arbeitsleistung zu erbringen hat, kann also betriebliche Altersversorgung zusagen, auf die die Regelungen des Betriebsrentengesetzes zur Anwendung kommen. Vorliegend war die Versorgungszusage aber nicht durch die nigerianische Gesellschaft erteilt worden, mit der der Kläger durch ein Arbeitsverhältnis verbunden war. Vielmehr war die Versorgungszusage durch die Konzernobergesellschaft erteilt worden, zu der keine entsprechende Rechtsbeziehung bestand. Dass die Konzernobergesellschaft innerhalb des Konzerns die Tätigkeit der Konzerntochtergesellschaft gesteuert hat, genügte nicht. Unerheblich war auch, dass der Erfolg der Tätigkeit des Klägers unmittelbar oder mittelbar auch der Konzernobergesellschaft zugutekam.
41 BAG v. 20.5.2014 – 3 AZR 1094/12, ZIP 2014, 1453 Rz. 17; BAG v. 3.11.1998 – 3 AZR 454/97, NZA 1999, 594 Rz. 22.
452
Insolvenzsicherung bei Versorgungszusage einer Konzernobergesellschaft
Zu Recht ist der 3. Senat des BAG im Urteil vom 20.5.201442 davon ausgegangen, dass eine Insolvenzsicherung auch nicht durch §§ 17 Abs. 1 S. 2, 7 Abs. 1 S. 1 BetrAVG begründet werden konnte. Zwar sieht § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG vor, dass die §§ 1 bis 16 BetrAVG für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, entsprechend gelten, wenn ihnen Leistungen in der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Voraussetzung auch für eine Anwendung des Gesetzes über § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG ist jedoch, dass die Tätigkeit, die nicht als Arbeitnehmer erbracht wird, aufgrund von vertraglichen Beziehungen zwischen dem Begünstigten und dem Unternehmen erbracht wird, das die Versorgungszusage macht. Auch diese Voraussetzung war vorliegend nicht erfüllt. Gerade bei Arbeitnehmern, die im Rahmen eines Konzerns für verschiedene Unternehmen zum Einsatz kommen, ist es überaus wichtig, diese Grundvoraussetzung einer Insolvenzsicherung bei ihrer betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen. Ihr kann zum einen dadurch Rechnung getragen werden, dass die Versorgungszusage für den Fall eines Arbeitgeberwechsels jeweils gemäß § 4 BetrAVG übernommen wird. Denn in diesem Fall tritt der neue Arbeitgeber in die bereits bestehende Versorgungszusage mit der Folge ein, dass Insolvenzsicherung und Unverfallbarkeit fortgeschrieben werden können. Soll die Versorgungszusage aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung stets durch den gleichen Rechtsträger vorgenommen werden, muss jedenfalls (auch) ein Arbeitsverhältnis zu diesem Konzernunternehmen bestehen. Wenn die Arbeitsleistung im Rahmen eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses mit einem anderen Konzernunternehmen erbracht werden soll, steht dies einem Arbeitsverhältnis zu einem weiteren Konzernunternehmen, das die betriebliche Altersversorgung abwickelt, nicht entgegen. Dem Erfordernis einer Verknüpfung von Arbeitsverhältnis und Versorgungszusage kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Hauptleistungspflichten dieses Arbeitsverhältnisses zum Ruhen gebracht werden und das Arbeitsverhältnis nur zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung auf der Basis eines Schattengehalts fortgeführt wird. Bei einer unmittelbaren Versorgungszusage dürften daraus keine Nachteile entstehen. Problematisch daran ist allerdings, dass eine etwaige Aufstockung im Wege der Entgeltumwandlung mangels eines Arbeitsentgeltanspruchs gegenüber diesem Arbeitgeber ausgeschlossen ist. (Ga)
42 3 AZR 1094/12, ZIP 2014, 1453 Rz. 20 ff.
453
Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
5.
Datenschutzrechtliche Anforderungen an die Personalakte
Das Sammeln, Nutzen und Löschen personenbezogener Daten einzelner Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber im Rahmen von Personalakten muss den Vorgaben des Datenschutzrechts genügen. Für die automatisierte (elektronische) Personalakte folgt dies unmittelbar aus §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 3 Abs. 2 BDSG. Aber auch die Personalakte, die in Papierform geführt wird, muss dem Datenschutzrecht entsprechen. Wenn die Personalakte – was üblicherweise der Fall ist – gleichartig aufgebaut ist und nach bestimmten Merkmalen zugänglich ist und ausgewertet werden kann, folgt dies aus §§ 1 a Abs. 2 Nr. 3, 3 Abs. 2 BDSG, weil insoweit eine nicht automatisierte Datei gegeben ist. Schlussendlich wird im Arbeitsverhältnis aber auch die unstrukturierte (spontane) Sammlung personenbezogener Daten datenschutzrechtlichen Anforderungen unterworfen. Anknüpfungspunkt ist dabei § 32 Abs. 2 BDSG. Danach muss die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis auch dann den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden. Übergreifend hat diese generelle Einbindung der Personalakte in das Datenschutzrecht zur Folge, dass personenbezogene Daten eines Arbeitnehmers nur dann erhoben, verarbeitet oder als Bestandteil einer Personalakte genutzt werden können, wenn dies für die Entscheidung für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus muss die Datenverarbeitung allerdings auch angemessen sein und den Grundsatz der Datensparsamkeit (§ 3 a BDSG) beachten. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch dann, wenn die Regelungen zur Führung einer Personalakte im Rahmen einer Betriebsvereinbarung getroffen werden. Zwar stellt die Betriebsvereinbarung eine eigenständige Rechtsvorschrift dar, die nach § 4 Abs. 1 BDSG losgelöst von den weitergehenden Anforderungen im BDSG die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten rechtfertigen kann43. Allerdings muss auch die Be-
43 BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 270/12, NJW 2014, 41 Rz. 32.
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Datenschutzrechtliche Anforderungen an die Personalakte
triebsvereinbarung das höherrangige Recht, also insbesondere den Schutz der Persönlichkeit durch Art. 8 GRC, die EU-Datenschutzrichtlinie, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG i. V. mit § 75 BetrVG berücksichtigen. Wenn der Arbeitnehmer Einsicht in die zu seiner Person gespeicherten Daten nehmen will, kommen zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht. Zum einen ist dies § 83 BetrVG, der dem Arbeitnehmer unmittelbar das Recht gibt, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Hierzu kann der Arbeitnehmer auch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Andere Arbeitnehmer oder externe Dritte können, soweit dies nicht ausdrücklich durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag vorgesehen ist, auf der Grundlage von § 83 BetrVG grundsätzlich nicht hinzugezogen werden. Dies hat das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 17.4.201444 zutreffend klargestellt. Etwas anderes kann sich allenfalls in Ausnahmesituationen aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer selbst über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in der Lage ist, dieses Einsichtsrecht auszuüben. Letztlich wird man diesen Streit in Bezug auf § 83 BetrVG aber offen lassen können. Denn der Arbeitnehmer kann parallel dazu auch den Auskunftsanspruch aus § 34 BDSG geltend machen. Dieser verpflichtet den Arbeitgeber als verantwortliche Stelle, dem Arbeitnehmer als Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über 1. die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, 2. den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden und 3. den Zweck der Speicherung.
Die vorstehende Auskunft ist auf Verlangen in Textform zu erteilen, soweit nicht wegen der besonderen Umstände eine andere Form der Auskunftserteilung angemessen ist. Voraussetzung ist lediglich, dass – wovon im Regelfall auszugehen ist – die Personalakte jedenfalls als eine nicht automatisierte Datei i. S. des § 3 Abs. 2 S. 2 BDSG qualifiziert werden kann. Denn wenn dies nicht der Fall ist, können entsprechende Einsichtsrechte nach Maßgabe der Feststellungen des BAG im Urteil vom 16.11.201045 nur auf die allge-
44 5 Sa 385/13, ZTR 2014, 546 f. 45 9 AZR 573/09, NJW 2011, 1306 Rz. 40.
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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
meinen Grundsätze aus §§ 241 Abs. 2 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 GG bzw. 83 BetrVG gestützt werden. Wenn in einer Personalakte Daten gespeichert sind, die fehlerhaft sind, kann der Arbeitnehmer ihre Vernichtung verlangen. Ein entsprechender Anspruch folgt sowohl aus Art. 1 Abs. 1, 2 GG i. V. mit §§ 242, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB als auch aus § 35 Abs. 1 S. 1 BDSG, sofern jedenfalls eine nicht automatisierte Datei gegeben ist. Wie das BAG in Bezug auf rechtmäßige Abmahnungen ausgeführt hat, besteht ein entsprechender Anspruch auf Löschung allerdings auch dann, wenn in der Personalakte zutreffende Daten gespeichert sind. Denn eine Berechtigung zur Speicherung solcher Daten besteht unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Anforderungen nur solange, als ihre Verwertung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses noch denkbar ist. Dies ist auch bei berechtigten Abmahnungen nicht unbefristet der Fall46. Wir hatten darauf bei früherer Gelegenheit unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 19.7.201247 hingewiesen48. (Ga)
46 Wetzling/Habel, BB 2011, 1077 ff.; a. A. Schrader/Dohnke, NZA 2012, 617 ff., 620; Kleinebrinck, BB 2011, 2617, 2622; ErfK/Müller-Glöge, BGB § 626 Rz. 29 a, 35, die von der Berechtigung zur unbefristeten Aufbewahrung einer rechtmäßigen Abmahnung ausgehen. 47 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91 Rz. 17 ff. 48 B. Gaul, AktuellAR 2013, 113 ff.
456
G. Tarifrecht 1.
Zulässigkeit einer tarifvertraglichen Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern
In der letzten Zeit mehren sich die Fallgestaltungen, in denen im Rahmen tarifvertraglicher Regelungen eine Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern vereinbart wird. Den Weg hierzu hatte der 4. Senat des BAG durch seine Urteile vom 18.3.20091 und vom 5.9.20122 freigemacht. In diesen Entscheidungen hatte das BAG keine unzulässige Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit darin gesehen, dass im Tarifvertrag nur den Gewerkschaftsmitgliedern eine Leistung gewährt würde. Dies gelte jedenfalls so lange, als es dem Arbeitgeber nicht verwehrt werde, eine entsprechende Begünstigung auch an nicht- oder andersorganisierte Arbeitnehmer zu zahlen (Differenzierungsklausel). Lediglich dann, wenn eine entsprechende Zahlung an die nicht- oder andersorganisierten Arbeitnehmer zu einer Verdoppelung der gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern bestehenden Verpflichtung führe (Spannensicherungsklausel), sei dies - so das BAG im Urteil vom 23.2.20113 – unzulässig. An diesen Überlegungen hat das BAG jetzt in seinem Urteil vom 21.5.20144 angeknüpft. Parallel dazu hat das LAG München in mehreren Urteilen eine Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern bei Ausgleichsleistungen wegen der Nachteile einer Betriebsänderung zugelassen5. Eine einheitliche Linie der Literatur ist nicht erkennbar6.
1 2 3 4 5
6
4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028 ff. 4 AZR 696/10, DB 2013, 1123 f. 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920 ff. 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 u. a. n. v. Vgl. LAG München v. 15.5.2014 – 2 Sa 785/13 n. v. (Revision: 4 AZR 449/14 und 476/14); LAG München v. 30.4.2014 – 11 Sa 38/14 n. v. (Revision: 4 AZR 400/14); LAG München v. 16.10.2013 – 11 Sa 384/13, LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 2 (Revision: 4 AZR 941/13). Vgl. nur Bauer/Arnold, NZA 2009, 169 ff.; Deinert, RdA 2014, 129 ff.; Däubler/Heuschmid, RdA 2013, 1, 6; Giesen, RdA 2014, 78, 82 ff.; Greiner/Suhre, NJW 2010, 131, 133; Jacobs, FS Bauer, 479 ff.; Kamanabrou, FS Kreutz, 197 ff.; Kocher, NZA 2009, 119 ff.; Leydecker, AuR 2009, 338 ff., ders., AuR 2012, 195, 200; Schmalz, AiB 2014, 72 f.
457
Tarifrecht
a)
Ausgangsfeststellungen des Großen Senats des BAG
Ausgangspunkt aller Feststellungen der aktuellen Rechtsprechung sollte an sich die Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 29.11.19677 sein. In dem zugrunde liegenden Fall war durch Tarifvertrag vereinbart worden, dass die Mitglieder der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft einen doppelt so hohen Zuschlag zum Urlaubsgeld erhalten sollten, als dies bei den nicht organisierten Arbeitnehmern der Fall war. Da die Höhe des Zuschlags von der Jahresbruttolohnsumme abhängig war, konnte im Tarifvertrag kein fester Betrag genannt werden. Bereits in seinem Leitsatz hat der Große Senat des BAG klargestellt, dass in Tarifverträgen zwischen den bei der vertragsschließenden Gewerkschaft organisierten und anders oder nicht organisierten Arbeitnehmern nicht differenziert werden könne. In den Gründen seiner Entscheidung hat der Große Senat des BAG darauf verwiesen, dass man zwar nicht jeden Druck als Verletzung der positiven und negativen Koalitionsfreiheit ansehen dürfe. Es gebe im täglichen Leben in vielfältiger Beziehung einen sozialadäquaten Druck, dem man sich nicht entziehen könne. Gleichzeitig könne es aber auch einen sozialinadäquaten Druck geben, der rechtswidrig und zu missbilligen sei, auf den man dann auch ohne Weiteres empfindlich reagieren dürfe. Da mit den Differenzierungsklauseln jedenfalls ein „leiser, milder Druck“ verbunden und bezweckt sei, der den Außenseiter zum Beitritt veranlassen solle, müsse geprüft werden, ob dieser mit der gewerkschaftlichen Ausgleichsforderung unstreitig in irgendeinem Umfang verbundene und bezweckte Druck zum Beitritt sozialinadäquat und daher eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit sei. Dabei komme es nicht auf die Intensität, also den Grad des Drucks an, sondern auf die Sozialadäquanz. Einen sozialinadäquaten Druck brauche niemand hinzunehmen, auch wenn die damit verbundene Belästigung verhältnismäßig gering sein sollte. Es gelte nichts anderes als sonst im Rechtsleben: Wie jemand im Gedränge des öffentlichen Verkehrs oder der öffentlichen Verkehrsmittel nach den Vorstellungen der Sozialadäquanz erhebliche Behinderungen der Wegefreiheit, erhebliches körperliches Geschiebe, Gedränge und Gedrücktwerden u. U. hinnehmen müsse, genauso wenig brauche er das aus sonstigem Anlass, z. B. dann, wenn sich ihm jemand auf einer verkehrsarmen Straße ohne vernünftigen Grund und ohne seine Billigung in den Weg stelle oder ihn körperlich be-
7
GS 1/67, DB 1968, 1539 ff.
458
Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern
dränge. Wenn das sozialinadäquat sei, sei es rechtswidrig, und es dürfe sich jeder dagegen wehren. In dem dort zu entscheidenden Fall einer Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern beim Urlaubsgeld hatte der Große Senat des BAG im Beschluss vom 29.11.19678 einen sozialinadäquaten Druck angenommen. Es verletze – so der Große Senat – das Gerechtigkeitsempfinden gröblich, die Gewährung des Urlaubs, Urlaubsentgelts und zusätzlichen Urlaubsgeldes und ähnlicher tariflicher Leistungen von Fragen der Organisationszugehörigkeit abhängig zu machen. Deshalb übten derartige Differenzierungsklauseln einen sozialinadäquaten Druck aus, den Anders- und Nichtorganisierte ebenso wenig hinzunehmen brauchten, wie Organisierte es nicht hinzunehmen brauchten, wenn ein Arbeitgeber Nichtorganisierte generell besser bezahlen würde, als Organisierte. Die dort in Rede stehenden Differenzierungsklauseln seien daher gemäß Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG nichtig. In seinen abschließenden Feststellungen hatte der Große Senat deutlich gemacht, dass Differenzierungsklauseln der dort streitigen Art nicht Gegenstand einer Tarifregelung sein könnten, weil damit die Tarifmacht überschritten würde. Dies gelte gleichermaßen für an die Mitgliedschaft anknüpfende Normen wie für Gestaltungen mittels des schuldrechtlichen oder satzungsrechtlichen Teils eines Tarifvertrags. Damit seien auch Absicherungen durch Spannensicherungsklauseln ausgeschlossen.
b)
Aktuelle Feststellungen des BAG
In der Linie seiner vorangehenden Entscheidung hat sich der 4. Senat des BAG im Urteil vom 21.5.20149 von diesen Vorgaben des Großen Senats des BAG unbeirrt gezeigt und erneut zugelassen, dass durch Tarifvertrag eine Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern vereinbart wird. In dem zugrunde liegenden Fall waren im Rahmen von Sanierungsvereinbarungen zwischen Opel und dem zuständigen Arbeitgeberverband einerseits sowie der Gewerkschaft IG Metall andererseits im Jahre 2010 eine Reihe von Vereinbarungen, darunter auch entgeltabsenkende Tarifverträge, geschlossen worden. Die IG Metall hatte gegenüber Opel die Zustimmung hierzu von einer „Besserstellung“ ihrer Mitglieder abhängig gemacht. Zur Erfüllung dieser Bedingung trat Opel einem Verein bei, der satzungsgemäß „Erholungsbeihilfen“ an IG Metall-Mitglieder leistet. Nach der Beitrittsvereinbarung hatte Opel dem Verein einen Betrag in Höhe von 8,5 Millionen 8 9
GS 1/67, DB 1968, 1539 Rz. 178 ff., 181 f. 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 u. a. n. v.
459
Tarifrecht
Euro zu zahlen. Der Verein sicherte die Auszahlung von Erholungsbeihilfen an die bei Opel beschäftigten IG Metall-Mitglieder und die nach dem Einkommensteuergesetz vorgesehene Pauschalversteuerung zu. Anders als die IG Metall-Mitglieder erhielten die Klägerinnen und Kläger keine Erholungsbeihilfe. Sie machten deshalb geltend, dass in der entsprechenden Regelung eine Missachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege. Der 4. Senat des BAG hat die Klage in Übereinstimmung mit der Vorinstanz abgewiesen. Nach seiner Auffassung findet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung, wenn ein Arbeitgeber mit einer Gewerkschaft im Rahmen von Tarifverhandlungen vereinbare, für deren Mitglieder bestimmte Zusatzleistungen zu erbringen. Weitergehend nimmt der 4. Senat des BAG sogar an, dass aufgrund der Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen eine Überprüfung anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht stattfinde. Dies gelte unabhängig davon, ob die Leistungen für die Gewerkschaftsmitglieder in einem Tarifvertrag oder einer sonstigen schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung geregelt worden seien.
c)
Begünstigung bei Leistungen wegen einer Betriebsänderung
Parallel zu der vorgenannten Entscheidung hat das LAG München in einer Reihe von Urteilen, zuletzt durch Urteil vom 15.5.201410, die Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern im Rahmen tarifvertraglicher Regelungen zum Ausgleich bzw. der Milderung etwaiger Nachteile einer Betriebsänderung zugelassen. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Beklagte und die IG Metall im Rahmen mehrerer Tarifverträge nicht nur vereinbart, dass Gewerkschaftsmitglieder einen Zuschlag zur Sozialplanabfindung in Höhe von 10.000,- € (brutto) erhalten sollten. Ergänzend hierzu wurde der Höchstbetrag der Abfindung für diesen Personenkreis um einen entsprechenden Betrag angehoben. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass Gewerkschaftsmitglieder für den Fall eines Wechsels in eine Transfergesellschaft einen Zuschlag auf 80 % des Bruttomonatsentgelts erhalten sollten. Nicht- oder andersorganisierte Arbeitnehmer erhielten nur einen Zuschlag auf 70 % des Bruttomonatsentgelts. Das LAG München hat die darin liegende Begünstigung der Gewerkschaftsmitglieder gebilligt. Aus seiner Sicht stellte sich die tarifvertragliche 10 2 Sa 785/13 n. v.
460
Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern
Regelung als zulässige „einfache Differenzierungsklausel“ dar, weil keine rechtlichen Schranken dafür aufgestellt würden, dass der Arbeitgeber auf individualvertraglicher Ebene die tarifvertraglich vorgesehene Ungleichbehandlung beseitige. Durch den gewählten Stichtag werde kein gegen die negative Koalitionsfreiheit verstoßender Druck auf Außenseiter ausgeübt, der Gewerkschaft beizutreten. Dies gelte – so das LAG München – insbesondere deshalb, weil der in der Vergangenheit liegende Stichtag für die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft als Anspruchsvoraussetzung keinen Druck (mehr) ausüben könne, der Gewerkschaft beizutreten11.
d)
Stellungnahme
Die voranstehenden Feststellungen des BAG können ebenso wenig überzeugen wie die Ausführungen, mit denen das LAG München seine Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht- bzw. andersorganisierten Arbeitnehmern rechtfertigt. In allen Fällen erscheint es geboten, von einer unzulässigen Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit auszugehen, die eine Unwirksamkeit entsprechender Vereinbarungen zur Folge hat (Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG). Zunächst einmal ist es mehr als erstaunlich, dass sich die vorstehend genannten Entscheidungen letztendlich nicht (mehr) mit den Feststellungen des Großen Senats im Beschluss vom 29.11.296712 auseinandersetzen. Dies gilt umso mehr, als in der Fallgestaltung, wie sie dem Urteil des BAG vom 21.5.201413 zugrunde liegt, im Ergebnis eine Regelung getroffen worden ist, die in ihrer Wirkung einer Spannensicherungsklausel entspricht. Eine solche Spannensicherungsklausel in Bezug auf Erholungsbeihilfen hatte das BAG indes mit Urteil vom 23.3.201114 noch als unzulässig angesehen. Denn mit der Zahlung, die einem Verein ausschließlich für IG Metall-Mitglieder zugutekam, wurde sichergestellt, dass eine arbeitsvertragliche Begünstigung der nicht- oder andersorganisierten Arbeitnehmer in entsprechender Höhe ausgeschlossen war. Denn wenn der Arbeitgeber auf individualvertraglicher Ebene allein den nicht- oder andersorganisierten Arbeitnehmern eine solche Leistung gezahlt hätte, wäre dies wegen Missachtung der positiven Koalitionsfreiheit unzulässig. Ein sachlicher Grund, nur die nichtorganisierten Ar-
11 Vgl. LAG München v. 30.4.2014 – 11 Sa 38/14 n. v.; LAG München v. 16.10.2013 – 11 Sa 384/13, LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Rz. 93. 12 GS 1/67, DB 1968, 1539 ff. 13 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 u. a. n. v. 14 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920 Rz. 38.
461
Tarifrecht
beitnehmer zu begünstigen, wäre mit Blick auf den Zweck der Zuwendung nicht erkennbar. Ungeachtet dessen fehlen ernsthafte Auseinandersetzungen mit der Frage, ob die hier jeweils in Rede stehenden Begünstigungen nicht eine sozialinadäquate Benachteiligung von Arbeitnehmern als Folge einer fehlenden Gewerkschaftsmitgliedschaft sind. Dass im Rahmen eines Sozialplans durch die Wahl eines in der Vergangenheit liegenden Stichtags kein Druck erzielt werden soll, der Gewerkschaft beizutreten, lässt den ausreichenden Bezug zu dem Umfeld einer Betriebsänderung vermissen15. Denn natürlich wird ein solcher Stichtag nicht völlig überraschend am Tage der Unterzeichnung entsprechender Sozialtarifverträge festgelegt. Vielmehr ist er Gegenstand der vorangehenden Verhandlungen. Die Absicht, nur Gewerkschaftsmitgliedern die dort in Rede stehende Begünstigung zuzuwenden, ist daher schon vor dem Abschluss der Tarifverträge bekannt und übt natürlich den gewerkschaftsseitig beabsichtigten Druck auf die nichtorganisierten Arbeitnehmer aus, der Gewerkschaft beizutreten. Gründe, in einer solchen Begünstigung eine noch sozialadäquate Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder zu sehen, sind nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat auf den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans mit Blick auf solche Vereinbarungen verzichten. Denn in diesem Fall liegt in dem Sozialtarifvertrag die einzige Regelung über eine Milderung bzw. den Ausgleich von Nachteilen einer Betriebsänderung. Diese Nachteile treffen aber die von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf den Umstand, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind. Deshalb würde eine solche Differenzierung im Sozialplan auch §§ 112 Abs. 1, 75 Abs. 1 BetrVG widersprechen. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden, die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft zum Anlass zu nehmen, stärkere Hilfen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu gewähren. Ebenso widerspricht es dem Gerechtigkeitsempfinden, Gewerkschaftsmitgliedern eine wirtschaftlich höhere Unterstützung in solchen Zeiten zu gewähren, in denen aus einer Transfergesellschaft heraus eine Anschlussbeschäftigung gesucht wird. Es wäre wünschenswert, wenn das BAG die Revisionen gegen die vorstehend genannten Entscheidungen des LAG München zum Anlass nimmt, seine bisherige Rechtsprechung noch einmal kritisch zu überprüfen. In jedem Fallmüsste zu ihrer Fortsetzung eine Entscheidung des Großen Senats eingeholt werden. Angesichts seiner Feststellungen im Urteil vom 21.5.201416 15 A.A. Helm/Mücke, AuR 2010, 366, 370. 16 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 u. a. n. v.
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Tarifzuständigkeit im Bereich der Zeitarbeit
bestehen allerdings Zweifel, dass auf diese Weise eine Veränderung der Rechtsprechung bewirkt wird. Schlussendlich obliegt es den Arbeitgebern, ihre eigene Haltung zum Abschluss solcher Vereinbarungen zu überdenken und entsprechende Forderungen der Gewerkschaften abzulehnen. (Ga)
2.
Tarifzuständigkeit im Bereich der Zeitarbeit
In seinem Beschluss vom 16.1.201417 hat das LAG Hessen eine Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft ver.di für den Bereich der Zeitarbeit angenommen. Ob auch die IGBCE, die NGG, die IG Metall, die GEW, die IG BAU, EVG und die GDT als Einzelgewerkschaften für den Abschluss des Mantel- bzw. Entgeltrahmen- und Entgelttarifvertrags Zeitarbeit am 22.7.2003 tarifzuständig waren, hat das LAG Hessen ebenso offen gelassen, wie entsprechende Feststellungen zu späteren Tarifverträgen (zuletzt: 30.5.2006). Grundlage für die entsprechenden Feststellungen war § 4 der ver.di-Satzung 2003. Schon nach dem Wortlaut der damaligen Satzung war ver.di u. a. zuständig für „sonstige Unternehmen und Organisationen des Dienstleistungsbereichs einschließlich rechtlich ausgegliederter bzw. selbständiger, jedoch wirtschaftlich- und organisatorisch zugeordneter Dienstleistungsbetriebe, z. B. Datenverarbeitung, Organisation, Verwaltung und Bildungseinrichtungen sowie ihre Verbände“. Nach den insoweit zutreffenden Feststellungen des LAG Hessen fällt hierunter auch der Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Dass durch Klarstellung in der ver.di-Satzung vom 14.3.2012 eine im Wortlaut unmittelbar erkennbare Einbindung der Arbeitnehmerüberlassung erfolgt ist, stand diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Ergänzend hierzu hat das LAG Hessen allerdings die überzeugende Auffassung bestätigt, nach der es sich auch bei den Tarifverträgen der DGBGewerkschaften im Bereich der Zeitarbeit um mehrgliedrige Tarifverträge handele. Dies hat insbesondere Bedeutung für die Frage, wie im Rahmen arbeitsvertraglicher Klauseln auf die jeweils gültigen Tarifverträge verwiesen werden kann, die durch die Mitgliedsgewerkschaften des DGB im Rahmen einer Tarifgemeinschaft abgeschlossen worden sind. Wir hatten bei früherer Gelegenheit auf die entsprechende Problematik der AGB-Kontrolle verwiesen18. (Ga)
17 9 TaBV 127/13 n. v. 18 B. Gaul, AktuellAR 2012, 165 ff.; 2013, 186 ff.; 2014, 183 ff.
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H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.
Einsichtsrechte des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten
Nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Liste über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes würde die Einsichtsberechtigung in die Bruttolohnliste nur Betriebsräten vorbehalten sein, die einen Betriebsausschuss (§ 27 BetrVG) oder einen Ausschuss nach § 28 BetrVG bilden könnten, was voraussetzen würde, dass der Betriebsrat neun oder mehr Mitglieder hat, oder dem Betrieb mehr als 100 Arbeitnehmer angehören. Bei kleineren Betriebseinheiten kann daher nach der Rechtsprechung des BAG1 das Einsichtsrecht gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BetrVG durch den Betriebsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied, dem die Führung der laufenden Geschäfte nicht übertragen sein muss, wahrgenommen werden. Dabei entspricht es der Spruchpraxis des BAG2, dass es der Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung des Einsichtsrechts nicht bedarf, so dass kein besonderes Überwachungsbedürfnis vorliegen muss. Der Betriebsrat kann nur Einsicht in Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich besitzt, wie sich aus dem ersten Halbsatz des § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG entnehmen lässt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen3, was allerdings nicht ausschließt, dass er dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, welche Vorschriften neben § 80 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BetrVG zur Anwendung kommen. Allerdings will das BAG § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG teleologisch reduzieren, wenn eine schriftliche Auskunft des Arbeitgebers inhaltlich einer Bruttolohnliste gleichkommt4. Dann genüge der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht, wenn er dem zuständigen Ausschuss, gegebenenfalls dem Vorsitzenden des Betriebsrats, nach Maßgabe von 80 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BetrVG den Einblick in die schriftlich gefassten Angaben ermöglicht. 1 2 3 4
v. 16.8.1995 - 7 ABR 63/94, NZA 1996, 330 Rz. 11; BAG v. 14.1.2014 – 1 ABR 54/12, NZA 2014, 738 Rz. 19. v. 13.2.2007 - 1 ABR 14/06, NZA 2007, 1121 Rz. 23. BAG v. 30.9.2008 - 1 ABR 54/07, NZA 2009, 502 Rz. 25. BAG v. 30.9.2008 - 1 ABR 54/07, NZA 2009, 502 Rz. 31.
465
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Um die Frage des Einsichtsrechts des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten ging es in der Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 14.1.20145. Die Arbeitgeberin unterhält eine neurochirurgische Klinik mit ca. 120 Arbeitnehmern. Der bei ihr gebildete siebenköpfige Betriebsrat wollte Einsicht in die Bruttoentgeltlisten sämtlicher Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten bezüglich sämtlicher Entgeltbestandteile durch ein von ihm beauftragtes Betriebsratsmitglied nehmen. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und verteidigte sich damit, dass etwa die Hälfte der Arbeitnehmer einer entsprechenden Einsichtnahme widersprochen hätte und darüber hinaus datenschutzrechtliche Gründe sowie grundrechtliche Belange der Arbeitnehmer der geforderten Einsichtnahme entgegenstünden. Das BAG hat dem Begehren des Betriebsrats – wie bereits die Vorinstanzen – entsprochen. Dabei geht das BAG unter Anwendung von § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG zunächst davon aus, dass bei einem siebenköpfigen Betriebsrat, der keinen Ausschuss nach § 28 BetrVG gebildet hat, das Einsichtsrecht in die Bruttogehaltslisten einem vom Betriebsrat zu benennenden Betriebsratsmitglied zusteht. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung hält das BAG daran fest, dass der Betriebsrat nur Einsicht in Unterlagen beanspruchen kann, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich erstellt hat6. Dabei umfasst das Einsichtsrecht - wie das BAG ausführt - alle Lohn- und Gehaltsbestandteile tariflicher wie außertariflicher Art, wobei gleichgültig ist, ob es sich um einmalige oder wiederkehrende Leistungen handelt und auf welcher Rechtsgrundlage diese Leistungen zu erbringen sind. Allerdings hängt das Einsichtsrecht des Betriebsrats in die Bruttogehaltslisten davon ab, ob er die daraus gewonnene Kenntnis für die Durchführung seiner Aufgaben benötigt. Dies setzt indes nicht voraus, wie das BAG betont, dass der Betriebsrat ein besonderes Überwachungsbedürfnis darlegen müsste, weil es ihm auf der Grundlage von § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG obliegt, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Dazu gehört auch die den Arbeitgeber nach § 75 Abs. 1 BetrVG treffende Verpflichtung zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Betriebsrat benötigt nach Ansicht des BAG die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann. 5 6
1 ABR 54/12, NZA 2014, 738. BAG v. 30.9.2008 - 1 ABR 54/07, NZA 2009, 502 Rz. 25.
466
Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit
Davon abgesehen kann der Betriebsrat, soweit ihn eine tarifvertragliche Regelung daran nicht hindert, auf die Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten zurückgreifen, um die Initiative für eine Vergütungsordnung im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber zu ergreifen. Das Einsichtsrecht in die Bruttogehaltslisten erfährt weder durch datenschutzrechtliche Belange der betroffenen Arbeitnehmer noch unter verfassungsrechtlichen Aspekten eine Einschränkung. Diese Bewertung entspricht bereits der früheren Spruchpraxis des BAG7 im Zusammenhang mit der Benennung der Arbeitnehmer, welche nach § 84 Abs. 2 SGB IX die Voraussetzungen für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllen. Danach handelt es sich um eine nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässige Form der Datennutzung, wobei der Betriebsrat nicht Dritter, sondern Teil der verantwortlichen Stelle im Sinne von § 3 Abs. 7 BDSG ist. Soweit sich der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang auf einen verfassungswidrigen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer berufen hat8, kann er damit kein Gehör finden, weil es sich um ein Grundrecht des Arbeitnehmers und nicht des Arbeitgebers handelt9. Eine Verletzung des durch Art. 8 Abs. 1 GRC gewährleisteten Schutzes personenbezogener Daten kann der Arbeitgeber gegenüber dem Anspruch auf Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten nicht entgegensetzen, weil es sich nicht um ein eigenes Recht des Arbeitgebers, sondern um Individualinteressen der Arbeitnehmer handelt10. Die Entscheidung des BAG bewegt sich vollständig auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung und verdeutlicht ein weiteres Mal, dass der Arbeitgeber dem Einsichtsrecht in die Bruttogehaltslisten nicht ausweichen kann. (Boe)
2.
Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit
Gemäß § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG hat das Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung
7 8 9 10
BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744. Vgl. dazu bereits BVerwG v. 16.5.2012 - 6 PB 2/12, NZA-RR 2012, 609 Rz. 5. BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 Rz. 50. BAG v. 14.1.2014 – 1 ABR 54/12, NZA 2014, 738 Rz. 30.
467
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann (§ 37 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Nach § 37 Abs. 3 S. 3 BetrVG ist die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber vermeiden, dass Betriebsratsmitglieder aus betriebsbedingten Gründen ihren betriebsrätlichen Aufgaben nicht während der Arbeitszeit nachgehen können, sondern ihre persönliche Freizeit nutzen müssen. In zwei neuen Entscheidungen vom 19.3.201411 und vom 28.5.201412 hatte sich der zuständige 7. Senat des BAG mit der Anwendung von § 37 Abs. 3 BetrVG zu befassen, wenn ein Betriebsratsmitglied nicht innerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit, sondern stets nur außerhalb dieser Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrnehmen kann, und ob es für ein Betriebsratsmitglied einen Freizeitausgleich gibt, wenn es während einer Freistellung und während seines Urlaubs betriebsrätlichen Tätigkeiten nachgeht. In der Entscheidung des BAG vom 19.3.2014 ging es um einen teilzeitbeschäftigten Kläger, der in einem Zeitungszustellerbetrieb mit ca. 450 Arbeitnehmern als Mitglied des Betriebsrats mit einer Arbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich täglich zwischen 4:00 Uhr und 6:30 Uhr als Zeitungszusteller arbeitete. Seiner Betriebsratstätigkeit konnte der Kläger nur während der normalen Bürostunden, die ab 7:00 Uhr beginnen, nachgehen. Der Kläger wird an Tagen, an denen er an Betriebsratssitzungen oder Schulungen teilnimmt, von der Beklagten nicht im Zustelldienst eingesetzt. Soweit die Beklagte dem Kläger während seiner persönlichen Arbeitszeit in den frühen Morgenstunden Freizeitausgleich für Betriebsratsarbeit erteilt hat, verrichtet der Kläger während der normalen Bürostunden Betriebsratsarbeit oder nimmt an Schulungen teil. Für diese Zeiten verlangt er Zeitgutschriften auf seinem Stundenkonto. Insofern stritten die Parteien um einen Freizeitausgleich für 238 Stunden. Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich. Das BAG geht davon aus, dass der Kläger zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeiten, die außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfinden, auch dann einen Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG beanspruchen kann, wenn er an Tagen, an denen er in den frühen Morgenstunden von seiner persönlichen Arbeitspflicht befreit ist, während der normalen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrnimmt. 11 7 AZR 480/12, DB 2014, 1558. 12 7 AZR 404/12, DB 2014, 2295.
468
Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit
Im Streitfall bestand kein Zweifel daran, dass der Kläger aus betriebsbedingten Gründen seine Betriebsratsarbeit nicht während seiner persönlichen Arbeitszeit erledigen konnte. Derartige betriebsbedingte Gründe sind anzunehmen, wenn betriebliche Gegebenheiten und Sachzwänge innerhalb der Betriebssphäre dazu führen, dass die Betriebsratstätigkeit nicht während der individuellen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds durchführbar ist13. In diesem Zusammenhang weist das BAG nochmals14 darauf hin, dass der Arbeitgeber bei der Freistellung nicht bevorzugt die Wünsche des Betriebsratsmitglieds zu berücksichtigen hat, weil § 37 Abs. 3 BetrVG keine den Grundsätzen der Urlaubsgewährung nach § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG entsprechende Vorgaben enthält. Der Arbeitgeber hat allerdings bei der Freistellung ein von dem Betriebsratsmitglied geäußertes Anliegen der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung zu berücksichtigen (§§ 106 GewO, 315 Abs. 3 BGB). Dabei erfasst die Gewährung von Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG ausschließlich die persönliche Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds. Während dieser Freistellung von der persönlichen Arbeitszeit ist das Betriebsratsmitglied nicht gehindert, wiederum betriebsbedingt außerhalb der individuellen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen, so dass das Betriebsratsmitglied - wie das BAG überzeugend ausführt - erneut einen Anspruch auf Freizeitausgleich erwirbt. Danach ist es durchaus denkbar, dass ein Betriebsratsmitglied über längere Zeiträume vollständig von seiner Arbeitspflicht entbunden ist. In Anbetracht dieser Erwägungen war dem Klagebegehren des Klägers zu entsprechen, wobei § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 BetrVG vorsieht, dass die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats zu erfüllen ist. Hierbei handelt es sich, so das BAG, nicht um eine Ausschlussfrist. Der Arbeitgeber kann umfangreiche Freizeitausgleichsansprüche auch zeitlich nachfolgend erfüllen. Hält sich der Arbeitgeber an die Monatsfrist, so werden regelmäßig nicht so erhebliche Zeiten wie im Streitfall, die zu einer dem § 38 BetrVG vergleichbaren Freistellung führen, auszugleichen sein. Die Besonderheit der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 28.5.201415 lag in dem Umstand, dass die bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden als Betriebsärztin beschäftigte Klägerin nicht nur Betriebsratsmitglied, sondern auch stellvertretendes Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Schwerbehindertenvertretung war. Konkrete Vorgaben 13 BAG v. 5.5.2010 – 7 AZR 728/08, NZA 2010, 1025 Rz. 29; ErfK/Koch § 37 BetrVG Rz. 7 m. w. N. 14 So bereits BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 774/10, NZA 2012, 1112 Rz. 29. 15 7 AZR 404/12, DB 2014, 2295.
469
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
bezüglich der Lage ihrer Arbeitszeit gab es nicht, so dass die Klägerin aus persönlichen Gründen in der Regel montags bis freitags von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr, zum Teil aber auch nachmittags, ihrer Tätigkeit nachging. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 31.7.2007 wegen Erreichens der Altersgrenze. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war rechtskräftig verurteilt worden, der Klägerin im Umfang von 293,4 Stunden Freizeitausgleichsansprüche für die Jahre 2002 und 2003 gewähren zu müssen. Diese Freizeitausgleichsansprüche nebst eines Urlaubsanspruchs der Klägerin wurden in der Zeit vom 26.2.2007 bis zum 29.7.2007 vollständig erfüllt. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bezahlte der Klägerin die gesamte reguläre Vergütung für die Zeit vom 1.7.2003 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.7.2007. Nunmehr beanspruchte die Klägerin von der Beklagten für den Zeitraum vom 8.3.2006 bis zum 31.7.2007 die finanzielle Abgeltung von Freizeitausgleichsansprüchen für 513,2 Stunden in Höhe von 18.598,37 € brutto. Die Klägerin berief sich darauf, dass sie trotz vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung in dieser Zeit Betriebsratsarbeiten verrichtet habe, wobei die Nichtbeschäftigung im Wesentlichen auf eine rechtskräftig für unwirksam erklärte Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zurückzuführen sei. Bis auf einen geringfügigen Betrag in Höhe von 422,49 € war die Klage erfolglos. Das BAG verneint das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Abgeltungsanspruch wegen geleisteter Betriebsratstätigkeit aus § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 3 BetrVG für die Dauer der Nichtbeschäftigung der Klägerin während des Kündigungsschutzprozesses. Der Abgeltungsanspruch, wonach die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten ist, setzt notwendigerweise voraus, dass zu Gunsten des Betriebsratsmitglieds überhaupt ein Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich entstanden ist. Der Abgeltungsanspruch stellt dabei eine Kompensation dafür dar, dass der in § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorgesehene gerade nicht auf eine zusätzliche Vergütung gerichtete Freizeitausgleich aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, zeitnah nicht erfüllt werden kann16. Das BAG geht davon aus, dass sich der Anspruch auf Arbeitsbefreiung weder mit Ablauf der Monatsfrist des § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 BetrVG noch durch eine bloße Untätigkeit des Arbeitgebers in einen Vergütungsanspruch umwandelt. Der Abgeltungsanspruch entsteht vielmehr nur, wenn die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist.
16 So BAG v. 5.5.2010 – 7 AZR 728/08, NZA 2010, 1025 Rz. 29.
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Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit
Davon ist auszugehen, wenn sich der „Arbeitgeber auf betriebsbedingte Gründe beruft“ und deshalb den Freizeitausgleich verweigert. Das Betriebsratsmitglied hat zunächst den Freizeitausgleichsanspruch vom Arbeitgeber zu verlangen und notfalls gerichtlich durchzusetzen, wobei nach Auffassung des BAG die bloße Anzeige der während der Freizeit geleisteten Betriebsratstätigkeit nicht ausreicht. Der Arbeitgeber hat dann die Entscheidung zu treffen, ob er die umfangreiche Arbeitsbefreiung gewähren kann oder Mehrarbeitsvergütung leisten muss, weil er die Arbeitskraft des Betriebsratsmitglieds benötigt. In Anbetracht dieser allgemeinen Grundsätze verneint das BAG die für den Abgeltungsanspruch aus § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 3 BetrVG anspruchsbegründenden Voraussetzungen zu Gunsten der Klägerin, weil bereits die Betriebsratstätigkeit – wie nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorgesehen – nicht außerhalb ihrer Arbeitszeit, sondern während ihrer persönlichen Arbeitszeit durchgeführt worden ist. Dabei berücksichtigt das BAG vor allem, dass die Klägerin die Lage ihrer Arbeitszeit als Betriebsärztin im Wesentlichen selbst bestimmen konnte und nicht an Vorgaben des Arbeitgebers gebunden war. Durch die Freistellung der Klägerin – ob berechtigt oder unberechtigt – änderte sich daran nichts. Die Klägerin hatte die gesamte Vergütung für ihre persönliche Arbeitszeit von der Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vollständig erhalten, so dass ihr Begehren darauf hinauslief, diese Zeit wegen der Betriebsratstätigkeit während ihrer persönlichen Arbeitszeit ein zweites Mal vergütet zu bekommen. Diese Bewertung verbindet das BAG mit dem Hinweis, dass eine derartige Doppelbezahlung weder mit dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG noch mit dem Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 Halbs. 1 BetrVG vereinbar wäre17. Ebenso wenig konnte die Klägerin von der Beklagten für etwaige Aktivitäten als stellvertretende Schwerbehindertenvertreterin eine finanzielle Abgeltung beanspruchen, weil § 96 Abs. 6 SGB IX einen finanziellen Abgeltungsanspruch für Fälle, in denen der Freizeitausgleich für außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter nicht möglich ist, nicht vorsieht. Das BAG verneint insoweit das Vorliegen einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke, die im Wege der Analogie zu schließen wäre. Vielmehr läge insoweit ersichtlich wegen des Ehrenamtsprinzips eine vom Gesetzgeber gewollte Entscheidung vor18.
17 BAG 5.5.2010 - 7 AZR 728/08, NZA 2010, 1025 Rz. 31. 18 BAG v. 16.2.2005 - 7 AZR 95/04, NZA-RR 2005, 556 Rz. 15 ff.
471
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für 293,4 ausgleichspflichtige Stunden im Zeitraum vom 26.2.2007 bis zum 15.6.2007 und für den Zeitraum der anschließenden Abwicklung des Resturlaubs bis zum 29.7.2007. Für diese Zeiträume war die Klägerin bezahlt von der Arbeit freigestellt worden. Das BAG begründet die Ablehnung des Anspruchs der Klägerin bereits damit, dass wenn ein Betriebsratsmitglied während der Arbeitsbefreiung und während seines Urlaubs erneut Betriebsratstätigkeiten nachgeht, was ihm durchaus freisteht, hierfür jedenfalls keine betriebsbedingten Gründe ursächlich sind. Wie oben bereits dargelegt wurde, liegen betriebsbedingte Gründe i. S. von § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG nur vor, wenn betriebliche Gegebenheiten und Sachzwänge innerhalb der Betriebssphäre dazu geführt haben, dass die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit durchgeführt werden konnte. Davon kann nicht die Rede sein, wenn ein Betriebsratsmitglied während einer Freistellung oder während seines Urlaubs Betriebsratsarbeit verrichtet19. Als Resümee der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 28.5.201420 lässt sich damit für die Betriebspraxis festhalten, dass ein während des Kündigungsschutzprozesses nicht beschäftigtes Betriebsratsmitglied weder einen Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG noch einen Abgeltungsanspruch nach § 37 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 BetrVG hat, wenn es in seiner fiktiven persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrnimmt. Verrichtet ein Betriebsratsmitglied während seines Urlaubs betriebsrätliche Tätigkeiten, geschieht dies im Regelfall nicht aus betriebsbedingten Gründen i. S. von § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG. (Boe)
3.
Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständiger des Betriebsrats
In der betrieblichen Praxis entstehen immer wieder Diskussionen über die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat einen Rechtsanwalt beauftragen darf, in einer streitigen Angelegenheit als Sachverständiger gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG Auskunft zum Bestehen bzw. dem Umfang etwaiger Mitbestimmungsrechte zu geben. Mit seinem Beschluss vom 25.6.201421 hat der 7. Senat des BAG hier außerordentlich wichtige Klarstellungen vorgenommen. Diese lassen sich auf der Grundlage der Orientierungssätze zu seiner Entscheidung wie folgt zusammenfassen:
19 Vgl. dazu auch BAG v. 8.9.2011 - 2 AZR 388/10, NZA 2012, 400 Rz. 29. 20 7 AZR 404/12, DB 2014, 2295. 21 7 ABR 70/12 n. v. (Rz. 18 ff.).
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Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständiger des Betriebsrats
1. Nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung trotz der Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Sachverständigen, so kann der Betriebsrat die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzen lassen. 2. Ein Rechtsanwalt kann Sachverständiger im Sinne des Gesetzes sein. Seine Heranziehung setzt voraus, dass er dem Betriebsrat spezielle Rechtskenntnisse vermitteln soll, die in der konkreten Situation, in der der Betriebsrat seine Aufgaben zu erfüllen hat, als erforderlich anzusehen sind. 3. Nicht erforderlich ist die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen, wenn sich der Betriebsrat die fehlende Sachkunde kostengünstiger verschaffen kann. 4. Einem Anspruch des Betriebsrats auf Abschluss einer Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann nicht entgegengehalten werden, die Beauftragung eines Sachverständigen sei grundsätzlich nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat seine Mitglieder stattdessen an einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG teilnehmen lassen könne. Ein Grundsatz, dass sich ein Betriebsrat zunächst das „Rüstzeug“ für die Wahrnehmung seiner Aufgaben durch Schulungen seiner Mitglieder verschaffen muss, bevor er einen Sachverständigen hinzuziehen kann, entspricht nicht den unterschiedlichen Funktionen der beiden Regelungen. 5. Der Betriebsrat kann gegen den Willen des Arbeitgebers die Zuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG nicht in Fällen beanspruchen, in denen zwischen den Betriebsparteien ein konkreter Streit über das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten hinsichtlich eines bestimmten Regelungsgegenstands besteht. Vielmehr ist in einer solchen Situation der betriebsverfassungsrechtlich für den Betriebsrat vorgesehene Weg die ihm durch § 40 Abs. 1 BetrVG eröffnete Beauftragung eines Rechtsanwalts, der im Rahmen eines solchen Mandats zunächst das Bestehen und den Umfang des in Betracht kommenden Mitbestimmungsrechts prüft. Dadurch wird regelmäßig dem berechtigten Interesse des Betriebsrats an der Klärung einer zwischen ihm und dem Arbeitgeber streitigen betriebsverfassungs-
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
rechtlichen Frage weniger zeitaufwändig, effizienter und in der Regel auch kostensparender Rechnung getragen.
Der vorstehenden Differenzierung zwischen einer Beauftragung des Rechtsanwalts im Rahmen eines Beschlussverfahrens und seiner Einbeziehung als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG ist zuzustimmen. Es erscheint sachgerecht, dass der Arbeitgeber hier die Tätigkeit des anwaltlichen Beraters insbesondere dann nicht nach § 80 Abs. 3 BetrVG bezahlen muss, wenn die gleiche Frage mit geringeren Kosten als Vorfrage eines etwaigen Beschlussverfahrens geklärt werden kann. (Ga)
4.
Keine Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Vollzug einer Betriebsvereinbarung
In seinen Urteil vom 14.1.201422 hatte das LAG Nürnberg deutlich gemacht, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung komme, wenn der Arbeitgeber Leistungen in Erfüllung einer Betriebsvereinbarung erbringe. Denn bei einem bloßen Vollzug der Betriebsvereinbarung fehle es an einer „gestaltenden“ eigenen Entscheidung, die Grundlage einer Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei. Etwas anderes gelte nur dann, wenn Leistungen, die an sich in einer Betriebsvereinbarung geregelt seien, durch den Arbeitgeber in Kenntnis einer Unwirksamkeit dieser Betriebsvereinbarung erbracht würden. Wenn man diese Feststellungen sieht, könnte der Gedanke entstehen, ohne Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Rahmen von Betriebsvereinbarungen Regelungen zu treffen, die einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen in sachwidriger Weise benachteiligen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass der darin liegende Verstoß gegen § 75 BetrVG immer zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung führt. Denn dann fehlt es individual- und kollektivvertraglich an einer Anspruchsgrundlage, die den Arbeitgeber zu entsprechenden Leistungen gegenüber den benachteiligten Arbeitnehmern verpflichten könnte. Mit vergleichbarer Überlegung hat das LAG Nürnberg in der vorgenannten Entscheidung die Klage der durch eine Betriebsvereinbarung benachteiligten Gruppe von Fernfahrern abgelehnt, die Leistungen entsprechend der durch die Betriebsvereinbarung begünstigten Arbeitnehmergruppe verlangt hatten. Nach seiner Auffassung verstieß die Differenzierung zwar gegen den Grundsatz von Recht und Billigkeit (§ 75 BetrVG). Dieser Verstoß werde
22 6 Sa 398/13 n. v. (Revision eingelegt: 1 AZR 435/14).
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Gleichbehandlung bei Dienstbekleidungsvorschriften
aber ausreichend durch eine Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung sanktioniert, was zur Folge habe, dass damit auch die Anspruchsgrundlage für die günstigeren Leistungen entfallen sei. Das Risiko einer solchen Betrachtungsweise liegt bereits darin, dass eine Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung nicht die einzige Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 75 BetrVG ist. Ebenso denkbar ist es, dass lediglich die benachteiligende Differenzierung innerhalb der Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Konsequenz des Ausschlusses der Teilregelung wäre dann aber, dass die benachteiligte Arbeitnehmergruppe Leistungen verlangen kann, die an sich lediglich der anderen Gruppe zuteilwerden sollten. Von einer solchen Rechtsfolge ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Betriebsvereinbarung an sich eine Begünstigung für alle Arbeitnehmer bestimmt, aber in Form einer Ausnahmeregelung einen Teil dieser Arbeitnehmer von dieser Begünstigung ausnehmen will. Wenn die Gründe, die zu dieser Ausgrenzung führen sollen, auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Zuwendung eine solche Differenzierung nicht rechtfertigen, wird man im Zweifel einfach durch eine Streichung der Ausnahmeregelung zu einer Gleichbehandlung kommen müssen. Diese ist mit einer Mehrleistung verbunden, die auch durch die Wahl der Betriebsvereinbarung als Anspruchsgrundlage nicht vermieden werden kann. (Ga)
5.
Betriebsverfassungsrechtliche Pflicht zur Gleichbehandlung bei Dienstbekleidungsvorschriften
Auf der Grundlage von § 106 S. 2 GewO ist der Arbeitgeber berechtigt, in den Grenzen billigen Ermessens den Arbeitnehmer zum Tragen einer Dienstbekleidung aufzufordern. Geschieht dies im Zuständigkeitsbereich eines Betriebsrats, hat er ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Daran anknüpfend können Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung das Tragen einer einheitlichen Dienstkleidung regeln. Wird die Dienstkleidung indes für Arbeitnehmergruppen unterschiedlich ausgestaltet, verlangt der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine solche Differenzierung entsprechend dem Regelungszweck sachlich gerechtfertigt ist. Darauf hat das BAG mit Urteil vom 30.9.201423 hingewiesen. Der Kläger in dem zugrunde liegenden Fall war bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten waren aufgrund eines Tarifvertrags nach § 117 Abs. 2 BetrVG für das fliegende Personal Personal23 1 AZR 1083/12 n. v.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
vertretungen gebildet. Der Tarifvertrag ordnete dabei (auch) die Geltung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes an. Nach einer „Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung“ hatte das Cockpitpersonal während des Flugeinsatzes eine Uniform zu tragen. Zu dieser gehört bei Piloten eine „Cockpit-Mütze“, die in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich getragen musste, während Pilotinnen hierüber frei entscheiden konnten. Bei ihnen gehörte die „Cockpit-Mütze“ auch nicht zur Uniform. Der Kläger hielt diese unterschiedliche Ausgestaltung der Dienstbekleidungsvorschriften für unwirksam. Dass die Beklagte sich zu deren Rechtfertigung auf das klassische Pilotenbild und die Frisurgestaltung weiblicher Cockpit-Mitglieder berufen hatte, war aus seiner Sicht unzureichend. Der 1. Senat des BAG ist der Sichtweise des Klägers gefolgt und hat der auf Feststellung gerichteten Klage des Piloten, nicht zum Tragen der „CockpitMütze“ verpflichtet zu sein, stattgegeben. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Tragepflicht verstieß nach Auffassung des BAG gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und war unwirksam. Die einheitliche Dienstkleidung soll das Cockpit-Personal in der Öffentlichkeit als hervorgehobene Repräsentanten des beklagten Luftfahrtunternehmens kenntlich machen. Gemessen an diesem Regelungszweck sei aber eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt. Insofern muss sich die Beklagte also entscheiden, ob sie die „Cockpit-Mütze“ für Pilotinnen und Piloten gleichermaßen verbindlich macht oder – ohne Rücksicht auf klassische Pilotenbilder oder geschlechtstypische Frisurenerwartungen – auf eine Verbindlichkeit in Bezug auf das Tragen der „Cockpit-Mütze“ verzichtet. Ob darüber hinaus auch eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vorlag, hat das BAG angesichts des bereits vorliegenden Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz offengelassen. (Ga)
6.
Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren bei Meinungsverschiedenheiten über eine Betriebsvereinbarung
Grundsätzlich kann ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren eingeleitet werden, wenn der Inhalt einer Betriebsvereinbarung24, die Wirksamkeit,
24 BAG v. 27.5.1986 – 1 ABR 48/84, NZA 1986, 643.
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Schlichtungsverfahren bei Meinungsverschiedenheiten über eine Betriebsvereinbarung
Unwirksamkeit oder Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung25 oder ein Anspruch auf Anwendung oder Durchführung einer Betriebsvereinbarung durchgesetzt werden soll26. Der Betriebsrat kann die Feststellung oder Erfüllung individueller Ansprüche einzelner Arbeitnehmer indes nicht zum Gegenstand eines Beschlussverfahrens machen27. Darüber wird im Urteilsverfahren, ggf. durch inzidente Prüfung der Betriebsvereinbarung, entschieden28. Mit Beschluss vom 11.2.201429 hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass Arbeitgeber und Betriebsrat alternativ hierzu vereinbaren können, dass für auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung und die Anwendung einer Betriebsvereinbarung zunächst ein innerbetriebliches Schlichtungsverfahren durchzuführen ist und erst nach dessen Scheitern ein Beschlussverfahren eingeleitet werden kann. Ein ohne Beachtung eines solchen obligatorischen Schlichtungsverfahrens erhobener Antrag sei von den Arbeitsgerichten als unzulässig abzuweisen. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stritten Arbeitgeber und Betriebsrat darüber, ob eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung auch – wie es der Betriebsrat geltend machte – Leiharbeitnehmer erfasst. In der Betriebsvereinbarung hatten die Parteien zwar u. a. vereinbart: § 14 Paritätische Kommission Zur Klärung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieser BV und der Umsetzung des § 6 dieser BV wird eine paritätische Kommission gebildet, die aus je drei Vertretern der GF und des BR bestehen. Wird keine Einigung erzielt, ist eine Einigungsstelle anzurufen.
Als sich Arbeitgeber und Betriebsrat in Bezug auf den Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung nicht einigten, leitete der Betriebsrat trotz dieser Absprache ein Beschlussverfahren mit dem Ziel ein, den Arbeitgeber zu verurteilen, die Betriebsvereinbarung auch in Bezug auf Leiharbeitnehmer zur Anwendung zu bringen. Mit überzeugender Begründung hat der 1. Senat des BAG einen solchen Antrag für unzulässig gehalten. Wenn sich die Betriebsparteien verpflichtet hätten, in einem solchen Konfliktfall zunächst eine innerbetriebliche Einigung 25 BAG v. 21.8.1990 – 1 ABR 73/89, BB 1990, 2406; LAG Hamburg v. 13.2.2002 – 8 TaBV 10/01, NZA 2002, 507, 508. 26 BAG v. 21.3.2003 – 1 ABR 9/02, NZA 2003, 1097, 1098. 27 BAG v. 18.1.2005 – 3 ABR 21/04, DB 2005, 2417 Rz. 36. 28 BAG v. 22.1.2002 – 3 AZR 554/00, NZA 2002, 1224. 29 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497 Rz. 14.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
in einem von ihnen vereinbarten Verfahren zu versuchen, habe dies Vorrang vor einem Beschlussverfahren. Ein solches Vorverfahren sei keine nach § 4 ArbGG unzulässige Schiedsvereinbarung, sondern eine dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat durch § 76 Abs. 6 BetrVG eröffnete Möglichkeit, zwischen ihnen bestehende Meinungsverschiedenheiten vorrangig einer innerbetrieblichen Konfliktlösung zuzuführen und erst nach deren Scheitern der anderen Betriebspartei die Einleitung eines Beschlussverfahrens zu ermöglichen30. Dies gelte auch dann, wenn Gegenstand einer im Konfliktfall anzurufenden Einigungsstelle keine Regelungs- sondern eine Rechtsfrage sei, für die dieser außerhalb der ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen keine Entscheidungsbefugnis habe31. In dem zugrundeliegenden Fall hat das BAG die Vereinbarung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens angenommen. Dieses bestand zunächst einmal aus der Einbindung einer paritätischen Kommission, die durch Arbeitgeber und Betriebsrat zu bilden war. In der ergänzend hierzu getroffenen Abrede, dass bei fehlender Einigung die Einigungsstelle angerufen werden müsse, läge dann auch die ergänzende Vereinbarung, dass diese die Befugnis zur Entscheidung über die streitgegenständliche Frage besitze. Da die Betriebsparteien – was möglich gewesen wäre – darauf verzichtet hatten, die Durchführung des innerbetrieblichen Schlichtungsverfahrens fakultativ auszugestalten, musste dieses vor der Einleitung eines gerichtlichen Beschlussverfahrens durchgeführt werden. Eine Ausnahme nimmt das BAG im Beschluss vom 11.2.201432 lediglich dann an, wenn von der Vereinbarung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens auch Beschlussverfahren des einstweiligen Rechtschutzes erfasst würden. Eine solche Ausschlussmöglichkeit sei nicht gegeben. Denn der mit der Durchführung eines innerbetrieblichen Konfliktlösungsverfahrens verbundene Zeitaufwand dürfe die Gewährung von effektivem Rechtschutz nicht beeinträchtigen. Effektiver Rechtschutz könne insofern nur durch die staatlichen Gerichte gewährt werden, falls vorläufige Maßnahmen angeordnet werden müssten. Eine entsprechende Abrede in einer Betriebsvereinbarung ist gemäß § 293 S. 2 ZPO im Rahmen des Beschlussverfahrens auch ohne ausdrücklichen Hinweis eines Beteiligten zu prüfen. Dies unterscheide eine solche Abrede
30 BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497 Rz. 14; BAG v. 16.8.2011 – 1 ABR 22/10, NZA 2012, 342 Rz. 17. 31 BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497 Rz. 14. 32 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497 Rz. 19.
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Pflicht zur Neuausschreibung bei verzögerter Stellenbesetzung?
von der Einrede des Schiedsverfahrens, die nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung eine verzichtbare prozesshindernde Einrede sei33. Insofern fände auch das schiedsrichterliche Verfahren vorliegend keine Anwendung. Schließlich könne für Angelegenheiten aus dem BetrVG keine Schiedsvereinbarung getroffen werden. Die Betriebsparteien verfügten in Bezug auf die Durchführung von innerbetrieblichen Schlichtungsverfahren über ausreichende Dispositionsmöglichkeiten. Sie könnten die Einleitung eines solchen Verfahrens von vorneherein nur auf Antrag einer Betriebspartei vorsehen. Wollten sie trotz eines vereinbarten obligatorischen Schlichtungsverfahrens unmittelbar eine gerichtliche Klärung der zwischen ihnen umstrittenen Rechts- oder Regelungsfrage herbeiführen, könnten sie die Verpflichtung zu seiner Durchführung durch eine hierauf bezogene Vereinbarung wieder aufheben34. (Ga)
7.
Pflicht zur Neuausschreibung bei verzögerter Stellenbesetzung?
Gemäß § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Missachtet der Arbeitgeber ein entsprechendes Verlangen des Betriebsrats, kann dieser gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG seine Zustimmung zu der beabsichtigten Einstellung oder Versetzung verweigern. Inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens sieht das Gesetz nicht vor. Insofern obliegt es grundsätzlich dem Arbeitgeber, unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschreibungspflicht Inhalt, Ort und Dauer der Ausschreibung festzulegen. Eine weitergehende Handlungspflicht des Arbeitgebers besteht lediglich dort, wo zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Vereinbarung zur Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens getroffen wurde. Die Ausschreibung soll die zu besetzende Stelle den in Betracht kommenden Arbeitnehmern zur Kenntnis bringen und ihnen die Möglichkeit geben, ihr Interesse an der Stelle kundzutun und sich darum zu bewerben. Wie das BAG mit Beschluss vom 30.4.201435 deutlich gemacht hat, muss die Ausschreibung deshalb nicht nur eine Identifikation der Stelle ermöglichen. 33 BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497 Rz. 22, 24. 34 BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497 Rz. 25. 35 7 ABR 51/12, ZTR 2014, 632 Rz. 23 f.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Sie muss auch eine hinreichende Information der Arbeitnehmer des Betriebs über die Tatsache und die zeitlichen Umstände der geplanten Stellenbesetzung gewährleisten. Insofern müsse es eine ausreichende Frist geben, während derer die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer von der freien Stelle Kenntnis erlangen könnten. Dafür erscheine ein Zeitraum von zwei Wochen im Regelfall als ausreichend36. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats am 1.2.2010 eine Stelle ausgeschrieben, die zum 1.3.2010 besetzt werden sollte. Erst mit Schreiben vom 27.7.2010 begehrte die Arbeitgeberin indes die Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz eines Arbeitnehmers auf der ausgeschriebenen Stelle. Der Betriebsrat verweigerte unter Bezugnahme auf § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG seine Zustimmung und verwies darauf, dass die Ausschreibung nur bis zum 28.2.2010 erfolgt sei. Nach seiner Auffassung sei der Arbeitgeber deshalb verpflichtet gewesen, durch eine erneute Ausschreibung erkennbar zu machen, dass die Stelle zum 1.8.2010 besetzt werden solle. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats hat das BAG dem Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers stattgegeben. Nach seinen Feststellungen dürfe zwar der zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausschreibung und der tatsächlichen Stellenbesetzung nicht verloren gehen. Die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer müssten erkennen können, dass eine Stellenbesetzung im Raum stehe und sie sich auf die Stelle bewerben könnten. Nur so sei gewährleistet, dass das Verfahren transparent sei und dadurch den Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben werde, ihr Interesse an der Stelle kundzutun. Soweit in der Ausschreibung der Beginn der Tätigkeit bezeichnet sei, dürfe die tatsächliche Stellenbesetzungsentscheidung des Arbeitgebers von diesem Zeitpunkt deshalb nicht so entfernt sein, dass die Arbeitnehmer annehmen müssten, eine Entscheidung über die Stellenbesetzung stehe nicht mehr bevor37. Auch unter Berücksichtigung dieser Überlegungen sei vorliegend der zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausschreibung vom 1.2.2010 bis zum 28.2.2010 und der tatsächlichen Stellenbesetzung zum 1.8.2010 indes nicht durchbrochen. Denn es müsse berücksichtigt werden, dass für Entscheidungen über die Stellenbesetzung ein erheblicher zeitlicher Vorlauf erforderlich sein könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn nach erfolgloser innerbe-
36 So bereits BAG v. 6.10.2010 - 7 ABR 18/09, NZA 2011, 360 Rz. 18 ff. 37 BAG v. 30.4.2014 - 7 ABR 51/12, ZTR 2014, 632 Rz. 24.
480
Kein Durchführungsanspruch des Betriebsrats
trieblicher Ausschreibung noch eine außerbetriebliche Ausschreibung erfolgen müsse. An diese Überlegungen anschließend geht der 7. Senat des BAG davon aus, dass regelmäßig ein zeitlicher Abstand von einem halben Jahr zwischen der in der Ausschreibung in Aussicht genommen Aufnahme der Tätigkeit und der tatsächlichen Entscheidung über die Stellenbesetzung unschädlich sei. Dieser Zeitraum könne länger sein, wenn dies – etwa im Hinblick auf die für die Tätigkeit notwendigen Qualifikationen – erkennbar erforderlich sei, um eine sachgemäße Entscheidung zu treffen. Insbesondere in kleineren Betrieben könne er auch deshalb länger sein, weil allgemein bekannt sei, dass der Arbeitgeber sich weiter um eine Besetzung der Stelle bemühe. Der Zeitraum könne aber auch kürzer sein, etwa wenn nach den innerbetrieblichen Gegebenheiten Stellen der in Frage stehenden Art regelmäßig in einem bestimmten Zeitrahmen besetzt würden und dies den Arbeitnehmern bekannt sei38. Da der Betriebsrat im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte vorgetragen hatte, die hätten erkennen lassen, dass von der regelmäßig noch zulässigen Zeitspanne zwischen Ausschreibung und Stellenbesetzung abgewichen werden müsse, lehnte das BAG zu Recht eine Pflicht zur Neuausschreibung ab. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass die Sechs-MonatsFrist vorsorglich als Höchstgrenze verstanden werden sollte, die nur im Ausnahmefall ohne eine erneute Ausschreibung die Stellenbesetzung erlaubt. (Ga)
8.
Kein Durchführungsanspruch des Betriebsrats bei mitbestimmungswidrig eingeführter Vergütungsregelung
Gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Daran anknüpfend hat der Betriebsrat grundsätzlich einen Anspruch auf Durchführung, der auch im Beschlussverfahren verfolgt werden kann39. Ob ein entsprechender Durchführungsanspruch des Betriebsrats auch für solche Vereinbarungen gilt, die zwischen den Betriebsparteien in Form einer Regelungsabrede getroffen werden, hat das BAG im Beschluss vom
38 BAG v. 30.4.2014 - 7 ABR 51/12, ZTR 2014, 632 Rz. 28. 39 BAG v. 18.3.2014 - 1 ABR 75/12, NZA 2014, 984 Rz. 31; BAG v. 18.5.2010 – 1 ABR 6/09, NZA 2010, 1433 Rz. 16; HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 6 f.
481
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
18.3.201440 zwar offen gelassen41. In jedem Fall aber bestehe – so der 1. Senat – kein Anspruch des Betriebsrats auf ein bestimmtes Verhalten, wenn dieses darauf gerichtet sei, mitbestimmungswidrig eingeführte Vergütungsbestandteile fortzugewähren. Hier fehle es in Gänze an einer Vereinbarung, die als Anspruchsgrundlage Verwendung finden könne. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber im Wege einer Gesamtzusage gegenüber den in einer Filiale beschäftigten Arbeitnehmern versprochen, für die Arbeit der Voll- und Teilzeitkräfte am Samstag ein Arbeitszeitkonto zu führen, auf das 25 % der geleisteten Stundenzahl zusätzlich gutgeschrieben werde. Der Betriebsrat war bei dieser Zusage nicht beteiligt. Als sich der Arbeitgeber nach eineinhalb Jahren entschloss, neu eingestellte Arbeitnehmer auf der Grundlage einer ausdrücklichen Regelungen im Arbeitsvertrag von dieser Zeitgutschrift auszuschließen, machte der Betriebsrat indes geltend, dass diese Veränderung des persönlichen Geltungsbereichs der ursprünglichen Zusage ohne seine Zustimmung nicht zulässig sei. Er beantragte deshalb, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Zuschläge für etwaige Samstagsarbeit auch gegenüber den neu eingestellten Arbeitnehmern fortzuführen, bis eine Zustimmung des Betriebsrats oder ein die Zustimmung ersetzender Spruch der Einigungsstelle gegeben sei. Mit überzeugender Begründung hat das BAG den Antrag für unbegründet erklärt. Zwar habe der Betriebsrat berechtigterweise geltend gemacht, dass die Zusage einer entsprechenden Zeitgutschrift, die zu einem späteren Zeitpunkt vergütet werden sollte, an die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geknüpft war. Danach hat der Betriebsrat in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers bei der Einführung eines neuen Vergütungsbestandteils als Bestandteil der Gesamtvergütung mitzubestimmen. Auch die Entscheidung des Arbeitgebers, die Gewährung eines Vergütungsbestandteils zu einem späteren Zeitpunkt auf einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Personenkreis zu beschränken, unterliege dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Folgerichtig hätte der Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Einführung und Änderung der Regelung über eine etwaige Zeitgutschrift für Samstagsarbeit beteiligen müssen. Die fehlende Beteiligung des Betriebsrats hatte indes nicht zur Folge, dass dieser eine Fortführung der ursprünglichen Gesamtzusage auch gegenüber den neu eingestellten Arbeitnehmern verlangen konnte. Denn es fehlte an einer Vereinbarung, deren Einhaltung durch den Betriebsrat im Rahmen des Beschlussverfahrens hätte geltend gemacht werden können. 40 1 ABR 75/12, NZA 2014, 984 Rz. 31. 41 Ebenso BAG v. 27.10.1998 – 1 ABR 3/98, NZA 1999, 381.
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Kein Durchführungsanspruch des Betriebsrats
Eine Betriebsvereinbarung lag nicht vor. Auch eine Regelungsabrede war zwischen den Parteien nicht getroffen. Denn es war unstreitig, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zu der 2009 durch den Arbeitgeber eingeführten Leistung nicht erteilt hatte. Er hatte die Gewährung der Zeitgutschriften lediglich hingenommen. Die bloße Duldung eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat ist aber – so das BAG – für den Abschluss einer Regelungsabrede nicht ausreichend. Vielmehr setze diese zumindest eine auf die Zustimmung zu der Maßnahme gerichtete Beschlussfassung des Betriebsrats und deren Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Beides war vorliegend nicht gegeben. Für die betriebliche Praxis folgt aus dieser Entscheidung auf den ersten Blick zwar zunächst einmal der Vorteil, dass der Betriebsrat auf kollektivrechtlicher Ebene eine Fortsetzung mitbestimmungswidrig eingeführter Vergütungsregelungen nicht verlangen kann. Dies würde z. B. auch dann gelten, wenn ohne Beteiligung des Betriebsrats Bonus- oder Zuschlagsregelungen eingeführt werden. Losgelöst von dem Umstand, dass darin eine Missachtung gesetzlicher Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu sehen ist, sollte ein solches Vorgehen arbeitgeberseitig indes kritisch überdacht werden. Denn der Verzicht auf eine Einbindung des Betriebsrats hat auch zur Folge, dass die anspruchsbegründenden Maßnahmen nur individualrechtlicher Natur sind. Insofern handelt es sich im Zweifel um eine Gesamtzusage oder betriebliche Übung, die nur mit den Mitteln des Individualarbeitsrechts geändert oder beendet werden können. Eine Betriebsvereinbarung, die zur Grundlage entsprechender Leistungen gemacht würde, könnte hingegen ohne weitergehende Begründung gemäß § 77 BetrVG beendet werden. Hinzu kommt, dass das Individualarbeitsrecht auch der uneingeschränkten AGB-Kontrolle unterworfen ist. Selbst wenn § 75 BetrVG zum Teil entsprechende Schranken begründet, ist der Gestaltungsspielraum auf kollektivrechtlicher Ebene doch größer. Insofern kann insbesondere der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, losgelöst von der darin liegenden Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats, durchaus Vorteile begründen, die diesen Regelungsweg trotz der damit verbundenen Mühen einer Verhandlung mit dem Betriebsrat lohnenswert machen. (Ga)
483
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
9.
Mitbestimmung bei Beendigung einer vorläufigen personellen Maßnahme
In der Entscheidung vom 15.4.2014 war der 1. Senat des BAG42 erstmalig mit der Frage befasst, ob die Beendigung einer vorläufigen personellen Maßnahme, die zu einer Rückkehr in den bisherigen Betrieb und an den bisherigen Arbeitsplatz führt, als Neueinstellung oder Versetzung der Zustimmung des bisherigen Betriebsrats nach § 99 BetrVG unterliegt. Der Fall betrifft einen Arbeitgeber, der an verschiedenen Orten in B, A und D Spielbanken bzw. Casinos unterhält. Der Arbeitgeber suchte für sein Casino in D mehrere stellvertretende Bereichsleiter im klassischen Spiel. Auf diese Positionen bewarben sich die im Casino B beschäftigten Mitarbeiter K und M. Mit deren Einverständnis wollte der Arbeitgeber diese Mitarbeiter ab dem 1.9.2008 im Casino D als stellvertretende Bereichsleiter einsetzen. Der Betriebsrat im Casino D verweigerte jedoch die Zustimmung zur Einstellung, woraufhin der Arbeitgeber die Mitarbeiter K und M im Wege einer vorläufigen Personalmaßnahme nach § 100 BetrVG im Casino D als stellvertretende Bereichsleiter beschäftigte. Das Zustimmungsersetzungsverfahren gegen den Betriebsrat im Casino D blieb erfolglos. Das Arbeitsgericht wies die Anträge rechtskräftig am 31.3.2011 ab. Mit Schreiben vom 12.5.2011 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat im Casino B darüber, dass die Mitarbeiter K und M ab dem 1.6.2011 wieder auf ihren bisherigen Positionen im Casino B eingesetzt werden würden. Nunmehr verlangte der Betriebsrat im Casino B die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 BetrVG zur Versetzung. Die Arbeitgeberin setzte die Mitarbeiter wiederum mit einer vorläufigen Personalmaßnahme auf ihren bisherigen Arbeitsplätzen ein und beantragte beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass sie die Mitarbeiter K und M ohne Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG auf ihren bisherigen Positionen im Casino B einsetzen darf. Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich. In prozessualer Hinsicht wird vom BAG zunächst klargestellt, dass die von der Arbeitgeberin erhobene allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig ist, weil der Betriebsrat die Zustimmungsbedürftigkeit der Wiederbeschäftigung der Mitarbeiter auf ihren bisherigen Arbeitsplätzen nach Beendigung der vorläufigen personellen Maßnahmen reklamiert hat und die Arbeitgeberin nicht abwarten muss, bis der Betriebsrat von einem Beschlussverfahren nach § 101 S. 1 BetrVG Gebrauch macht. 42 1 ABR 101/12, DB 2014, 1876.
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Mitbestimmung bei Beendigung einer vorläufigen personellen Maßnahme
In der Sache selbst geht das BAG davon aus, dass die Beendigung einer vorläufigen Personalmaßnahme i. S. von § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG verbunden mit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz keine Einstellung oder Versetzung gemäß § 99 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG darstellt. Dabei lässt sich das BAG von der Erwägung leiten, dass zum Anwendungsbereich des § 99 BetrVG nicht die Durchführung vorläufiger Personalmaßnahmen gehört und sich die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei vorläufigen Personalmaßnahmen (nur) nach § 100 Abs. 2 BetrVG bestimmen. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat danach unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme unterrichten, ohne den objektiven Nachweis der dringenden Erforderlichkeit erbringen zu müssen43. Er muss lediglich das vom Gesetz vorgesehene Verfahren für vorläufige Personalmaßnahmen einhalten. Wenn dies geschieht, ist die – vorläufige - Durchführung der betreffenden Maßnahme auch ohne die Zustimmung des Betriebsrats betriebsverfassungskonform44. Die Vorschrift des § 100 Abs. 2 BetrVG schafft damit nach Ansicht des BAG einen eigenständigen Geltungsgrund für die vorübergehende Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit der Maßgabe, dass die vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 Abs. 3 BetrVG auflösend bedingt ist. Der Arbeitnehmer wird auflösend bedingt in den neuen Arbeitsbereich eingegliedert. Endet die vorläufige Maßnahme, muss der Arbeitgeber den vor ihrer Durchführung bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Zustand wiederherstellen. Dabei ist der Arbeitnehmer zuvor über die Vorläufigkeit der Maßnahme zu unterrichten, sodass er mit einer Rückkehr auf seinen bisherigen Arbeitsplatz ebenso wie die Belegschaft rechnen muss. Der Betriebsrat ist dann bei der Rückkehr zu unterrichten. Denn nach der in § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG normierten Informationspflicht des Arbeitgebers wird hiervon nicht nur die Information über die Einleitung einer vorläufigen Personalmaßnahme, sondern auch über ihr Ende umfasst. Eine andere Lösung hätte zur Folge, wie das BAG zutreffend bemerkt, dass der Arbeitnehmer im Ergebnis von keinem Betriebsrat mehr repräsentiert würde, wenn der Betriebsrat des vormaligen Einsatzbetriebes seine Zustimmung zur Rückkehr verweigern könnte. Dieser Entscheidung des BAG ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie stellt für die betriebliche Praxis klar, dass zwischen endgültigen und vorläufigen Personalmaßnahmen auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats klar differenziert werden muss und die vor43 BAG v. 23.6.2009 – 1 ABR 23/08, NZA 2009, 1430 Rz. 18. 44 BAG v. 6.12.1994 - 1 ABR 30/94, NZA 1995, 488 Rz. 18.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
läufige Personalmaßnahme ein rechtliches Eigenleben hat. Zulässigkeit, Durchführung und Beendigung vorläufiger Personalmaßnahmen des Arbeitgebers richten sich damit ausschließlich nach § 100 BetrVG. (Boe)
10. Unbeachtliche Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats bei Versetzungen Gemäß § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat dem Arbeitgeber unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach ordnungsgemäßer Unterrichtung schriftlich mitzuteilen, wenn er die Zustimmung zu einer beabsichtigten personellen Maßnahme verweigern will. Die Anforderungen an eine Begründung der Zustimmungsverweigerung sind dabei nicht hoch. Nach Maßgabe der Rechtsprechung genügt der Betriebsrat seiner Begründungspflicht schon dann, wenn es möglich erscheint, dass mit der von ihm angegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Nur eine Begründung, die – so das BAG – offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nehme, sei unbeachtlich45. Vielfach werden in der betrieblichen Praxis indes Personalmaßnahmen gebündelt umgesetzt. Zu diesem Zweck erfolgt dann auch eine Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG, die mehrere Versetzungen oder Einstellungen zum Inhalt hat. Wie das BAG mit Beschluss vom 13.5.201446 deutlich gemacht hat, muss der Betriebsrat, wenn er die Zustimmung zu jeder dieser Maßnahmen verweigern will, seine Verweigerung in Bezug auf jede einzelne Maßnahme begründen. Diese Voraussetzung hatte der Betriebsrat in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall nicht erfüllt. Denn die Gründe, die in seinem Zustimmungsverweigerungsschreiben enthalten waren, bezogen sich nur auf eine Gruppe von Arbeitnehmern, die vom Standort Berlin nach Frankfurt/Oder versetzt werden sollten. Arbeitnehmer, die aus dem Standort Potsdam nach Magdeburg versetzt werden sollten, wurden inhaltlich von dieser Begründung nicht erfasst. Hiervon ausgehend lag eine unbeachtliche Zustimmungsverweigerung in Bezug auf den Personenkreis vor, der aus Potsdam heraus versetzt werden
45 BAG v. 13.5.2014 - 1 ABR 9/12 n. v. (Rz. 21); BAG v. 10.3.2009 - 1 ABR 93/07, NZA 2009, 622 Rz. 28. 46 1 ABR 9/12 n. v. (Rz. 21).
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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG
sollte. Die Zustimmung des Betriebsrats zu diesen Versetzungen galt deshalb nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt47. In prozessualer Hinsicht ist es nicht erforderlich, die eigenständige Feststellung zu beantragen, dass die notwendige Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG als erteilt gilt. Es genügt, bei einer verweigerten Zustimmung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Auch ohne einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag wird im Rahmen dieses Verfahrens festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, wenn sich dieser nicht erklärt hat oder seine Zustimmung in unbeachtlicher Weise verweigert hat48. (Ga)
11.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beim Einsatz von Fremdpersonal
Gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Dabei hat er dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Mit Beschluss vom 13.5.201449 hat der 1. Senat des BAG in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung noch einmal bestätigt, dass es für die Mitbestimmung bei Einstellungen nach § 99 Abs. 1 BetrVG auf die Eingliederung des Beschäftigten, nicht aber auf die Natur des Rechtsverhältnisses ankomme, in dem die Person zum Betriebsinhaber stehe. Die Art des Rechtsverhältnisses, das zwischen der jeweiligen Person und dem Betriebsinhaber bestehe, spiele dabei keine Rolle. Eingegliedert sei, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichte, die der Arbeitgeber organisiere. Der Beschäftigte müsse also so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehabe und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit treffe. Damit hänge die Frage der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. 47 BAG v. 13.5.2014 – 1 ABR 9/12 n. v. (Rz. 17). 48 BAG 13.5.2014 – 1 ABR 9/12 n. v. (Rz. 17); BAG v. 18.10.1988 – 1 ABR 33/87, NZA 1989, 355 Rz. 24. 49 1 ABR 50/12 n. v. (Rz. 18)
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Hiervon ausgehend können nach den Feststellungen des BAG auch Fremdarbeitnehmer, die aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrags ihres Vertragsarbeitgebers auf dem Betriebsgelände eines anderen Arbeitgebers tätig sind, im Einsatzbetrieb Beteiligungsrechte des Betriebsrats wegen einer Einstellung nach § 99 BetrVG auslösen. Hierfür genügt es allerdings nicht, wenn die von ihnen zu erbringende Dienst- oder Werkleistung hinsichtlich Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess am Einsatzort eingeplant ist. Unerheblich ist auch, wenn dieser Einsatz unter Verwendung von Betriebsmitteln erfolgt, die durch den Werk- oder Dienstvertraggeber gestellt werden50. Voraussetzung für das Vorliegen einer Einstellung im Einsatzbetrieb sei, dass eine Eingliederung vorliegt, aufgrund derer der Inhaber des Einsatzbetriebs die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz des Fremdpersonals treffe51. In der Entscheidung vom 13.5.201452 hat das BAG entsprechende Indizien für eine Eingliederung angenommen. Denn in dem zugrunde liegenden Fall hatte der Inhaber des Einsatzbetriebs nicht nur die Aufgabe übernommen, die Dienstpläne für den Einsatz des Fremdpersonals mit Transportfahrten zu erstellen. Auf diese Weise oblag ihm schlussendlich auch die arbeitszeitliche Disposition in Bezug auf Arbeitnehmer und Fahrzeuge des Werkvertragsunternehmers. Dies galt umso mehr, als die Dienstpläne zum Teil bereits eine namentliche Benennung der Fahrer enthielten. Hinzu kam, dass der Inhaber des Einsatzbetriebs die Berechtigung besaß, bei unvorhergesehenen Situationen auf den vorgesehenen Touren dem Fahrpersonal des Werkvertragsunternehmers Anweisungen zu erteilen. Ergänzend waren die Fahrer des Werkvertragsunternehmers verpflichtet worden, zur weiteren Verwendung durch den Inhaber des Einsatzbetriebs Tagesberichte zu schreiben und ihre Tachoscheiben abzugeben, damit dieser eine Kontrolle der Fahrten vornehmen konnte. Der durch den 1. Senat des BAG vorgenommenen Interpretation des Begriffs der Einstellung ist zuzustimmen. Wenn man sich die Kriterien der damit verbundenen Eingliederung vor Augen führt, wird allerdings auch deutlich, dass es unter Berücksichtigung von § 645 BGB kaum möglich sein dürfte, Werk- und Dienstverträge in einer Weise abzuwickeln, die zu einer solchen Eingliederung führt. Vielmehr wird man in der betrieblichen Praxis im Zweifel davon ausgehen müssen, dass der scheinbare Werk- oder Dienstver-
50 BAG v. 13.5.2014 - 1 ABR 50/12, NZA 2014, 1149 Rz. 21 f. 51 BAG v. 13.5.2014 - 1 ABR 50/12, NZA 2014, 1149 Rz. 21; BAG v. 5.3.1991 -1 ABR 39/90, NZA 1991, 686 Rz. 21. 52 1 ABR 50/12, NZA 2014, 1149 Rz. 23 ff.
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Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen
trag schlussendlich zu einer Arbeitnehmerüberlassung geführt hat, wenn die Arbeitnehmer des Werk- oder Dienstvertragsnehmers in entsprechender Weise durch den Werk- oder Dienstvertragsgeber eingesetzt werden. Sollte, wovon derzeit auszugehen ist, mit den gesetzlichen Änderungen im AÜG auch eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, könnte die fehlende Kennzeichnung eines solchen Einsatzes als Arbeitnehmerüberlassung zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Fremdpersonal und dem Inhaber des Einsatzbetriebs führen53. (Ga)
12. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen Gemäß § 94 Abs. 2 BetrVG bedarf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze einer Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Wie das BAG mit Beschluss vom 14.1.201454 deutlich gemacht hat, betrifft das durch § 94 Abs. 2 BetrVG begründete Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze nicht nur die Einführung und Festlegung der materiellen Beurteilungsmerkmale. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf die Grundlage der Beurteilung und damit auf die Tatsachen, die für die Bewertung der Leistung herangezogen werden sollen. Hierzu gehört auch deren Anwendung, also die Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens55. Von diesen Überlegungen ausgehend hat es der 1. Senat des BAG für ermessensfehlerfrei gehalten, wenn die Einigungsstelle in ihrem Spruch nach § 94 Abs. 2 BetrVG den Arbeitgeber verpflichtet, zur Vorbereitung der Personalbeurteilung eine Aufgabenbeschreibung anzufertigen. In dieser Feststellung liegt nicht die Aufgabe des Grundsatzes, nach dem die Erstellung von Stellenbeschreibungen ohne Bezug zu anderen betrieblichen Maßnahmen des Arbeitgebers regelmäßig nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt. Ausnahmen können sich, wie an anderer Stelle dargestellt56, nur aus dem Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung einer Arbeitsorganisation zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher Verpflich53 54 55 56
B. Gaul, AktuellAR 2013, 331 ff.; 2014, 319 f. 1 ABR 49/12, DB 2014, 1382 Rz. 20 f. Ebenso Richardi/Thüsing, BetrVG § 94 Rz. 64; Fitting, BetrVG § 94 Rz. 30. B. Gaul, AktuellAR 2014, 491 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
tungen ergeben (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass – so das BAG – eine Stellenbeschreibung die Funktion einer bestimmten Stelle innerhalb eines betrieblichen Geschehens bestimmt. Sie definiert die Aufgabe und Kompetenz dieser Stelle und beschreibt, welche Tätigkeiten dort im Einzelnen zu ihrer Erfüllung verrichtet werden müssen. Insofern sei die Stellenbeschreibung Teil der Personalplanung, die nicht dem Mitbestimmungsrecht unterliege, sondern nur die in § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG geregelte Beteiligung des Betriebsrats auslösen könne57. Soweit es um die Ausgestaltung von Beurteilungsgrundsätzen geht, kann der Arbeitgeber allerdings verpflichtet werden, die Tätigkeitsinhalte der zu beurteilenden Arbeitnehmer in dem dafür maßgeblichen Zeitraum zu dokumentieren. Im Unterschied zu einer Stellenbeschreibung, wie sie das BAG vor Augen hat, fehlt dabei eine Darstellung der Entscheidungsbefugnisse einer bestimmten Stelle und ihrer Einbindung in die betriebliche Organisation. Diese haben für eine Bewertung der Arbeitsleistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers keine Bedeutung. Im Gegensatz dazu gehört aber – so das BAG – die Dokumentation der Aufgaben eines Arbeitnehmers zu den Regelungen, auf denen die Bewertung der Arbeitsergebnisse der Arbeitnehmer beruht. Sie diene der Verobjektivierung der an den Arbeitnehmer gestellten Anforderungen und gewährleiste, dass nur die durch den Arbeitgeber zugewiesenen Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde gelegt würden58. Bei einer entsprechenden Festlegung darf die Einigungsstelle auch verlangen, dass die Aufgabenbeschreibung zumindest in Textform erstellt wird. Dies fördere – so das BAG – ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung. Sowohl für den Arbeitnehmer wie auch für einen Dritten werde erkennbar, von welcher Aufgabenzuweisung der Beurteilende bei seiner Bewertung ausgehe. Denn die Ermittlung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage für die Bewertungen der Arbeitsleistung und des Verhaltens werde auf diese Weise eindeutig beschrieben. Weitergehende Formerfordernisse für die inhaltliche Dokumentation dürften auch nicht erforderlich sein, um das Regelungsziel zu erreichen59. (Ga)
57 BAG v. 14.1.2014 - 1 ABR 49/12, DB 2014, 1382 Rz. 14 f. 58 BAG v. 14.1.2014 - 1 ABR 49/12, DB 2014, 1382 Rz. 16, 21. 59 Vgl. BAG v. 14.1.2014 - 1 ABR 49/12, DB 2014, 1382 Rz. 21, 26.
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Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Bereich des Arbeitsschutzes
13. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Bereich des Arbeitsschutzes Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Wie das BAG mit seinem Beschluss vom 11.2.201460 noch einmal deutlich gemacht hat, bezieht sich dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, mit denen Rahmenvorschriften konkretisiert werden. Auf diese Weise soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setze ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv bestehe und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlange, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich dabei sei, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienten. Folgerichtig habe der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung nach §§ 5 ArbSchG, 3 BildscharbV. Kommt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Vereinbarung über Maßnahmen des Arbeitsschutzes zustande, entscheidet die Einigungsstelle gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG. Das Verfahren vor der Einigungsstelle dient indes dazu, die regelungsbedürftige Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge vollständig zu lösen. Daraus folgt, dass ein Einigungsstellenspruch unwirksam ist, wenn – so das BAG – die Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag nicht ausreichend nachkommt und keine abschließende Regelung trifft. Alle wesentlichen Fragen müssen also durch den Spruch der Einigungsstelle beantwortet werden61. In seinem Beschluss vom 18.3.201462 hat sich der 1. Senat des BAG daran anknüpfend mit den Beteiligungsrechten des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Organisationsstruktur zur Umsetzung der arbeitgeberseitigen Verpflichtungen nach §§ 3 ff. ArbSchG beschäftigt. Ausgangspunkt war dabei der Umstand, dass der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der ihm nach § 3 Abs. 1 ArbSchG obliegenden Pflichten im 60 1 ABR 72/12, NZA 2014, 989 Rz. 14. 61 BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 72/12, NZA 2014, 989 Rz. 14, 17. 62 1 ABR 73/12, NZA 2014, 855 ff.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Bereich des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Art, der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen hat (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG). Bestandteil dieser Verpflichtung ist die Zuweisung von Aufgaben an einzelne Führungskräfte, die gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2, 13 Abs. 2 ArbSchG erfolgen kann. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber, ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und der Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen befasst, den sechs Meistern seiner Hamburger Niederlassung alle wesentlichen Aufgaben im Bereich des Arbeits- und Umweltschutzes übertragen. Diese Meister waren verantwortlich für den Einsatz von 48 Monteuren im Service- und Neubaugeschäft. Die Übertragung erfolgte durch Schreiben vom 16.9.2010. In diesem Schreiben waren konkret eine Reihe von Verpflichtungen aufgeführt, die dem Bereich Arbeitssicherheit, Brandschutz, Gesundheits- und Umweltschutz an den Arbeitsplätzen dieser Niederlassung zuzuordnen waren. Die Aufstellung endete mit dem Hinweis, dass den Meistern obliegen sollte, die Aufgaben nach §§ 3 bis 14 des ArbSchG wahrzunehmen. Daran knüpfte die Feststellung an, dass die Meister die Verantwortung für die Arbeitssicherheit in ihrem Bereich haben sollten. Der Arbeitgeber verwies bei seiner Weisung auf die Befugnis, Aufgaben des Arbeitsschutzes gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG auf zuverlässige und fachkundige Personen zu übertragen. Der Betriebsrat hingegen machte geltend, dass die in Rede stehende Maßnahme der Festlegung einer Organisation zur Verwirklichung arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen gemäß § 3 Abs. 2 ArbSchG zuzuordnen sei, was ein umfassendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zur Folge habe. Das BAG ist dieser Sichtweise des Betriebsrats gefolgt und hat bestätigt, dass die durch Schreiben vom 16.9.2010 vorgenommene Übertragung von Unternehmerpflichten gemäß §§ 3 ff. ArbSchG der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliege. Nach den Feststellungen des BAG stimmt der Begriff des Gesundheitsschutzes in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mit dem des ArbSchG überein. Erfasst würden Maßnahmen, die dazu dienten, die psychische und physische Integrität des Arbeitnehmers zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt sei, die zu medizinisch feststellbaren Verletzungen oder Erkrankungen führten oder führen können. Dabei würden auch vorbeugende Maßnahmen einbezogen. Voraussetzung sei lediglich, dass es sich bei den arbeitgeberseitigen Maßnahmen um einen kollektiven Tatbestand handelte, für 492
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Bereich des Arbeitsschutzes
den eine abstrakt-generelle Lösung erforderlich sei. Kein Mitbestimmungsrecht sei gegeben, wenn der Arbeitgeber nach den gesetzlichen Rahmenregelungen Einzelmaßnahmen zu treffen habe63. Grundsätzlich handelt es sich bei der Übertragung einzelner Aufgaben auf Dritte, wenn sie im Rahmen von § 13 Abs. 2 ArbSchG erfolgt, um eine Einzelmaßnahme, die nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt. Wie das BAG im Weiteren indes deutlich macht, ist hiervon jedoch die Schaffung einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz abzugrenzen64. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG habe der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen. Dabei habe er gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 ArbSchG Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. Diese Handlungsvorgaben den - wie an anderer Stelle ausgeführt65 – durch die derzeit im Entwurf vorliegende Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen66 deutlich ausgeweitet. In jedem Fall habe der Arbeitgeber damit durch den Aufbau einer geeigneten Organisation dafür Sorge zu tragen, dass die sich aus dem ArbSchG ergebenden Aufgaben auf Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte, verteilt werden. Nach den insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des BAG handelt es sich dabei um generell-abstrakte Regelungen des Arbeitsschutzes, die über den Einzelfall hinausgehen. Sie betreffen nicht nur die Übertragung einzelner Aufgaben des Arbeitsschutzes auf bestimmte Personen, sondern den Aufbau einer Organisationsstruktur. Soweit in diesem Zusammenhang Aufgaben an einzelne Führungskräfte übertragen würden, sei dies lediglich ein Teil der damit verbundenen Organisationsmaßnahme. Hiervon ausgehend bedarf eine entsprechende Festlegung durch den Arbeitgeber einer Zustimmung des Betriebsrats, die für den Fall der fehlenden Einigung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird (§ 87 Abs. 2 BetrVG).
63 64 65 66
BAG v. 18.3.2014 - 1 ABR 73/12, NZA 2014, 855 Rz. 19. BAG v. 18.3.2014 – 1 ABR 73/12, NZA 2014, 855 Rz. 21 ff. B. Gaul, AktuellAR 2014, 323 ff. BR-Drucks. 400/14.
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Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Dies gilt auch und insbesondere in dem hier in Rede stehenden Fall. Denn der Entscheidung des Arbeitgebers, den sechs Meistern die im Schreiben vom 16.9.2010 genannten Aufgaben im Bereich des Arbeitsschutzes zuzuweisen, liegt einer abstrakt-generelle Festlegung der diesbezüglichen Organisation zugrunde. Ziel dieser Festlegung war es, die aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG folgende Pflicht zu erfüllen, eine betriebliche Organisationsstruktur im Arbeitsschutz aufzubauen und die Verantwortungsbereiche der Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Führungsverantwortung arbeitgeberseitige Pflichten wahrnehmen sollten, festzulegen67. Bedauerlicherweise enthält die Entscheidung des BAG keine Feststellungen zu der Frage, welche Konsequenzen mit einer Nichtbeachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG verbunden sind. Es liegt allerdings nahe, insoweit von einer Anwendung der „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“ auszugehen. Konsequenz wäre, dass wirksam Rechte und Pflichten der von einer entsprechenden Übertragung betroffenen Arbeitnehmer ohne eine vorherige Zustimmung des Betriebsrats nicht begründet werden können. Dies hätte ganz erhebliche Konsequenzen im Bereich des Arbeitsschutzes. Denn ohne eine solche Aufgabenübertragung bliebe es bei der Verpflichtung, dass der Arbeitgeber – also Vorstand und Geschäftsführung – selbst weiterhin die alleinige Verpflichtung zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben im Bereich des Arbeitsschutzes hätte. Dieser müsste dann selbst für die Erfüllung der Pflichten Sorge tragen. Überträgt man insoweit die aus dem Bereich des Compliance entwickelten Grundsätze68, wird man bei einer unzureichenden Organisation zur Erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten deshalb auch über haftungsrechtliche Konsequenzen der Mitglieder von Vorstand oder Geschäftsführung nachdenken müssen. Schon aus diesem Grund wird man daher frühzeitig über eine wirksame Einbindung der Arbeitnehmervertreter nachdenken müssen, die auch auf der Grundlage einer Regelungsabrede erfolgen kann. (Ga)
14. Benennung von Beisitzern der Einigungsstelle Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Sie besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen.
67 BAG v. 18.3.2014 – 1 ABR 73/12, NZA 2014, 855 Rz. 27. 68 Vgl. zuletzt LAG München v. 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10, DB 2014, 766 ff.
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Benennung von Beisitzern der Einigungsstelle
Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird (§ 76 Abs. 1, 2 BetrVG). Der Gesetzgeber hat keine Voraussetzungen festgelegt, die hinsichtlich der persönlichen Eignung durch einen Beisitzer der Einigungsstelle erfüllt werden müssen. Grundsätzlich dürfen sich die Betriebsparteien dabei deshalb für Personen entscheiden, denen sie vertrauen, dass sie als Beisitzer die Interessen der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite in Verhandlungen mit der anderen Seite wahren. Dies und das Vertrauen, durch das Erarbeiten von Kompromissen eine für beide Betriebsparteien annehmbare Konfliktlösung zu erreichen, ist – so das BAG – der Maßstab, an dem sich die Betriebsparteien bei ihrer Benennungsentscheidung auszurichten haben. Ob ein solches Vertrauen gerechtfertigt sei, entziehe sich dabei jedoch der gerichtlichen Nachprüfung69. Die Entscheidung des BAG vom 28.5.201470 macht indes deutlich, dass bei einer solchen Benennung von Einigungsstellenbeisitzern im Grunde keine Grenzen gesetzt sind. Insbesondere ist es dem Betriebsrat im Zweifel nicht verwehrt, auch solche Arbeitnehmer als Beisitzer zu benennen, mit denen als Folge schwerer Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber bereits eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden ist. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Betriebsrat ein früheres Mitglied des Betriebsrats als Beisitzer mehrerer Einigungsstellen benannt, obwohl zwischen diesem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber im Anschluss an ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG als Folge einer schweren Beleidigung eines Vorgesetzten nicht nur die Beendigung des Betriebsratsmandats, sondern auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden war. Der Arbeitgeber hielt es für unzumutbar, in der Einigungsstelle mit diesem Arbeitnehmer einen Kompromiss in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten zu finden. Der 7. Senat des BAG hat auch unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände eine Verpflichtung des Betriebsrats abgelehnt, auf die Benennung dieses Arbeitnehmers als Mitglied der Einigungsstelle zu verzichten. Weder der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) noch das Gebot einer Achtung des Betriebsfriedens (§ 74 Abs. 2 S. 2 BetrVG) könne eine solche Verpflichtung begründen.
69 BAG v. 28.5.2014 – 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 Rz. 32; BAG v. 24.4.1996 – 7 ABR 40/95, NZA 1996, 1171 Rz. 20. 70 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 Rz. 26 ff.
495
Betriebsverfassung und Mitbestimmung
Zwar sei es den Betriebsparteien verwehrt, Personen als Beisitzer von Einigungsstellen zu benennen, die hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen offensichtlich ungeeignet seien, entsprechend der Funktion der Einigungsstelle tätig zu werden. Dass gelte zunächst einmal dann, wenn sie hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen offensichtlich ungeeignet seien, über die der Einigungsstelle zugrundeliegende Regelungsmaterie zu entscheiden. Dieser Gesichtspunkt komme allerdings auch dann zum Tragen, wenn der benannten Person die mangelnde Eignung in sonstiger Weise anhafte und sich daraus ergebe, dass sie in der Einigungsstelle ihre Funktion nicht ordnungsgemäß ausüben könne. Dabei sei indes ein strenger Maßstab anzulegen. Insbesondere gehe es nicht darum, einzelne Verhaltensweisen der Person in der Vergangenheit zu sanktionieren. Maßstab sei auch nicht, ob Gründe für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder den Ausschluss aus dem Betriebsrat vorlägen. Eine Person scheide als Beisitzer der Einigungsstelle vielmehr nur aus, wenn unter ihrer Mitwirkung eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Einigungsstelle nicht zu erwarten sei71. Wenn man dieser Sichtweise folgt, dürfte es in der betrieblichen Praxis nahezu ausgeschlossen sein, die Benennung von Einigungsstellenbeisitzern als unzulässig zu qualifizieren. Nur das Interesse von Arbeitgeber und/oder Betriebsrat, in der Einigungsstelle gemeinsam an einer Lösung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zu arbeiten, kann deshalb nahelegen, auf provozierende Benennungen zu verzichten. (Ga)
71 BAG v. 28.5.2014 - 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 Rz. 36.
496
I. 1.
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers im Transferarbeitsverhältnis
Bei Betriebsänderungen ist die Einbindung einer Transfergesellschaft durchaus geeignet, um in sozialverträglicher Weise Personalabbaumaßnahmen umzusetzen. Mit dem Wechsel in eine Transfergesellschaft wird den vom Wegfall ihres Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben, während eines befristeten Zeitraums, in dem Transferkurzarbeitergeld gezahlt wird, Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, die eine Vermittlung in ein neues Anschlussarbeitsverhältnis zum Ziel haben. Einzelheiten hierzu bestimmt § 111 SGB III. Grundlage für die Einbindung eines Arbeitnehmers in eine Transfergesellschaft ist der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Transfergesellschaft, der in der Regel in Form eines dreiseitigen Vertrags mit dem Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Altarbeitgeber verbunden wird. Der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft ist nicht von einer aktiven Beschäftigung geprägt. Vielmehr wird von Beginn an vereinbart, dass Kurzarbeit „Null“ zum Tragen kommt. Zur wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers erhält dieser nicht nur Transferkurzarbeitergeld, sondern auch einen Zuschlag, mit dem die Differenz zwischen dem Kurzarbeitergeld und dem bisherigen Nettoarbeitsentgelt jedenfalls zum Teil ausgeglichen wird. Lediglich für die Dauer des gesetzlichen Urlaubsanspruchs wird eine Entgeltfortzahlung festgelegt. In seinem Urteil vom 19.3.20141 hat der 5. Senat des BAG angenommen, dass – jedenfalls unter Berücksichtigung der im konkreten Fall getroffenen Vereinbarungen – während der Dauer des Arbeitsverhältnisses in der Transfergesellschaft kein eigenständiger Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber der Transfergesellschaft bestünde. Setze sich – so das BAG – die Vergütung im Transferarbeitsverhältnis aus dem Transferkurzarbeitergeld und einer Aufstockungsleistung des bisherigen Arbeitgebers zusammen, bestehe ohne besondere Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag keine eigenständige Vergütungspflicht der Transfergesellschaft. Vielmehr übernehme diese nur die technische Abwicklung der Auszahlung von Leistungen der Agentur für Arbeit bzw. des Altarbeitgebers. 1
5 AZR 299/13 (F), DB 2014, 1494 Rz. 19 ff.
497
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Wenn man allein die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen zugrunde legt, scheint diese Sichtweise richtig. Sie lässt aber wesentliche Grundsätze des Arbeitsförderungsrechts unberücksichtigt. Die Höhe des Transferkurzarbeitergeldes, das durch die Transfergesellschaft gezahlt wird, bestimmt sich nach §§ 105 f., 111 Abs. 10 SGB III. Es beträgt daher 60 bzw. 67 % der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum. Die Nettoentgeltdifferenz entspricht insoweit der Differenz zwischen 1. dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Soll-Entgelt und 2. dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Ist-Entgelt.
Soll-Entgelt ist das Bruttoarbeitsentgelt, das die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in dem Anspruchszeitraum erzielt hätte, vermindert um Entgelt für Mehrarbeit. Bereits aus diesem Umstand folgt, dass auch im Rahmen einer Transfergesellschaft ein Bruttoarbeitsentgelt vereinbart werden muss, dass der Berechnung des Kurzarbeitergeldanspruchs zugrunde gelegt werden kann. Dieses Bruttoarbeitsentgelt ist dann auch Grundlage, um das Urlaubsentgelt während des gesetzlichen Urlaubs zu berechnen. Würde man, wie es das BAG für zulässig hält, in der Transfergesellschaft einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen die Transfergesellschaft bereits dem Grunde nach ausschließen, könnte auch kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld bestehen. Denn Kurzarbeitergeld ist eine Entgeltersatzleistung, tritt also an die Stelle des Entgeltanspruchs, der ohne Kurzarbeit realisiert würde. Hiervon ausgehend wird man auch in der Transfergesellschaft zunächst einmal annehmen müssen, dass grundsätzlich ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Dieser wird aber – insoweit ist das Ergebnis der BAG-Entscheidung zutreffend – dadurch aufgehoben, dass einvernehmlich für die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses Kurzarbeit „Null“ vereinbart wird. Mit der Aufhebung der Arbeitspflicht ist auch eine Aufhebung des Vergütungsanspruchs verbunden, an dessen Stelle dann das Kurzarbeitergeld tritt. Ein hiervon abweichender Gestaltungsspielraum besteht hingegen in Bezug auf den Zuschlag, der zum Kurzarbeitergeld gezahlt werden soll. Hier besteht nicht nur die Möglichkeit, dass der Zuschlag während des zwischen Transfergesellschaft und Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses weiterhin durch den Altarbeitgeber unmittelbar an den Arbeitnehmer gezahlt wird. In diesem Fall handelt es sich um eine Leistung des Alt-Arbeitgebers, die – wie eine ratierliche Abfindung – nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in monatlichen Raten gewährt wird. Dabei kann der Alt-Arbeitgeber
498
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Unterbindung einer Betriebsänderung
die Transfergesellschaft auch als Dienstleister einbinden, der die Auszahlung im Namen des Alt-Arbeitgebers vornimmt. Denkbar ist allerdings auch, dass der Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers unmittelbar gegen die Transfergesellschaft gerichtet ist. Diese muss dann sicherstellen, dass sie die hier erforderlichen Mittel rechtzeitig durch den Alt-Arbeitgeber erhält. Während bei der erstgenannten Gestaltungsform das Insolvenzrisiko in Bezug auf den Alt-Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer zu tragen ist, trägt bei der letztgenannten Gestaltungsform die Transfergesellschaft das Risiko, dass der AltArbeitgeber entsprechende Leistungen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft nicht mehr erbringen kann. Dies ist in der betrieblichen Praxis Anlass, über Bürgschaften, Treuhandmodelle oder eine simple Vorleistung nachzudenken. Wichtig ist, die vorstehenden Grundsätze bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen mit Transfergesellschaften zu berücksichtigen. Nur dann kann ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld rechtssicher begründet werden. Hinzu kommt, dass nur bei der Vereinbarung einer grundsätzlichen Vergütungspflicht der Transfergesellschaft auch eine ordnungsgemäße Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs im Anschluss an die Transfergesellschaft erfolgen kann. Denn auch insoweit ist das Arbeitsentgelt maßgeblich, das der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit von der Transfergesellschaft hätte in Anspruch nehmen können (§§ 149 ff., 151 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). (Ga)
2.
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Unterbindung einer Betriebsänderung
Bereits bei früherer Gelegenheit hatten wir darüber berichtet, dass nach wie vor keine einheitliche Meinung erkennbar ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat zur Sicherung seiner Beteiligungsrechte aus §§ 111, 112 BetrVG im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung beim Arbeitsgericht – ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung – einen Unterlassungsanspruch gegen einzelne Maßnahmen des Arbeitgebers durchsetzen kann2. Während ein Teil der Instanzgerichte einen solchen Anspruch anerkennt3, lehnt ein anderer Teil der Instanzgerichte bereits die Möglichkeit ei-
2 3
B. Gaul, AktuellAR 2012,493 ff. Vgl. nur LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2013 – 17 TaBVGa 2058/13 n. v. (Rz. 22); LAG Hamburg v. 22.5.2008 – 7 Ta 5/08 n. v. (Rz. 12); LAG Frankfurt/M. v. 19.1.2010 – 4 TaBVGa 3/10, NZA-RR 2010, 187 Rz. 15 f.; LAG Hamm v. 20.4.2012 – 10 TaBVGa 3/12 n. v. (Rz. 46).
499
Betriebsänderung und Betriebsübergang
nes solchen Anspruchs im Rahmen der Systematik von §§ 111 ff. BetrVG ab4. Obwohl das LAG Berlin-Brandenburg zu den Instanzgerichten gehört, die grundsätzliche die Möglichkeit eines Unterlassungsanspruchs auch im Rahmen von §§ 111 ff. BetrVG anerkennen, hat es mit Beschluss vom 19.6.20145 deutlich gemacht, dass damit nicht jede Maßnahme des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Umsetzung einer geplanten Betriebsänderung untersagt werden kann. Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats diene – so das LAG Berlin-Brandenburg – nur der Sicherung des Anspruchs des Betriebsrats auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, nicht aber losgelöst hiervon, einer Untersagung der Betriebsänderung selbst. Aus diesem Grunde könnten durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung nur solche Maßnahmen des Arbeitgebers untersagt werden, die den Verhandlungsanspruch des Betriebsrats rechtlich oder faktisch in Frage stellten. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn wegen der Schaffung eines Fait accompli die Position des Betriebsrats substanziell beeinträchtigt würde. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsverlegung, die 323 Mitarbeiter betraf, 20 Mitarbeiter noch während der laufenden Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan an den neuen Standort versetzen konnte, um dort den Umzug vorzubereiten. Der Betriebsrat war der Auffassung, dass darin bereits ein erster Schritt zur Umsetzung der Betriebsänderung läge, der dem Verhandlungsanspruch insbesondere in Bezug auf den Interessenausgleich zuwider liefe. Das LAG Berlin-Brandenburg ist dieser Sichtweise nicht gefolgt. Zum einen handele es sich nur um eine geringe Zahl der von der geplanten Betriebsänderung insgesamt betroffenen Arbeitnehmer. Zum anderen, dies dürfte entscheidend gewesen sein, seien die Maßnahmen auch nicht unumkehrbar. Der Bestand der Arbeitsverhältnisse werde nicht tangiert. Auch wenn die Versetzung Teil der von der Arbeitgeberin insgesamt geplanten Betriebsänderung sei, würden die Rechte des Betriebsrats mit der Durchführung dieser Maßnahme nicht erlöschen. Vielmehr lasse sich der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats noch immer mit allen Optionen verwirklichen6. 4 5 6
So LAG Köln v. 27.5.2009 – 2 TaBVGa 7/09 n. v. (Rz. 11); LAG Baden-Württemberg v. 21.10.2009 – 20 TaBVGa 1/09 n. v. (Rz. 2); LAG München v. 22.12.2008 – 6 TaBVGa 6/08, BB 2010, 896 Rz. 30. 7 TaBVGa 1219/14 n. v. LAG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2014 – 7 TaBVGa 1219/14 n. v. (Rz. 14).
500
Vereinbarungen in Bezug auf das Vorliegen eines Betriebsübergangs
Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Denn es bleibt trotz des Einsatzes dieser Arbeitnehmer am neuen Standort möglich, sich im Rahmen des Interessenausgleichs auf einen späteren Umzug, einen nur teilweisen Umzug oder den Verzicht auf den Umzug zu einigen. Dass die Wahrscheinlichkeit eines Verzichts oder der Einschränkung der geplanten Betriebsverlegung gering ist, ändert an der Umkehrbarkeit der vorbereitenden Maßnahmen nichts. Entsprechendes wird man dann annehmen können, wenn einzelne Maschinen oder Ausrüstungsgegenstände verlagert werden, sofern die Produktion am bisherigen Standort noch unverändert fortgeführt werden kann. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, bei der Gefahr entsprechender Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtzeitig Schutzschriften beim Arbeitsgericht zu hinterlegen. Mit diesen kann dem Gericht gegenüber nicht nur aufgezeigt werden, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG gewahrt werden. Es kann darüber hinaus auch deutlich gemacht werden, dass etwaige Maßnahmen, die zur Vorbereitung erfolgen, kein unumkehrbarer Schritt zur Umsetzung der Betriebsänderung sind. In jedem Fall dürfte eine entsprechende Schutzschrift vermeiden, dass ohne eine mündliche Verhandlung über einen Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung solcher Maßnahmen entschieden wird. (Ga)
3.
Bedeutung von Vereinbarungen in Bezug auf das Vorliegen eines Betriebsübergangs
In den beiden Urteilen vom 20.3.20147 und vom 22.5.20148 hat sich der 8. Senat des BAG eingehend mit den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebs- bzw. Betriebsteilübergangs befasst. Mit überzeugender und ausführlicher Begründung hat das BAG dabei noch einmal die Unterschiede zwischen der Übernahme von Einheiten mit betriebsmittelarmer bzw. betriebsmittelintensiver Tätigkeit deutlich gemacht. Daran kann in der Betriebspraxis angeknüpft werden, wenn es darum geht, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB herauszuarbeiten. Denn das BAG hat sich intensiv mit der Kennzeichnung einer organisatorischen Einheit, der rechtsgeschäftlichen Übernahme ihrer wesentlichen Ressourcen und der Fortführung der bisherigen Tätigkeit unter Wahrung der bisherigen Organisations- bzw. Funktionsstruktur befasst. Hilfreiche Feststellungen sind dabei insbesondere in Bezug auf die Bedeutung von Be-
7 8
8 AZR 1/13, NJW 2014, 2604 ff. 8 AZR 1069/12, ZIP 2014, 1750 ff.
501
Betriebsänderung und Betriebsübergang
triebsmitteln und die Kennzeichnung des nach Zahl und Sachkunde maßgeblichen Personenkreises zu finden. Im Mittelpunkt der Entscheidung des BAG vom 20.3.20149 stand indes die Frage, ob und inwieweit die Rechtsfolgen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs durch Vereinbarung der daran beteiligten Unternehmen beeinflusst werden können. In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Gemeinde beschlossen, die von ihr bis dahin betriebenen Kindertagesstätten auf einen Verein zu übertragen. Auf der Grundlage eines Betreibervertrags wurden diesem sämtliche Betriebsmittel und das Betriebskonzept überlassen. Sein Auftrag war es, die Kindertagesstätten in der bisherigen Weise fortzuführen. Ergänzend hierzu hatten die Gemeinde und der Verein allerdings vereinbart, dass die Arbeitsverhältnisse der in den Kindertagesstätten beschäftigten Arbeitnehmer bei der Gemeinde verbleiben sollten. Der Einsatz dieser Arbeitnehmer sollte im Wege der Personalgestellung erfolgen. Kurz nach Ausgliederung der Kindertagesstätten kam es zu einem Streit mit der Leiterin einer der Einheiten, der schlussendlich in einer Kündigung durch die Gemeinde endete. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage machte die Klägerin geltend, dass die Kündigung bereits deshalb ohne Bedeutung sei, weil das Arbeitsverhältnis bereits zuvor durch rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB auf den Verein übergegangen sei. Mit überzeugender Begründung hat der 8. Senat des BAG diese Sichtweise bestätigt und – weil zum Zeitpunkt der Kündigung kein Arbeitsverhältnis mehr bestand – die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Bei dem Betrieb einer Kindertagesstätte handelt es sich um eine betriebsmittelintensive Tätigkeit. Folgerichtig hatte die Übertragung der Betriebsmittel in Verbindung mit dem Betriebskonzept und der Vereinbarung, die Kindertagesstätte fortzuführen, einen Betriebsübergang nach § 613 a BGB zur Folge. Denn die wirtschaftliche Einheit, die zuvor bei der Gemeinde bestanden hatte, war unter Wahrung ihrer Identität durch Rechtsgeschäft vom Verein übernommen und tatsächlich fortgeführt worden. Dass die Gemeinde und der Verein nicht von einem Betriebsübergang ausgegangen waren, steht den gesetzlichen Rechtsfolgen nicht entgegen. Wie das BAG zu Recht deutlich macht, handelt es sich bei § 613 a BGB um zwingendes Recht; der Übergang erfolgte von Rechts wegen und ungeachtet anders lautender Abmachungen. Insofern gehen die Arbeitsverhältnisse, die im Zeitpunkt des Übergangs zwischen dem bisherigen Betriebsinhaber und 9
8 AZR 1/13, NJW 2014, 2604 Rz. 19 ff.
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Widerspruch bei mehrfachem Betriebsübergang
den im übertragenen Betrieb oder Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmern bestehen, kraft Gesetzes mit der Übernahme durch den Erwerber über. Unerheblich ist, welche Einzelheiten hierzu zwischen den Unternehmen vereinbart wurden. Die einzige Möglichkeit, den gesetzlichen Übergang eines Arbeitsverhältnisses zu verhindern, hat der Arbeitnehmer durch sein Widerspruchsrecht gemäß § 613 a Abs. 6 BGB10. Dass die Klägerin trotz zutreffender Argumentationsweise in Bezug auf § 613 a BGB das Kündigungsschutzverfahren verloren hat, folgt aus dem Gegenstand dieses Rechtsstreits. Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis besteht. Dies gilt auch bei einem Betriebsübergang. Die Kündigung eines Betriebsveräußerers nach der Betriebsübertragung geht mangels eines mit ihm (noch) bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere. Eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ist deshalb unbegründet11. (Ga)
4.
Widerspruch bei mehrfachem Betriebsübergang
In der Praxis gibt es immer wieder Fallgestaltungen, in denen das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mehrfach gemäß § 613 a BGB auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Anlass hierfür kann nicht nur der erneute Wechsel eines Auftragnehmers im Dienstleistungsbereich oder der Erneutverkauf eines Betriebs- oder Betriebsteils an einen weiteren Interessenten sein. Hintereinander geschaltete Betriebsübergänge kommen auch dann zum Tragen, wenn – in der Regel aus steuerrechtlichen Gründen – umwandlungsrechtliche Übertragungsvorgänge mit der Folge verknüpft werden, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Zielgesellschaft erst dann erfolgt, wenn zuvor weitere Übergänge des Betriebs- oder Betriebsteils auf andere Rechtsträger wirksam geworden sind. Ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand entsprechender Transaktionen besteht für die beteiligten Unternehmen die Pflicht, die hiervon betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 613 a Abs. 5 BGB zu unterrichten. Der Arbeitnehmer hingegen hat nach § 613 a Abs. 6 BGB das Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. De Widerspruch muss binnen eines Monats nach ordnungsgemäßer Unterrichtung erklärt werden.
10 BAG v. 20.3.2014 – 8 AZR 1/13, NJW 2014, 2604 Rz. 24. 11 So BAG v. 20.3.2014 – 8 AZR 1/13, NJW 2014, 2604 Rz. 27.
503
Betriebsänderung und Betriebsübergang
In seinem Urteil vom 24.4.201412 hat der 8. Senat des BAG deutlich gemacht, dass der Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 BGB jeweils nur in Bezug auf den letzten Betriebs- oder Betriebsteilübergang erklärt werden kann. Dies folge aus dem Gesetz. Denn § 613 a Abs. 6 S. 2 BGB bestimme, dass der Widerspruch gegenüber dem neuen Inhaber oder dem bisherigen Arbeitgeber erklärt werden könne. Der bisherige Arbeitgeber sei aber nur das Unternehmen, das an der letzten Transaktion und der damit verbundenen Übertragung des Arbeitsverhältnisses beteiligt gewesen sei. Hiervon ausgehend kann der Arbeitnehmer den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht mehr gegenüber einem Arbeitgeber erklären, bei dem er in der Vergangenheit einmal beschäftigt war, wenn im Anschluss daran mehrere Betriebsübergänge erfolgt sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB hinsichtlich des damaligen Betriebsübergangs fehlerhaft war, so dass die Monatsfrist für den Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 BGB nicht zum Tragen kommt. Voraussetzung für die Möglichkeit, dem früheren Betriebsübergang zu widersprechen, ist, dass zuvor (wirksam) den nachfolgenden Betriebsübergängen widersprochen wurde. Es muss also ein Kettenwiderspruch gegen den jeweils letzten Betriebsübergang in der durch § 613 a Abs. 6 BGB vorgegebenen Form und Frist erfolgen. Geschieht dies nicht, heilt der fehlende oder verspätete Widerspruch gegen den letzten Übergang Fehler, die bei früheren Betriebsübergängen in Bezug auf die Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB gemacht wurden. (Ga)
5.
Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für gekündigte Tarifverträge
Gemäß Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG erhält der Erwerber nach dem Übergang die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder bis zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren. Die Mitgliedstaaten können diesen Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen. Allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.
12 8 AZR 369/13, ZIP 2014, 1647 Rz. 16 ff.
504
Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für gekündigte Tarifverträge
In dem Urteil des EuGH vom 11.9.201413 ging es jetzt um die Frage, wie diese Verpflichtung in Bezug auf Rechte und Pflichten eines Tarifvertrags umgesetzt werden muss, wenn dieser bereits vor dem Betriebsübergang gekündigt wurde und die Kündigungsfrist abgelaufen ist. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Muttergesellschaft eines Konzerns beschlossen, ihren Flugbetrieb zum 1.7.2012 in eine Tochtergesellschaft einzubringen. Damit sollte erreicht werden, dass für die insoweit eingesetzten Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen des Kollektivvertrags der Tochtergesellschaft zur Anwendung kommen, die ungünstiger waren als diejenigen des Kollektivvertrags der Muttergesellschaft. Im Vorfeld dieses Übertragungsvorgangs kündigte die Wirtschaftskammer, die mit dem Gewerkschaftsbund den für die Konzernobergesellschaft geltenden Kollektivvertrag abgeschlossen hatte, diesen zum 30.6.2012. Der Gewerkschaftsbund nahm dies zum Anlass, den bei der Tochtergesellschaft geltenden Kollektivvertrag zum selben Termin zu kündigen. Nachdem die Arbeitsverhältnisse zum 1.7.2012 übergegangen waren, bestand Streit, ob und inwieweit die Tochtergesellschaft als übernehmender Rechtsträger noch an Rechte und Pflichten des Kollektivvertrags gebunden war, der bis zum 30.6.2012 noch bei der Konzernobergesellschaft gegolten hatte. Die Tochtergesellschaft war insoweit der Ansicht, dass dieser Kollektivvertrag keine Bindungswirkung mehr entfalte und auf der Grundlage einseitig erlassener Unternehmensrichtlinien eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bewirkt werden konnte. Man wird davon ausgehen müssen, dass eine solche Form der Beendigung kollektivvertraglicher Regelungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG steht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ohne einen solchen Betriebsübergang von einer Nachwirkung des Kollektivvertrags im Anschluss an seine Beendigung auszugehen wäre. In seinen Entscheidungsgründen macht der EuGH deutlich, dass Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG nicht die Weitergeltung eines Kollektivvertrags als solchen bestimme, sondern die der in einem solchen Vertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen. Daraus folge, dass Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG nicht darauf abstelle, mit welcher Rechtstechnik die in einem Kollektivvertrag enthaltenen Arbeitsbedingungen Geltung für ein Arbeitsverhältnis beanspruchen. Regelungen eines Kollektivvertrags müssen grundsätzlich auch im Anschluss an einen Betriebsübergang aufrechterhalten werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Geltung zum Zeitpunkt des Betriebs-
13 C-328/13, NZA 2014, 1092 - Österreichischer Gewerkschaftsbund.
505
Betriebsänderung und Betriebsübergang
übergangs individual- oder kollektivrechtlicher Natur ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob eine unmittelbar und zwingende oder nur eine (dispositive) nachwirkende Regelung vorliegt. Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG will nur verhindern, dass sich die Lage der übergegangenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs verschlechtert14. Dies schließt nach den Feststellungen des EuGH nicht aus, dass der Erwerber auch in Bezug auf Rechte und Pflichten, die bis zum Übergang durch Kollektivvertrag abgesichert waren, Anpassungen vornimmt15. Denn auch Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG erlaubt Veränderungen durch einen neuen Kollektivvertrag oder eine Vereinbarung, durch die unter Berücksichtigung der Jahresfrist auf einzelvertraglicher Ebene Veränderungen bewirkt werden. Entscheidend ist aber, dass die Arbeitnehmer im Anschluss an den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zunächst einmal so behandelt werden sollen, wie sie stünden, wenn kein entsprechender Übergang erfolgt wäre. Wenn es als Folge einer Kündigung vor dem Betriebsübergang zu der Nachwirkung eines Kollektivvertrags gekommen wäre, ist hiervon auch nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses im Verhältnis zum Erwerber auszugehen. Die derzeit in § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB enthaltenen Regelungen entsprechen uneingeschränkt diesen Feststellungen zur Fortgeltung von Kollektivverträgen gemäß Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2001/23/EG. Danach gelten die bis zu einem Übergang des Arbeitsverhältnisses unmittelbar und zwingend durch Tarifvertrag geregelten Rechte und Pflichten grundsätzlich als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fort und dürfen für die Dauer eines Jahres auf einzelvertraglicher Ebene nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert werden (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Fortgeltung des Tarifvertrags findet gemäß § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB allerdings eine erste Ausnahme dann, wenn diese Rechte und Pflichten beim Erwerber durch einen anderen Tarifvertrag geregelt sind, der die gleiche Sachfrage regelt und für das Arbeitsverhältnis gilt. Losgelöst davon lässt § 613 a Abs. 1 S. 4 BGB Veränderungen zu, wenn diese als Folge einer Beendigung und den Eintritt einer (dispositiven) Nachwirkung auf individual- oder kollektivrechtlicher Ebene auch ohne einen Betriebsübergang möglich gewesen wären. In gleicher Weise endet die Übernahme eines Tarifvertrags dann, wenn dieser als Folge seiner Beendigung ohne Nachwirkung auch ohne einen Betriebsübergang keine weitergehenden Rechte und Pflichten mehr entfaltet hätte. 14 EuGH v. 11.9.2014 – C-328/13, NZA 2014, 1092 Rz. 23 ff. - Österreichischer Gewerkschaftsbund. 15 Vgl. EuGH v. 18.7.2013- C-426/11, NZA 2013, 835 Rz. 25 – Alemo Herron.
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Fortbestand und Zuständigkeit des Betriebsrats beim Betriebsübergang
Hiervon ausgehend ist der Entscheidung des EuGH ohne Einschränkung zuzustimmen. Die in dem zugrundeliegenden Fall maßgebliche Frage, ob der nur noch nachwirkende Tarifvertrag der Tochtergesellschaft den nur noch nachwirkenden Tarifvertrag der Konzernobergesellschaft ablösen konnte, hat der EuGH indes nicht beantwortet. Hier kommt es auf das nationale Recht an. Entscheidend ist nämlich, ob auch ohne Betriebsübergang die Regelungen eines nur nachwirkenden Tarifvertrags einen anderen nur nachwirkenden Tarifvertrag ablösen können, wenn in dem erstgenannten Tarifvertrag speziellere Regelungen enthalten sind. Dies dürfte bei einem nachwirkenden Firmentarifvertrag gegenüber einem nachwirkenden Verbandstarifvertrag im Zweifel der Fall sein. (Ga)
6.
Fortbestand und Zuständigkeit des Betriebsrats beim Betriebsübergang
Wenn ein Betrieb unter Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität durch Rechtsgeschäft von einem anderen Rechtsträger übernommen wird, besteht das Amt des Betriebsrats fort. Dies bestätigt das BAG noch einmal im Urteil vom 8.5.201416. In diesen Fällen behalte der Betriebsrat uneingeschränkt das ihm durch Wahl übertragene Vollmandat zur Vertretung der dem Betrieb zugehörigen Arbeitnehmer und zur Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Widersprechen einzelne Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 6 BGB, endet die Zuständigkeit des in dem beim Erwerber bestehenden Betriebs vorhandenen Betriebsrats für diese Arbeitnehmer. Die Voraussetzungen für ein Übergangs- oder Restmandat nach §§ 21 a, 21 b BetrVG liegen nicht vor. Besonderheiten können sich allenfalls bei der Übernahme eines betriebsmittelarmen Betriebs ergeben, sofern hier eine größere Zahl von Arbeitnehmern das Angebot zum Wechsel zum potenziellen Erwerber nicht annimmt oder dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widerspricht17. Überzeugend knüpft der 2. Senat des BAG im Urteil vom 8.5.201418 die Anerkennung eines Übergangmandats nach § 21 a BetrVG daran an, dass eine Änderung der Organisation eines Betriebs erfolgt, die zur Folge hat, dass der 16 2 AZR 1005/12 n. v. (Rz. 36); BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277 ff. Rz. 47 ff. 17 Hierzu vgl. Hidalgo-Kobler, NZA 2014, 290, 291, 295; offen BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 1005/12 n. v. Rz. 37. 18 2 AZR 1005/12 n. v. (Rz. 38 ff., 41).
507
Betriebsänderung und Betriebsübergang
bisherige Betriebsrat sein Amt verliert oder ein Teil der Arbeitnehmerschaft aus dem Zuständigkeitsbereich des – weiter amtierenden – Betriebsrats herausfalle. Wenn die Übernahme eines Betriebs durch einen anderen Rechtsträger im Rahmen vom § 613 a BGB nicht mit einer solchen Organisationsänderung verknüpft werde, müsse hingenommen werden, dass der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses einen Wegfall der Zuständigkeit des Betriebsrats zur Folge habe. Dass hier eine Lücke bestehe, die im Wege einer Analogie zu § 21 a BetrVG geschlossen werden müsse, sei abzulehnen. Denn der Gesetzgeber habe die Entstehung eines Übergangs- und eines Restmandats an tatbestandlich klar umgrenzte Änderungen in der Betriebsorganisation gebunden, obwohl das BAG in seiner Entscheidung vom 21.3.199619 die Problematik, die mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers beim Übergang des ganzen Betriebs verbunden ist, ausdrücklich angesprochen habe20. Da Art. 6 Nr. 1 Richtlinie 2001/23/EG nur eine angemessene Vertretung der Arbeitnehmer dort verlange, wo ein Betrieb oder Betriebsteil seine Selbständigkeit verliere und erst eine neue Arbeitnehmervertretung gebildet werden müsse, sei auch unionsrechtlich keine Ausweitung der Zuständigkeit des Betriebsrats geboten. (Ga)
19 2 AZR 559/95, NZA 1996, 974 ff. 20 BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 1005/12 n. v. (Rz. 41).
508
J.
1.
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Neues zur Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte
Nachdem das BSG am 3.4.20141 in drei Verfahren eine grundlegende Neuausrichtung der versorgungsrechtlichen Behandlung von Syndikusanwälten beschlossen hatte2, liegen nunmehr die schriftlichen Urteilsgründe in allen drei Verfahren vor. Leider bieten diese jedoch keine wesentlichen Erkenntnisse, insbesondere mit Blick auf den Umfang eines etwaigen Vertrauensschutzes. Die Praxis steht deshalb in vielen Fällen vor der Frage, auch ohne höchstrichterliche Klarstellung eine Umsetzung der Veränderung vorzunehmen. Diese notwendige Klarstellung wird die Verfassungsbeschwerde, die gegen eines der Urteile eingelegt wurde3, wohl nicht bewirken. Dafür dauert das Verfahren zu lang. Angesichts der damit weiterhin bestehenden Unsicherheit überrascht es nicht, dass die Grundsatzabteilung der DRV, die sich ebenfalls mit der Frage des Bestands- und Vertrauensschutzes auseinandersetzt, in diesem Jahr wohl noch nicht zu einer abschließenden Empfehlung kommen wird. Laufende Betriebsprüfungen werden vor diesem Hintergrund weiterhin ausgesetzt, soweit es um die sozialversicherungsrechtliche Handhabe von Syndici geht. Da Empfehlungen der DRV aber keine gerichtsfeste Umsetzung der gesetzlichen Regelungen verschaffen können, steht noch immer die Hoffnung im Vordergrund, dass der Gesetzgeber tätig wird. Er könnte den notwendigen Vertrauensschutz herstellen, der insbesondere mit Blick auf die Abwicklung der Vergangenheit dringend geboten erscheint. Gleichzeitig könnte er eine Regelung für die Zukunft bewirken, die jedenfalls solche Rechtsanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, die tatsächlich als Syndici im Rahmen von Rechtsberatung und -vertretung tätig sind. Dass es zukünftig nicht mehr möglich ist, Rechtsanwälte, die außerhalb solcher Bereiche (z. B. Vertrieb, Pressearbeit) eingesetzt werden, von der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, wird man wohl hinnehmen müssen.
1 2 3
BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 13/14 R, NZA 2014, 971 ff.; BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 9/14 R, WM 2014, 1883 ff.; BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 3/14 R, AuA 2014, 546. Vgl. B. Gaul/Rindone, AktuellAR 2014, 249 ff. Diese richtet sich gegen das Urteil B 5 RE 9/14 R.
509
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
a)
Die Begründung des BSG
Ausgehend von seinem Leiturteil vom 3.4.20144 kommt das BSG zu dem Ergebnis, dass die Erwerbstätigkeit eines Syndikus von vornherein dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts nicht zugeordnet werden kann. Nach seinem Verständnis von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI könne deshalb keine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt werden. Nach Auffassung des BSG verschafft § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die „Beschäftigung, wegen der“ sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Dabei erlaube und fordere - so das BSG - die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung, wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung finde. Unter „derselben Beschäftigung“ im Sinne der Norm könne daher nur die „von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit“ verstanden werden. Nach Ansicht des 5. Senats ist damit der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI lediglich dann eröffnet, wenn ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) führe. Erst dann könne sich hieran eine weitergehende Prüfung anschließen. Hiervon ausgehend gelangt das BSG zu einer zweistufigen Prüfung: Zunächst einmal muss durch den Rentenversicherungsträger geprüft werden, ob die in Frage stehende Erwerbstätigkeit grundsätzlich geeignet ist, eine mehrfache Versicherungspflicht zu begründen. Erst im Anschluss bedarf es einer inhaltlichen Prüfung, ob die konkret in Rede stehende Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall zusätzlich zu einer Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung und damit zu einem entsprechenden Befreiungsanspruch führt.
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B 5 RE 13/14 R, NZA 2014, 971 ff.
510
Neues zur Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte
Mit Blick auf diese Auslegung von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI hat sich das BSG in seinen Entscheidungsgründen darauf beschränkt, die in Rede stehenden Konstellationen bereits im Rahmen der ersten Prüfungsstufe, der (Vor-)Frage, ob die streitgegenständliche Erwerbstätigkeit zu einer mehrfachen Versicherungspflicht führt, scheitern zu lassen. Dabei ging es um die Überprüfung, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist. Nach Auffassung des 5. Senats hat die durch den Syndici im Rahmen seiner Beschäftigung für das jeweilige Unternehmen erbrachte Erwerbstätigkeit für die Mitgliedschaft in der zuständigen Rechtsanwaltskammer und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung deshalb keine Bedeutung. Begründet wird dieses Ergebnis unter Bezugnahme auf die Doppelberufstheorie und die dahingehende Rechtsprechung von BGH5, EuGH6 und BVerfG7, nach der der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Nach Auffassung des BSG führt allein die Eingliederung in die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation zu einer Unvereinbarkeit mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts könne sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtssuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndiusanwalt sei Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätige. Rechtlich unerheblich sei insbesondere, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich Elemente der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. Im Zusammenhang mit diesen Feststellungen stellt das BSG klar, dass § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI als abschließende Ausnahmeregelung zu verstehen und daher einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig sei. Nur ausnahmsweise würden die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit durch Befreiungsregelungen begrenzt zurückgewinnen. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, ist trotz des damit einhergehenden Eingriffs in die bisherige Form des Aufbaus einer Altersversorgung aus 5 6 7
BGH v. 7.11.1960 – AnwZ (B) 4/60, BGHZ 33, 276 ff. EuGH v. 14.9.2010 – C-550/07 P, NJW 2010, 3557 ff. – Akzo Nobel. BVerfG v. 4.11.1992 – 1 BvR 79/85, BVerfGE 87, 287 ff.
511
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
Sicht des BSG nicht gegeben. Der Gesetzgeber habe insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht. Im Übrigen sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetze. Abschließend weist der 5. Senat – allerdings in viel zu kurzer Form – darauf hin, dass derzeitige Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde, ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen hätten, das über den Schutz durch die §§ 44 ff. SGB X hinausgehen dürfte. Weitergehende Klarstellungen, welche Veränderungen in Bezug auf die Tätigkeit im Anschluss an die Befreiung der Anwendung des Vertrauensschutzes nicht entgegenstehen, enthalten die Urteile vom 3.4.2014 indes nicht.
b)
Stellungnahme
Ausgehend vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI kann die Argumentation des BSG, nach der es nur dann zu einer Befreiung kommen könne, wenn ein und dieselbe Tätigkeit gleichzeitig zu einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Versorgungswerk verpflichte, nicht per se von der Hand gewiesen werden. Gleichwohl hätte sich der 5. Senat insbesondere mit der Entstehungsgeschichte dieser Norm und des Wortes "wegen" sehr viel stärker auseinandersetzen müssen8. Mit der Änderung des SGB VI wollte der Gesetzgeber vor allen Dingen dem „drohenden Erosionsprozess in der Solidargemeinschaft der Rentenversicherten“9 entgegenwirken, der auf die Gründung von Versorgungseinrichtungen und die systematische Ausrichtung auf Personen, die traditionell in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren, zurückzuführen war. Es ging damit vorrangig um die Verhinderung einer Abwanderung solcher Personen, die grundsätzlich dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zugehörig waren, jedoch durch Gründung von Versorgungseinrichtungen aus dem System herauskommen wollten10. Dass auch die Syndikusanwälte diesem Per8 Vgl. Rolfs/Marcelli, NZA 2014, 574, 576. 9 BT-Drucks. 13/2590 S. 18. 10 Rolfs/Marcelli, NZA 2014, 574, 576.
512
Neues zur Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte
sonenkreis zugeordnet werden sollten, ergibt sich in dieser Form gerade nicht aus den Gesetzesmaterialien. Darüber hinaus widersprechen die Entscheidungen des BSG dem erklärten Ziel, eine doppelte Beitragszahlungspflicht zu vermeiden und eine geschlossen Versicherungsbiographie aufzubauen11. Ganz im Gegenteil hat das BSG in seinen Entscheidungen geurteilt, dass „es […] zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann“12. Ebenfalls bedenklich ist, dass das BSG in seinen Entscheidungen berufsrechtliche Fragestellungen im Rahmen einer sozialversicherungsrechtlichen Norm zu lösen versucht. Dies erstaunt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der 5. Senat selbst auf den offensichtlichen Widerspruch einer Aberkennung der Stellung als Rechtsanwalt einerseits, aber der weiterhin bestehenden Möglichkeit einer Anerkennung praktischer Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen andererseits hinweist13. Enttäuschend ist vor allen Dingen, dass das BSG den Anwendungsbereich und die Reichweite eines etwaigen Vertrauensschutzes nur unzureichend beschreibt. Auch nach dem Vorliegen der Entscheidungsgründe kann leider nur gemutmaßt werden, in welchen Fällen ein schützenswertes Vertrauen gegeben ist. Führt man sich vor Augen, dass das BSG mit seinen Entscheidungen eine vieljährliche und konsistente Interpretation des Gesetzes durch die zuständigen Sozialversicherungsträger auf den Kopf gestellt und daraus folgend Versorgungserwartungen der hiervon betroffenen Syndici von heute auf morgen ganz erheblich beschnitten hat, wäre eine weitergehende Erläuterung auch dann geboten, wenn es sich insoweit um ein obiter dictum gehandelt hätte.
c)
Überblick Vertrauensschutz
Trotz der nur sehr knappen Ausführungen des BSG dürfte derzeit zumindest sicher sein, dass es Vertrauensschutz für solche Fälle gibt, die für ihre aktuell ausgeübte Tätigkeit bei dem aktuellen Arbeitgeber über einen entsprechenden Befreiungsbescheid verfügen14.
11 12 13 14
BT-Drucks. 13/2590 S. 18. Wie hier auch Rolfs/Marcelli, NZA 2014, 574, 576. BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 13/14 R Rz. 39. Vgl. Becker, ZFA 2014, 87, 115 ff; Offermann-Burckart, NJW 2014, 2683; Lagerlotz/Schmidt, ArbRB 2014, 209, 210.
513
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
Unter Berücksichtigung der Feststellungen der DRV aus Januar 201415, wonach der Wechsel der Station eines Krankenhausarztes bzw. der Wechsel eines Stationsarztes zum Oberarzt keine wesentliche Änderung des Tätigkeitsfelds darstellt, scheidet eine wesentliche Änderung dann aus, wenn z. B. eine Versetzung vorgenommen wird, die sich innerhalb der arbeitsrechtlich zulässigen Grenzen bewegt, also eine Änderung der vertraglich geschuldeten Position nicht erforderlich ist16. Unter dieser Voraussetzung ist auch eine Beförderung unbedenklich17. Ein Wechsel innerhalb des Konzerns kann hiervon jedoch nicht erfasst sein, da dieser in der Regel mit dem Wechsel des Arbeitgebers einhergehen wird und allein schon aus diesem Umstand ein neuer Befreiungsantrag gestellt werden muss. Ausgenommen hiervon ist jedoch die vorübergehende Abordnung im Konzern gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI. Danach erstreckt sich die Befreiung auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Umgekehrt liegt eine wesentliche Änderung vor, wenn zukünftig gerade nicht mehr die arbeitsvertraglich geschuldete, sondern eine andere Tätigkeit verrichtet werden soll. Der Wechsel z. B. von der Rechtsin die Personalabteilung dürfte damit wohl die Beantragung einer neuen Befreiung erforderlich machen. Für Konstellationen, in denen sich ein wesentlicher Tätigkeits- oder Arbeitgeberwechsel in dem Zeitraum vom 1.11.2012 bis zum 3.4.2014 ereignet hat, ist zunächst festzuhalten, dass die zuvor erteilte Befreiung mit der Änderung im Tätigkeitsfeld bzw. in Bezug auf den Arbeitgeber gegenstandslos wird. Die Berufung auf einen alten Befreiungsbescheid ist damit nicht möglich. Sofern ein Antrag auf Befreiung vor dem 3.4.2014 gestellt und hierüber bislang noch nicht von der DRV entschieden wurde, bleibt zu befürchten, dass ein entsprechender Vertrauensschutz abgelehnt wird. Denn die DRV ist in diesen Fällen aufgrund der Urteile des BSG vom 3.4.2014 daran gehindert, Syndikusanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien18. Bis klar ist, in welchem Umfang DRV und oder Gesetzgeber weitergehende Regelungen zum Vertrauensschutz schaffen, sollte allerdings verhindert werden, dass ablehnende Entscheidungen rechtskräftig werden.
15 16 17 18
NZA 2014, 136. Vgl. auch Schuster, AnwBl 2014, 701. Vgl. auch Schuster, AnwBl 2014, 701. Vgl. auch Leßmann/Herrmann, DB 2014, 2227, 2228.
514
Neues zur Rentenversicherungspflicht für Syndikusanwälte
Ob hiervon solche Fälle auszunehmen sind, in denen nach den Urteilen des BSG vom 31.10.201219 rein vorsorglich – z. B. weil Unklarheit darüber bestand, ob die derzeitige Tätigkeit noch vom ursprünglichen Befreiungsbescheid erfasst ist – ein Antrag auf Befreiung gestellt wurde20, ist weiterhin offen. Ungeklärt ist zum jetzigen Zeitpunkt auch, ob diejenigen Personen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen können, - die aufgrund von schriftlichen oder fernmündlichen Aussagen der DRV keinen erneuten Befreiungsantrag gestellt haben, - deren bisheriger Befreiungsbescheid sowohl in Bezug auf den Arbeitgeber als auch die ausgeübte Tätigkeit unspezifisch ist, - die aufgrund der Verlautbarungen der DRV aus Januar 201421 einen bislang noch nicht beschiedenen Befreiungsantrag gestellt haben und unter Zugrundelegung der bisherigen Verwaltungspraxis eine entsprechende Befreiung erhalten hätten oder - die die allgemeine Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr erfüllen können22.
Insbesondere in der ersten und dritten Variante wird es in diesem Zusammenhang auch auf die Beweisbarkeit im Einzelfall ankommen23. Mit Blick auf die dahingehenden Ausführungen des BSG, wonach „die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die „Vier-Kriterien-Theorie“ selbst mit befördert und angewandt“ haben und „damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden“, so dass der „Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen“ kann, ist eine dahingehende Positionierung, auch durch die DRV, dringend erforderlich. Kein Vertrauensschutz wird man im Zweifel für solche Fälle durchsetzen können, die über keinen (aktuellen) Befreiungsbescheid verfügen und erst im Nachgang zu den Urteilen des BSG vom 3.4.2014 einen Antrag auf Befreiung gestellt haben bzw. stellen werden. 19 B 12 R 5/10 R, NJW 2013, 1628 ff.; B 12 R 3/11 R, NJW 2013, 1624 ff.; B 12 R 8/10 R, NJW 2013, 1901 ff. 20 Leßmann/Herrmann, DB 2014, 2227, 2228 f. 21 NZA 2014, 136. 22 So Rolfs, Ergebnisse des Rechtsgutachtens von Prof. Rolfs, Mitteilung der BDA v. 25.7.2014, VI/112/14, der einen noch darüber hinausgehenden Vertrauensschutz anregt. 23 Leßmann/Herrmann, DB 2014, 2227, 2229.
515
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
d)
Praktische Verfahrensweise
Vor diesem Hintergrund ist den Unternehmen zu empfehlen, zu prüfen, für welche Personen entsprechende Befreiungsbescheide vorliegen und ob diese eine Befreiung für die aktuell ausgeübte Tätigkeit bezogen auf den aktuellen Arbeitgeber vorsehen. Wichtig ist allerdings, dass bei der Feststellung des Inhalts des Bescheids immer auch der Inhalt des zugrundeliegenden Antrags zu beachten ist. Dieser kann deshalb auch bei solchen Bescheiden, die sehr abstrakt gehalten sind, zu einer Begrenzung auf eine bestimmte Tätigkeit oder Funktion führen. Nur beim Vorliegen eines einschlägigen Befreiungsbescheids kann aus unserer Sicht auch weiterhin eine Abführung der Beträge an das Versorgungswerk erfolgen. In allen anderen Fällen sollte darüber nachgedacht werden, an die DRV und die Einzugsstelle heranzutreten und vorsorglich eine Korrekturmeldung abzugeben. Hierüber muss der Arbeitgeber jedoch zuvor die betroffenen Personen informieren, so dass sie die Möglichkeit haben, ihrerseits auf die geänderte versorgungsrechtliche Situation zu reagieren24. Gleichzeitig wird man mit den zuständigen Stellen die Beitragszahlungen für die Vergangenheit zu erörtern haben. Verbunden werden sollte dieses Vorgehen mit der Einreichung einer schriftlichen Begründung, warum der Arbeitgeber im vorliegenden Fall von der Gewährung von Vertrauensschutz ausgeht25. Bei Neueinstellungen kann nur empfohlen werden, die in Rede stehende Person unmittelbar bei der DRV anzumelden und dort die entsprechenden Beiträge abzuführen26. Den betroffenen Personen ist allerdings gleichzeitig zu raten, trotz gegenteiliger Feststellungen des BSG einen Antrag auf Befreiung zu stellen, sofern sie nicht über einen aktuellen Befreiungsbescheid hinsichtlich der aktuell ausgeübten Tätigkeit verfügen. Sollte der Antrag negativ beschieden werden, wird man Widerspruch und ggf. auch Klage einlegen müssen, bis abschließende Klarheit über etwaige Übergangsregelungen der DRV und/oder des Gesetzgebers besteht. Alternativ kann der Betroffene die Ruhendstellung des Verfahrens beantragen. Derzeit scheint die DRV diesem Antrag nachzukommen, bis dort eine abschließende Bewertung der Entscheidungsgründe des BSG erfolgt ist.
24 Vgl. auch Schuster, AnwBl 2014, 700. 25 Vgl. auch Leßmann/Herrmann, DB 2014, 2227, 2231 f. 26 Vgl. Rolfs/Marcelli, NZA 2014, 574, 579.
516
Ruhenszeitraum beim Arbeitslosengeld wegen außerordentlicher Kündigung
e)
Handlungsauftrag
Die Diskussion über die Entscheidungen des BSG vom 3.4.2014 ist leider immer noch im vollen Gange. Eine endgültige Lösung bzw. eine praktikable Verfahrensweise für die Vielzahl an Fallkonstellationen ist dabei noch (lange) nicht in Sicht – insbesondere auch, weil vielfältige Konstellationen existieren, über die die DRV noch keine hinreichende Kenntnis hat. Umso wichtiger ist es, dass sich die DRV zeitnah mit den Urteilsgründen des BSG auseinandersetzt und diese auswertet. Vor allem aber ist der Gesetzgeber gefordert. Es gilt, eine zukunftsträchtige Lösung zu entwickeln, die insbesondere den Interessen der Unternehmen und Syndici Rechnung trägt, die im Vertrauen auf die bisherige Handhabe von einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung ausgegangen sind27. Hierfür erscheint es geboten, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI so anzupassen, dass der aktuellen Interpretation durch das BSG Riegel vorgeschoben werden. Auf diese Weise sollte klargestellt werden, dass Syndikusanwälte eine Tätigkeit als Rechtsanwalt ausüben können – unabhängig davon, ob sie bei einem anwaltlichen oder nichtanwaltlichen Arbeitgeber angestellt sind28. Dabei sollte vorsorglich festgehalten werden, ob dem Syndikusanwalt ohne Auswirkung auf die sozialversicherungsrechtliche Behandlung Beschränkungen aufzuerlegen sind (gerichtliches Vertretungsverbot, Geltung von Anwaltsprivilegien)29. (Ga/Ri)
2.
Ruhenszeitraum beim Arbeitslosengeld wegen außerordentlicher Kündigung aus betrieblichen Gründen
Bereits an anderer Stelle hatten wir aufgezeigt, dass auch ältere Arbeitnehmer mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz aus betrieblichen Gründen gekündigt werden können. Wenn die ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag ausgeschlossen wurde, genügt zwar keine soziale Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2, 3 KSchG. Die unternehmerische Entscheidung, die den Wegfall des Arbeitsplatzes zur Folge hat, kann allerdings einen wichtigen Grund darstellen, der nach § 626 BGB eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Diese wird dann nicht mit sofortiger Wirkung ausgesprochen.
27 Siehe auch Becker, ZFA 2014, 87, 129. 28 Prütting, AnwBl 2014, 788, 790. 29 Prütting, AnwBl 2014, 788, 790.
517
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
Vielmehr ist die Frist zur Anwendung zu bringen, die bei einer ordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung des Arbeitnehmers gegolten hätte30. Diese Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen muss auch bei der Festlegung von Ruhenszeiten beim Arbeitslosengeld gemäß § 158 SGB III berücksichtigt werden. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der oder die Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitnehmers entsprechenden Frist beendet wurde. Der Ruhenszeitraum beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist. Das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld endet an dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist geendet hätte. Für den Fall, dass eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist, gilt bei 1.
zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,
2.
zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Abschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.
Wie das BSG mit Urteil vom 17.12.201331 deutlich gemacht hat, folgt aus dieser Regelung nicht, dass bei einem tarifvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit stets zunächst einmal 18 Monate Ruhenszeitraum zum Ansatz kommen müssen, die dann nach den in § 158 Abs. 2 SGB III getroffenen Regelungen gekürzt werden. Vielmehr ist in solchen Fällen, in denen trotz tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB mit einer Frist erklärt werden darf, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, an die letztgenannte Frist bei der Festsetzung des Ruhenszeitraums anzuknüpfen. Dies entspricht § 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III. Unter den in § 158 Abs. 2 SGB III genannten Voraussetzungen kann sich dieser Ruhenszeitraum indes weiter verkürzen. Dies ist bei den praktischen Auswirkungen einer entsprechenden Kündigung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass eine Sperrzeit nach § 159 SGB III 30 B. Gaul, AktuellAR 2014, 415 ff. 31 B 11 AL 13/12 R, NZA-RR 2014, 327 Rz. 18.
518
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2015
zum gleichen Zeitpunkt wie das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach § 158 SGB III beginnt. (Ga)
3.
Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2015 2014 West
2015 Ost
West
Ost
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Monat
Jahr
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Rentenversicherung) *
5.950
71.400
5.000
60.000
6.050
72.600
5.200
62.400
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Knappschaft) *
7.300
87.600
6.150
73.800
7.450
89.400
6.350
76.200
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Arbeitslosenversicherung)*
5.950
71.400
5.000
60.000
6.050
72.600
5.200
62.400
Beitragsbemessungsgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
4.050
48.600
4.050
48.600
4.125
49.500
4.125
49.500
Versicherungspflichtgrenze
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
(Kranken- und Pflegeversi-
4.462,50
53.550
4.462,50
53.550
4.575,00
54.900
4.575,00
54.900
Bezugsgröße in der Sozial-
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
versicherung ***
2.765
33.180
2.345
28.140
2.835
34.020
2.415
28.980
Geringfügigkeitsgröße
EUR
EUR
EUR
EUR
450
450
450
450
cherung) *
cherung) **
*
Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.
**
Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.
519
Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ***
(Do)
520
In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt der Wert für den Westen bundeseinheitlich.
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Abfallwirtschaft, Mindestlohn 278, 280 Abfindung - Elternzeit 229 ff. - Teilzeitbeschäftigung 229 ff. Abmahnung - Beschlussverfahren 215 - Betriebsratsmitglied 215 - Entfernungsanspruch 215 - fehlerhafte Spesenabrechnung 131 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 213 ff. - Urteilsverfahren 215 - Auskunftsanspruch Betriebsrat 213 ff. Adipositas, Behinderung 362 ff. AEntG - AEntG-Änderung 15 ff., 26 - Branchenöffnung 15 - Fleischverarbeitung 26 - Leiharbeitnehmer 15 - Mischbetrieb 15 AG - DCGK 39 f. - Frauenquote 302 ff., 330 f. - Geschlechterquote 300 f., 330 f. - Hauptversammlung 332 f. - Unternehmensführung 332 f. - Vergütungspolitik 332 f. - Vorstandsvergütung 38 f. AGB-Kontrolle - auflösende Bedingung 380 f. - Ausschlussfrist 338 f., 371 ff. - Bezugnahmeklausel 71 f. - Blue-Pencil-Test 83
AGB-Kontrolle - Bonusbudget 387 f. - Bonussystem 386 ff. - Denglisch 340 - Ermessensbonus 386 ff. - Freiwilligkeitsvorbehalt 84, 386 f. - geltungserhaltende Reduktion 372 - Geschäftsgeheimisse 35 - Individualabrede 84 - Know-How 35 - Leistungsbonus 386 ff. - Stichtagsklausel 81 ff. - teilbare Klausel 83 - Vertragssprache 338 f., 340 AGG - Kündigungen 95 ff. - Personalvermittler 52 ff. Alkohol - personenbedingte Kündigung 420 ff. - wichtiger Grund 420 ff. Allgemeinverbindlicherklärung 14 f., 273 Alter - Diskriminierung 55 f., 111 ff., 116 ff., 161 ff., 353 - Erholungsurlaub 402 f. Ältere Arbeitnehmer - Arbeitslosengeld 517 ff. - außerordentliche Kündigung 415 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 344 ff. - Erholungsurlaub 402 521
Stichwortverzeichnis
Ältere Arbeitnehmer - krankheitsbedingte Kündigung 418 ff. - Kündigung 415 ff. - Kündigungsfrist 432 ff. - Sonderkündigungsschutz 116 ff., 415 ff., 418 ff. Altersgrenze - Altersteilzeit 298 - befristeter Arbeitsvertrag 297 f. - Betriebsrente 161 ff., 299 f. - Hinausschieben 297 f., 347 ff. - sachgrundlose Befristung 297 f. - Schriftform 434 f. - Tarifvertrag 434 f. Altersrente - 63. Lebensjahr 2 ff., 293 ff. - abschlagsfrei 2 ff. - Altersgrenzen 4 f. - Altersteilzeit 5, 298 - Arbeitslosengeld 2 f., 293 ff. - besonders langjährig Versicherte 2 ff., 293 ff. - Betriebsrente 6 f. - freiwillige Beitragszeiten 3 - Frühverrentung 7 f. - geringfügige Beschäftigung 295 ff. - Geschäftsaufgabe 294 - Glaubhaftmachung 3 - Insolvenz 294 f. - Kündigungsgrund 4 f. - Kurzarbeit 7 f., 293 ff. - Kurzarbeitergeld 2 f., 293 ff. - Nebenverdienst 5 - Pflichtbeiträge 2 f. - Regelaltersgrenze 4 f. - rentennahe Jahrgänge 7 f. - RV-Leistungsverbesserungsgesetz 2 ff. - Schlechtwettergeld 2 f. 522
Altersrente - schrittweise Anhebung 3 f. - Schwerbehinderung 170 ff. - Sozialplan 8 - Teilarbeitslosengeld 2 f. - Transferkurzarbeitergeld 294 - Übergangsgeld 2 f. - Vorruhestand Altersstruktur - ausgewogene 111 ff. - Insolvenz 111 ff. Altersteilzeit - Altersrente Schwerbehinderung 170 ff. - Altersrente 5, 63 298 - Beendigung 298 - Dauer 170 ff. - Diskriminierung 170 ff. - Störfall 173 ff. - vorzeitige Beendigung 170 ff., 298 Änderungskündigung - Entgeltleistungen 146 ff. - Massenentlassung 431 f. - Pauschalabgeltung Überstunden 148 f. - soziale Rechtfertigung 146 ff. - Überstundenpauschale 148 f. Anerkenntnistarifvertrag - Bezugnahme 182 ff. - Gleichstellungsabrede 182 ff. Anti-Stress-Verordnung 27, 321 f. Anwaltsversorgungswerk, Syndici 249 ff. Arbeitgeberwechsel, befristeter Arbeitsvertrag 349 ff. Arbeitnehmer - Eignungsuntersuchung 77 - Vorsorgeuntersuchung 74 ff. Arbeitnehmerdatenschutz → Datenschutz
Stichwortverzeichnis
Arbeitnehmerüberlassung - Arbeitsentgelt 20 - Arbeitsschutz 323 - Betriebsratswahl 202 ff. - Dauer 18, 320 f. - Equal-Pay-Gebot 18, 20 - gesetzliche Regelung 320 ff. - Koalitionsvertrag 18, 320 ff. - Kündigungsschutz 405 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 489 - Personalgestellung 19 - Streik 18 - Tarifvertrag 19 f., 320 f. - Überlassungsdauer 19 f., 819 ff. Arbeitsbefreiung, Betriebsratsmitglied 467 ff. Arbeitsentgelt - Änderungskündigung 146 ff. - AÜG 20 Arbeitsfähigkeit - Arbeitsvertrag 366 f. - Wiedereingliederung 375 Arbeitsgericht - EuGVVO 335 f. - internationale Zuständigkeit 335 f. Arbeitskampf - Bekanntgabe 308 - Cockpit 306 ff. - Flashmob 188 ff. - GDF 306 ff. - GDL 306 ff. - Gesetz 16 f. - Marburger Bund 306 ff. - öffentliche Urkunde 308 f. - Spartengewerkschaft 306 ff. - Tarifeinheit 16 f., 190 ff., 306 ff., 312 ff. - Tarifpluralität 16 f., 190 ff., 306 ff., 312 ff. - UFO 306 ff.
Arbeitskampf - Unterlassung 190 ff. Arbeitslosengeld - ältere Arbeitnehmer 517 ff. - Altersrente 63 293 ff. - Altersrente 2 f. - außerordentliche Kündigung 517 ff. - Ruhen 517 ff. Arbeitslosenversicherung, BBG 519 Arbeitsmedizinische Untersuchung 74 ff. Arbeitsmittel, Arbeitsschutz 323 ff. Arbeitsort - Arbeitsvertrag 69 ff. - Diskriminierung 69 ff. - Versetzung 69 ff. Arbeitsplatz - freier 108 ff. - gleichwertiger 109 - Leiharbeitnehmer 207 Arbeitsrhythmus, Arbeitsschutz 326 Arbeitsschutz - Anti-Stress-Verordnung 27, 321 f. - Arbeitnehmerüberlassung 323 - Arbeitsmittel 323 ff. - Arbeitsrhythmus 326 - Arbeitstempo 326 - Delegation 325, 491 ff. - Dienstvertrag 323 - Direktionsrecht 326 - Erholungsurlaub 401 f. - Fremdpersonal 323 - Gefährdungsbeurteilung 324 - Gefahrstoffe 323 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 323 ff., 325 ff., 491 ff. - Organisation 325 523
Stichwortverzeichnis
Arbeitsschutz - psychische Belastung 321 f. - Schutzmaßnahmen 326 - Unterweisung 326 - Verordnung 27 f., 323 ff. - Werkvertrag 323 Arbeitsschutzausschuss, Mitbestimmung Betriebsrat 226 f. Arbeitstempo, Arbeitsschutz 326 Arbeitsunfähigkeit - Kennzeichnung 365 ff. - Teilarbeitsunfähigkeit 366 f. Arbeitsvertrag - Altersgrenze 4 f., 434 f. - Arbeitsfähigkeit 366 f. - Arbeitsort 69 ff. - Aufenthaltsstatut 339 - auflösende Bedingung 434 f. - Ausschlussfrist 185 ff. - Betriebsvereinbarung 368 - Bezugnahmeklausel 71 f., 368 ff. - Denglisch 340 - Deutsch 335 ff. - EGBGB 336 - Eingruppierung 181 f. - Geschäftsgeheimnisse 35 - ROM I 336 f. - Stichtagsklausel 81 ff. - Transfergesellschaft 497 ff. - Vertragssprache 335 ff. - Vertragsstatut 336 f. Arbeitsverweigerung, Direktionsrecht 129 f. Arbeitszeit - Betriebsvereinbarung 227 f. - Dokumentation 13 - Kappung 227 ff. - Leiharbeitnehmer 18 - Mitbestimmung Betriebsrat 193, 222 ff. 524
Arbeitszeit - Überstunden 227 f. - Umkleidezeiten 222 f. - Vergütungspflicht 227 f. - Vertrauensarbeitszeit 127 ff. Arbeitszeiterfassung, Mindestlohn 285 ff. Arbeitszeitflexibilisierung - Mindestlohn 10 f., 281 ff. Arbeitszeitkonto, Mindestlohn 281 ff. Arbeitszeitrichtlinie 397 ArbMedVV 74 ff. AT-Angestellte, Mindestlohn 281 f., 289 f. Aufgabenbeschreibung, Mitbestimmung Betriebsrat 490 Aufhebungsvertrag - Konzern 151 - Schriftform 150 f. - Vertretungsbefugnis 151 Aufklärungspflicht, Entgeltumwandlung 153 ff. Auflösende Bedingung - AGB-Kontrolle 380 f. - Prokura 379 ff. - Schriftform 434 f. Aufsichtsrat - Frauenquote 302 ff. - Geschlechterquote 21 ff., 300 f. - Auftraggeberhaftung, Mindestlohn 284 f. Auftragsrückgang, Kündigung 413 ff. AÜG, Auskunftsanspruch 373 f. AÜG-Änderung 273, 320 ff. Ausgleichszeitraum, Mindestlohn 281 ff. Auskunftsanspruch - Abmahnungen 213 ff. - AÜG 373 f.
Stichwortverzeichnis
Auskunftsanspruch - Leiharbeitnehmer 373 f. Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 371 ff. - Bezugnahmeklausel 185 ff. - Geltendmachung 93 - geltungserhaltende Reduktion 372 - Mindestlohn 283 f., 372 f. - Tarifvertrag 90 ff., 92 f., 185 ff., 372 f. - Transparenz 338 f., 372 - Urlaubsabgeltung 90 ff. - Vertragssprache 338 f. Ausschreibungspflicht - Arbeitsplätze 207 ff. - Leiharbeitnehmer 207 ff. Außerordentliche Kündigung 131 f., 418 ff. - Anhörung Arbeitnehmer 425 ff. - Arbeitslosengeld 517 ff. - Aufklärungspflicht 428 - Auslauffrist 415 ff. - beharrliche Arbeitsverweigerung 127 ff. - betriebliche Gründe 415 ff. - Datenlöschung 139 f. - Detektivkosten 73 f. - Ermittlungen 423 f. - Interessenabwägung 134 f. - Krankheit 418 ff. - Social Media 428 ff. - Spesenabrechnung 131 ff. - Tatkündigung 133 ff. - Verdachtskündigung 133 ff., 423 ff. - wichtiger Grund 415 ff. - You-Tube-Video 428 ff. - Zwei-Wochen-Frist 423 ff. Auswahlrichtlinie, Leiharbeitnehmer 209
Βaugewerbe, Mindestlohn 278,
285 BDSG - Personalakte 454 ff. - soziale Netzwerke 28 f. BEEG, Änderung 26 f., 314 ff. Befristeter Arbeitsvertrag - Abordnungsvertretung 60 - ältere Arbeitnehmer 344 ff. - Altersgrenze 297 f., 344 ff. - Arbeitgeberwechsel 349 f. - Betriebsratsmitglied 340 ff. - Erprobung 60 - EU-Richtlinie 57 ff., 65 ff. - gedankliche Vertretung 58 f. - Gemeinschaftsbetrieb 66 - Leiharbeitnehmer 66 f. - Missbrauch 61 - mittelbare Vertretung 58 - Prognose 60 f. - Rechtsmissbrauch 63 ff., 349 ff. - Sachgrund 57 ff., 344 ff. - sachgrundlose Befristung 28, 347 ff. - Schriftform 434 f. - Treu und Glauben 66 - Übernahmeanspruch 340 ff. - unmittelbare Vertretung 58 - Vertretung 57 ff. - Vertretungsbedarf 59 - vorübergehender Mehrbedarf 61 ff. Beharrliche Arbeitsverweigerung - Kündigung 127 ff. - Vertrauensarbeitszeit 130 Beherrschungsvertrag - Betriebsrente 449 f. - Sozialplan 450 Behindertenrechtskonvention 356 Behinderung - Adipositas 362 ff. 525
Stichwortverzeichnis
Behinderung - AGG 51, 99 ff. - Altersteilzeit 170 ff. - angemessene Vorkehrungen 357 ff. - Arbeitsorganisation 103 - Arbeitsplatzgestaltung 101 ff. - Arbeitszeit 103 - Aufklärungspflicht 45 ff. - Begriff 50 f. - Betriebsrente 170 - Beweislast 102 - Bewerber 45 ff., 355 ff., 359 ff. - bio-psycho-sozialer Begriff 100 - chronische Erkrankung 99 ff. - Darlegungslast 102 - Dauer 50 - Direktionsrecht 68 f., 367 f. - Diskriminierung 45 ff., 95 ff., 170 ff., 355 ff. - Einschränkungen 355 ff. - Fettleibigkeit 49 ff., 362 ff. - Förderpflichten 47, 101 ff., 361 f. - Fragerecht 355 ff. - Fürsorgepflicht 101 ff., 357 ff., 367 f. - Handlungspflichten 101 f. - Kennzeichnung 99 ff. - Krankheit 50 f. - Mitteilungsobliegenheit 359 ff. - Stigmatisierung 101 - UN-BRK 51, 99 ff., 356 - Verfahrenspflicht 47 Beisitzer, Einigungsstelle 494 ff. Beitragsbemessungsgrößen, Sozialversicherung 517 f. Benachteiligung → Diskriminierung Berechnungsdurchgriff - Betriebsrente 448 f. - Konzern 448 f. 526
Berechnungsdurchgriff - Sozialplan 448 f. Bereithaltungspflicht, Mindestlohn 287 Berufsanfänger, Diskriminierung 353 Berufsgruppengewerkschaft, Tarifeinheit 306 ff. Beschäftigtendatenschutz - Eignungsuntersuchung 77 - EU-Datenschutz-Grundverordnung 31 f. - Koalitionsvertrag 1 - Kündigungsschutzprozess 143 - soziale Netzwerke 28 f. - Verdachtskündigung 145 f. - Vorsorgeuntersuchung 75 ff. Beschluss, Rechtsfrage 476 ff. Beschlussverfahren - einstweiliger Rechtschutz 478 - Regelungsabrede 476 ff. - Schlichtungsabrede 476 ff. Besonders langjährig Versicherte, Altersrente 2 ff., 293 ff. Bestimmtheit, Kündigung 408 ff. Betrieb, Tarifpluralität 309 f. Betriebliche Altersversorgung → Betriebsrente Betriebliche Übung - Beseitigung 86 f. - Betriebsparkplatz 85 ff. - Betriebsvereinbarung 474 - Entstehung 85 Betriebliches Eingliederungsmanagement 422 Betriebsänderung - Änderungskündigung 431 f. - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 460 f. - Leiharbeitnehmer 204 f.
Stichwortverzeichnis
Betriebsänderung - Mitbestimmung Betriebsrat 231 f. - Transfergesellschaft 497 ff. - Unterlassungsanspruch 499 f. - Unterlassungsverfügung 231 f. Betriebsbedingte Kündigung - Altersstruktur 111 ff. - Auftragsrückgang 413 ff. - Betriebsübergang 127 - Darlegungslast 413 ff. - Druckkündigung 124 ff. - Insolvenz 11 ff. - Sozialauswahl 111 ff. - Unterlassungsverfügung 231 f. Betriebsparkplatz, betriebliche Übung 85 ff. Betriebsrat - Behinderung 215 - Betriebsübergang 507 f. - Bruttoentgeltliste 465 ff. - Dienstvertrag 21 - Ehrenamt 471 - Ersatzmitglied 198 ff. - Freistellung 205 - Kostenerstattung 472 ff. - Rechtsanwalt 472 ff. - Restmandat 507 f. - Sachverständige 472 ff. - Übergangsmandat 507 f. - verantwortliche Stelle 467 - Vertretung 196 ff. - Wahlbewerber 429 f. - Wahlvorstandskandidat 429 - Werkvertrag 21 Betriebsratsanhörung - Betriebsratsbeschluss 200 ff. - objektive Tatsachen 104 f. - Probezeitkündigung 103 ff. - Werturteil 105
Betriebsratsbeschluss - Anhörung § 102 BetrVG 200 ff. - Einladung 196 ff. - formale Anforderung 196 ff. - Sphärentheroie 201 - Tagesordnung 196 ff. Betriebsratsgröße, Leiharbeitnehmer 203 Betriebsratsmitglied - Abmahnung 215 - Arbeitsbefreiung 467 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 340 ff. - Benachteiligung 340 ff. - Beschlussfassung 196 ff. - Entgeltfortzahlung 470 ff. - Freizeitausgleich 467 ff. - Maßregelungsverbot 342 - rechtliche Verhinderung 198 ff. - Verhinderung 198 ff. Betriebsratsvorsitzender, Vertretungsbefugnis 196 ff. Betriebsratswahl - Anfechtbarkeit 206 - einstweilige Verfügung 206 - Leiharbeitnehmer 202 ff. Betriebsrente - Abwendbarkeit 32 f. - Altersgrenze 161 ff., 299 f. - Altersrente Schwerbehinderung 165 ff., 170 - Altersrente 6 f., 63 299 f. - Anpassung 33 f., 437 f., 441 f., 443 ff. - Anpassungsstichtag 437 ff. - Auskunftsanspruch 33 - Beherrschungsvertrag 449 - Behinderung 170 - Berechnung 165 ff. - Berechnungsdurchgriff 448 f. - Diskriminierung 161 ff. - Eigenkapitalrendite 444 f. 527
Stichwortverzeichnis
Betriebsrente - Ergebnisabführungsvertrag 449 f. - EU-Richtlinie 32 ff. - grenzüberschreitende Sachverhalte 33 f. - Höchstalter 161 ff. - Höchstaufnahmealter 162 f. - IFRS 439 - Inlandssachverhalt 34 - Insolvenzsicherung 451 ff. - Kennzeichnung 451 ff. - Klage 441 f. - Konzern 443 ff., 451 ff. - Kürzung 6 f., 165 ff. - m/n-tel. Kürzung 6 f., 165 ff., 299 f. - Mobilitätsrichtlinie 32 ff. - Rentnergesellschaft 445 ff. - Rügefrist 441 f. - Schuldbeitritt 450 f. - Übernahme 451 ff. - Unverfallbarkeit 32 ff. - Verschmelzung 437 f. - Versorgungsfall 167 f. - vorgezogene 165 ff., 170 - vorzeitige Beendigung 6 f. - wirtschaftliche Lage 437 ff., 443 ff. - Zukunftsprognose 444 Betriebsteilübergang → Betriebsübergang Betriebsübergang - Arbeitnehmer 234 f. - Arbeitnehmerliste 501 ff. - betriebsbedingte Kündigung 127 - betriebsmittelarm 501 f. - betriebsmittelintensiv 501 f. - Betriebsrat 507 f. - Betriebsrente 437 ff. Betriebsübergang 528
Betriebsübergang - Betriebszugehörigkeitszeiten 236 f. - betroffene Arbeitnehmer 501 ff. - Druckkündigung 127 - Eingruppierung 236 f., 239 f. - Entgeltänderung 238 ff. - EU-Richtlinie 504 ff. - fehlerhafte Unterrichtung 504 - Identitätswahrung 232 ff. - Kennzeichnung 232 ff., 501 f. - Kollektivvereinbarung 505 f. - Leiharbeitnehmer 234 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 238 ff. - nachwirkender Tarifvertrag 504 ff. - Neueinstellung 239 f. - organisatorische Einheit 232 ff., 501 f. - Personalgestellung 501 ff. - Privatisierung 501 ff. - Rentnergesellschaft 445 ff. - Restmandat 507 f. - Sozialplan 243 ff. - Tarifbindung 238 ff. - Tarifvertrag 240, 504 ff. - Tarifwechsel 236 f. - Tatbestand 232 ff. - Übergangsmandat 507 f. - Umgruppierung 239 f. - Unterrichtung → Unterrichtungspflicht Betriebsübergang - Vergütungsordnung 238 ff. - Vermeidung 501 ff. - Verzicht 240 f. - Widerspruch → Widerspruch Betriebsübergang Betriebsvereinbarung - Arbeitsvertrag 368 - Beendigung 193 ff.
Stichwortverzeichnis
Betriebsvereinbarung - betriebliche Übung 474 - Dienstbekleidung 475 f. - Durchführungsanspruch 481 ff. - Eignungsuntersuchung 77 - einstweiliger Rechtschutz 478 - Entgeltumwandlung 156 ff. - Gleichbehandlung 475 ff. - Kappung Arbeitszeit 227 f. - Lohnverwendungsabrede 159 - Mindestlohn 283 - Nachwirkung 193 ff. - Opting-Out 156 ff. - Rechtsfragen 476 ff. - Regelungsfragen 476 ff. - Schichtarbeit 193 ff. - Schlichtungsverfahren 476 ff. - Stichtagsklausel 84 - Teilbarkeit 193 ff. - teilmitbestimmte 193 ff. - Verzicht 209 ff. - Zulagen 193 ff. Betriebszugehörigkeit, Betriebsübergang 236 f. BetrVG, Schwellenwerte 202 ff. Beurteilungsgrundsätze, Mitbestimmung Betriebsrat 489 f. Beweisverwertung, Kündigungsschutzprozess 140 ff. Bewerber - Alter 55 f., 353 - Behinderung 45 ff., 355 ff., 359 ff. - Berufsanfänger 353 - Diskriminierung 52 ff., 353 - Förderpflichten 47, 361 f. - Fragerecht 355 ff. - Geschlecht 353 - Kind 353 ff. - Mitteilungsobliegenheit 359 ff. - Verfahrenspflicht 47
Bewerbung, Testbewerbung 55 f. Bewerbungsschreiben, Behinderung 45 ff. Bezugnahme, Arbeitsvertrag 368 ff. Bezugnahmeklausel - Altvertrag 182 ff. - Arbeitsort 71 f. - Ausschlussfrist 185 ff. Bezugsgröße, Sozialversicherung 519 Bildschirmarbeitsplatz, Mitbestimmung Betriebsrat 491 Blue-Pencil-Test, AGBKontrolle 85 Bonus → Sonderleistung Börsennotierte AG - Diversität 40 f. - Geschlechterquote 22 f., 300 ff. Bruttoentgeltliste, Einsichtnahme 465 ff. Bundesgerichte, Gleichstellung 304 ff. Bundesverwaltung, Gleichstellung 304 ff.
Chronische Erkrankung, Behinderung 99 ff. Compliance-Organisation, Haftung 78 ff. Corporate Governance, Berichterstattung 41
Darlegungslast - Auftragsrückgang 413 ff. - Kündigung 139 f., 413 ff. Datenlöschung, Kündigung 139 f. Datenschutz - Betriebsrat 467 - EU-Datenschutz-Grundverordnung 329 f., 331 f. 529
Stichwortverzeichnis
Datenschutz - Mitbestimmung Betriebsrat 467 - Personalakte 454 ff. - Safe-Harbor-Regelung 329 - verantwortliche Stelle 467 Datenschutz-Grundverordnung → EU-Datenschutz-Grundverordnung Delegation, Arbeitsschutz 491 ff. Detektivkosten, Erstattung 73 f. Deutsch, Vertragssprache 335 ff. DGB - Schiedsverfahren 191 f. - Tarifpluralität 190 ff. Dienstbekleidung, Gleichbehandlung 475 f. Dienstvertrag 20 f. - Arbeitsschutz 323 - Mindestlohn 284 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 487 ff. Dienstwagen, Mindestlohn 273 Differenzierungsklausel 457 ff. Direktionsrecht - Arbeitsort 69 ff. - Arbeitsschutz 326 - Arbeitsunfähigkeit 365 ff. - Arbeitsverweigerung 129 f. - Behinderung 68 f., 367 f. - Ermessen 68 f. - gesundheitliche Beeinträchtigung 68 f. - Interessenabwägung 71 f. - Krankheit 78 f. - Nachtdienst 68 f. - Nachtdienstuntauglichkeit 365 ff. - Sozialauswahl 72 - unternehmerische Entscheidung 71 530
Diskriminierung - Alter 55 f., 111 ff., 116 ff., 161 ff., 353, 402, 432 ff. - Altersteilzeit 170 ff. - Behinderung 45 ff., 95 ff., 99 ff., 170, 355 ff. - Berufsanfänger 353 - Betriebsrente 161 ff. - Beweiserleichterung 98 - Bewerber 52 ff. - Darlegungs- und Beweislast 102 - Elternzeit 229 ff. - Entschädigung 52 ff., 98 - Förderpflichten 361 f. - Geschlecht 353 - Kündigung 95 ff. - Kündigungsfrist 432 ff. - Personalvermittler 52 ff. - Schadensersatz 98 - Sozialauswahl 111 ff. - Sozialplan 229 ff. - Statistik 354 - Teilzeit 229 ff. - Urlaub 402 Diversität, EU-Richtlinie 40 f. Dokumentation, Arbeitsschutz 324, 327 DrittelbG - Leiharbeitnehmer 206 - Schwellenwerte 206 f. Druckkündigung - betriebsbedingte Kündigung 124 ff. - Betriebsübergang 127 - personenbedingte 124 f. - verhaltensbedingte 124 f. Durchführungsanspruch - Betriebsvereinbarung 481 ff. - Regelungsabrede 481 ff.
Ehrenamt, Mindestlohn 289
Stichwortverzeichnis
Eigenkapitalrendite, Betriebsrentenanpassung 444 f. Eignungsuntersuchung 77 Eingliederung, Mitbestimmung Betriebsrat 487 f. Eingruppierung 177 ff. - Arbeitsvertrag 181 f. - Betriebsübergang 236 f. - Bezugnahme Tarifvertrag 181 f. - fehlerhafte 180 ff. - Korrektur 180 ff. Einigungsstelle, Beisitzer 494 ff. Einigungsstellenspruch, Durchführungsanspruch 482 Ein-Personen-Gesellschaft, EURichtlinie 36 f. Einstellung - Mitbestimmung Betriebsrat 479 ff., 487 f. - Stellenausschreibung 479 ff. Einstweiliger Rechtschutz - Beschlussverfahren 478 - Betriebsvereinbarung 478 Elterngeld Plus 26 f., 314 f. Elterngeld 314 f. - Partnermonate 315 f. - Partnerschaftsbonus 315 ff. Elternurlaub → Elternzeit Elternzeit - Aufteilung 315 f. - Diskriminierung 229 ff. - Elterngeld Plus 26 f. - Erholungsurlaub 389 ff. - Flexibilisierung 315 ff. - Kündigungsschutz 317 - Partnerschaftsbonus 26 f. - Sozialplanabfindung 229 ff. - Teilzeitbeschäftigung 27, 229 ff., 316 f. - Übertragung 315 f. - Zweck 230
Entgeltfortzahlung - Betriebsratsmitglied 470 ff. - medizinische Vorsorge 388 f. - Rehabilitation 388 f. Entgeltumwandlung - Anspruch Arbeitnehmer 153 - Aufklärungspflicht Arbeitgeber 153 ff. - Betriebsvereinbarung 156 ff. - Op-Out-Regelung 156 ff. Entschädigung, Diskriminierung 52 ff. Entsende-Richtlinie → EUEntsende-Richtlinie Ergebnisabführungsvertrag - Betriebsrente 449 f. - Sozialplan 450 Erholungsurlaub - ältere Arbeitnehmer 402 f. - Arbeitsschutz 401 f. - Arbeitszeitwechsel 403 f. - Elternzeit 389 ff. - Ersatzanspruch 397, 401 f. - Inanspruchnahme 401 f. - Krankheit 396 ff. - Kürzung 391 ff. - Rückstellung 402 - Schadenersatz 397, 401 f. - Sonderurlaub 391 ff. - Surrogattheorie 93, 395 - Teilzeitbeschäftigung 403 f. - Übertragung 92 f. - Urlaubsabgeltung 90 ff., 394 f. - Urlaubsgeld 398 ff. Ermessen - Leistungsbonus 381 ff. - Sonderleistung 381 ff. Ersatzmitglied, Betriebsrat 198 ff. Erste Tätigkeitsstätte 256 f. Erwerbsunfähigkeitsrente, auflösende Bedingung 434 f. 531
Stichwortverzeichnis
EU-Datenschutz-Grundverordnung 31 f., 329 f., 331 f. EU-Entsende-Richtlinie 34 f. - Mindestlohn 274 ff., 277 EuGVVO 335 f. EU-Kommission - Corporate Governance 41 - Unternehmensberichterstattung 41 - Vorstandsvergütung 37 ff. EU-Richtlinie - Aktionäre 332 f. - Arbeitszeit 90 ff., 389, 397 - befristeter Arbeitsvertrag 57 ff., 65 ff. - Betriebsübergang 236 f., 504 ff. - Diversität 40 f. - Ein-Personen-Gesellschaft 36 f., 331 f. - Elternurlaub 229 ff., 390 f. - Entsendung 34 f. - Erholungsurlaub 90 ff., 389 f. - Frauenquote 330 f. - Geschäftsgeheimnisse 35 - Geschlechterquote 40 f., 330 f. - Lagebericht 40 f. - Mobilität von Arbeitnehmern 32 ff. - SPE 36, 331 f. - Unternehmensführung 332 f. - Vergütungspolitik 332 f. - Vorstandsvergütung 37 ff. - Zusatzrentenansprüche 32 ff. Europäische Privatgesellschaft 36
Fälligkeit, Urlaubsabgeltung 394 f. Familienpflegezeit 318 ff. FamPflegeZG-Änderung 318 ff. Fettleibigkeit, Behinderung 49 ff., 362 ff. Flashmob, Arbeitskampf 188 ff. 532
Fleischwirtschaft, Mindestlohn 285 Förderpflichten, Behinderung 361 f. Formulararbeitsvertrag → Arbeitsvertrag Fortsetzungserkrankung - Krankheit 388 f. - medizinische Vorsorge 388 f. - Rehabilitation 388 f. Fragerecht, Behinderung 355 ff. Frauenquote → auch Geschlechterquote Frauenquote 300 ff. - AG 302 ff. - Führungsebenen 302 ff. - Genossenschaft 302 ff. - Geschäftsführung 302 ff. - GmbH 302 ff. - Lagebericht 40 f., - Vorstand 302 ff. - Zielgröße 302 Freier Arbeitsplatz, Kündigung 108 ff. Freistellung, Leiharbeitnehmer 205 Freiwilligkeitsvorbehalt - AGB-Kontrolle 386 f. - Sonderleistung 84 Freizeitausgleich, Betriebsratsmitglied 467 ff. Fremdpersonal - Arbeitsschutz 323 - gesetzliche Regelung 320 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 487 ff. Fristlose Kündigung → außerordentliche Kündigung Frühverrentung, Altersrente 7 f. Führungsebenen, Frauenquote 302 ff. Führungskräfte, Geschlechterquote 23 f.
Stichwortverzeichnis
Fürsorgepflicht - Behinderung 101 ff., 367 f.
Gebäudereinigung, Mindestlohn 278, 285 Gefährdungsbeurteilung - Arbeitsschutz 324 - Dokumentation 324 - Inhalt 324 - Mitbestimmung Betriebsrat 491 - Ordnungswidrigkeit 324 - präventive 324 - Stand der Technik 324 Gefahrstoffe, Arbeitsschutz 323 ff. Genossenschaft, Frauenquote 302 ff. Geringfügige Beschäftigung - Altersrente 63 295 ff. - Mindestlohn 285 - Rentenversicherungspflicht 295 f. Geringfügigkeitsgröße 519 Geschäftsführer, Schriftformerfordernis 150 f. Geschäftsführer-Dienstvertrag, Aufhebung 150 f. Geschäftsführung - Arbeitsschutz 494 - Compliance 494 - Frauenquote 302 ff. Geschäftsgeheimnisse, EURichtlinie 35 Geschlecht, Diskriminierung 353 Geschlechterquote 300 ff. - AG 300 f. - Aufsichtsrat 21 ff., 300 f. - Aufsichtsratsentlastung 24 f. - Diversität 40 f. - EU-Richtlinie 40 f. - Führungsposition 21 ff., 302 ff. - Lagebericht 40 f., 302 ff.
Geschlechterquote - TOP-Management 23 f., 300 ff. - Vorstand 21 ff., 300 ff. - Vorstandsentlastung 24 Gesetzliche Altersrente → Altersrente Gesundheit, Direktionsrecht 68 f. Gesundheitsschutz → Arbeitsschutz Gewerkschaft, Flashmob 188 ff. Gewerkschaftsmitglieder, Begünstigung 457 ff. Gleichbehandlung - Betriebsvereinbarung 474 f. - Dienstbekleidung 475 f. Gleichbehandlungsgrundsatz, Gestaltung 474 Gleichstellungsabrede 182 ff. GleichStG, Änderung 304 ff. GmbH, Frauenquote 302 ff. Google-Maps, Mitbestimmung Betriebsrat 219 ff. Gratifikation → Sonderleistung Grundrechtscharta - Geltungsanspruch 41 f. - Mitbestimmungsrechte 41 f.
Haftung - Compliance-Organisation 78 ff. - Mindestlohn 11 f. - Vorstand 78 ff. Hauptversammlung - Vergütungspolitik 38 f. - Vorstandsvergütung 38 f. Höchstalter, Betriebsrente 161 ff.
IFRS, Betriebsrentenanpassung 439 IG Metall, Anti-StressVerordnung 27 533
Stichwortverzeichnis
Informationspflicht, Betriebsübergang → Unterrichtungspflicht Betriebsübergang Insolvenz - Altersrente 63 294 f. - Altersstruktur 111 ff. - Betriebsrente 451 ff. - Kündigung 111 ff. - Sozialauswahl 111 ff. Institutsvergütungsverordnung 25 f. Interessenausgleich, Unterlassungsanspruch 500 Islamisches Kopftuch, Kirche 374 f.
Jahressonderzahlung → Sonderleistung
Kirche, Kopftuch 374 f. Koalitionsfreiheit - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 457 ff. - Flashmob 188 ff. Koalitionsvertrag - Arbeitnehmerüberlassung 18 - Arbeitsrecht 1 - Beschäftigtendatenschutz 1 - Sozialversicherungsrecht 1 f. - Vorstandsvergütung 39 f. Konzern - Aufhebungsverträge 151 - Beherrschungsvertrag 449 f. - Berechnungsdurchgriff 448 f. - Betriebsrente 451 ff. - Betriebsrentenanpassung 443 ff. - Ergebnisabführungsvertrag 449 f. - Schuldbeitritt 450 f. - Sonderleistung 87 ff. - Sozialplan 448 f. 534
Kopftuch, Kirche 374 f. Krankenversicherung - BBG 519 - Versicherungspflichtgrenze 519 Krankheit, Einheit des Verhinderungsfalls 388 f. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Alkohol 420 ff. - außerordentliche Kündigung 418 ff. - BEM 422 - Erholungsurlaub 396 ff. - wichtiger Grund 418 ff. Krankheitsbedingte Kündigung, ältere Arbeitnehmer 418 ff. Kündigung - AGG 95 ff. - Altersdiskriminierung 116 ff. - Altersrente 4 f. - Auftragsrückgang 413 ff. - außerordentliche 415 ff. - Bestimmtheit 408 ff. - Betriebsratsanhörung 103 ff., 200 ff. - Beweiserleichterung 98 - Diskriminierung 95 ff. - Druckkündigung 124 ff. - Elternzeit 318 - Entschädigung 98 - freier Arbeitsplatz 108 ff. - HIV-Erkrankung 95 ff. - Kündigungstermin 408 ff. - Meinungsäußerung 428 ff. - nächstzulässiger Termin 408 ff. - Originalvollmacht 411 ff. - Personalleiter 411 ff. - personenbedingte 418 ff., 420 ff. - Probezeit 95 ff., 103 ff. - Prokura 412 - Schadensersatz 98
Stichwortverzeichnis
Kündigung - Social Media 428 ff. - tariflicher Sonderkündigungsschutz 116 ff. - Tatkündigung 133 ff. - Teilzeitbeschäftigte 318 - Verdachtskündigung 133 ff. - Vertretungsbefugnis 411 ff. - vorsorgliche 409 f. - Wartezeit 95 ff., 103 ff. - Weiterbeschäftigungspflicht 108 ff. - Zurückweisung 411 ff. Kündigungsfrist - Alter 432 ff. - Diskriminierung 432 ff. Kündigungsschutz - Elternzeit 318 - Teilzeitbeschäftigte 318 - Wahlbewerber 429 - Wahlvorstandskandidat 429 f. - Wartezeit 405 ff. Kündigungsschutzprozess - Beschäftigtendatenschutz 143 - Beweisverwertung 140 ff. - Weiterbeschäftigung 377 ff. - Zwangsvollstreckung 377 ff. Kündigungstermin, Bestimmtheit 408 ff. Kurzarbeitergeld, Altersrente 2 f., 293 ff.
Leiharbeit, Tarifzuständigkeit 463 Leiharbeitnehmer - Arbeitsplatz 207 - Arbeitszeit 18 - Auskunftsanspruch 373 f. - Ausschreibungspflicht 207 ff. - Auswahlrichtlinie 209 - befristeter Arbeitsvertrag 66 f. - Betriebsratswahl 202 ff.
Leiharbeitnehmer - Betriebsübergang 234 ff. - Dokumentation 18 - Streik 18 - Übernahme 405 ff. - Unternehmensmitbestimmung 206 f. - Vordienstzeit 406 f. - Wählbarkeit 205 Leistungsbezogene Vergütung → Sonderleistung Leistungsbonus, Ermessen 381 ff. Leistungsstruktur, Sozialauswahl 111 ff., 115 Leitende Angestellte, Mindestlohn 289 f. Logistik, Mindestlohn 285 Lohnverwendungsabrede, Betriebsvereinbarung 159
Massenentlassung - Änderungskündigung 431 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 231 f. - Unterlassungsverfügung 231 f. Maßregelungsverbot, Betriebsratsmitglied 342 f. Medizinische Vorsorge, Entgeltfortzahlung 388 f. Mehrbedarf, vorübergehender 61 ff. Meinungsäußerung, Kündigung 428 ff. Meldepflichten, Mindestlohn 12 Messebau, Mindestlohn 285 MiLoG 10 ff., 273 ff. Mindestlohn - 13. Monatsgehalt 274 - Abfallwirtschaft 278, 280 - Akkordprämie 276 - Anrechenbarkeit 274 ff. 535
Stichwortverzeichnis
Mindestlohn - Anwendungsbereich 14 - Arbeitnehmer 14 - Arbeitszeit 13 - Arbeitszeiterfassung 285 ff. - Arbeitszeitflexibilisierung 10 f. - Arbeitszeitguthaben 282 - Arbeitszeitkonto 281 ff. - AT-Angestellte 281 f., 289 f. - Auftraggeberhaftung 284 f. - Aufwendungsersatz 277 - Aufzeichnungspflicht 289 f. - Ausgleichszeitraum 11, 281 ff. - Ausschlussfrist 283 f., 372 f. - Auszeichnungspflicht 285 ff. - Logistik 285 - Auszubildende 14 - Baugewerbe 278, 285 - Bereithaltungspflicht 287, 289 f. - Betriebsvereinbarung 283 f. - Bonus 274 - Dienstvertrag 284 f. - Dienstwagen 273 - Dokumentation 13 - Ehrenamt 289 - Entsenderichtlinie 274 ff., 277 - Fahrtkostenerstattung 277 - Fälligkeit 10, 273, 281 ff. - Fleischwirtschaft 285 - funktionale Gleichwertigkeit 278 - Gebäudereinigung 278, 285 - Gefahrenzulage 274 ff. - geringfügig Beschäftigte 285 - Haftung 11 f. - Höhe 10 - Jahresleistung 10 - Jahressonderzahlung 274 - Jugendliche 14 - Kennzeichnung 273 ff., 277 - Langzeitarbeitslose 14 536
Mindestlohn - leitende Angestellte 289 f. - Meldepflichten 12 - Messebau 285 - Nachtzuschlag 274 - Nachweis 287 - Normalleistung 279 - öffentliche Aufträge 13, 288 - Öffnungsklausel 284 - ÖPNV-Tickets 273 - Ordnungswidrigkeit 291 - Personalrabatt 273 - persönlicher Anwendungsbereich 288 f. - persönlicher Geltungsbereich 281 f., 288 ff. - Praktikant 14, 288 f. - Provision 274 - Qualitätsprämie 276 - Sachleistung 273 - Sanktion 291 - Schichtzulage 275 - Schmutzzulage 274 ff. - Sonderzahlung 274 - Spedition 285 - Stundenentgelt 10 - Subunternehmerhaftung 11 f. - Tantieme 274 - Tarifvertrag 283 f. - Übergangsregelung 290 f. - Überstundenzuschlag 274 - Unabdingbarkeit 283 f. - Urlaubsgeld 274 - Vergabeverfahren 288 - Vertrauensarbeitszeit 286 f. - Wechselschichtzuschlag 275 - Weihnachtsgeld 274 - Werkvertrag 282 f. - Wertguthaben 11 - Zulagen 274 ff. - Zuschläge 274 ff.
Stichwortverzeichnis
Mindestlohn - Zweck 280 MitBestG - Frauenquote 302 ff. - Geschlechterquote 300 f. - Leiharbeitnehmer 206 f. - Schwellenwerte 206 f. Mitbestimmung Betriebsrat - Abmahnung 213 ff. - Arbeitnehmerüberlassung 489 - Arbeitsrhythmus 326 - Arbeitsschutz 323 ff., 325 ff., 491 ff. - Arbeitsschutzausschuss 226 f. - Arbeitssicherheit 491 ff. - Arbeitstempo 326 - Arbeitszeit 193, 222 ff. - Aufbauorganisation 493 - Aufgabenbeschreibung 490 - Auswahlrichtlinie 193 - Beschlussverfahren 476 ff. - Betriebsänderung 231 f., 499 ff. - Betriebsübergang 238 ff. - Beurteilungsgrundsätze 489 f. - Bildschirmarbeitsplatz 491 - Bruttoentgeltliste 465 - Compliance 494 - Datenschutz 467 - Dienstvertrag 21, 487 ff. - Durchführungsanspruch 481 ff. - EDV 219 ff. - Eingliederung 487 f. - Eingruppierung 177 ff. - Einstellung 479 ff., 487 f. - Excel-Programm 222 - Fehlzeitenauswertung 222 - freiwillige Angelegenheit 193 - Fremdpersonal 487 ff. - Gefährdungsbeurteilung 491 - Gesundheitsschutz 491 ff. - Google-Maps 219 ff.
Mitbestimmung Betriebsrat - Grundrechts-Charta 41 f. - Haftung 494 - Leiharbeitnehmer 204 f. - Leistungsdaten 220 - Massenentlassung 231 ff. - Organisationstruktur 491 ff. - Rechtsfragen 476 ff. - Regelungsfragen 476 ff. - Routenplaner 219 ff. - Schichtarbeit 193 - Schlichtungsverfahren 476 ff. - Softwareprogramm 219 ff. - Sonderleistung 193 - Stellenbeschreibung 489 f. - technische Einrichtung 219 ff. - teilmitbestimmte Angelegenheit 193 - Überwachung Leistung 219 ff. - Überwachung Verhalten 219 ff. - Umgruppierung 177 ff. - Umkleidezeiten 222 ff. - Unterlassungsanspruch 499 ff. - Vergütung 481 ff. - Vergütungsordnung 238 ff. - Verhaltensdaten 220 - Versetzung 215 ff., 484 ff., 486 f. - Verzicht Betriebsvereinbarung 209 ff. - vorläufige Maßnahme 484 ff. - Werkvertrag 21, 320 f., 487 ff. - Wirksamkeitsvorausetzung 494 - Zustimmungsverweigerung 486 f. - zwingende 193 Montanmitbestimmung, Geschlechterquote 300 f.
Nachtdienst, Direktionsrecht 68 f. 537
Stichwortverzeichnis
Nachtdienstuntauglichkeit, Direktionsrecht 365 ff. NachwG, Praktikanten 292 f. Nachwirkung - Betriebsvereinbarung 193 ff. - Tarifvertrag 504 ff. Nachtzuschlag, Mindestlohn 275 Namensliste, Sozialauswahl 115 Nebenverdienst, Altersrente 5 Neueinstellung, Betriebsübergang 239 f.
Öffentliche Aufträge, Mindestlohn 13, 288 ÖPNV-Ticket, Mindestlohn 273 Ordentliche Kündigung, Verdachtskündigung 136 f. Organisationstruktur, Mitbestimmung Betriebsrat 491 ff. Organisatorische Einheit, Betriebsübergang 232 ff.
Partnerschaftsbonus 26 f., 315 f. Personalakte - Auskunftsanspruch 455 ff. - BDSG 454 ff. - Datenschutz 454 ff. - Einsichtnahme 455 - Löschungspflicht 456 Personalgestellung, AÜG 19 Personalleiter, Kündigung 411 ff. Personalmaßnahme, vorläufige 484 ff. Personalrabatt, Mindestlohn 273 Personalvermittler, Diskriminierung 52 ff. Personenbedingte Kündigung - Alkohol 420 ff. - BEM 422 - Druckkündigung 124 f. - freier Arbeitsplatz 108 ff. 538
Personenbedingte Kündigung - Interessenabwägung 422 - Krankheit 418 ff., 420 ff. Pflegeversicherung - BBG 519 - Versicherungspflichtgrenze 519 Pflegezeit 318 ff. PflegeZG-Änderung 318 ff. Praktika - Entgelt 43 - EU-Kommission 43 f. - Kennzeichnung 288 f. - Mindestlohn 43 f., 288 f. - NachwG 292 f. - Qualitätsrahmen 43 f. - Transparenz 44 - Vertragsgestaltung 43 f. Probezeit - Berechnung 107 - Dauer 107 - Ende 107 - Kündigung 95 ff., 103 ff. - Kündigungsgründe 104 ff. Prokura - auflösende Bedingung 379 ff. - Sonderleistung 379 ff. - Zulage 379 Psychische Belastung - Arbeitsschutz 27 f., 321 f. - Verordnung 27 f.
Rechtsanwalt - Betriebsrat 472 ff. - Rentenversicherungspflicht 249 ff. - Sachverständiger 472 ff. Rechtsmissbrauch - befristeter Arbeitsvertrag 63 ff., 349 ff. - sachgrundlose Befristung 349 ff.
Stichwortverzeichnis
Rechtsmissbrauch - Widerspruch Betriebsübergang 245 ff. Regelungsabrede, Durchführungsanspruch 481 ff. Rehabilitation, Einheit des Verhinderungsfalls 388 Rehabilitationsmaßnahme, Entgeltfortzahlung 388 f. Reisekostenrecht - 48-Monats-Frist 257 - Besteuerung 256 f. - BMF-Schreiben 256 f. - Unterkunftskosten 256 f. Rentenversicherung - Altersrente 2 ff. - BBG 519 - geringfügige Beschäftigung 295 f. - Rechtsanwälte 249 ff. - Strafbarkeit 255 - Syndici 249 ff., 509 ff. - Tätigkeitsänderung 254 - Vertrauensschutz 252 ff. - Vier-Kriterien-Theorie 253 - Vorsatz 255 Rentnergesellschaft - Betriebsrentenanpassung 445 ff. - Betriebsübergang 445 ff. - Schadenersatzanspruch 446 f. - Spaltung 446 f. Rückstellung, Erholungsurlaub 402 Rügefrist, Betriebsrentenanpassung 441 f. Ruhenszeitraum, Arbeitslosengeld 517 ff.
Sachgrundlose Befristung 28 - ältere Arbeitnehmer 297 f. - Altersgrenze 297 f. - Rechtsmissbrauch 349 ff.
Sachleistung, Mindestlohn 273 Sachverständiger - Betriebsrat 472 f. - Rechtsanwalt 472 ff. Safe-Harbor-Regelung 329 Scheindienstvertrag 20 f. Scheinwerkvertrag 20 f. Schichtarbeit, Mitbestimmung Betriebsrat 193 Schiedsverfahren, DGB 191 f. Schlichtungsverfahren - Betriebsvereinbarung 476 ff. - BetrVG 476 ff. Schuldbeitritt, Betriebsrente 450 f. Schwellenwerte - BetrVG 202 ff. - DrittelbB 206 f. - MitBestG 206 f. Schwerbehinderte, Altersteilzeit 170 ff., 175 f. Schwerbehinderung → Behinderung Sicherheit → Arbeitsschutz Social Media, Kündigung 428 ff. Societas Unius Personae 36 f., 331 f. Software, Mitbestimmung Betriebsrat 219 ff. Sonderleistung - auflösende Bedingung 379 ff. - Bindungsfrist 398 ff. - Budgetzusage 385 ff. - EBITDA 87 ff. - Ermessen 87 ff., 381 ff. - Freiwilligkeitsvorbehalt 84, 381 ff. - Institutsvergütungsverordnung 25 f. - Konzern 87 ff. - Mindestlohn 10, 274 - Mitbestimmung Betriebsrat 193 - nachhaltige 25 f. 539
Stichwortverzeichnis
Sonderleistung - Prokura 379 ff. - Stichtagsklausel 81 ff., 381 ff., 398 ff. - Tarifvertrag 84 - Zielgrößen 87 ff. Sonderurlaub, Erholungsurlaub 391 ff. Sonderzahlung → Sonderleistung Sozialauswahl - Altersdiskriminierung 111 ff. - Altersgruppe 114 ff. - Altersstruktur 111 ff. - Auskunftspflicht 115 - Diskriminierung 111 ff. - Fehlerhaftigkeit 115 - Leistungsstruktur 111 ff., 115 - Namensliste 115 Soziale Netzwerke, Beschäftigtendatenschutz 28 f. Sozialplan - Altersrente 8 - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 460 f. - Beherrschungsvertrag 450 - Berechnungsdurchgriff 448 f. - Betriebsübergang 243 ff. - Diskriminierung 229 ff. - Ergebnisabführungsvertrag 450 - Konzern 448 f. Sozialplanprivileg - Betriebsübergang 243 ff. - Unterrichtungspflicht Betriebsübergang 243 ff. Sozialversicherung - Beitragsbemessungsgrößen 519 f. - Bezugsgröße 519 - Geringfügigkeitsgröße 519 - Mindestbeitragsbemessung 520 Spaltung → Betriebsübergang 540
Spannensicherungsklausel 457 ff. Spartengewerkschaft - Arbeitskampf 306 ff. - Tarifpluralität 306 ff. SPE 36, 331 f. Spedition, Mindestlohn 285 Spesenabrechnung - Kündigung 131 ff. - Täuschungsvorsatz 133 - Unterschrift 133 Sphärentheorie, Betriebsratsbeschluss 201 Statistik, Diskriminierung 354 Stellenausschreibung - Dauer 479 ff. - Einstellung 479 ff. - Zeitraum 479 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 489 f. Stichtagsklausel - AGB-Kontrolle 81 ff. - Betriebsvereinbarung 84 - Sonderleistung 81 ff., 381 ff., 398 ff. - Tarifvertrag 84 Stigmatisierung, Behinderung 101 Streik - Flashmob 188 ff. - Leiharbeitnehmer 18 - Tarifpluralität 190 ff., 306 ff. Subunternehmerhaftung, Mindestlohn 11 f. SUP-Richtlinie 331 f. Surrogattheorie, Erholungsurlaub 93 Syndikus, Rentenversicherungspflicht 249 ff., 509 ff. Syndikus, Vertrauensschutz 513 ff.
Tagesordnung, Betriebsratsbeschluss 196 ff.
Stichwortverzeichnis
Tantieme → Sonderleistung Tarifarchiv 17 Tarifautonomiestärkungsgesetz 9 ff., 273 ff. Tarifeinheit 16 f., 306 ff. - Arbeitskampf 16 f., 312 ff. - Gesetz 16 f. Tarifpluralität - Arbeitskampf 190 ff., 306 ff., 312 ff. - Berufsgruppe 306 ff. - Betrieb 309 f. - DGB 190 ff. - öffentliche Urkunde 308 f. - Streik 190 ff., 306 ff. - TVG 306 ff. Tarifvertrag - Allgemeinverbindlicherklärung 273 - ältere Arbeitnehmer 116 ff. - Altersdiskriminierung 116 - Altersgrenze 4 f., 434 f. - Arbeitnehmerüberlassung 320 - Ausschlussfrist 90 ff., 92 f., 185 ff., 372 f. - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 457 ff. - Betriebsübergang 504 ff. - Bezugnahme 182 ff. - Differenzierungsklausel 457 ff. - Gewerkschaftsmitglieder 457 ff. - Gleichstellungsabrede 182 ff. - Kündigungsschutz 116 - Mehrheitsgewerkschaft 306 ff. - Minderheitsgewerkschaft 306 ff. - Mindestlohn 283 - Nachwirkung 504 ff. - Schriftformerfordernis 434 f. - Sonderleistung 84 - Spannensicherungsklausel 457 ff.
Tarifvertrag - Stichtagsklausel 84 - Tarifeinheit 306 ff. - Tarifkollision 306 ff. - Tarifpluralität 306 ff. - Verzicht 240 - Werkvertrag 320 f. Tarifwechsel, Betriebsübergang 236 f. Tarifzuständigkeit, Leiharbeit 463 Tätigkeitsstätte, erste 256 f. Tatkündigung, ordentlich 133 ff. Technische Einrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 219 ff. Teilarbeitsunfähigkeit 366 f. Teilbetriebsübergang → Betriebsübergang Teilzeit, Diskriminierung 229 ff. Teilzeitbeschäftigung - Abfindung 229 ff. - Elternzeit 27, 229 ff., 316 f. - Erholungsurlaub 403 f. - Kündigungsschutz 317 Testbewerbung 55 f. Transfergesellschaft - Arbeitsvertrag 497 ff. - Vergütungsanspruch 497 ff. Transferkurzarbeitergeld - Altersrente 63 294 - Berechnung 498 f. TVG - Änderung 14 f., 16, 273, 306 ff. - Tarifarchiv 17 - Tarifeinheit 16 f., 306 ff. TzBfG-Änderung 28
Übergangsgeld, Altersrente 2 f. Übernahme, Leiharbeitnehmer 405 ff. Überstunden - Arbeitszeit 227 f. 541
Stichwortverzeichnis
Überstunden - Vergütungspflicht 227 f. Überstundenpauschale, Kündigung 148 f. Umgruppierung 177 ff. Umkleidezeiten - Arbeitszeit 222 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 222 ff. - Vergütungspflicht 222 ff. Umwandlung → Betriebsübergang UN-BRK 356 Unterlassungsanspruch - Interessenausgleich 500 - Betriebsänderung 499 f. Unterlassungsverfügung, Kündigung 231 f. Unternehmensmitbestimmung, Leiharbeitnehmer 206 f. Unterrichtungspflicht Betriebsübergang 242 ff. - Fehler 242 - Firma 243 - Geschäftsführername 242 f. - Handelsregister 242 - Handelsregisternummer 242 f. - Heilung 504 - mehrfache 503 f. - Sozialplanprivileg 243 ff. - Tarifvertrag 240 - Widerspruchsrecht 245 ff. - Zweck 242 Unterweisung - Arbeitsschutz 326 - Dokumentation 327 Unverfallbarkeit, Betriebsrente 32 ff. Urlaubsabgeltung - Ausschlussfrist 90 ff. - Fälligkeit 394 f. 542
Variable Vergütung → Sonder-
leistung Verdachtskündigung - Anhörung Arbeitnehmer 134, 425 ff. - Aufklärungspflicht 428 - außerordentliche 133 ff. Verdachtskündigung - Beweisverwertung 140 ff. - Detektivkosten 73 f. - Ermittlungen 423 f. - heimliche Kontrolle 145 f. - ordentliche 136 f. - Reinigungsgespräch 134 - Zwei-Wochen-Frist 423 ff. Vergütungspflicht, Umkleidezeiten 222 ff. Verhaltensbedingte Kündigung, freier Arbeitsplatz 108 ff. Verhaltensbedingte Druckkündigung 124 f. Verhinderung, rechtliche 198 ff. Verschmelzung → Betriebsübergang Versetzung - Begriff 216 - Betriebsratszuständigkeit 218 f. - betriebsübergreifende Tätigkeit 215 ff. - doppelte Betriebsratszuständigkeit 218 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 215 ff., 484 ff., 486 f. - örtliche 69 ff. - Zustimmungsverweigerung 217 f., 486 f. Versicherungspflichtgrenze 519 Vertragssprache, Deutsch 335 f. Vertrauensarbeitszeit - Anwesenheitspflicht 127 f. - beharrliche Arbeitsverweigerung 130
Stichwortverzeichnis
Vertrauensarbeitszeit - Mindestlohn 286 f. Vertrauensschutz, Syndikus 513 ff. Vertretung, Aufhebungsvertrag 151 Verwirkung, Widerspruch Betriebsübergang 245 ff. Verzicht, Betriebsvereinbarung 209 ff. Vorläufige Maßnahme, Mitbestimmung Betriebsrat 484 ff. Vorläufige Personalmaßnahme 484 ff. Vorruhestand, Altersrente 8 Vorsorgekartei 75 Vorsorgeuntersuchung 74 ff. Vorstand - Arbeitsschutz 494 - Business-JudgementRule 79 - Compliance 494 - D&O-Versicherung 80 - Dienstvertrag 332 f. - Frauenquote 302 ff. - Gesamtverantwortung 78 - Geschlechterquote 21 ff. - Haftung 78 ff. - Risikokontrolle 78 - Schadensprävention 78 - Umkehr Darlegungs- und Beweislast 78 f. - Vergütungspolitik 332 f. Vorstandsvergütung - EU-Kommission 37 ff. - Koalitionsvertrag 39 f. Vorübergehender Mehrbedarf, Befristung 61 ff.
Wahlbewerber, Kündigungsschutz 429 f. Wahlvorstandskandidat, Kündigungsschutz 429
Wartezeit - Berechnung 107 - Dauer 107 - Ende 107 - Kündigung 95 ff., 103 ff. - Kündigungsgründe 104 ff. - Kündigungsschutz 405 ff. - Vordienstzeit 406 Weihnachtsgratifikation → Sonderleistung Weiterbeschäftigung - Kündigung 108 ff. - Zwangsvollstreckung 377 ff. Werkvertrag 20 f. - Arbeitsschutz 323 - gesetzliche Regelung 320 ff. - Mindestlohn 284 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 320 f., 487 ff. - Tarifvertrag 320 f. Wertguthaben, Mindestlohn 11 Wichtiger Grund - Alkohol 420 ff. - Krankheit 418 ff. Widerspruch Betriebsübergang 503 f. - Disposition Arbeitsverhältnis 246 f. - Frist 245 - mehrfacher 503 ff. - Rechtsmissbrauch 245 ff. - Umstandsmoment 245, 247 f. - Verwirkung 245 ff. - Zeitmoment 245, 247 Wiedereingliederung, Arbeitsfähigkeit 375 Wirtschaftliche Lage, Betriebsrente 437 ff. 543
Stichwortverzeichnis
You-Tube-Video, Kündigung 428 ff.
Zeitarbeit → Leiharbeit Zielgröße, Frauenquote 302 Zulage, Prokura 379 Zusatzrentenansprüche → Betriebsrente
544
Zwangsvollstreckung - Kündigungsschutzprozess 377 ff. - Rückforderungsanspruch 377 ff. - Weiterbeschäftigungsanspruch 377 ff.