Diskursdeixis im Englischen: Sprachtheoretische Überlegungen und lexiko-grammatische Analysen [Reprint 2011 ed.] 9783110959949, 9783484303690

Proceeding from a reference-semantic approach, the study develops a concept of deixis allowing a clear distinction betwe

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German Pages 250 [252] Year 1997

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Table of contents :
Vorwort
0 Einführende Bemerkungen
Teil 1: Was ist Diskursdeixis?
1 Deixis und Anaphora bis Bühler: Eine begriffsgeschichtliche Skizze
1.1 Einleitung
1.2 Deixis und Anaphora vor Bühler
1.3 Deixis und Anaphora in Karl Bühlers Sprachtheorie
1.4 Fazit
2 Referenz und Deixis
2.1 Einleitung
2.2 Referenz in Sprachphilosophie und Linguistik
2.3 Deixis als Referenzphänomen
2.4 Diskursdeixis als Dimension?
2.5 Diskursdeixis und Anaphora
2.6 Fazit
3 Der reflexive und temporale Charakter der Diskursdeixis
3.1 Reflexivität
3.2 Temporalität
3.3 Fazit
Teil 2: Wie wird Diskursdeixis im Englischen ausgedrückt?
4 Kommunikative Verbkonstellationen
4.1 Einleitung
4.2 Verben zur Bezeichnung von Diskursereignissen
4.3 Situationsklassen – Situationstypen – Situationen
4.4 Situationsklassen und Zeitschemata
4.5 Zur Klassifikation von Verbkonstellationen
4.6 Übersicht über die Klassifikation einiger kommunikativer Verben
5 Tempus, Aspekt und Zeitadverbiale
5.1 Einleitung
5.2 Temporale Lokalisation
5.3 Topic Time, Tense und Aspect
5.4 Tempus-Aspekt-Kombinationen
5.5 Zeitadverbiale
5.6 Fazit
6 Nominale Ausdrücke
6.1 Einleitung
6.2 Metakommunikative Nomen als Heads
6.3 Deiktische Determiner
6.4 Deiktische Prämodifikation
6.5 Deiktische Postmodifikation
6.6 Deiktische Pronomen
6.7 Fazit
7 Schlußbemerkungen
Literatur
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Diskursdeixis im Englischen: Sprachtheoretische Überlegungen und lexiko-grammatische Analysen [Reprint 2011 ed.]
 9783110959949, 9783484303690

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Linguistische Arbeiten

369

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese

Friedrich Lenz

Diskursdeixis im Englischen Sprachtheoretische Überlegungen und lexiko-grammatische Analysen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lenz, Friedrich: Diskursdeixis im Englischen: sprachtheoretische Überlegungen und lexiko-gramraatische Analysen / Friedrich Lenz. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Linguistische Arbeiten ; 369) ISBN 3-484-30369-7

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Buchbinder: Industriebuchbinderei Hugo Nädele, Nehren

Inhalt

Vorwort 0 Einführende Bemerkungen

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Teil 1: Was ist Diskursdeixis? 1 Deixis und Anaphora bis Bühler: Eine begriffsgeschichtliche Skizze 1.1 Einleitung 1.2 Deixis und Anaphora vor Bühler 1.2.1 Die Entwicklung bis zu den Stoikern 1.2.2 Die alexandrinischen Philologen 1.2.2.1 Dionysius Thrax 1.2.2.2 Appolonius Dyskolus 1.2.3 Die indoeuropäischen Sprachwissenschaftler 1.2.3.1 Windisch 1.2.3.2 Brugmann 1.3 Deixis und Anaphora in Karl Bühlers Sprachtheorie 1.3.1 Bühlers Wortklassenkonzept: Nennwörter und Zeigwörter 1.3.2 Deixis und Anaphora als Formen des gleichen Phänomens 1.4 Fazit 2 Referenz und Deixis 2.1 Einleitung 2.2 Referenz in Sprachphilosophie und Linguistik 2.2.1 Der Referenzakt bei Searle 2.2.2 Referenz als kommunikatives Phänomen und das Problem referierender Ausdrücke 2.3 Deixis als Referenzphänomen 2.3.1 Zeigen und deiktische Referenz 2.3.2 Egozentrisch-lokalistische Beschreibungsmuster und Determination 2.3.3 Deiktische Relationen und Dimensionen 2.4 Diskursdeixis als Dimension?

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2.5 Diskursdeixis und Anaphora 2.5.1 Referenzvariabilität 2.5.2 Identitätsrelationen als Kriterium für die Anaphora 2.5.3 Kontinuität und Neufokussierung bei Ehlich 2.5.4 Verknüpfungsrelationen bei Diskursdeixis und Anaphora 2.6 Fazit 3 Der reflexive und temporale Charakter der Diskursdeixis 3.1 Reflexivität 3.1.1 Metasprache, Metakommunikation und Diskursdeixis 3.1.2 Metaierung auf die Parole-Ebene 3.1.3 Gebrauchsmodi der Sprache 3.1.3.1 Erwähnung 3.1.3.2 Direkte Zitate 3.1.3.3 Indirekte Zitate 3.1.4 Der diskursdeiktische Ebenensprung und ein widerspenstiges Beispiel 3.2 Temporalität 3.2.1 Temporale Referenzobjekte 3.2.1.1 Ontologischer Status 3.2.1.2 Ereignisse als Individuen in der Zeit 3.2.2 Die alltägliche Zeitkonzeption 3.2.2.1 Die Determination von Ereignissen 3.2.2.2 Der sozial geteilte Zeitbegriff 3.2.2.3 Intervalle und Punkte 3.2.2.4 Ordnungsrelationen und die topologische Betrachtungsweise der Zeit 3.3 Fazit

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Teil 2: Wie wird Diskursdeixis im Englischen ausgedrückt?

4 Kommunikative Verbkonstellationen 4.1 Einleitung 4.2 Verben zur Bezeichnung von Diskursereignissen 4.3 Situationsklassen - Situationstypen - Situationen

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vii 4.4 Situationsklassen und Zeitschemata 4.4.1 Accomplishments vs. Activities 4.4.2 States und Achievements 4.4.2.1 States 4.4.2.2 Achievements 4.4.3 Semelfactives 4.4.4 Zusammenfassung 4.5 Zur Klassifikation von Verbkonstellationen 4.5.1 Telizität 4.5.1.1 Verben und ihre Komplemente 4.5.1.2 Quantelung und Kumulativität 4.5.2 Durativität 4.6 Übersicht über die Klassifikation einiger kommunikativer Verben 5 Tempus, Aspekt und Zeitadverbiale 5.1 Einleitung 5.2 Temporale Lokalisation 5.3 Topic Time, Tense und Aspect 5.4 Tempus-Aspekt-Kombinationen 5.4.1 Past Tense Kombinationen 5.4.1.1 Past Tense + Imperfective Aspect 5.4.1.2 Past Tense + Perfective Aspect 5.4.1.3 Past Tense + Perfect Aspect 5.4.1.3.1 Past Tense + Perfect + Perfective Aspect 5.4.1.3.2 Past Tense + Perfect + Imperfective Aspekt 5.4.1.4 Past Tense + Prospective Aspect 5.4.2 Present Tense Kombinationen 5.4.2.1 Present Tense + Imperfective Aspect 5.4.2.2 Present Tense + Perfective Aspect 5.4.2.3 Present Tense + Perfect Aspect 5.4.2.3.1 Present Tense + Perfect + Perfective Aspect 5.4.2.3.2 Present Tense + Perfect + Imperfective Aspect 5.4.3 Futurkombinationen 5.5 Zeitadverbiale 5.5.1 Die positionalen Temporaladverbiale (TADV-P) 5.5.1.1 Deiktische TADV-P 5.5.1.1.1 Kalendarische TADV-P 5.5.1.1.2 Nicht-kalendarische TADV-P 5.5.1.1.3 Lokalistische TADV-P 5.5.1.2 Anaphorische TADV-P 5.5.1.3 Invariable TADV-P

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5.5.2 TADV-P und die Spezifizierung der Zeitparameter 5.5.2.1 TADV-P und das Past Tense 5.5.2.2 TADV-P und das Present Tense 5.6 Fazit 6 Nominale Ausdrücke 6.1 Einleitung 6.2 Metakommunikative Nomen als Heads 6.3 Deiktische Determiner 6.3.1 Demonstrativa 6.3.2 Definite Artikel 6.3.3 Possessivpronomen 6.4 Deiktische Prämodifikation 6.4.1 Adjektive 6.4.2 Nomen 6.5 Deiktische Postmodifikation 6.5.1 Non-clausal Postmodification 6.5.2 Clausal Postmodification 6.6 Deiktische Pronomen 6.7 Fazit

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7 Schlußbemerkungen

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Literatur

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Vorwort

In Vorworten dominiert in der Regel der Sprechakttyp des Dankens. Der Autor bedankt sich bei denen, deren Handlungen seinem Buch zugute kamen. Die Handlungen, für die ich mich an dieser Stelle bedanke, sind in erster Linie selbst wieder sprachlicher Natur. Es sind die vielen - vor allem metasprachlichen - Sprechhandlungen, die mir geholfen haben, den Gegenstand dieser Arbeit klarer zu sehen. Mein Dank richtet sich deshalb an alle, die sich von mir in Gespräche über Diskursdeixis verwickeln ließen. Er gilt insbesondere meinen Passauer Studenten und Kollegen, von denen ich hier nur einige erwähnen kann: Elisabeth Malthouse, mit der man so trefflich über Beispiele diskutieren kann, Tanja Greil, die stets noch einen Fehler findet und besonders Rudolf Emons, dessen kritische Kommentare diese Arbeit von Anfang bis Ende konstruktiv begleitet haben. Über den Passauer Kreis hinaus möchte ich noch Liisa Tiittula für wichtige Anregungen im Vorfeld der Arbeit sowie Herbert Brekle fur einige wertvolle Hinweise in der redaktionellen Phase meinen Dank aussprechen. Den größten Dank verdienen schließlich Moritz, Luzie und Ulrike, die mich tagtäglich auf den Boden der außersprachlichen Tatsachen zurückgeholt haben.

Passau, im Dezember 1996

0 Einfuhrende Bemerkungen

Die Deixis ist offenbar ein derart grundlegendes sprachliches Phänomen, daß sie seit jeher Gegenstand sprachtheoretischer Betrachtungen war. Schon in der antiken griechischen Philosophie wurde beobachtet, daß bestimmte sprachliche Ausdrücke (siehe Kap. 1.2) offenbar deiktisch (δεικτικός), d.h. 'zum Zeigen geeignet' waren. 1 Zeigen läßt sich lediglich von einem situativen Standpunkt aus. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich die Deixisforschung bis heute mit sprachlichen Ausdrücken beschäftigt, deren Verständnis unmittelbar an die Verwendungssituation geknüpft ist. Rauh (1983a, 10) ordnet die Deixis auf dieser Grundlage folgendermaßen in den linguistischen Gegenstandsbereich ein: "Deixis is that part of a grammar which is concerned with the description of deictic terms. The dependence of deictic expressions on the situation of the encoder (...) suggests that the description of deixis belongs to the pragmatic component of grammar." Dabei hat Rauh offenbar nicht nur ein weites Grammatikverständnis, das das Lexikon einschließt, sondern auch ein weites Pragmatikverständnis, denn die Beschreibung der Deiktika umfaßt auch die Bedeutungskomponente. Die Deixis ist schließlich in der Tat ein Phänomen, das Semantik und Pragmatik gewissermaßen vereint. So behandelt auf der einen Seite etwa Levinson (1983, 54f.) in seiner Einfuhrung in die Pragmatik die Deixis als erstes und "offensichtlichstes" pragmatisches Phänomen, gesteht aber ein: "If semantics is taken to include all conventional aspects of meaning, then perhaps most deictic phenomena are properly considered semantic." Es ist daher kein Widerspruch, daß auf der anderen Seite Lyons (1977) in seinem Klassiker zur Semantik ebenfalls ein umfangreiches Kapitel der Deixis widmet, wobei er zu bedenken gibt, daß der "context-of-utterance" nicht hintergehbar wäre. Ein pragmatisch-semantischer Zugriff auf die Deixis ist offenkundig dem Gegenstand angemessen. Die vorliegende Arbeit versteht sich-vor diesem Hintergrund als ein Beitrag, der in den von einer 'pragmatischen Semantik' gesteckten Rahmen eingeordnet werden sollte. Der Rückgriff auf die Zeigemetapher ist eigentlich unabhängig von den Disziplinen, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, erhalten geblieben. Das zeigt sich schon an der Terminologie. In der modernen Linguistik hat sich Deixis, also das griechische Wort, durchgesetzt, nachdem in älteren (vor allem grammatischen) Schriften auch das lateinische demonstratio zu finden ist, das ja auch noch in den Demonstrativpronomen, den klassischen deiktischen Ausdrücken, enthalten ist. In der philosophischen Literatur ist häufiger von Indexikalität die Rede (vgl. Richter 1988). Dementsprechend stehen den deiktischen Ausdrücken oder den Deiktika, die indexical expressions (BarHillel 1954), indices (Peirce 1932) oder indicators (Goodman 1951) gegenüber. Bühler spricht bekanntlich von Zeigwörtern, und eigentlich nur Jakobson (1957) verläßt den metaphorischen Rahmen und verwendet den Terminus shifters. In der philosophischen Literatur weichen Reichenbach (1947) mit seinen token-reflexive words und Russell (1940) mit seinen egocentric particulars ab.

2 Dabei beschäftigt sie sich mit einem spezifischen deiktischen Phänomen, dessen Erforschung unter dem Begriff 'Diskursdeixis' erst vor kurzem begonnen hat. Als einer der ersten verwendet ihn Charles Fillmore (1971/1972) im Zusammenhang mit einem Phänomen, das quasi quer zu dem steht, was traditionell in deiktischen Untersuchungen behandelt wird. Die Diskursdeixis paßt allein schon deshalb nicht in das traditionelle Bild, weil es keine eigenen, d.h. diskursdeixisspezifischen Ausdrücke gibt. Sie unterscheidet sich damit von den sogenannten deiktischen Dimensionen, der Orts-, Temporal- und Personendeixis. Fillmore (1975, 70) kennzeichnet sie folgendermaßen: "Discourse deixis has to do with the choice of lexical or grammatical elements which indicate or otherwise refer to some portion or aspect of the ongoing discourse." Wegen des Bezugs auf interne Diskursrelationen ist es auch kein Zufall, daß in der sich etwa zur gleichen Zeit etablierenden Textlinguistik ebenfalls von Diskurs- oder Textdeixis die Rede ist. Auch hier wird sie jedoch lediglich am Rande, sozusagen als Restkategorie, behandelt, nämlich dann, wenn sich die Textkohärenz nicht mehr allein auf anaphorische Beziehungen zurückführen läßt (vgl. Harweg 1968/1979) oder wenn die im Rahmen unterschiedlicher Erzähltechniken hervorgebrachten Orientierungspunkte nicht mehr zur Interpretation ausreichen (vgl. Rauh 1978). Sowohl in der an der Deixis als auch in der an der Textlinguistik orientierten (nicht gerade umfangreichen) Literatur zur Diskursdeixis wird dabei immer wieder der Unterschied der Deixis zur Anaphora betont (vgl. Conte 1981). Dabei ist die Unterscheidung von Deixis und Anaphora von jeher nicht unproblematisch. So sieht Bühler, den man wohl als den Mentor der modernen Deixisforschung bezeichnen kann, die Anaphora j a nicht in Opposition zur Deixis, sondern bekanntlich als einen Modus des Zeigens, also eine Form der Deixis. Das erste Kapitel dieser Untersuchung soll deshalb die historische Diskussion um den Deixis- und Anaphorabegriff skizzieren, an deren Ende Bühler steht. Es wird sich zeigen, daß in Bühlers Sprachtheorie durchaus schon Ansätze gesteckt haben, die zur Präzision des später entwickelten Diskursdeixiskonzeptes hätten dienen können. Im zweiten Kapitel wird auf referenzsemantischer Grundlage ein Deixisbegriff entwickelt, der es erlaubt, die Diskursdeixis, wenn schon nicht als eigene deiktische Dimension, so doch als eigenständiges deiktisches Phänomen zu spezifizieren. Damit kann dann auch eine fundierte Abgrenzung der Diskursdeixis zur Anaphora erfolgen. Die Diskursdeixis wird als spezifische Form der Temporaldeixis betrachtet, die stets zugleich ein metakommunikatives Element beinhaltet. Der Reflexivität und Temporalität wird deshalb ein gesonderter Abschnitt gewidmet (Kap. 3). Die Temporalität ist im übrigen auch der Grund dafür, daß wir der Bezeichnung 'Diskursdeixis' gegenüber der ebenfalls gebräuchlichen 'Textdeixis' den Vorzug geben, denn mit Diskurs wird eher Mündlichkeit und damit zwangsläufig auch ein temporaler Prozeß assoziiert (vgl. Fillmore 1976). Das bedeutet aber keineswegs, daß Diskursdeixis in schriftlichen Texten auszuschließen wäre, denn auch sie

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können, selbst wenn Produktions- und Rezeptionsprozeß separat sind, als temporale Einheit gesehen werden. Dementsprechend sind auch die lexiko-grammatischen Elemente zum Ausdruck der Diskursdeixis im wesentlichen unabhängig vom kommunikativen Medium. Die sprachlichen Ausdrücke, auf denen die Diskursdeixis basiert, sollen im zweiten Teil der Arbeit betrachtet werden. Während der erste Teil der eher sprachtheoretischen Frage nachgeht, was Diskursdeixis eigentlich ist, und damit im Grunde einzelsprachunabhängig ist, beschäftigt sich der zweite mit der Frage, wie die Diskursdeixis im Englischen realisiert wird. Der metakommunikative Bestandteil der Diskursdeixis wird vor allem über Verben zum Ausdruck gebracht. In Kap. 4 geht es deshalb insbesondere um Kommunikationsverben. Diese Verben bezeichnen (zusammen mit ihren Argumenten) kommunikative Situationstypen, die nach temporalen Geschehenskonzepten klassifiziert werden müssen, denn diese interagieren mit den temporaldeiktischen Ausdrücken. Die Interaktion unterschiedlicher temporaler Ausdrücke im Satz, die letztlich zur Lokalisation der kommunikativen Situation auf der Zeitachse führt, wird in Kap. 5 dargestellt. In Kap. 6 wird abschließend noch auf den Fall eingegangen, wo das deiktische und metakommunikative Element in einer Nominalphrase ausgedrückt werden. Der zweite Teil der Arbeit erhebt nicht den Anspruch, exhaustiv alle Realisationsmöglichkeiten darzustellen. Vielmehr soll versucht werden, systematisch unterschiedliche Typen aufzuzeigen. Dabei kann nur exemplarisch vorgegangen werden. Die Diskursdeixis führt in der Deixisforschung sozusagen ein Schattendasein. Oft wird sie überhaupt nicht als spezifisches deiktisches Phänomen erkannt, und in den wenigen Arbeiten, die sich mit ihr beschäftigen, wird meist nur mit einigen Bemerkungen auf sie eingegangen, um sie von anderen Phänomenen abzugrenzen. Levinson (1983, 89), der der Diskursdeixis immerhin ein eigenes Unterkapitel widmet, meint dann auch geradezu entschuldigend: "The remarks in this section only sketch out a province for which a proper theory of discourse deixis might provide an account." Ob die vorliegende Arbeit eine proper theory darstellt, sei dahingestellt. Zumindest soll sie einen Ansatz dazu bieten und mit einer systematischen Beschreibung ihrer Realisation im Englischen beginnen.

Teil 1: Was ist Diskursdeixis?

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit soll die Frage geklärt werden, was unter Diskursdeixis zu verstehen ist. Dazu muß selbstverständlich zuerst auf den umfassenderen Begriff der Deixis eingegangen werden. Da dieser von jeher meist im Zusammenhang mit dem Anaphorabegriff diskutiert wird, soll am Anfang eine Skizze der Entwicklung beider Begriffe gezeichnet werden. Im zweiten Kapitel soll dann unser Verständnis von Deixis auf der Basis des dort entwickelten Referenzkonzeptes dargestellt werden und daran anschließend die Spezifik der Diskursdeixis herausgearbeitet werden. Da Diskursdeixis auf Reflexivität und Temporalität aufbaut, werden diese beiden Begriffe im dritten Kapitel näher erläutert.

1 Deixis und Anaphora bis Bühler: Eine begriffsgeschichtliche Skizze

1.1 Einleitung

Diskursdeixis oder Textdeixis ist, wie erwähnt, ein Begriff, der erst in der neueren Deixisforschung auftaucht. Dabei wird die Notwendigkeit, einen neuen Begriff zu etablieren, zumeist darin gesehen, daß die Diskursdeixis ein Phänomen darstellt, das zwischen der Deixis in den traditionellen Dimensionen einerseits und Anaphora andererseits angesiedelt ist und von beiden abgegrenzt werden muß (vgl. z.B. Lyons 1977, 667). Vor Bühler und auch bei ihm selbst wird der Begriff noch nicht verwendet. Allerdings, so wird am Ende dieses Kapitels deutlich werden, kommt Bühlers Verständnis von Anaphora weitgehend dem nahe, was heute als Diskursdeixis bezeichnet wird. Jedenfalls ist festzustellen, daß sein Anaphorabegriff sich sowohl wesentlich von dem seiner Vorgänger als auch dem der modernen Deixisforscher unterscheidet. War ursprünglich der Deixis- und Anaphorabegriff in erster Linie in die Untersuchung der partes orationis, insbesondere der Pronomen, eingebunden, so kam mit der sogenannten pragmatischen Wende in der Linguistik ein neuartiges Interesse an diesen Begriffen auf, das sich weniger auf traditionell grammatische Kategorien stützt. Es ist daher kein Zufall, daß mit den sich neu etablierenden sprachwissenschaftlichen Gegenständen, die sich in Schlagworten wie z.B. sprachlicher Handlung, Kommunikation, Situation oder Ko(n)text manifestieren, die Beschäftigung mit der Deixis und auch mit der Anaphora verstärkt einsetzt und sich das Verständnis der Begriffe an den neuen Bezugsgrößen orientiert.1 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß etwa zu dieser Zeit auch Bühlers Sprachtheorie wiederentdeckt wurde, 2 denn er hatte schon fast ein halbes Jahrhundert früher einen eher pragmatischen Zugriff auf seinen Gegenstand vorgezogen. Dies war vor allem deshalb möglich, weil er sich nicht unbedingt primär als Linguist, sondern gleichermaßen als Psychologe oder Sprachpsychologe verstand (vgl. Knobloch 1988). Sein Zeichenmodell (im Gegensatz etwa zu Saussures) diente nicht nur dazu, die Sprache als formal-strukturelles System darzustellen, sondern vor 1

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So ist beispielsweise Lyons' (1977, 637) Deixisdefinition an die "canonical situation of utterance" gebunden, Levinson (1983, 54) macht seine Definition am "context of utterance" fest, während Fillmore (1972, 147) den Kommunikationsakt in den Mittelpunkt stellt und Ehlich (1983) insgesamt Deixis und Anapher in ein handlungstheoretisches Konzept einbindet. Dazu haben sicherlich auch die Neuauflagen seiner Werke, vor allem die seiner ursprünglich 1934 veröffentlichten Sprachtheorie 1965, 1982 als Taschenbuch und 1990 als englische Übersetzung, beigetragen, die ihrerseits sicherlich wiederum einen Reflex auf die sich wandelnden Gegenstände darstellen.

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allem auch dazu, kommunikative Prozesse zu betrachten. Jedenfalls ist festzustellen, daß sich seit der pragmatischen Ausweitung des linguistischen Gegenstandsbereiches eigentlich alle ernst zu nehmenden neueren Deixis- und/oder Anaphoratheorien in irgendeiner Weise auf Bühler beziehen.3 In diesem Sinne könnte man Bühler (1934) durchaus als den Wendepunkt in der Deixis-Anaphora-Diskussion bezeichnen. Nun muß jedoch bedacht werden, daß Bühler - u.a. gerade weil er nicht originär als Linguist im damaligen Verständnis arbeitete - seinerseits auf sprachwissenschaftliche, insbesondere grammatische Studien rekurrierte. Diese Arbeiten werden jedoch in den neueren Forschungen zu Deixis und Anaphora wenig berücksichtigt, 4 obwohl in ihnen wesentliche Aspekte der grundlegenden Problematik schon behandelt wurden. Insbesondere referiert Bühler auf die Arbeiten vergleichender Sprachwissenschaftler, die sich ihrerseits häufig auf die antiken Grammatiker beziehen. 5 Es soll daher zunächst einmal der Versuch unternommen werden, zu skizzieren, inwieweit ältere Arbeiten nicht doch zum pragmatischen Verständnis der Begriffe beigetragen haben, bevor auf Bühlers Konzept von Deixis und Anaphora eingegangen wird.

1.2 Deixis und Anaphora vor Bühler

1.2.1 Die Entwicklung bis zu den Stoikern Wie schon erwähnt ist die Diskussion um Deixis und Anaphora zunächst von grammatischer Seite geführt worden. Sie ist eingebettet in die zentrale Auseinandersetzung um die partes orationis und beginnt im Grunde genommen schon in der Antike mit den Anfängen grammatischer Theorie überhaupt. Mit der Einfuhrung eines differenzierten Verständnisses dessen, was in der heutigen Wortklassen3

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Dabei bleibt es jedoch bisweilen beim Verweis auf Bühler, ohne wirklich auf ihn einzugehen. So gibt Fillmore (1972, 171) in einer Anmerkung zu seinen "Ansätzen zu einer Theorie der Deixis" ehrlicherweise an, daß er sich mit Bühlers Schriften nicht wirklich befaßt habe, obwohl er andererseits (172) Bühlers Arbeiten zu den "wichtigsten theoretischen Erörterungen über die Deixis" zählt. Zumindest im deutschsprachigen Raum wird er aber wohl zurecht als "Vater der modernen Deixistheorie" (Canisius/Sitta 1991, 144 und Tschauder 1990, 731) bezeichnet. Auch hier gibt es selbstverständlich Ausnahmen wie Ehlich (1979, Kap. 3.6). Rauh (1983a) und insbesondere Schmid (1972/1983), auf den Rauh sich bezieht, gehen ebenfalls auf ältere Arbeiten ein, behandeln diese aber primär unter dem Aspekt der Entwicklung deiktischer Ausdrücke, wobei sie dies vorwiegend unter Bezugnahme auf indogermanistische Traditionen tun und dabei die Deixis-Anaphora-Unterscheidung nur am Rande berücksichtigen. Bühler fuhrt zwar auch selbst antike Grammatiker in seiner Behandlung von Deixis und Anaphora an, die Stellen scheinen aber zumeist aus anderen Quellen übernommen worden zu sein. (Vgl. Bühler 1934, 113, 118, 226,386).

9 systematik als Pronomen bezeichnet wird, wird auch die Diskussion um Deixis und Anaphora in Gang gesetzt. Voraussetzung fur die Beschreibung der Pronomen ist allerdings die Etablierung eines Konzeptes von Wortklassen. Ein solches Konzept müßte im Rahmen grammatischer Überlegungen stehen. Bis zu den Stoikern konnte jedoch von Grammatik im Sinne einer eigenständigen Disziplin kaum gesprochen werden (vgl. Robins 1966, 6f.). 6 Piaton hatte zwar schon die Einteilung des Satzes (λόγος) in όνομα und ρήμα vorgenommen, aber es wäre irreführend, diese Begriffe als Verb und Nomen im Wortklassensinn zu übersetzen, denn Piaton hatte sie im Rahmen der Dialektik unter logischen, nicht unter sprachlichen Kriterien entwickelt (vgl. Robins 1951, 18). Steinthal (I, 1863, 147f.) spricht deshalb Piatons Sprachbetrachtung den grammatischen Status ab: "Wo aber Plato selbst nicht die Meinung und die Absicht hatte, Sprachliches zu bemerken, und wo auch die späteren Grammatiker nichts Sprachliches erkannten: da können wir zwar subjektiv immerhin noch recht interessante Punkte für die Entwicklung der Grammatik sehen, dürfen aber nicht annehmen, Plato habe die Kategorien gekannt, die sich aus solchen Stellen hätten entwickeln lassen können." Ähnliches gilt für Aristoteles. Selbst wenn er sich in seinem Werk mehrfach mit sprachlichen Phänomenen befaßt, widmet er keine eigenständige Untersuchung der Grammatik, und es ist davon auszugehen, daß er sie nicht als Gegenstand theoretischer Überlegungen ansah.7 Innerhalb seiner Philosophie bleibt die Sprache nachgeordnet. "Der Vorstellung kommt der Vorrang zu, dann kommt der Verstand, der als ein Vermögen der Aussprache dasjenige, wozu er durch die Vorstellung angeregt wird, durch das Wort kundtut." (Aristoteles, De Interpretatione 1.16, 3-4; übers, in Robins 1973, 9). Aristoteles behält also die philosophisch-logische Betrachtungsweise Piatons bei (vgl. Steinthal 1863, 192ff.), fügt aber zu ονομα und ρημα noch σύνδεσμος (Verbindung) hinzu. Allerdings wird dieses Element nur negativ bestimmt. Er identifiziert es nämlich lediglich dadurch, daß er erkennt, daß es neben den ersten beiden Elementen, denen Bedeutung zukam, noch eine weitere Gruppe von Elementen gibt (vgl. Ehlich 1979, 154). Dieser dritten Gruppe wird keine Bedeutung, sondern höchstens syntaktische Funktion zugestanden. 8 Die inhalt-

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Robins Aussage bezieht sich auf Grammatik im heutigen Verständnis. Selbstverständlich hatten jedoch auch die antiken Philosophen einen Grammatikbegriff. Sie verstanden unter Grammatik im wesentlichen die Kunst des Lesens und Schreibens (vgl. Hülser 1979, 13f.). Auf die Entwicklung des Grammatikbegriffes kann hier nicht weiter eingegangen werden. Weder im Sinne einer επιστήμη noch einer τέχνη, wobei letztere in der damaligen Erkenntnistheorie einer Wissenschaft (Verständnis) bzw. einer methodisch organisierten Technik (Kunst) entsprach. Seine Betrachtungen könnten lediglich unter die εμπειρία (Erfahrung) gerechnet werden, unter die mehr oder minder geordnete Erfahrungs- und Wissensbestände subsumiert wurden (vgl. Ehlich 1979, 152f.). Robins (1951, 20) spricht von grammatischer Funktion, was seinem eigenem Urteil, der Ungrammatikalität der vor-stoischen Philosophie, widerspricht. Später (Robins 1966, 10f.) nimmt er

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liehe Bestimmung besagt lediglich, daß das Element "aus dem Vielen eine Einheit mache" (Robins 1951, 20). Σύνδεσμος wird zwar oft irrefuhrenderweise mit Konjunktion übersetzt, würde aber laut Robins (1966, 10) eigentlich nach heutigem Verständnis neben Konjunktionen auch Artikel und Pronomen umfassen müssen. Allerdings ist die Identifikation mit späteren grammatischen Termini unangemessen. Im Grunde kann nämlich bei Aristoteles der Wortklassenbegriff noch gar nicht angewandt werden, denn die Bestimmungen sind aus anderen Fragestellungen erwachsen, so daß es kein Wunder ist, daß beispielsweise die Kategorien Wortklasse und Satzteil vermischt werden (vgl. Ehlich 1979, 153f.). Fest steht jedenfalls, daß ein Pronomenbegriff noch nicht entwickelt ist. Erst die Stoiker gestehen der Sprachbetrachtung einen systematischen Platz innerhalb ihrer Philosophie zu. Sie ist Bestandteil der stoischen Dialektik (vgl. Brekle 1985, 50ff.). Es wird "der Versuch unternommen, die griechische Sprache aus sich selbst in ihrem Aufbau zu verstehen und systematisch darzustellen" (Pohlenz 1939, 190). Die Stoiker weisen jeder von ihnen identifizierten Klasse eine syntaktische Funktion zu und wenden Kriterien - vor allem Kasus- und Flexionskategorien - zur Klassifikation an, die bis heute zur Wortklassenbestimmung dienen. Zusätzlich ziehen sie logisch-semantische Kriterien heran (vgl. Egli 1988, 53ff.). Eine eigene Klasse der άρθρα wird gebildet, die alle flektierten Elemente der σύνδεσμοι enthält. 9 Als σύνδεσμοι bleiben schließlich nur noch unflektierte syntaktische Konnektoren übrig. 10 Zwar ist mit den αρ9ρα, zu denen ja auch die Artikel gehören, noch keine eigene Klasse der Pronomen etabliert, allerdings ist durch die Klassifikation in definite und indefinite Mitglieder schon eine weitere Unterteilung dieser Klasse angelegt (vgl. Schmidt 1979, 62). Vor allem aber sind im Zusammenhang mit der Definit- bzw. Indefinitheitsproblematik bereits deiktische und besonders auch anaphorische Beziehungen in den Rahmen der stoischen Logik und Bedeutungstheorie gestellt worden,11 indem definite ä p ö p a schon durch ihre

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eine klarere Position ein und spricht von einer funktional semantischen und syntaktischen Klasse bei Aristoteles. In unserem Zusammenhang weniger interessant ist die spätere Aufteilung von Diogenes und Chrysippus der ονόματα in zwei Klassen, in die eigentlichen ονόματα etwa im Sinne von Eigennamen und προσηγορία (Allgemeinbegriffe) (vgl. Schmidt 1979, 61). In einer dritten Phase kam als weitere Klasse noch die μεσότης-Klasse (bestimmte Formen des Adverbs) hinzu. (Vgl. Robins 1966, 12ff.). Die σύνδεσμοι würden nach heutigem Verständnis Konjunktionen und Präpositionen umfassen. Innerhalb der αρ&ρα wird in definite und indefinite Klassenmitglieder unterschieden, wobei jedoch ein anderer Definitheitsbegiff als der heutige gilt. Zu den definiten αρθρα würden die Personal-, Reflexiv- und Possessivpronomen gehören, zu den indefiniten αρθρα Artikel, Interrogativ· und Relativpronomen (vgl. Robins 1966, 14 oder Meier 1984, 144). In der stoischen Sprachbetrachtung sind semantische Fragestellungen zentral, vor allem die Unterscheidung zwischen dem Bezeichnenden (σεμαίνοντα) und Bezeichnetem (σεμαινόμενα), was nicht die Dinge selbst, sondern τα λεκτά, die unkörperlichen Wortinhalte, sind (vgl. Ehlich 1979, 155).

11 anaphorische Funktion bestimmt wurden (vgl. Schmidt, 1979, 64f.). Egli (1988, 55) nimmt an, daß der Versuch der Stoiker, Aussagetypen mit unterschiedlicher Definitheit zu entwickeln, sie über die reine Ersetzungstheorie hinaus auch zur Erkenntnis deiktischer und anaphorischer Verwendungsweisen der Pronomen (bzw. άρθρα) gebracht haben. Darüber hinaus haben sie schon die referentielle Funktion der Deiktika gesehen, wie Brekle (1985, 56ff.) hervorhebt. 12 Die logisch-semantische Auseinandersetzung der Stoiker mit der Anaphora und der Deixis bleibt jedoch in den Anfängen (vgl. Egli 1979, 272f.) bzw. ist in den wenigen Fragmenten nicht mehr auffindbar (vgl. Pohlenz 1939, 164). In jedem Falle ist festzustellen, daß wenig davon aufgegriffen wurde. Dies liegt sicherlich auch daran, daß in der Folgezeit logisch-semantische Kriterien in der Grammatik eine untergeordnete Rolle spielten (vgl. Bosch 1983, 5) und diese mit dem sich durchsetzenden Pronomenbegriff inkompatiblen Kategorien in Vergessenheit gerieten.

1.2.2 Die alexandrinischen Philologen Weitaus mehr Einfluß auf die Grammatikgeschichte übten dagegen die alexandrinischen Philologen (ab etwa dem 2. Jahrhundert v. Chr.) aus. Ihre Beschäftigung mit grammatischen Fragen hat auch weniger philosophischen Hintergrund, sondern entspringt aus dem Umgang mit den klassischen Texten Athens, deren Studium in einer Zeit, in der Griechisch in unterschiedlichen Varianten gesprochen wurde und für viele auch nicht mehr die Muttersprache war, eine bedeutende Rolle eingenommen hatte. 13 Innerhalb dieser philologischen Tradition konnte die Grammatik einen eigenen Platz beanspruchen. Allerdings ändern sich die Prämissen der Sprachbetrachtung, denn gegenüber den Stoikern wird die Grammatik auf eine empirische Grundlage gestellt. Somit steht der "philosophischen Betrachtung, aus dem Innern des Sprechers heraus, (...) eine Rolle der Sprachwissenschaft als eines empirischen, den Zielen und Erfordernissen des der Literaturkritik dienstbaren Textstudiums" (Robins 1973, 11) gegenüber. Dennoch greifen die Philologen - gerade auch bezüglich der Wort-

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Brekle (1985, 57) weist daraufhin, daß bei den Stoikern eigentlich nur die Deiktika referentielle Funktion haben, während die in anderen anderen Wortklassen zu findenden Elemente eher intensionalen Status haben. Der Zusammenhang von Deixis und Referenz wird in Kap. 2 ausführlich behandelt werden. Pohlenz (1939, 157) geht davon aus, daß die Mehrsprachigkeit sich ebenfalls als Motivationsquelle für die stoische Sprachlehre ausgewirkt hat. "Sprachwissenschaft ist überall da entstanden, wo man Anlaß hatte, die eigene Sprache an einer anderen zu messen." Dies steht eigentlich im Widerspruch zu ihrem nicht-empirischen Ansatz.

12 klasseneinteilung - Erkenntnisse der antiken Philosophie und insbesondere der etwa zeitgleich arbeitenden Stoiker auf.14

1.2.2.1 Dionysius Thrax Insbesondere die folgenreiche τέχνη γραμματική des Dionysius Thrax aus dem ersten Jahrhundert v. Chr., die wohl im wesentlichen die Studien seines Lehrers Aristarch zusammenstellt (vgl. Steinthal II, 1891, 211), bezieht sich einerseits auf Resultate vorangehender Studien, vor allem der Stoiker,15 und gilt andererseits als eine auf Empirie basierende deskriptive Grammatik (vgl. Robins 1973, 9). Dabei macht eigentlich schon sein Grammatikverständnis deutlich, daß es sich gar nicht um eine τέχνη 16 handelt: "Grammatik ist die auf Erfahrung basierende Kenntnis dessen, was meistens von den Dichtern und Prosaschriftstellern gesagt wird."17 Zu einem so charakterisierten philologischen Grammatikbegriff "gehören unsystematische Überlegungen wesentlich dazu" (Hülser 1979, 14). Im Gegensatz zu den systematisch vorgehenden Stoikern müßte die Grammatik als εμπειρία eingestuft werden. Die Bezeichnung τέχνη ist höchstens insofern gerechtfertigt, als Dionysius Thrax gewissermaßen eine Ausnahmestellung einnahm und zu jener Gruppe von alexandrinischen Philologen gehörte, die neben literarischen Studien zumindest "sich systematisch um sprachliche Regeln, um Definitionen und Einteilungen bemühten" und daher eine gebührende Bewertung ihrer Arbeit verlangten (Hülser 1979, 14). Immerhin gelang es Dionysius, die bis dahin etablierten Wortklassen weiter zu differenzieren, wenn auch in seiner τέχνη weniger methodisch-systematische Kriterien als praktische Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. Wackernagel (1926 I, 17) beurteilt deshalb "das Werkchen", dessen kanonisches Ansehen und abschließenden Charakter bezüglich der Wortklassenentwicklung er konstatiert, als "in seiner geistigen Leistung nicht bedeutend, aber in seiner praktischen Leistung hervorragend." Dionysius stellt acht Wortklassen zusammen. Zu den Klassen der Stoiker, δνομα, ρήμα, μεσάτης (bei Dionysius έπίρρημα), σύνδεσμος und άρθρον, kommen noch μετοχή, πρόΟεσις und άντονυμία hinzu. Μετοχή und πρόθεσις entsprechen ziemlich genau dem, was in der lateinischen Grammatik, die weitgehend auf

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Dies ist insofern verwunderlich, als sie mit der stoischen Philosophie in anderen Teilbereichen (vor allem in der Auseinandersetzung um Analogie und Anomalie) heftige wissenschaftliche Kontroversen ausfochten (vgl. Robins 1951, 38). Pohlenz (1939, 190) behauptet sogar, daß Dionysius die περί φονης des Stoikers Diogenes lediglich zu seiner τέχνη "umgestaltet" habe. Zum τέχνη- bzw. έμπειρία-Begriff siehe Fußnote 7. Dionysius in Uhlig 1,1 5. Auch die Angaben im folgenden beziehen sich auf die Dionysiusausgabe von Uhlig. Die Übersetzung ist in diesem Falle von Pfeiffer (1978, 324).

13 Dionysius aufbaut, Partizip und Präposition genannt wird.18 In unserem Zusammenhang interessanter ist die άντονυμία-Klasse, die aus einer Aufsplittung der arthra hervorging und in die Grammatikgeschichtsschreibung als die erste eigene Pronominalklasse eingegangen ist. Die Definition des Dionysius zeigt, daß der in die lateinische Grammatik übernommene Terminus Pro-Nomen in der Tat zutreffend ist: "Die άντονυμία ist ein Wort, das für ein (statt eines) Nomen verwendet wird und bestimmte Personen zeigt" (Dionysius 1,1, 8). 19 Die άντονυμία wird den Klassen zugeordnet, die sich durch Flexionsendungen auszeichnen, wobei hier vor allem der Hinweis auf die Person eingeht. Bei Dionysius wird dann sowohl das Personal- als auch das Possessivpronomen in diese Klasse eingeordnet. Die eigentliche Natur des άντονυμία ist vor allem durch seinen Substitutionscharakter gegeben. 20 Das Pronomen ist also primär syntaktisch bestimmt; anaphorische oder deiktische Beziehungen bleiben weitgehend unbeachtet, was sich auch daraus ergibt, daß die Demonstrativa den άρθρα zugerechnet werden (vgl. Steinthal II 1891, 311). Ehlich (1979, 180f.) findet zwar eine Reihe von Stellen, an denen Dionysius deiktische und anaphorische Beziehungen erwähnt, verweist aber mit Recht darauf, daß die dortigen fragmentarischen Aussagen sowohl widersprüchlich sind, als auch verschiedene Wortklassen betreffen.21 Er kommt daher zu dem Schluß, daß die Philologen in dieser Frage hinter den Stand der Stoiker zurückgefallen sind. Allerdings folgert er dies allein aus der Arbeit des Dionysius, andere alexandrinische Philologen berücksichtigt er nicht.22 Nun ist zwar sicherlich richtig, daß Dionysius' τέχνη gewissermaßen einen Schlußpunkt bezüglich der Wortklasseneinteilung darstellt, die nicht nur von späteren alexandrinischen Philologen im Grunde unangetastet bleibt, sondern auch von den römischen Grammatikern weitgehend übernommen wird und gleichermaßen auch durch das Mittelalter fortwirkt, doch bedeutet das nicht, daß keine Veränderungen vorgenommen wurden (vgl. Robins 1966, 16). Dies betrifft insbesondere die inhaltliche Bestimmung der einzelnen Wortklassen. In unserem Zusammenhang besonders interessant ist die Arbeit des Appolonius Dyskolus, der etwa zwei Jahrhunderte nach Dionysius im Rahmen seiner grammatischen Studien ein Buch speziell dem Pronomen bzw. άντονυμία widmete und darin auch die Diskussion um Deixis und Anaphora wieder aufnahm. 18

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Priscian stellt für das Lateinische neben das Adverb noch die Interjektion. Dafür fallen im artikellosen Latein die α ρ θ ρ α weg. Das Partizip wird später dann dem Verb zugeordnet (vgl. Robins 1966). Die hier verwendete Übersetzung von Ehlich (1979, 179) macht durch die Klammer den Substitutionscharakter besonders deutlich. Bosch (1983, 4) spricht von "substitutional, not in the sense that a pronoun would substitute for its antecedent, but rather in a more modern, almost Bloomfieldian sense: occurrence in place of a form that could have occurred in the place of the substitute." Bosch (1983, 4) behauptet dagegen schlicht: "In Dionysius' discussion of antonymia and arthra the notion of anaphora does not occur." Obwohl Ehlich Appolonius Dyskolus im Rahmen von Steinthal-Zitaten zwei Mal erwähnt, wird offensichtlich, daß er sich nicht wirklich mit seinem Werk beschäftigt hat. Siehe Kap. 1.2.2.2.

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1.2.2.2 Appolonius Dyskolus Appolonius nimmt vielfach Bezug auf Dionysius und Aristarch. Dabei verteidigt er u.a. deren Wortklasseneinteilung gegenüber stoischen Konzepten, die er vor allem wegen ihrer mangelnden syntaktischen Ausrichtung bei der Klassifizierung kritisiert. Diese sei bei den Stoikern seiner Ansicht nach nicht auf formal-syntaktischen, insbesondere substitutionellen Kriterien, sondern auf semantischen aufgebaut (vgl. Bosch 1983, 4f.). Insbesondere bemängelt er, daß die Stoiker Personalpronomen und definite Artikel zu einer Klasse, den αρθρα, rechnen, obwohl die einen immer mit einem Nomen ("einem Kasusträger") zusammenstehen, die anderen eines substituieren (vgl. Schmidt 1979, 65). Gerade aber hinsichtlich der Pronomen spricht sich Appolonius im Anschluß an Aristarch selbst gegen allein an formalen Kriterien orientierte Definitionen aus23 und bezieht schließlich auch Anaphora und Deixis in seine Definition von Pronomen ein: "Demnach ist Pronomen alles dasjenige, was mittelst Hinweisung [δεΐξις i.O.] und Zurückweisung [άναφορά i.O.] die Stelle der Nomina vertritt und keinen Artikel annimmt" (Appolonius 11,2, 138; 77).24 Unter Vertretung ist hier nicht einfach die Substitution im Sinne des Ersetzens eines Nomens durch ein Pronomen gemeint, denn an anderer Stelle (Appolonius 11,2, 135) macht er deutlich, daß auch dann ein deiktisches Pronomen stehen kann, wenn das Nomen unbekannt ist, also gar nicht ersetzt werden kann. Vielmehr ist die syntaktische Äquivalenz zum Nomen ausschlaggebend. 25 Dieses syntaktische Kriterium ist entscheidend fur die Klassifikation als Pronomen. Es kommt aber mit der Deixis oder Anaphora immer auch ein funktionales hinzu, das die Klasse weiter unterteilt: "So zerfallen sie in deiktische und anaphorische, während sie unter der gemeinsamen Benennung (άντονυμίαι) vereint bleiben. Denn nach beiden verschiedenen Seiten hin stehen sie doch immer unter dem einen Begriff der Stellvertretung für Nomina." (Appolonius 11,2, 135; 75). Was Appolonius unter Deixis und Anaphora versteht, läßt sich vor allem in seiner Diskussion der Personalpronomen zurückverfolgen. Da diese nämlich zumindest in der dritten Person sowohl deiktisch als auch anaphorisch gebraucht werden können (während erste und zweite Person sowie die Demonstrativa stets deiktisch sind), liegt 23

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"Offenbar hat aber Aristarch die Definition der Pronomina nicht nach den Wortformen gemacht, sondern nach der ihnen zugrunde liegenden Bedeutung, wie es bei allen Definitionen geschehen muß" (Appolonius 11,2, 138; 77). Appolonius wird wie folgt zitiert: Die Angaben beziehen sich auf die Ausgabe von Uhlig. Wird die Übersetzung von Buttmann (1877) übernommen, gibt die Zahl nach dem Semikolon zusätzlich die dortige Seitenzahl an. Dies geht besonders deutlich auch aus der Übersetzung des Appolonius-Textes von Householder (1981, 90) hervor, die an einer von Buttmann unvollständig wiedergegebenen Stelle in moderner Terminologie folgendermaßen lautet: "deictics are not used as substitutes for nouns, but where it is impossible to use nouns. Thus pronouns are divided into demonstrative (or deictic) and anaphoric, though both types fall under the general heading. For in both cases, in spite of the differences, a single feature unites them - syntactic equivalence."

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hier keine Unterscheidung in der Form, sondern allein in der Funktion vor. Im Anschluß an seine Pronomendefinition betont Appolonius (11,2 138; 77), daß die Definitionskriterien für alle Pronomen, wobei er ausdrücklich die der dritten Person einschließt, Gültigkeit haben, "denn sie erscheinen als fest bestimmt sowohl in der Rückführung [αναφορά], sofern die Personen bereits bekannt sind, als bei der Hinweisung [δεΐξις], sofern die Personen unmittelbar gegenwärtig sind." Es geht also bei Deixis und Anaphora um die "feste Bestimmung", was wohl in moderner linguistischer und philosophischer Terminologie als Identifizierung des Referenten (vgl. z.B. Lyons 1977 oder Strawson 1959), hier der Referenzperson, zu verstehen ist. Der Unterschied liegt zunächst nur darin, daß im Falle der Anaphora die Person "bereits bekannt" ist, während im deiktischen Falle der Referent "unmittelbar gegenwärtig" ist. Die deiktischen Pronomen erreichen durch ihre zeigende Kraft dabei eine Neu- bzw. Erstidentifizierung des Referenten: Personen, wenn auch mit Namen nicht genannt, werden durch die [deiktischen (F.L.)] Pronomina so deutlich gekennzeichnet, dass die unter ihnen zu denkenden Personen völlige Bestimmtheit erlangen. Vermittelst der in denselben enthaltenen zeigenden Kraft werden die zu gründe liegenden Personen zuerst eingeführt und bedürfen sonach des Beisatzes der Artikel nicht. Denn die Personen werden nicht (in die Rede oder Vorstellung) zurückgeführt, sondern unmittelbar mit Augen geschaut (Appolonius 11,2, 80; 44).

Sieht man von unterschiedlichen syntaktischen Bestimmungen ab, fungieren demgegenüber die anaphorischen Pronomen bei Appolonius ähnlich wie die Artikel, die ebenfalls die Wiederidentifizierung eines Referenten bewirken: "Es ist nun das eigentliche Wesen des Artikels die Zurückführung [αναφορά i.O.], durch welche eine vorhergenannte Person vor Augen gestellt wird." (Appolonius 11,2, 38; 20).26 Es kann also festgehalten werden, daß Deixis und Anaphora sich dadurch unterscheiden, daß der Referent einerseits neu eingeführt wird, andererseits bekannt ist.27 Die Anaphora zeichnet sich gegenüber der Deixis keineswegs dadurch aus, daß es sich bei ihr um die Substitution eines Nomens (bzw. NP in moderner Terminologie) handelt, denn das wäre ja beim Artikel nicht möglich. Vielmehr, so könnte man Appolonius interpretieren, geht es sowohl bei Deixis als auch bei Anaphora um die Anweisung, einen Referenten zu identifizieren. Der Unterschied zwischen beidem liegt darin, daß der Referent oder das Referenzobjekt 28 entweder in einem dem Hörer 26

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Householder (1981, 33) weist mit seinem Kommentar [in eckigen Klammern] in seiner Übersetzung darauf hin, daß im Fall des Artikels natürlich nicht nur personale Referenz betroffen ist: "The special function of the article is anaphora (reference), that is, the presentation of a person [i.e. the referent of an NP] previously identified [known to the speaker and hearer]." Bosch (1983, 5f.) stellt ebenfalls fest, daß für Appolonius möglicherweise die Unterscheidung der Bekanntheit bzw. Unbekanntheit ein auschlaggebendes Unterscheidungskriterium war. Allerdings kommt Bosch allein durch großzügige Auslegung eines einzigen Zitates von Windisch (1869) zu diesem Schluß. Siehe Kap. 1.2.2.2. Der Begriff Referenzobjekt erscheint in diesem Zusammenhang anschaulicher, soll aber im weiteren Sinn, also nicht auf Gegenständliches beschränkt, verstanden werden. Er soll im

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schon bekannten Gegenstandsbereich zu suchen ist oder aber neu eingeführt wird. Darauf deutet auch eine andere Textstelle hin, wo Appolonius (11,2, 134) die Deixis mit πρώτη γνώσις, dem ersten Erkennen, und die Anaphora mit δεύτερα γνώσις, dem zweiten Erkennen, verbindet. Dieses Unterscheidungsmerkmal geht aber mit einem zweiten einher, das bei späteren Definitionsversuchen häufig im Vordergrund stand.29 Dabei könnte man es als eine andere Sichtweise desselben Phänomens betrachten. Man kann nämlich aus der Bestimmung, daß bei der Deixis das Referenzobjekt unmittelbar gegenwärtig sei, auch folgern, daß es an die Wahrnehmbarkeit, d.h. die Äußerungssituation gebunden ist. Die Anaphora mit der Rückbeziehung auf Bekanntes ist dagegen - vor allem in Verbindung mit dem Substitutionskonzept auch so zu verstehen, daß hier das Referenzobjekt mit vorher Erwähntem, also mit dem sprachlichen Kontext im engeren Sinne verknüpft sein muß. Diese beiden Gegensatzpaare, Neueinführung vs. Aufnahme von bereits Bekanntem einerseits sowie sinnlich wahrnehmbar vs. im sprachlichen Kontext enthalten andererseits, tauchen als Unterscheidungskriterien in der Deixis-Anaphora-Diskussion in unterschiedlicher Gewichtung bis heute immer wieder auf, wobei in den selteneren Fällen auf Appolonius Bezug genommen wird. Die Identifizierung geht bei der Deixis und Anaphora auf den besonderen Verweischarakter der Pronomen zurück. Appolonius spricht davon, daß "ihre Hinweisung nur der Substanz des Gegenstandes gilt" (Appolonius 11,2, 143; 80), während bei Eigennamen bzw. Nomen die "mit den Substanzen verbundene Qualität" (Appolonius 11,2, 142; 79) den Referenten bestimmt. Die Identifizierung geschieht also nicht durch semantische Merkmale, 30 sondern durch unterschiedliche Formen des Zeigens. Diese lassen sich am besten durch die Annahme zweier dem Hörer zugänglicher Verweisräume veranschaulichen. Im Falle der Deixis wird auf Objekte des Wahrnehmungsraums verwiesen, im Falle der Anaphora auf Objekte in dem Vorstellungsraum, der durch den bisherigen Diskurs umrissen ist. Diese Unterscheidung wird deutlich, wenn Appolonius (11,2, 136; 75) den anaphorischen Gebrauch (ansonsten deiktischer) Demonstrativpronomen erklärt: "Wenn aber die Pronomina εκείνος und οΰτος nicht auf das mit den Augen wahrnehmbare hinweisen, sondern nur (ein früher genanntes) in die Anschauung zurückführen, so muss man denken dass eine solche Hinweisung an die Vorstellung (des Hörers) gerichtet ist, so dass die Hinweisung in einem Falle dem körperlichen, im anderen dem geistigen Auge gilt."

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folgenden auch im Hinblick auf Bühler verwendet werden, der davon spricht, daß deiktisches und anaphorisches Zeigen auf bestimmte "Objekte zielt", wobei Objekte ebenfalls im weiteren Sinne verstanden werden. Siehe Kap. 1.3. So z.B. bei Windischs Interpretation. Siehe Kap. 1.2.3.1. Appolonius (11,2, 132f.) weist jedoch daraufhin, daß Genus und Numerus sowie die Nah-/Fernunterscheidung der Demonstrativa die Identifizierung anleiten.

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Erst indem der Wahrnehmungsraum durch den deiktischen Gebrauch der Pronomen quasi geöffnet wird, können die darin befindlichen Objekte identifiziert werden. Der anaphorische Gebrauch der Pronomen weist den Hörer dagegen an, die Identifizierung eines Objektes in der Erinnerung bzw. Vorstellung vorzunehmen. 31 Diese wird vor allem durch den vorangehenden Diskurs bestimmt, und vor diesem Hintergrund ist das Moment der Vorerwähnung bei der Anaphora auch zu verstehen. Allerdings sollte nicht vergessen werden, daß Appolonius die Anaphora hier nicht als allgemeines Phänomen betrachtet, sondern lediglich im Rahmen seines primär syntaktischen Pronomenkonzeptes sieht, fur das der sprachliche Kontext ohnehin unerläßlich ist.32 Insgesamt muß berücksichtigt werden, daß er die Deixis-AnaphoraProblematik nicht als eigenständiges Untersuchungsobjekt (und schon gar nicht aus pragmatischer Sicht) auffaßt. Vielmehr führt er die Deixis und Anaphora als Hilfsbegriffe in einem common sense Verständnis zur Erklärung grammatischer Phänomene ein (vgl. Bosch 1983, 9). Für Bühler, der später Appolonius' Erklärungsversuche aufgreift, sind Deixis und Anaphora dagegen zentrale Elemente seiner Sprachtheorie und nicht nur auf Pronomen, sondern Zeigwörter allgemein bezogen. Dennoch ist zu bemerken, daß seine Modi des Zeigens, Deixis ad oculos, Deixis am Phantasma und Anaphora, gar nicht so weit von Appolonius' Vorstellungen entfernt liegen. Dabei sollte aber bedacht werden, daß Bühler Appolonius kaum direkt, sondern in erster Linie über die vergleichende Sprachwissenschaft, die sich um die Jahrhundertwende teilweise eingehend mit Appolonius beschäftigte, rezipiert hat. Auffallend ist jedoch auch, daß manche moderne Linguisten und Pragmatiker die Vorstellungen des Appolonius nicht berücksichtigen, obwohl sie vielfach ihren eigenen Konstrukten sehr nahe kommen. Dies fällt besonders dann ins Auge, wenn sie scheinbar die Geschichte der Begriffe aufgearbeitet haben. So vermißt Ehlich bei den alexandrinischen Philologen u.a. ein vernünftiges Konzept von Deixis und Anapher, wendet dann aber als Unterscheidungskriterium ähnlich wie Appolonius ebenfalls den Bekanntheitsgrad ("Neufokussierung vs. Kontinuität der vorgängigen Fokussierung") an.33 Darauf wird im Anschluß an das Kapitel zu Bühler noch genauer zurückzukommen sein. Vorher soll jedoch auf die Vorstellungen der ver-

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Während die Objekte im Diskursraum durch die Erinnerungsfähigkeit (zumindest potentiell) vorhanden und damit bekannt sind, ist das Objekt im Wahrnehmungsraum noch nicht Gegenstand des bisher relevanten Vorstellungsraumes gewesen. Darin - so könnte man sagen - liegt das Neue bzw. Unbekannte bei der Deixis gegenüber dem Bekannten bei der Anaphora. Auf diese Weise wären die beiden Unterscheidungskriterien bekannt vs. unbekannt sowie wahrnehmbar vs. nicht wahrnehmbar durchaus zu verbinden. Raible (1972, 3) weist zu Recht daraufhin, daß Appolonius' Syntaxbegriff weiter ist als der heute übliche: "Syntax ist bei Appolonius nicht nur Satz-, sondern auch Textstruktur." Das ändert selbstverständlich nichts an der Qualität seiner (pragmatischen) Konzeption von Deixis und Anapher. Die Annahme von Verweisräumen in der obigen Darstellung ist im übrigen von Ehlich (z.B. 1983) entlehnt. Zu Ehlichs Deixis-Anaphora-Konzeption siehe Kap. 2.5.3.

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gleichenden Sprachwissenschaftler eingegangen werden, auf die Bühler sich mehrfach bezieht.

1.2.3 Die indoeuropäischen Sprachwissenschaftler Es wurde schon erwähnt, daß das Wortklassenkonzept der alexandrinischen Philologen weitgehend unverändert in die lateinische Grammatik übernommen wurde und ungeachtet anderer interpretativer Perspektiven auch über das Mittelalter hinaus Bestand hatte (vgl. Robins 1966, 17).34 Dabei werden Aspekte der Syntax und der Flexion betont, und obwohl etwa Priscians lateinische Grammatik sich sehr eng an Appolonius anlehnt, kommt bei den Pronomen die deiktisch-anaphorische Bestimmung aus dem Blickfeld. 35 Erst die Indogermanisten haben bei ihren sprachvergleichenden Studien Appolonius' Vorstellungen zu Deixis und Anaphora wieder größere Bedeutung beigemessen. So greifen Windisch (1869) und Brugmann (1904) in ihren Arbeiten zum Relativ- bzw. Demonstrativpronomen Appolonius' Pronomenkonzept nicht nur in seinem substitutionellen Aspekt auf, sondern beziehen bei ihrem Bemühen, das Wesen und die Entstehungsgeschichte der Pronomen zu erfassen, auch die verweisende Funktion mit ein.

1.2.3.1 Windisch Bei der Klassifizierung der Pronomen stößt Windisch auf die von Appolonius gemachte Unterscheidung von Deixis und Anaphora und hat laut Wackernagel (1926 I, 84) "das Verdienst, diese Unterscheidung samt dem Terminus 'anaphorisch' wieder ans Licht gezogen und sie für die Forschung fruchtbar und feiner ausgearbeitet zu haben." Windisch (1869, 232) greift Appolonius' Unterscheidung in πρώτη γνώσις und δεύτερα γνώσις wieder auf und definiert Deixis und Anaphora folgendermaßen: Die echte Deixis unterscheidet sich von der Anaphora dadurch, dass sie sich direct auf das wirkliche Object in der Aussenwelt bezieht, das bisher unbekannt oder wenigstens bisher noch nicht in die Rede eingeführt war, während Anaphora stattfindet, wenn ein in der Rede schon erwähntes Object nochmals durch ein Pronomen aufgenommen wird.

Zunächst hat es den Anschein, als ob er unter Deixis nur den Verweis auf Objekte im Wahrnehmungsraum versteht. Die Wahrnehmbarkeit ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für den deiktischen Verweis, denn das "wirkliche Object in der Aussen34 35

Das gilt insbesondere auch für die englischen Grammatiker. Vgl. Gneuss (1990, 14ff u. 30f.). Michael (1970, 320ff.) weist für englische Grammatiken bis 1800 nach, daß die Pronomendefinitionen das Substitutionskonzept übernehmen und zum Kriterium erheben, selbst wenn - eher unsystematisch - bisweilen auch andere Funktionen angesprochen werden.

19 welt" muß zudem noch neu sein bzw. darf noch nicht Gegenstand des Diskurses sein. Durch das Zusammentreffen dieser zwei Kriterien scheint unklar, wie der Fall, daß das Verweisobjekt zwar wahrnehmbar ist, aber auch schon Gegenstand des Diskurses war, oder der Fall, daß es nicht wahrnehmbar, aber neu eingeführt wird, einzuordnen ist. Diese Zweifelsfälle werden jedoch von Windisch im Rahmen seiner Behandlung deiktischer und anaphorischer Pronomen aufgelöst. 36 Windischs Vorstellungen zur Unterscheidung von Deixis und Anaphora müssen nämlich vor dem Hintergrund gesehen werden, daß er ausgehend vom Griechischen annimmt, jede Sprache habe in ihrem Pronominalsystem jeweils einen extremen Exponenten für Deixis und Anaphora, die gleichsam die ganze Bandbreite von Deixis und Anaphora umreißen. 37 Insofern plädiert er auch gegen eine scharfe Trennung von Deixis und Anaphora, denn er geht davon aus, daß "die sinnliche Deixis" nur den einen Pol darstellt. Sie ist "wohl die stärkste Art der Deixis, aber nicht die einzige." Die gleichen Pronomen können nämlich auch auf "das sprachliche Bild des realen Objects, das Wort, hinweisen" (Windisch 1869, 258). Diese Form der Deixis rückt in ihrem Charakter näher an die Anaphora heran, da sie im sprachlich-kontextuellen Verweisraum fungiert. Sie unterscheidet sich aber von ihr durch den Neuigkeitswert des Verweisobjektes. Dies wird deutlich bei Windischs Diskussion einzelner als idealtypisch angesehener griechischer Pronomen. "Während [das anaphorisch-demonstrative Pronomen] οΰτος auf Vorerwähntes oder Bekanntes zurückweist, führt das [deiktische Pronomen] οδε noch nicht Erwähntes ein und zeigt auf dasselbe hin als Etwas Neues" (Windisch 1869, 259). Bei dieser Form deiktischen Verweisens, die Windisch ausschließlich der literarischen Kommunikation zuweist, scheint er im übrigen als Verweisziel nicht nur das Wort im Sinne einer Kontextstelle zu meinen, sondern auch das damit bezeichnete Objekt. Dies müßte dann wohl im Vorstellungsraum des Lesers angesiedelt sein.38 So könnte man jedenfalls die im Vergleich zur anfänglichen Bestimmung erweiterte Deixisdefinition in seinem zusammenfassenden Kapitel interpretieren, wo er Deixis und Anaphora folgendermaßen unterscheidet: "Unter der Deixis hat man das unmittelbare (erste) Hinweisen auf das in der Aussenwelt wirklich gegenwärtige oder als gegenwärtig zu denkende Object zu verstehen, unter Anaphora dagegen eine Zurückbeziehung auf ein in der Rede zuvor schon genanntes Object" (Windisch 1869,394). Die Anaphora stellt für Windisch den Gegenpol zur sinnlichen Deixis dar und wird von sogenannten einfachen anaphorischen Pronomen ausgeführt. Der Rück36 37

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Bosch (1983, 6f.) wirft Windisch vor, daß er für diese Fälle keine Lösung vorsehe. Im Griechischen wären das δδε und ούτος. Er schränkt allerdings ein, daß in den meisten indogermanischen Sprachen deiktische und anaphorische Pronomen nicht so trennscharf voneinander unterschieden werden könnten wie im Griechischen (vgl. Windisch 1869, 280). Es geht wohl zu weit, diese Form der Deixis als Deixis am Phantasma im Sinne Bühlers zu interpretieren. Auch ist ihr Vorkommen sehr beschränkt, da Windisch sie in "der Sprache des gewöhnlichen Lebens" gänzlich ausschließt (vgl. Windisch 1869, 258).

20 bezug ist dabei in seinem Ausmaß sehr beschränkt. "Das einfache anaphorische Pronomen kann sich nur schlicht auf unmittelbar vorher Erwähntes beziehen" (Windisch 1869, 278). Diese Beschränkung ist nicht verwunderlich, denn Windisch gesteht der Anaphora, zumindest in ihrer strengen, "einfachen" Ausformung, lediglich Substitutionsfunktion im Sinne von Dionysius' syntaktischer Äquivalenz zu. "Es ist blosser Stellvertreter eines vorhergenannten Nomens und führt dasselbe, nachdem es einmal genannt, nachdruckslos gleichsam nur in den grammatischen Funktionen fort" (Windisch 1869, 395). Dies gilt jedoch nur für das einfache anaphorische Pronomen. Dazwischen gibt es nämlich noch die anaphorisch-demonstrativen Pronomen, die, wie schon erwähnt, auf ein bekanntes Objekt verweisen, wobei nicht unbedingt ein Nomen ersetzt werden muß. Dies geht nach Windisch (1869, 259) in manchen Fällen sogar so weit, daß das Objekt nicht explizit schon erwähnt worden sein muß. "Das allgemeine Bekanntsein kommt einer ausdrücklichen Erwähnung gleich." Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Windisch die Deixis zunächst am Kriterium der sinnlichen Wahrnehmbarkeit festmacht. Die Anaphora hat dagegen das Substitutionskriterium zu erfüllen. Dies kann aber höchstens idealtypisch gesehen werden, denn er nimmt auch Zwischenformen an, wobei dann das Kriterium der Ersterwähnung bzw. Neuigkeit für die Deixis sowie das der Vorerwähntheit bzw. Bekanntheit für die Anaphora ausschlaggebend ist.

1.2.3.2 Brugmann In der sprachvergleichenden Tradition Windischs steht auch Brugmann. Er bezeichnet Windischs Überlegungen als "die wichtigste Vorarbeit" (Brugmann 1904, 18) für seine Studie, die sich mit den Demonstrativpronomen in den indogermanischen Sprachen befaßt. Dabei ist sein Untersuchungsbereich naturgemäß stark auf den Bereich von Deixis und Anaphora bezogen und bleibt insbesondere bei seiner Konzeption unterschiedlicher Demonstrationsarten auch nicht so eng auf Pronomen beschränkt. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß Bühler sich später stärker noch als auf Windisch auf Brugmann stützt.39 In seinem Verständnis von Deixis und Anaphora geht Brugmann nicht wesentlich über Windisch und die griechischen Grammatiker hinaus, kritisiert deren Konzepte jedoch in einigen Punkten. Brugmann (1904, 13) nimmt im Anschluß an Appolonius und Windisch an, daß die Demonstrativpronomen deiktisch und anaphorisch gebraucht werden, wendet sich allerdings sowohl gegen das Wahrnehmungs- als auch das Substitutionskriterium in ihrem jeweiligen engen Verständnis. Er weist an Beispielen nach, daß 39

Bühler greift insbesondere auch Brugmanns Demonstrationsarten zur Präzisierung seines Zeigfeldes auf. Siehe Kap. 1.3.

21 eine Einteilung zu kurz greift, die sich allein daran festmacht, ob die Verweisobjekte "sich in unmittelbarer Nähe befinden" bzw. "kurz zuvor erwähnt wurden." Einerseits nimmt er an, daß die Wahrnehmung ohne feste Grenze in ein "Erinnerungsbild" übergeht (Brugmann 1904, 14), so daß die raumzeitliche Präsenz bzw. sinnliche Wahrnehmbarkeit nicht unbedingt als Kriterium für die Deixis herangezogen werden kann. Andererseits ist fur ihn die Substitution unerheblich, denn seine Demonstrativa müssen nicht unbedingt nominal gebraucht sein. Er versucht, die Funktion der Demonstrativa unter entwicklungsgeschichtlicher Perspektive zu erklären und kommt zu dem Schluß: "Ursprünglich scheinen die Demonstrativa nur auf Elemente der unmittelbaren Sinneswahrnehmung bezogen worden zu sein. Der Sprechende behandelte dann aber seine gesamte Vorstellungswelt nach Analogie der gegenwärtigen Anschauung" (Brugmann 1904, 15). Neben der entwicklungsgeschichtlichen Priorität deiktischer Pronomen ist für ihn offenbar die Feststellung, daß Demonstrativa sowohl auf sinnlich wahrnehmbare als auch auf vorgestellte Objekte verweisen können, von primärem Interesse. Die DeixisAnaphora Unterscheidung erscheint ihm eher sekundär. Er gelangt schließlich zu folgender Definition der Demonstrativpronomen, an die er jedoch die DeixisAnaphora Unterscheidung, sozusagen als Zusatz für den dennoch interessierten Leser, anschließt: Das Wesen dieser Klasse von Pronomina ... bestimmt man wohl am besten so: sie sind die sprachliche Hinweisung auf etwas, dem der Sprechende seine Aufmerksamkeit zugewendet hat, und fordern den Angesprochenen auf, den Gegenstand ebenfalls ins Auge zu fassen. Will man alsdann eine Einteilung der sämtlichen einschlägigen Fälle in der Richtung vornehmen, in der die Unterscheidung nach Deixis und Anaphora liegt, so wäre die einzige mit dem Wesen der Sache in Übereinstimmung befindliche Scheidung darnach zu machen, ob etwas ohne Weiteres Bekanntes, nicht erst durch die augenblickliche Situation bekannt Werdendes ist, worauf hingewiesen wird, oder etwas, dem diese Eigenschaft nicht zukommt. (Brugmann 1904, 15)

Im Gegensatz zu Windisch bleibt für Brugmann eigentlich nur noch ein Kriterium zur Unterscheidung von Deixis und Anaphora, nämlich der Bekanntheitsgrad, übrig. Der Charakter der Anaphora liegt also im Hinweis auf "ohne Weiteres Bekanntes, nicht erst durch die augenblickliche Situation bekannt Werdendes". Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob der sprachliche Kontext die Bekanntheit verursacht hat. Allerdings nehmen seine Beispiele immer auf das Vorerwähnte Bezug. Daß dies aber nicht notwendig der Fall sein muß, macht er an anderer Stelle deutlich: "Den Hinweis auf kurz zuvor Erwähntes nennt man den anaphorischen Gebrauch des Demonstrativs (...). Auch behandelt der Sprechende oft einen Gegenstand als von früher, von der Zeit vor der Unterredung her zum Bewußtseinsinhalt der Personen der Unterredung Gehörendes, also als etwas Bekanntes (...). Auf diese Art werden also Erinnerungsbilder nach Analogie der Gegenstände der gegenwärtigen sinnlichen Anschauung behandelt" (Brugmann/Dellbrück 1911, 310).

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Der Gegensatz zwischen dem Hinweis auf Bekanntes und "erst durch die augenblickliche Situation bekannt Werdendes" ist aber sowohl schon bei Appolonius als auch bei Windisch zumindest zum sekundären Unterscheidungsmerkmal von Deixis und Anaphora erhoben worden. Interessanter ist eigentlich der von Brugmann (1904, 8) eher am Rande erwähnte "psychologische" Erklärungsversuch der Demonstrativa und ihrer deiktischen und anaphorischen Funktionen. Ungeachtet der entwicklungsgeschichtlichen Priorität der Deixis ist der Zeigprozeß, der in den Demonstrativa auch ohne wahrnehmbare Zeiggeste 40 angelegt ist, charakteristischer Bestandteil sowohl der Anaphora als auch der Deixis. Die Demonstrativa dienen nämlich zur Aufmerksamkeitsausrichtung in der raumzeitlichen Situation sowie in der "Vorstellungswelt" und in den "Erinnerungsbildern" gleichermaßen. Diese Elemente sind später von Bühler aufgegriffen worden. Dabei ist zunächst unerheblich, daß Bühler ein vollständig anderes Anaphorakonzept entwickelt und Brugmanns Vorstellungswelt nicht deckungsgleich mit Bühlers Deixis am Phantasma ist.41 Bühler (1934, 387) knüpft vielmehr an die fokussierende Funktion 42 der Demonstrativa an, die Brugmann veranlaßt hat, den Pronomenbegriff in ersten Ansätzen kritisch zu überdenken. So wendet Brugmann (1904, 13) sich gegen die Auffassung, 43 "die Funktion des Demonstrativums sei die des Hinweises auf Gegenstände und Personen, die entweder, weil sie sich in unmittelbarer Nähe befinden, oder weil sie kurz zuvor erwähnt wurden, der besonderen sonst fur sie geltenden Namensbezeichnung nicht bedürfen. Diese Einteilung trifft (...) nicht das Wesen unserer Pronominalklasse." Das Wesen der Demonstrativa ist nach Brugmann weniger durch das kritisierte, zu enge Deixis- und Anaphorakonzept verfehlt, als durch die Tatsache, daß die an anderer Stelle (s.o.) dem Wesen zugeschriebene zeigende, aufmerksamkeitsorientierende Funktion nicht mit dem Ersatz einer "Namensbezeichnung" zu vergleichen ist. Diesen Gedanken, der letztlich die klassische Wortklasseneinteilung sprengen würde, verfolgt Brugmann jedoch nicht weiter. Dafür macht ihn Bühler, auf den im folgenden näher eingegangen werden soll, zu einem zentralen Element seiner sogenannten Zweifelderlehre.

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Brugmann (1904, 8) spricht davon, "dass diese Wörter sich allmählich von der begleitenden Geberde emanzipieren konnten." Zu Bühlers (1934, 123ff.) Deixis am Phantasma gehören sowohl das "Reich der konstruktiven Phantasie" als auch das "Reich des abwesend Erinnerbaren", wobei letzteres bei Brugmann sicherlich der Anaphora näher stehen würde. Der Fokusbegriff ist freilich erst später entwickelt worden. Siehe 2.5.3. Er kritisiert hier eine Textstelle bei Wundt (1900, 281), geht aber namentlich auch auf Appolonius und Windisch ein.

23 1.3 Deixis und Anaphora in Karl Bühlers Sprachtheorie

Es wurde schon erwähnt, daß Karl Bühlers Konzeption von Deixis und Anaphora eigentlich in allen neueren Untersuchungen zu diesem Phänomenbereich aufgegriffen wird und seine Überlegungen durchaus als der Wendepunkt zu einem modernen Verständnis der Begriffe angesehen werden können. 44 Bühler wendet sich deiktischen und anaphorischen Phänomenen nicht aus sprachhistorischem und sprachvergleichendem Interesse zu, sondern präferiert eine eher sprachpsychologische Herangehensweise an den Gegenstand. 45 Dabei beschränkt er sich nicht mehr auf Pronomen. Vielmehr bemüht er sich um eine grundlegende Klassifizierung in zwei von der Syntax unabhängig definierte Wortarten. Vor diesem Hintergrund greift er die wörtliche Bedeutung des griechischen δεΐξις auf und stellt den Zeigbegriff in den Mittelpunkt seines Deixiskonzeptes, das die Anaphora letztlich einschließt.

1.3.1 Bühlers Wortklassenkonzept: Nennwörter und Zeigwörter Bühler (1934, 84) sieht in Brugmanns Unterscheidung in Namensbezeichnungen einerseits und aufmerksamkeitslenkende Wörter andererseits erste Anzeichen für eine kritische Haltung zum klassischen Pronomenbegriff und schließlich Wortklassenkonzept überhaupt, die allerdings von Brugmann nicht konsequent genug weiterverfolgt worden sei, um auf die von ihm getroffene Unterscheidung in Nennund Zeigwörter zu stoßen. Bühler greift in seiner Kritik des klassischen Wortklassenkonzeptes Appolonius auf, der seiner Ansicht nach nicht nur darauf hingewiesen hätte, daß das Substitutionskonzept nicht das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Pronomen und Nomen wäre, sondern vor allem auch darauf, daß die beiden Klassen auf unterschiedliche Art und Weise ihre Bedeutung erreichten. Diese übertriebene Interpretation ist wohl darauf zurückzufuhren, daß er Appolonius offenbar nur indirekt rezipiert hat, was sich u.a. darin zeigt, daß er sich lediglich auf eine Passage aus Steinthal (1891) beruft (vgl. Bühler 1934, 119). Bühlers vehemente Kritik am Substitutionskonzept, die in dem Satz endet, "demonstrare necesse est, stare pro nominibus non est necesse" (Bühler 1934, 120), geht aber weit über Appolonius hinaus, der, wie aufgezeigt wurde, am Prinzip der syntaktischen Äquivalenz 44

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Dieser Standpunkt wird wohl von allen, die sich in den letzten Jahren mit dem Phänomen beschäftigt haben, zumindest implizit vertreten. Exemplarisch sei Sennholz (1985, XX) genannt, der schlicht feststellt, daß "die moderne Deixisforschung mit Bühler beginnt." Etwa zeitgleich hat Gardiner (1932) in England einen ähnlichen Ansatz verfolgt und so etwas wie eine frühe Sprechakttheorie entwickelt. Gardiner und BUhler standen auch in Verbindung und nehmen mehrfach Bezug aufeinander. Eine Beschäftigung mit deiktischen Phänomenen i.e.S. ist bei Gardiner jedoch nicht zu finden.

24 festhält, selbst wenn aus semantischer Sicht Ähnlichkeiten zu Bühler feststellbar sind. Die verschiedenartige Bedeutungskonstitution, die letztlich auf unterschiedlichen Arten der Identifizierung des Referenzobjektes beruht,46 will Bühler schließlich zum Kriterium fur eine neuartige Wortklasseneinteilung machen, sie müsse laut Bühler (1934, 119) "zum Range des Klassenmerkmals erhoben werden." Seine Einteilung in Nennwörter und Zeigwörter basiert auf der Annahme eines Zeigfeldes und eines Symbolfeldes, innerhalb derer diese Identifizierungsprozesse ablaufen. 47 Innerhalb des Symbolfeldes vollzieht sich laut Bühler (1934, 81) die Bedeutungskonstitution situationsunabhängig in "herkömmlicher" Weise. "Die Nennwörter fungieren als Symbole und erfahren ihre spezifische Bedeutungserfullung und -präzision im synsemantischen Umfeld. Ich schlage den Namen Symbolfeld fur diese andere, keineswegs mit den Situationsmomenten zu verwechselnde Ordnung vor".48 Demgegenüber verweist er auf die "Tatsache, daß alles sprachlich Deiktische deshalb zusammen gehört, weil es nicht im Symbolfeld, sondern im Zeigfeld der Sprache die Bedeutungserfullung und Bedeutungspräzision von Fall zu Fall erfährt, und nur in ihm erfahren kann" (Bühler 1934, 80). Während die Zeigwörter also je nach Sprechsituation einen anderen Gegenstand identifizieren können, indem sie quasi auf ihn zeigen, trifft dies für die Nennwörter nicht zu. "Ein für den intersubjektiven Austausch brauchbares 'Begriffszeichen' muß die Eigenschaft haben, daß es im Munde jedes und aller als Symbol fur denselben Gegenstand verwendet wird, und das ist nur dann der Fall, wenn das Wort eine Wasbestimmtheit des Gegenstandes trifft" (Bühler 1934, 103). Die Nennwörter haben also sozusagen eine konstante Bedeutung, indem sie "ihren Gegenstand als ein so und so Beschaffenes charakterisieren" (Bühler 1934, 119).49 Die Zeigwörter haben dagegen keinen konstanten Symbolcharakter, sondern fungieren eher als (Rezeptions-) Signale, die innerhalb des Zeigfeldes fallweise bestimmte "Feldwerte" erhalten. Bühler schränkt jedoch ein, daß die Zeigwörter dennoch einen quasi abgeschwächten semantischen Gehalt hätten. Sie seien zwar in erster Linie Signale, aber in zweiter Linie auch Symbole. Er macht dies an den 46

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Strawson (1959) hat mit seinem Konzept der demonstrative identification vs. non-demonstrative identification ohne Berücksichtigung verschiedener Wortklassen später eine vergleichbare Unterscheidung der Identifikation des Referenten unter philosophischer Perspektive geliefert. Zur referenztheoretischen Einordnung der Deixis und Anaphora siehe Kap. 2.5. Heger (1984, 110) weist auf die "Feldbedürftigkeit" sprachlicher Zeichen hin, da bei Bühler eine Bedeutung nur innerhalb der beiden Felder denkbar ist. Damit entspricht die Bedeutung der Nennwörter ziemlich genau dem, was Lyons (1977) als sense bezeichnet, der sich ja ebenfalls erst in Interdependenz mit anderen Wörtern (bei Lyons genauer: Lexemen) situationsunabhängig ergibt. Heger (1963, 16) weist auf den definitorischen Charakter der Bedeutung bei Bühlers Nennwörtern hin: "Die auf das Symbolfeld bezogene Nennfunktion formaler sprachlicher Kategorien ist von dem jeweiligen Sprech- bzw. Gesprächszusammenhang unabhängig und stellt die Bedeutung dar, die den Wert einer Definition besitzt."

25 Lokaladverbien deutlich: "Ein da und dort symbolisiert, es nennt einen Bereich um den jeweiligen Sprechenden herum, in welchem das Gedeutete gefunden werden kann" (Bühler 1934, 90).50 Bei der Präzisierung der Feldwerte einzelner Zeigwörter stützt sich Bühler auf die Demonstrationsarten Brugmanns, wobei die Nah-FernUnterscheidung eine besondere Rolle spielt. Das Charakteristische der Zeigwörter ist aber ihre situationsabhängige, aufmerksamkeitssteuernde Funktion, weshalb sie außerhalb des Zeigfeldes keine wirkliche Bedeutung erlangen. Zeigwörter (...) steuern den Partner in zweckmäßiger Weise. Der Partner wird angerufen durch sie, und sein suchender Blick, allgemeiner seine suchende Wahrnehmungstätigkeit, seine sinnliche Rezeptionsbereitschaft wird durch die Zeigwörter auf Hilfen verwiesen, gestenartige Hilfen und deren Äquivalente, die seine Orientierung im Bereich der Situationsumstände verbessern, ergänzen. Das ist die Funktion der Zeigwörter im Sprechverkehr, wenn man darauf besteht, diese Funktion in eine einzige Wortformel zu bringen (Bühler 1 9 3 4 , 1 0 6 ) .

Die Orientierung der Gesprächsteilnehmer wird bei Bühler mit der Origo im Zeigfeld verortet. Die Zeigwörter bewirken im Zeigfeld nämlich nicht nur eine lokale Orientierung, sondern auch eine temporale und personale, die sozusagen einen gemeinsamen Ausgangspunkt in einem Koordinatensystem haben, der durch die Zeigwörter hier, jetzt, ich repräsentiert ist. Das Zeigfeld ist damit eigentlich kein zweidimensionales Feld, sondern setzt sich aus drei Orientierungskategorien zusammen, die in der heutigen Deixisforschung meist als deiktische Dimensionen bezeichnet werden (vgl. z.B. Rauh 1983a). Bühler selbst verwendet den Dimensionsbegriff nicht. Man darf sich das Zeigfeld auch nicht als dreidimensionalen Raum vorstellen. Nur die lokale Dimension kann man räumlich auffassen, die zeitliche ist dagegen linear, und die personale setzt sich aus diskreten Einheiten zusammen, die kommunikationsrollentheoretisch definiert sind. Die von Bühler angesprochenen Zeiggesten zur Orientierungshilfe sind in anschaulicher Weise eigentlich nur in der lokalen Dimension vorstellbar (vgl. Sennholz 1985, 84ff.) und selbst in der lokalen Dimension kann laut Ehrich (1992, 9) in ein positionales (im Deutschen durch den Kontrast hier/da/dort exemplifiziert, im Englischen nur durch here/there) und ein dimensionales (vor/hinter, links/rechts, oben/unten) Referenzsystem unterschieden werden, wobei nur in letzterem die Orientierung im Sinne der Wahrnehmungsrichtung der Gesprächspartner eine Rolle spielt. Bühler vergleicht die Gesten mit Wegweisern, Pfeilen oder Fingergesten, die auf das zu identifizierende Objekt deuten. In den anderen Dimensionen kann höchstens metaphorisch von Zeiggesten gesprochen werden, 51 wie ohnehin der 50

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Harweg (1979, 44) weist daraufhin, daß bei Bühler aber nur "auf der Stufe der Klassenbedeutung (...) die fundamentale Opposition zwischen Nennwörtern und Zeigwörtern aufgehoben ist." Bühler siedelt die Bedeutungskonstitution der Zeigwörter jedoch auf der Diskursebene an oder auf der "Stufe der im Text manifestierten Bedeutungen", wie Harweg sagen würde. Auf die Priorität der lokalen Dimension und ihren metaphorischen Charakter für die anderen Dimensionen wird in neueren Arbeiten häufig verwiesen. Siehe z.B. Rauh (1988, 28) oder

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Begriff des Zeigens zunächst bei nicht-metaphorischem Gebrauch nur die lokale Dimension trifft. Darüber hinaus müssen die Zeiggesten nicht wörtlich im Sinne einer wahrnehmbaren Bewegung verstanden werden, denn die Position und Blickrichtung des Sprechers sowie Herkunft und Klangcharakter der Stimme können nach Bühler ebenso die Zeigrichtung angeben. Gesonderte Zeiggesten sind also keineswegs ein notwendiges Element des Orientierungsprozesses. "Statt der Fingergeste können andere optische oder akustische Leithilfen verwendet werden und statt aller zusammen können indirekt Situationsindizien oder konventionelle Deuthilfen eintreten" (Bühler 1934, 112). Die Zeiggestenäquivalente müssen also nicht als zusätzliches Wahrnehmungselement präsent sein, sondern können im Falle der konventionellen Deuthilfen in den Zeigwörtern selbst angelegt sein, die quasi per Konvention die Zeigrichtung angeben.52 Dies trifft gerade bei der Anaphora zu, denn der Unterschied zwischen Deixis und Anaphora zeigt sich u.a. daran, daß nur bei der Deixis Zeiggesten möglich sind, während im Falle der Anaphora auf zusätzliche, wahrnehmbare Zeiggesten grundsätzlich verzichtet werden muß.

1.3.2 Deixis und Anaphora als Formen des gleichen Phänomens Der Unterschied zwischen Deixis und Anaphora liegt letztlich in der unterschiedlichen Art des Zeigfeldes begründet. Bühler geht nämlich davon aus, daß Deixis und Anaphora zwei Formen oder Modi desselben Zeigphänomens sind, die jedoch in verschiedenartigen Zeigfeldern ablaufen. Anders als die antiken Grammatiker und die Indogermanisten glaubt er nicht nur, daß Deixis und Anaphora von weitgehend denselben sprachlichen Ausdrücken, wobei er deutlich über die Pronomen hinausgeht, ausgeübt wird, sondern auch, daß es sich um dieselbe zeigende bzw. aufmerksamkeitsorientierende Funktion handelt. Er unterscheidet je nach Zeigfeld, in dem die Zeigwörter operieren, drei verschiedene Modi des Zeigens: Die Deixis ad oculos, die Deixis am Phantasma und das anaphorische Zeigen. Bei der Deixis ad oculos ist das Zeigfeld der Wahrnehmungsraum, in dessen Zentrum sich der Sprecher befindet. Die Deixis ad oculos ist damit der einzige Modus, in dem sinnlich wahrnehmbare Zeiggesten (und deren Äquivalente) vorkommen können. Schon der Terminus 'Deixis ad oculos' macht deutlich, daß hier die

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Wunderlich (1985). Daß umgekehrt auch die temporale Dimension lokaldeiktische Festlegungen enthalten kann, zeigt Ehrich (1989). Während die wahrnehmbaren Zeiggesten laut Bühler einen Gegenstand im Raum "treffen" und somit auch die Distanz zur Origo andeuten, muß dieses Deuten bei den konventionellen Zeighilfen in den Zeichen selbst angelegt sein. Abgesehen von dem Verweis auf die Brugmannschen Demonstrationsarten macht Bühler hierzu jedoch keine präzisen Aussagen. Zum Problem des Verweiszieles siehe Kap. 2.3.1.

27 Geste wirklich auf etwas optisch Präsentes treffen kann.53 Da weder die Zeit noch die Sprecherrolle sichtbar sind, sind in den anderen Dimensionen die Zeigwörter allein für den Identifizierungsprozeß verantwortlich. Die Dimensionen sind jedoch durch das egozentrische, am Sprecher-Ich ausgerichtete Koordinatensystem miteinander verbunden. Die "ich-hier-jetzt Origo" gilt als das Zentrum der "subjektiven Orientierung" (Bühler 1934, 102), von wo aus alle Verweise ausgehen. Nur durch die Kenntnis der örtlich-zeitlichen Situierung des Sprechers erhält das gestische wie auch das symbolische Zeigen eine Richtung. Die Deixis am Phantasma ist der konkreten Wahrnehmung enthoben. Die Orientierung geht nicht mehr von der raum-zeitlichen Situation des Sprechers aus. Statt dessen "treten Erinnerungs- und Phantasiesituationen von wahrnehmungsähnlichem Charakter auf und ersetzen die primäre Gegebenheit der Wahrnehmungssituationen" (Bühler 1934, 133). Es handelt sich laut Bühler (1934, 124f.) um eine "Versetzung" in das "Reich des abwesend Erinnerbaren" oder das "Reich der konstruktiven Phantasie." Indem die Origo in diese fiktiven Bereiche "wandert", bleibt die gemeinsame Orientierung gewahrt. Bühler geht dabei von einem Vorstellungsraum aus, in den die "Standpunktkoordinaten" des Sprechers eingetragen werden. 54 Das Zeigfeld ist also sozusagen ein vorgestellter Wahrnehmungsraum, innerhalb dessen das Zeigen ebenfalls nur in der Vorstellung abläuft. Deshalb fallen hier die ohnehin fakultativen begleitenden Zeiggesten bzw. "vorsprachlichen Zeighilfen" weg. Das Zeigen bzw. der Orientierungsprozeß bleibt aber analog zu dem im Wahrnehmungsraum in allen deiktischen Dimensionen und auf der Basis der gleichen Zeigwörter wie bei der Deixis ad oculos im Grunde unverändert. Wie bei der Deixis am Phantasma bleibt beim anaphorischen Zeigen die wahrnehmbare Zeiggeste vom Orientierungsprozeß ausgeschlossen, denn bei der Anaphora ist das Zeigfeld ebenfalls nicht direkt wahrnehmbar. Es ist jedoch auch nicht in den Vorstellungsraum versetzt, sondern hat einen grundsätzlich andersartigen 53

Eine Ausnahme bildet fur Bühler lediglich Herkunft und Qualität der Stimme. Hier wird das Orientierungszentrum quasi hörbar, wobei nicht nur in der lokalen Dimension, sondern durch die Stimmqualität (andere idiosynkratische Merkmale erwähnt er nicht) auch in der personalen Dimension eine Lokalisierung eintritt. Biihler (z.B. 1934, 105) erwähnt in seltenen Fällen auch die demonstratio ad aures. Cheang (1990) betont in seiner "organismischen Analyse der Deixis", daß Bühler die Begriffe der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit in Verbindung mit den Sinnesorganen sieht.

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Bühler (1934, 134f.) unterscheidet zwei (Haupt-) Formen der Versetzung. Im ersten Fall "kommt das Vorgestellte (...) zu uns, in die angegebene Wahmehmungsordnung hinein und kann dort, wenn nicht geradezu 'gesehen1, so doch lokalisiert werden." Im zweiten Fall ist man "hineinversetzt in der Vorstellung an den geographischen Ort des Vorgestellten, man hat das Vorgestellte vor dem geistigen Auge von einem bestimmten Aufnahmepunkt aus, den man angeben kann und an dem man sich befindet in der Vorstellung." Bühler veranschaulicht die beiden Formen folgendermaßen: "Gleichnishaft gesagt, ist es entweder so, daß Mohamed zu dem Berg geht oder der Berg zu Mohamed kommt."

28 Charakter, auf den die Raummetapher nicht anwendbar ist. Während Bühler (1934, 121) unter der Deixis ein Zeigen auf bestimmte Objekte in dem von der Wahrnehmung oder Vorstellung bereitgestellten Raum versteht, die es zu identifizieren gilt, ist die Anaphora ein Zeigen "auf etwas, was an Plätzen im Ganzen der Rede aufgesucht und vorgefunden werden soll." Bühler unterscheidet "eine Ordnung dort im Räume und Stellen darin" und "eine Ordnung hier im Abfluß der Rede und Plätze darin, oder Redeteile, auf die verwiesen wird, um das Gemeinte zu treffen; und der Verweis erfolgt im großen und ganzen mit Hilfe desselben Apparates von Zeigwörtern." Während Bühler einerseits den wahrgenommenen oder vorgestellten situativen und mehrdimensionalen Kontext zur Basis des Verweisens macht, wird andererseits "der werdende Kontext einer Rede selbst zum Zeigfeld erhoben." So entsteht das "kontextliche Zeigfeld", das Bühler (1934, 124) als eine "Unterart des einen Zeigfeldes" charakterisiert, "denn neu und eigenartig ist nur das Moment der Reflexion, durch welche es gewonnen wird. Die werdende Rede wendet sich sozusagen auf sich selbst zurück oder voraus im Phänomen der Anaphora." Es wird also deutlich, daß Bühler die Anaphora eigentlich als eine bestimmte Form der Deixis betrachtet, die in einem gesonderten Zeigfeld abläuft. ss Dieses Zeigfeld ist im Grunde die Rede selbst oder, wie wir sagen würden, der Diskurs. Wir haben es somit eher mit Diskursdeixis zu tun als mit dem, was traditionellerweise als Anaphora bezeichnet wurde. Bühler (1934, 121) spricht aufgrund des speziellen Kontextbezuges der Anaphora auch von reflexivem Zeigen (zur Reflexivität siehe Kap. 3.1), dessen psychologische Voraussetzung es sei, "daß Sender und Empfänger den Redeabfluß als ein Ganzes vor sich haben, auf dessen Teile man zurück- und vorgreifen kann." Das Zeigfeld ist hier am Redefluß orientiert, also eher linear zu sehen, und präsentiert sich auch nicht in den üblichen deiktischen Dimensionen. Es wird zwar weiterhin metaphorisch von Orten, Stellen oder Plätzen gesprochen, im Grunde handelt es sich aber eher um einen temporären, linearen Ablauf (vgl. Ehrich 1989, 6). Als Origo ist wohl der im Produktions- oder Rezeptionsprozeß erreichte (Zeit-) Punkt anzunehmen. Bei schriftlichen Texten manifestiert sich der temporale Ablauf selbstverständlich auch lokal, wobei er jedoch auch dann noch linear bleibt. Die lokale Manifestation ist auch der Grund dafür, daß sich die Anaphora, allerdings primär nur im graphischen Medium, nicht nur temporaldeiktischer, sondern auch lokaldeiktischer Ausdrücke bedienen kann (vgl. Harweg 1990, 182 ff.). Während die anderen Modi des (deiktischen) Zeigens als "sachliches Zeigen" verstanden werden, bei dem auf eine tatsächlich wahrnehmbare oder vorgestellte

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Heger (1963, 19f.) spricht von Außendeixis und Innendeixis bei Bühler, wobei die Anaphora innendeiktische, d.h. "sprachintern-deiktische" Funktion habe. Dies ist nur dann zutreffend, wenn sprachintern-deiktisch auf der Parole-Ebene gesehen, also quasi als gesprächsintem-deiktisch verstanden wird.

29 Sache oder ein "Ding" verwiesen wird, ist beim anaphorischen Zeigen 56 das Verweisziel anderer Natur. Bühler (1934, 389) versucht, dies folgendermaßen zu veranschaulichen: "Worauf ich verweise im Satze 'dies ist wahr' ist nicht ein Ding, sondern es ist eine eben ausgesprochene Behauptung, ein Stück der Rede selbst, in die ich gerade eingeschaltet bin." Dabei legt Bühler Wert darauf, daß auf eine Redestelle und nicht auf die dort - üblicherweise mit Nennwörtern - genannten Dinge gezeigt werde, es sich also nicht um die gleichen Referenzobjekte wie bei der Bezugsstelle handelt. Im vorliegenden Fall charakterisiert er das Beispielzitat als Behauptung, die "wahr, falsch, plausibel, gelogen" sein kann. Es wird sozusagen auf einen Sprechakt oder zumindest auf eine Proposition referiert. 57 Die Anaphora ist bei Bühler unabhängig von Koreferenz definiert. Allerdings schließt eine solche Definition Koreferenz auch nicht automatisch aus. Sie scheint für sein Konzept schlicht irrelevant zu sein. Die folgende Passage verwirft die Möglichkeit von Koreferenz einerseits, legt sie andererseits aber auch wieder nahe. "Was die anaphorischen Pfeile treffen, sind nicht die Dinge, von denen die Rede ist, sondern es sind entweder die sprachlichen Fassungen dieser Dinge, also Sätze oder Satzteile (...). Oder es sind doch die Dinge, aber so wie sie gefaßt sind; die Dinge und Sachverhalte also, wie sie von den Gesprächspartnern als das und das charakterisiert worden sind" (Bühler 1934, 390).58 Das Verweisziel scheint eher eine sprachliche oder kommunikative Entität zu sein, die die Gesprächspartner jedoch als ihren gemeinsamen Gesprächsgegenstand ansehen, und auf diesen Gegenstand wird weder "sachlich", wie auf ein Ding, gezeigt, noch wird er in seiner Referenz auf außersprachliche Entitäten, wie sie durch Nennwörter im Symbolfeld gegeben ist, betrachtet. 59 Die Unklarheiten sind wohl darauf zurückzufuhren, daß Bühler nicht mit dem heutigen Referenzbegriff operieren konnte. Die heute für die Anaphora häufig geforderte Koreferentialität oder Sinnidentität (vgl. z.B. Braunmüller 1977) scheint fur Bühler irrelevant zu sein. Sie würde jedoch dem von Bühler proklamierten Charakter der Zeigwörter insgesamt eher widersprechen, da diese ja ausdrücklich keine Stellvertreterfunktion (schon gar nicht für Nennwörter, die gerade die Dinge situations- und gesprächsunabhängig 56

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Bühler (1934, 388) verwendet in diesem Zusammenhang auch den Begriff syntaktisches Zeigen und will damit andeuten, daß es sich um Zeigbeziehungen zwischen einzelnen Elementen des Gesprächs handelt. Die Anaphora hat bei ihm jedoch nichts mit traditioneller Syntax gemein und übt weder Substitutionsfunktion aus, noch ist syntaktische Äquivalenz gefordert. Lyons (1979, 96) bezeichnet solche Fälle später als "impure textual deixis". Siehe Kap. 6.6. Man könnte Harwegs Kritik an Bühlers Uneindeutigkeit hier folgen. Harweg (1979, 49) kritisiert nämlich in diesem Zusammenhang BUhlers metaphorische Ausdrucksweise: "'Rückverweis' und 'reflexives Zeigen1 sind metaphorische Termini, die in vager Form eine Handlung bezeichnen, ohne Zweck und Ziel dieser Handlung zu nennen." Man kann aber umgekehrt zumindest sagen, daß die Substitution - Harwegs Kriterium für Deixis sowie Anaphora - nicht der Zweck der Verweishandlung ist. Siehe Kap. 2.2.2. Die Identifikation des Referenzobjektes ist also relativ zum jeweiligen Diskurs und entspricht in etwa dem, was Strawson (1959, 18ff.) als story relative identification bezeichnet.

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charakterisieren) erfüllen, sondern sich ungeachtet der Art des jeweiligen Zeigfeldes durch ihre Zeigfunktion auszeichnen. Mit dem Phänomen der Koreferentialität ist ein Problembereich angesprochen, wo sich nicht nur ältere Anaphorakonzepte, sondern auch moderne Anaphoratheorien deutlich von Bühler unterscheiden. Ähnlich verhält es sich mit dem von der Antike bis heute auftauchenden Kriterium der Bekanntheit, das die Anaphora von der Deixis unterscheiden soll.60 Bühler wendet dieses Kriterium offensichtlich nicht an, denn die Anaphora kann ja auch nach vorn verweisen und damit auf den sich noch entfaltenden Kontext deuten. Bekannt sind solche Stellen höchstens insofern, als Bühler (1934, 121) sie in den Redefluß einordnet, den die Kommunikationspartner "als Ganzes vor sich haben." Den Partnern muß sozusagen ein gemeinsamer Orientierungsrahmen zur Verfügung stehen, innerhalb dessen der spezifische Orientierungsprozeß ablaufen kann. Im Falle der Anaphora wäre dies eine von den Beteiligten unterstellte, wie auch immer geartete Struktur des Redeablaufs. Im Falle der Deixis wäre der gemeinsame Orientierungsrahmen entweder die geteilte Wahrnehmung oder aber gemeinsame Erinnerungen und Vorstellungen. Die Orientierung innerhalb dieses Rahmens wird jeweils möglich durch die vom Sprecher gesetzte Origo. Bei der Anaphora im Sinne des Rückverweises ist die Grenze des Orientierungsrahmens allein schon durch die Merkfähigkeit abgesteckt, wobei deutlich von abwesend Erinnerbarem der Deixis am Phantasma unterschieden werden muß, da einerseits Kontextstellen, andererseits potentielle Gegenstände aus dem Gedächtnis als einem erinnerbaren Vorstellungsraum abgerufen werden. Beim Vorwärtsverweis oder der Kataphora 61 wird der Kontext sozusagen vorbereitet und hat gar nichts mit der Retrospektive zu tun.62 Vielmehr werden prospektiv kontextuelle Erwartungen geschaffen, die allerdings unabhängig davon sind, ob an diesen Kontextstellen auf bekannte oder neu eingeführte Gegenstände referiert wird. Ähnlich unerheblich ist der Bekanntheitsgrad der Zeigobjekte bei der Deixis ad oculos oder der Deixis am Phantasma.

60

Zu den neueren Koreferenz- und Bekanntheitskonzepten siehe Kap. 2.5.

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Bühler (1934, 122 in Fußnote) bezeichnet diesen Fall als Kataphora, spricht aber von dem Gesamtphänomen als Anaphora bzw. anaphorischem Zeigen.

62

Bühler (1934, 121f.) lehnt zwar im Zusammenhang mit den Vorwärtsverweisen den Brugmannschen Terminus präparatorisch als unpräzise ab, dennoch trifft der Begriff das Phänomen ganz gut, wenn man davon absieht, daß Brugmann im Falle des Verweises auf Unbekanntes von Deixis sprechen würde, Bühler jedoch von Anaphora bzw. Kataphora.

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1.4 Fazit

Es läßt sich also als Bilanz festhalten, daß Bühler das seit Appolonius zumindest als sekundäres Unterscheidungsmerkmal geltende Kriterium der Bekanntheit zur Unterscheidung von Deixis und Anaphora aufgibt. Das Kriterium der Wahrnehmbarkeit fuhrt ebenfalls zu einer anderen Unterscheidung, denn auch auf nicht Wahrnehmbares kann deiktisch verwiesen werden. Bühlers Neuorientierung hat ihre Ursache in einer ganz anderen Betrachtungsweise des Phänomens. Bei den Griechen und Indogermanisten werden Deixis und Anaphora deshalb gemeinsam behandelt, weil sie mit den gleichen Pronomen verbunden sind, und diese Pronomen sind der Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen. Die Pronomen werden letztlich über ihre syntaktische Äquivalenz zu Nomen definiert, so daß ihr Substitutionscharakter im Vordergrund steht. Die Behandlung deiktischer und anaphorischer Phänomene kann letztlich nicht über die im klassischen Wortklassenkonzept begründeten Grenzen hinausgehen. Bei Bühler dagegen sind der Ausgangspunkt weniger die Pronomen oder sprachliche Ausdrücke überhaupt, sondern das im Rahmen seiner Zweifeldertheorie psychologisch definierte Zeigfeld. Die darin operierenden Zeigwörter werden funktional und nicht als extensional definierte Klasse betrachtet. Innerhalb dieses Zeigfeldes kann auf verschiedene Modi gezeigt werden. Die Modi des Zeigens sind jedoch nicht abhängig von den Zeigwörtern, sondern davon, wie sich das Zeigfeld konstituiert. Die Unterscheidung in Deixis und Anaphora ergibt sich je nachdem, ob sich das Zeigfeld als wahrnehmbare oder vorstellbare Situation einerseits oder als sprachlicher Kontext andererseits konstituiert. Deixis und Anaphora bleiben aber letztlich zwei Formen desselben Phänomens, das sich auch weitgehend über die gleichen Zeigwörter realisiert. Dabei steht die Unterscheidung zwischen Deixis und Anaphora für Bühler auf der gleichen Stufe wie die zwischen Deixis ad oculos und Deixis am Phantasma. Somit kann man sagen, daß Bühler die Anaphora eigentlich als eine - wenn auch besondere - Form der Deixis betrachtet. Dabei nimmt Bühler sowohl fur die Deixis als auch die Anaphora eine egozentrische Origo an. Da die Zeigziele innerhalb der Rede oder des Diskurses lokalisiert sind, könnte man statt von Anaphora durchaus auch von Diskursdeixis sprechen. Ein weiteres Indiz für die Korrespondenz der Bühlerschen Anaphora mit der Diskursdeixis ist die Tatsache, daß bei Bühler sowohl die Deixis als auch die Anaphora den Hörer vom Standpunkt des Sprechers aus orientieren. Die Zusammengehörigkeit von Deixis und Anaphora wird auch in Bühlers Kritik am klassischen Wortklassenkonzept und speziell dem traditionellen Pronomenbegriff deutlich, dem er seine für Anaphora sowie Deixis zuständigen Zeigwörter gegenüberstellt. Zeigwörter würden in der traditionellen Wortklassensystematik unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden, sind aber laut Bühler Träger vergleichbarer deiktischer Orientierungsprozesse, und diese Prozesse waren für ihn der Ansatzpunkt

32 für ein neuartiges Wortklassenkonzept. "Man muß das deiktische Moment zum Merkmal des Gattungsbegriffes erheben, dann wird eine Reihe klassifikatorischer Schiefheiten aus der Terminologie der Grammatiker verschwinden und das natürliche Gesamtsystem der Zeigwörter sichtbar werden" (Bühler 1934, 117). Wie immer ein solches 'Gesamtsystem' aussehen mag, fest steht auf jeden Fall, daß es bei der Analyse der Deixis und der Anaphora, die ja im wesentlichen als Diskursdeixis verstanden werden kann, nicht ausreicht, sich auf bestimmte Wortklassen (schon gar nicht bestimmte Wörter) zu konzentrieren. Wie wir sehen werden, muß vielmehr die ganze Äußerung, mit der der deiktische Prozeß ausgeführt wird, betrachtet werden.

2 Referenz und Deixis

2.1 Einleitung

Obwohl die moderne, d.h. vor allem pragmatisch orientierte Deixisforschung sich stets auf Bühler beruft und trotz gelegentlicher Kritik an der klassischen Wortklassenkonzeption (vgl. z.B. Ehlich 1979, 139ff. oder Frankel 1974, 223ff.), ist Bühlers Vorschlag, Deixis und Anaphora auf der Grundlage einer Klasse von Zeigwörtern zu betrachten, eigentlich nie konsequent weiterverfolgt worden. Anders als bei Bühler werden Deixis und Anaphora dann auch selten im Rahmen einer gemeinsamen Theorie der Zeig- oder Orientierungsprozesse behandelt. Während die Deixis jedoch im allgemeinen in Beziehung zur Äußerungssituation und damit in Anlehnung an Bühlers Deixis ad oculos behandelt wird, hat sich für die Anaphora meist ein anderes Verständnis durchgesetzt, das sich vielfach wieder am Substitutionskonzept ausrichtet. Die Anaphora ist zwar durchaus kein marginaler Gegenstand moderner linguistischer Untersuchungen und stellt beispielsweise in der GB-Theorie (vgl. z.B. Chomsky 1981) sogar einen zentralen Gegenstand dar, wird dort jedoch vor allem unter syntaktischer Perspektive untersucht (vgl. Reinhart 1983). Aber selbst unter pragmatischer Perspektive wird sie meistens außerhalb der Deixis angesiedelt. Dafür wird den traditionellen deiktischen Dimensionen häufig noch eine vierte, die Diskurs- bzw. Textdeixis hinzugefügt.' Charles Fillmore war einer der ersten, der sich im Rahmen pragmatischer Überlegungen auch systematisch mit der Deixis beschäftigte. Dabei fuhrt er, wie erwähnt, den Begriff der Diskursdeixis ein.2 Die Diskursdeixis ist wie jede Form der Deixis an den Kommunikationsakt gebunden. Das wesentliche Element seiner Deixisdefinition (vgl. Fillmore 1972, 147) liegt darin, daß nur durch die Kenntnis dieses Aktes die jeweils gebrauchten deiktischen Ausdrücke interpretierbar werden. Das Spezifische der Diskursdeixis ist die Tatsache, daß sie sich auf Diskursteile beziehen, wobei die

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Es wurde schon erwähnt, daß die Deixis traditionell in eine lokale, temporale und personale Dimension eingeteilt wird und diese Einteilung eigentlich von allen Deixisexperten als fundamental betrachtet wird. Es wird aber vielfach vorgeschlagen, andere, vor allem eine soziale und eben die diskursive, hinzuzufügen. Auch Lakoff spricht schon früh von Diskursdeixis, die sie neben den traditionellen Dimensionen und der 'emotiven' Deixis einführt. Sie macht in ihren wenigen Bemerkungen aber im Grunde keinen Unterschied zwischen Deixis und Anaphora (vgl. Lakoff 1974, 345) und soll deshalb auch im folgenden nicht weiter berücksichtigt werden.

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coding time das Orientierungszentrum darstellt.3 Filimores (1975, 70) Definition von Diskursdeixis sei hier wiederholt: "Discourse deixis has to do with the choice of lexical or grammatical elements which indicate or otherwise refer to some portion or aspect of the ongoing discourse." Damit läuft Fillmores Diskursdeixis ziemlich genau auf das hinaus, was Bühler als Anaphora bezeichnet hatte. 4 Wie bereits ausfuhrlich dargelegt wurde, hatte Bühler das Zeigen auf "ein Stück der Rede selbst" als Anaphora aufgefaßt. Da Bühler ja die Anaphora letztlich als deiktisches Phänomen sah, ist dieses Ergebnis auch nicht verwunderlich. Neu ist eigentlich bei Fillmore nur die Bezeichnung Diskursdeixis, und sie ist lediglich deshalb notwendig geworden, weil er den Anaphorabegriff für ein seiner Ansicht nach nicht-deiktisches Phänomen verwendet. Allerdings geht Fillmore auf die Anaphora nur am Rande ein, und auch der Diskursdeixis gelten letztlich nur einige Bemerkungen innerhalb seiner "Ansätze zu einer Theorie der Deixis." 5 Bei der Explikation seines Verständnisses von Diskursdeixis (also Bühlers Anaphora) kommt Fillmore auch nicht wesentlich über Bühler hinaus. Allerdings deuten sich Problembereiche an, die in unserer weiteren Diskussion eine bedeutende Rolle spielen werden. Fillmores obige Definition ist in zweierlei Hinsicht vage. Als erstes bleibt unklar, was gemeint ist, wenn nicht gezeigt ("indicate"), sondern anderswie referiert ("otherwise refer") wird. Damit stellt sich die Frage nach der genauen Funktion der Diskursdeixis. Festzustehen scheint lediglich, daß in irgendeiner Weise verwiesen wird. Auf das Phänomen unterschiedlicher Zeig- bzw. Referenzprozesse, das wir zunächst mangels eines besseren gemeinsamen Terminus als Verweisen bezeichnen wollen, muß auch im Zusammenhang mit dem Charakter des Verweisziels noch näher eingegangen werden. Neben der Art des Verweisens bleibt nämlich als zweites zu klären, worauf bei der Diskursdeixis verwiesen wird. Was als Teil oder Aspekt ("portion or aspect") des Diskurses angesehen wird, auf den ein deiktischer Ausdruck verweist, wird von Fillmore (und den meisten anderen Autoren) nicht erläutert. Diese Unklarheit wird durch Fillmores Anaphoraverständnis noch verkompliziert. Fillmore differenziert zwischen dem deiktischen und anaphorischen Gebrauch deiktischer Ausdrücke, während laut Bühler Zeigwörter bekanntlich immer deiktisch gebraucht werden. Sowohl bei der Anaphora als auch bei der Diskursdeixis wird 3

Allerdings m a c h t er deutlich, daß sich die Diskursdeixis auch über lokaldeiktische A u s d r ü c k e manifestieren kann. A u f die Möglichkeit, sich mit lokaldeiktischen und temporaldeiktischen A u s d r ü c k e n a u f Diskursteile zu beziehen, w u r d e schon hingewiesen.

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D a ß Fillmore den B e g r i f f Diskursdeixis f ü r Bühlers A n a p h o r a austauscht und den etablierten nicht-deiktischen A n a p h o r a b e g r i f f übernimmt, hängt wohl auch d a m i t z u s a m m e n , daß er den deiktischen A n a p h o r a b e g r i f f Bühlers gar nicht kennt. W i e schon e r w ä h n t ( K a p . 1.1, Fn 3), schätzt Fillmore Bühlers Sprachtheorie hoch ein, hatte sie aber z u g e g e b e n e r m a ß e n z u m i n d e s t anfänglich gar nicht wirklich gelesen.

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Fillmore (1972, 171) sieht seine Überlegungen auch nicht als "ausgereifte S t e l l u n g n a h m e zum T h e m a Deixis." D e n n o c h sind gerade seine Ideen zur Diskursdeixis i m m e r wieder a u f g e g r i f f e n und bisher k a u m wesentlich erweitert worden.

35 dabei auf ein sprachliches Element im vorangehenden Diskurs verwiesen. Allein der anaphorische Gebrauch ist bei Fillmore (1975, 40) aber an das (für Bühler irrelevante) Merkmal der Koreferentialität geknüpft. Damit erweist sich das Referenzkonzept als zentral für Filimores Anaphoraverständnis. Referiert wird jedoch auch bei der Deixis. Wie wir sehen werden, machen dies gerade auch neuere Deixistheorien deutlich, selbst wenn sie nicht explizit auf Referenzphänomene eingehen. Angesichts des unklaren Gebrauchs des Referenzbegriffs, der sich auch in späteren Erklärungsversuchen diskursdeiktischer und anaphorischer Phänomene oftmals fortsetzt, scheint es zunächst ratsam, einen in diesem Zusammenhang brauchbaren Referenzbegriff zu entwickeln, dann die Beschaffenheit deiktischer und anaphorischer Referenz abzuklären, um schließlich den spezifischen Fall der Diskursdeixis gegenüber der Anaphora erneut zu betrachten.

2.2 Referenz in Sprachphilosophie und Linguistik

Als Bühler seine Deixistheorie entwickelte, hatte in der Logik und Sprachphilosophie die Diskussion um Referenz und Denotation schon begonnen. Bühler (1934, 104) geht sogar im Rahmen seiner Behandlung von Russells egocentric particulars am Rande darauf ein,6 verwendet selbst aber den Referenzbegriff nicht. In den neueren Deixistheorien ist er dagegen bisweilen zu finden. Allerdings taucht er meistens eher beiläufig auf und wird selten expliziert. Im folgenden soll nun der Referenzbegriff, dessen vor allem sprachphilosophische Entwicklung in letzter Zeit auch in der Linguistik mehrfach umfassend aufgearbeitet wurde, 7 nur insoweit behandelt werden, wie er für das Verständnis moderner Deixiskonzepte und die anschließende Diskussion notwendig ist. Der Referenzbegriff ist mindestens seit Frege ein zentraler, wenn nicht sogar der zentrale Gegenstand sprachphilosophischer und sprachtheoretischer Überlegungen gewesen (vgl. Martinich 1984, VII) und ist heute fester Bestandteil jeglicher semantischer Theorie. Dabei wird die sprachliche Referenz jedoch zunehmend auch als pragmatisches Phänomen betrachtet, denn in Abgrenzung zur als rein semantisches Phänomen zu verstehenden Denotation (vgl. Herbermann 1988, 27f.) wird heute gemeinhin davon ausgegangen, daß ein sprachliches Zeichen keine Referenz 6

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Dabei verurteilt er die Versuche der Logiker, sie aus logischen Beschreibungen zu eliminieren ein Versuch, der auch nach Bühler angehalten hat und der wohl als gescheitert angesehen werden muß (vgl. Bar-Hillel 1954). Aus der umfangreichen Literatur der letzten Zeit seien hier nur die Monographien von Martinich (1984), Runggaldier (1985) oder Herbermann (1988) genannt.

36 an sich besitzt, sondern daß sie erst im Kommunikationsakt konstituiert wird (vgl. Lyons 1977). Die von Kripke (1979) und Donnellan (1978) gemachte Unterscheidung in speaker's reference und semantic reference läuft in etwa ebenfalls auf die Unterscheidung von Referenz und Denotation hinaus. Referenz ist also demnach ein Phänomen der Verwendung von sprachlichen Ausdrücken. 8 Sieht man einmal von rein phatischen Gesprächssegmenten ab, ist es, ohne auf etwas zu referieren, nicht möglich, sprachlich zu handeln bzw. überhaupt sinnvoll zu kommunizieren. Diese Sichtweise geht vor allem auf Strawson (1950) zurück. Er macht in seinem sozusagen als klassisch zu betrachtenden Aufsatz "On Referring" aus sprachphilosophischer Sicht darauf aufmerksam, daß der Sprecher und nicht der Ausdruck selbst referiert. Genau genommen referiert der Sprecher, indem er einen referierenden Ausdruck gebraucht. "People use expressions to refer to particular things" (Strawson 1950, 328). Eine solche Sichtweise legt auch den Kontextbezug sprachlicher Äußerungen nahe, in dessen Rahmen die Referenz abläuft. Strawson (1950, 336) schreibt dem Gebrauch referentieller Ausdrücke eine identifizierende Rolle zu. Um diese Rolle ausüben zu können und ein "Ding" identifizieren zu können, muß eine kontextuelle Rahmenbedingung ("the contextual requirement") erfüllt sein: "the requirement that the thing should be in a certain relation to the speaker and to the context of utterance." 9 Darüber hinaus involviert die Abhängigkeit vom Sprecher den Handlungscharakter und die Intentionalität des Referierens, wie vor allem Searle (1969 und 1983) später deutlich macht. Auf Searle, dessen Sprechhandlungskonzept auch großen Einfluß auf die linguistische Auseinandersetzung mit der Referenzproblematik gehabt hat, soll nun gleichsam exemplarisch für die moderne sprachphilosophisch-pragmatische Sicht des Referenzphänomens eingegangen werden.

2.2.1 Der Referenzakt bei Searle Searle (1969, 72ff.) betrachtet Referenz als einen Sprechakt im Rahmen seiner Sprechhandlungstheorie. Darin wird die Referenz nicht mehr allein auf der Basis von Aussagesätzen und Propositionen gesehen. Der Referenzakt ist Teilakt des 8

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Ein davon völlig abweichendes Verständnis hat Diewald (1991, 13), die offenbar Denotation mit Referenz vertauscht. Deixis ist bei ihr "kontextabhängige Denotation" - eigentlich ein Widerspruch in sich. Dieser Widerspruch wird besonders deutlich, wenn sie die Deixis folgendermaßen charakterisiert: "Der Sprecher bezieht sich durch sie auf bestimmte Elemente des Äußerungskontextes..." Diese Begriffsverwirrung ist deshalb besonders verwunderlich, weil Diewald ansonsten sich häufig auf Lyons (1977/1983) und dessen begriffliches Instrumentarium, das die oben gemachte Referenz-Denotationsunterscheidung einschließt, bezieht. Strawson (1950, 336) wendet dabei einen weiten Kontextbegriff an: "by context I mean, at least, the time, the place, the situation, the identity of the speaker, the subjects which form the immediate focus of interest, and the personal histories of both the speaker and those who he is addressing." Dies läuft in etwa auf das hinaus, was beispielsweise Lyons (1977) als universe-ofdiscourse bezeichnet. Siehe Kap. 2.2.2.

37 eigentlichen Sprechaktes. Diese Ausdrucksweise gibt allerdings Anlaß zu Mißverständnissen, denn einerseits wird ein Sprechakt als komplette Einheit betrachtet, die sich auf der Grundlage seiner kommunikativen Funktion im Sinne der Illokution konstituiert. Andererseits wird auch der Referenzakt allein als Sprechakt bezeichnet, wobei er wiederum Teilakt des propositionalen Aktes ist. Es muß aber klar gesehen werden, daß der Referenzakt einen anderen Status hat als das, was in Anlehnung an Searles eigene Terminologie heute im allgemeinen als Sprechakt bezeichnet wird. Der Referenzakt ist zwar konstitutiver Bestandteil eines solchen Sprechaktes, kann aber nicht selbst ein Sprechakt gleichen Charakters sein.10 Der Referenzakt soll also nicht im Sinne eines Sprechaktes mit eigenständiger illokutiver Kraft verstanden werden. Die Grundlage dafür, daß beides dennoch als Akt bezeichnet werden kann, bietet ihr Handlungscharakter bzw. die Intentionalität 11 auf Sprecherseite, die Searle beiden Akttypen zuschreibt. Insofern ist es ihm auch möglich, den Referenzakt parallel zur Illokution, in die er eingebettet ist, zu behandeln, indem er vergleichbare Bedingungen und Regeln für seine erfolgreiche Durchführung aufstellt. Voraussetzung für einen erfolgreichen Referenzakt ist zunächst die triviale Forderung, daß die Äußerung eines referentiellen Ausdruckes unter normalen physikalischen Kommunikationsbedingungen im Rahmen eines Satzes (oder einer vergleichbaren syntaktischen Einheit) erfolgt. Mit der nächsten Bedingung trägt Searle der seit Russells (1905) Behandlung definiter Beschreibungen schwelenden sprachphilosophischen Auseinandersetzung um Existenz und Unikalität von Referenzobjekten, bzw. um die Wahrheit der damit verbundenen (ggf. präsupponierten) Propositionen Rechnung: "There exists some object X such that either R contains an identifying description of X or S is able to supplement R with an identifying description of X" (Searle 1969, 95). Die Identifizierung des Objektes (X) kommt dadurch zustande, daß der Sprecher (S) in seiner Äußerung (R) entweder eine nur für dieses Objekt wahre Prädikation oder seine "ostensive oder indexikalische Präsentation kommuniziert" (Searle 1969, 80).12 Auf die indexikalische Identifikation des Referenzobjektes geht Searle nicht

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Wir schließen uns hier der Kritik Herbermanns (1988, 26) an: "Wenn man Sprechakt als einen hierarchiemäßig fixierten, funktional bestimmten Terminus versteht - und als solcher ist er von Searle eingeführt worden - dann ist es logisch-begrifflich nicht möglich, konstitutive Teile der als Sprechakt bezeichneten Einheit selbst wiederum als Sprechakt zu bezeichnen." Es sei hier darauf verwiesen, daß Searle (1983) ein Intentionalitätskonzept vertritt, das über das übliche, umgangssprachliche hinausgeht. Searle rechnet nicht nur die Intention der Intentionalität zu, sondern auch andere mental states wie belief, fear, hope etc. Diese "are directed at, or about, or refer to, or are of objects and states of affairs in the world other than themselves" (Searle 1984, 16). Für die folgenden Bemerkungen reicht jedoch das engere, im Searleschen Konzept enthaltene, umgangssprachliche Verständnis aus. In seiner Behandlung seines Prinzips der Identifikation, auf dessen Grundlage diese Bedingung formuliert ist, merkt Searle (1969, 80) seine Unzufriedenheit mit dem Verb "communicate" an, da

38 weiter ein,13 da er wohl davon ausgeht, daß sie nicht weiter problematisch sei. Wichtig ist für ihn primär, daß der Sprecher zur Identifizierung des Referenzobjektes in der Lage ist, (sozusagen auf Nachfrage) eine definite Beschreibung zu geben, die den dafür festgelegten Bedingungen unterliegt. Er beschäftigt sich ausschließlich mit singular definite reference, der Referenz auf bestimmte einzelne Entitäten, die er aber auch an den Gebrauch spezifischer Ausdrücke gebunden sieht (vgl. Searle 1969, 72). Die Identifikation der Referenzobjekte wird durch den Gebrauch nominaler Ausdrücke erreicht. Einerseits zählt er zu diesen Ausdrücken deiktische Pronomen (auch in Verbindung mit Zeiggesten und deren Äquivalenten), andererseits komplexe Nominalphrasen im Sinne der Russellschen definiten Beschreibungen sowie Eigennamen und Titel14 (vgl. Searle 1969, 81). Searles Vorschläge zur sprachphilosophischen Auseinandersetzung um die Wahrheit der in definiten Beschreibungen (auf die bei ihm ja alle identifizierenden Ausdrücke letztlich zurückzufuhren wären) enthaltenen Propositionen 15 können an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Wichtig für einen diskursiven Referenzbegriff, der hier entwickelt werden soll, ist dagegen die von Searle geforderte Funktion des Referenzaktes und dessen Handlungscharakter. Als Funktion oder Zweck ("function or point") des Referenzaktes wird von Searle (1969, 81), wie schon bei Strawson, die Identifizierung genannt. "By identify here I mean that there should no longer be any doubt or ambiguity about what exactly is being talked about." Es scheint also primär um den Gesprächsgegenstand, der fur die Beteiligten identifizierbar sein soll, zu gehen. So gesehen wäre das Referenzobjekt ein diskursives Konstrukt, das im Gespräch von den Gesprächspartnern konstituiert wird. Searle bettet den Referenzakt jedoch nur in den einzelnen propositionalen Akt ein, der sozusagen losgelöst vom sonstigen diskursiven Geschehen betrachtet wird.16 Die von ihm geforderte Existenz und Unikalität des Referenzobjektes wird allein auf die unabhängig vom Diskurs betrachtete Welt bezogen und nicht etwa auf ein Diskursuniversum (vgl. dazu Lyons 1975, 81 f.).

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es beinhalte, daß der Sprecher dem Hörer etwas Neues mitteile. Dies sei bezüglich des Referenzobjektes nicht notwendig der Fall. In seinem Intentionality-Buch befaßt sich Searle jedoch ausführlicher mit indexikalischen Ausdrücken (vgl. Searle 1983, 218ff.). Dort behandelt er indexikalische Referenz, wie übrigens auch die Referenz durch Eigennamen, unter dem Gesichtspunkt seines mentalistischen Intentionalitätskonzeptes. An seinem Identifikationsprinzip, das sich letztlich auf wahre definite Beschreibungen zurückführen läßt, ändert dies jedoch nichts. Einen Überblick zur Indexikalität aus sprachphilosophischer Perspektive gibt Richter (1988). Die Titel, als Beispiele nennt er the Prime Minister oder the Pope, ordnet er zwischen Eigennamen und definiten Beschreibungen ein. Vgl. dazu auch Strawson (1950). Der am weitesten führende Vorschlag ist wohl Donnellans (1978) Unterscheidung in attributiven und referentiellen Gebrauch solcher Ausdrücke. Searle (1992, 20) gesteht dem diskursiven Geschehen keine "innere Struktur" zu. Konversationen folgen nämlich laut Searle im Gegensatz zu Sprechakten keinen "konstitutiven Regeln" und haben auch keinen vergleichbaren "Zweck".

39 Allerdings orientiert der Sprecher seine Handlungen am Hörer, wie in der essential condition des Referenzaktes deutlich wird. Diese zentrale Bedingung des Referenzaktes, in der auch dessen Handlungscharakter zum Ausdruck kommt, formuliert Searle (1969, 95) parallel zur wesentlichen Bedingung von illokutiven Akten: "S intends that the utterance of R will pick out or identify X to H." Diese knappe Formulierung wird anschließend folgendermaßen erweitert: "S intends that the utterance of R will pick out or identify X to Η by means of H's recognition of S's intention to identify X and he intends this recognition to be achieved by means of H's knowledge of the rules governing R and his awareness of C." Damit will Searle (1969, 95) berücksichtigen, daß die Identifizierung des Referenzobjektes - er spricht an dieser Stelle ausnahmsweise von "calling attention to it"11 - unter Beachtung des Griceschen Kooperationsprinzips und nicht per Zufall oder mit nicht-sprachlichen Mitteln erfolgt. Die Intention ist dadurch demonstrierbar, daß der Sprecher in der Lage ist, eindeutig referierende Ausdrücke anzugeben. Dem Hörer müssen "sufficient means to identify the object from the speaker's utterance of the expression" (Searle 1969, 82) gegeben werden. 18 Wie diese Mittel gestaltet sind, gibt er nicht an. Er geht vermutlich von Gebrauchsregeln fur die oben erwähnten nominalen Ausdrücke aus, die im Rahmen des Kontextes (C) Gültigkeit haben (vgl. Wimmer 1979, 26ff.). Voraussetzung des Referenzaktes bleiben also bestimmte nominale Ausdruckstypen. 19 Es sollte jedoch erwähnt werden, daß Searle sich ausdrücklich nur mit singulärer definiter Referenz beschäftigt und wohl annimmt, daß Referenzakte mittels der von ihm dafür genannten Typen nominaler Ausdrücke - zumindest im Rahmen der vorangegangenen sprachphilosophischen Diskussion - relativ unproblematisch seien. Durch die Beschränkung auf einen bestimmten Typ von Referenzobjekten und die entsprechenden Ausdrücke basiert seine Behandlung der Referenz (vielleicht auch der besseren Darstellbarkeit der Bedingungen des Referenzaktes wegen) auf einer Idealisierung der diskursiven Tatsachen.20 Insofern kann es in Searles Referenzakt, selbst wenn er vorgibt, daß die Funktion des Referenzaktes die Identifikation dessen ist, worüber gesprochen wird, gar nicht um Gesprächsgegenstände gehen, da davon

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Auf diese eher psychologisch-kommunikative Funktion wird noch zurückzukommen sein. Siehe unten. Wimmer (1979, 89) interpretiert deshalb "die Intention zu referieren und die Fähigkeit zu identifizieren gewissermaßen als zwei Seiten ein und derselben Disposition des Sprachteilhabers". Letztlich ausschlaggebend ist, daß Sprecher und Hörer eine wahre definite Beschreibung des Referenzobjektes vorbringen können. Dabei können die anfanglich benutzten, ggf. mißverständlichen, identifizierenden Ausdrücke beispielsweise auch Eigennamen sein (vgl. Searle 1969, 171). Ähnliches gilt wohl auch für deiktische Pronomen, wie in Searle (1983, 220ff.) deutlich wird. Im übrigen abstrahiert ja eigentlich die ganze Sprechakttheorie vom tatsächlichen Gesprächskontext, was sich u.a. auch darin zeigt, daß diskursanalytische Versuche auf ihrer Basis wenig erfolgreich waren (vgl. Lenz 1993, 353ff.).

40 ausgegangen werden muß, daß Gesprächsgegenstände sich auch ohne das Vorkommen bestimmter Ausdruckstypen konstituieren.21 Allerdings scheint die Beschränkung auf definite und zumeist auch singulare Referenz in der Sprachphilosphie eher üblich zu sein (vgl. Herbermann 1988, 32), wobei der Eindruck entsteht, daß Referenz lediglich mittels des Gebrauchs (singulärer) definiter nominaler Ausdrücke möglich wäre.22 Wie wir sehen werden, entspricht dies nicht der kommunikativen Wirklichkeit. Die in der Sprachphilosophie etablierten und auch von Searle übernommenen Forderungen nach Existenz, Unikalität und Identifizierbarkeit der Referenzobjekte basieren auf einer als selbstverständlich vorausgesetzten Wirklichkeit außerhalb des Diskurses einerseits und einem Inventar der entsprechenden Ausdrücke andererseits.23 Obwohl Referenz im Searleschen Ansatz als sprachliche Handlung aufgefaßt wird, wird nicht in Betracht gezogen, daß Referenzobjekte sich erst in der Kommunikation konstituieren.

2.2.2 Referenz als kommunikatives Phänomen und das Problem referierender Ausdrücke Von linguistischer, speziell semantischer Seite sind in den letzten Jahren etliche Versuche unternommen worden, einen kommunikativen Referenzbegriff zu entwickeln und dabei auch den pragmatischen Charakter der Referenz zu berücksichtigen. Dabei wird die Auffassung aus der Sprachphilosophie übernommen, daß es sich bei der Referenz um eine sprachliche Handlung handelt, mit der der Sprecher auf einen Gegenstand Bezug nimmt. Jedoch wird die Existenz des Gegenstandes im Kommunikationsprozeß verankert, womit auch die Hörerperspektive betont wird. So stellt Herbermann (1988, 25f.) fest: "Referenz ist eine bestimmte Art von Kommunikation ermöglichenden sprachlichen Handlungen; ihr sind Intentionalität und die Berücksichtigung des aktuellen Adressaten inhärent." Einen von den meisten sprachphilosophischen Ansätzen abweichenden, an umgangssprachlichen Gebrauchsregeln orientierten Referenz- und Existenzbegriff vertritt z.B. auch Wimmer (1979, 134) in seiner Referenzsemantik. "Umgangssprachlich heißt die Existenz eines Gegenstandes im Grunde nichts anderes als seine von allen beteiligten Kommunikationspartnern anerkannte referentielle Bestimmtheit." Aller21

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Searles Theorie beinhaltet, daß in der Regel jeder Sprechakt einen Propositionsakt und damit einen Referenz- und Prädikationsakt aufweist. Dabei macht er deutlich, daß sich diese gerade nicht in Form eines indikativischen, deklarativen Satzes äußern müssen, schon gar nicht im Gebrauch bestimmter Typen von Ausdrücken. In seinen Beispielen hat es jedoch ganz offensichtlich den Anschein, daß dies so wäre. Siehe dazu das nächste Kapitel. Es sollte allerdings berücksichtigt werden, daß dies nicht die Position aller Sprachphilosophen ist. So bemüht sich schon Strawson (1950, 341ff.) um indefinite Referenz. Später macht Searle (1983) jedoch deutlich, daß der Referenzakt und Gegenstände in der Welt nicht völlig disparat sind, sondern Uber das Intentionalitätskonzept miteinander verbunden werden können. Auf den diskursiven Aspekt geht er aber nicht ein.

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dings geht auch er davon aus, daß "der referentielle Gebrauch von Ausdrücken [...] an die Nominalphrase gebunden ist" (Wimmer 1979, 17). Ähnlich engt Thrane (1980, 39ff.) seinen Untersuchungsbereich auf Nominalphrasen ein, wobei er in referential expressions, die potentiell referieren, und referring expressions, die aktuell referieren, unterscheidet. Auch in semantischen Referenzuntersuchungen ist also eine Beschränkung auf nominale Ausdrücke nicht unüblich. Im übrigen beschränkt sich nicht nur Wimmer (1979, 16) auf die "Praxis bisheriger Forschung" und untersucht lediglich die Referenz auf Einzelgegenstände.24 Diese Beschränkungen des Untersuchungsgegenstandes werfen solange keine Probleme auf, wie man keine empirischen Daten kommunikativen Geschehens analysiert, sondern sich mit ausgewählten und zumeist erfundenen Beispielen befaßt. Für die Linguistik, zumindest für die kommunikationsorientierte, sollte sich das Referenzproblem jedoch in Abhängigkeit der sprachlichen Daten und der kommunikativen Konstitution der Wirklichkeit stellen. Lyons (1977, 184) formuliert daher in seinem Standardwerk zur Semantik sein Interesse an der Referenz eher pragmatisch, so daß zunächst ein diskursbezogenes Vorgehen zu erwarten wäre: "The fundamental problem for the linguist, as far as reference is concerned, is to elucidate and to describe the way in which we use language to draw attention to what we are talking about." In seiner Aufarbeitung des Referenzphänomens geht er aber nicht diskursbezogen vor, sondern operiert mit (erfundenen) isolierten Beispielen. Zudem nimmt Lyons sprachliche Formen, und zwar wiederum nominale Ausdrücke zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Dabei erscheint er allerdings weniger rigide bezüglich der Typen nominaler Ausdrücke vorzugehen, die fur referentielle Akte in Betracht kommen. Referenzobjekte können sich aus einer Anzahl von Einzelobjekten zusammensetzen, und insofern steht für Lyons die Referenzfahigkeit von nicht-singulären definiten nominalen Ausdrücken fraglos fest. Zudem behandelt er auch von ihm als indefinit bezeichnete Referenz. Sie ist für Lyons (1977, 188) an den Gebrauch indefiniter nominaler Ausdrücke ("indefinite pronouns or a noun phrase introduced by the indefinite article") geknüpft. Diese wiederum haben lediglich dann den gesicherten Status referierender Ausdrücke, wenn sie im Sinne sogenannter spezifischer indefiniter Referenz gebraucht werden. Spezifische indefinite Referenz ergibt sich für ihn eindeutig nur im Zusammenhang mit definiten Pronomen. Hierbei resultiert die Spezifität aus dem sprachlichen Kontext. Als Beispiel fuhrt er den Satz Every morning at six o'clock a heron flies over the chalet an, bei dem offen ist, ob ein bestimmter Reiher gemeint ist. In diesem Fall bleibt für Lyons unklar, ob a heron ein referentieller - eigentlich müßte er sagen referentiell gebrauchter - Ausdruck ist. Erst die anaphorische Wiederaufnahme im 24

Es sollte aber erwähnt werden, daß Wimmer die Referenz auf eine Vielzahl von Gegenständen für ebenso möglich und prinzipiell vergleichbar mit der auf Einzelgegenstände hält. Den Unterschied macht er auch nicht allein am Numerus der Nominalphrase fest. Thrane (1980) untersucht ohnehin nicht nur die Referenz auf Einzelobjekte.

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Nachfolgesatz It nests in the grounds of the chateau durch it sichert die Spezifität und damit den Status als referenzfähiger Ausdruck. Da mit einem definiten Pronomen auf das Referenzobjekt eines Antezedenten referiert wird, muß das Antezedens, selbst wenn es (grammatisch) indefinit ist, zwangsläufig auch referieren. Dies entspricht etwa Karttunens (1971) Verständnis von discourse referents, die dann als eingeführt gelten können, wenn anaphorische Referenz auf sie möglich ist. Es fragt sich allerdings, welcher referentielle Status einem indefiniten nominalen Ausdruck zugebilligt werden soll, wenn er nicht im Rahmen anaphorischer Wiederaufnahme gebraucht wird. 25 Lyons (1977, 188) läßt dies offen und meint lediglich: "it is far from clear that it is correctly regarded as a referring expression." Selbst wenn man davon ausgeht, daß es sich nicht um ein spezifisches, sondern um ein beliebiges (im Zusammenspiel mit Quantoren ggf. mehrere beliebige, z.B. two herons) Exemplar einer Gattung handelt, so kann doch der Sprecher gar nicht anders als darauf referieren, wenn er wie im Beispielsatz eine kommunikativ sinnvolle Aussage darüber machen will.26 Thrane (1980) spricht von kategorialer Lokalisierung, die grundsätzlich mit dem Gebrauch referierender Ausdrücke verbunden ist. Dazu kann, muß aber nicht, spatio-temporale kommen, wenn das Referenzobjekt als ein spezifisches an einem bestimmten Ort in Raum und Zeit angesiedelt wird. 27 Letztlich läuft das, was Lyons spezifische indefinite Referenz nennt, auf eine Form definiter Referenz hinaus, wie auch aus seinem Verständnis definiter Ausdrücke hervorgeht. "Definite expressions refer to some specific individual" (Lyons 1977, 178). Offenbar hat er selbst Schwierigkeiten, aufgrund von bestimmten grammatischen Klassifikationen verschiedene Arten von Referenz zu definieren. Ungeachtet dieser (nur terminologischen?) Unklarheiten ist aber von Interesse, daß sich die Identifizierbarkeit von Referenzobjekten auf den diskursiven Kontext bezieht. "Once any information at all has been supplied about an indefinite referent, it can then be treated by the participants as an individual that is known to both of them and identifiable within the universe-of-discourse by means of a definite referring expression. It is not a necessary condition of successful reference that the speaker or hearer should be able to identify the individual being referred to in any sense of 'identification' other than this." Referenz ist damit bei Lyons an die von den Kommunikationspartnern unterstellte Spezifität des Referenzobjektes innerhalb des universe-of-discourse gebunden. 25

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Der von Lyons in ähnlicher Weise als problematisch betrachtete Fall attributiven Gebrauchs definiter Beschreibungen (vgl. Donnellan 1966) soll hier ausgeklammert werden. In beiden Fällen tauchen die Probleme lediglich auf, wenn das Referenzphänomen vom Ausdruck her, also nach Donnellan (1966) im Sinne von semantic reference statt speaker's reference, betrachtet wird. Man könnte in Anlehnung an Watzlawicks pragmatisches Axiom von der Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren, sagen, daß man nicht nicht referieren kann. Vgl. Watzlawick et al. (1969, 50ff.). Die Lokalisierung kann auch im universe-of-discourse erfolgen, wie gleich deutlich gemacht werden wird.

43 Dieses Universum wird primär vom Diskursverlauf (aber eigentlich nicht nur von definiten und indefiniten nominalen Ausdrücken), dem situativen Kontext und dem Kenntnisstand der Beteiligten aufgespannt (vgl. Lyons 1977, 570ff.). Es stellt sich dann jedoch erst recht die Frage, warum innerhalb dieses Universums zwischen definiter und spezifisch indefiniter Referenz unterschieden werden soll, da das Referenzobjekt in beiden Fällen ja definit im Sinne eines diskursiv bestimmten Referenzobjektes ist.28 Indefinit sind diese Ausdrücke im Grunde nur noch in Bezug auf ihre grammatische Klassifikation, 29 nicht bezüglich ihrer Referenzfähigkeit. Givön (1989, 174ff.) spricht deshalb unabhängig von grammatischen Kriterien im Rahmen von pragmatischen Überlegungen nur dann von indefiniter Referenz, wenn das Referenzobjekt nicht im universe-of-discourse bestimmt ist. Definit ist ein Referenzobjekt aufgrund des sog. referential intent: "the speaker is committed to the existence of a specific referent in the universe of discourse" (Givon 1993, 215). Man kann also Definitheit auch in Relation zur Vertrautheit der Beteiligten mit dem Referenzobjekt verstehen, wie dies schon Christopherson (1939) in ersten Ansätzen gesehen hatte. Das würde bedeuten, daß in den Diskurs eingeführte Objekte, sozusagen als Diskursreferenten, 30 auch dann definit wären, wenn sie mit einem aus grammatischer Sicht indefiniten Ausdruck eingeführt werden. Dies impliziert im übrigen nicht, wie Lyons richtig anmerkt, daß die Objekte außerhalb der diskursiven Wirklichkeit für alle Beteiligten identifizierbar sein müssen, etwa durch die Angabe einer definiten Beschreibung. Herbermann (1988, 37) geht schließlich über die grammatische Bezeichnung hinaus und definiert "Definitheit [...] als eine Weise der Referenz, die dem Adressaten mit der Verwendung des betreffenden Ausdrucks die Voraussetzbarkeit des betreffenden Referenten als aktueller Kommunikationsgegenstand signalisiert" (Hervorh. i.O.). Die Voraussetzbarkeit ist in hohem Maße diskurssensitiv, denn sie hat laut Herbermann (1988, 38) ihre Gründe in der Zugehörigkeit des Referenten zum aktuellen "verbalen Kontext", dem "situationeilen Kontext" oder dem "beim Adressaten voraussetzbaren Wissen".31

28 29

30

31

Zum Bestimmtheitsbegriff siehe Wimmer (1979, 9 Iff.). Abbott (1993, 42) macht deutlieh, daß "this characterization in terms of form does not correlate in any straightforward way with a semantic notion of definiteness." Vgl. auch Prince (1992, 209), die Definitheit bezüglich der grammatischen Form von der bezüglich des Informationsstatus trennt, wobei sie zwei Perspektiven, hearer new/old und discourse new/old, unterscheidet. Kartunen (1978) spricht, wie erwähnt, in vergleichbarem Zusammenhang von Diskursreferenten. Ähnlich macht auch Heim (1983) die Vertrautheit (familiarity) zum Ausgangspunkt ihres Definitheitsbegriffes. Ausführlich geht Hawkins (1978, 96ff.) auf das gemeinsame Wissen als Grundlage für definite Referenz und den Gebrauch des definiten Artikels ein. Herbermanns Gründe für Definitheit laufen auf die am Lyonsschen Begriff des universe-ofdiscourse beteiligten Faktoren hinaus. Nur das Adressatenwissen ist nicht unmittelbar in der Diskurssituation i.e.S. begründet, ist aber dennoch insofern diskurssensitiv, als es das beim Hörer zum Zeitpunkt und am Ort des Diskursgeschehens voraussetzbare Wissen darstellt.

44 Ein solcher kommunikativer Begriff von definiter Referenz weicht sowohl von dem der traditionellen Grammatik als auch dem der Sprachphilosophie ab. Er hat jedoch den Vorteil, daß in der Konsequenz nicht nur mit definiten nominalen Ausdrücken auf kommunikativ konstituierte Objekte Bezug genommen werden kann. Herbermann (1988, 34) geht auf dieser Grundlage schließlich davon aus, daß neben (definiten und indefiniten sowie generellen und universellen) nominalen Ausdrücken unter Umständen selbst Verbalausdrücken Referenzfähigkeit zugebilligt werden muß - dies beispielsweise dann, wenn der vom Verb bezeichnete Vorgang Gegenstand des weiteren Gespräches ist. Er gibt dafür folgendes Beispiel: Paul hat Paula geschlagen. Die Schläge haben deutliche Spuren hinterlassen. Gerade in der Textlinguistik wird häufig mit dem Begriff der Ereignisreferenz gearbeitet.32 Dabei wird leicht übersehen, daß auch außerhalb anaphorischer und kohäsiver Zusammenhänge Referenz auf Ereignisse möglich, ja sogar die Regel ist. Der Begriff Referenzo&ye&i ist irreführend, denn man könnte meinen, daß es sich um materielle Objekte {first order entities bei Lyons 1977) handeln muß. Das wird in der Sprachphilosophie aber gar nicht unterstellt, wenn auch diese Objekte bei Strawson (1959, 47ff.) am Identifizierungsprozeß der Individuais, der referenzfahigen Entitäten, beteiligt sind. Es können aber durchaus auch Entitäten, die temporal lokalisierbar sind (second order entities bei Lyons), als Referenzobjekte auftreten. Lyons (1977, 445) geht dann auf der Ausdrucksseite vom Prozeß der Nominalisierung aus. Dies ist jedoch nicht unbedingt notwendig, denn auch über die Verbalphrase kann ein Ereignis eingeführt werden. Schließlich wird in einem Kommunikationsakt ja im allgemeinen nicht nur eine (materielle, personale o.ä.) Entität über einen nominalen Ausdruck identifiziert, sondern diese Entität wird in eine Situation (Vorgang, Ereignis, Zustand im Sinne einer second order entity bei Lyons) gestellt. Neben der Identifikation eines Objektes, das in der Regel lokal identifiziert werden kann, haben wir es mit einem Ereignis im weiteren Sinn zu tun, das über die Lokalisation auf der Zeitachse identifiziert werden kann. Das Ereignis wird somit den Beteiligten als Kommunikationsgegenstand verfügbar. Man kann also sagen, daß im Satz auch über Verbalausdrücke referiert wird. Davidson hat aus der Sicht der Logik darauf aufmerksam gemacht, daß (Handlungs-) Verben immer Ereignisse einfuhren, 33 über die, wie er meint, "an indefinite number of things can be said" (Davidson 1967, 93). Wenn Aussagen über Ereignisse gemacht

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Vgl. Beaugrande/Dressler (1981) oder Vater (1992). Dabei beziehen sie sich auf kognitionssemantische Konzepte wie Jackendoff (1983). Zur Abhängigkeit anaphorischer Referenzobjekte von der Prädikation siehe auch Conte (1986, 9ff.). Der Einfluß des Prädikats auf das Referenzobjekt wird bei der Diskussion der Diskursdeixis noch eine wichtige Rolle spielen. Davidson spricht explizit lediglich von action sentences und den darin enthaltenen Verben. Zustandsverben stellen in der Tat ein großes Problem dar (siehe Kap. 3.2.1.2), da sie nicht ohne weiteres temporal lokalisierbar sind. Darüber hinaus sind verneinte Sätze problematisch, denn ein Nicht-Ereignis ist wie ein Zustand zu behandeln. Fragesätze werfen wie futurische Sätze Probleme der Modalität auf.

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werden können, sind sie Gegenstand des Diskurses bzw. Diskursuniversums, und das heißt mit anderen Worten, daß auf sie referiert werden kann. Wie in Kap. 3.2.1.2 noch deutlich gemacht werden wird, bedeutet dies, daß im Satz die Existenz eines Ereignisses mitbehauptet wird. Dieses Ereignis kann auf der Zeitachse eingeordnet werden, und in Sprachen mit obligatorischem Tempus scheint dies der Normalfall zu sein. Janssen (1994, 14) kommt aus temporalsemantischer Sicht so zu der Feststellung: "tensed clauses present events as definite." Die Einfuhrung eines definiten Ereignisses geht ja auch ganz deutlich aus der Ereignisanaphorik hervor. Nur wenn ein Referenzobjekt eingeführt ist, kann mit einem anaphorischen Pronomen darauf referiert werden. Es wird bei der Ereignisanaphorik also vorausgesetzt, daß ein (temporales) Referenzobjekt besteht, selbst wenn kein nominaler Ausdruck vorausgeht, auf dessen Referenten sich die Proform beziehen könnte.34 Ein solcher Fall wäre etwa: One of my tyres exploded yesterday. That was between Glasgow and Edinburgh. Die Referenz auf Ereignisse und der Gebrauch (finiter) Verben wird später noch eingehend behandelt werden. Hier sollte ausgehend von Herbermann nur darauf hingewiesen werden, daß in der Referenzdiskussion die Beschränkung auf nominale Ausdrücke nicht gerechtfertigt ist, da nachweislich auch Verben an Referenzprozessen beteiligt sind. Die Referenzfähigkeit adverbialer Ausdrücke, wie etwa der deiktischen Adverbien hier, jetzt, heute etc. steht eigentlich ohnehin außer Frage und müßte auch von jenen Autoren, die wie Searle indexikalische Ausdrücke nur in nominaler Form behandeln, anerkannt werden, da sie im Rahmen der Äußerungssituation eindeutig referentiell bestimmt sind (vgl. Herbermann 1988, 32). Auch dies könnte man wieder über die Anaphora zeigen: I went outside. It was raining there. Nur wenn der adverbiale Ausdruck im ersten Satz referiert, kann er von der deiktischen Proform aufgegriffen werden. Im übrigen zeigt das Beispiel, daß bestimmte Ausdrücke sowohl anaphorisch als auch deiktisch sind, da auch der aktuelle Standpunkt des Sprechers zu berücksichtigen ist (vgl. Lyons 1977, 676). Deixis ist eine Unterart definiter Referenzweise, die, wie wir sehen werden, aufgrund von Relationen des Referenzobjektes zu einer Origo prinzipiell Identifizierbarkeit des Referenzobjektes gewährleistet. Definite Referenz ist somit notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung der Deixis. Bevor nun näher auf die Deixis als Referenzphänomen eingegangen wird, sollen die wesentlichen Bestandteile eines am Diskursgeschehen orientierten Referenzbegriffes bilanziert werden. Es ist gezeigt worden, daß kommunikative Referenz nicht, wie in der sprachphilosophisch-logischen Diskussion suggeriert, an die Existenz von Referenzobjekten in einer außerhalb des Diskurses liegenden Welt, deren Beschreibung be34

Zu verschiedenen Formen der Ereignisanaphora vgl. Bäuerle (1988, 37ff.). Die Diskursrepräsentationstheorie, der auch Bäuerle nahesteht, versucht, die in einen Text eingeführten Ereignisse formal zu repräsentieren. Es handelt sich um eine ereignisbasierte Semantik (vgl. Kamp/Reyle 1993). Auch wir werden davon ausgehen, daß letztlich jeder Satz ein Ereignis (zumindest im weiteren Sinn, wie Bäuerle im Hinblick auf Zustandsverben sagt) einfuhrt. Siehe Kap. 3.2.1.2.

46 stimmten Wahrheitsbedingungen unterliegen, geknüpft ist. Vielmehr werden Referenzobjekte im Diskurs konstituiert. Referenz wird dabei als sprachliche Handlung aufgefaßt, die immer am Adressaten ausgerichtet ist und Kommunikation erst ermöglicht. Definite Referenz, und als solche ist auch die Deixis einzuordnen, signalisiert dem Adressaten, daß ein Referenzobjekt als aktueller Kommunikationsgegenstand voraussetzbar ist. Sie ergibt sich nicht automatisch aus grammatischen Kategorien, sondern wird erst im Diskursuniversum - allerdings auch auf der Grundlage bestimmter Typen von Ausdrücken - den Beteiligten ersichtlich.

2.3 Deixis als Referenzphänomen

Referenzphänomene werden, wie bei Filimores Deixisverständnis aufgezeigt wurde, explizit oft nur im Zusammenhang mit der Anaphora angesprochen. Aber nicht nur zur Abgrenzung der Deixis, speziell der Diskursdeixis, von der Anaphora bietet sich an, die Deixis prinzipiell in einen referenztheoretischen Rahmen zu stellen. Zwar wird oft betont, daß das Spezifikum der Deixis ihre Verankerung in der Situation, der Situation des Gebrauchs sprachlicher Ausdrücke, ist, aber dennoch wird selten auf Deixis als Referenzphänomen eingegangen.35 Im deutschsprachigen Raum bildet Roland Harweg, der sich in einer Reihe von Veröffentlichungen 36 mit deiktischen Phänomenen beschäftigt hat, eine Ausnahme. Auf ihn baut Herbermann laut eigenem Bekunden auf (vgl. Herbermann 1988, 49, Fußnote 2), wenn er, wie erwähnt, die Deixis als eine Unterart definiter Referenz betrachtet. Deixis stellt sowohl für Harweg als auch für Herbermann ähnlich wie die Referenz durch Eigennamen eine

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Betrachtet man ihre Deixisdefinitionen, so ordnen die wenigsten Autoren die Deixis (falls sie Deixis überhaupt definieren) explizit als Referenzphänomen ein. Dies gilt vor allem für viele linguistische Autoren. In der Sprachphilosophie wird das Phänomen - allerdings meistens unter dem Stichwort Indexikalität und unter weniger kommunikationsorientierter Perspektive - schon eher in Verbindung mit der Referenz gesehen. Eine Ausnahme unter den Linguisten bildet neben Herbermann Harweg (und seine 'Bochumer Gruppe', Sitta, Tschauder, Canisius) dessen Deixisdefinition Herbermanns ähnlich ist und auf den in diesem Abschnitt noch mehrfach zurückzukommen ist. Während Referenz bei anderen Autoren wie Rauh (1983a, 10), Hüllen (1985, 53), Levinson (1983, 54), Sennholz (1985, 7) oder Diewald (1991, 13) in ihren Deixisdefinitionen gar nicht vorkommt, erwähnt Lyons (1977, 637) das Referenzphänomen eher beiläufig im umgangssprachlichen Sinne, wie dies bei englischsprachigen Autoren öfter der Fall ist, wie etwa auch bei Anderson/Keenan (1988, 259). Explizit als Referenzphänomen definiert es jedoch Hanks (1990), auf den noch eingegangen werden wird.

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Siehe z.B. seinen 1990 veröffentlichten Sammelband, in den auch ältere (überarbeitete) Aufsätze aufgenommen sind. Darüber hinaus geht er insbesondere in Harweg (1978) auf die Referenzproblematik ein.

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bestimmte Art definiter Referenz dar, die an einen bestimmten Typ sprachlicher Ausdrücke mit spezifischen Eigenschaften gebunden ist.37 Im englischsprachigen Raum vertritt Hanks (1989 und 1990), wenn auch eher aus soziologisch-anthropologischer Sicht, einen ähnlichen Standpunkt. Er betrachtet die Deixis als eine soziale Praxis, "as a special variety of reference (...) which is limited both formally and functionally. Formally (...) deictics in the present sense are morphemes (or strings of morphemes) that in most languages make up a closed paradigmatic set... Their basic communicative function is to individuate or single out objects of reference or address in terms of their relation to the interactive functions in which they occur." Mit dem Verweis auf den morphematischen Charakter grenzt Hanks (1989, 104) prosodische und andere Signale aus, die etwa nach Levinson (1983) zur Deixis gehören und sogar eine eigene Dimension, die soziale Deixis, begründen. Erst auf der Grundlage referierender Ausdrücke und ihrer identifizierenden Funktion ergibt sich die Bestimmung der Deixis. Dabei kann die Funktion der Deiktika in Kontinuität mit Bühlers Verständnis von Zeigwörtern durchaus mit dem Zeigphänomen verknüpft werden, wie Harweg (1990, lf.) deutlich macht: "Deiktika (...) sind Ausdrücke, deren Struktur als eine ihrer Komponenten eine Zeiggeste oder das Äquivalent einer solchen aufweist - eine Zeiggeste bzw. ein Zeiggestenäquivalent, deren bzw. dessen Funktion es ist, den genannten Ausdrücken jeweils eine bestimmte referentielle Bedeutung zu verleihen." Auf ähnlicher Basis, aber ohne die Zeigemetapher zu betonen, definiert Herbermann (1988, 53) die Deixis als definite Referenz. "Deixis ist die definite und Identifizierbarkeit gewährende Referenz auf bestimmte (lokale, temporale, personale o.a.) Gegebenheiten vermittels solcher (z.T. durch Gesten unterstützter) sprachlicher Ausdrücke, die die betreffenden Gegebenheiten in (ausschließlicher) Abhängigkeit von den jeweils entsprechenden Faktoren der Befindlichkeit des Äußerungsträgers zum Zeitpunkt der Äußerung bezeichnen." Da diese Definitionen die Referenz ins Zentrum stellen, sollen sie nunmehr als Grundlage für die folgenden Überlegungen dienen. Ihr entsprechend erhalten die deiktischen Ausdrücke also ihre Referenzfähigkeit erst in Abhängigkeit von der "Befindlichkeit des Äußerungsträgers zum Zeitpunkt der Äußerung". Die darin zum Ausdruck kommende von anderen Autoren als Egozentrismus bezeichnete Sprecherorientiertheit der Deixis (vgl. z.B. Rauh 1983a, 30) ist wie bereits erwähnt schon bei Bühler zu finden.38 Die Befindlichkeit 39 des Sprechers bzw. Äußerungs37

38

39

Ähnlich scheint eigentlich auch Diewald (1991) die Deixis zu sehen. Allerdings rechnet sie, wie erwähnt, Referenzphänomene zur Denotation. Auch aus sprachphilosophischer bzw. logischer Sicht wurde dies schon früh erkannt. So hat Russell (1940) den Ausdruck egocentric particulars für die deiktischen Ausdrücke eingeführt. Harweg (z.B. 1978, 138), an den Herbermann sich anlehnt, spricht nicht von Befindlichkeit, sondern vom geometrischen Ort als Oberbegriff für lokaler Ort, temporaler Ort und personaler Ort. Siehe Kap. 2.3.3.

48 trägers stellt schließlich auch hier so etwas wie ein Koordinatenzentrum oder, um mit Bühler zu sprechen, eine Origo dar, und erst die Kenntnis dieser Origo macht im Falle der Deixis die definite Referenz möglich. Deiktische Ausdrücke allein sind also in ihrer Referenzfähigkeit zunächst notwendigerweise auf die Kenntnis der Befindlichkeit des Sprechers angewiesen. Diese Befindlichkeit ist aber für jeden Äußerungsakt einmalig, so daß deiktische Ausdrücke, um Harwegs Terminus aufzugreifen, referenzvariabel sind. Allerdings sind die Deiktika nicht die einzigen referenzvariablen Ausdrücke, deren Entvariabilisierung im Rahmen der Kommunikationssituation gesehen werden muß. So weist Lyons (1977, 181) auf die situativ determinierte Referenz von Gattungsbezeichnungen hin, die mit dem definiten Artikel wie definite Beschreibungen fungieren. "In many cases the use of a common noun preceded by the definite article will suffice without further description, even though the referent has not been previously mentioned, because the speaker can fairly assume, in a given situation or universe of discourse, that the hearer will know which of the potential referents satisfying the description he is referring to."40 Ähnlich macht Harweg (1978, 135ff.) deutlich, daß neben den Anaphorika, deren Referenzvariabilität wie bei den Deiktika gemeinhin anerkannt wird, selbst Eigennamen, die meist sozusagen als Musterbeispiel eindeutig bestimmten singulären Referierens genannt werden, 41 referentiell variabel sein können. So sind z.B. die meisten Vornamen "multireferentielle Eigennamen", die wie die Deiktika erst in der Äußerungssituation eindeutig referieren. Unireferentielle Eigennamen hält Harweg (1978, 137) für selten. Wirklich invariable Referenz müßte angesichts eines kommunikationsaktabhängigen Referenzbegriffs, wie er mindestens seit Strawson (1950) etabliert ist (siehe oben), ohnehin eher die Ausnahme sein. Referentiell unabhängig von der Kommunikationssituation sind eigentlich nur die universellen und

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Diewald (1991, 58) zieht daraus den Schluß, daß "Artikelwörter", wie sie sagt, "schwach deiktisch" wären. Schwache Deixis läuft dabei auf definite (nicht aber deiktische) Referenz hinaus: "Für die aktuelle Verwendung als token ist festzustellen, daß sowohl Deiktika als auch epistemisch prädizierte Nennwörter [d.h. schwach deiktische Artikelwörter plus Substantive] in jeder Verwendung je unterschiedliche Gegenstände denotieren." Diewalds Problem liegt offenbar in ihrem Denotationskonzept. Wovon sie redet, ist offensichtlich der Referenzakt, der immer einen Sprecher impliziert und damit sozusagen einen egozentrischen Verankerungspunkt enthält. Der Referenzakt ist aber deshalb nicht zwangsläufig immer auch deiktisch, da die Relation dieses Standpunktes zum Referenten nicht immer zur Identifizierung des Referenten beiträgt. Bei den starken Deiktika kommt bei Diewald noch die zeigende Beziehung hinzu. Erst dann kommt tatsächlich die identifizierende Relation zwischen Origo und Referent ins Spiel. Auch die Tempusmorpheme sind für sie schwach deiktisch. Hier ist es aber gerade umgekehrt, denn der temporale Sprecherstandpunkt ist gerade ein Anker, an dem die Lokalisierung des Ereignisses festgemacht ist. Siehe Kap. 5.

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So wollte beispielsweise Russell (1940) die egocentric particulars reduzieren.

auf einen logically proper

name

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generellen Ausdrücke sowie "Unika bezeichnende Gattungsnamen" z.B. Gott (vgl. Harweg 1978, 135ff.). 42 Allerdings ist die Identifizierbarkeit des Referenzobjektes aufgrund des Situationsbezugs bei Eigennamen und Gattungsnamen anderer Natur als bei den Deiktika. 43 Die Identifizierbarkeit des Referenzobjektes bei Eigennamen basiert vor allem auf der gemeinsamen Kenntnis des Namenträgers (vgl. von Polenz 1985, 122f.). 44 Die Identifizierbarkeit des Referenten beim Gebrauch deiktischer Ausdrücke geht dagegen auf die raumzeitliche Situation, die durch den Äußerungsträger begründet wird, zurück. Sie ist lediglich möglich "über die Kenntnis der betreffenden pragmatischen Kategorien oder Determinanten des Äußerungsträgers (z.B. den Ort seiner Befindlichkeit) zum Zeitpunkt der Äußerung" (Herbermann 1988, 52). Dies hat zur Folge, daß innerhalb eines Gespräches die Eigennamen- oder Gattungsnamenreferenz gleich bleibt,45 während die Deiktika abhängig vom jeweiligen Sprecher andere Referenzobjekte haben können, was am auffälligsten bei den Personaldeiktika deutlich wird. Im Gespräch wird mit ich (oder du) auf ständig wechselnde Personen referiert (vgl. Herbermann 1988, 53). Die deiktische Referenz ist nur kalkulierbar aufgrund einer Origo. Die von Hanks (1989, 108) festgestellte Dynamik der Origo (seines indexical ground) basiert letztlich auf der Temporalität des Diskurses, die dafür verantwortlich ist, daß sich mit jeder Äußerung eine neue Origo etabliert. Vor diesem Hintergrund ist der alleinige Hinweis auf die Situationskenntnis der Beteiligten für das Verständnis von deiktischen Ausdrücken, wie er in den meisten Deixisdefinitionen (oft ohne Be-

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Selbst demgegenüber könnte man einwenden, daß z.B. bei universellen Ausdrücken in spezifischen Kommunikationssituationen nicht die Gesamtheit der Einzelelemente (im Sinne einer Klasse) referentiell gemeint ist, sondern im Diskurs von den Beteiligten etablierte Untermengen. Tschauder (1990, 734) geht dagegen davon aus, daß Eigennamen - als Beispiel nennt er Paris in Texas und Frankreich - abhängig vom Ort des Äußerungsträgers deiktisch referieren und spricht deshalb auch von Eigennamendeixis. In Wirklichkeit ist aber der deiktische Standpunkt des Sprechers irrelevant. Ausschlaggebend ist die gemeinsame Kenntnis des Namenträgers. So wird ein Europäer mit Paris auf die französische Hauptstadt referieren, selbst wenn er sich nicht in Europa befindet. Bei mehreren möglichen Namenträgern basiert sie (ähnlich wie bei dem wohl häufigeren Fall der partikulär gebrauchten Gattungsnamen) auch auf "ausreichendem Orientierungspotential". Dieses ist im allgemeinen durch den (nicht notwendigerweise situativen) Kontext gegeben. Ist es allerdings nicht vorhanden, muß es laut Herbermann (1988, 39) z.B. mit einer Klassifizierung wie bei "mein Freund, Paul Schulze" geschaffen werden. Ist die gemeinsame Kenntnis des Namenträgers nicht vorhanden, ist nach Herbermann (1988, 50ff.) zwar die Identifizierbarkeit des Referenten beim Adressaten in Frage gestellt, nicht jedoch die Referentialität als solche. Bei der Deixis ist die Identifizierbarkeit wohl aufgrund der gemeinsamen Beteiligung an der Situation grundsätzlich gegeben. Es sei denn, ein anderer Namenträger wird mit einer Klassifizierung explizit neu eingeführt, so daß sich das Orientierungspotential ändert. Siehe dazu die vorstehende Fußnote.

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rücksichtigung referentieller Phänomene) vorkommt, nicht hinreichend für eine eindeutige Bestimmung der Deixis.46

2.3.1 Zeigen und deiktische Referenz Das Charakteristische der Deixis gegenüber anderen Referenzweisen liegt offenbar darin, daß die Bestimmung des Referenzobjektes nicht konstant, sondern nur in Relation zur Äußerungszeit und zum Äußerungsträger abläuft. Wie schon erwähnt, ist damit noch kein weitreichender Fortschritt gegenüber Bühlers an der Sprecherorigo orientiertem Deixisverständnis verbunden. Im Grunde genommen scheint der Referenzbegriff nur den Zeigbegriff zu ersetzen, und in der Tat kann Referenz als Präzisierung eines metaphorisch verstandenen Zeigbegriffes aufgefaßt werden. Das Zeigen ist eine Handlung, die der Zeigende dazu unternimmt, etwas für einen Adressaten zu identifizieren. Die grundlegende identifizierende Funktion des deiktischen Referenzaktes ist damit implizit schon in Bühlers Konzept (und vorangehenden Deixiskonzeptionen) enthalten. Ebenso berücksichtigt das Konzept im Grunde schon, daß die Deixis wie jeder referentielle Akt mit seinem Bezug auf die Wirklichkeit ein relationaler Begriff ist.47 Herbermann (1988, 18) bedauert geradezu, daß der deutsche Ausdruck Bezug nicht ohne Nennung des Relatums stehen kann, so daß er nicht ohne weiteres statt Referenz oder reference im Englischen gebraucht werden könne. Schließlich verwendet er wie Wimmer (1979, 9), von Polenz (1985, 117) oder Busse (1992, 154) in seiner Bestimmung von Referenz das deutsche Bezugnahme in ähnlicher Weise wie das englische reference, das auch umgangssprachlich gebraucht werden kann. Die umgangssprachliche Verwendungsweise von refer fuhrt im übrigen auch dazu, daß in englischen Deixisdefinitionen des öfteren refer vorkommt, ohne daß die Deixis wirklich als Referenzphänomen i.e.S. betrachtet wird.48 Allerdings macht auch die Zeigemetapher den relationalen Charakter der Deixis deutlich, da eine Zeiggeste einen Ausgangs- und Zielpunkt haben muß, es sich also um eine "zweistellige gerichtete Relation" handelt, wie es beispielsweise Sennholz (1985, 7) in seiner Deixisdefinition formuliert. Ein kommunikativer Referenzakt ist genau genommen allerdings eher vierstellig, wie Martinich (1984, 163) unter Hin-

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Die Definition der Deiktika bei Anderson/Keenan (1988, 259) ist typisch für dieses Vorgehen und folgt nach eigenem Bekunden dem Standard: "Following standard usage, we consider as deictic expressions (or deictics for short) those linguistic elements whose interpretation makes essential reference to properties of the extralinguistic context of the utterance in which they occur." Busse (1992, 154ff.) macht in seinem textlinguistischen Konzept allerdings darauf aufmerksam, daß Referenz als kommunikative Handlung von dem ihr zugrunde liegenden Wissen über die Relation zwischen Zeichenausdrücken und Wissenselementen geschieden werden muß. Dies spiegelt die pragmatische und semantische Seite des Gebrauchs referentieller Ausdrücke wider. Siehe z.B. die obigen Definitionen von Fillmore (Kap. 2.1) oder Anderson/Keenan (Fußnote 46).

51 weis auf Sprecher, Hörer, Ausdruck und Referenzobjekt bemerkt. 49 Damit bleibt er aber dem Zeigen vergleichbar, denn es ist ebenfalls immer ein im Kommunikationsprozeß Handelnder, der mit einer Geste fur einen Adressaten einen Gegenstand identifiziert. Der umgangssprachliche Gebrauch von Bezugnahme und reference verdeckt ein wesentliches Element der (deiktischen) Referenz im Kommunikationsprozeß. In der semantisch und besonders sprachphilosophisch orientierten Literatur wird nämlich öfter der Eindruck erweckt, die Relation Zeichen-Bezugsobjekt sei als einzige am Referenzakt beteiligt. Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß Referenz - dies zeigt sich bei deiktischer Referenz besonders deutlich - die Beteiligten einschließt. Schon Searle hat bemerkt, daß der Referenzakt die Identifikation eines Objektes für den Hörer bedeutet. Eher psychologisch betrachtet muß also die Aufmerksamkeit des Hörers auf den Gegenstand gelenkt werden, und selbst Searle (1969, 95) benutzt, als er auf das Kooperationsprinzip beim Referenzakt eingeht, ausnahmsweise die Formulierung calling attention to an object.50 Wie erwähnt, sieht Lyons (1977, 184) "the way in which we use language to draw attention to what we are talking about" sogar als das wichtigste in der Referenzdiskussion zu beschreibende Phänomen an, und Herbermann (1988, 37) hatte definite Referenz und damit auch die Deixis als Signal für die Voraussetzbarkeit des Referenten als aktueller Kommunikationsgegenstand an den Adressaten verstanden. Deiktische Referenz ist also auch als ein Mittel anzusehen, die Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu lenken und so einen Gesprächsgegenstand zu konstituieren. Das sprachphilosophische Konzept von Objekten, über die im Rahmen einer Proposition Aussagen bzw. Prädikationen gemacht werden, wird durch das pragmatische Konzept des Kommunikationsgegenstandes abgelöst, auf den die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Das Moment der Aufmerksamkeitsausrichtung und der Orientierung des Sprechers hatte, wie schon dargelegt wurde, im übrigen schon Bühler, der sich hier auf Brugmann und die griechischen Grammatiker beruft, als zentrales Kriterium seiner Bestimmung der Deixis betrachtet. Darüber hinaus ist es auch in modernen, nicht am Referenzbegriff orientierten Deixiskonzepten enthalten. So spricht z.B. Ehlich (1979) von der Deixis als einer Orientierungshandlung. 51 Dabei muß man die Orientierung auf einen Gegenstand nicht unbedingt so verstehen, daß auf konkrete, unseren Sinnen direkt erschließbare Dinge referiert würde. Vielmehr kann man etwa im Sinne des Radikalen Konstruktivismus Referenzobjekte auch als mentale Konstrukte in unseren Gehirnen sehen. Auf dieser erkenntnistheoretischen Basis ließe 49 50

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Zum relationalen Charakter der Deixis siehe Kap. 2.3.3. Martinich (1984, 161), dessen Referenzkonzept auf Searle basiert, gibt der Hörerorientiertheit des Referenzaktes noch größeres Gewicht. Er faßt das Ziel des Referenzaktes zusammen als "to introduce an object for categorization, in such a way that the hearer can make whatever connection with the object that is needed." Dabei wird auch das Searlesche Existenzaxiom aufgehoben. Sein damit verbundenes, auf der Bühlerschen psychologischen Tradition basierendes Fokussierungskonzept wird noch eingehend zu diskutieren sein. Siehe Kap. 2.5.3.

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sich auch die nur indirekt erfahrbare temporale Dimension (und schließlich die Diskursdeixis) einheitlich in ein kognitives Gesamtkonzept einordnen. 52 Das spezifisch Deiktische am deiktischen Referenzakt liegt darin, daß der Gegenstand ausgehend von der Befindlichkeit des Sprechers in der die Kommunikation konstituierenden Situation lokalisiert wird, wobei Lokalisierung i.w.S. zu verstehen ist, also nicht auf die lokale Dimension beschränkt bleibt. Der Gegenstand wird sozusagen über seine (temporale, lokale, personale) Lokalisierung für die Beteiligten identifizierbar. 53 Entsprechend definiert Lyons (1977, 637) die Deixis als "the localisation and identification of persons, objects, events, processes and activities being talked about, or referred to, in relation to the spatio-temporal context created and sustained by the act of utterance and the participation in it, typically, of a single speaker and at least one addressee." Das Zeigen ist sicherlich als eine die Aufmerksamkeit lenkende, lokalisierende Orientierungshandlung zu verstehen. Ein wesentlicher Unterschied des Zeigens zum Referenzakt liegt aber darin, daß es sich beim Zeigen allein weder um eine sprachliche Handlung, noch um einen sprachlichen Ausdruck handelt, sondern um eine Geste, die gewöhnlich in den kommunikativen Gesamtprozeß eingebettet ist. Erst dort kann sie in Ausnahmefällen die Funktion eines deiktischen Ausdrucks übernehmen. Dabei kann sie lediglich auf sinnlich Wahrnehmbares gerichtet sein und trifft sozusagen das zu identifizierende Objekt nur als lokale Gegebenheit. Das ist auch der Grund dafür, daß Zeiggesten lediglich in der lokalen Dimension am deiktischen Referenzakt beteiligt sein können bzw. in manchen Fällen sogar müssen. Ein auf den ersten Blick dem widersprechendes Beispiel gibt Levinson (1983, 66): "You, you and not you are dismissed." Hier scheint personale Zeiggestenpflichtigkeit vorzuliegen. Allerdings handelt es sich gar nicht um die personale Dimension, denn es ist nicht die Kommunikationsrolle, sondern tatsächlich der Ort der Referenzobjekte, der zu ihrer Identifikation führt. In besonderen Fällen, nämlich wenn es ausschließlich um die Lokalisierung i.e.S. geht, können die lautlichen Bestandteile deiktischer Ausdrücke sogar im Sinne einer Ellipse wegfallen und die Geste kann somit allein stehen. Man denke z.B. an den Fall, wenn ein Vogel am Himmel schwebt, die Gesprächspartner sich über ihn unterhalten und einer nach seiner Position fragt, worauf der andere nur auf ihn zeigt.54

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Auf die Relevanz des Radikalen Konstruktivismus (vgl. etwa den Sammelband von Schmidt 1987) fur Referenz- und speziell Deixisphänomene kann hier nicht weiter eingegangen werden, auf die Probleme, die mit der Wahrnehmbarkeit bestimmter Entitäten zu tun haben, wird jedoch noch mehrfach zurückzukommen sein (siehe besonders Kap. 3.2). In der lokalen Dimension ist dies besonders leicht nachvollziehbar. Ist es beispielsweise nicht möglich, seinem Gesprächspartner einen Gegenstand gestisch zu zeigen, kann man zu seiner Identifikation den Ort, an dem er sich befindet, angeben. Selbst wenn er dort, there o.ä. sagt, muß er auf ihn deuten. Zur Zeiggestenpflichtigkeit bei der lokalen Heterodeixis siehe Sennholz (1985, 72ff.) und Harweg (1990, 7ff.).

53 Eine Zeiggeste ist aber letztlich immer nur eingebettet in die kommunikative Referenzhandlung und selbst im Rahmen der lokalen Deixis - vor allem im Falle der Autodeixis (vgl. Harweg 1990, 5ff.), wenn Sprecherort und Ort des Referenzobjektes zusammenfallen - ist sie nicht immer daran beteiligt.55 In den anderen deiktischen Dimensionen fehlt sie als wahrnehmbare Größe ja ohnehin.56 Man muß also den Gebrauch von Zeiggesten von der deiktischen Referenz unterscheiden, und insofern ist Bühlers Rede von den Zeigwörtern zumindest mißverständlich, denn er suggeriert damit, daß mit deiktischen Ausdrücken immer eine Zeiggeste verbunden sei.57 Bühler (1934, 93) war jedoch tatsächlich der Auffassung, daß die Zeigwörter auf Gesten oder sinnliche Leitfäden hinausliefen. "Es gibt kein lautliches Zeigzeichen, das der Geste oder eines der Geste äquivalenten sinnlichen Leitfadens oder schließlich einer an deren Stelle tretenden Orientierungskonvention entbehren könnte." Während er lokale Zeigwörter als Positionssignale und personale Zeigwörter als Individualsignale bezeichnet, für die Gesten und der individuelle Klangcharakter der Stimme die sinnlichen Leitfäden darstellten,58 gesteht er letztlich allein den anaphorisch gebrauchten Zeigwörtern eine konventionelle Orientierungsfunktion zu. Auf die temporalen Zeigwörter geht er nicht ein. Dies wäre ihm auch schwer gefallen, denn es ist schlichtweg nicht möglich, auf temporale Gegebenheiten sinnlich wahrnehmbar zu zeigen.59 Ebenso wenig läßt sich auf personale Gegebenheiten im Sinne von Gesprächsrollen zeigen, und als solche will Bühler ja die Zeigobjekte der Personaldeixis verstanden wissen. Der Identifikationsprozeß bei der Deixis ist also in den selteneren Fällen auf sinnlich wahrnehmbare Zeiggesten angewiesen. Vielmehr vollzieht sich die Identifizierung auf der Grundlage von Gebrauchsregeln für die Deiktika und ist damit entgegen Bühlers Auffassung doch im Sinne von Konventionen in den deiktischen

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Ehrich (1992, 9f.) stellt fest, daß nur in der "dimensionalen Lokaldeixis", d.h. wenn es um oben/unten, rechts/links oder vorn/hinten Unterscheidungen geht, das Zeigobjekt also nicht mit der Origo zusammenfällt, Zeiggesten oder deren Äquivalente nicht notwendig zum Identifizierungsprozeß beitragen, da die Richtung ohnehin (durch die Koordinaten der Beteiligten) gegeben ist. Das von Fillmore (1975) oder Levinson (1983) als gestischer Gebrauch der temporalen Deixis bezeichnete Phänomen hat nichts mit einer Zeighandlung zu tun und bedeutet lediglich, daß die genaue Wahrnehmung des Sprechereignisses gegeben sein muß. Letztlich läuft es auf das hinaus, was Bühler als Herkunftsqualität der Stimme bezeichnet und dient lediglich der Verstärkung bzw. Präzisierung der Origo, die durch den Äußerungsakt aber ohnehin gegeben ist und nichts mit Zeigen zu tun hat (vgl. Diewald 1991, 23). Kaplan (1989, 490ff.) unterscheidet deshalb zwei Typen von Indexicals: einerseits echte Zeigwörter, die er true demonstratives nennt, weil sie auf eine Zeighandlung angewiesen sind, und andererseits die pure indexicals, die ihre indexikalische bzw. deiktische Qualität ohne Zeiggesten ausüben. Hanks (1990) stellt für die deiktische Referenz unter den Maya fest, daß neben optisch und akustisch auch taktil zugängliche Relationen eine Rolle spielen. Dies hängt mit dem ontologischen Status der temporalen Referenzobjekte zusammen. Siehe Kap. 3.2.1.1.

54 Ausdrücken angelegt. 60 Zu einer eindeutigen Identifizierung reicht aber der semantische Gehalt nicht aus. Dazu müssen die Origo-Koordinaten hinzukommen, und diese sind i.d.R. sinnlich wahrnehmbar. Diese Wahrnehmbarkeit bedeutet jedoch nicht, daß auf ein Objekt mit einer wahrnehmbaren Zeighandlung gezeigt wird. Letztlich muß der Zeigbegriff also doch metaphorisch verstanden werden. 61 Festzuhalten bleibt jedoch, daß beim Zeigen wie bei der deiktischen Referenz der Sprecher die Origo konstituiert, 62 und es ist vielleicht die raum-zeitliche Identität des Sprechers, die Bühler dazu verleitet hat, auch in der temporalen und personalen Dimension Zeiggesten anzunehmen, denn im Gespräch sind mit der Identifizierung des Sprechers Hinweise auf seine raum-zeitliche Lokalisierung verbunden. Lyons (1977, 685) spricht in diesem Zusammenhang von der deiktischen Simultaneität. Dabei hat für ihn die lokale Dimension ohnehin eine herausragende Rolle, da der Lokalismus eine grundlegende kognitive Kategorie darstellt, die sich auf sprachliche Strukturen (nicht nur deiktische) auswirkt (vgl. Langacker 1991). Insofern ist es auch verständlich, daß die temporale Dimension über räumliche Metaphern beschrieben wird. 63 Der Zeigbegriff allein ist also zu eng, um auf die ganze Bandbreite deiktischer Phänomene einzugehen, so daß sich der Referenzbegriff in der Tat anbietet, denn mit ihm ist zunächst noch keine Beschränkung auf bestimmte Dimensionen oder die Art der durch Deiktika bezeichneten Gegebenheiten verbunden. Man muß aber Bühler zugestehen, daß er, ohne daß er mit dem heutigen Referenzbegriff hätte operieren können, bei seiner Klasse der Zeigwörter die wesentliche referentielle Eigenart der deiktischen Ausdrücke erkannt hat. Zeigwörter und Deiktika sind nämlich beide grundsätzlich referentiell variabel und erreichen ihre Referenz nur über die in mehreren Dimensionen ablaufende Verortung des Sprechers. Das zeichnet sie ja gerade gegenüber den Nennwörtern aus (siehe Kap. 1.3.1). Dabei sind diese Eigenschaften nicht an syntaktisch definierte Wortklassen gebunden. Ihre Charakterisierung als Zeigwörter oder Deiktika erhalten sie allein aufgrund ihrer spezifischen referentiellen Funktion. Ihre extensionale Bestimmung außerhalb der Verwendungssituation ist daher ausgeschlossen. Es ist ohne Kenntnis 60

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Zur damit verbundenen sogenannten deiktischen Determination siehe Rauh (1983a). Eine semantische Beschreibung der englischen Deiktika gibt Lyons (1977). Präziser, allerdings auf das Deutsche beschränkt, beschreibt Ehrich (1992) die Semantik der lokalen und temporalen Deiktika. Wir werden uns im Rahmen der Diskursdeixis später in erster Linie mit temporalen Deiktika befassen. Selbst Bühler (1934, 90) gesteht zumindest manchen Zeigwörtern auch Symbolcharakter zu. Siehe Kap. 1.3.1. Zur besonderen Rolle des Sprechers innerhalb der Origo siehe Ziegler (1989). Rauh (1983a) geht davon aus, daß alle deiktischen Dimensionen nach egozentrisch-lokalistischem Muster aufgebaut sind (siehe Kap. 2.3.2). Diewald (1991, 44) behauptet sogar: "die lokaldeiktische Dimension ist die unmarkierte Dimension, nach deren Muster die anderen aufgebaut sind." Dies geht jedoch allein schon im Hinblick auf das linguistische Markierungskonzept zu weit, würde es doch bedeuten, daß lokale Deixis morphematisch gar nicht markiert sein müßte.

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der Verwendungssituation nicht nur unmöglich, zu bestimmen, welcher lokale oder temporale Ort mit Ausdrücken wie here und there oder now und then gemeint ist, sondern es bleibt auch offen, ob überhaupt deiktisch referiert wird. 64 Vor diesem Hintergrund kann im übrigen Harweg von den gleichen Ausdrücken abhängig von ihrem jeweiligen referentiellen Gebrauch einmal als Deiktika, ein anderes Mal als Anaphorika sprechen. Auf den referentiellen Unterschied der Deixis und Anaphora wird weiter unten noch zurückzukommen sein. Zunächst soll jedoch auf die Spezifika des deiktischen Referenzaktes eingegangen werden.

2.3.2 Egozentrisch-lokalistische Beschreibungsmuster und Determination Definite Referenz, so ist vorhin dargelegt worden, kann vom Sprecher mit unterschiedlichen Ausdruckstypen ausgeübt werden. Die Sprecherbezogenheit hat aber für den geglückten Vollzug des deiktischen Referenzaktes weitaus größere Bedeutung als für andere Referenzakte. Die Deixis wurde nämlich als bestimmte Unterart defmiter Referenz charakterisiert, deren Referenzobjekte in Abhängigkeit von der Befindlichkeit des Sprechers identifizierbar sind. Die Kenntnis der Befindlichkeit des Sprechers ist unumgängliche Voraussetzung zur Identifikation des Referenzobjektes. Das am Kommunikationsprozeß beteiligte Ego ist somit zentral für die Determination des Referenzobjektes. Daraus folgt, daß deiktische Referenz nicht allein eine Relation eines Ausdrucks mit bestimmten Objekten (von unterschiedlichem ontologischen Status) involviert, sondern auch eine Relation, die zwischen den jeweiligen Sprechern und der Befindlichkeit der jeweiligen Objekte besteht. Tschauder (1990, 733) kann deshalb fur die Deixis eine Doppelrelation annehmen: "Unter Deixis ist somit nicht die Beziehung zwischen einem Deiktikon und dem damit bezeichneten Referenzobjekt zu verstehen, sondern die Bezugnahme mittels des Deiktikons auf eine weitere Relation, auf diejenige zwischen dem Ort des Äußerungsträgers (ÄO) und dem Ort des bezeichneten Gegenstands oder Sachverhalts (SO)." Diese Formulierung ist jedoch zumindest mißverständlich, denn die Deixis impliziert sehr wohl die Beziehung eines Deiktikons zu einem Referenzobjekt. Genau dieses Objekt soll ja mittels des Deiktikons für den Hörer identifiziert werden. Die Mißverständlichkeit kommt dadurch zustande, daß Tschauder offenbar annimmt, das Referenzobjekt sei der Ort des Sachverhaltes. 65 Auf einen Ort im Sinne eines leeren Raumes läßt sich die Aufmerksamkeit gar nicht lenken. Er ist genauso wenig wahrnehmbar, und insofern wird auf einen Raum als solchen auch nicht 64

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Man kann sogar gleichzeitig anaphorisch und deiktisch referieren (vgl. Lyons 1977). In we arrived in Edinburgh. It was nice here ist here (auto)deiktisch und zugleich anaphorisch verwendet. Ähnlich schreibt Sennholz (1985, 7): "Der Ausgangspunkt der Deixisrelation heißt Origo', ihr Zielpunkt 'Deixisobjekt'." Das Deixisobjekt ist aber in unserem Verständnis nicht das Referenzobjekt.

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gezeigt, wie ein Zeitintervall. Es sind die Entitäten, die an Orten und zu Zeiten vorkommen, auf die ein Sprecher referiert. Ähnlich sind es bei der Personaldeixis nicht die kommunikationstheoretischen Rollen, auf die referiert wird. Wenn man / oder you sagt, referiert man gewöhnlich auf die konkreten Teilnehmer in der Kommunikationssituation. Daß man sie identifizieren kann, liegt allerdings an der Kenntnis der wechselnden Kommunikationsrollen. Wesentlich ist also, daß die Identifizierung des deiktischen Referenzobjektes nur über die zweite Relation, die zwischen den beiden "Örtern", möglich ist.66 Unter Ort versteht Tschauder dabei nicht den Ort i.e.S., sondern, wohl in Anlehnung an Harwegs Terminologie, den "geometrischen Ort ... als Oberbegriff für die Begriffe lokaler Ort, temporaler Ort und personaler Ort" (Harweg 1978, 138). Dies läuft letztlich auf Relationen hinaus, die den drei traditionellen deiktischen Dimensionen entsprechen, in denen das Referenzobjekt zu identifizieren ist. Die deiktische Referenz hat also in diesem terminologischen Rahmen innerhalb der jeweils entscheidenden Dimension einen Ausgangs- und Zielort. Es handelt sich somit um eine "gerichtete Relation" (Sennholz 1985). Der Zielort, der in unserem Konzept jedoch nicht das Referenzobjekt selbst ist, wird im Rahmen der deiktischen Determination bestimmt. Die Determination erfolgt ausgehend von der Origo und dem semantischen Gehalt der Deiktika (sowie evtl. von Zeiggesten), wobei seit der Antike meist eine Nah/Fern-Unterscheidung angenommen wird (vgl. Lyons 1977). Harweg (1990) unterscheidet autodeiktische und heterodeiktische Ausdrücke. Dabei fallt im Falle der Autodeixis (Harweg 1990, 5ff.) Ausgangs- und Zielort zusammen, in der personalen Dimension beispielsweise wenn der Sprecher mit einem deiktischen Ausdruck (z.B. ich oder 7) auf sich selbst referiert. 67 Die Wahl des Begriffes Ort zur deiktischen Determination außerhalb der lokalen Dimension hat wohl insbesondere bezüglich der temporalen Dimension auch den Hintergrund, daß damit der Zeigbegriff erhalten bleiben kann: auf Orte kann man zeigen. Damit ist die deiktische Determination leichter konzeptualisierbar. Es ist mehrfach daraufhingewiesen worden (z.B. Fillmore 1975, Klein 1994, Wunderlich 1982), daß kognitiv temporale Relationen nach räumlichen Kategorien repräsentiert werden (Siehe Kap.3.2.2.4). Nicht nur bei Harweg erfolgt deshalb die Determination der deiktischen Kategorien nach egozentrisch-lokalistischem Muster, also analog zu lokal-räumlichen Vorstellungen. So operiert auch nach Rauh (1988, 28f.) die deiktische Determination, d.h. letztlich die Lokalisation des Zielortes, analog zu den drei lokal-egozentrischen Bereichen "Kodierort", "in Verbindung mit dem Kodierort" 66

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Thrane (1980) macht eine ähnliche Unterscheidung. Er betrachtet nämlich einerseits das deictic centre und den point of orientation im Sinne von Orten, andererseits die Sachverhalte, die dort jeweils vorzufinden sind. Ähnlich ist auch Langackers (1991) Kognitionskonzept mit den fundamentalen Begriffen landmark und trajector aufgebaut. Diewald benutzt die Begriffe Origo-Inklusivität und Origo-Exklusivität, meint aber dasselbe wie Autodeixis und Heterodeixis.

57 und "nicht in Verbindung mit dem Kodierort" nicht nur in der lokalen, sondern in allen deiktischen Dimensionen. 68 Diese Dreiteilung spiegelt sich in etwa in Herbermanns Einteilung der deiktischen Zielbereiche in Äußerungsträgersphäre, Adressatensphäre und neutrale Sphäre wider, wobei hier die lokalistische Orientierung durch den Begriff der Sphäre und der Egozentrismus durch den Begriff des Äußerungsträgers (vielleicht etwas weniger offensichtlich) zum Ausdruck kommt. Selbst wenn man sich der Terminologie Tschauders oder Harwegs nicht anschließt und den Ortsbegriff nicht direkt verwendet, bleibt die lokalistische Beschreibung der Dimensionen hintergründig erhalten. So kommt sie z.B. bei Herbermanns oben zitierter Deixisdefinition in der Befindlichkeit des Äußerungsträgers wieder zum Vorschein. Die Dimensionen sind bei ihm dadurch repräsentiert, daß "lokale, temporale, personale o.a. Gegebenheiten" in Bezug zu den "jeweils entsprechenden Faktoren der Befindlichkeit des Äußerungsträgers" gesetzt werden. Der Rückgriff in der Beschreibung der Deixis auf den Ortsbegriff hat wohl auch damit zu tun, daß Ortsangaben (nicht nur deiktische) zwangsläufig relational sind (vgl. Klein 1990). Ein Ort kann nur durch Bezug auf einen anderen angegeben werden. Das Spezifische der Deixis ist gerade die Relationalität, wobei die gegebenen Relata die Koordinaten des Sprechers sind. Diese Relata sind im übrigen, wie wir bei der Personaldeixis sehen werden, nicht immer ohne weiteres lokal konzeptualisierbar.

2.3.3 Deiktische Relationen und Dimensionen Selbst wenn die Identifikation des deiktischen Referenzobjektes wohl in den meisten Fällen nach dem kognitiven Muster lokalistischer Beschreibungen abläuft, heißt das nicht, daß dies ausschließlich auf der Grundlage lokaler Relationen geschieht, sondern je nach Referenzobjekt auch auf Relationen anderer Art basiert. Dabei handelt es sich immer um gerichtete Relationen, deren Zielpunkt mit einer bestimmten Entität zusammenfällt. Es ist bisher nicht ausreichend beachtet worden, daß diese Entitäten unterschiedlichen ontologischen Status haben und daß damit auch die Art der deiktischen Relation zusammenhängt, die zur Identifikation des Referenzobjektes beiträgt. Generell kann man mit referenzfähigen Ausdrücken auf Referenzobjekte verschiedenen ontologischen Status referieren (vgl. Strawson 1959). Referenzobjekte können nach Lyons (1977, 442ff.) einerseits in konkrete Entitäten wie Personen und

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Rauh (1983b) behandelt ausführlich die Tempora nach diesem Muster. Allerdings ist gerade hier die deiktische Relation vom temporalen Verankerungsort (der Äußerungszeit) zum Zielort (der Situationszeit) nicht direkt, sondern noch über einen dritten temporalen Ort (der Referenzzeit oder Topic Time) ausgedrückt. Darauf wird noch ausfuhrlich einzugehen sein. Siehe Kap. S.3.

58 physikalische Gegenstände 69 (first order entities) und andererseits in abstrakte Entitäten unterschieden werden, die ihrerseits wieder in Ereignisse, Zustände, Prozesse und Handlungen im Ablauf der Zeit (second order entities) sowie zeitlose Fakten, Propositionen bzw. propositionale Einstellungen (third order entities) unterteilt werden können. Beim deiktischen Referenzakt wird die entsprechende Entität nicht (allein) aufgrund semantischer Charakterisierung, sondern über eine Relation zwischen Origo und Referenzobjekt identifizierbar. Diese ist je nach Status des Referenzobjektes verschieden. Die beiden Relata oder Pole der deiktischen Relation sind dabei in unterschiedlicher Weise fokussiert. Die Origo bildet nach Hanks (1990) den indexikalischen Hintergrund (indexical ground) fur das Referenzobjekt, das im Sinne eines kognitionsorientierten Ansatzes die Gestalt (figure) abgibt und in den Vordergrund der Aufmerksamkeit gerückt wird. 70 Die indexikalische Origo ist aber die Voraussetzung der Identifikation des Referenzobjektes und an die sozialen, temporalen und räumlichen Koordinaten der Äußerungssituation gebunden. Damit sind third order entities, die außerhalb von Raum und Zeit angesiedelt sind, aus dem deiktischen Referenzprozeß ausgeschlossen. Der offensichtliche Fall ist die Referenz auf first order enitities, weil hier die Zeigvorstellung greift. So kann ausgehend von den lokalen Koordinaten des Sprechers71 auf einen physikalischen Gegenstand deiktisch referiert werden, im einfachsten Falle etwa mit einer Zeiggeste und einem Demonstrativum (look at this), evtl. auch in Verbindung mit einer Gattungsbezeichnung (look at this car). Eine first order entity kann also durch die lokale Relation zwischen dem von ihr eingenommenen Raum und den lokalen Koordinaten der Origo identifiziert werden. Die Lokaldeixis läuft letztlich also auf Referenz auf physikalische Gegenstände hinaus. Der Zielort kann hierbei tatsächlich als ein Ort betrachtet werden, nämlich der, an dem der Gegenstand sich befindet, und auch Lyons (1977, 648) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die referentielle Identifizierung eines Objektes im Sinne einer first order entity über seine Lokalisierung erfolgen kann. 72 Zudem räumt Lyons (1977, 693) Orten einen Sonderstatus ein, indem er sagt, daß sie zwar nicht zu den first order entities gezählt werden, daß sie aber als solche hypostasiert und

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Andere Autoren zählen manchmal auch Orte und Räume zu den konkreten Referenzobjekten. Genau genommen sind fur Lyons (1977, 693) Orte und Räume keine Entitäten erster Ordnung, sondern können nur als solche hypostasiert und folglich sprachlich so behandelt werden. Oanz ähnlich ist Janssens (1994) kognitives Deixiskonzept aufgebaut. Er spricht von regions of focal and disfocal referential concern, die im mental field of vision sind. Es kann in Sonderfällen jedoch im Sinne einer Verschiebung der Origo auch die Position des Adressaten und sogar einer dritten Person eingenommen werden. Harweg (1990) nennt dies die tuzentrische und alio-zentrische Deixis. Hanks (1990) betrachtet diese seltenen Fälle nicht als Ausnahme und geht davon aus, daß die Deixis soziozentrisch ist. Eine andere Identifizierungsmöglichkeit ist seine Beschreibung, was selbstverständlich nichts mit deiktischer Referenz zu tun hat. Vgl. Lyons (1977, 646ff.).

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dementsprechend sprachlich behandelt werden können. Dies trifft auch im Rahmen der Lokaldeixis zu. Ein Beispielfall wäre etwa das here in it is nice here. Die in der lokalen Deixis mit dem Zielort zusammenfallende Entität ist keinesfalls als Referenzo&/e£i immer auch ein materielles, lebloses Objekt. Es kann durchaus auch eine Person sein (look at this person). Eine Person ist aber auch grundsätzlich in der personalen Dimension der Referent. Hier fällt der Zielort mit Personen zusammen, die nach ihren Kommunikationsrollen vom Sprecher ausgehend klassifiziert sind. Es wird aber nicht, wie bisweilen zu lesen ist, auf die Sprechrollen selbst referiert, sondern doch auf die Person, den Rollenträger. 73 Dabei sind aber die lokalen Koordinaten irrelevant. Ausgehend von der in der Äußerungssituation gegebenen Sprecherrolle kann eine Relation zur Rolle des Referenten kalkuliert werden. Im Falle der Autodeixis fallen die Rollen zusammen. Bei der Personaldeixis sind keine Orte die Relata, sondern die zu jeder Kommunikationssituation notwendig gehörenden Rollen. Sie ist insofern ein Sonderfall, als der Ortsbegriff zu ihrer Beschreibung nicht besonders hilfreich bzw. anschaulich ist, wenn auch z.B. Harweg (1990) oder Tschauder (1990) vom personalen Ort spricht.74 Bei der Beschreibung der temporalen Dimension wird, wie schon dargestellt, aufgrund des lokalistisch-egozentrischen Beschreibungsmusters auf Begriffe der lokalen Dimension zurückgegriffen. So wird auch hier vom (geometrischen) Ort (Harweg, Tschauder u.a.) der zeitlichen Lokalisierung (Sennholz, Lyons u.a.) und vor allem - mehr oder minder unausweichlich - von Zeiträumen und -punkten gesprochen. 75 Es handelt sich bei der identifizierenden jedoch um eine rein zeitliche Relation, wobei sowohl Ausgangs- als auch Zielort keineswegs lokale oder physikalische Punkte darstellen. Allerdings fallen wie bei der lokalen Deixis bestimmte Entitäten mit dem temporalen Zielort zusammen, wobei nunmehr diese Entitäten als second order entities im Sinne von Lyons (1977, 443) betrachtet werden können. Als second order entities bezeichnet er "events, processes, states of affaires, etc. which are located in time and which, in English, are said to occur or take place, rather than to exist." Parallel zur Lokaldeixis könnte man auch einen referentiellen Sonderstatus fur Zeitangaben annehmen, wie ihn Lyons lediglich für Räume konstruiert. Werden dabei durch die Angabe eines Raumes die darin befindlichen physikalischen Entitäten hypostasiert, so könnten analog dazu durch die Angabe von Zeitpunkten und Zeitintervallen ebenso die sich dann konstituierenden Ereignisse und Prozesse

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Herbermann (1988, 64ff.) hat ein noch wesentlich weiteres Verständnis von Personaldeixis, die er generell als Entitätendeixis umdefiniert. Für ihn zählt letztlich jede sinnlich wahrnehmbare Entität, die nicht anderweitig deiktisch bestimmt ist, also auch Personen zur Entitätendeixis. Personale Deixis im traditionellen Sinne gibt es bei ihm nicht. Dies liegt wohl daran, daß sie davon ausgehen, daß das Referenzobjekt von ich oder du keine Personen wären, sondern tatsächlich kommunikationstheoretische Rollen (siehe Kap. 1.3). Kommunikationsrollen als solche wären aber im Gegensatz zu den Rollenträgern Entitäten dritter Ordnung und hätten keine Verankerung in der Gesprächssituation. Zum sog. Lokalismus in der Deixisdiskussion vgl. Lyons (1977, 718ff.). Siehe auch Kap. 3.2.2.4.

60 hypostasiert werden. Dies ist aber nicht notwendig, da zumindest in Sprachen wie dem Englischen im Grunde jeder finite Satz nicht nur mindestens ein temporales Deiktikon, nämlich das Tempus, sondern mit dem lexikalischen Gehalt des Verbs auch eine Situation (Vorgang, Zustand oder Ereignis im Sinne einer second order entity) einfuhrt. 76 Die Qualität der deiktischen Relation und der Status der Referenzobjekte stehen in den traditionellen deiktischen Dimensionen in einem nachvollziehbaren Zusammenhang, der allerdings selten beachtet wurde 77 und auf den noch näher eingegangen werden muß (siehe Kap. 3.2.1.1). Je nachdem welcher ontologische Status einem Referenzobjekt zuzuordnen ist, gestaltet sich die deiktische Relation anders. Das Referenzobjekt im Vordergrund der Aufmerksamkeit muß auf gleiche Kategorien im indexikalischen Hintergrund bezogen werden. Im Regelfall gibt der semantische Gehalt des deiktischen Ausdrucks an, ob es sich um eine lokale, personale oder temporale Relation handelt, und in diesem Sinne lassen sich auch die traditionellen deiktischen Dimensionen ableiten. Innerhalb dieser Dimensionen läuft dann die Determination des Referenzobjektes nach lokalistischem Muster, also im Sinne einer Lokalisation ab. Nun sind in letzter Zeit aber auch neue deiktische Dimensionen in die Diskussion gebracht worden. 78 Dies würde bedeuten, daß dort auf andere Entitäten referiert wird. Herbermann spricht in seiner Deixisdefinition von Referenz auf "andere Gegebenheiten". Es stellt sich allerdings die Frage, was dies für Gegebenheiten sein sollen, da sie ja einen Gegenpol im indexikalischen Hintergrund haben müssen, um eine deiktische Relation aufbauen zu können. Sie können also allenfalls eine spezifische Unterkategorie von Entitäten erster und zweiter Ordnung bilden. Darüber hinaus müßten referierende Ausdrücke zur Verfugung stehen, die sich auf die speziellen Referenzobjekte beziehen. Wir hatten schon erwähnt, daß diese Notwendigkeit für die sogenannte Sozialdeixis Schwierigkeiten aufwirft. 79

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Eine solche Hypostasierung wäre also nur in elliptischen Sätzen möglich. Voraussetzung wäre zudem die Konstanz des Ortes, da zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten verschiedene Situationen vonstatten gehen können. Gerade auch Lyons macht seine Unterscheidung in verschiedene Sorten von Entitäten nicht im Zusammenhang mit der Referenz- und Deixisproblematik, sondern im Rahmen der Einordnung grammatischer Einheiten. Es hat in der letzten Zeit geradezu eine Inflation deiktischer Dimensionen gegeben. Es soll angesichts unserer Aufgabenstellung hier nicht entschieden werden, ob die modale (vgl. Herbermann 1988), soziale (vgl. Fillmore 1972), emotive (vgl. Lakoff 1974), objektale (vgl. Diewald 1990) oder thematische Dimension (vgl. Rauh 1983a) wirklich eine deiktische Dimension darstellt. Hanks (1990) vermißt bei Untersuchungen zur sog. Sozialdeixis Ausdrücke mit Morphemstatus. So lassen sich z.B. aufgrund des Akzents Angaben zum sozialen Stratum und regionaler Herkunft aus einer Äußerung erschließen, ohne daß referentielle Ausdrücke vorhanden wären. Bei den Untersuchungen zu Honorifics ist dieser Ausschluß jedoch problematisch. Harwegs (1990, 20) Begründung ist dagegen einsichtiger. Er lehnt sie deshalb als deiktische Kategorie ab, weil sie

61 Häufig wird auch die Diskursdeixis als deiktische Dimension bezeichnet, wobei in der Diskussion immerhin referierende Ausdrücke, nämlich solche deiktischen Ausdrücke, die traditionell als lokal- sowie temporaldeiktisch eingeordnet werden, als Beispiele vorkommen. Die Eigenständigkeit als deiktische Dimension müßte dann vor allem im Hinblick auf den Status der Referenzobjekte und der deiktischen Relation nachvollziehbar sein. Bevor nun näher auf die Diskursdeixis eingegangen wird, soll das, was wir unter Deixis allgemein verstehen wollen, zusammengefaßt werden. Deixis ist eine Form definiter Referenz. Wie jeder definite Referenzakt findet sie im Rahmen eines Äußerungskontextes statt. Das Spezifische der Deixis ist die Tatsache, daß die Individuierung des Referenzobjektes auf unterschiedlichen Koordinaten der Äußerung basiert. Diese Koordinaten, der indexikalische Hintergrund, werden als bekannt vorausgesetzt, das Referenzobjekt selbst wird neu in das Gespräch eingeführt. Die Identifikation des Referenzobjektes beruht auf Relationen, die mit dem Status der Entitäten, auf die in der Regel aus der Sprecherperspektive referiert wird, zusammenhängt. Handelt es sich um physikalische Entitäten oder Personen, wird eine Relation zwischen dem Ort der Äußerung und dem des Gegenstandes aufgebaut. Auf am Sprechereignis beteiligte Personen kann auch aufgrund der Relation zwischen Sprecher- und Adressatenrolle referiert werden. Bei temporalen Entitäten wird die Relation zwischen Äußerungszeit und Situationszeit zugrunde gelegt.

2.4 Diskursdeixis als Dimension?

Fillmore (1975, 70) beschreibt die Diskursdeixis über "lexical or grammatical elements which indicate or otherwise refer to some portion or aspect of the ongoing discourse." Dabei handelt es sich bei ihm offenbar um eine Referenz auf diskursive Entitäten, wenn er auch die genaue Bestimmung dessen, was unter Portionen und Aspekten des Diskurses zu verstehen ist, offen läßt. Ein ähnliches Verständnis teilt Lyons (1977, 667): "Demonstrative pronouns and other deictic expressions may be used to refer to linguistic entities of various kinds (forms, parts of forms, lexemes, expressions, text-sentences and so on) in the co-text of the utterance." 80 Dabei fällt auf, daß sowohl Fillmore als auch Lyons die Relation zwischen Ausdruck und Referenzobjekt zum Ausgangspunkt nehmen. Die Deiktizität wird hergeleitet von

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nicht "individuendeterminierend" sind, d.h. nicht zur Unterscheidung von unterschiedlichen Referenten beitragen. Immerhin versucht er, genauere Angaben über das Referenzobjekt zu machen. Seine extensionale Bestimmung ist jedoch durch das and so on unvollständig. Letztlich könnte es sich um jegliche sprachliche Einheit im sprachlichen Umfeld handeln. Zu Lyons' Problemen mit der Qualität diskursdeiktischer Referenzobjekte siehe 3.1.4.

62 referenzvariablen Ausdrücken, die gewöhnlich in anderen Dimensionen fur deiktische Referenzakte eingesetzt werden. Wir sind aber bisher davon ausgegangen, daß Ausdrücke als solche nicht referieren - also nicht per se deiktisch und schon gar nicht diskursdeiktisch sind - sondern daß sie erst im Referenzakt ihre deiktische Qualität offenbaren. 81 Deiktisch referiert wird nur dann, so hatten wir u.a. im Anschluß an Herbermann festgestellt, wenn das Referenzobjekt in ausschließlicher Abhängigkeit von der Befindlichkeit des Äußerungsträgers identifiziert werden kann. Wir hatten Herbermann in der Weise präzisiert, daß das Referenzobjekt genau genommen über eine Relation identifiziert wird, die von der Befindlichkeit des Sprechers ihren Ausgangspunkt nimmt und auf eine bestimmte Entität bzw. deren Befindlichkeit zielt. Die jeweilige Befindlichkeit des Sprechers wird in mehreren Dimensionen gesehen, die mit der Art der Relation, d.h. vor allem deren Ausgangs- und Zielort, sowie dem ontologischen Status der Entität zusammenhängen. Die die Relation bestimmenden Orte dürften im Falle der Diskursdeixis nicht als auf einer temporalen Achse oder in einem lokalen Raum zu verstehen sein, sonst handelte es sich ja um temporale oder lokale Deixis. 82 Trotz des Gebrauchs temporaler und lokaler Deiktika 83 müßte die Befindlichkeit in irgendeiner Weise diskursiv verstanden werden, damit sie eine eigene Dimension begründet. Ausgangsort der deiktischen Relation wäre damit nicht der aktuelle raumzeitliche Ort des Sprechers, sondern sein diskursiver Ort. Die Beschaffenheit eines solchen Ortes läßt sich jedoch schwerlich konzeptualisieren. Aufgrund der i.d.R. lokalen Konstanz des Diskurses einerseits und seiner zeitlichen Ausdehnung und Sukzessivität andererseits kann er letztlich wohl nur verstanden werden als der zeitliche Ort, an dem der vom Sprecher geäußerte deiktische Ausdruck zu finden ist, der aber zumindest im Falle mündlichen Diskurses mit dem des Sprechers zusammenfällt. Zielort wäre ebenfalls ein Ort im Diskurs, also ein temporaler Ort, der mit einer diskursiven Einheit zusammenfällt. Dieser Ort kann wohl nur auf der zeitlichen Strecke, die durch Beginn und Ende des jeweiligen Gespräches begrenzt ist, lokalisiert werden. Tatsächlich handelt es sich bei der diskursdeiktischen Relation also um eine zeitliche Relation, die zur Identifikation des Referenzobjektes beiträgt. Dies wird ja schon in Filimores (1975, 70) diskursdeiktischen Formeln, the preceding X und the following X, deutlich. Dabei ersetzt er in seinem (einzigen) Beispiel X durch paragraph. Im Prinzip könnte X jeder Ausdruck sein, der eine Portion des 81

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Deiktische Ausdrücke - was insbesondere bei den genannten Demonstrativpronomen deutlich wird - können sowohl deiktisch als auch nicht-deiktisch gebraucht werden. Auf das Verhältnis von Diskursdeixis und Anaphora soll später eingegangen werden. Personale Formen von Diskursdeixis erscheinen kaum vorstellbar. Conte (1981) geht davon aus, daß Diskurs- bzw. Textdeixis stets von, wie sie sagt, chronodeiktischen und topodeiktischen Ausdrücken vollzogen wird. Diese Annahme ist jedoch problematisch, wenn man z.B. Demonstrativa bedenkt, die als solche weder temporal noch lokal sind. Siehe 6.3.1.

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Diskurses bezeichnet. X könnte also stehen fur argument, description, sentence, explanation, joke, utterance etc., und der gesamte Ausdruck wäre dann diskursdeiktisch gebraucht, wenn der Sprecher damit auf einen Teil oder eine Portion referierte, die im zeitlichen Ablauf des aktuellen Diskurses realisiert würde. Auf den metakommunikativen Aspekt des Ausdruckes wird noch ausführlich eingegangen werden müssen (siehe Kap. 3.1). Der deiktische Anteil des Ausdrucks ist jedenfalls temporaldeiktisch zu interpretieren. Ausgangsort bzw. zeitliche Origo ist der Zeitpunkt 84 des Äußerns des deiktischen Ausdrucks, der im Falle mündlichen Diskurses durch die raumzeitliche Kopräsenz der Beteiligten auch der Rezeptionszeitpunkt ist. Beim schriftlichen Diskurs ist die zeitliche Verankerung entweder autorbezogen (wobei auch ein fiktiver Erzähler zu einer fiktiven Zeit angenommen werden kann) oder leserbezogen, d.h. entweder an der Produktion oder der Rezeption orientiert. Zielort ist in jedem Fall ein zeitlicher Ort im Diskursraum, 85 der mit einer kommunikativen Entität zusammenfallt. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß wir im Rahmen der mündlichen Diskursdeixis in erster Linie Ausdrücke finden, die ansonsten temporaldeiktisch gebraucht werden. Lokaldeiktische Ausdrücke kommen eigentlich nur in schriftlichen Texten vor, 86 und auch dort transformieren wir den dreidimensionalen Raum in einen eindimensionalen, womit wir dieselbe lineare Ordnung schaffen, in der wir die Zeit begreifen. Die drei räumlichen Dimensionen werden auf die vertikale reduziert. Wir referieren auf Diskursteile in einem Text in der vertikalen Dimension, also auf Teile oben oder unten, z.B. the chapter above (or below). In Ausnahmefällen findet man Hinweise auf Stellen rechts oder links. Aber bezeichnenderweise ist die Horizontale nur dann relevant, wenn es in Publikationen um Bilder, Diagramme, Tabellen etc. geht. Hier werden nicht Teile eines sprachlichen Textes identifiziert, sondern Teile, die in der Tat zweidimensional auf dem Papier repräsentiert sind. Die sagittale Dimension finden wir in unserer westlichen Schreibtradition, die aus diskursdeiktischer Sicht sozusagen immer noch von Papierrollen als Medium ausgeht, überhaupt nicht. 87 Davon unberührt ist natürlich die Tatsache, daß man in einem Text (oder einer graphischen Darstellung) physikalische Dinge darstellt und eine dreidimensionale räumliche Vorstellung davon hervorruft. In diesem nicht-diskursdeiktischen, sondern lokaldeiktischen Vorstellungsraum kann der Betrachter selbstverständlich auf lokal84

85

86 87

Genau genommen handelt es sich nicht um einen Zeitpunkt, denn auch das Äußern des Ausdrucks hat ja eine - wenn auch geringe - zeitliche Ausdehnung. Ähnliches gilt auch für den Zielort. Siehe Kap. 3.2.2. Der Diskursraum ist offenbar kein Wahrnehmungsraum. Man könnte ihn aus psychologischer Sicht eher als Erinnerungs- bzw. Vorstellungsraum betrachten. Auf eine Ausnahme wird gleich zurückzukommen sein. Clifford Hill (Columbia University) verdanke ich den Hinweis, daß in Hausa, einer afrikanischen Sprache, offenbar doch auf Teile vorn oder hinten verwiesen werden kann. Hier sind dann aber die anderen Dimensionen bedeutungslos für die Diskursdeixis.

64 deiktische Ausdrücke aller drei Dimensionen zurückgreifen. Dies hat aber nichts mit Diskursdeixis zu tun, sondern stellt eher einen Modus des Zeigens, analog zu Bühlers Deixis am Phantasma dar, der in diesem Fall in der lokalen Dimension abläuft (vgl. Sitta 1991). Above oder below sind heterodeiktische Ausdrücke, die lediglich in schriftlichen Texten vorkommen. Das autodeiktische here ist dagegen auch im mündlichen Diskurs zu finden. Ein Satz wie I am talking/writing about deixis here kann mündlich und schriftlich geäußert werden. Dabei ist jeweils eine lokaldeiktische Interpretation möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich. In dieser lokaldeiktischen Lesart referiert der Autor auf den Ort, an dem er die Äußerung hervorbringt (vgl. Harweg 1990, 182), also beispielsweise die Stadt, die Universität oder den Saal, in dem er etwa einen Vortrag hält oder einen Aufsatz schreibt, im Vergleich zu anderen Orten bzw. Räumen, in denen er sich nicht befindet. 88 Die näherliegende Interpretation ist jedoch diskursdeiktisch. Here dient dann zur temporalen Lokalisierung eines Diskursteiles innerhalb des Gesamtdiskurses, wobei der eigentliche lokale Ort bzw. Raum, in dem der Referenzakt stattfindet, irrelevant ist.89 Die deiktische Relation kann beschrieben werden durch zwei zeitliche Relata. Ein Relatum wäre die temporale Origo, also der Zeitpunkt, zu dem here geäußert wird (in einem leserorientierten Text wie einem Brief kann es auch der Rezeptionszeitpunkt sein), das andere wäre die Zeit des Diskursteiles, auf den referiert wird. In der Autodeixis fallen sie zusammen. Heterodeiktische Referenz ist dagegen wie in der Temporaldeixis immer mit der Richtung zu versehen. Man kann nicht there (außer im Fall der Identität mit einem vorher genannten Ort im Sinne von Anaphora), sondern allenfalls above oder below verwenden, um Origoexklusivität auszudrücken. 90 Above und below sind dann ebenfalls temporal zu interpretieren, was sich auch in der Kompatibilität mit den Tempora niederschlägt. Above wird nämlich in der Regel nur mit Vergangenheitstempora gebraucht, below nur mit einem Zukunftstempus. I explained Bühler's sign theory above und I will explain Bühler's sign theory below sind akzeptabel, *I explained Bühler 's sign theory below und *I will explain Bühler's sign theory above dagegen nicht (siehe Kap. 5.5). Die zeitliche Ausdehnung bleibt offen und kann beispielsweise im autodeiktischen Fall parallel zur Unbestimmtheit der räumlichen Ausdehnung in der lokaldeiktischen Interpretation von here gesehen werden. Sie kann allenfalls durch den Kontext erschlossen werden. Here könnte gleichbedeutend sein mit at this very moment, in 88

Im übrigen schließt dies nicht, wie wir sehen werden, die Diskursdeiktizität des ganzen Satzes aus.

89

Ähnlich w i e here wären im übrigen andere autodeiktische lokale Ausdrücke w i e at this point oder an dieser Stelle temporal zu interpretieren. Dabei ist es durchaus auch möglich, daß man zwischen ursprünglich lokaldeiktischen und temporaldeiktischen Ausdrücken wechselt, wie etwa in der folgenden Passage aus Löbner (1988, 173): An dieser Stelle sollte kurz etwas zu dem Problem der zeitlichen Referenz gesagt werden. Ich bin bisher davon ausgegangen..."

90

Der Terminus 'Origoexklusivität' stammt von Diewald (1991). Sie sieht allerdings nicht, daß die lokaldeiktische Dimension, der sie diese Verwendung zurechnet, an sich gar keine Richtung hat.

65 this passage oder in my entire discourse. Jedenfalls wird here, wenn es diskursdeiktisch gebraucht wird, temporal verstanden. Es entspricht dann weitgehend now und kann zumindest im mündlichen Diskurs auch dadurch ersetzt werden. Daß now ebenfalls unbestimmt bezüglich seiner Ausdehnung ist, also nicht punktuell wie bisweilen angenommen, zeigt sich ja auch in seinem (normalen) temporaldeiktischen Gebrauch: We now live in the twentiest century vs. It is now ten o'clock sharp (siehe Kap. 5.5.1.1). Ansonsten lokaldeiktisch gebrauchte Ausdrücke fungieren also im Rahmen der Diskursdeixis quasi temporaldeiktisch. Wesentlich sind jedoch in diesem Zusammenhang auch die Prädikatsausdrücke. So zeigt das Verb in unserem Beispiel einerseits an, daß man sich auf den Diskurs bezieht, die Aussage also metakommunikativen Charakter hat. Andererseits trägt das Tempus zur Lokalisation des Diskursteiles bei. So wäre in unserem Beispiel I am talking about deixis here (or now) das Weglassen des here (oder now) durchaus möglich, ohne daß damit der diskursdeiktische Charakter verloren ginge. Der metakommunikative Charakter der Diskursdeixis, der insbesondere auch durch den lexikalischen Gehalt von Verben transportiert wird, sowie die deiktische Funktion der Tempora sind wesentliche Bestandteile der Diskursdeixis, auf die wir noch ausfuhrlich zurückkommen werden (siehe Kap. 4 und 5). Der Unterschied der Diskursdeixis zur (normalen) temporalen Deixis liegt letztlich nicht in der Art der deiktischen Relation, sondern darin, daß es sich um eine ganz bestimmte, nämlich diskursive Entität als Referenzobjekt handelt, die mit dem zeitlichen Ort zusammenfallt, sowie darin, daß die zeitliche Relation auf den Diskursraum beschränkt ist. Da grundsätzlich die zeitliche Relation erhalten bleibt, rechtfertigt dies eigentlich keine eigenständige Dimension, als die sie etliche Autoren sehen. Die Diskurs- bzw. Textdeixis wird von ihnen neben und nicht als Teil der traditionellen Dimensionen behandelt. Dabei räumen ihr allerdings die meisten Autoren, z.B. Conte (1981), Levinson (1983), Lyons (1977), Herbermann (1988), Harweg (1990), Tschauder (1990), Canisius/Sitta (1991), einen Sonderstatus ein. Als Teilbereich der temporalen Deixis ist die Diskursdeixis in der Forschung bisher noch nicht identifiziert worden.91 Darauf, daß es sich nicht um eine eigene Dimension handelt, ist dagegen hingewiesen worden. So bezweifelt Rauh (1983a) die eigenständige Dimensionalität der Diskursdeixis u.a. wegen fehlender eigener deiktischer Ausdrücke. 92 Während in der Weltdeixis93 bestimmte Ausdrücke ein91

Sennholz ( 1 9 8 5 ) und Diewald (1991) rechnen sie zwar einer Dimension zu, aber fälschlicherweise der Lokaldeixis, was wohl darauf zurückzufuhren ist, daß sie nur schriftliche und damit sichtbare Texte im Blick haben.

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Darüber hinaus sieht Rauh einen Mangel an egozentrischer Lokalisierung. Darauf wird noch einzugehen sein.

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Im Deutschen wird manchmal die Unterscheidung in Diskurs- bzw. Textdeixis einerseits und Weltdeixis andererseits getroffen, z.B. von Tschauder (1990) und Harweg (1990). In älteren Schriften spricht Harweg statt von Weltdeixis von Realdeixis wie auch Diewald (1991). Braunmüller ( 1 9 7 7 ) oder Conte ( ( 1 9 8 6 ) sprechen von direkter Deixis bzw. Situationsdeixis. Heger trifft die Unterscheidung in Außen- und Innendeixis. Vor allem die englischsprachigen Autoren (z.B.

66 deutig den einzelnen Dimensionen zugewiesen werden können, also die Dimensionszugehörigkeit als semantisches Merkmal in sich tragen (Beispiele fur die Temporaldeixis bei Rauh 1988), kann bei diskursdeiktischer Referenz nicht auf eine eigene Klasse von Ausdrücken zurückgegriffen werden. Das Fehlen einer eigenen Ausdrucksklasse erklärt auch die bisher eher stiefmütterliche Behandlung in der Forschung, die meist ausdrucksorientiert vorgegangen ist. Es handelt sich aber bei der Diskursdeixis um ein spezifisches temporaldeiktisches Phänomen, das eine gesonderte Behandlung erfordert. Die Spezifik ist durch die Beschränktheit der zeitlichen Relation auf die Zeitspanne des Diskurses, vor allem aber durch das Referenzobjekt gekennzeichnet, das nicht nur eine temporale Entität, sondern auch eine diskursive sein muß. Dieses reflexive Moment ist ja schon von Bühler gesehen worden (siehe Kap. 1.3.2), der es allerdings der Anaphora zuschreibt und auf die temporale Lokalisierung nicht eingeht. Der Status diskursdeiktischer Referenzobjekte und ihre temporale Lokalisierung wird deshalb ein zentraler Punkt der weiteren Überlegungen sein. Zunächst soll aber auf die Unterscheidung von Diskursdeixis und Anaphora im heutigen Verständnis eingegangen werden, die in der Literatur zur Diskursdeixis breiten Raum einnimmt, wenn nicht sogar das vorherrschende Thema darstellt.

Fillmore 1975, Lyons 1977, Levinson 1983, Anderson/Keenan 1988) unterscheiden einfach in Deixis und Diskurs- bzw. Textdeixis.

67

2.5 Diskursdeixis und Anaphora

2.5.1 Referenzvariabilität Die Beziehung der Diskursdeixis zur Anaphora wird vor allem im Zusammenhang mit solchen Ausdrücken diskutiert, die sowohl deiktisch als auch anaphorisch gebraucht werden können.94 Proformen wie die Demonstrativa oder Personalpronomen der 3. Person können zwar im Rahmen der Diskursdeixis verwendet werden, ihre deiktische Qualität offenbaren diese Ausdrücke aber erst in Verbindung mit dem Kontext. Das Gleiche trifft für die Anaphora zu. In beiden Fällen ist der Ausdruck zunächst referentiell variabel. Es dreht sich dabei allerdings um zwei verschiedene Formen von Referenzvariabilität, deren Entvariabilisierung auf der unterschiedlichen Art des zur Interpretation herangezogenen Kontextes beruht. Harweg (1978) hat den Begriff der Referenzvariabilität im Hinblick auf die Weltdeixis95 geprägt und mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit von der Äußerungssituation von der der Anaphora abgegrenzt, die letztlich auf antezedenten Ausdrücken basiert. Die Diskursdeixis verhält sich wie die Weltdeixis, denn auch bei ihr läuft die Entvariabilisierung und damit die Identifikation des Referenzobjektes auf der Basis der gemeinsam konstituierten Äußerungssituation ab. In unserem Verständnis ist sie gekennzeichnet durch die Relation zwischen dem temporalen Ort des Sprechers und dem des Objektes. Das Referenzobjekt, für das die Einschränkung gilt, daß es selbst eine diskursive Entität mit zeitlicher Ausdehnung ist, wird vom temporalen Sprecherort ausgehend auf der durch den Diskurs beschriebenen zeitlichen Strecke lokalisiert. Bezüglich der Anaphora, so scheint (zumindest in der Zeit nach Bühler) die fachwissenschaftliche communis opinio zu sein (vgl. Canisius/Sitta 1991, 144), ist die 94

95

Dabei gehen manche Autoren (z.B. Anderson/Keenan, Fillmore, Levinson, Rauh) offenbar davon aus, daß diese zu einer feststehenden, wie auch immer extensional bestimmbaren Klasse deiktischer Ausdrücke gehören, und sprechen etwas verwirrend neben dem deiktischen vom anaphorischen Gebrauch letztlich deiktischer Ausdrücke, andere hingegen (vor allem die Gruppe um Harweg) sprechen je nach Gebrauch von deiktischen oder anaphorischen Ausdrücken bzw. von Deiktika oder Anaphorika. Die zweite Konvention scheint weniger widersprüchlich und entspricht eher unserem bisherigen Vorgehen, das die Deixis als Prozeß betrachtete und nicht an bestimmten Ausdrücken festzumachen versuchte. Für diejenigen, für die die Anaphora eine Form der Deixis darstellt (neuerdings z.B. Herbermann 1988 oder Ehrich 1992), ergibt sich kein terminologisches Problem. Sie können in beiden Fällen mit dem gleichen Terminus operieren, wie es schon Bühler mit seinen "Zeigwörtern" getan hat. Für die wenigen Autoren, für die der Unterschied zwischen Deixis und Anaphora an der Form und nicht an der Funktion festgemacht wird (Beispiele dafür bei Sitta 1991, 10), stellt sich selbstverständlich dieses terminologische Problem ebenfalls nicht. Harweg (1978) hat die Diskursdeixis in seinen frühen Schriften wohl gar nicht als eigene Form der Deixis erkannt, und auch sein späteres Verständnis von Textdeixis (vgl. Harweg 1990) entspricht vor allem wegen des Fehlens der temporalen Komponente nicht demjenigen unserer Diskursdeixis.

68 Entvariabilisierung an das Kriterium der Koreferentialität geknüpft. Dabei besteht eine Identitätsrelation zu einem Vorgängerausdruck, der unabhängig von der Äußerungssituation betrachtet wird. "Die referentielle Variabilität der Anaphorika wird nämlich nicht durch die Instanz des Äußerungsaktes und ihre - personalen, temporalen und lokalen - Determinanten, sondern allein durch textuelle Vorgängerausdrücke beseitigt" (Harweg 1978, 135).96 Die Entvariabilisierung anaphorischer Ausdrücke ist also abhängig von anderen im Text befindlichen Ausdrücken und somit vom Kotext; sie ist dagegen unabhängig von den in den klassischen deiktischen Dimensionen reflektierten Kategorien des situativen Kontextes.

2.5.2 Identitätsrelationen als Kriterium für die Anaphora Lyons (1977, 660) weist daraufhin, daß Anaphora und Deixis bisweilen verwechselt wurden, weil davon ausgegangen worden sei, das anaphorische Pronomen referiere direkt auf sein Antezedens. Ein solches Verständnis scheint noch bei Rauh (1983 a, 52) vorzuliegen: "Anaphoric use of deictic expressions is similar to discourse deixis in that in both cases the referents of deictic expressions are linguistic units rather than extra-linguistic entities." In den Augen der meisten Autoren besteht aber bei der Anaphora eine Identitätsrelation bezüglich des - in der Regel außersprachlichen Referenzobjektes zweier Ausdrücke, und genau dieses Kriterium soll die Anaphora von der Diskursdeixis unterscheiden. So versucht Levinson (1983, 86) die im Einleitungskapitel erwähnte unklare Unterscheidung Filimores (1975) zu präzisieren: "where a pronoun refers to a linguistic expression (or chunk of discourse) itself, it is discourse deictic; where a pronoun refers to the same entity as a prior linguistic expression refers to, it is anaphoric." Er verdeutlicht dies mit Lyons' (1977, 667) vermeintlichem Beispiel97 für Diskursdeixis: "(X says) That's a rhinoceros (and Y responds) A what? Spell it for me." Die Frage, ob es sich um Diskursdeixis oder Anaphora handelt, wird von Lyons und Levinson über die Suche nach einem koreferenten Ausdruck entschieden. Da ein solcher nicht vorkommt, handele es sich um Diskursdeixis. Eine solche Argumentation ist irreführend, denn es gibt auch Fälle von Anaphora, in denen nicht von Koreferenz in dem Sinne gesprochen werden kann, daß ein identisches Referenzobjekt vorliegt, die aber dennoch keine Diskursdeixis darstellen. Ein derartiger Fall liegt bei den sogenannten pronouns of laziness vor, die Karttunen (1969) mit seinem berühmt gewordenen (sexistischen) Beispiel ver96

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Dabei macht Harweg darauf aufmerksam, daß mit dieser Entvariabilisierung nicht unbedingt die Identifikation des Referenten verbunden sein muß. Der Vorgängerausdruck kann nämlich selbst, z.B. bei multireferentiellen Eigennamen, referenzvariabel sein. Siehe oben. In Wirklichkeit handelt es sich gar nicht um Diskursdeixis, sondern um einen Sonderfall von Anaphora, der laut Conte (1981) auf Formidentität beruht. Dies wird noch ausfuhrlich diskutiert werden. Siehe Kap. 3.1.4.

69 deutlicht: The man who gave his paycheck to his wife was wiser than the man who gave it to his mistress. Auch in diesem Satz kann nicht von der Identität des Referenzobjektes (zwischen his paycheck und it) ausgegangen werden. Trotzdem besteht auch hier eine Identitätsrelation. Es handelt sich laut Conte um Sinnidenität, 98 so daß man verschiedene Formen von Anaphora annehmen kann, die auf unterschiedlichen Identitätsrelationen beruhen. Neben die Referenzidentität tritt die Sinnidentität als Basis für die Anaphora. Mit Rückgriff auf diese Relationen läßt sich die Referenz anaphorischer Ausdrücke entvariabilisieren. Es soll hier nicht weiter auf die vor allem in der Syntaxtheorie bearbeitete Problematik von anaphorischen Pronomen eingegangen werden (siehe dazu z.B. Reinhart 1991), denn diese Problematik trägt zur Unterscheidung von Diskursdeixis und Anaphora nichts bei. Zur Abgrenzung von der Diskursdeixis scheint lediglich bedeutsam zu sein, daß die Anaphora in jedem Fall auf einer Identitätsrelation beruht." Diese Relation besteht zwischen zwei Ausdrücken, die beide auf ein nicht-sprachliches Objekt referieren. Es gibt lediglich den Sonderfall, bei dem beide Ausdrücke auf einer metasprachlichen Ebene auf ein sprachlich-diskursives Phänomen referieren. Folgendes Beispiel kann dies demonstrieren: (1)

The preceding discussion has given me new insights. It has also raised new problems.

Das it bezieht sich hier anaphorisch auf einen Teil des Diskurses. Dieser Teil ist vorher diskursdeiktisch in das Diskursuniversum eingeführt worden. The preceding discussion ist diskursdeiktisch gebraucht, da hier metakommunikativ auf einen Teil des ablaufenden Diskurses referiert wird. Wesentlich ist bei der Anaphora die "substitutioneile Ebenenkonstanz", wie es Canisius/Sitta (1991, 148) ausdrücken. Ein diskursdeiktisch gebrauchter Ausdruck referiert dagegen auf eine sprachliche Einheit des Diskurses selbst. Dieser Übergang auf die kommunikative Metaebene ist ein wesentliches Kriterium für das Vorliegen von Diskursdeixis, auf das noch zurückzukommen sein wird (siehe Kap. 3.1). Es sollte hier jedoch noch ein weiterer Fall von Anaphora erwähnt werden, der ebenfalls auf einer Identitätsrelation beruht, allerdings auf einer abgeschwächten. Ehrich (1992, 43) verdeutlicht diesen Fall, den sie fälschlicherweise der 'positionalen' Diskursdeixis zurechnet, folgendermaßen: (2)

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99

Kohl ist im Kreml. Er verhandelt da mit Gorbatschow.

Vgl. auch Pause (1991, 548), der von Identität aufgrund "paralleler lexikalischer Belegung" spricht. Conte (1981) erwähnt noch eine andere Form der Anaphora, die auf Formidentität beruht. Auf diesen Fall wird noch einzugehen sein, ebenso auf einen Fall der Identität auf Denotationsebene, den Harweg (1990) als metasprachliche Anaphorizität beschreibt. Siehe Kap. 3.1.

70 Das da referiert in ihren Augen auf die Raumregion, in der das Ereignis stattfindet, und damit auch das Individuum, das schon im ersten Satz lokalisiert wurde. Die Argumentation, daß es sich nicht um strenge Identität der Räume handelt, ist durchaus nachvollziehbar, ändert aber nichts an der Tatsache, daß hier nach unseren Kriterien keine Diskursdeixis vorliegt. Einerseits fehlt das diskursdeiktische Kriterium der Metakommunikativität. Andererseits liegt ja eine Form der Identität vor, nämlich eine, in der eine zuvor eingeführte räumliche Entität eine andere einschließt. Es handelt sich also um eine Sonderform der Anaphora. 100

2.5.3 Kontinuität und Neufokussierung bei Ehlich Die Identitätsrelation, die zwischen zwei Ausdrücken bei der Anaphora besteht, kann auch unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität betrachtet werden. Es wird ein Ausdruck durch einen anderen substituiert, wobei Kontinuität bezüglich des Referenzobjektes besteht. Selbst wenn es nicht, wie es sozusagen den Normalfall darstellt, das Referenzobjekt ist, das beibehalten wird, so handelt es sich doch zumindest um Kontinuität auf der Sinnebene oder um eine abgeschwächte Kontinuität. Das Kontinuitätsmerkmal wird jedoch nicht nur bei substitutionsorientierten Ansätzen als Kriterium für die Anaphora angesehen. So grenzt sich Ehlich (1979, 718ff.), der eine handlungstheoretisch-psychologische Sicht vertreten will, gerade von syntaktischen Ansätzen zur Bestimmung der Anaphora ab und versucht, ohne das Substitutionskriterium auszukommen. Dennoch betrachtet auch er die Anaphora als "Kontinuitätssignal" und definiert: "Anaphern seien solche sprachliche Einheiten, die innerhalb eines Textes, einer Rede oder Sprechhandlungssequenz oder innerhalb einer Sprechhandlung einen Rückbezug auf propositionale Elemente herstellen, die vorgängig bei S und Η fokussiert sind und deren Fokussiertheit bei Η S bekannt ist, und die so eine Kontinuität der vorgängigen Fokussierung signalisieren" (Ehlich 1983, 96). Die Deixis oder (in Ehlichs Terminologie) die deiktische Prozedur ist dagegen dadurch gekennzeichnet, daß keine Kontinuität vorliegt, sondern daß eine Orientierung von Sprecher und Hörer auf bisher nicht fokussierte Elemente der Sprechsituation oder eines anderen Verweisraumes erfolgt. Einer dieser Verweisräume ist bei Ehlich der Rederaum, innerhalb dessen deiktisch verwiesen werden kann. "Die Dimensionen des Rederaums (...) sind die Äußerungs-, die propositionale und die illokutive Seite der Sprechhandlungen, die zur Rede verkettet sind. Die Deixis erfüllt hier Funktionen für die Organisierung der einzelsprechhandlungsübergreifenden Einheiten. Sie orientiert innerhalb des Rederaums, indem sie einzelne seiner

100

Es sollte jedoch erwähnt werden, daß Ehrich (1992) die Anaphora insgesamt der Deixis zurechnet. Diskursdeixis läuft bei ihr auf Quasi-Identitätsbeziehungen hinaus, die allerdings ursprünglich deiktisch-situativ verankert sein können.

71 Elemente zum Objekt der deiktischen Prozedur macht." (Ehlich 1983, 88; Hervorhebung i.O.)· Die Deixis im Rederaum hat damit gewisse Ähnlichkeit mit unserer Diskursdeixis.101 Allerdings ist bei Ehlich der Referenzbegriff gar nicht zu finden. Im Anschluß an Bühler und dessen Zeigbegriff verwendet er den Begriff des Verweisens. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der psychologischen Perspektive der gemeinsamen Orientierung von Sprecher und Hörer. Wie weiter oben (siehe Kap. 2.2.2) ausführlich dargelegt wurde, beinhaltet aber auch der Referenzakt eine Aufmerksamkeitsausrichtung. Wie unschwer zu erkennen ist, sind die angesprochenen Dimensionen der Deixis im Rederaum Teilakten eines Sprechaktes vergleichbar, die offenbar zum Objekt des deiktischen Verweises werden können. Warum Ehlich dann aber nicht den Referenzakt erwähnt, auf den schließlich seine deiktische Prozedur gewissermaßen hinausläuft, bleibt angesichts der ansonsten vorhandenen Nähe zur Sprechhandlungstheorie unverständlich.102 Jedenfalls würde der Bezug oder auch die Abgrenzung zum etablierten Referenzbegriff seine Konzeption weniger vage erscheinen lassen, und es wäre leichter entscheidbar, inwieweit Objekte deiktischen Verweisens auch als Referenzobjekte betrachtet werden können. Die Verweisobjekte innerhalb des Rederaums scheinen nämlich den von uns dargestellten Objekten der Diskursdeixis eng verwandt zu sein, da sie in ihrem zeitlichen Ablauf gesehen werden (vgl. Ehlich 1983, 88), so daß sie dem ontologischen Status unserer diskursdeiktischen Objekte entsprechen. Durch den vagen Hinweis auf "die Äußerungs-, die propositionale und die illokutive Seite" der Elemente des Rederaums kann im Grunde auf jegliche sprachliche Einheit verwiesen werden, solange sie im Rahmen sprachlicher Handlungen gesehen wird und zur "Organisierung der einzelsprechhandlungsübergreifenden Einheiten" beiträgt. Diese metakommunikative Funktion wird der Anapher nicht zugestanden. Die Abgrenzung von Rededeixis und Anapher entspricht somit auch in dieser funktionalen Hinsicht unserer Unterscheidung. Es ist also nicht nur die Neufokussierung im Gegensatz zur Kontinuität, sondern der metakommunikative Charakter, der auch in diesem Ansatz eine Entscheidung über das Vorliegen von Rededeixis oder Anapher rechtfertigt. 103 Hinsichtlich der Anapher fällt auf, daß bei Ehlich der Objektbereich gegenüber der Rededeixis eingeschränkt ist. Wesentliche Handlungsbestandteile sind ausgeblendet, und durch den alleinigen "Rückbezug auf propositionale Elemente" kommt 101

Ehlich (1983, 88) versteht unter Rede nur die verketteten Sprechhandlungen eines Sprechers. Auf die mögliche Ausweitung des Rederaums auf den Dialog oder Diskurs weist Ehlich (1983, 89) selbst hin. In Ehlich (1989, 37) spricht er dann auch selbst von der discourse domain. 102 Ehlich (1987, 285) versteht seine Konzeption als "Weiterflihrung und Radikalisierung" der Bühlerschen Zweifeldertheorie. Vermutlich hat die Referenz keinen Platz im Zeigfeld. Dennoch oder gerade deshalb wäre es hilfreich zu wissen, wie der Unterschied von Referenzakt und Orientierungsprozedur zu sehen ist. 103 Allerdings erwähnt er die Metakommunikativität nie explizit als notwendigen Bestandteil und geht auch nicht auf die unterschiedlichen Formen ein. Siehe Kap. 3.1.

72 die Referenz - die Sprachphilosophie sieht die Proposition gemeinhin ja durch Referenz und Prädikation gekennzeichnet104 - doch noch quasi durch die Hintertür in sein Konzept. Dabei steckt in seiner Beschränkung auf die propositionale Seite ein wesentlicher Punkt, der zur Unterscheidung von Diskursdeixis und Anaphora beitragen kann. Propositionen sind a-temporale Entitäten (vgl. Vendler 1972, 14ff.) und als solche u.a. auch der direkten Wahrnehmung entzogen. Das bedeutet auch, daß sie nicht im Ablauf des Diskurses hervorgebracht werden. Sie können allenfalls im Rahmen eines Sprechaktes vorkommen, etwa behauptet werden, wobei der Sprechakt dann temporal lokalisierbar ist. Die Proposition selbst ist aber außerhalb der Zeit105 und speziell der Diskurszeit und hat deshalb mit der Deixis im Rederaum nichts zu tun. Man könnte Ehlichs psychologisch-pragmatische Sicht der Anapher so interpretieren, daß selbst ohne das Stichwort der Referenzidentität die Anapher an Kontinuität und Rückbezug auf bestimmte Entitäten geknüpft ist,106 die außerhalb des Diskurses angesiedelt sind, aber gewissermaßen als propositionale Diskursreferenten schon etabliert sind. Mit der Unterscheidung von Fokuskontinuität und Neufokussierung wird ein Kriterium betont, das in den textlinguistischen, eher syntagmatisch-substitutionellen Ansätzen107 wenig berücksichtigt wurde. Damit knüpft er an alte grammatische Traditionen an, denn das Kriterium der Aufmerksamkeitssteuerung und des Neuigkeitswertes wurde in der Auseinandersetzung um Deixis und Anaphora seit Appolonius immer wieder in Verbindung mit dem Substitutionskriterium gebracht.108

2.5.4 Verknüpfungsrelationen bei Diskursdeixis und Anaphora Aus Ehlichs Deixisauffassung müßte sich die scheinbar paradoxe Konsequenz ergeben, daß es sich bei der Diskursdeixis um eine Neufokussierung, also eine Fokussierung auf etwas Unbekanntes, handelt, obwohl gegebenenfalls auf eine bekannte Diskursstelle verwiesen wird. Dies ist jedoch kein Widerspruch, wie sich auch an einem mit dem Referenzbegriff operierenden diskursdeiktischen Konzept zeigen läßt. Bei der Anaphora wird der Gebrauch eines Ausdrucks mit dem eines

l04

Ehlich (1979, 383ff.) entwickelt, ohne auf die einschlägige Literatur einzugehen, eine ziemlich ideosynkratische "theoretische Bestimmung" der propositionalen Seite, in die er vor allem auch die mentale Komponente einbauen will. 105 Eine Proposition ist nach Lyons (1977) eine third order entity, die weder lokal noch temporal beschreibbar ist. 106 Der von Ehlich gesehene Vorwärtsbezug bei der Kataphora läuft analog. Das wesentliche Element ist dabei ebenfalls die Kontinuität. 107 Vertreter dieser Richtung ist beispielsweise die Gruppe um Harweg. 108 Daß dies schon bei Appolonius der Fall war, ist Ehlich allerdings entgangen, wie seine Einschätzung der alexandrinischen Philologen deutlich macht. Siehe Kap. 1.2.2.

73 anderen verknüpft, dessen Referenz (in Sonderfällen auch Sinn) das Referenzobjekt des ersten bestimmt. Es besteht, wie gesagt, eine Identitätsrelation. Bei der Diskursdeixis wird der deiktische Ausdruck ebenfalls mit einer sprachlichen Einheit aus dem umgebenden Diskurs verknüpft. 109 Der Unterschied liegt nun aber vor allem darin, daß bei der Diskursdeixis auf ein sprachliches Objekt referiert wird, das als solches noch kein Referenzobjekt war. Die sprachliche Einheit, auf die referiert wird, ist dabei auch gar kein referentiell gebrauchter Ausdruck. Es wird nämlich auf Objekte referiert, die sich erst im Vollzug des Diskurses konstituiert haben, gerade konstituieren oder konstituieren werden, und insofern handelt es sich in der Tat um eine Neufokussierung. Sie beinhaltet stets eine von den Teilnehmern aus gesehene Lokalisierung an einem bestimmten temporalen Ort im Diskursgeschehen. Zur Identifizierung des Referenzobjektes trägt immer auch eine zeitliche Relation bei. Allerdings ist auch bei der Anaphora durch die Verknüpfung zweier referierender Ausdrücke außer der Relation zwischen Ausdruck und Referenzobjekt eine weitere Relation beteiligt (vgl. Tschauder 1990, 732). Doch ist diese Relation nicht auf das Referenzobjekt gerichtet, sondern nur auf den anderen Ausdruck. Es ist diese Verknüpfungsrelation, die Diskursdeixis und Anaphora verbindet, und es ist wohl auf sie zurückzuführen, daß Bühler die Anaphora letztlich als eine Form der Deixis betrachtete und darunter gerade nicht nur die klassische, von Substitution geprägte Anaphora verstand. Wesentlich war fur ihn das "Zeigen auf Plätze im Ablauf der Rede" (Bühler, 1934, 121)»° Eine ungewöhnliche Position nimmt in dieser Hinsicht auch Herbermann (1988) ein. Er ordnet wie Bühler die Anaphora grundsätzlich der Deixis zu. Sie ist eine Form seiner "Textualdeixis". Dabei betrachtet er die Verknüpfungsrelation selbst wieder als Referenzakt. Die Anaphora ist für ihn der "Spezialfall der textinternen Referenz auf bestimmte Textsegmente mit deren dazugehöriger textexterner Referenz" (Herbermann 1988, 78). In beiden Fällen (d.h. der eigentlichen Diskursdeixis und der Anaphora) "referiert der Äußerungsträger (...) von der Textstelle seines aktuellen Äußerungsaktes bzw. von diesem selbst aus und in Abhängigkeit von diesem auf eine bestimmte andere Stelle bzw. sprachliche Einheit desselben Textes..." (Herbermann 1988, 75). Dies würde bedeuten, daß der Sprecher bei der Anaphora als Unterform der Textualdeixis auf einen bestimmten Ort referierte. Referenz, so wurde - sogar in Anlehnung an Herbermanns Vorstellungen festgestellt, signalisiert aber die Voraussetzbarkeit des Referenzobjektes als aktueller

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Conte (1981) hatte anfangs nur der Anaphora, nicht aber der Diskursdeixis eine Verknüpfungsfunktion zugesprochen. Später verbessert sie jedoch ihre Einschätzung mit dem Hinweis, daß die Anaphora eine Verknüpfungsfunktion auf der Ebene der referentiellen Kontinuität, Textdeixis auf metatextueller Ebene erfülle. 110 Auf den uneindeutigen Charakter der BUhlerschen Verweisziele wurde weiter oben ausführlich hingewiesen.

74 Kommunikationsgegenstand. Der Ort des sprachlichen Ausdruckes ist aber bestimmt kein Referenzobjekt in diesem Sinne. Dies trifft noch nicht einmal für die Diskursdeixis in unserem engeren Verständnis zu. Wenn es nämlich zuträfe, wäre auch die Diskursdeixis ein doppelter Referenzakt, denn es müßte immer zwei Referenzobjekte geben: die Diskursstelle und die sprachliche Einheit. Das Referenzobjekt der Diskursdeixis ist aber nicht der Ort selbst, sondern die mit einem (temporalen) Ort zusammenfallende Entität. Die Verknüpfungsrelation bei der Anaphora ist zwar anderer Natur, da es sich um die Verknüpfung (referierender) Ausdrücke handelt, aber sie ist sicher keine Referenzrelation, sondern wird, wie Tschauder (1990, 732) richtig feststellt, "erst durch diese gestiftet." Im übrigen ist in verschiedenen Arbeiten, die Deixis und Anaphora weniger von ihrer Funktion als von der Ausdrucksseite her untersuchen, darauf hingewiesen worden, daß bestimmte Ausdrücke, in erster Linie Demonstrativpronomen, die sowohl deiktisch als auch anaphorisch gebraucht werden können, auch als Anaphorika eine quasi deiktische Komponente enthielten. Insbesondere wird auf das lokalisierende Element, das in der Nah/Fernunterscheidung liegt, abgehoben. Dieses habe hinweisende Funktion im Hinblick auf den zweiten zur Verknüpfungsrelation gehörenden Ausdruck. 111 Lyons (1979, 97) beschreibt dies folgendermaßen: "The basically deictic component in anaphoric expressions directs the attention of the addressee to a certain region of the text or co-text and tells him, as it were, that he will find the referent there. But it is of course not the referent itself that he will find in the text or co-text." Darüber hinaus weist er darauf hin, daß bei der Anaphora "die Übertragung räumlicher Begriffe auf die zeitliche Dimension des Äußerungskontextes" (Lyons 1983, 278) feststellbar ist. Bei der Diskursdeixis entgeht ihm aber leider der temporale Charakter (siehe Kap. 3.2). Die Möglichkeit, daß diese Ausdrücke sowohl im Rahmen der Anaphora als auch der Diskursdeixis gebraucht werden können, liegt letztlich wieder darin begründet, daß zur Identifikation des Referenzobjektes neben die Referenzrelation in beiden Fällen eine verknüpfende Relation hinzutritt. Diese Relation ist im unbestimmten Bühlerschen Sinn auf eine "Stelle" im Diskurs gerichtet, wobei dieser Ort jedoch nicht selbst das Referenzobjekt ist. Diskursdeixis sowie Anaphora tragen damit zur Kohäsion bei, und so ist es auch zu verstehen, wenn Canisius/Sitta (1991) Textdeixis und Substitution endophorischen, d.h. anaphorischen und kataphorischen, Charakter zugestehen, weil sie beide auf Textstellen verwiesen.112 111

Vielfach ist daraus auch die Priorität der Deixis abgeleitet worden. Schon Brugmann (1904) hat dies unter Rückgriff auf die griechischen Grammatiker für die indoeuropäischen Sprachen nachzuweisen versucht. Siehe Kap. 1.2.3.2. 112 Wesentlich ist hier der Verweisbegriff. Der Deixis wird im allgemeinen exophorischer Charakter unterstellt, so auch bei Halliday/Hasan (1976, 3Iff.), die allerdings die Diskursdeixis nicht behandeln. Canisius/Sitta (1991, 148) müssen (etwas widersprüchlich) von der exophorischen Basis

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Um terminologische Klarheit herzustellen, soll nun davon gesprochen werden, daß auf Stellen verwiesen wird, womit die gerichtete Verknüpfungsrelation gemeint ist, während auf das über diese temporale Stelle zu identifizierende Objekt referiert wird.113 Im Fall der Anaphora muß, wie Lyons es metaphorisch ausdrückt, im Kotext nach dem Ort "gesucht" werden, wobei der (schwache) deskriptive Gehalt (Proximität bei Demonstrativa, Genus, Numerus) und syntaktische Äquivalenz der anaphorischen Proform sozusagen die Suche anleiten (vgl. Rauh 1983a, 53). 114 Bei der Diskursdeixis fällt die Stelle, nach der "gesucht" werden muß, zwar mit dem Objekt zusammen, aber auch hier ist sie nicht selbst die Entität, die, um Ehlichs Begriff zu gebrauchen, fokussiert wird.

2.6 Fazit

Die Tatsache, daß sowohl die Diskursdeixis als auch die Anaphora auf Diskursstellen verweisen, hat einige Verwirrung hinsichtlich ihrer Unterscheidung gestiftet. In der Literatur zu den beiden Phänomenen taucht immer wieder die Auseinandersetzung mit Grenzfällen auf, in denen die Interpretation als Diskursdeixis und Anaphora schwer entscheidbar sei. 115 Dies liegt auch daran, daß es sich bei der Diskursdeixis, die zwar keine eigene Dimension, aber doch zumindest eine besondere Form der Temporaldeixis darstellt, wie bei der Anaphora um definite Referenzweisen handelt,

der (eigentlich endophorischen) Substitution sprechen. "Die Koreferenz von Substituendum und Substituens macht beide zu exophorischen Ausdrücken; sie macht aus der Substitution ein endophorisches Phänomen mit exophorischer Basis." Dies bedeutet, daß jede Referenz auf ein außersprachliches Objekt letztlich exophorisch ist. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, daß sie auch deiktisch ist, also eine Relation zur Origo aufweist, wie bei der Diskursdeixis. Abraham (1988), auf den sie sich explizit berufen, stellt im übrigen in seiner Definition von exophorisch gerade das Element der Deiktizität heraus. Brecht (1974, 492) spricht von endophorischer Referenz, wenn das deiktische Element seinen Orientierungspunkt (nicht sein Referenzobjekt) im sprachlichen Kontext hat, während bei exophorischer Referenz der Orientierungspunkt im situativen Kontext liegt. 113 Diese Festlegung scheint insbesondere deshalb angebracht, weil man umgangssprachlich auf eine Stelle wie auf ein Objekt verweisen kann. Die terminologische Festlegung erfolgt in Abgrenzung zu Contes Terminologie, die zwar von der (allerdings ungerichteten) Verknüpfungsfunktion der Deiktika spricht, deren Begriff der Verweisfunktion letztlich aber auf Referenz hinausläuft. Dennoch verwendet sie parallel zusätzlich den Referenzbegiff. 114 Insofern ist es kein Wunder, daß Herbermann (1988, 79), der ja auch bei der Anaphora von Deixis ausgeht, "das grammatische Genus gleichsam als Zeiggestenäquivalent" herausstellt. Interessanterweise kommt Rauh (1983a) zu einem ähnlichen Ergebnis, obwohl sie völlig im Gegensatz zu Herbermann der Meinung ist, daß weder Anaphora noch Diskursdeixis wirklich deiktische Phänomene sind. 115 Auf solche Problemfalle wird noch mehrfach eingegangen werden.

76 die darüber hinaus auch noch auf den gleichen referenzvariablen Ausdrücken basieren können. Das Unterscheidungsproblem zwischen Diskursdeixis und Anaphora ist ferner darauf zurückzuführen, daß insgesamt die Vorstellungen über Diskursdeixis relativ vage waren. Während fur die Anaphora Identitätsrelationen gemeinhin als Kriterium akzeptiert sind, war über die konstituierenden Bestandteile der Diskursdeixis wenig nachgedacht worden. Als Kriterien für die Diskursdeixis haben wir die Temporalität und die Metakommunikativität herausgearbeitet. Diese Merkmale sollen nun näher erläutert werden.

3 Der reflexive und temporale Charakter der Diskursdeixis

3.1 Reflexivität Wir hatten festgestellt, daß die Diskursdeixis sich u.a. dadurch auszeichnet, daß ihre Referenzobjekte innerhalb des jeweiligen Diskurses temporal lokalisiert werden. Es handelt sich bei den Referenzobjekten um Teile des Gesamtdiskurses bzw. den Gesamtdiskurs selbst (wie bei: dieses Gespräch oder this conversation). Es sind also (echte oder unechte) Teilmengen des ablaufenden Diskurses, die in das Bewußtsein gerufen werden müssen. Fillmore (1975) und Levinson (1983) können somit zu Recht von "portions of discourse" oder Rauh (1983a) von "segments of discourse" sprechen, auf die sich die Sprecher beziehen. Gleichzeitig erwähnen sie jedoch neben diesen Segmenten und Portionen auch "aspects of the ongoing discourse", die somit ebenfalls Referenzobjekte werden könnten. In jedem Falle richtet sich der Diskurs auf sich selbst, so daß Diskursdeixis als reflexives Phänomen aufgefaßt werden kann. Wenn man davon ausgeht, daß mit den genannten "aspects of the ongoing discourse" sprachliche Aspekte - zumindest im weiteren Sinne (also nicht etwa die Architektur des Raumes, in dem der Diskurs stattfindet) - gemeint sind, würde das bedeuten, daß man diskursdeiktisch auf sämtliche (potentiellen) Gegenstände referieren kann, mit denen sich auch die Sprachwissenschaft beschäftigt. So ist Diskursdeixis wohl auch von Lyons (1977, 667f.) verstanden worden, der als ihr Kriterium annimmt, daß der Äußerungsträger auf "linguistic entities of various kinds" referiert, und es ist kein Wunder, daß er glaubt, auf Beispiele für die Textdeixis verzichten zu können,1 da der seinem Leser vorliegende Text voll davon sei. Ein linguistisches Fachbuch ist selbstverständlich gespickt mit Bezügen auf sprachliche Einheiten und wohl ein Paradebeispiel für den Gebrauch von Metasprache. Es ist jedoch eine noch zu klärende Frage, ob es auch eines für Diskursdeixis ist. Im folgenden soll zunächst kurz auf die Unterscheidung von Metasprache und Metakommunikation eingegangen werden, da etliche Mißverständnisse und Unklarheiten dadurch entstanden sind, daß diese Unterscheidung hinsichtlich der Diskursdeixis nicht gemacht wurde.

Auf den problematischen Charakter seines einzigen explizit aufgeführten Beispieles wird noch zurückzukommen sein. Siehe Kap. 3.1.4.

78 3.1.1 Metasprache, Metakommunikation und Diskursdeixis Metasprache gründet sich auf die Fähigkeit des Menschen, über die Sprache sprechen zu können, d.h. daß die Sprache bereits die "Möglichkeit enthält, zum Gegenstand des Sprechens und damit bewußtseins- und theoriefähig zu werden" (Schlieben-Lange 1975, 197). Ihr Pendant ist zunächst nicht die Metakommunikation, sondern die Objektsprache, also das Sprechen über nichtsprachliche Objekte. Die Unterscheidung der Objektsprache von der Metasprache als der Sprache, die zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes dient, ist in der Sprachwissenschaft unerläßlich. Dabei wird zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes meistens durchaus auf die Objektsprache zurückgegriffen. Es sind aber auch mehr oder minder selbständige Begriffssysteme entwickelt worden, und die Bemühungen der Logiker, eine Metasprache ohne Rückgriff auf die natürliche Sprache zu konstruieren, können als Versuche gewertet werden, die Reflexivität der Sprache gänzlich zu eliminieren (vgl. Lucy 1993, 13). Im engeren Verständnis ist Metasprache ein eigenes (nicht notwendigerweise vollständiges) Sprachsystem mit eigenen Gebrauchsregeln. Im weiteren und üblicheren Verständnis ist Metasprache, die (nicht notwendigerweise eigens konstruierte) Sprache, die zur Beschreibung von Sprache verwendet wird (vgl. Lyons 1977, 10). Diese Reflexivität und damit auch die Unterscheidung in Objekt- und Metasprache ist mindestens seit ihrer Behandlung in der scholastischen Bedeutungslehre erkannt. Zentral war dort der Begriff der suppositio. So wird bei Thomas von Aquin zwischen der suppositio materialis und der suppositio formalis unterschieden. Im ersten Fall bezieht sich ein Zeichen auf ein Zeichen, d.h. seine materiale Ausprägung wie in "homo est vox bisyllaba" und ist somit metasprachlich verwendet. Im zweiten Fall, der suppositio formalis, wie in "homo est animal" findet das Zeichen objektsprachliche Verwendung. 2 Der Rückgriff auf eine natürliche Sprache schließt selbstverständlich nicht aus, daß sich wie in jeder Disziplin fachsprachliche Besonderheiten entwickeln. Ebensowenig wie Metasprache an ein eigenes beschreibungssprachliches System oder etwa ein fachsprachliches Begriffsinventar gebunden sein muß, ist das Moment der Reflexivität eine Möglichkeit, die der Wissenschaft vorbehalten ist. Einheiten oder Charakterisistika einer natürlichen Sprache können durchaus Gegenstand alltäglicher Konversation sein. Darüber hinaus können selbstverständlich auch einzelsprachenunabhängige sprachliche Phänomene thematisiert werden (vgl. Lucy 1993, 9f.). Äußerungen, wie die folgende aus dem Corpus of English Conversation (LLC, Svartvik/Quirk 1980, 1.5, 650ff.), sind keine Seltenheit:

2

Die Beispiele sind zitiert nach Meyer-Herrmann (1976, 83).

79 * A y\es#*

Auch solche Äußerungen sind metasprachlich. Sie sind aber in der gleichen Weise wie die obigen Beispiele von Thomas von Aquin nicht metakommunikativ. Es handelt sich deshalb nicht um Metakommunikation, weil es bei Metakommunikation um Sprachverwendung in zweifacher Hinsicht geht. Die Sprache wird auf zwei Ebenen gebraucht, einerseits auf der Beschreibungsebene wie bei Metasprache (zumindest in ihrem weiteren Verständnis), andererseits auch auf der Objektebene. Metakommunikative Äußerungen drehen sich nicht um Sprache schlechthin, sondern um Sprache in ihrer kommunikativen Verwendung. Dabei kommen nicht etwa diskursübergreifende pragmatische Regularitäten zur Sprache, denn es geht um einzelne Exemplare kommunikativen Sprachgebrauchs und nicht um Typen.3 Mit metakommunikativen Äußerungen wird also ein kommunikativer Aspekt thematisiert, wie er im konkreten Gebrauch der Sprache konstituiert wird.4 Damit ist anders als bei metasprachlichen Äußerungen nicht nur die Äußerung selbst, sondern auch der Gegenstand der Metakommunikation im Ablauf der Zeit einzuordnen. In den meisten Untersuchungen wird sie der ablaufenden Kommunikation zugeschrieben, wie etwa aus Techtmeiers (1990, 169) Bestimmung hervorgeht: "Aus der Menge X von Äußerungen, mit denen über sprachliche Kommunikation geredet wird, soll die Teilmenge X\ metakommunikativ heißen, die durch das Merkmal 'Thematisierung der laufenden Kommunikation' gekennzeichnet ist."

3

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Daß dabei auch Wissen um Sprache involviert ist, steht außer Frage. Wenn jemand etwa auf einen konkreten Satz referiert, muß er eine Vorstellung davon haben, was ein Satz im (alltagssprachlichen) System ist. Die involvierten systematischen Aspekte sind natürlich nicht unbedingt im Verständnis sprachwissenschaftlicher Betrachtungen zu sehen. Tiittula (1993, 46) verweist darauf, daß metadiskursive Einheiten nicht im Sinne eines wissenschaftlichen Metabegriffs und der bewußten Trennung zwischen Objektsprache und Metasprache zu verstehen sind, sondern im Sinne eines "Alltagsmeta". Sie rechnet dazu all die Fälle, in denen die Sprachbenutzer auf eigene Äußerungen und deren Bestandteile Bezug nehmen. Diese Gegenstände gehören dabei oft nicht zu den traditionellen Gegenständen der Linguistik. So werden in den nicht von primär linguistischer Seite betriebenen Untersuchungen vor allem psychosoziale Beziehungen der Beteiligten (der sog. Beziehungsaspekt) betont, auf der Ausdrucksseite spielen besonders non-verbale Elemente eine Rolle. Vgl. Meyer-Herrmann (1976).

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Als zweites Kriterium nennt Techtmeier "die Auxiliarfunktion gegenüber dem laufenden Kommunikationsvorgang" bzw. die Sicherstellung der "Adäquatheit kommunikativen Handelns" (Techtmeier 1983, 133). Im Zusammenhang mit der Auxiliarfunktion wird manchmal eine remediale Funktion im Hinblick auf Probleme der Beziehungsebene unterstellt. Laut Tiittula (1993), die wie Beauvais (1986) oder Vande Kopple (1985) den Terminus Metadiskurs bzw. metadiscourse im Sinne von Metakommunikation verwendet, trägt Metakommunikation jedoch lediglich allgemein zur Diskursorganisation bei. Diese Sichtweise wird von anderen Untersuchungen unterstützt. Schwitalla (1979) weist z.B. anhand von Interviews nach, daß Metakommunikation auch unabhängig von Konfliktpotentialen regelmäßig vorkommt. Schmitter/Adamzik (1982) listen anhand von Beispielen eine Vielzahl sozialer Funktionen auf und kommen zu dem Schluß, daß eine Definition, die die Regelung sozialer Beziehungen einbezieht, insgesamt unmöglich sei. Es scheint aufgrund der Kontextsensitivität in der Tat wenig sinnvoll, Metakommunikation und damit auch Diskursdeixis, denn diese wird, wenn sie überhaupt erwähnt wird, meist als eine Form davon gesehen (vgl. Tiittula 1993), einer bestimmten übergeordneten Funktion zuzuordnen, die über die Diskursorganisation hinausgeht. Derart generelle Funktionen wie Techtmeiers "Adäquatheit kommunikativen Handelns" (s.o.) müssen unter der Prämisse der Gültigkeit des Griceschen Kooperationsprinzips ohnehin unterstellt werden, und es wird im Einzelfall problematisch sein, Indikatoren für ihre Manifestation aufzufinden. Daß die Thematisierung des Diskurses selbst diskursive Einheiten konstituiert, die in Beziehung zu anderen stehen, und der Diskurs so auch organisiert wird, steht allerdings außer Frage (vgl. Conte 1986). Der metakommunikative Gebrauch sprachlicher Einheiten ist - darin scheinen die meisten Autoren, die sich aus linguistischer Sicht mit Metakommunikation befassen, 5 mit Techtmeier einig zu sein - noch in der Weise eingeschränkt, daß der thematisierte kommunikative Aspekt auch in derselben Kommunikation oder, wie es Meyer-Herrmann (1978, 123ff.) präzisierend ausdrückt, in derselben "kommunikativen Interaktionseinheit" steht. Das Konzept dieser kommunikativen Einheit ist dabei in erster Linie an der Konstanz der Beteiligten festgemacht, die für eine bestimmte Zeit ein Sprecherereignis konstituieren.6 Wesentlich ist, daß die Thema5

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Neben Meyer-Herrmann machen in den letzten Jahren z.B. Techtmeier (1990), Tiittula (1993), Unger (1990), Wolf (1990) dies explizit zur Bedingung. Von nicht-linguistischer Seite, vor allem psychologischer, werden unter dem Stichwort Metakommunikation bisweilen andere Phänomene erfaßt, vor allem auch die Funktionen verbaler vs. nichtverbaler Kommunikation. Vgl. MeyerHerrmann (1976). Er unterscheidet darüber hinaus noch in kontinuierliche und - sozusagen als Sonderfall - diskontinuierliche Einheiten. Die Kommunikation ist hier zwar unterbrochen, die Einheiten sind aber von vornherein so geplant, daß als zusammengehörende Einzelteile eine Interaktionseinheit (wie etwa Seminarsitzungen) mit den gleichen Konstanten wie kontinuierliche Interaktionen bilden. Diese Unterscheidung weist Ähnlichkeiten auf mit Harwegs (1990) Einzeltextdeixis und Textmengendeixis.

81 tisierung kommunikativer Einheiten aus anderen Diskursen, wie sie etwa in alltäglichen Berichten und Erzählungen über Gespräche mit anderen Beteiligten oder in linguistischen Gesprächsanalysen vorzufinden ist, danach nicht zur Metakommunikation gehört. Sie wird meistens unter dem Stichwort Extrakommunikation behandelt. 7 Extrakommunikation bezieht sich nicht auf den ablaufenden Diskurs und soll auch im Verlauf dieser Untersuchung keine Rolle mehr spielen. Mit dem Begriff der kommunikativen Interaktionseinheit wird auch der Tatsache Rechnung getragen, daß Metakommunikation (wie Diskursdeixis) im Unterschied zur Metasprache auf zeitlich lokalisierbare und begrenzte Entitäten (und deren Teile) beschränkt ist. Wir wollen die Einheit einfach Diskurs nennen. Dabei haben wir primär mündliche Diskurse im Blick, deren Temporalität nicht hintergehbar ist, schließen aber im Gegensatz zu den meisten metakommunikativen Studien schriftliche Texte nicht aus.8 Zwar sind schriftliche Texte der Notwendigkeit der unmittelbaren Kopräsenz der Beteiligten enthoben, dennoch kann ein Text in seiner linearen Entfaltung als eine sich aus Einzelereignissen ergebende Einheit analog zum mündlichen Diskurs gesehen werden (siehe Kap. 2.4). Sowohl Aspekte des Gesamtereignisses als auch der Teilereignisse können thematisiert werden, und dies ist ja nicht nur bei Kommunikationsstörungen, wie sie vielleicht eher für mündliche Kommunikation typisch sind, sondern allgemein bei der Strukturierung des (mündlichen und schriftlichen) Diskurses der Fall. Darüber hinaus geschieht dies im allgemeinen von einem (temporalen) Fixpunkt aus, nämlich von dort, wo man sich im Kommunikationsprozeß (wobei allerdings beim schriftlichen Text Produktions- und Rezeptionsprozeß getrennt ist) gerade befindet. 9 Es dürfte klar geworden sein, daß Diskursdeixis wesentliche Eigenschaften mit Metakommunikation teilt, so daß es nicht überrascht, wenn Tiittula (1993) Diskursdeixis als eine Form der Metakommunikation bezeichnet. Sie geht zwar nicht weiter darauf ein, es hat aber den Anschein, daß Diskursdeixis für sie offenbar jede Metakommunikation ist, an der klassische deiktische Ausdrücke beteiligt sind. Eine solche Auffassung ist jedoch eher die Ausnahme, denn die meisten metakommunikativen Untersuchungen gehen kaum ausdrucksorientiert vor und befassen sich folglich auch nicht mit deiktischen Ausdrücken.

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Vgl. z.B. Wunderlich (1970,19), Frier (1983, 203) oder Canisius (1986, 126). Da sich diese ja häufig mit den während des Gespräches zwischen den Teilnehmern aufgebauten Konflikten beschäftigen, ist die Beschränkung auf mündliche Kommunikation auch kein Wunder. Prinzipiell gibt es jedoch keinen Grund für diese Beschränkung. Gerade in schriftlichen Texten hat man aber auch andere Orientierungsmöglichkeiten aufgrund drucktechnischer Konventionen. So hat man man meist Seitenangaben und oft auch ein Inhaltsverzeichnis zur Verfugung, das quasi als Landkarte fungiert, auf die man jederzeit zurückgreifen (blättern) kann.

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Vor allem aber vermeiden sie den Referenzbegriff und verwenden stattdessen den weiteren (und vageren) Thematisierungsbegriff. 10 Das Thematisierungskonzept schließt wohl die Möglichkeit ein, auf etwas zu referieren, wird jedoch nicht unbedingt so verstanden, daß ein Gegenstand (welcher Art auch immer) identifiziert wird." Dementsprechend sind auch die Aspekte, die Gegenstand metakommunikativer Thematisierungen sind, weniger fest umrissen. So können auch Aspekte thematisiert werden, die nicht notwendigerweise auf den jeweiligen Diskurs beschränkt und auch nicht ohne weiteres temporal lokalisierbar sind, wie die vielfaltigen Untersuchungen zum sogenannten Beziehungsaspekt deutlich machen. 12 Die Vagheit und Offenheit des Thematisierungskonzeptes spiegelt sich auch auf der Ausdrucksebene wider. Die 'Thematisierung1 ist nicht auf referierende Ausdrücke angewiesen. So werden Konnektoren und andere kohäsionsstiftende Mittel z.B. von Tiittula (1993) oder Vande Kopple (1985) zum Metadiskurs gezählt. Diese werden nicht referierend gebraucht, drücken allerdings eine Verknüpfungsrelation zu Einheiten im Kontext aus.13 Ferner spielen in einem wesentlichen Teil metakommunikativer Untersuchungen Prosodie, Paralinguistik oder non-verbales Verhalten eine zentrale Rolle.14 Solche Phänomene werden häufig mit dem Konzept der Kontextualisierung (vgl. Gumperz 1982) verbunden und als Kontextualisierungshinweise aufgefaßt. Diese sind kontextabhängig und tragen gleichzeitg zur Konstitution des interaktiven Kontextes bei, haben aber nach Auer (1988, 265) keine identifizierende, d.h. referierende Funktion.15 Nicht referierende Ausdrücke spielen jedoch im Rahmen der Deixis keine Rolle. Wir können also das Thematisierungs- und Kontextualisierungskonzept außer acht lassen und mit dem engeren Referenzbegriff operieren. Selbst unter dieser Einschränkung bleibt Metakommunikation der weitere Begriff. Der entscheidende Unterschied zur Diskursdeixis liegt darin, daß sie nicht an eine Origo oder deiktische 10

In den meisten Arbeiten zur Metakommunikation wird der Referenzbegriff zwar eher vermieden, taucht aber dennoch bisweilen auf. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Thematisieren und Referieren nicht immer ganz klar. So benutzt Techtmeier (1990, 172) z.B. auch den Begriff Referenzbereich und meint damit diejenigen kommunikativen Aspekte, die thematisiert werden. Ähnliche Unklarheiten finden sich bei Tiittula (1993). Meyer-Herrmann (1976) operiert zwar mit dem Referenzbegriff, er geht aber nicht auf auf deiktische Ausdrücke ein.

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Insofern scheint die Subsumption der Diskursdeixis unter die Metakommunikation selbst dort nicht unberechtigt, und es tauchen in der Tat auch in solchen Untersuchungen deiktische Ausdrücke auf. Sie werden allerdings nicht systematisch untersucht. Diejenigen Ansätze, die eine Ausnahme bilden und auf den Referenzbegriff zurückgreifen, beschränken sich bezeichnenderweise auf Entitäten wie Sprechakte (vgl. Meyer-Herrmann 1976), die temporal lokalisierbar sind. Zur Verknüpfungsrelation siehe Kap. 2.5.4. Bei Watzlawick et al. (1969) wird dies etwa unter dem Stichwort der sog. analogen Kommunikation verhandelt. Darüber hinaus können sie nicht, wie es bei deiktischen Ausdrücken der Fall ist, durch andere kontextunabhängige Mittel ersetzt werden, indem auf eine andere Verankerung zurückgegriffen wird. Sie entwickeln ihre kommunikative Funktion also nicht auf der Grundlage einer Origo.

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83 Relationen gebunden ist. Diskursdeixis ist dagegen sowohl an referierende Ausdrücke als auch an eine Origo geknüpft. Wir wollen Diskursdeixis als eine besondere Form von Metakommunikation auffassen, in der in der laufenden Kommunikation konstituierte kommunikative Ereignisse aufgrund deiktischer Ausdrücke identifziert werden.

3.1.2 Metaierung auf die Parole-Ebene Es sollte deutlich geworden sein, daß Diskursdeixis kein metasprachliches Phänomen darstellt, sondern eine spezifische Form der Metakommunikation. Voraussetzung fur die diskursdeiktische Referenz ist die konkrete kommunikative Verwendung sprachlicher Einheiten im gleichen Diskurs. Die im Metakommunikationsbegriff enthaltene und auch für die Diskursdeixis zutreffende Reflexivität muß so verstanden werden, daß der Gebrauch deiktischer Ausdrücke sich wieder auf den Gebrauch sprachlicher Ausdrücke richtet. Jeder Gebrauch sprachlicher Ausdrücke konstituiert ein Ereignis (vgl. Lucy 1993, 9f.), und es sind diese Ereignisse, auf die diskursdeiktisch referiert wird. Die deiktische Relation ist somit eine temporale Relation zwischen dem temporalen Ort dieses Ereignisses und dem des Referenzaktes. Die Referenzobjekte sind insofern definite einmalige Entitäten, die im Ablauf des Diskurses von den Beteiligten hervorgebracht werden. Lyons' Forderung nach Referenz auf linguistic entities zur Bestimmung von Diskursdeixis reicht also nicht aus, solange nicht deutlich gemacht wird, daß der tatsächliche kommunikative Gebrauch dieser Einheiten Bedingung der Diskursdeixis ist. Vor diesem Hintergrund entpuppt sich auch Filimores (1975, 70) Alternative zwischen portions or aspects des Diskurses, auf die man sich diskursdeiktisch beziehen könne, als Scheinalternative, denn Referenzobjekte sind zunächst immer nur Teile bzw. Portionen des Diskurses, die sich durch den Gebrauch sprachlicher Zeichen ergeben. Diese Segmente haben selbstverständlich auch bestimmte (sprachliche) Eigenschaften, und diese Aspekte können wie in jedem deiktischen Referenzakt durch den semantischen Gehalt der nicht deiktischen Ausdrücke eingebracht werden. Dies geht aber über die diskursdeiktische Relation hinaus. Beispielsweise charakterisiert the preceding sentence, um Filimores eigene diskursdeiktische Formel zu gebrauchen, das diskursdeiktische Referenzobjekt (syntaktisch) als Satz. Systemaspekte, also gebrauchs- und zeitunabhängige Aspekte der Langue, kommen damit aber nicht als Referenzobjekte ins Spiel, denn referiert wird nicht auf Aspekte der Sprache schlechthin (wie in the sentence is a syntactic unit), sondern auf einen Bestandteil des aktuell ablaufenden Diskurses. Es geht um diesen einen Satz, der vorher im Diskurs konstituiert wurde und der als ein bestimmtes Diskursereignis interpretiert wurde. Der Satzbegriff dient sozusagen als Container, in dem das Ereignis untergebracht ist (siehe Kap. 6.2). Die Diskursdeixis ist somit auf die

84 Parole gerichtet (vgl. Conte 1981). Daß das Referenzobjekt auf der Parole-Ebene zu suchen ist, bedeutet selbstverständlich nicht, daß die Diskursdeixis selbst ein ParolePhänomen wäre. Der Gebrauch diskursdeiktischer Ausdrücke setzt zweifellos Regeln zum richtigen Gebrauch voraus, und eben diese wollen wir beschreiben. Man kann also sagen, daß diskursdeiktisch zunächst auf ein sprachliches Ereignis im Sinne eines token referiert wird. Selbstverständlich kann man auch im Alltagsdiskurs davon ausgehen, daß die Beteiligten aufgrund ihres Wissens über type-token Identitäten dieses einem type zuordnen können und diese Zuordnung auch quasi automatisch abläuft. Dieser Vorgang basiert auf dem unhinterfragten Wissen der Sprachbenutzer um Gebrauchsregeln im Rahmen des normalen Referenzvorgangs. In obigem Beispiel (the preceding sentence) setzt der Sprecher voraus, daß die Beteiligten wissen, was ein Satz ist und daß sie ebenfalls die Gebrauchsregel für den Ausdruck sentence kennen, ebenso natürlich fur den deiktischen Ausdruck the preceding. Wesentlich für die Diskursdeixis ist aber, daß auf ein ganz bestimmtes Exemplar eines sprachlichen Ereignisses referiert wird, das in seinem temporalen Vorkommen einmalig ist und somit deiktisch lokalisiert werden kann. Diese Einheit wird durch die Verwendung sprachlicher Zeichen konstituiert, und im allgemeinen wird im Rahmen dieser Einheit (es muß sich dabei nicht um einen einzelnen referierenden Ausdruck handeln) selbst wieder referiert. 16 Diese Referenzakte haben i.d.R. objektsprachliche Gegenstände. Man kann sich natürlich den Sonderfall vorstellen, daß auch sprachliche Sachverhalte Referenzobjekte sind, nämlich dann, wenn im betreffenden Diskursteil über Sachverhalte, die der Langue zuzuordnen sind, gesprochen wird, wie etwa in einer Linguistikvorlesung. Mit einem diskursdeiktischen Ausdruck, z.B. the following lecture, würde somit auf einen Diskursteil referiert, dessen Referenzobjekte primär metasprachlicher (nicht metakommunikativer) Natur wären. Der Referenzakt auf diesen Diskursteil, der ja zur Parole gehört, bleibt dann diskursdeiktisch.

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Das bedeutet aber nicht, daß automatisch Koreferenz besteht, wie es Tschauder (1991, 259) offenbar vorschwebt: "Es [das Deiktikon] refereriert allerdings nicht nur auf das sprachliche Zeichen, sondern zugleich auf dessen Referenzobjekt." Damit ergeben sich Differenzierungsprobleme gegenüber der Anaphora. Siehe Kap. 2.5.2.

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3.1.3 Gebrauchsmodi der Sprache 3.1.3.1 Erwähnung Wir hatten festgestellt, daß die Diskursdeixis auf den Gebrauch von Sprache, auf die Parole, gerichtet ist. Auf den ersten Blick scheint das Gegenstück, das Gerichtetsein auf die Langue, ohnehin im Diskurs nicht möglich zu sein, denn eine Systemeinheit per ist definitionem keine Gebrauchseinheit. Sie kann als solche somit kein Bestandteil eines Diskurses sein. Es gibt jedoch den Sonderfall, in dem eine sprachliche Einheit zwar im Text oder Diskurs vorkommt, wo aber von ihrer kommunikativ-referentiellen Funktion abgesehen wird. Es ist nämlich möglich, Systemeinheiten in metasprachlichen Äußerungen zu erwähnen (im Sinne von mention bei Lyons 1977, 10), wie es in linguistischen Beispielsätzen geschieht. Tschauder (1990, 739)) nennt dies eine Form von Metalangue und verdeutlicht sie, wie folgt: "Der Satz 'die Fenster sind geöffnet' ist ein Beispiel für das Zustandspassiv, hierbei ist es völlig unerheblich, um welche Fenster es sich handelt, ja der Satz kann sogar, wenn er nicht einem objektsprachlichen Text entnommen wurde, lediglich potentiell referieren." In alltäglichen Gesprächen wird dieser Erwähnmodus nur selten auftauchen, 17 ist allerdings auch nicht ausgeschlossen. So findet sich im Rahmen von Small Talk18 im Corpus of English Conversation (LLC, 1.1, 606) beispielsweise folgender Fall: Athis is [@:] ((the)) rlittle . :fellow (([ae] in))/

Daß es sich hier nicht um den referierenden Gebrauch von worth the trouble handelt, sondern um ein Zitat einer Za/igwe-Einheit, wird hier auch prosodisch signalisiert (Stress, Repetition). Ähnlich wird in schriftlichen Texten mit drucktechnischen 17

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Der Fall wäre im übrigen selbstverständlich anders gelagert, wenn der Satz im aktuellen Diskurs in kommunikativer Absicht geäußert worden wäre. Eine Referenz auf ihn könnte dann diskursdeiktisch sein, selbst wenn er als Beispielssatz zur Verdeutlichung eines linguistischen Phänomens aufgegriffen wird. Dabei ist anzumerken, daß es sich offenbar um Gesprächspartner aus einem philologischen Universitätsfachbereich handelt.

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Mitteln (Kursivdruck, Anfuhrungszeichen, Einrücken etc.) signalisiert, daß es sich hier um eine sprachliche Einheit handelt, die an dieser Stelle nicht wirklich gebraucht wird. Der betreffende Ausdruck (in 606) wird also gar nicht gebraucht, sondern erwähnt, und der 'Witz' dieser Passage ergibt sich daraus, daß nicht ganz klar ist, um welchen Modus es sich handelt. Im Modus des Erwähnens verlieren die Ausdrücke ihre Referenzfahigkeit und auch ihre Deiktizität. Hanks (1990, 131) weist daraufhin, daß in einem Satz wie '"Here' is adverbial" das here nicht deiktisch (und im übrigen auch nicht anaphorisch) ist, da es keinem Sprecher und damit auch keiner Origo zugeordnet werden kann. Die fehlende Referenzfähigkeit von Ausdrücken im Erwähnmodus bedeutet aber nicht, daß diese nicht in Beziehung zu anderen Ausdrücken im Diskurs stehen könnten, wobei auch scheinbar deiktische Ausdrücke beteiligt sind. Dies ist etwa in folgendem Beispiel von Harweg (1990, 187) der Fall: "Ein Beipiel für erlebte Rede ist der Satz 'Heute war Weihnachten'. In diesem Satz...". Harweg bezeichnet die zur Diskussion stehenden Einheiten (hier: heute war Weihnachten) als Kompetenzeinheiten, genauer als "Zitate von Kompetenzeinheiten". Über eine solche Einheit, die an sich schon metasprachlich ist, kann wie über jede andere Einheit des Sprachsystems eine Aussage gemacht werden. Diese ist erneut metasprachlich im Sinne von Metalangue, referiert also auf konstante Bestandteile der Langue, ist aber nicht metakommunikativ und somit nicht diskursdeiktisch,19 selbst wenn deiktisch zu gebrauchende Ausdrücke vorkommen. Die beiden Ausdrücke stehen in keiner metaierenden Beziehung, d.h. es findet kein Übergang von einer Ebene auf die nächste statt. Vielmehr stehen sie in einem Identitätsverhältnis. Bei genauerer Betrachtung sind sie substituierbar. Harweg (1990, 188) spricht in diesem Fall von metasprachlicher Anaphorizität. Wir haben es hier erneut mit einer besonderen Form der Anaphora zu tun, die nicht auf Koreferenz basiert.20 Heute war Weihnachten und dieser Satz sind nämlich substituierbar, ohne daß Koreferenz vorliegen könnte, da ja mit dem antezedenten Ausdruck gar nicht referiert wird. Im Sinne unserer Abgrenzung von 19

20

Canisius (1985, 102) nennt solche Beispielsätze kommunikativ ungültig oder a-kommunikativ. Er veranschaulicht dies mit "'Ich liebe dich' ist ein Aussagesatz", wobei es sich offensichtlich nicht um eine Liebeserklärung handelt. Tschauder zieht aus der Existenz von Metalangue den falschen Schluß, wenn er meint, daß die Referenz auf die Metalangue diskursdeiktisch sein könne. Er will dies mit folgendem konstruierten Beispiel belegen: "A: Meine Großmutter hat Sherlock Holmes noch persönlich gekannt. - B: Unsinn! Den hat's doch nie (wirklich) gegeben" (Tschauder 1991, 257). Zunächst stellt er fest, daß der Eigenname hier nicht im üblichen Sinne referentiell gebraucht wird, weil die "Existenzpräsupposition" nicht für die Beteiligten gleichermaßen zutrifft, und behandelt das Vorkommen des Eigennamens als eine Form der Metalangue. Anschließend schließt er aber auf Textdeixis statt auf Anaphora, weil das Pronomen und der Eigenname nicht koreferent sind. Er übersieht, daß die Identitätsrelation der Anaphora nicht unbedingt auf strenger Koreferentialität beruhen muß (siehe Kap. 2.5.2) und daß hier die Möglichkeit der Substituierbarkeit besteht. Ein ähnlicher Fall wird gleich an einem Beispiel von Lyons noch näher erläutert werden.

87 Anaphora und Diskursdeixis kann man zwar eine Verknüpfungsrelation zwischen den Ausdrücken annehmen (siehe Kap. 2.5.4), diese Relation ist aber nicht deiktisch.21 Harwegs Anaphorakonzept basiert hier auf Substitution einerseits und auf Identität auf der Bezeichnungsebene andererseits, also auf der Ebene der Denotation und nicht der Referenz. "Das Denotat eines Anaphorikons ist dieselbe Größe wie die, die als Denotat des Ausdrucks fungiert, den es wieder aufnimmt" (Harweg 1990, 193). Voraussetzung für diese Form der Anaphora ist der Erwähnmodus, denn nur dort kommt ein Ausdruck vor, ohne daß er referiert. Dieses Anaphorakonzept ist sprecherunabhängig. Insofern kann Harweg auch sagen, daß bei metasprachlicher Anaphorizität die Anaphorika (in obigem Beispiel dieser Satz), "die gleichen objektsprachlichen Einheiten bezeichnen, die auch die Zitate bezeichnen." Eine sprecherunabhängige Deixis, die wir ja als Referenzphänomen herausgestellt haben, ist dagegen nicht denkbar. Der springende Punkt ist die Unterscheidung von Erwähnung, Gebrauch und Zitat. Erwähnte Einheiten können als Za«gue-Einheiten sprecherunabhängig betrachtet werden. Harwegs Zitate von Kompetenzeinheiten laufen letztlich auf solche Erwähnungen hinaus. Die Einheiten werden in keiner Originaläußerung, die zeitlich lokalisierbar und in Relation zu einer Origo zu setzen wäre, wirklich gebraucht. Echte Zitate greifen dagegen Teile der Parole auf, denn sie setzen kommunikative Ereignisse, also Ereignisse, in denen selbst wiederum sprachliche Einheiten gebraucht wurden, voraus, und auf solche Ereignisse kann man - unter der Bedingung, daß sie in den ablaufenden Diskurs fallen - diskursdeiktisch sich beziehen. Dies trifft sowohl auf direkte als auch auf indirekte Zitate zu.

3.1.3.2 Direkte Zitate Bei direkten Zitaten wird das Sprechereignis als Ganzes reproduziert, wobei nicht nur, was gesagt wurde, sondern auch wie es gesagt wurde, übernommen wird (Hickman 1993, 65). Das bedeutet, daß nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Sprechaktcharakter - einschließlich seines referentiellen Teiles - der Originaläußerung wiedergegeben wird. Beim direkten Zitieren referiert man also nicht nur auf die gebrauchten sprachlichen Ausdrücke, sondern, wie Tschauder (1990, 739f.) es ausdrückt, "quasi durch diese hindurch" auch auf das, was der ursprüngliche Sprecher mit dem Gebrauch bestimmter Ausdrücke gemeint hat.22 Man referiert demgemäß auf zwei Ebenen, was Tschauder dazu veranlaßt, Zitate als eine Form von 21

22

Worauf der Referierende sich bezieht, ist nicht ein Teil des Diskurses (der temporal identifizierbar wäre), sondern eine konstante Eigenschaft der erwähnten sprachlichen Einheit. Tschauder bezieht dies aber nur auf die Referenz des Zitates. In Wirklichkeit wird der Sprechakt mitsamt seines Illokutionspotentials reproduziert.

88 Metaparole zu behandeln. Insofern referieren auch die im Zitat gebrauchten Deiktika, allerdings nur indirekt bzw. auf einer Meta-Ebene; es handelt sich dabei (in Tschauders Terminologie) nicht um Objektdeixis, sondern um Metadeixis. Dies äußert sich dadurch, daß die Deiktika im Zitat nicht in direkter Verbindung zur Origo des Zitierenden, des aktuellen Sprechers, stehen. Bühler hat ihren (metakommunikativen) Gebrauch der Deixis am Phantasma zugeschlagen, und die meisten Autoren behandeln sie in dieser Tradition im Rahmen der Versetzungsdeixis (vgl. Sennholz 1985, 232).23 Die zitierten deiktischen Ausdrücke referieren nicht direkt wie bei (direkter) Objektdeixis, sondern lediglich vermittelt über das referierte Ereignis. Damit ändert sich die Perspektive oder die Origo, denn das Zitat muß deiktisch so verankert werden, daß es den Koordinaten der Originaläußerung entspricht (vgl. Rauh 1988, 33). Diese Verankerung vollzieht sich in der Rahmenäußerung. Es ist diese Rahmenäußerung, die oft sozusagen als Anhängsel betrachtete inquitFormel, die explizit den metaierenden Charakter erst deutlich macht. In ihr wird ein Sprechereignis spezifiziert: ein Sprechereignistyp über ein verbum dicendi, der Sprecher (bzw. die Beteiligten) über das Subjekt (und Objekt) und die Zeit des Geschehens über das Tempus (und ggf. Temporaladverbien). 24 Das ist auch die Voraussetzung dafür, daß das Ereignis als Teil des ablaufenden Diskurses identifiziert werden kann. Bei direkten Zitaten machen prosodische Signale (die "mimetische Qualität" nach Herbermann 1988, 58f.) oder bei schriftlichen Texten die Anfuhrungszeichen deutlich, daß zum Verständnis des Zitates eine Origo angenommen werden muß, die mit dem in der Rahmenäußerung referierten Ereignis aus dem Diskurs zusammenfällt. Das Zitat selbst ist dann (nahezu) identisch mit der reproduzierten und erinnerbaren Äußerung. Das vom verbum dicendi in der Rahmenäußerung bezeichnete Sprechereignis wird weiter spezifiziert und identifizierbar. Insgesamt referiert der Zitierende auf den im Diskurs konstituierten Sprechakt. Dabei kann die Illokution spezifischer sein, als es in der Rahmenäußerung das verbum dicendi, häufig das general performative 'say' (Vendler 1972, 54), zunächst indiziert. 23

24

Andere behandeln sie als spezifische Form der (indirekten) Anaphora (Halliday/Hasan 1977), da in der Rahmenäußerung der ursprüngliche Sprecher in Verbindung mit einem verbum dicendi genannt sein muß. Da aber die beiden Ausdrücke auf zwei sprachlichen Ebenen referieren, wie die metaierenden Sprechaktverben indizieren, ist eine Substitution nicht möglich. Es besteht keine Koreferenz. Halliday/Hasans (1977, 49) Beispiel "There was a note from Susan. She just said, Ί am not coming back this weekend'" ist natürlich nicht diskursdeiktisch, da man sich nicht auf ein Ereignis und Ereignisbeteiligte im ablaufenden Diskurs bezieht. Man könnte aber das Beispiel umformulieren: You just said, "I am not coming home this weekend" (But now you say you will be here). You und I sind hier genausowenig substituierbar wie Susan and / im ursprünglichen Beispiel. Dagegen ist you and you im Nachfolgesatz (im Rahmen eines indirekten Zitates) koreferentiell gebraucht. Das liegt an der gleichbleibenden Origo. Daß und wie Tempus und Adverbiale letztlich nur mit Bezug auf den Kontext und die dort konstituierte Referenzzeit (topic time) die jeweiligen Ereignisse lokalisieren, wird noch ausfuhrlich behandelt werden. Siehe Kap. 5.3.

89 Es kann dem jedoch nicht widersprechen. So ist zwar You (just) said: "I promise to come" möglich, aber nicht You (just) promised: "I apologize" (allenfalls: You (just) promised: "I will apologize").25 Einen Sonderfall stellen die Zitate dar, in denen zwar auch eine Äußerung lautlich reproduziert wird, dies jedoch lediglich in dem Sinne, den Vendler (1972, 62ff.) den weak sense of say nennt. Dabei wird etwas lediglich ausgesprochen. Es handelt sich um ein bloßes "mouthing of words", etwa wenn man eine Lautfolge imitiert, die man nicht verstanden hatte. Im Grunde wird also kein vollständiger Sprechakt, sondern nur ein Äußerungsakt reproduziert (vgl. Searle/Vanderveken 1985, 9). Da aber gewissermaßen dennoch ein Diskursereignis konstituiert wurde, das den Beteiligten kognitiv präsent ist, kann man darauf referieren. Dies geschieht im Modus des direkten Zitates mit einer metakommunikativen Rahmenäußerung. 26

3.1.3.3 Indirekte Zitate Auch ein indirektes Zitat referiert auf ein kommunikatives Ereignis. Deshalb ist auch ein indirektes Zitat, sofern das zitierte Ereignis in den Diskurs fällt, diskursdeiktisch, und auch hier ist es das Verb in der Rahmenäußerung, das die Metaierung anzeigt. Der Nebensatz des indirekten Zitates gibt die ursprüngliche, i.d.R. objektsprachliche Äußerung propositional wieder, wobei nicht der ganze referentielle Teil übernommen sein muß (Hickman 1993, 65). Der Sprecher wählt sozusagen aus, welche Bestandteile der Originaläußerung fur seine aktuellen komunikativen Zwecke relevant sind und zur Identifikation des ursprünglichen Ereignisses benötigt werden. Dabei bleibt die Perspektive des aktuellen Sprechers erhalten. Insofern haben nicht nur die deiktischen Ausdrücke ihre fixierte Origo, sondern auch das Sprechereignis kann nur dem Ereignistyp entsprechen, der vom Sprecher in der Rahmenäußerung festgelegt wird. Er assertiert ein Sprechereignis (und referiert in unserem Verständnis von Ereignisreferenz somit darauf), wobei die Beteiligten und die Zeit (sowie der Ort) dieses Ereignisses in Relation zu seinem Standpunkt identifiziert werden müssen. Falls der Sprecher in der Originaläußerung eine performative Formel - ähnliches gilt auch für andere Illokutionsindikatoren - gebraucht, kann sie nicht übernommen werden. I promise to come wird (unter der Annnahme, daß es sich um ein vorangegangenes Diskursereignis handelt) zu I/you (just) said that I/you would come, 25 26

Auf den Gebrauch sprechaktbezeichnender Verben wird in Kap. 4.2ff. ausfuhrlich eingegangen. Einige der von Vendler (1972, 25) aufgeführten Beispiele, das Imitieren einer Lautfolge oder das kleinkindliche Spiel mit Lautfolgen, sind allerdings nicht im Rahmen der Diskursdeixis zu behandeln, da hier ja gar keine Kommunikation bzw. Diskurs vorliegt. An anderer Stelle (Vendler 1972, 62) führt er jedoch das Beispiel an, wo jemand etwas in einer Fremdsprache sagt, um gleichsam dem Partner den 'Klang' zu illustrieren. Auf dieses Ereignis, das ja im Rahmen des Diskurses steht, kann man dann diskursdeiktisch referieren.

90 aber nicht zu I/you just said that I/you promised to come, wie Vendler (1972, 55f.) deutlich macht. 27 Allenfalls kann das performative Verb vom aktuellen Sprecher zur nicht mehr zitierenden Wiedergabe des Ereignisses übernommen werden: I/You (just) promised to come. Der Sprecher charakterisiert in einem indirekten Zitat ein Ereignis, wobei er den Sprechakttyp mit dem general performative 'say' offenlassen kann, der dann lediglich aus dem propositionalen Gehalt erschließbar ist. Ein entscheidendes Element der Diskursdeixis ist die Tatsache, daß ein Diskursereignis charakterisiert wird. Auf diese Weise wird der reflexive Charakter indiziert. Dies muß selbstverständlich nicht im Rahmen eines Zitates geschehen. Beispiele wie I/You (just) promised to come oder I just apologized, in denen zitierende Rahmenäußerung und zitierte Originaläußerung nicht mehr trennbar sind, machen dies deutlich. Wie wir noch genauer untersuchen werden, sind auch performative Äußerungen diskursdeiktisch, denn hier werden im Grunde genau die Handlungen ausgeführt, über die gleichzeitig eine Aussage gemacht wird. Darüber hinaus muß natürlich nicht unbedingt ein Sprechakttyp im Austinschen Sinne mit einem metakommunikativen Ausdruck charakterisiert werden. Vielmehr können die Charakterisierungen auch größere kommunikative Einheiten oder auch gemeinschaftliche Aktivitäten betreffen, wie we've been talking about deixis oder auch this conversation zeigen. Wesentlich ist, daß zu einem deiktischen Ausdruck, mittels dessen das Referenzobjekt im temporalen Ablauf des Diskurses lokalisiert wird,28 auch noch ein metakommunikativer Ausdruck anzeigt, daß sich der Sprecher auf einen Teil des Diskurses bezieht, in dem die Sprache zur Konstitution eines kommunikativen Ereignisses gebraucht und nicht nur erwähnt wird. Da es sich bei diskursdeiktischen Referenzobjekten in der Regel um Diskursteile handelt, in denen selbst wieder referiert wird, haben wir es stets mit dem von Tschauder Zitaten zugesprochenen Phänomen der Metaparole zu tun. Das ursprüngliche Ereignis, sei es ein Sprechakt i.e.S. oder sei es eine größere kommunikative Einheit, enthält normalerweise einen referentiellen Teil, der zur Konstitution des Ereignisses beiträgt. Auf ihn muß somit, wenn auf das Ereignis insgesamt referiert wird, mitreferiert werden. Allerdings müssen nicht die gleichen referierenden Ausdrücke gebraucht werden. Dies ist notwendig nur im Rahmen der Reproduktion des Ereignisses, also bei direkten Zitaten der Fall. Am Ende dieses Abschnitts soll noch einmal darauf hingewiesen werden, daß selbstverständlich nicht alle (direkten sowie indirekten) Zitate diskursdeiktisch sind. Nur das Referieren auf Originaläußerungen, die in den laufenden Diskurs fallen, können diskursdeiktisch sein.

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Vendler hält den ersten Satz für grammatisch nicht korrekt. Möglich ist allerdings I/you said, that I/you had promised to come. Hier werden jedoch zwei Ereignisse assertiert. Auf den eigentlichen deiktischen Aspekt, d.h. die deiktischen Relationen zu Diskursereignis und Diskursbeteiligten wird selbstverständlich noch ausführlich einzugehen sein.

91 3.1.4 Der diskursdeiktische Ebenensprung und ein widerspenstiges Beispiel Als Resultat der vorangehenden Diskussion kann man festhalten, daß eine notwendige Bedingung der Diskursdeixis die Referenz auf den Gebrauch von sprachlichen Ausdrücken ist. Somit muß bei der Diskursdeixis gewissermaßen ein Ebenensprung 29 vollzogen werden. Es ist ein Übergang von Referenz auf Objekte in der Welt (seien sie sprachlicher oder nichtsprachlicher Natur) notwendig, die unabhängig vom Diskurs existieren, auf solche, die sich erst im Diskurs konstituieren. Bei genauerer Betrachtung scheint die weiter oben erwähnte Annahme von Lyons (1977), daß sein linguistisches Fachbuch voller Diskursdeixis wäre, dann nicht den Tatsachen zu entsprechen, denn die dort zweifellos zu findende Referenz auf sprachliche Einheiten ist im allgemeinen wohl eher eine Referenz auf Einheiten des Language System, seinem Äquivalent der Langue. Selbst wenn dort in Beispielen scheinbar objektsprachliche Referenzobjekte vorkommen, muß gesehen werden, daß hier gar nicht wirklich auf sie referiert wird. Der im Beispiel stehende referentielle Ausdruck wird im Grunde gar nicht gebraucht, sondern als Systemeinheit erwähnt. Obwohl Lyons an anderer Stelle (Lyons 1977, 5ff.) selbst auf die Unterscheidung von Erwähnung (mention) und Gebrauch (use) aufmerksam macht, sieht er die Bedeutung dieser Unterscheidung für die Diskursdeixis nicht. Nur wenn eine Einheit gebraucht wird und im gleichen Diskurs im Sinne von Metaparole auf sie referiert wird, handelt es sich um Diskursdeixis. Solche Fälle kommen selbstverständlich auch in Lyons' Semantikbuch vor (auf der selben Seite seiner Besprechung seines nun zu diskutierenden textdeiktischen Beipieles z.B.: "no more need to be said here about... pronouns", "the following text", "it has been suggested, but not so far demonstrated..."), aber gerade diese scheint er, anders als etwa Fillmore, 30 nicht im Auge zu haben. Seine Orientierung an metasprachlichen Einheiten kommt nämlich auch in seinem einzigen Beispiel für textual deixis zum Ausdruck. Selbst dieses (schon erwähnte) Beispiel ist zu Recht in seiner diskursdeiktischen Qualität angezweifelt worden. Nochmals das Beispiel: "(X says) That's a rhinoceros (and Y responds) A what? Spell it for me." In Lyons' (1977, 667) Argumentation referiert Sprecher Y hier eindeutig mit dem it nicht auf das Tier, auf das Sprecher X referiert hatte, sondern auf eine linguistische Entität, und damit ist es für ihn diskursdeiktisch. 31 Diese Interpretation teilt auch Levinson (1983). 29

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Canisius/Sitta (1991, 149) stellen für die Weltdeixis einen "deiktischen Ebenensprung" vom Text auf die Welt, bei der Textdeixis vom Text auf den Metatext, fest. Vergleichbar ist auch der "Suppositionssprung" bei Conte (1986, 8). Allerdings ordnet sie diesen Sprung vor allem einer Sonderform der Anaphora zu. Siehe Kap. 3.1.4. Filimores (1975, 70) diskursdeiktische Formel lautet: the preceding/following X, wobei X offenbar im Grunde jedes "a portion of the ongoing discourse" bezeichnende Nomen sein kann. Das verwirrende an Lyons1 konstruiertem Beispiel ist, daß es sich um einen mündlichen Dialog handelt, das Verb sich jedoch die Realisation einer schriftlichen Einheit bezeichnet. Wenn der

92 Conte (1981 oder fast gleichlautend 1986) interpretiert dieses Beispiel auf der Grundlage einer Identitätsrelation als Anaphora. 32 Es läge zwar keine Referenz- oder Sinnidentität vor, aber dennoch eine Identitätsrelation, nämlich Formidentität. "Was durch 'if wiederaufgenommen wird, ist die Zeichenform, d.h. die Zeichenform 'rhinoceros' als type, von der ein token vorher im Text vorgekommen war. Die Identifizierung des type der Zeichenform erfolgt über das voraufgehende Vorkommen des token" (Conte 1981, 124). Dies ist richtig. Worum es dem Nachfragenden (Y) nämlich mit dem it geht, ist nicht (wie Lyons korrekt feststellt) das Tier - dann wäre es 'normale' Anaphora - oder Bestandteile des konkreten Sprechaktes33 - dann wäre es Diskursdeixis - , sondern die graphemischen Eigenschaften des Gattungsnamens, und diese sind diskursunabhängig. Kurz: Referiert wird also nicht auf das token, sondern auf den type. Der type ist aber eine Einheit der langue und als solche unabhängig von der Realisierung in der Zeit allgemein und speziell im Diskurs. Es ist, als hätte Y die Form rhinoceros erwähnt und würde anschließend auf sie referieren, und in der Tat könnte man die erste Nachfrage a what als Ersatz für eine Erwähnung verstehen, auf die er aufgrund des Nicht-Verstehens verzichten muß. Insofern könnte man erneut von (elliptischer) Meta-Anaphorizität reden. Daß Y nicht verstanden hat, ist im übrigen letztlich Ausdruck der Tatsache, daß er die Zuordnung des token zum type nicht vornehmen konnte. Ein weiteres Indiz für die Anaphorizität ist die Tatsache der Substituierbarkeit. Man könnte it ohne weiteres durch rhinoceros ersetzen. Daß Y die Proform benutzt und nicht die Form rhinoceros erneut erwähnt, ist wohl wiederum darauf zurückzufuhren, daß er aufgrund des Nicht-Verstehens dies gar nicht kann. Conte sieht den Unterschied zwischen der hier vorliegenden Sonderform der Anaphora zu ihren üblichen Formen in einem "Suppositionssprung" zwischen Objekt- und Metasprache. Ein ähnlicher Sprung ist jedoch auch ein Bestandteil der Diskursdeixis. Allerdings ist hier wesentlich, daß es sich nicht um Metalangue, sondern um Metaparole handelt, indem auf ein Element der Kommunikation, das konkret und einmalig im zeitlichen Ablauf des Diskurses konstituiert wird, referiert wird. Was Conte (und ohnehin Lyons) entgeht, ist die Tatsache, daß die Identifizierung des Ebenensprungs auf einen anderen Ausdruck angewiesen ist, was bei den anderen Formen der Anaphora, die diesen Ebenenübergang nicht aufweisen, nicht der Fall ist.

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zweite Sprecher sich auf den mündlichen Kommunikationsakt bezöge, wäre die die Erwiderung Say it/that again erwartbar bzw. idiomatisch. Darüber hinaus führt sie das Argument ins Feld, daß kein chronodeiktischer oder topodeiktischer Ausdruck vorläge. Wir sind aber davon ausgegangen, daß Ausdrücke erst beim Gebrauch ihre jeweilige deiktische Funktion annehmen. Allerdings fallt auf, daß it anders als this und that im allgemeinen in der Tat weder temporal- noch lokaldeiktisch (höchstens in Verbindung mit Zeiggesten) verwendet werden. Z.B. der Äußerungsakt, etwa wie X rhinoceros vorher konkret ausgesprochen hat. Bezeichnenderweise wäre dann auch das deiktische Demonstrativpronomen wahrscheinlicher. Y würde wohl eher say that again sagen.

93 Ohne spell wäre eine Referenz - es handelt sich ja nicht um Wiederaufnahme im Sinne von Kontinuität des urprünglichen Referenzobjektes - auf die Form nicht möglich. Die Metaierung scheint sich für sie gleichsam von allein, als Besonderheit dieser Form der Anaphora und implizit auch der Diskursdeixis, einzustellen. Es ist aber das metasprachliche Verb, das diesen Suppositionssprung indiziert, und eine solche metasprachliche Qualifizierung muß als Kennzeichen der Diskursdeixis sowie der metaierenden Anaphora festgestellt werden. 34 Würde ein objektsprachliches transitives Verb wie kill, draw, wash etc. in Lyons' Beispiel gebraucht, handelte es sich um eine Anaphora auf der Basis von Referenzidentität. Die Proform allein ist für die Sonderform der Anaphora als auch für die Diskursdeixis nicht ausreichend (wohl aber für die Anaphora). Es muß ein metasprachliches Element hinzukommen. 35 Im Falle der Diskursdeixis muß dann noch durch ein deiktisches Element das Paro/e-Ereignis im Rahmen des Diskurses temporal lokalisiert werden. Festzuhalten bleibt, daß eine Metaierung oder ein Ebenensprung zwischen konkreter Diskursebene und Metadiskursebene wesentlicher Bestandteil der Diskursdeixis ist. Eine Einheit, die zunächst von den Beteiligten als Einheit der laufenden Kommunikation und nicht als Einheit des Sprachsystems betrachtet wird, wird zum Referenzobjekt erhoben. Nur eine solche Einheit kann innerhalb des Diskurses zeitlich lokalisiert werden. Über sie wird etwas ausgesagt. Diese Aussage kann allerdings durchaus sprachsystematische Aspekte aufweisen und auf Merkmale des type, dem das token zugeordnet wird, eingehen. Die Charakterisierungen, die letztlich auf Prädikationen hinauslaufen, sind schließlich auch dafür verantwortlich, daß überhaupt erkannt wird, daß es sich um Diskursdeixis und nicht um Weltdeixis handelt. Auf sie wird noch ausführlich eingegangen werden müssen. Es soll an dieser Stelle allerdings nochmals betont werden, daß, während normalerweise im Diskurs auf außerdiskursive Entitäten referiert wird und dieser Weltbezug gleichsam keiner Indizierung bedarf, bei diskursdeiktischer Referenz angezeigt werden muß, daß ein Ebenensprung vollzogen wird. Darauf ist in der Literatur bisher nicht eingegangen worden. Es wurde zwar darauf verwiesen, daß es sich bei der Diskursdeixis um eine (Spezial-) Form der Deixis handelt, die in irgendeiner Weise an deiktische Ausdrücke geknüpft ist, daß aber die Metaierung den Diskursbeteiligten deutlich werden muß, hat kein Interesse gefunden. Dies liegt wohl daran, daß der Ebenensprung oftmals gar nicht als notwendige Bedingung der Diskursdeixis erkannt wurde.

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Es sollte jedoch erwähnt werden, daß Conte (1986, 9f.) in anderem Zusammenhang (es geht letztlich um Ereignisanaphorik) das Zusammenspiel von Ko-Referenz und Prädikation sieht. Sie bringt es allerdings nicht mit Diskursdeixis und der Metaierung in Verbindung. Es ist im übrigen kein Zufall, daß es sich hier um ein Verb handelt. Es muß nicht, wie es bei Filimores Formel (s.o.) den Anschein hat, eine Nominalphrase sein, die einen diskursdeiktischen Ausdruck als solchen kennzeichnet. Wir hatten ja in unserer Diskussion definiter Referenz deutlich gemacht, daß zur Identifizierung des Referenzobjektes nicht nur die Nominalphrase herangezogen wird. Siehe Kap. 4.3.

94 3.2 Temporalität

Wenn auch der metaierende Charakter in Beschreibungen der Diskursdeixis nicht ausreichend herausgestellt wird, so wird doch immerhin darauf verwiesen, daß sprachliche Einheiten als Referenzobjekte fungieren. Wir hatten aber über die Metakommunikativität hinaus festgestellt, daß es sich bei der Diskursdeixis letztlich um ein temporaldeiktisches Phänomen handelt. Diese Konzeption ist neu, und die sich daraus ergebenden Implikationen verdienen besondere Aufmerksamkeit. Für die Temporaldeixis ist wesentlich, daß eine temporale Relation zwischen Äußerungsträger und Referenzobjekt in der Weise besteht, daß das Referenzobjekt über den temporalen Ort des Objektes und den des Äußerungsträgers lokalisiert werden kann. Dabei fallt der deiktische Zielort mit dem Referenzobjekt zusammen, woraus sich bestimmte Restriktionen bezüglich der Objekte ergeben, auf die referiert werden kann. Somit können diskursdeiktische Referenzobjekte offenbar nur Entitäten sein, die sich im Ablauf der Zeit konstituieren. Diese Entitäten sind eigentlich keine Objekte im materialen Verständnis, ihr ontologischer Status ist dagegen eher mit Situationen oder Ereignissen im weiteren Sinne in Verbindung zu bringen. In diesem Abschnitt soll auf den Charakter temporaler und damit auch diskursdeiktischer Referenzobjekte eingegangen werden. Darüber hinaus soll der alltägliche Zeitbegriff, der temporalen Ausdrücken zugrunde liegt, kurz charakterisiert werden. Er kann dann als konzeptionelle Grundlage in der anschließenden Diskussion diskursdeiktischer Ausdrücke vorausgesetzt werden.

3.2.1 Temporale Referenzobjekte 3.2.1.1 Ontologischer Status Strawson betrachtet den ontologischen Status verschiedener Entitäten vor dem Hintergrund von sogenannten referring needs (Strawson 1959, 53). Zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen werden also nicht bestimmte Ausdrücke genommen, sondern das, worüber wir reden können bzw. müssen. Dabei kommt er zu drei unterschiedlichen Sorten von Entitäten, die im wesentlichen mit der schon erwähnten Einteilung von Lyons (1977) in Entitäten erster, zweiter und dritter Ordnung übereinstimmt, die bei Lyons allerdings eher mit grammatischen Kategorien in Verbindung gebracht werden.36 Als Referenzobjekte der Temporaldeixis kamen nach der Lyonsschen Klassifikation Entitäten zweiter Ordnung in Frage. Diese entsprechen in etwa dem, was 36

Lyons (1977) diskutiert den ontologischen Status unterschiedlicher Entitäten vor allem im Zusammenhang mit den parts of speech. In seinem knappen Kapitel bezieht er sich im übrigen auch auf Strawson, wie aus einer Fußnote hervorgeht.

95

Strawson aus eher philosophischer Sicht als events bezeichnet, wobei er den Ereignisbegriff auch in einem weiteren Sinn als Oberbegriff verwendet, der auch states und processes umfaßt. 37 Insgesamt werden events als nachgeordnete Kategorien behandelt, 38 da sie im allgemeinen nur vermittelt über materiale Objekte und Personen (basic particulars bei Strawson bzw. first order entities bei Lyons), die als einzige Entitäten direkt ihren Platz in der Welt haben, wahrnehmbar oder identifizierbar sind. Ereignisse sind also konzeptuell abhängig von Objekten und zudem dadurch eingeschränkt bzw. gekennzeichnet, daß sie zu bestimmten Zeiten stattfinden und daß man (im Sinne eines basic particular) daran teilnehmen kann. Wieder nachgeordnet sind dann Tatsachen, die weder wahrnehmbar noch zeitlich determiniert sind. Vendler (1967a) kommt von einer linguistischen Analyse ausgehend ebenfalls zu einer Dreiteilung. Materiale Objekte und Personen sind auch hier unproblematisch bezüglich ihres ontologischen Status. Der Unterschied der beiden anderen Sorten von Entitäten ergibt sich aus der Untersuchung von Nominalisierungen. Vendler stellt fest, daß Ereignisnominalisierungen in der Umgebung von Wahrnehmungsverben, Zeitadverbien und temporalen Präpositionen vorkommen. 39 Ihnen stellt er Tatsachenbzw. Sachverhaltsnominalisierungen gegenüber, die als Komplemente von Verben der propositionalen Einstellung vorkommen. Daraus zieht er den (mit Strawson vergleichbaren) Schluß, daß Tatsachen wie Sachverhalte 40 und Propositionen (Entitäten dritter Ordnung) nicht wahrnehmbar sind und keine temporalen Entitäten repräsentieren. Man kann aber eine (propositionale) Einstellung zu ihnen haben. Vendler (1967a, 145) faßt seine Überlegungen folgendermaßen zusammen: "objects are in the world in a very straightforward sense, ... all processes, actions, and events take place in the world,... facts are about things in the world." Wenn er behauptet, daß (materiale) Objekte in der Welt sind, dann heißt das, daß sie existieren, räumlich lokalisierbar sind und eine räumliche Ausdehnung aufweisen. Dabei haben sie allenfalls eine indirekte Beziehung zur Zeit, nämlich insoweit, als ihre Existenz ggf. nur für eine begrenzte Zeit besteht, da sie Verschleiß-, Verwitterungs- bzw. Alterungseinflüssen unterworfen sind, sie also quasi nur eine

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40

Ereignisse sind dann das, was aus linguistischer Sicht meist als Situation bezeichnet wird. Bisweilen wird jedoch auch dort bei Zuständen von "Ereignissen im weiteren Sinn" gesprochen (vgl. z.B. Bäuerle 1988). Siehe Kap. 4.3. Nur die basic particulars oder materiellen Dinge sind bei Strawson (1964, 40) in der Welt: "The world is the totality of things." Ereignisse, Situationen und Zustände sind für ihn deshalb lediglich in metaphorischer Redeweise in der Welt. Das gleiche gilt für Tatsachen. Zu Nominalisierungen siehe den hervorragenden Überblicksartikel von Ehrich (1991), der auch Teile der hier angestellten Überlegungen zum Ereignisbegriff enthält. Der Unterschied zwischen Tatsachen und Sachverhalten kann wie folgt skizziert werden: Sachverhalte können in wahren und falschen Aussagen behauptet werden. Bei Tatsachen wird die Wahrheit vorausgesetzt.

96 begrenzte Lebensdauer haben. Ereignisse sind dagegen primär temporale Entitäten. Sie finden in der Welt statt und sind temporal, d.h. auf der Zeitachse, lokalisierbar.41 Ihre Beziehung zum Raum ist dagegen lediglich indirekt, und zwar insoweit, als sie über die beteiligten Individuen erster Ordnung erfolgt. Eine genaue örtliche Lokalisierung des Ereignisses selbst ist zu seiner Identifizierung oftmals nicht notwendig und bisweilen auch gar nicht möglich. Vendler (1967, 142) illustriert dies anhand des (von Austin übernommenen) Nominalisierungsbeispiels, the collapse of the Germans. Man kann nicht wie bei einem Gegenstand sagen the collapse of the Germans was 2000 miles long, sondern höchstens the collapse of the Germans took place all along a 2000 miles front.42 Darüber hinaus kann ein Ereignis Dauer sowie Dynamik (und dabei einen Ortswechsel der beteiligten Individuen, z.B. bei einer Reise, einschließen) aufweisen.

3.2.1.2 Ereignisse als Individuen in der Zeit Eine Arbeit, die die Diskussion um den Status von Ereignissen besonders geprägt hat, ist der Aufsatz über "The Logical Form of Action Sentences" von Donald Davidson (1967). Er geht noch einen Schritt weiter als Vendler und behandelt Ereignisse als Entitäten, die existieren, also in dem Sinne, daß sie wie Dinge und Personen in der Welt sind. Dabei wird die Existenz auch unabhängig von nominalen Ausdrücken gesehen. Davidsons (1967, 83) Beispielsatz (1) (1)

Jones buttered the toast with a knife in the bathroom.

wird mit Hilfe eines Existenzquantors 43 folgendermaßen logisch repräsentiert (2): (2)

(Ee) (Butter (Jones, the toast, e) & With a knife (e) & In the bathroom (e))

Das scheinbar n-stellige Prädikat wird um eine Stelle, die Ereignisstelle erweitert (ebenso die fakultativen Ergänzungen). In jedem "Handlungssatz" wird so auch die Existenz eines Ereignisses vorausgesetzt, das wie die anderen Individuen bzw. Argumente in die logische Repräsentation aufgenommen werden muß. Entscheidend für unseren Zusammenhang sind hier weniger die logischen Implikationen als die Tatsache, daß mit einem solchen Satz (unabhängig von Nominalisierungen) immer auch auf ein Ereignis referiert wird und Ereignisse einen mit anderen Individuen gleichrangigen Status erhalten. Davidson (1967, 91) betrachtet "events as entities about which an indefinite number of things can be said." In Philosophie, Logik und

41 42 43

Diese 'Lokal isation1 setzt einen topologischen Zeitbegriff voraus. Siehe Kap. 3.2.2.4. Vgl. dazu auch Binnick (1991, 321). Aus drucktechnischen Gründen hier mit "E" wiedergegeben.

97 Semantik werden Ereignisse dagegen zumeist als Eigenschaften betrachtet. Lewis (1986) sieht sie als Eigenschaften von spatio-temporal regions ähnlich wie Cresswell (1985), und Montague (1974) betrachtet sie als Eigenschaften von Zeiten. Allerdings spielt auch in Davidsons Ontologie die Zeit eine wesentliche Rolle. Laut Ehrich (1991, 449) ist bei ihm die Zeit letztlich entscheidendes Kriterium, um Ereignisse voneinander zu unterscheiden, denn Davidson beantworte die Frage, ob das Erschießen eines Opfers (e) und das Ziehen des Abzugshebels (e') ein identisches Ereignis darstellte, positiv (e = e'),44 während das Schießen und das Treffen zwei getrennte Ereignisse wären, da sie hintereinander abliefen (e < e'). Zeiten wären damit diskriminierende Eigenschaften von Ereignissen. Genau besehen macht Davidson aber die Identität von Ereignissen an identischen Ursache-Wirkungsbeziehungen fest. 45 Dies gilt zumindest für eine spätere Veröffentlichung, wo Davidson (1985, 179) explizit schreibt: "Events are identical if and only if they have exactly the same causes and effects." Das Kausalitätskriterium ist das stärkere Kriterium, denn es umfaßt neben der Zeitidentität auch die Raumidentität (vgl. Davidson 1985). Die Raumidentität ist das schwächste Kriterium, denn sie kann letztlich an der Identität (und ggf. Bewegung) der beteiligten Individuen festgemacht werden. Schließlich gibt Davidson (1985, 179f.) selbst zu bedenken, daß Kausalitätsbeziehungen oftmals schwerlich feststellbar sind. Zeitliche Relationen sind dagegen transparenter und reichen zur Diskriminierung (da sie ja im stärkeren Identitätskriterium eingeschlossen sind) von Ereignissen aus, so daß in der Praxis unterschiedliche Ereignisse doch daran festgemacht werden, wie auch aus seinen Beispielen hervorgeht. Davidsons Vorstellung von Ereignissen als Individuen, die insbesondere wegen der Identitätsproblematik nicht nur in der Philosophie umstritten ist, ist dennoch in Arbeiten zur temporalen Deixis (z.B. Ehrich 1992), zur Diskursrepräsentation (z.B. Kamp/Reyle 1993) oder Tempussemantik (z.B. Löbner 1988) aufgegriffen worden. Dort ist sie nicht nur auf Handlungen, sondern auch auf Zustände beschreibende Sätze angewendet worden und hat sich als praktikabel erwiesen, 46 wobei dann gerade die Frage nach zeitlichen (zumeist auch deiktischen) Relationen im Vordergrund steht.

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Die mögliche Entschuldigung des Täters, er habe das Erschießen nicht beabsichtigt und damit eine andere Handlung ausgeführt, läßt Davidson nicht gelten. Der Täter könne als Ausrede höchstens vorbringen, er hätte nicht gewußt, daß e = e'. Ähnlich will Herweg (1990, 85) "Ereignisse als eigenständige Entitäten eigener Sorte betrachten, die zeitliche, lokale und kausale Eigenschaften besitzen." Allerdings werden diese Eigenschaften nicht in eine Beziehung oder gar Rangfolge zueinander gesetzt. Das Praktikabilitätsargument soll jedoch laut Bäuerle (1988, 36) nicht heißen, daß wir "dem philosophischen Diktum 'No Entity without Identity die Haltung des Praktikers entgegensetzen: 'The proof of the pudding lies in the eating.'" Gerade die verfeinerte Beschreibung der Zeitrelationen und die weitere Einteilung in Sorten bzw. Klassen von Ereignissen soll ja dazu dienen, auch die Identitätsproblematik in den Griff zu bekommen.

98 Es muß allerdings eingewendet werden, daß die Erweiterung der Davidsonschen Konzeption auf Zustände große Probleme bereitet, denn Zustände müssen zumindest teilweise als zeitneutral angesehen werden. Ein Zustand wie blond sein ereignet sich nicht zu bestimmten Zeiten (siehe Kap. 4.4.2.1). Die Lösung dieser Schwierigkeiten ist jedoch keine Voraussetzung für unsere Untersuchung, denn Diskurse und ihre Sequenzen werden von den Beteiligten aktiv hervorgebracht. Da diskursive Zustände damit nicht vorstellbar sind, stellen sich die Probleme der temporalen Lokalisation und der Existenz von Zuständen für uns nicht wie etwa für Bäuerle (1988), der zu Hilfskonstruktionen greifen muß, und Zustände als "Ereignisse im weiteren Sinne" behandelt. 47 Wir können von Ereignissen im engeren Sinne ausgehen und annehmen, daß Ereigniszeiten in Relation zu anderen Orientierungszeiten stehen. Solche Relationen können wir später dann mit Vendlers (1967b) Verbklassifikation oder anderen Klassifikationen verbinhärenter Zeitschemata, dem aspektuellen Verbcharakter (Comrie 1976) oder den Aktionsarten 48 bzw. Abwandlungen solcher Vorstellungen, in Verbindung bringen, um temporale Ereignisabläufe darzustellen.49 Somit wird mit Bäuerle (1988, 109) davon "ausgegangen, daß jedes Verb prinzipiell ein Ereignis (im weiteren Sinn) induziert." Gemeint ist damit nicht ein Verb als solches, etwa als Einheit im Lexikon, sondern dessen Gebrauch im Rahmen einer Äußerung, im allgemeinen also ein finites Verb im Satz. Ähnlich wie bei Davidson ist damit aber noch nicht die Frage der Identität von Ereignissen gelöst.50 Die Frage stellt sich u.a. bei zusätzlichen Angaben. Bäuerle (1988, 35) zeigt dies mit Davidsons Beispielsätzen: (3)

a. Jones buttered the toast in the bathroom at midnight b. Jones buttered the toast at midnight

Probleme ergeben sich auch aus der Möglichkeit, daß Ereignisse sich aus unterschiedlichen Teilereignissen zusammensetzen können (vgl. Werth 1994), wie insbesondere bei den Accomplishments deutlich werden wird (siehe Kap. 4.4.1). In diesem Zusammenhang plädiert Eberle (1991, 59ff.) für je nach Einzelfall unterschiedlich "fein granulierte" Individuierung. Entscheidend ist für ihn die "finale 47

48

49

50

Ein weiteres Problem stellt sich durch die Verneinung. Ein Nicht-Ereignis kann jedoch wie ein Zustand betrachtet werden, der nicht im Diskurs vorkommt und dementsprechend ausgeklammert werden kann. Der Begriff Aktionsart in der Lesart von Zeitschema allein wird zwar häufig verwendet, ist jedoch mißverständlich, denn er hatte ursprünglich auch eine derivationale Komponente. Vgl. Comrie (1976,7) und ausführlich Binnick (1991, 139ff.). Siehe unten. Vgl. z.B. Bach (1986), Dowty (1986), Galton (1984), Löbner (1988) oder Ehrich (1992). Darauf wird noch ausführlich einzugehen sein. Kamp/Reyle (1993, 505) tragen eine ganze Liste von unbeantworteten Fragen vor, die sich durch die Annahme von Ereignisindividuen ergeben, plädieren aber wie Bäuerle für eine event-based semantics.

99 Ursache", die auf die Agentativität bzw. die Intention des Handelnden hinausläuft. Auf dieser Grundlage kann bei unterschiedlich feiner Betrachtungsweise das Beispielpaar auch als unterschiedliche Ereignisse betrachtet werden. Deutlicher wird dies bei den Beispielen von Bach (1986) in (4). Hier ließe sich bei feinerer Betrachtungsweise die Nicht-Identität etwa dadurch zeigen, daß man lediglich (4b) mit dem finalen Nebensatz in order to rid waterbeds of bedfish ergänzen könnte. (4)

a. Jones poisened the populace b. Jones poured poison into the water main

Darüber hinaus kann mit verschiedenen Verben auf ein Ereignis referiert werden, wie Bäuerle (1988, 104) mit folgenden Beispielsätzen veranschaulicht: (5)

a. Gestern verkaufte Paul dem Peter ein Pferd b. Gestern kaufte Peter ein Pferd von Paul

Schließlich schlägt er eine Relation vor, die schwächer ist als die absolute Identität. 51 Ferner proklamiert Bäuerle (1988, 112) eine "Reifizierung der Vendlerschen Kategorien als Entitäten." Dies bedeutet, daß verschiedene Sorten von Ereignissen (states und activities werden nach Bäuerle zu Ereignissen i.w.S., accomplishments und achievements zu den Ereignissen i.e.S. gezählt) angenommen werden, die jeweils nach ihrer internen temporalen Struktur unterschieden werden. 52 Da sich die jeweilige Struktur (Zeitschema bei Vendler) im Rahmen von Zeitintervallen konstituiert, spielen sie in der Beschreibung der zeitlichen Lokalisierung von Ereignissen eine wichtige Rolle. Auf durch verbinhärente Zeitschemata bestimmte Sorten oder Klassen von Ereignissen wird also noch zurückzukommen sein, wenn die Lokalisierung von Ereignissen, speziell auch Diskursereignissen, zur Diskussion steht. Es soll an dieser Stelle lediglich schon darauf hingewiesen werden, daß diese nicht mit Ereignistypen verwechselt werden dürfen, die in etwa im Sinne von Galtons (1984, 46ff.) tempuslosem Ereignisradikal zu verstehen sind.53 Individuelle Ereignisse können einerseits zwar nach internen Strukturen oder Zeitschemata sortiert werden, und sie können andererseits auch verschiedenen Typen von Ereignissen zugeordnet werden, die mit dem lexikalischen Gehalt der Verben (bzw. VPs) korrespondieren. Die Referenz auf individuelle Ereignisse - sozusagen im Sinne von event tokens oder occurences (Galton 1984, 54ff.) - muß aber von der auf Ereignistypen abgegrenzt werden. Im zweiten Fall wird nämlich nicht auf ein Ereignisindividuum referiert, sondern auf 51

52 53

Auch die Forderung der prinzipiellen Induzierung eines Ereignisses durch ein Verb schränkt Bäuerle (1988, 11 Off.) später insofern ein, daß es neben der Ereignisinterpretation eine Propositionsinterpretation gibt, die vor allem Zustandsverben betrifft. Ähnlich Eberle (1991). Herweg (1990) betrachtet nur Ereignisse i.e.S. als Individuen. Es ist allerdings anzumerken, daß Galton nicht von Ereignisindividuen ausgeht.

100 eine Klasse von Ereignissen bzw. einen Typ mit bestimmten Merkmalen, für den das Kriterium der zeitlichen Lokalisierung gar nicht zutrifft. Der Unterschied von individuellen Ereignissen gegenüber Ereignistypen läßt sich im Rahmen der Ereignisanaphorik veranschaulichen.54 (6)

a. John beat up Larry. That was (happened) yesterday, b. John beat up Larry. He does that regularly (often).

Während im ersten Beispiel mit der Proform auf ein individuelles Ereignis referiert wird, wird im zweiten auf den Ereignistyp referiert. Temporale Relationen und insbesondere auch deiktische Relationen sind nur in bezug auf Ereignisindividuen möglich.

3.2.2 Die alltägliche Zeitkonzeption 3.2.2.1 Die Determination von Ereignissen Wenn Zeitpunkte oder -Intervalle schließlich zu einem entscheidenden Kriterium fur die Identität (und Identifikation) von Ereignissen werden, stellt sich natürlich auch die Frage nach deren ontologischem Status. Zeitpunkte oder Zeitintervalle können nicht in derselben Weise real eingestuft werden wie die damit festgelegten Ereignisse, es sei denn, daß man sie in einem Zirkelschluß wiederum über diese Ereignisse definiert. Die Vorstellung von Ereignissen als Entitäten in der Welt muß letztlich an die Annahme einer eigenen Zeitkategorie geknüpft sein. Offenbar muß man Zeit und Ereignisse als "Entitäten je eigener Sorte" behandeln (Herweg 1990, 93). Dabei scheint es zunächst unerheblich, ob man Ereignis und Zeit als einander nachgeordnet betrachtet, indem die Zeiterfahrung an Ereignisse geknüpft ist (vgl. Mundle 1967, 134ff.), oder ob man sich der Kantschen Auffassung anschließt, daß Zeit als mentale Kategorie α priori vorausgesetzt werden muß.55 Die Annahme von Ereignissen, die die Welt quasi bevölkern wie andere Individuen, muß an unsere auf Sukzessivität basierende Zeitkonzeption geknüpft sein, um Ereignisse gleichen Typs voneinander unterscheiden zu können.56 Aussagen über 54 55

56

Vgl. Auch Bäuerle (1988, 24), der ähnliche deutsche Beispiele aufführt. Die Annahme einer eigenen Zeitkategorie steht nicht zwangsläufig im Widerspruch mit der Konzeption, daß Ereignisse Bausteine unserer Zeiterfahrung repräsentieren und Zeitperioden lediglich deren Substrate sind (vgl. Kamp 1979). Schon in der Aristotelischen Zeitauffassung wird Zeit nicht als eigene Entität gesehen. Es wird ihr unabhängig von den Veränderungen, die materielle Individuen durchmachen, keine Realität zugestanden. Gale (1968, 1) faßt dies so zusammen: "It has being only as an attribute of an attribute of substance." Im übrigen können zur gleichen Zeit auch verschiedene Prozesse bzw. Ereignisse im selben Raum ablaufen, wie Hawking (1988) aus physikalischer oder Lewis (1986, 245) aus philosophischer Perspektive mit dem Hinweis auf chemische Reaktionen im Reagenzglas anmerken. Entscheidend

101 die Zeit von Ereignissen können nur relational verstanden werden, und insofern ist eine zeitliche Orientierungsmarke notwendig. Selbst wenn Davidson lediglich an der logischen Form von Handlungssätzen interessiert ist und vom Äußerungszeitpunkt absehen will, muß er sich auf eine (nicht-deiktische) Orientierungszeit beziehen, um die Identität von Ereignissen feststellen zu können. Einerseits begreifen wir Zeit in dynamischer Weise, indem wir Ereignisse als vergangen, gegenwärtig oder zukünftig erinnern, wahrnehmen oder antizipieren. Die Determination der Ereignisse als vergangen, gegenwärtig oder zukünftig ändert sich dabei ständig, da der eigene Standpunkt fortschreitet. Die Zeit wird somit dynamisch konzeptualisiert. MacTaggert (1927/1967) nennt diese letztlich deiktische Konzeption die A-Determination von Ereignissen. Ihr steht andererseits die B-Relation gegenüber, in der die Zeit eine statische Struktur erhält, da die Geschichte der Welt von einem (gottgleichen) Standpunkt in eine stabile Ordnung von vorher-nachher gebracht wird. 57

3.2.2.2 Der sozial geteilte Zeitbegriff Ein Fixpunkt neben der Sprecherorigo kann letzlich nur per Konvention festgelegt werden, z.B. an ein historisches Ereignis gebunden sein, wie es in unserer Zeitrechnung der Fall ist. Zur Identifizierung von Ereignissen wäre Davidson zudem auf konventionalisierte Maßeinheiten angewiesen, wie sie beispielsweise in der Alltagssprache in den an astronomischen Zyklen orientierten Einheiten zur Verfügung steht (vgl. Fillmore 1975, 33). Diese Einheiten sind also selbst wieder an Ereignisse geknüpft, und solche "Maßereignisse" (Klein 1994, 185) können im Grunde alle (wiederkehrenden) den Sprachteilnehmern bekannten Ereignisse bestimmter Dauer sein. Astronomische Zyklen bieten sich hierzu offenkundig besonders an,58 da sie zumindest indirekt der Wahrnehmung zugänglich sind. Die Dauer eines zyklischen Ereignisses, etwa eine Erdumdrehung, wird zur Maßeinheit. In der Physik sind solche an der menschlichen Wahrnehmung orientierten Maße weitgehend neu und präziser definiert. Mit der Relativitätstheorie ist ohnehin das Konzept absoluter Zeit hinfällig geworden. Der dort entwickelte Begriff der Raumzeit hat aber keinen Einfluß auf unsere alltägliche, sozial vermittelte Konzeptualisierung von Zeit oder Raum und läßt sich auch nicht auf Ereignisse

57

58

ist wohl auch hier die Identität der Entitäten erster Ordnung, also der an den jeweiligen Prozessen beteiligten Substanzen. Die philosophische Diskussion um die Priorität einer der beiden Sichtweisen ist ausfuhrlich in Gale (1968) dokumentiert. Eine gute Zusammenfassung aus linguistischer Sicht bietet Schöpf (1984, Kap. 1.1). Klein (1994, 185) merkt hierzu an, daß auch in unserer Kultur nicht notwendig ausschließlich astronomische Ereignisse als Maßeinheit gebraucht würden. In seiner Jugend sei das (ggf. mehrmalige) Aufsagen eines allgemein bekannten Textes bzw. Gebetes wie das "Vater unser" als Maßeinheit gebraucht worden, um die Dauer eines anderen Ereignisses klar zu machen.

102 anwenden (vgl. Ehrich 1992, 3). Selbst ein allgemein als überholt angesehenes Verständnis raumzeitlicher Sachverhalte überdauert offenbar in unserem Sprachgebrauch, solange es mit unserer Wahrnehmung in Einklang zu bringen ist (vgl. Eichinger 1989, 5ff.). So heißt es immer noch, daß die Sonne aufgeht, obwohl in unserem Kulturkreis wohl niemand mehr davon ausgeht, daß diese sich relativ zur Erde bewege. "Die Sprechweisen über Räume und Zeiten sind (damit) als funktional bedingte, regeldeterminierte Abstraktionen über den lebensweltlichen Erfahrungen der jeweiligen kulturellen Gemeinschaft zu verstehen" (Eichinger 1989, 6). Die Begriffe von Raum und Zeit basieren auf den sozial geteilten Alltagstheorien und haben sich den außerhalb unserer Wahrnehmung und Vorstellungskraft entwickelten Theorien entzogen. 59 Es sind diese alltäglichen Konzeptionen über zeitliche Relationen, die den temporalen Ausdrücken natürlicher Sprachen zugrunde liegen. Wir wollen hier kurz auf sie eingehen und damit auch die begriffliche Basis für die Diskussion temporaldeiktischer Ausdrücke im zweiten Teil dieser Arbeit schaffen. Dabei wollen wir uns an Wolfgang Kleins (1994) Vorstellungen orientieren. Klein (1994, 59ff.) spricht vom Basic Time Concept, das die Sprachbenutzer teilen. Dabei gibt es durchaus kulturelle Unterschiede, was sich u.a. dadurch ausdrückt, daß manche Kulturen auf metrische Zeiteinheiten, obwohl in unserem Leben selbstverständlich, ebenso verzichten wie auf eine weitere konventionalisierte Orientierungszeit (bzw. -ereignis) neben der zeitlichen Origo. Das Basic Time Concept liegt aber allen natürlichen Sprachen zugrunde. Klein (1994, 61 f.) nennt sieben Merkmale dieses Konzeptes, die zum Ausdruck zeitlicher Relationen unabdingbar wären. Sie erscheinen intuitiv plausibel und werden auch in der weiteren Diskussion zwangsläufig vorkommen:

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Kamp (1979, 414) weist daraufhin, daß nach der Relativitätstheorie beispielsweise die Relation von vorher und nachher nicht miteinander verbunden sein muß. So kann es zwei an einem Ort aufeinanderfolgende Ereignisse eg und e 2 geben, von denen keines vorher oder nachher bezüglich eines entfernten dritten Ereignisses e 3 ist. Dieser Umstand kommt jedoch nur bei räumlich getrennten Ereignissen zum Tragen und ist irrelevant für den Sprachbenutzer. Er kann auf der Basis angemessener Konventionen (Synchronisierung der Uhren) seine Sicht, daß Zeit linear ist, beibehalten.

103 1 Segmentability: Time, whatever it is, can be devided into smaller segments - time spans. 2 Inclusion: If a and b are time spans, then a may be included in b; this inclusion may be full or partial. 3 Linear order: If a and b are time spans, which are not (fully or partly) included in each other, then either a precedes b or b precedes a. 4 Proximity: If a and b are time spans, then a may be near to, or far from, b. 5 Lack of quality: Time spans have no qualitative properties; they are neither green nor greasy, and they do not have handles. They are just after each other or contain each other. 6 Duration: Time may be long or short in duration. 7 Origo: There is a distinguished time span, which we may call 'the time of present experience'. Everything before that is accessible to us only by memory, everything later only by expectation.

Das Merkmal der Qualitätslosigkeit steht im Widerspruch zu formalsemantischen Positionen und kommt auch in Beschreibungen alltäglicher Zeitkonzeptionen meist nicht (explizit) vor. Es zeigt aber in besonderer Weise, daß Ereignisse und die ihnen zuzuordnenden Zeitspannen auseinandergehalten werden müssen. Ereignisse haben im Gegensatz zu Zeitspannen durchaus qualitative Merkmale, die mit dem lexikalischen Gehalt der sie bezeichnenden Ausdrücke korrespondieren.

3.2.2.3 Intervalle und Punkte Die Einheiten, in denen Zeit laut Klein angegeben werden kann, sind Zeitspannen oder -intervalle. In Kleins Zeitkonzeption kommen keine Zeitpunkte vor. Die in Philosophie und Physik viel diskutierte Frage nach einem durch Segmentierung nicht mehr teilbaren Quantum klammert er aus, da dies für die Beschreibung von Zeitrelationen - und implizit scheint er auch zu meinen ftir den Sprachbenutzer irrelevant wäre. Allerdings scheint gerade im alltäglichen Sprachgebrauch der Zeitpunkt oder der Moment, zu dem etwas geschieht, durchaus eine Rolle zu spielen. Indem Klein (1994) Zeitpunkte in seinem Konzept nicht erwähnt, entgeht er dem Widerspruch von punktuellen Ereignissen. Der Widerspuch, der in dem Begriff des punktuellen Ereignisses steckt, fuhrt in grammatischen Beschreibungen zu Formulierungen wie "events effectively without duration" (Quirk et al. 1985, 208), die einerseits punktuell charakterisiert werden, andererseits aber doch "discernible fractions of time" (Smith 1991, 58) aufweisen. Offenbar sind Ereignisse gänzlich ohne zeitliche Ausdehnung nicht vorstellbar. Bull (1963, 12) drückt dies mit folgendem Bonmot aus: "All events take place in time and take time to take place." Man kann jedoch Zeitspannen mit minimaler Ausdehnung annehmen, wie dies wohl auch Klein (wenn auch unausgesprochen) tut. Eine solche Zeitspanne ist dann zwar immer noch abstrakt (z.B. das extended present bei Bull 1963) und kann als solche

104 nicht wahrgenommen werden (wie auch größere Zeitspannen), aber sie kann mit Ereignissen zusammenfallen, die wahrnehmbar sind. Was aber durchaus vorstellbar (wenn auch nicht wahrnehmbar) erscheint, sind etwa Zeitspannen, die Zuständen oder Prozessen entsprechen, und unmittelbar, d.h. ohne dazwischen liegende Zeiteinheit, aufeinander folgen, so daß der Übergang von einem Zustand oder Prozeß zum anderen die Ausdehnung null hat.60 So gesehen, sind die Grenzen von Ereignissen (im weiteren Sinne), nicht jedoch die Ereignisse selbst ohne Ausdehnung konzeptualisierbar. Man kann also von deren Anfangs- und Endpunkten sprechen. Diese Punkte können abstrakt betrachtet werden, d.h. ohne daran geknüpfte Ereignisse, so daß sie zwar eine Position auf der Zeitachse, aber keine Ausdehnung haben. Zeitpunkte sind Abstraktionen (Bull 1963, 5ff.). Ereignisse gänzlich ohne Ausdehnung wären aber nicht konzeptionalisierbar oder zumindest nicht wahrnehmbar. Der Widerspruch zwischen der alltäglichen, an psychologischen Prozessen bzw. an der Wahrnehmung und damit an Ereignissen orientierten Zeitkonzeption einerseits, 'der subjektiven Zeit', wie es Dorfmüller-Karpusa (1983, 32) ausdrückt, und einem abstrakten Zeitverständnis 61 andererseits, 'der objektiven Zeit', wird besonders bei der Origo deutlich. Das Basic Time Concept geht von einer "time of present experience" aus, während in einem abstrakten Gegenwartskonzept die Gegenwart als erschlossene ausdehnungslose Größe erscheint. Augustinus hat schon vor 1600 Jahren diesen abstrakten Standpunkt beschrieben (Ausgabe v. Flasch/Mojsisch 1989, 316): Entdecken wir etwas an der Zeit, was in keine, aber aüch nicht die geringsten Augenblicksteile geteilt werden kann, dann ist dies das einzige, was 'gegenwärtig' heißen sollte. Aber dies fliegt so rasch aus der Vergangenheit in die Zukunft hinüber, daß es sich zu keiner Dauer dehnt. Dehnt es sich, so zerfällt es in Vergangenheit und Künftiges; das Gegenwärtige hat aber keine Ausdehnung.

Ein solches Gegenwartsverständnis ist nur losgelöst von Ereignissen (i.w.S.) möglich, und zwar sowohl in Absehung der Ereignisse als auch des Wahrnehmungsprozesses. In der alltäglichen Kommunikation herrscht dagegen ein Gegenwartsverständnis vor, nach dem "jetzt" im Sinne einer psychologischen Präsenzzeit (Schöpf 1984, 10) sich etwas ereignet, und sei es nur im Bewußtsein. Schon Bühler (1934, 60

61

Diese Vorstellung ist ja für die sog. telischen Ereignisse, also Ereignisse mit Kulminationspunkt konstitutiv (siehe Kap. 4.5.1). Im übrigen setzt sie voraus, daß Zeit diskret konzeptualisiert werden kann. Was eigentlich konzeptualisiert wird, sind die Zustände bzw. Prozesse, die nicht gleichzeitig ablaufen können und deren Übergang abrupt wahrgenommen wird. Der Übergang wäre dann als Punkt ohne Ausdehnung vorstellbar. Es wird hier offen gelassen, ob die Zeit "dicht" ist, wie in den meisten philosophisch-mathematischen Theorien angenommen. Unsere Wahrnehmung scheint wohl nicht auf einem solchen Konzept zu basieren. Gale (1968, 293) nennt aus philosophischer Sicht dies den Unterschied zwischen perceptual and real present.

105 12Iff,) hat seine (zeitliche) Origo u.a. an der Erinnerung festgemacht und das "mittelbare dem unmittelbaren Behalten" gegenübergestellt. 62 Eine solche Zeiteinheit läuft als eine Art Bewußtseinseinheit sozusagen im fortschreitenden Kommunikations- und Wahrnehmungsprozeß mit und hat eine bestimmte, wenn auch minimale Ausdehnung, vergleichbar mit der der oben erwähnten sog. punktuellen Ereignisse. Psychologische Studien haben erwiesen, daß auch die sprachliche Wahrnehmung offenbar in quantifizierbaren Momenten abläuft (vgl. Miller/Johnson-Laird 1976, 76ff.), wenn auch Uneinigkeit über den Umfang der Wahrnehmungseinheit besteht. 63 Wenn man diese Zeitspanne, die sich zwar abstrakt noch teilen läßt, deren Subintervalle aber nicht mehr (ohne technische Hilfe) wahrnehmbar sind, praktisch als kleinste Zeiteinheit nimmt, ist die Frage nach punktuellen Ereignissen irrelevant. Es scheint, daß wir eine solche Zeiteinheit meinen, wenn wir im Alltagsgespräch sagen, daß sich etwas im Moment ereignet und sich damit auch schon ereignet hat. "Zeitpunkte stehen im Sprachgebrauch für Zeitintervalle, deren Dauer wir (für den betreffenden Sachverhalt) als irrelevant betrachten" (Dorfmüller-Karpusa 1983, 33). Das Ereignis selbst hat dabei selbstverständlich meistens eine größere Dauer als der Erlebensmoment, kann aber auch in diesen hineinfallen. Unter dieser Voraussetzung ist es dann durchaus sinnvoll, sowohl von Zeitpunkten als auch punktuellen Ereignissen zu sprechen, ohne daß man die in Physik und Philosophie gestellte Frage nach nicht mehr teilbaren Zeitquanten beantworten müßte. Allerdings stellt sich damit immer noch die Frage danach, wie Erlebensmoment und Sprechmoment miteinander zusammenhängen, insbesondere wie die Origo sich im Rahmen des Äußerns von sprachlichen Einheiten (speziell den deiktischen Ausdrücken) manifestiert. Die psychologische Präsenzzeit hat ja kein Äquivalent in der Zeitspanne, die man zum Äußern irgendwelcher sprachlicher Ausdrücke benötigt. Bei Adverbien wie now wäre es noch vorstellbar, daß das deiktische Relatum mit der Zeitspanne des Äußerns des Ausdrucks zusammenfallt wie in den folgenden Beispielen von Klein (1994, 66).

62

63

Heute würde in der Psychologie dies wohl auf unterschiedliche Kapazitäten des Kurzzeit- bzw. Ultrakurzzeitgedächtnisses zurückgeführt (vgl. Schnabl 1972). Edelman (1992, 11 Iff.) macht das remembered present aus biologischer und evolutionstheoretischer Sicht an einem higher order consciousness fest, das selbst nicht punktuell ist und sich auch nicht auf eine punktuelle Gegenwart bezieht: "It is limited to a small memorial interval around a time chunk I call present" (Edelman 1992, 122). So kritisiert Miller/Johnson-Laird eine Untersuchung von Stroud (1967), der eine Zehntelsekunde annimmt. Einen aus linguistischer Sicht interessanten Überblick zur "Physiologie der Zeitwahrnehmung" gibt Vater (1994, 34ff.).

106 (7)

a. It is NOW five o' clock sharp. b. From NOW, it is exactly three seconds until NOW.

Bei den Tempora, zumindest bei den periphrastischen, wäre analog dazu aber eine Origofestlegung nicht mehr möglich. Klein (1994, 67) unterstellt deshalb: "In the case of tense, language abstracts from origo shifts during the production of a clause: the shifting 'psychological nows' are taken together as the deictic relatum of tense." Näher betrachtet ist dies wohl der Normalfall bzw. der unmarkierte Fall, denn wenn eine kleinere Einheit den gegenwärtigen Moment signalisieren soll, müssen wir dies prosodisch deutlich machen. Der Sperrdruck in Kleins obigen Beispielen soll ja wohl auch die prosodische Hervorhebung markieren.

3.2.2.4 Ordnungsrelationen und die topologische Betrachtungsweise der Zeit Es wird immer wieder darauf hingewiesen, daß in unserer Vorstellung das Zeitkonzept dem Raumkonzept nachgeordnet ist und auf die dort gültigen Kategorien zurückgreift (siehe auch Kap. 2.3.1). So schreibt Wunderlich (1982, lf.): "Meine Grundthese (die in dieser oder ähnlicher Form schon vielfach vertreten wurde) ist diese: der Raum ist für die Organisation von Sprache fundamentaler als die Zeit (...). Wo räum- und zeitbezogene Kategorien nebeneinander existieren (...) scheinen die raumbezogenen die primären, die zeitbezogenen die abgeleiteten zu sein. Man kann die zeitbezogenen Kategorien dadurch erhalten, daß man etwas auf eine Dimension projiziert und diese Dimension als Zeit deutet." Die Zeit wird dynamisch konzeptualisiert. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten der Konzeptualisierung, die mit den Bildern der moving time und des moving ego beschrieben wurden (Miller/Johnson-Laird 1976, 463). Entweder wird der Sprecher ortsfest gedacht und die Zeit schreitet auf einer Linie voran, was dem Bild der moving time entspricht, oder aber das wahrnehmende Ego schreitet an der Zeitlinie entlang, was dem Bild des moving ego entspricht. Sprachen können sich beider Metaphern bedienen, wie Fillmore (1975, 29) fur das Englische mit den beiden Ausdrücken in the following months und in the months ahead deutlich macht. Zeiteinheiten werden eindimensional in Anlehnung an die räumliche Topologie vorgestellt. Sie haben Eigenschaften wie Ausdehnung und sind einander, je nachdem, wieviele Einheiten sie trennen, nah oder fern. Somit werden Zeitrelationen auch in Anlehnung an die reellen Zahlen darstellbar. Diese Sichtweise beschreibt mit der Analogie von größer/kleiner und vorher/nachher präzise die lineare Ordnung und wird auch hier übernommen, sie legt aber auch die Vorstellung einer metrischen Distanz zwischen Zeitspannen nahe.64 Eine solche absolute Distanz ist im Basic Time 64

In diesem Zusammenhang steht auch die Annahme, daß Zeit "dicht" sei (siehe oben, Anmerkung 21). Diese steht eigentlich im Widerspruch dazu, daß wir uns, wie erwähnt, vorstellen können, daß

107 Concept jedoch nicht notwendig enthalten, kann jedoch ausgedrückt werden, im Englischen z.B. mit Zeitadverbialen und entsprechenden kalendarischen Maßeinheiten. 65 Dagegen ist - ähnlich wie bei der räumlichen Topologie (vgl. Ehrich 1992) - der Parameter Proximität notwendig vertreten. Diesen hat man sich relativ vorzustellen, wobei die Region um die Zeitspanne je nach Kontext verschieden kurz oder lang ist. Klein (1994, 63) veranschaulicht diese Relativität mit folgendem Vergleich: "The region of boiling an egg is (on average) shorter than the region of finding a spouse." Der Faktor der relativen Proximität ist im übrigen nicht nur bei der Konzeptualisierung der temporalen, sondern auch bei der der anderen deiktischen Dimensionen (und der Beschreibung ihrer Determination) zentral (vgl. Rauh 1983a). Die Struktur der Zeitkonzeption läßt sich ohne allzu großen formalistischen Aufwand in etwa folgendermaßen skizzieren: Wenn man von der Menge der reellen Zahlen und der Ordnungsrelation " I have talked about the programme I have explained the programme I have apologized for the programme

Die Perfektrelation legt fest, daß Tsit vor TT ist, und die Tempusrelation, daß TU in TT ist. Aus der Kombination läßt sich also schließen, daß Tsit vor TU liegt. Dies ist 46

Es ist dabei zu beachten, daß in anderen Sprachen das Perfekt durchaus den Charakter eines Tempus haben kann, so z.B. im Deutschen, wie Ehrich/Vater (1989) darlegen.

181

auch beim Past der Fall. In Zweiparametertheorien ist es schwierig, den Unterschied zwischen Past und Present perfect darzustellen, denn bei beiden handelt es sich um die gleiche deiktische Relation, nämlich Tsit < TU, die dort direkt mit dem Tempus, wozu das present perfect ja meistens gezählt wird, ausgedrückt wird. Es ist daher kein Wunder, daß insbesondere zur Unterscheidung von Past Tense und Present Perfect die (Reichenbachsche) Dreiparametererklärung besonders häufig zu finden ist. Aus dem Zusammenfallen von Referenzzeit und Sprechzeit wird meistens auch ein besonderer 'Gegenwartsbezug' des Present Perfect hergeleitet, der sich gut mit dem Proximitätskriterium verbinden läßt (vgl. Rauh 1988), das traditionell zur Unterscheidung vom Past Tense direkt oder indirekt herangezogen wird. So wird eine größere Nähe des Present Perfect zum Präsens angenommen, was sich in Charakterisierungen niederschlägt, wie "the relevant time zone leads up to the present" oder "the event is recent" (Quirk et al. 1985, 193). Diese Charakterisierungen können richtig sein, sind es aber nicht zwangsläufig, denn unsere Aspektrelation sagt nichts über die Distanz zwischen Tsit und TT aus (vgl. Klein 1994, 111). Der Gegenwartsbezug kommt eher durch Verbkonstellationen zustande, die Situationstypen ohne natürliches Ende bezeichnen. 47 Darüber hinaus wird stets auf die Interaktion mit Zeitadverbialen hingewiesen. Das Present Perfect sei mit Adverbialen, die einen die Äußerung einschließenden Zeitraum spezifizieren, kompatibel, während es nicht mit solchen stehen könne, die Zeiten vor TU spezifizierten. Dies trifft im wesentlichen zu,48 ist aber kein Argument für den Gegenwartsbezug der Situation beim Present Perfect an sich. I have explained the programme kann auf eine Situation referieren, die irgendwann in der Zeit vor der Äußerung liegt (und im übrigen auch vor der Zeit des ablaufenden Diskurses), und auch die Verbindung mit mit dem Present Perfect kompatiblen Zeitadverbialen bedeutet nicht, wie bisweilen zu lesen, daß Tsit bis TU reichen muß. Zeitadverbiale wie this minute, this afternoon, today, this year, this century etc. geben lediglich den zeitlichen Rahmen an, in den Tsit fallen muß.49 Dieser Rahmen schließt zwar die

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Quirk et al. (1985, 192) führen als Beispielsätze an: the house has been empty for ages oder Mr. Terry has sung in the choir since he was a boy. Es handelt sich also um Zustände sowie iterative bzw. habituelle Situationen, die jedoch im Rahmen der Diskursdeixis ohnehin irrelevant sind. Meyer (1992, 113ff.) weist im übrigen mit einer ganzen Reihe von Belegen nach, daß etliche Zeitadverbien, die eine in der Vergangenheit abgeschlossene Zeitspanne bezeichnen, unter bestimmten Umständen doch mit dem Present Perfect vorkommen können. Es wäre natürlich auch die Annahme möglich, daß today, this afternoon, etc. die Referenzzeit spezifiziert, wie dies etwa bei Smith (1991, 242) der Fall ist. TU würde dabei in diese Zeitspanne fallen, was ja mit unserer Tempusrelation übereinstimmt. Nach unserer Aspektrelation müßte dann allerdings Tsit vor dem spezifizierten Zeitraum liegen, woraus folgen würde, daß etwa I have explained the programme this afternoon bedeuten würde, daß die Erklärung vor dem Nachmittag stattgefunden hätte. Dies widerspricht offenkundig unserer Intuition. Normalerweise ist TT in Verbindung mit dem Präsens und auch mit dem Present Perfect mit TU identisch. Klein (1992, 550) gibt ein (ziemlich konstruiertes) Beispiel, w o dies nicht der Fall wäre, und tatsächlich ist hier auch die eine Interpretation, derzufolge Tsit vor TT, also vor der mit dem Adverb spezifizierten

182 (punktuelle) Gegenwart ein, bedeutet aber nicht unbedingt die Nähe von Tsit zu TU (besonders deutlich etwa bei this year oder this century). Darüber hinaus können mit dem Present Perfect Adverbiale kompatibel sein, die eigentlich gar keinen definiten temporalen Ort festlegen. Tsit kann dann in die ganze (von TU aus gesehene) Vergangenheit fallen, wie die Akzeptabilität von I have explained it before zeigt. Meyer (1992, 114) weist daraufhin, daß selbst Angaben wie in the past mit dem Present Perfect kompatibel sein können, und es scheint in der Tat nicht ausgeschlossen, etwa I have explained it in the past zu sagen. In the past gibt ähnlich wie since (a certain time), after/before (a certain time), so far keinen Rahmen an. Vielmehr handelt es sich um halboffene Intervalle, die letztlich unendlich sind, aber hier aufgrund der Tempus-Aspekt Relationen von der Gegenwart ihren Ausgang nehmen bzw. sie einschließen. Wegen ihrer (einseitigen) Unbestimmtheit haben diese Adverbiale auch nicht die positionierende Funktion, die den Rahmenadverbialen zugesprochen wird (siehe Kap. 5.5.1). Es stellt sich umgekehrt allerdings die Frage, warum das Present Perfect in der Regel mit Adverbialen nicht kompatibel ist, die definite Zeitspannen vor TU spezifizieren, etwa mit ten minutes ago oder yesterday,50 Es wäre ja offenbar kein Widerspruch, daß sich eine Situation vor zehn Minuten ereignet hat und die deiktische Relation, die sich aus der Aspekt- und Tempusrelation des Present Perfect ergibt, nämlich Tsit < TT, gelten würde. Klein (1992, 546) erklärt die Inkompatibilität mit einem pragmatischen Prinzip, das er P-Deßniteness Constraint (Ρ = Position) nennt: "In an utterance, the expression of TT and the expression of Tsit cannot both be independently p-definite." Er begründet dies damit, daß wenn die Position von Tsit in der Vergangenheit (lexikalisch) gegeben sei, es überflüssig wäre, eine weitere definite Zeitposition für TT (durch das Präsens) anzugeben, denn der Perfektaspekt (Tsit < TT) besagt ja schon, daß fur die ganze Nachzeit (inklusive TU) die Aussage gilt. Da das Past Tense dagegen nicht positionsdefinit ist, läßt es sich mit dem Perfekt und den entsprechenden Adverbialen kombinieren.51 Folglich ist /

50

51

Zeitspanne liegt, zumindest möglich: "I am not sure, but I think that yesterday morning you could easily have met him here in York. But today, he has left York." Auf die Spezifikation von TT und Tsit durch Adverbiale wird gleich zurückzukommen sein. In gewissen Kontexten sind im übrigen Perfektverwendungen möglich, die von der Regel abweichen (siehe Fußnote 48). Darüber hinaus konstatieren die meisten Grammatiken, daß adverbs of the recent past, etwa just oder recently mit dem Present Perfect (aufgrund des Gegenwartsbezugs) stehen können. Warum können sie das aber nicht mit ten seconds ago, das zeitlich wohl ebenfalls in die recent past gehört? Die Antwort hängt damit zusammen, daß es sich einerseits um Orientierungsadverbien handelt, andererseits um ein Rahmenadverbial. Siehe Kap. 5.5.1.1, besonders Fußnote 78. Das deutsche Perfekt ist mit den entsprechenden Adverbien kompatibel. Ich habe es vor zehn Minuten erklärt stellt den Hörer vor keine Verständnisprobleme. Dies ist auch ein Grund dafür, das deutsche Perfekt nicht als Aspekt, sondern als Tempus zu betrachten (vgl. Ehrich 1992).

183

had explained it ten minutes ago akzeptabel, während es I have explained it ten minutes ago nicht ist.52 Anders als beim Futurate, bei dem mit der Tempus- und Aspektrelation inkompatible Adverbiale zu einer Uminterpretation führten, ist dies beim Present Perfect nicht möglich. 53 Die so konstruierten Sätze werden einfach als nicht akzeptabel empfunden. Die gleiche Beschränkung trifft auch auf die Kombination des Present Perfect mit dem imperfektiven Aspekt zu, die jetzt noch kurz behandelt werden soll.

5.4.2.3.2 Present Tense + Perfect + Imperfective Aspect Die graphische Skizzierung des Present Perfect mit imperfektivem Aspekt unterscheidet sich nicht wesentlich von (25). Tsit kann allerdings bis an TU heranreichen und es sogar überdauern. Der Unterschied ist dadurch begründet, daß in Zusammenhang mit dem imperfektive Aspekt das Erreichen eines Endpunktes nicht ausgedrückt wird. Wie in Verbindung mit dem Past Tense kann die Aspektkombination {Perfect + Imperfective) so betrachtet werden, daß es sich um die Perfektivierung einer imperfektiven Ausgangskonstellation handelt (siehe Kap. 5.4.1.3.2). (26)

[] {--{--{ Tsit }—}—} {--{--{ Tsit }-}—} {--{—{ Tsit }—}--}

I have been talking about the programme I have been explaining the programme I have been apologizing for the programme

Die Assoziation von Tsit mit TU und TT ist wohl eher die übliche Interpretation. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß etwa I have been talking about the programme gesagt wird, wenn sich die Situation schon abgespielt hat. Durch die Activity-Verbkonstellation - und im Zusammenhang mit dem imperfektiven Aspekt werden ja auch andere Verbkonstellationen so interpretiert - wird lediglich ausgesagt, daß ein Teil einer Aktivität vor TT war. Ob die Aktivität einen arbiträren Endpunkt erreicht hat, geht weder aus der Verbkonstellation noch aus der TempusAspekt Kombination hervor. Will man das Erreichen eines Endpunktes mit52

53

Ähnlich läßt sich mit dem P-Definiteness Constraint erklären, warum beim Past perfect es nicht akzeptabel ist, sowohl Tsit als auch TT adverbial zu spezifizieren. Es ist zwar möglich, zu sagen at seven, Chris had left, wobei das Weggehen durchaus um sechs Uhr gewesen sein kann; dennoch ist at seven, Chris had left at six nicht möglich (vgl. Klein 1992, 546). Für das Futurate hätte Klein, der es erst gar nicht behandelt, keine Erklärung, denn es widerspricht offenbar der P-Definiteness-Constraint. Die Möglichkeit der Uminterpretation der Verbkonstellation sieht er nicht vor.

184 ausdrücken, muß der perfektive Aspekt gebraucht werden, und weil diese Möglichkeit besteht, wird das Present Perfect mit imperfektivem Aspekt üblicherweise eher alternativ interpretiert, nämlich in der Weise, daß Tsit bis oder über TU hinausreicht.

5.4.3 Futurkombinationen Nachdem wir die Kombinationen des Past Tense und des Present Tense mit den im Englischen grammatikalisierten Aspekten54 in ihren temporalen Interpretationsmöglichkeiten durchgespielt haben, sollen abschließend noch einige Bemerkungen zu Futurkombinationen gemacht werden. Ausgangspunkt ist dabei erneut das notionale Futur, das durch die Posteriorität zum 'Jetzt1 charakterisiert ist. Obwohl es umstritten ist, ob es im Englischen (und nicht nur dort) überhaupt ein Future Tense gibt,55 gehen wir mit Klein (1994) der Einfachheit halber davon aus, daß die will + Infinitiv Konstruktion der grammatikalisierte Ausdruck des notionalen Futurs ist. Diese Annahme ist in unserem Zusammenhang durch die Tatsache zu rechtfertigen, daß sich die Futurformen problemlos mit den Aspekten verbinden lassen, wobei die Aspektbedeutungen, d.h. die temporalen Relationen zwischen TT und Tsit beibehalten bleiben. Im übrigen schließt Futurität notwendig ein modales Element ein,56 so daß auch ein modales Hilfsverb nicht unbedingt eine temporale Interpretation verbietet. Jedenfalls läßt sich auf ein zukünftiges (Diskurs-) Ereignis in dem von uns skizzierten Sinne referieren. Ob letztlich die Situation tatsächlich eintritt, ist dabei unerheblich, denn es reicht ja aus, daß die Situation im Diskursuniversum konstituiert ist. Wir wollen uns dennoch die ausfuhrliche Diskussion der futurischen Aspektkombinationen sparen, denn abgesehen von der Modalität bieten sie keine neuen Interpretationsvarianten. Ihre Interpretation kann im Grunde analog zum Past Tense 54

55

56

Bei einer weniger temporalen als perspektivischen Aspektkonzeption werden bisweilen noch weitere Aspekte angenommen. So geht Comrie (1976) noch von einem habituellen Aspekt aus, der in manchen Sprachen grammatikalisiert sei, Smith (1991) von einem neutralen Aspekt. Die meisten Grammatiken unterscheiden aus mophologischer Sicht nur zwei Tempora, das Past Tense einerseits und andererseits ein Non-Past-Tense als den unmarkierten Fall. Die Konstruktion mit -will + Infinitiv, die von einigen (in erster Linie didaktischen) Grammatiken als Futurtempus aufgeführt wird, kommt eher dem analytischen Aufbau der Aspekte nahe. Darüber hinaus steht sie nicht allein. Matthews (1994, 79ff.) listet acht unterschiedliche finite Formen auf, die im Englischen posterioren Zeitbezug ausdrücken können, und schließt daraus, daß man von einem Futurtempus nicht reden könne. Von diesen Möglichkeiten wurden die beiden Formen des Futurate sowie die going to Konstruktion und die be about to Konstruktion schon erwähnt, wobei die Zukunftsinterpretation entweder aufgrund der Inkompatibilität des Präsens mit Zeitadverbialen oder lexikalisch erklärt wurde. Dies ist ja auch der Grund, warum Lyons (1977, Kap. 15,4 und 17) aus semantischer Perspektive das Futur als Tempus grundsätzlich, d.h. nicht nur auf morphologischer Basis, ablehnt.

185 gesehen werden. Wir wollen es deshalb im wesentlichen bei einer graphischen Skizzierung belassen. (27)

Future Tense + imperfective Aspect [TT] •

I will be talking about the programme I will be explaining the programme 9 I will be apologizing for the programme

> {--{—{ Tsit }—}—} {-{--{ Tsit }--}--} {—{—{ Tsit }--}--}

Achievement-Verbkonstellationen können mit imperfektivem Aspekt erneut wieder nur als multi-event activities interpretiert werden, was aber nicht völlig ausgeschlossen erscheint. So könnte man sich einen frustrierten Sprecher vorstellen, der sagt: I have been apologizing for the programme for an hour and in an hour I will still be apologizing. (28)

Future Tense + Perfective Aspect [

TT

]

• I will talk about the programme I will explain the programme I will apologize for the programme

> { Tsit} { Tsit} {}

Der hier dargestellte Fall mit einer ausgedehnten TT ist wohl seltener als beim Past Tense, ist aber auch nicht ausgeschlossen. So könnte TT etwa mit tomorrow spezifiziert werden. Häufiger ist eher eine punktuelle TT. Dann wird wie beim Past Tense allerdings bei durativen Verbkonstellationen eine inceptive Interpretation erzwungen. Diese liegt auch aus Gründen der Modalität nahe, da man ja nicht wissen kann, ob ein Endpunkt erreicht wird. (29)

Future Tense + Perfect + Perfective Aspect [ TT ] •

I will have talked about the programme I will have explained the programme I will have apologized for the programme

> { Tsit} { Tsit} {}

186 (30)

Future Tense + Perfect + Imperfective Aspect [ TT ] •

I will have been talking about the programme I will have been explaining the programme I will have been apologizing for the programme

{--{--{ Tsit }--}--} {— {—{ Tsit }--}--} {--{--{ Tsit }--}--}

Wir wollen damit unsere Betrachtung von Tempus-Aspekt Kombinationen abschließen. Wir haben gesehen, daß durch sie ein bestimmter Interpretationsbereich für Tsit erschließbar ist, daß aber in seltenen Fällen die deiktische Relation zu TU genau spezifiziert ist. Eine Begrenzung des Interpretationsbereiches kann jedoch durch Zeitadverbiale erfolgen, die sowohl Tsit als auch TT näher spezifizieren können. Auf sie soll nun näher eingegangen werden.

5.5 Zeitadverbiale

In Untersuchungen zu temporaldeiktischen Ausdrücken spielen Zeitadverbiale eine herausgehobene Rolle. Dabei werden sie meistens isoliert betrachtet, wobei die direkte Relation der Origo, bzw. deren temporalen Ortes, zu einem durch den Ausdruck spezifizierten anderen temporalen Ort beschrieben wird. Wir möchten den Beitrag von Temporaladverbialen zur Lokalisation von Situationen, speziell Diskurssituationen, untersuchen, wie er sich im Zusammenhang mit anderen temporalen Ausdrücken im Satz (und ggf. weiteren Kontext) ergibt. Auch in unserem Modell zur temporalen Lokalisation von Diskurssituationen ist die direkt deiktische Relation, die von Temporaladverbialen ausgedrückt wird, wesentlich. Allerdings ist zu beachten, daß der so spezifizierte Ort keineswegs unbedingt mit dem temporalen Ort der Situation zusammenfallen muß. Er kann ebenso die Topic Time spezifizieren (siehe Kap. 5.3). Darüber hinaus kann die temporaldeiktische Interpretation einer Situation (die Relation TU zu Tsit wird ja nicht direkt durch das Tempus ausgedrückt) ohne Zeitadverbiale ablaufen oder auf Adverbialen beruhen, die selbst nicht an einem deiktischen Relatum verankert sind. Es gibt unterschiedliche Typen von Temporaladverbialen (TADV). Auf sie soll nun eingegangen werden, wobei wir uns im wesentlichen auf solche mit lokalisierender Funktion beschränken. Wir werden uns also in erster Linie mit solchen, zumeist in Anlehnung an die topologische Betrachtungsweise der Zeit als 'positionale Temporaladverbiale' (TADV-P) bezeichneten Adverbialen beschäftigen, und davon ausgehen, daß sie einen Zeitpunkt oder Zeitraum auf der Zeitachse spezifizieren. Neben solchen positionierenden Zeitadverbialen gibt es auch rein

187 quantifizierende, die lediglich die Häufigkeit von Ereignissen oder "Zeiterstreckungsquanten" bezeichnen (vgl. Schöpf 1984, 121).57 Neben Frequenz- und Durativadverbialen gibt es auch noch solche, die einseitig offene Intervalle bezeichnen (forward span- bzw. backward span adverbials nach Quirk et al. 1985, 533ff.), wie etwa in the past, in the future, since X, after X oder before X. In Verbindung mit Tempus-Aspekt Relationen können sie zwar auch zur Spezifizierung eines Zeitraumes beitragen (siehe Kap. 5.4.2.3.1), sie haben aber für sich betrachtet keine positionierende Funktion. Durativ- und Frequenzadverbiale sind zwar nicht direkt am Lokalisationsprozeß beteiligt, sie haben aber Einfluß auf die Situationsklassen und müssen deshalb im Rahmen der Verbkonstellation gesehen werden. 58 Indem ein zeitliches Quantum einer Aktivität spezifiziert wird, kommt auch ein inhärenter Endpunkt zum Ausdruck und der Aktivitätstyp bekommt telische Qualität. So ist etwa [I talk about the programme for two hours] als telische Verbkonstellation zu betrachten, die sich aber im Hinblick auf temporale Lokalisationsprozesse im Grunde wie jede andere telische Verbkonstellation verhält. Wir können quantifizierende Adverbiale daher vernachlässigen.

5.5.1 Die positionalen Temporaladverbiale (TADV-P) Die positionalen Temporaladverbiale59 lassen sich je nach Relatum in zwei Gruppen unterscheiden. Die einen haben eine variable zeitliche Verankerung und teilen sich 57

58

59

Darüber hinaus gibt es noch Adverbiale, deren temporaler Charakter eher marginal ist (vgl. Klein 1994, 147) und die deshalb auch nicht zü den Temporaladverbialen gezählt werden. Manche betreffen bestimmte (zeitliche) Ablaufeigenschaften von Situationen, wie etwa quickly, gradually, slowly, andere weisen auf eine (zeitliche) Reihenfolge hin wie firstly oder at last. Die erste Gruppe ist für uns nicht interessant, da sie keine positionierende Funktion haben und auch die Situationsklassifikation der Verbkonstellation, zu der sie gehören, unverändert lassen. Obwohl die zweite Gruppe keine direkte Relation zu einem Relatum ausdrückt, kann sie im Diskurs aber zum Lokalisationsprozeß beitragen, da wir einen Diskurs als eine Abfolge von notwendigen Teilen auffassen können (zumindest haben wir einen Anfang und ein Ende). Auf diese Weise ergeben sich "deiktische Reviere" (Harweg 1990) des Diskurses. Auf die zweite Gruppe wird daher wie auf andere revierbezeichnende Ausdrücke (etwa at the beginning, at the end) noch eingegangen werden. Siehe Kap. 5.5.1.1.3. Die Verbkonstellation ist eigentlich von Smith (1991) als das Verb mit seinen syntaktisch notwendigen Ergänzungen definiert worden (siehe Kap. 4.3). Temporaladverbiale wären damit ausgeschlossen, denn sie fungieren eigentlich nicht als notwendige Ergänzungen, sondern eher als fakultative Angaben. Zumindest die quantifizierenden Adverbiale müßten aber miteinbezogen werden. Uns kommt es auf die lokalisierende Funktion der TADV-P an. Ihre syntaktische Beschaffenheit kann hier nicht berücksichtigt werden. In erster Linie handelt es sich um Adverbien wie now oder soon (sie können natürlich auch morphologisch komplex sein wie recently) und um Präpositionalphrasen {at Christmas, in an hour), allerdings auch um reine Nominalphrasen (last spring) oder

188 auf in deiktische Adverbiale, die origo-relativ sind, und anaphorische, die antezedenszeit-relativ sind. Die anderen haben eine invariable zeitliche Verankerung. Sie sind im allgemeinen relativ zu einer konventionell fixierten Zeit. Während die variablen, also die deiktischen und anaphorischen Adverbiale von Informationen über den sich ständig ändernden situativen oder sprachlichen Kontext abhängig sind, sind die invariablen lediglich auf unser gemeinsames Weltwissen angewiesen. Die temporale Verankerung wird dabei an einem den Gesprächspartnern bekannten Ereignis festgemacht, im Extremfall an einem historischen Ereignis, dessen Kenntnis in der gesamten jeweiligen Kultur vorausgesetzt wird, und das so zum Ausgangspunkt einer ganzen kontextunabhängigen Zeitrechnung werden kann.60 Die Gesprächspartner können aber auch auf die Kenntnis eines bestimmten, nur ihnen bekannten Ereignisses (our wedding) zurückgreifen. Generell läßt sich festhalten, daß unterstelltes gemeinsames historisches Faktenwissen unterschiedlicher Art (deutlich etwa auch bei in the days of the Romans, in the Renaissance oder in the Cambrium) die Grundlage fur kontextinvariable positionale Adverbiale bildet (vgl. Ehrich 1992, 108). Dieses Wissen kann sich auch auf den ablaufenden Diskurs beziehen, nämlich dann, wenn ein Diskursereignis als Relatum dient. Darauf wird in Kap. 6 zurückzukommen sein. In diesem Kapitel werden wir uns mit wissensabhängigen, invariablen TADV-P nur am Rande beschäftigen. Alle positionalen Zeitadverbiale drücken eine zeitliche Ordnungsrelation aus, d.h. sie sind danach zu unterscheiden, ob die spezifizierte Zeit anterior, posterior oder simultan zum Relatum ist. Darüber hinaus spielt die Kategorie der Proximität/Distalität eine entscheidende Rolle. Auch sie wird notwendig mitausgedrückt. Allerdings unterscheidet sich die Art, wie die Entfernungskategorie ausgedrückt wird, je nachdem, ob es sich um kalendarische Adverbiale oder nicht-kalendarische Adverbiale handelt. Wir werden den Unterschied zunächst anhand der deiktischen TADV-P aufzeigen.

auch um finite Nebensätze (as soon as he had arrived) und infinite Konstruktionen (having paid his bill...). Vgl. Quirk et al. (1985, 526ff.), Binnick (1991, 300ff.) oder Klein (1994, 147f.). Nebensätze wollen wir aus der Diskussion hier weitgehend ausklammern. Bei finiten temporalen Nebensätzen gilt ohnehin im Grunde das gleiche wie für Sätze überhaupt. Siehe auch Kap. 6.5.2, vor allem auch zu infiniten Konstruktionen. 60

Das zeitliche Relatum kann sich dabei quasi verselbständigen. Das Relatum unserer Zeitrechnung unterscheidet sich von den anderen kontextunabhängigen dadurch, daß es nicht mehr unbedingt an die Kenntnis des zu dieser Zeit angenommenen Ereignisses geknüpft ist. So wird es sicherlich Mitglieder unserer Sprach/Kulturgemeinschaft geben, die die Geburt Christi nicht mehr in Zusammenhang mit Jahresangaben bringen können. Dennoch 'funktioniert' unsere Zeitrechnung.

189

5.5.1.1 Deiktische TADV-P 5.5.1.1.1 Kalendarische TADV-P Auch bei den deiktischen TADV-P gibt es kalendarische und nicht-kalendarische. Bei den kalendarischen erfolgt die Positionierung aufgrund astronomisch definierter Zeiteinheiten. Es handelt sich dabei um natürliche Zyklen und Bruchteile bzw. Vielfache davon, die allesamt, vom Jahrtausend bis zur Nanosekunde (und wenn man will, noch weiteren Bruchteilen oder Vielfachen), unterschiedliche Zeitspannen bezeichnen. Dabei sind die meisten Einheiten (zumindest in unseren westlichen Kulturen) exakt und unabhängig von der Wahrnehmung definiert. 61 Nimmt man etwa den Tag oder das Jahr als Einheit, so erhält man auf diese Weise in Verbindung mit der zeitlichen Ordnungsrelation etwa die deiktischen Adverbiale yesterday, today, tomorrow einerseits und last year, this year, next year andererseits. Daß allein in bezug auf Tage lexikalisierte deiktische Kalenderadverbien vorliegen, wird wohl damit zu tun haben, daß Tage in der Konzeptualisierung von Zeit offenbar eine besondere Rolle spielen. Sie sind ja auch im Sinne eines natürlichen Zyklus wahrnehmbar. 62 Im Fall von Autodeixis (siehe Kap. 2.3.2) wird die kalendarische Einheit spezifiziert, in der das (punktuelle) Relatum liegt; this second, minute, hour etc. spezifiziert also die gerade ablaufende Sekunde, Minute, Stunde etc. Im Fall von Heterodeixis wird die vorangehende oder darauf folgende Einheit mit last oder next lokalisiert. Wenn die zeitliche Entfernung zum Relatum größer ist als eine Einheit, kann man das numerisch spezifizieren, etwa durch two, three, four... days, months, years ago oder in two, three, four... days, months, years. Auch die Angabe eines Wochentages oder eines Kalendermonats (etwa next Tuesday oder last July) spe-

61

Allerdings gibt es Ereignisse, die zwar zyklisch wiederkehren, aber nicht an den Kalender gebunden sind, etwa dawn oder sunset. Ihre Ausdehnung ist dementsprechend nicht exakt festgelegt. Ähnlich verhalten sich Tageszeiten (evening, morning etc.) oder auch Jahreszeiten {spring, summer etc.), für deren Ausdehnung jedoch g e w i s s e Konventionen bestehen, w i e Fillmore (1975, 31f.) feststellt. In unseren westlichen Kulturen werden solche Zyklen auch im allgemeinen nicht als Einheit zur Lokalisierung von Ereignissen, die mehr als einen Zyklus entfernt liegen, benutzt. Two mornings/springs ago klingt zumindest unidiomatisch. Wir können auch kulturell festgelegte zyklische Einheiten, etwa semester, term, vacation in ähnlicher W e i s e verwenden. Da diese allerdings meist auch am Kalender orientiert sind, spielen hierbei letztlich doch absolute Werte eine Rolle. Darüber hinaus können vor allem auch zyklisch wiederkehrende Feste w i e Christmas oder Easter in dieser Weise verwendet werden (vgl. Sandhagen 1956, 16ff.).

62

Klein (1994, 154) weist darauf hin, daß verschiedene Kulturen unterschiedliche Konzepte von kalendarischen Einheiten haben können. Aber auch innerhalb einer Kultur sind die Grenzen kalendarischer Einheiten (in der Alltagssprache) nicht immer eindeutig. So kann ein Tag im Hinblick auf den natürlichen, wahrnehmbaren Zyklus von Helligkeit und Dunkelheit, aber auch als 24-stündige Einheit, beginnend um 0 Uhr gemeint sein. Darüber hinaus kann es "metaphorical extensions" geben, wie Klein (1994, 154) mit today, the economic situation is even worse oder the restoration of the British Empire is a task for tomorrow deutlich macht.

190 zifiziert im Grunde eine Einheit nach dem gleichen Muster.63 In jedem Fall läßt sich dadurch, daß eine Einheit zur Verfügung steht, deren Umfang relativ unzweideutig feststeht, auch ein relativ eindeutiger Entfernungswert zum Relatum ausdrücken. In Verbindung mit unbestimmten Numeralia (etwa bei some days ago oder in a few days) wird die Entfernung natürlich nicht so exakt angegeben. 64

5.5.1.1.2 Nicht-kalendarische TADV-P Einen nicht-absoluten Entfernungswert kann man auch ausdrücken, indem man auf vage, nicht-kalendarische Zeiteinheiten zurückgreift, etwa bei in a while oder some time ago, um weniger eindeutige Zeitangaben zu machen. Selbst wenn sie modifiziert (in a short while, a long time ago) sind, wird die Entfernung nicht absolut, sondern allenfalls relativ zum Situationstyp ausgedrückt. Dies ist auch bei den ebenfalls nicht an kalendarischen Einheiten orientierten positionalen Adverbien der Fall, auf die jetzt eingegangen werden soll. Die Proximitätskategorie ist bei den nicht-kalendarischen Zeitadverbien an gar keine Einheiten geknüpft und ist folglich auch nicht präzise ausgedrückt. Die ausgedrückte Entfernung ist vor allem beeinflußt vom Kontext- und Alltagswissen, besonders über den zu lokalisierenden Situationstyp. So werden die Situationen in (31) als in weiterer Ferne liegend interpretiert als die in (32). (31)

a. I just wrote a book b. I will soon write a book

(32)

a. I just had a bite to eat b. I will soon have a bite to eat

63

Die Verbindung von this und einem Wochentag kann nicht autodeiktisch sein, denn wenn das Relatum innerhalb eines Tages (gleichgültig, um welchen Wochentag es sich handelt) liegt, muß today gebraucht werden. Man scheint in den westlichen Kulturen der Konvention zu folgen, daß der auf das Relatum folgende Wochentag bzw. Monat aber mit this spezifiziert werden kann; this, the next, the following haben dann eine ähnliche lokalisierende Funktion, was gelegentlich zu Mißverständnissen führt (vgl. Fillmore 1975, 47f.). Wird nur ein Wochentag (oder andere zyklische Einheit wie Monat, Tageszeit, Jahreszeit oder selbst eine Uhrzeit) angegeben wie bei on Tuesday, ist die Spezifikation des nächsten oder letzten Dienstags vom Tempus abhängig: I will arrive on Tuesday vi. I arrived on Tuesday, Allerdings muß on Tuesday nicht unbedingt deiktisch gebraucht sein. On Tuesday kann auch zur Verbkonstellation gehörig gesehen werden, wobei sich eine habituelle oder iterative Interpretation ergibt, wie in I give my semantics lecture on Tuesday.

64

Ebenfalls unbestimmt ist der Ausdruck one day zu interpretieren. Hiermit wird gerade ausgedrückt, daß der spezifizierte temporale Ort nicht ein bestimmter Tag, wie bei in η days, sondern irgendein Tag ist. Man würde dieses Adverbial ähnlich wie one of these days (das wohl eher zu den anaphorischen gerechnet werden müßte) im Hinblick auf die Proximitätskategorie am besten bei den distalen nicht-kalendarischen einordnen, obwohl ein eine kalendarische Einheit bezeichnendes Nomen vorkommt.

191

Klein (1994, 63) und Ehrich (1992, 109) billigen jeder Situation eine bestimmte "Region" oder "proximale Umgebung" zu. Letztlich handelt es sich eher um einen Situationstyp und die korrespondierende Verbkonstellation als um eine individuelle Situation, die die Annahme einer entsprechenden Region erfordern. Je nach Ausdehnung der Region ließe sich dann auch die unterschiedliche Entfernung erschließen, die mit einem TADV-P ausgedrückt wird, da ein Adverbial ja in der Regel nicht isoliert steht. Die Bandbreite der Entfernung zum Relatum ergibt sich nicht (allein) durch semantische Unscharfe des Adverbials selbst, sondern durch den im Satz ausgedrückten Situationstyp. Sind die dort bezeichneten Situationstypen laut unseres Alltagswissens eher selten und von langer Dauer, scheint die Entfernung größer verstanden zu werden als bei häufigen und kurzen. Ehrich (1992, 115) spricht von "langlebigen und kurzlebigen Situationen". Was immer mit der Lebensdauer von Situationen gemeint ist, das Kriterium der Häufigkeit im Alltag scheint doch das wichtigste zu sein. So wäre die Region von [buy a house] mindestens so groß anzusetzen wie von [write a book], obwohl ein Kaufakt gewöhnlich wesentlich kürzer ist als das Schreiben eines Buches. Auf jeden Fall kann man festhalten, daß das Adverbial seinen 'aktuellen Entfernungswert' erst in Verbindung mit der Verbkonstellation und unserem Alltagswissen erhält. 65 Auf diese Weise kann man auch bei nicht-kalendarischen Zeitadverbialen von einer konstanten Bedeutung ausgehen, die sich aus der Art des Relatums (deiktisch, anaphorisch, invariabel), aus der Ordnungsrelation (anterior, posterior, simultan) und, wenn schon nicht aus der absoluten Entfernung zum Relatum, so doch zumindest aus einem relativen Entfernungswert ergibt. 66 Dieser entspricht auch unserer Intuition, derzufolge wir etwa just (now) - recently - formerly sowie right away/now - soon - later on in eine Reihung bringen können. Ehrich (1992) schlägt fur die deutschen nicht-kalendarischen deiktischen Adverbien eine Einteilung in drei Umgebungen vor, je nachdem, ob der Orientierungspunkt in der unmittelbaren, der näheren oder weiteren Umgebung der Origo anzusetzen ist,67 und fuhrt dafür als exemplarische Exponenten vorhin, eben 65

66

67

Eine ähnlich bestimmte Bandbreite ergibt sich im übrigen auch bei Simultaneität ausdrückenden TADV-P. Bei he right now finished his lunch und he right now finished his house fallen die Endpunkte zwar in eine Region um TU, deren Ausdehnung wird aber aufgrund des Situationstyps unterschiedlich interpretiert. Formal könnte man für ein TADV-P eine Art Entfernungskoeffizienten annehmen. Dieser müßte noch mit einer wissens- und situationstypabhängigen Variablen multipliziert werden, um eine absolute Entfernung zu erhalten. Dabei wäre vorausgesetzt, daß man auch das Alltagswissen formal erfassen könnte. Sie spricht von der unmittelbaren, peripheren und distalen Umgebung und dementsprechend auch von unmittelbarer, peripherer und distaler Vergangenheit und Zukunft. Ähnlich teilt Nilsen (1972, 144ff.) auch englische Zeitadverbiale ein, je nachdem ob sie zur immediate past/future, (einfachen) past/future oder distant past/future gehören. Allerdings hat er dabei wohl eher eine absolute Einteilung im Kopf, denn er ordnet etwa yesterday und recently beide zur immediate past, zu der er im übrigen auch just zählt. Daß die Entfernungswerte nicht einfach in kalendarische

192 kürzlich, neulich - früher einerseits und sofort, gleich - bald, demnächst - später andererseits an.68 Die topologische Einteilung nach Umgebungen entspricht derjenigen, die sie auch in der lokaldeiktischen Dimension nachzuweisen versucht. 69 Sie sieht auf den ersten Blick schlüssig und überzeugend aus, da man auf diese Weise auch die Regionsvariable einbeziehen kann, so daß es sich geradezu anbietet, auch englische Adverbien in dieser Weise zu kategorisieren, zumal die Kategorisierung ja von einer einzelsprachunabhängigen Einteilung ausgegangen ist. Eine solche Kategorisierung ist zwar im Einzelfall nicht ganz unproblematisch (vor allem, wenn man versucht, die exakten Äquivalente zu den deutschen Adverbien zu suchen), aber prinzipiell durchfuhrbar. Exemplarisch würde sich für posteriore Adverbien etwa ergeben, daß immediately und at once (unter Vernachlässigung des syntaktischen Unterschieds) in die unmittelbare Umgebung und shortly, presently, soon in die periphere Umgebung gehörten, wobei jedoch gewisse Bedeutungs- oder zumindest Stilnuancen (wie im Deutschen wohl auch) nicht geleugnet werden können. 70 Presently hat darüber hinaus vor allem im AE sowie im ScotE71 auch die Bedeutung von at present oder currently, besonders am Satzanfang. Bedeutungsnuancen werden noch deutlicher bei syntaktisch komplexeren Adverbialen, die mit vagen Zeiteinheiten operieren, etwa in no time - in a (short) while - in the future oder in a(n) instant/moment- in the near future - in the far future.12

68

69

70

71

72

Werte umgerechnet werden können, macht Ehrich (1992, 112) in einer Fußnote deutlich: "Die unmittelbare Vergangenheit liegt nach meinem Gefühl nicht mehr als eine oder höchstens ein paar Stunden zurück, die proximale ein paar Tage oder höchstens ein paar Wochen, die ferne Vergangenheit dagegen mehrere Jahre." Später wird zu Recht auch bei den anaphorischen Adverbien aufgeführt. Auch bei sofort, gleich und bald scheint jedoch ein anaphorischer Gebrauch ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen zu sein, wie in der folgenden Satzfolge deutlich wird: Zum Abendessen aß er Fisch. Er bekam sofort/gleich/bald Bauchschmerzen. Dies kann aber mit einer verschobenen Origo in Erzählungen erklärt werden. Das gleiche gilt dann auch für die englischen Äquivalente. Im Rahmen der Diskursdeixis sind solche Fälle allerdings weniger relevant. In der lokalen Dimension manifestiert sich die Einteilung in den lokaldeiktischen Ausdrücken hier -da - dort. Im Englischen haben wir dafür offenbar kein Äquivalent. Unterschiede zwischen dem Deutschen und Englischen sind auch bei anterioren Adverbien deutlich vorhanden. So ist die Übersetzung von (im Deutschen häufig gebrauchten) früher als formerly zumindest schlechter Stil. Übersetzer verwenden häufig die used to Konstruktion. Auch früher kann im übrigen nur mit habituellen Situationen und Zuständen gebraucht werden. Siehe Fußnote 76. Der DCE (1987, 817) konstatiert auch generell im umgangssprachlichen BE eine Tendenz, presently in diesem Sinne zu gebrauchen. Ähnlich sind die Angaben in der neuen Ausgabe des OALD (1995, 872) zu verstehen. Das trifft natürlich auch auf das Deutsche zu. Darüber hinaus scheint es im anaphorischen Bereich keine exakten Entsprechungen zu geben, wie wir weiter unten sehen werden. Auch dies trifft offenbar auf das Deutsche zu, denn auch Ehrich (1992) bietet keine anaphorischen Entsprechungen an. Binnick (1991, 304) spricht im Zusammenhang mit komplexen Zeitadverbialen von "near systematic ambiguity", wobei er das allerdings nicht nur auf ihre Semantik, sondern vor allem auch auf ihre Syntax bezieht.

193 Die Dreiteilung scheint aber in etwa symmetrisch bezüglich ihrer posterioren und anterioren Exponenten zu sein. Dies zeigt sich auch im Rahmen von Diskursdeixis. Der ablaufende Diskurs wird von den Teilnehmern offenbar als proximale Umgebung betrachtet und dementsprechend scheinen nur Adverbiale der proximalen Umgebung problemlos für diskursdeiktische Referenz geeignet zu sein. I just talked about linguistics ist ebenso möglich, um auf ein Ereignis des ablaufenden Diskurses zu referieren, wie I will immediately talk about linguistics. Dagegen bezieht sich / recently/lately talked about linguistics eindeutig nicht auf den ablaufenden Diskurs. Ähnlich kann man mit I will soon talk about linguistics auf eine außerdiskursive Situation referieren. 73 Allerdings ist hier wohl auch eine diskursdeiktische Interpretation möglich, und bei komplexeren Adverbialen, etwa in a (short) while, scheint Bezug auf den ablaufenden Diskurs ohnehin möglich. Wir wollen zumindest für die deiktischen nicht-kalendarischen Adverbien trotz einiger Uneindeutigkeiten davon ausgehen, daß die Einteilung der nicht-kalendarischen Adverbiale nach den drei Umgebungsintervallen ein praktikabeler Weg ist, die relative Proximität zu beschreiben, vor allem, weil sie im wesentlichen im Einklang mit unserer Zeitkonzeptualisierung und auch mit unseren Intuitionen über die im Diskurs aufgebaute Umgebung steht.74 Auf eine Dreiteilung läuft im übrigen auch die Beschreibung temporaldeiktischer Adverbien von Rauh (1988) hinaus. Sie fuhrt als Kriterien, 'identisch mit O', 'in direkter Verbindung mit O' und 'nicht in direkter Verbindung mit O' ein, die sie ausgehend von der lokalen Dimension auf sämtliche deiktische Ausdrücke (also auch temporaldeiktische) anzuwenden versucht. Darüber hinaus kann man auch bei den simultanen TADV-P drei unterschiedliche Umgebungen annehmen, was sich etwa in now, at this very moment - at present, currently - nowadays äußert. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß sich außer bei now, wo auch Identität oder Quasi-Identität mit dem Relatum ausgedrückt wird, nur Zustände und (aus situationsklassifikatorischer Sicht ähnlich zu behandelnde) habituelle Handlungen in den Lokalisationsprozeß einbezogen werden. 75 Das zeigt sich daran, daß man nicht im Sinne von Referenz auf ein Einzelereignis sagen kann / nowadays/at present apologize. Es ist allenfalls eine habituelle Interpretation ak73

74

75

Auch later scheint entgegen unserer Erwartung im Rahmen diskursdeiktischer Referenz möglich zu sein. Dies liegt aber daran, daß later auch als anaphorisches Adverb gebraucht werden kann, für die das Konzept der Umgebungsintervalle nicht in der gleichen Weise zutrifft. Siehe Kap. 5.5.1.2. Ein Beispiel dafür, daß wir offenbar mit solchen Umgebungsintervallen operieren, ist sooner or later, womit gerade ausgedrückt werden soll, daß nicht klar ist, ob der Orientierungspunkt in die periphere oder distale Zukunft fällt. Auf alle Fälle fällt er nicht in die proximale Umgebung, so daß sooner or later sicherlich nicht im Rahmen von Diskursdeixis gebraucht werden kann. Now kann allerdings nicht nur mit Ereignissen, sondern auch mit Zuständen oder habituellen Handlungen vorkommen. Nur mit Nicht-Ereignissen kann sich auch eine über die proximale Umgebung hinausreichende Interpretation ergeben, wie in the average temperature is now three degrees higher than in the Cambrium. Das Beispiel stammt von Klein (1994, 155).

194 zeptabel, wenn man z.B. ausdrücken will, daß man heute sich bei passenden Gelegenheiten entschuldigt, was man prinzipiell früher nicht getan hätte.76 Habituelle Handlungen und Zustände sind aber, wie wir in Kap. 4.4.2 gezeigt haben, für die Diskursdeixis nicht relevant. Interessant ist also nur die Gruppe, wo der zeitliche Ort identisch mit dem Relatum ist oder in die unmittelbare Region fällt. Dazu gehört bei deiktischer Verankerung insbesondere now. Über die Annahme der unmittelbaren Umgebung läßt sich erklären, daß Rauh (1988, 43) diesem Adverb zwei Bedeutungen gibt. Sie beschreibt now mit den oben schon genannten Kriterien, 'identisch mit Ο = (a)' und 'in direkter Verbindung mit Ο = (b)'. Der von «ow, spezifizierte Ort fallt genau auf a, der von now2 in den von (a+b) spezifizierten Bereich. Man könnte also auch sagen, daß der mit now spezifizierte temporale Ort in die unmittelbare Umgebung von Ο fällt.77 Daß now, right now oder auch just now nicht unbedingt Identität mit der (punktuell konzeptualisierten) Origo implizieren, wird aber erst in Verbindung mit den Tempora deutlich: I did it just now oder I will do it right now (vgl. auch Binnick 1991, 301). Daß dieselben Ausdrücke sowohl als Entfernungsadverbiale als auch als Ausdehnungsadverbiale angesehen werden können, liegt daran, daß bei der Spezifizierung der Vergangenheit und der Zukunft die Entfernung zur Origo ausschlaggebend ist, während bezüglich der Gegenwart Identität bzw. Assoziation mit der Origo und Ausdehnung relevant sind. Die nicht-kalendarische Adverbialen drücken die Proximitätskategorie zwar nicht genau, im Sinne absoluter Entfernung, aus, diese Feststellung darf aber nicht dazu verleiten, diese Adverbiale so zu verstehen, daß sie eine Zeitspanne (z.B. die verschiedenen Umgebungsintervalle) angäben, in die die Situationszeit (oder auch TT) hineinfiele. Dies ist vielmehr bei den kalendarischen Adverbialen der Fall, denn diese spezifizieren ja ausnahmslos Zeitspannen und können damit als Rahmenadverbiale im Sinne von Bennett/Partee (1978) fungieren, in die etwa eine zu lokalisierende Situation fallt. Sie geben damit nicht genau die Situationszeit (oder einen anderen Zeitparameter) an, sondern nur die maximalen äußeren Begrenzungspunkte. Die eigentliche Situationszeit ist so zwar eingeschränkt, aber nicht genau angegeben, was bei großen Zeiteinheiten besonders deutlich wird. Wenn wir also davon sprechen, daß ein Zeitparameter mit einem Rahmenadverbial spezifiziert ist, heißt das nicht, daß damit der Zeitparameter exakt angegeben wäre. Die nichtkalendarischen fungieren dagegen als Orientierungsadverbiale (vgl. Ehrich 1992, 76

77

Ähnlich verhält sich bei den anterioren Adverbialen formerly, denn auch bei Iformerly apologized wird nicht auf ein Einzelereignis referiert. Ehrich (1992, 115) formuliert eine Interpretationsmaxime, derzufolge kurzlebige Situationen, wenn sie in einem größeren Intervall lokalisiert werden, wie es bei früher oder formerly wohl der Fall ist, habituell gedeutet werden. Sie sieht aber nicht, daß das nicht unbedingt auch bei posteriorem Zeitbezug zutrifft. I will apologize later (in five years) kann auch nicht-habituell interpretiert werden. Dies trifft natürlich nur bei Ereignisreferenz zu. Bei Zuständen und habituellen Handlungen kann das Umgebungsintervall wesentlich größer angesetzt werden.

195 131). Sie spezifizieren eher einen Punkt, der mit der zu lokalisierenden Situation assoziiert ist.78 Allerdings ist auch hier zu beachten, daß, wenn ein Zeitparameter mit einem Orientierungsadverbial spezifiziert ist, er damit nicht exakt in seiner Lage auf der Zeitachse angegeben wäre. Dies gilt selbst fiir den Fall punktueller Situationstypen, wo Orientierungspunkt und die Situationszeit identisch wären. Auf den Einfluß unterschiedlich zu klassifizierender Situationstypen wird gleich (Kap. 5.5.2) zurückzukommen sein. Zunächst sollen die kalendarischen und nichtkalendarischen deiktischen TADV-P exemplarisch in einer Tabelle dargestellt werden. Für die nicht-kalendarischen wird nur ein (möglichst repräsentatives) Adverb aufgeführt. Tabelle A: deiktische TADV-P anterior

simultan

posterior

kalendarisch:

kalendarisch:

kalendarisch:

η calendaric units ago last calendaric unit (n=l) yesterday (cal. unit = day)

this calendaric unit today (cal. unit = day)

in η calendaric units next calendaric unit (n=l) tomorrow (cal. unit = day)

nicht-kalendarisch:

nicht-kalendarisch:

nicht-kalendarisch:

formerly - recently - just (now) now - currently - nowadays immediately - soon - later (on)

5.5.1.1.3 Lokalistische TADV-P Wir hatten in Kap. 2.4 schon erwähnt, daß es im Rahmen von Diskursdeixis in begrenztem Umfang möglich ist, ursprünglich lokaldeiktische Ausdrücke zur temporalen Lokalisation zu verwenden. Dies betrifft vor allem schriftliche Diskurse bzw. Texte.79 So entspricht here dem simultanen now. Above kann Anteriorität und below Posteriorität ausdrücken, wobei die gleichen Tempusrestriktionen gelten wie für genuin temporale Adverbien. Die Proximitätskategorie ist dabei nicht aus78

79

Klein (1992, 544) stellt sich die Frage, warum just und recently mit dem Present Perfect stehen können, andere Adverbiale der recent past, etwa ten seconds ago, dagegen nicht. Der Unterschied liegt darin, daß in einem Fall ein, (wenn auch kleiner) Rahmen vor TU, im anderen ein Orientierungspunkt in Abhängigkeit von TU spezifiziert wird. Nur im Fall der Rahmenadverbiale sind die beiden Zeitparameter unabhängig voneinander spezifiziert, so daß die P-Definiteness-Constraint gilt. In "halbmündlichen Texten" (Harweg 1990) - das sind schriftlich vorbereitete Texte, die mündlich reproduziert werden - sind sie ebenfalls möglich. So sind sie gelegentlich auch in Vorträgen zu hören (vgl. Fillmore 1975, 72).

196 gedrückt. Allerdings kann der Ort nicht außerhalb des Textes liegen. Man kann den vorliegenden Text laut Harweg (1990, 191) als "deiktisches Revier" auffassen und Adverbiale wie above und below müssen (textuelle) Orte lokalisieren, die innerhalb dieses Reviers liegen. Aufgrund der Linearität eines Diskurses müssen wir das Revier eindimensional auffassen. Mit dem Revierbegriff läßt sich auch der Gebrauch von weiteren Adverbialen erklären, die an sich nicht temporaldeiktisch sind. Das Revier stellt sich als Strecke dar mit einem Beginn und einem Ende. So ist es auch zu verstehen, daß at the beginning oder at the end im Rahmen von (mündlicher und schriftlicher) Diskursdeixis vorkommen kann. In at the beginning we talked about your car wird eine Situation des ablaufenden Diskurses (temporal) lokalisiert. Es müßte dann ein elliptisches of this discourse ergänzt werden. Darin steckt ein deiktisches Element. 80 Differenzierungen nach Umgebungen oder kalendarischen Einheiten wie bei den temporalen Adverbialen sind nicht möglich. Dafür finden wir aber in schriftlichen Texten Einheiten, die zwar nicht so eindeutig definiert sind wie kalendarische Einheiten, von deren Umfang wir jedoch vor allem aufgrund drucktechnischer Konventionen eine Vorstellung haben und die man deshalb auf temporale Dimension transponieren kann. Es handelt sich dabei um graphisch repräsentierte Teile des Textes wie paragraph, page, chapter, section etc., die in linearer Abfolge aneinandergereiht sind. In Verbindung mit Präpositionen (in oder on) und autodeiktischem this oder den "general ordinals" (Quirk et al. 1985, 262) last oder next ergeben sich Adverbiale, 81 die wie temporale Rahmenadverbiale fungieren. Die Distanz zum deiktischen Relatum kann jedoch nicht numerisch angegeben werden. So sind zwar Angaben nach dem Muster in (on) the last unit / this unit / the next unit möglich, das Muster in the n'h unit findet aber keine deiktische Verwendung. Mit einem nicht-deiktischen Relatum sind sie aber durchaus üblich. Dabei wird der Anfang des Textes als Relatum genommen, z.B. für die Seiten- oder Kapitelnumerierung. Die Möglichkeit solche Einheiten mit deiktischem und nicht-deiktischem Relatum zu verwenden, verursacht auch die Zweideutigkeit von in the last chapter, das einerseits bezüglich des Rezeptionszeitpunktes das vorangehende Kapitel sein kann, andererseits vom Anfang des Textes her gesehen das letzte Kapitel (vgl. Harweg 1990, 191). Das Relatum wird im nicht-deiktischen Falle aufgrund von Textkonventionen gesetzt und gilt für den ganzen Text. Wir wollen nun wieder zu genuin temporalen Adverbialen kommen, und zwar zu den anaphorischen. Bei ihnen variiert das Relatum wieder mit Fortschreiten des Textes oder Diskurses. 80

81

Harweg (1990) spricht wegen des elliptischen deiktischen Elementes von Textsemideixis. Er berücksichtigt allerdings nicht, daß dies nur gilt, wenn nicht anaphorisch schon ein anderes Revier eingeführt wurde, etwa in: Yesterday we had a discussion on technology. At the beginning we talked about your car... Zur Abgrenzung von Anaphora und nominaler Diskursdeixis siehe Kap. 6. Ähnlich können preceding und following verwendet werden. Zu Adjektiven, die zur zeitlichen Reihung verwendet werden, siehe Kap 6.4.1.

197 5.5.1.2 Anaphorische TADV-P Der Unterschied der anaphorischen TADV-P zu den deiktischen liegt darin, daß das Relatum nicht in der Äußerungssituation, sondern im umgebenden Text oder Diskurs verankert ist. Das Relatum ist eine Antezedenszeit, eine Zeit, die vorher im Diskurs schon spezifiziert wurde. Dabei ist die Relation zur Äußerungszeit nicht relevant, es ist also gleichgültig, ob die Antezedenszeit vorzeitig oder nachzeitig zur aktuellen Origo ist. Im allgemeinen ist sie an berichteten tatsächlichen oder fiktiven Ereignissen, d.h. deren Lokalisierung, festzumachen. Darauf wird in Kap. 5.5.2 noch eingegangen werden. Ihre Lokalisationsfunktion üben die anaphorischen TADV-P, abgesehen von der unterschiedlichen Verankerung, analog zu den deiktischen aus, so daß wir auf eine grundlegende Diskussion verzichten können. Auch die anaphorischen TADV-P lassen sich in kalendarische und nicht-kalendarische gruppieren. Beide Gruppen operieren im Prinzip in der gleichen Weise, wie es bei den deiktischen der Fall war. Die kalendarischen Adverbiale fungieren als Rahmenadverbiale, wobei die Spanne des Rahmens erneut von der Größe der kalendarischen Einheit abhängt. Die nichtkalendarischen fungieren als Orientierungsadverbiale. Allerdings ist es wesentlich schwieriger, einen relativen Entfernungswert anzugeben. Vor allem scheint die Annahme dreier unterschiedlicher Umgebungen bei anaphorischen Adverbialen eher unangemessen. Dies wird insbesondere bei den Simultaneität ausdrückenden Adverbien deutlich, wo auf anaphorischer Seite im Grunde nur then zur Verfugung steht, wenn man von syntaktisch komplexeren Adverbialen, die auch wieder eine (vage) Zeiteinheit ins Spiel bringen (at that moment, at that time) absieht. Die nicht-kalendarischen Adverbiale in der folgenden Tabelle sollen deshalb im Hinblick auf die Proximitätskategorie nicht analog zu den deiktischen verstanden werden. Es sei noch darauf verwiesen, daß manche Adverbien, z.B. later und before, sowohl deiktisch als auch anaphorisch verwendet werden können. Die jeweilige Interpretation hängt vom Kontext, insbesondere dem Tempus, ab.

198 Tabelle Β: anaphorische TADV-P anterior kalendarisch:

simultan kalendarisch:

posterior kalendarisch:

η cal. units before that (this?) cal. unit the cal. unit before (n=l) the day before (cal. unit = day) that day (cal. unit = day)

η cal. units later the following/next cal. unit the next/following day

nicht-kalendarisch:

nicht-kalendarisch:

nicht-kalendarisch:

previously/earlier/before

then

subsequently/afterwards/later

5.5.1.3 Invariable TADV-P Am Ende der Besprechung der Zeitadverbiale soll noch kurz erwähnt werden, daß bei den invariablen TADV-P, also solchen, die weder deiktisch noch anaphorisch sind, sondern ein durch Faktenwissen begründetes Relatum haben, die Proximitätskategorie nur in Verbindung mit Zeiteinheiten gesehen werden kann. Sie läßt sich in der Regel bei Anteriorität ausdrücken durch die Formel 'n calendaric units before relatum' und bei Posteriorität durch 'n calendaric units after relatum', wie es bei Datumsangaben der Fall ist. Vor allem außerhalb von Datumsangaben sind allerdings wie bei den deiktischen und anaphorischen Adverbialen auch Verbindungen mit vagen Zeiteinheiten, deren Ausdehnung bzw. Grenzen nicht genau fixiert sind, wie while oder time möglich. Diese können zusätzlich noch modifiziert werden, am einfachsten mit short und long, so daß man etwa a short time before our marriage erhält. Bei Simultaneität mit dem Relatum ist ohnehin ja keine Entfernung gegeben, und die Ausdehnung ist höchstens festgelegt durch die des Relatums. Simultaneität wird häufig ausgedrückt über Präpositionalphrasen mit on oder at, z.B. at our marriage,82 Dabei kann das Nomen auch ein kommunikatives Ereignis bezeichnen wie bei at our quarrel. Das Ereignis wird dann jedoch allein aufgrund gemeinsamen Wissens identifizierbar. Dazu gehört auch das Wissen um die Situationszeit. Selbst wenn sie in den Diskurs fällt, ist sie unabhängig von einem deiktischen (oder anaphorischen) Relatum, und folglich sind auch keine deiktischen Ausdrücke beteiligt. Wir werden aber in Kap. 6 sehen, daß Nominalphrasen durchaus auch deiktische Ausdrücke

82

Daneben sind natürlich auch noch Nebensätze, vor allem mit when, möglich. Auch hier richtet sich die Lokalisierung nach dem Diskurswissen, denn Temporaladverbiale mit positionierender Funktion sind darin kaum zu finden. Allerdings müssen die Restriktionen, die durch Tempus-und Aspektrelationern auferlegt sind, beachtet werden.

199

enthalten können und mit ihnen dementsprechend auch diskursdeiktisch referiert werden kann.

5.5.2 TADV-P und die Spezifizierung der Zeitparameter Wir haben die positionalen Zeitadverbiale bisher im wesentlichen isoliert betrachtet und davon gesprochen, daß sie bestimmte Zeiteinheiten oder Zeitpunkte auf der Zeitachse positionierten bzw. lokalisierten. Genau genommen spezifizieren sie einen Zeitparameter, was, wie wir vorhin dargelegt haben, nicht bedeutet, daß sie ihn exakt angäben. Es ist zudem offen gelassen worden, welcher Zeitparameter von einem oder mehreren TADV-P spezifiziert wird. Abgesehen von TU, unserem deiktischen Relatum, das feststeht, kann ein TADV-P sowohl die Topic Time als auch die Situationszeit spezifizieren. Dies hatten wir im Grunde genommen schon während der Diskussion von Tempus-Aspekt Kombinationen (mehr oder minder stillschweigend) vorausgesetzt, denn im Zusammenhang mit Past 7ense-Kombinationen (Kap. 5.4.1) wurde in etlichen Beispielen davon ausgegangen, daß sie die Topic Time spezifizierten, während sie in Präsenskombinationen (Kap. 5.4.2) mit situationszeitspezifizierender Funktion vorkamen. Allerdings ist die Frage, welchen Zeitparameter ein TADV-P spezifiziert, nicht allein im Rückgriff auf die Tempora zu beantworten, wie im folgenden deutlich werden wird.

5.5.2.1 TADV-P und das Past Tense Bei Sätzen im Past Tense scheint ein TADV-P die Topic Time festzulegen. Da TT aufgrund der Tempusrelation vor TU liegen muß, können hier nur anteriore deiktische TADV-P stehen. Das Adverbial legt dann die Zeiteinheit fest, von der die Aspektrelation ausgeht. Tsit wird lediglich relativ dazu interpretierbar. In den Sätzen in (33) liegt Tsit dementsprechend in, um, vor oder nach der durch ten minutes ago spezifizierten Zeiteinheit. 83 (33)

83

a. b. c. d.

Ten minutes Ten minutes Ten minutes Ten minutes

ago, ago, ago, ago,

I was explaining the programme I explained the programme I had explained the programme I was going to explain the programme

Klein (1994, 164) stellt fest, daß die Position des TADV-P im Satz eine wichtige Rolle spielt. Die Standardmarkierung für TT-Spezifikation ist Anfangsposition. Allerdings können andere Markierungen, etwa die Intonation, dominieren.

200 Bezogen auf das Past Tense hat Reichenbach (1947, 294) also Recht, wenn er behauptet, daß Temporaladverbiale die Funktion haben, die Referenzzeit festzulegen. Allerdings gilt dies nur fur den isolierten (bzw. redeeinleitenden) Satz, mit dem er sich primär beschäftigt. Bei der Spezifikation der Zeitparameter spielt nämlich nicht nur das Tempus, sondern auch der satzübergreifende Kontext eine Rolle. Dies wird besonders in der Kombination mit dem Perfekt-Aspekt, also beim Past Perfect deutlich. (34) (35) (36)

Ten minutes ago, I had (already) apologized a. Ten minutes ago, you blamed me for the programme b. But I had (already) apologized ten minutes ago a. Five minutes ago, you blamed me for the programme b. But I had (already) apologized ten minutes ago

Isoliert wie in (34), legt ten minutes ago TT fest. Das gleiche geschieht im redeeinleitenden Satz (35a), aber auch im Folgesatz (35b) legt ten minutes ago keineswegs Tsit fest, denn der Satz wird so verstanden, daß die Entschuldigung länger als zehn Minuten zurückliegt. TT bleibt also im Satzpaar (35) gleich, und man könnte meinen, daß sich ein positionierendes Adverbial grundsätzlich auf TT bezöge. Dies widerlegt jedoch das Satzpaar (36). Hier wird erneut im ersten Satz eine TT etabliert, und zwar mit five minutes ago. Der Folgesatz wird dagegen so verstanden, daß die Entschuldigung zehn Minuten vor TU liegt. Tsit liegt also in der vom Adverbial, ten minutes ago, spezifizierten Zeiteinheit. Offenbar beeinflußt die in einem Vorgängersatz etablierte TT die Funktion des Adverbials im anschließenden. Auch in (36) wird, obwohl das Adverbial nicht wiederholt wird, TT (five minutes ago = five minutes before TU) beibehalten. Nur so ist es möglich, daß Tsit (ten minutes ago = ten minutes before TU) mit dem Adverbial spezifiziert wird. Im übrigen hätte ein anaphorisches Adverbial den gleichen Effekt der Tsit-Spezifikation. So würde five minutes before in (36b) die gleiche temporale Interpretation für die Situation ergeben (five minutes before TT = ten minutes before TU). Insgesamt läßt sich beim Past Perfect, wenn man den Vorgängersatz berücksichtigt, eine Regularität feststellen, die man das 'Prinzip der TT-Beibehaltung' nennen könnte. In (35) wird ja ebenfalls TT beibehalten, denn ten minutes ago etabliert im Grunde gar keine neue TT. TT ist nämlich ohnehin schon spezifiziert, so daß die Adverbiale die TT-Spezifikation eigentlich nur wiederholt. Ten minutes ago könnte in (35b) weggelassen werden, ohne daß der Satz inakzeptabel oder die Bedeutung sich ändern würde. Aus dem Gesagten läßt sich die Regel ableiten, daß ein TADV-P wohl doch, wie schon Reichenbach feststellte, die Topic Time spezifiziert, sich aber dann auf Tsit bezieht, wenn TT anderweitig schon spezifiziert ist. Diese Spezifikation wird aus dem Vorgängersatz übernommen, was Reichenbach nicht sehen konnte, da er nur isolierte Sätze betrachtete. Obwohl Smith (1991, 155) nicht nur isolierte Sätze

201 behandelt, hält sie sich an Reichenbach, wenn sie schreibt: "In sentences with one locating adverbial, the adverbial generally specifies Reference Time." Allerdings merkt sie in Fußnote an: "Locating adverbials specify situation time just in case Reference Time is already specified." Dabei glaubt sie wohl, daß Tsit-Spezifikation nur vorkommen könne, wenn ein zweites Adverbial schon TT festschreibt. Ein solches Adverbial kann aber nur in einem anderen Satz stehen. In einem Satz mit zwei lokalisierenden Temporaladverbialen scheint durch sie nämlich immer nur ein Zeitparameter spezifiziert zu werden, wobei ein Adverbial die vom anderen spezifizierte Zeitspanne weiter einschränkt wie etwa in yesterday at four ο 'clock.84 Wir hatten gesehen, daß beim Past Perfect, wenn im vorausgegangen Satz eine TT spezifiziert ist, offenbar regelmäßig ein Prinzip der TT-Beibehaltung gilt.85 Ein solches Prinzip gilt allerdings nicht ohne weiteres auch für die Kombination anderer Aspekte mit dem Past Tense. Dennoch muß auch hier, sofern sie nicht im Satz durch ein TADV-P spezifiziert wird, TT im vorangehenden Text spezifiziert werden. Das Past Tense ist nämlich nicht postionsdefinit (siehe Kap. 5.4.2), so daß die Tempusrelation allein TT nicht lokalisieren kann und der Satz sozusagen temporal unbestimmt ist. Wir müssen also auf eine Zeit, die im Kontext spezifiziert ist, zurückgreifen. Vor diesem Hintergrund kennzeichnet Ehrich (1992, 133) "das Präteritum (...) als anaphorisches Tempus, weil es die Referenzzeit immer aus dem sprachlichen Kontext gewinnt." Dies trifft auch auf das englische Past Tense zu, und es ist kein Wunder, daß die Untersuchungen zur "temporal anaphora" von Partee (1984), Hinrichs (1986), Nerbonne (1986) oder Almeida (1995) eigentlich ausschließlich auf narrativen Texten (bzw. Beispielen daraus) basieren, die ja bekanntlich primär mit dem Past Tense als Erzähltempus operieren. Die Bewegung der TT in Erzählungen oder Berichten von (realen oder fiktionalen) Ereignisfolgen ist für uns jedoch weniger relevant. Wie wir ausführlich dargelegt haben, hat die Diskursdeixis reflexiven Charakter. Sie tritt allenfalls aus dem Fluß der erzählten Ereignisse heraus, um (in zumeist diskursorganisierender 84

85

Quirk et al. (1985, 533) sprechen dann von einer hierarchischen Beziehung zwischen den Adverbialen, wobei das eine den vom anderen gesetzten Rahmen weiter einschränkt. Man kann das zweite Adverbial auch der Verbkonstellation zurechnen. So argumentiert etwa Klein (1994, 165) und bringt dafür das Beispiel: Yesterday, John left Heidelberg at ten o'clock. Dabei wird at ten ο 'clock zum lexical content des infiniten Satzes gerechnet und im Gegensatz zu etwa Today, John left Heidelberg at one o'clock betrachtet. At ten/one o'clock ist dann nicht deiktischlokalisierend gebraucht. Adverbiale wie at χ ο 'clock sind nur dann als deiktische TADV-P zu betrachten, wenn sie allein vorkommen und im Sinne von today, at χ ο 'clock gebraucht werden. Ähnlich verhält es sich mit on Monday, Tuesday, etc. (siehe auch Fußnote 63). Dies bedeutet aber alles nicht, daß Tsit nicht doch von einer TADV-P spezifiziert werden kann, vor allem dann, wenn TT wie beim Präsens situativ gegeben ist. Siehe Kap. 5.5.2.2. Dabei ist zu erwähnen, daß gerade beim Past Perfect TT häufig durch ein Adverbial in Form eines Nebensatzes (vor allem when-clauses wie auch in den Beispielen von Reichenbach) spezifiziert ist. Dies ist dann analog zu (34) zu sehen. Als handelt sich letztlich um einen isolierten Satz, so daß das Prinzip der TT-Beibehaltung gar nicht wirksam ist.

202

Funktion) auf ein im Diskurs selbst konstituiertes Ereignis zu referieren. Die TTBewegung muß dabei außer Kraft gesetzt werden. Geschieht dies mit einem Satz im Past Tense, muß in der Regel auf ein TADV-P zurückgegriffen werden, da ja keine TT aus der Ereignisfolge übernommen werden kann. Es ist höchstens möglich, darauf zu verzichten, wenn man davon ausgehen kann, daß in unserem Situationswissen, d.h. unserer Diskurserinnerung ein Ereignis so prominent ist, daß eine temporale Lokalisierung überflüssig ist. Dies ist eigentlich nur bei Ereignissen der unmittelbaren Vergangenheit der Fall, also vor allem bei solchen Ereignissen, die in der vorangehenden Äußerung konstituiert wurden. So wäre es etwa möglich in Erwiderung auf eine Entschuldigung zu sagen you apologized (and I accept it). Liegt das Ereignis weiter zurück, wird man aber kaum um eine Adverbiale umhinkommen, und etwa sagen you apologized a while ago (and I accept it now). Ist allerdings einmal eine TT etabliert, können mehrere Diskursereignisse 'angehängt werden'. Dies geschieht dann im Sinne eines Berichtes von Diskursereignissen, wobei in diesem seltenen Fall dann auch die (anaphorischen) Prinzipien der narrativen TT-Bewegung wirksam wären, die hier nur oberflächlich skizziert werden sollen.86 Bei anaphorischer Bestimmung ist die Referenzzeit oder Topic Time sowohl abhängig von der vorher berichteten Situation als auch dem Aspekt und der Situationsklassifizierung des aktuellen Satzes. Grundsätzlich kann man aber von einem Chronologieprinzip (Ehrich 1992, 155) ausgehen, demzufolge jede Äußerung die TT mit der Zeitfolge, d.h. auf der Zeitachse nach vorne verschiebt. 87 Dabei handelt es sich um eine just after relationship (Almeida 1995, 170) der beiden TTs,88 wobei die Distanz (auf die meistens gar nicht eingegangen wird) erneut von der Region um verschiedene Situationstypen abzuhängen scheint (vgl. Ehrich 1992, 169ff.). Bei telischen Situationstypen hat das Chronologieprinzip zur Folge, daß die beiden Situationszeiten hintereinander, d.h. nicht überlappend interpretiert werden, so 86

87

88

Dabei halten wir uns primär an Klein/von Stutterheim (1991) und Ehrich (1992), da in ihren Studien am ehesten mit einem Verständnis der drei Zeitparameter gearbeitet wird, das dem unseren entspricht. Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang neben den eben genannten Studien zur temporalen Anaphora die Arbeiten der Diskursrepräsentationstheorie relevant, die eine eigene ereignisorientierte Logik entwickeln, und mit hohem formalen Aufwand narrative Ereignisfolgen zu repräsentieren versuchen. Als repräsentatives und wohl auch besonders elaboriertes Beispiel sei hier nochmals verwiesen auf Kamp/Reyle (1993). In Wirklichkeit ist der Prozeß der anaphorischen TT-Bewegung ungleich komplizierter, da normalerweise sowohl die Konstanz des Ortes als auch der Beteiligten nicht vorausgesetzt werden kann. Dazu müssen Zustände sowie Haupt- und Nebenstrukturen berücksichtigt werden (vgl. Klein/von Stutterheim 1991, 3ff.). Wir hatten gesehen, daß dies nicht für das Past Perfect gilt, da hier das Prinzip der TTBeibehaltung wirksam ist. Allerdings ist das Past Perfect auch kein Erzähltempus, mit dem längere Ereignissequenzen berichtet werden. Die Beibehaltung der TT beschränkt sich in der Regel auf zwei TTs. Klein (1994, 163) spricht zwar nicht nur beim Past Perfect von "anaphoric maintenance", präzisiert dann aber: "It is also possible that TT is somehow shifted from one utterance to the next, rather than exactly maintained..."

203 etwa bei I explained the programme (and) you critisized me. Die punktuelle zweite TT bewirkt im übrigen eine inceptive Lesart (wenn der zweite Situationstyp nicht ohnehin schon punktuell ist). Die Situation wird als zu dieser Zeit beginnend verstanden. Bei einem nicht telischen Situationstyp und perfektivem Aspekt ist dagegen Überlappung möglich, ebenso bei imperfektivem Aspekt wie bei I talked about the programme (and) you critisized me... oder I was explaining the programme and you critisised me... Im ersten Fall ist Überlappung nicht ausgeschlossen, weil die Verbkonstellation ja kein inhärentes Ende ausdrückt. Die Situation ist zur ersten TT im Gange; wie lange sie andauert, ob über die zweite TT hinaus oder nicht, bleibt offen. Die mögliche Überlappung im zweiten Fall ist im Hinblick auf unsere Tempus-Aspekt Relationen ebenfalls nicht verwunderlich, denn der imperfektive Aspekt besagt ja lediglich, daß Tsit TT einschließt, über die Ausdehnung von Tsit wird nichts ausgesagt. Letztlich hängt die überlappende bzw. nicht-überlappende Lesart von unserem Weltwissen, vor allem über Kausalbeziehungen zusammen, ist aber weder lexikalisch, noch grammatisch ausgedrückt (vgl. Ehrich 1992, 161). Bei I talked about the programme (and) you critisized me... ist es beispielsweise möglich, daß die Protagonisten bzw. der Leser/Hörer davon ausgehen, daß das Programm noch nicht verraten werden soll, dann wäre die Kritik eine Folge des darüber Sprechens und hintereinander zu interpretieren. Wissen sie, daß das Programm von Anfang an kritikwürdig ist, wäre eine gleichzeitige Interpretation eher wahrscheinlich. Ein TADV-P im Satz etabliert grundsätzlich eine neue Topic Time. Handelt es sich um ein anaphorisches Adverbial, wird von der interpretierten Situationszeit, genauer: von deren Begrenzungspunkten, aus 'gerechnet'. Five minutes later spezifiziert eine TT, die fünf Minuten nach der Situationszeit liegt, unabhängig davon, ob es sich um einen Situationstyp mit natürlichem oder arbiträrem Endpunkt handelt. Analog legt five minutes before eine TT fest, die fünf Minuten vor Beginn der Situationszeit der Antezedenssituation liegt. Wie schon erwähnt ist die anaphorische TT-Spezifikation im Rahmen von Diskursdeixis aber eher die Ausnahme. Die über die Tempusrelation hinausgehende TT-Spezifikation läuft also im Normalfall über deiktische Adverbiale. Wir haben hier nur die TT-Spezifikation in Verbindung mit dem Past Tense behandelt, d.h. wir haben uns nur mit solchen TTs befaßt, die (in der Realität oder Fiktion) vor TU liegen. Da auch das Futur positionsindefinit ist, läuft die Spezifikation zukünftiger TTs im Grunde nach dem gleichen Muster ab,89 so daß wir es nicht gesondert behandeln werden. Die Rolle der Temporaladverbiale in Verbindung mit dem Präsens stellt sich allerdings wegen dessen Positionsdefinitheit anders dar. Darauf soll nun zum Abschluß der Diskussion der Temporaladverbiale noch eingegangen werden. 89

Es wird also auch hier in der Regel eine deiktische TADV-P TT festlegen. Auch hier können nach dem Chronologieprinzip weitere Ereignisse 'angehängt' werden, wobei die gleichen Interpretationsmöglichkeiten bestehen, wie etwa in folgender Passage deutlich wird: In five minutes, I will talk about deixis. I will explain Bühler 's sign theory and critisize his successors.

204 5.5.2.2 TADV-P und das Present Tense Wir hatten das Past Tense als anaphorisches Tempus gekennzeichnet, da die Spezifizierung von TT im sprachlichen Kontext zu finden sein muß. Demgegenüber wäre das Present Tense in der Regel90 ein situatives Tempus, denn es bindet TT grundsätzlich an die Sprechzeit.91 Die Position von TT ist damit festgelegt, so daß TT keiner weiteren positionellen Spezifizierung durch ein TADV-P bedarf. Darüber hinaus läßt sich (anders als beim Past Tense) schwerlich ein Fall finden, in dem TT in einem vorausgehenden Satz spezifiziert wäre. Aufgrund der Positionsdefinitheit von TT könnte man erwarten, daß ein TADV-P in einem Präsenssatz Tsit spezifiziert. Trotz der durch das Präsens gegebenen Positionsdefinitheit von TT wäre es aber aufgrund der Inklusionsrelation (TU er TT) möglich, daß der Umfang von TT von einem Adverbial spezifiziert wird.92 Dieses müßte dann ein autodeiktisches Rahmenadverbial sein. Allerdings ist es in Verbindung mit dem imperfektiven und auch perfektiven Aspekt im Grunde gleichgültig, auf welchen Zeitparameter sich die Adverbiale bezieht, denn alle drei Parameter sind dann ja assoziiert und damit positionsdefinit. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, daß in diesen Kombinationen ein TADV-P ohnehin selten vorkommt. Ob ein TADV-P Tsit oder TT spezifiziert, müßte sich eigentlich beim Present Perfect zeigen, denn hier ist Tsit < TU. Ein Satz wie I have (already) explained the programme this morning macht dann auch deutlich, daß das Adverbial, this morning, den zeitlichen Rahmen abgibt, in den Tsit fällt. Jedenfalls kann es nicht TT spezifizieren, denn dann müßte Tsit gemäß der Aspektrelation (Tsit < TT) vor dem Morgen gewesen sein. Dies entspricht sicherlich nicht unserem üblichen Verständnis des Satzes. Die End- oder Mittelstellung im Satz ist laut Klein (1994) ohnehin die präferierte Position zur Spezifizierung von Tsit durch ein TADV-P. Aber auch in Anfangsstellung, also bei this morning, I have (already) explained the programme 90

Allerdings gibt es einige Sonderverwendungen, etwa das narrative Präsens bzw. die erlebte Rede, die meistens mit einer verschobenen, imaginierten Origo erklärt wird (so schon bei Bühlers Deixis am Phantasma, vgl. auch Rauh 1978, Kratzer 1978). Eine etwas andere Erklärung gibt Klein (1994, 133ff.), der die Origo beläßt und von unterschiedlichen Situationszeiten ("real Tsit" vs. "imagined Tsit") ausgeht. Im Zusammenhang mit der Diskursdeixis, die sich ja reflexiv auf real konstituierte Teile des Diskurses bezieht, sind solche Sonderverwendungen jedoch nicht relevant.

91

Ähnlich argumentiert Ehrich (1992,133) im Hinblick auf das Deutsche. Allerdings hat sie dabei das deutsche Perfekt im Blick, das sie als Tempus betrachtet. Sie macht (fur das Deutsche wohl zutreffend) ja keine Aspektunterscheidungen. In unserem (kompositionellen) Tempus-Aspekt Modell trifft die Charakterisierung des Present Tense prinzipiell, d.h. unabhängig v o m jeweiligen Aspekt zu.

92

Davon geht z.B. Smith (1991, 155) aus, die die Reichenbachsche These übernimmt, daß ein T A D V - P generell (!) die Referenzzeit spezifiziert. Mit einer ausgedehnten Referenzzeit läßt sich beispielsweise erklären, daß das Present Perfect nur mit autodeiktischen Rahmenadverbialen kompatibel ist (eine adäquatere Erklärung ist die in Kap. 5.4.2.3 erwähnte P-DefinitenessConstraint). A u f der anderen Seite konstatiert Smith (1991, 2 4 3 ) beim Futurate (ohne den Widerspruch zu bemerken!), daß die Situationszeit von einem T A D V - P spezifiziert würde.

205 bleibt unser Verständnis, daß die Situation sich am Morgen abgespielt hat, erhalten. Der Satz klingt allenfalls etwas unidiomatisch und wäre wohl mit besonderer prosodischer Markierung zu versehen, was auch in Übereinstimmung mit Kleins (1994, 163) Behauptung steht, daß die prosodische Markierung die durch die Satzstellung gegebene Standardmarkierung dominieren kann.93 Ein besonders deutlicher Fall, in dem ein TADV-P in Präsenssätzen Tsit spezifiziert, liegt bei der going to- und Futurate- Konstruktion vor. In diesen Konstruktionen können heterodeiktische Adverbiale vorkommen, was die Spezifizierung von TT ausschließt, die ja aufgrund der Tempusrelation mit dem deiktischen Relatum assoziiert ist. Wenn nun in Präsenssätzen TT aus der Situation schon positionsdefinit spezifiziert ist und eine TADV-P in der Regel Tsit spezifiziert, ist eigentlich die Frage nach der Ausdehnung von TT nicht mehr relevant. Da die Ausdehnung nicht kontextuell spezifiziert werden kann94 und das temporale Lokalisationssystem offenbar mit ausdehnungsloser TT funktioniert, ist es nur folgerichtig, eine Identitätsrelation von TU und TT anzunehmen, 95 wie wir sie in Kap. 5.4.2.3 stillschweigend schon vorausgesetzt hatten. Die Ergebnisse der Diskussion der Interaktion von TADV-P mit den Zeitparametern lassen sich abschließend einer ganz einfachen Regel zusammenfassen: 'Ein TADV-P spezifiziert TT, außer wenn TT positional schon spezifiziert ist. Dann spezifiziert es Tsit.' Der Fall, daß ein TADV-P Tsit spezifiziert, tritt immer beim Präsens auf, denn dort ist TT immer schon situativ spezifiziert. Im Past Tense kommt tritt dieser Fall beim Perfekt-Aspekt auf, denn dann ist TT aufgrund des Prinzips der TTBeibehaltung schon durch den Vorgängersatz spezifiziert. Die Regel sagt nichts über die TT-Spezifikation ohne TADV-P aus. Diese ergibt sich beim postitionsindefiniten Past Tense anaphorisch und folgt komplexen (narrativen) Prinzipien. Beim Präsens ist eine anaphorisch oder adverbial spezifizierte TT nicht nötig, da TT mit dem deiktischen Relatum verankert ist. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit vom Kontext ist das Präsens dann auch fur Diskursdeixis prädestiniert. Ohne Rückgriff auf Adverbiale kommt sie etwa in performativen Äußerungen vor, und auch bei Äußerungen im Present Perfect (sowohl in Verbindung mit perfektivem wie auch imperfektivem Aspekt) braucht man weder eine Antezedenssituation, noch 93

94 95

Klein (1992, 540f.) schließt die Möglichkeit, daß ein TADV-P beim Present Perfect TT spezifiziert, nicht gänzlich aus und konstruiert dafür das in Fußnote 49 schon erwähnte Beispiel. Auch wenn man andere Präsensaspekte mit einem autodeiktischen Rahmenadverbial kombiniert, scheint TT-Spezifizierung möglich. So ist this morning, I explain the programme in posteriorer Interpretation zum Relatum möglich. Aber auch hier fällt Tsit in den vom Adverbial gesetzten Rahmen. Es ist daher der Einfachheit halber sinnvoll, prinzipiell davon auszugehen, daß ein TADV-P Tsit spezifiziert. Durative Adverbiale werden ja zur Verbkonstellation gezählt. Wie schon erwähnt, sieht Klein (1994) weder punktuelle Zeitparameter noch Identitätsrelationen vor. Prinzipiell läßt sich beides aber in sein Modell integrieren, womit, wie man sieht, teilweise eine adäquatere Beschreibung möglich ist.

206 muß man auf ein TADV-P zurückgreifen, um auf eine Diskurssituation zu referieren. Um auf eine Diskurssituation vor dem durch die Äußerungssituation gegebenen Relatum referieren zu können, reicht es aus, wenn das Diskursgedächtnis der Beteiligten eine Situation des in der Verbkonstellation bezeichneten Typs bereithält.96

5.6 Fazit

Das System zur temporalen Lokalisation von Situationen, auf die wir im Satz referieren, ist auf drei Zeitparametern aufgebaut. Wir haben gesehen, daß im Satz auch mehrere temporale Ausdrücke zusammenkommen können und die temporaldeiktische Relation, also die Relation von Äußerungszeit zu Situationszeit, nur interpretativ aus der Komposition dieser Ausdrücke zu erhalten ist, wobei bisweilen sogar auf den satzübergreifenden Kontext zurückgegriffen werden muß. Dies traf auch auf den reflexiven Sprachgebrauch im Rahmen der Diskursdeixis zu. Das Tempus gibt die Relation zwischen TT und TU, der Aspekt die Relation zwischen TT und Tsit an. Zeitadverbiale müssen mit den Relationen kompatibel sein. Je nachdem, ob es sich um ein situatives oder anaphorisches Tempus handelt, läßt sich erschließen, welchen der beiden Zeitparameter sie spezifizieren. Die Interpretation der deiktischen Relation interagiert darüber hinaus mit der in der Verbkonstellation ausgedrückten Situationsklasse. Dies ist im Grunde auch nicht verwunderlich, denn die Verbkonstellation hat ja selbst eine temporale Komponente. Während Tempus, Aspekt und Zeitadverbiale allein temporal zu verstehen sind, wird in ihr darüber hinaus auch das reflexive Element der Diskursdeixis zum Ausdruck gebracht. Dieses reflexive Element muß auch in nominalen Ausdrücken enthalten sein, wenn sie diskursdeiktisch gebraucht werden. Das deiktische Element kann dort allerdings nicht unter Rückgriff auf Tempus- und Aspektkategorien zum Ausdruck gebracht werden. Folglich werden im Rahmen nominaler Diskursdeixis auch verstärkt Ausdrücke verwendet, die ansonsten in temporalen Lokalisationsprozessen nicht zu finden sind. In der Diskursdeixis müssen sie jedoch temporaldeiktisch interpretiert werden. Darauf wollen wir nun noch eingehen.

96

Bei einer Durchsicht des Corpus of English Conversation waren in der Tat mehr als die Hälfte der klaren Fälle von Diskursdeixis Sätze im Present Perfect. Am häufigsten kam die 'Formel' I/we/you 've been talking about χ vor.

6 Nominale Ausdrücke

6.1 Einleitung

In unserer bisherigen Diskussion der Mittel, mit denen Diskursdeixis im Englischen realisiert wird, sind wir davon ausgegangen, daß die Diskursbeteiligten metakommunikative Verbkonstellationen verwenden, um in Verbindung mit temporaldeiktischen Ausdrücken diskursdeiktisch zu referieren. Wir haben uns deshalb lediglich mit Diskursdeixis im Rahmen von finiten Sätzen beschäftigt. Verbkonstellationen sind jedoch nicht die einzigen Ausdrücke, die Diskurssituationstypen bezeichnen können. Situationstypen können nämlich auch nominal bezeichnet werden. Nominale Ausdrücke können bekanntlich zur definiten, speziell auch deiktischen Referenz verwendet werden.1 Die Entitäten, auf die dabei referiert wird, sind meist im Sinne von first order entities (siehe Kap. 3.2.1) lokal zu identifizieren. Es ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, daß temporaldeiktische Studien nominale Ausdrücke vernachlässigen. 2 Wir wollen uns im folgenden mit ihnen beschäftigen, sofern sie ein deiktisches Element aufweisen und gleichzeitig einen Übergang auf die metakommunikative Ebene indizieren.

1

2

Diese können unterschiedlich zusammengesetzt sein und sind bisweilen erst auf den zweiten Blick als deiktisch oder anaphorisch erkennbar. Brekle (1983) weist etwa auf den deiktischen und anaphorischen Charakter von ad hoc-Nominalkomposita im Deutschen hin. Die (schwer zugängliche) Studie weist nach, daß sich diese Komposita vor allem dazu eignen, Referenzbezüge über die Satzgrenze hinaus zu erhalten. Es handelt sich also primär um anaphorische Referenz. Meist werden sie nicht nur in temporaldeiktischen, sondern auch allgemein temporalsemantischen Arbeiten nicht einmal erwähnt. Eine Ausnahme bildet Binnick (1991, 449), der zwar auch nicht darauf eingeht, aber am Ende seines Buches immerhin konstatiert: "It is obvious that many types of substantives (...) bear temporal meaning or interact with other expressions which do the same." Es sollte jedoch auch erwähnt werden, daß schon Jespersen (1924, 282ff.) auf nominale Ausdrücke mit Zeitbezug hinweist. Allerdings handelt es sich bei ihm meist um Bezeichnungen für soziale Rollen (siehe auch Fußnote 18).

208

6.2 Metakommunikative N o m e n als Heads

Es gibt offensichtlich auch Nomen, die temporale Entitäten bezeichnen. Dabei handelt es sich häufig um mittels Suffigierung oder Konversion aus Verben abgeleitete lexikalische Einheiten. 3 Solche deverbal nouns (Quirk et al. 1985, 1550) gibt es selbstverständlich auch für Diskurssituationstypen, und in der Tat ist es nicht schwierig, zu den in Kap. 4.6 aufgelisteten Kommunikationsverben äquivalente Nomen zu finden. So erhalten wir etwa agreement, answer, apology, appointment, approval, argument, blame, boast, chat, comment, complaint, conference, command, conversation, debate, description, discussion, excommunication, explanation, gossip, information, inquiry, insistence, instruction, insult, lecture, mention, narration, negotiation, order, permission, promise, proposal, proof, quarrel, quotation, regret, relation, remark, report, resignation, speech, suggestion, summary, talk, utterance etc.4 Wir sehen, daß im Grunde aus allen Kommunikationsverben (wenn auch mit unterschiedlichen Derivationsmorphemen) deverbal nouns gebildet werden können und daß diese nominalen Äquivalente auch tatsächlich Eingang in den Wortschatz gefunden haben. In Kap. 5.5.1.2 wurde daraufhingewiesen, daß solche Nomen in der Funktion von eventive objects mit general verbs metakommunikative Verbkonstellationen ergeben, deren temporale Lokalisierung über die temporalen Ausdrücke, wie sie im letzten Kapitel aufgezeigt wurden, erfolgt. Die metakommunikativen deverbal nouns kommen jedoch nicht nur mit solchen Verben vor, vor allem aber haben sie unterschiedliche syntaktische Funktionen im jeweiligen Satz. Man kann sie bzw. die Nominalphrasen, in denen sie vorkommen, zwar als Nominalisierungen von Sätzen betrachten, aber die deiktischen Mittel, mit denen die Lokalisierung des jeweiligen Situationstyps erfolgt, unterscheiden sich wesentlich von den bisher besprochenen, die sich auf finite Sätze bezogen. Insofern ist es auch notwendig, die temporale Lokalisierung, die sich durch die deiktischen Ausdrücke innerhalb der ganzen Nominalphrase ergibt, zu berücksichtigen. 5 Dies soll gleich geschehen. Werden metakommunikative Nomen in Verbindung mit deiktischen Ausdrücken gebraucht, ergibt sich Referenz auf ein token des bezeichneten Typs, d.h. eine kommunikative Situation, die über die deiktische Relation zu identifizieren ist. Ist 3

Wir können uns hier nicht mit den einzelnen Wortbildungsprozessen und daran beteiligten Morphemen (inklusive des Nullmorphems) beschäftigen. Der interessierte Leser sei verwiesen auf Kastovsky (1982, Kap. 5), Lipka (1992, Kap. 3) oder Bauer (1983).

4

A m problematischsten sind wohl general performatives. Zwar gibt es telling und saying als lexikalische Einheiten, aber diese sind wie verbal nouns gebildet und haben eine wesentlich spezifischere Bedeutung als von der Verbbedeutung her zu erwarten wäre. Die Einordnung in Situationsklassen ist im übrigen auch hier nur im Kontext, vor allem wiederum unter Berücksichtigung präpositionaler Ergänzungen, möglich.

5

Darüber hinaus haben temporale nominale Ausdrücke auch in Präpositionalphrasen, die als Adverbiale fungieren, ihren Platz. Auch darauf wird zurückzukommen sein.

209 diese Situation ein Teil des ablaufenden Diskurses, haben wir es eindeutig mit Diskursdeixis zu tun. Die aus Kommunikationsverben abgeleiteten Nomen lassen sich dann auch problemlos in die schon mehrmals erwähnte diskursdeiktische Formel von Fillmore, the preceding/the following Η, einfügen. 6 Der Head muß dabei nicht unbedingt ein deverbal noun sein. So kann man aus den metakommunikativen Verben ja auch verbal nouns auf -ing bilden (vgl. Quirk et al. 1985, 1290). Solche Nominalisierungen sind häufig auch als nicht zählbare, abstrakte Nomen bzw. Massenterme (Krifka 1989) gebraucht und insofern nicht zeitlich individuierbar. Für uns sind sie nur im Zusammenhang mit deiktisch lokalisierbaren Ereignissen relevant. Dann verhalten sie sich aber im wesentlichen wie die meist idiomatischeren deverbal nouns, so daß wir in der anschließenden Diskussion hauptsächlich von deverbal nouns ausgehen können. Darüber hinaus gibt es auch noch einige andere metakommunikative Nomen, die in die Fillmoresche Formel passen und ebenfalls temporal lokalisierbare Teile eines Diskurses bezeichnen. Wir hatten solche Nomen im Zusammenhang mit dem ParoleCharakter des diskursdeiktischen Referenzobjektes schon erwähnt (Kap. 4.1.2). Es handelt sich dabei um Nomen, die bestimmte sprachliche (und linguistisch beschreibbare) Einheiten bezeichnen wie etwa sentence, paragraph, word. Diese Einheiten weisen auf der Parole-Ebene eine gewisse zeitliche Ausdehnung auf. Sie können somit ein Diskursereignis beinhalten. Kommt ein solches Nomen in diskursdeiktischer Verwendung vor, wird die Einheit quasi als Container betrachtet, in dem sich das betreffende Diskursereignis befindet. 7 Ein Beispiel für eine solche Verwendung wäre etwa the preceding sentence was a lie. Für Diskursdeixis sind offenbar nur Nomen geeignet, die sprachliche Einheiten bezeichnen, von denen ein Alltagskonzept existiert, wovon man auch annehmen kann, daß es auch der Gesprächspartner teilt wie etwa sentence oder word* In schriftlichen Texten kommen (wohl aufgrund texttypologischer Konventionen, die meist auch graphischen Ausdruck finden) noch einige hinzu, etwa paragraph, section, line, heading, title etc. Eine Klassifizierung von nominal ausgedrückten Diskurssituationstypen, die genau analog der fur Verbkonstellationen angenommenen Klassen abliefe, ist offenbar nicht angemessen. So drücken offenbar definite Nominalphrasen mit metakommunikativem Head und definitem Determiner - und nur solche sind für uns interessant, da Deixis ja eine Form definiter Referenz ist - immer ein inhärentes Ende aus. Auf der anderen Seite werden wir sehen, daß auch für die nominal ausgedrückten Situationstypen das Merkmal der Durativität relevant zu sein scheint, denn 6

Fillmore verwendet die Variable X. Wir werden sie aufgrund der Position des N o m e n s als der Nominalphrase im folgenden m i t / / k e n n z e i c h n e n .

7

Der Container-Begriff wir hier (mangels eines besseren) metaphorisch im Rahmen lexikalischer Beschreibung gebraucht, hat also nichts mit den Containern zu tun, die Vendler ( 1 9 6 8 ) als syntaktische Einheiten im Rahmen von Nominalisierungen propagiert.

8

Eine Äußerung w i e your akzeptabel gelten.

nominalisation

was

Head

a lie würde selbst unter Linguisten kaum als

210 je nachdem eröffnen sich auch hier unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bezüglich der temporalen Lokalisierung, die sich in Verbindung mit dem deiktischen Ausdruck ergeben. Diese hängen aber auch vom jeweiligen Deiktikon ab, denn es können im Rahmen von Diskursdeixis natürlich außer the preceding und the following auch andere deiktische Ausdrücke gebraucht werden. Das deiktische Element kann dabei innerhalb der Nominalphrase unterschiedliche syntaktische Funktion haben, während das Nomen immer als Head fungiert. Die diskursdeiktischen nominalen Ausdrücke lassen sich nach der syntaktischen Position des deiktischen Elementes ordnen, und anhand dieser Ordnung soll nun auf sie eingegangen werden. 9

6.3 Deiktische

Determiner

6.3.1 Demonstrativa Die klassischen deiktischen Determiner im Englischen sind this, that, these und those. Sie werden meist mit nominalen Heads, die first order entities bezeichnen, verwendet und dienen dann (mit oder ohne Zeiggeste) zur lokalen Identifikation des Referenzobjektes. Dabei wird von einem Proximitätsunterschied zwischen this und that bzw. these und those ausgegangen (vgl. z.B. Lyons 1977, 647ff.). Dieser gilt offenbar auch, wenn das Deiktikon in die temporale Dimension "importiert" wird, wie es Anderson/Keenan (1988, 297) ausdrücken. Die Proximitätskategorie kommt dementsprechend auch bei der Diskursdeixis zur Geltung, hat aber aufgrund deren reflexiven Charakters besondere Auswirkungen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch, ob der Head der Nominalphrase einen durativen oder punktuellen Diskurssituationstyp bezeichnet. Durative Situationstypen korrespondieren mit Nomen, die von Activity- oder Accomplishment-Wcrben abgeleitet sind. Bei durativen Situationstypen wird mit this auf die ablaufende Diskurssituation referiert. This talk, this conversation, this chat etc. einerseits oder this explanation, this description, this report etc. andererseits referieren in ihrer deiktischen Verwendung auf Situationen, die zum Äußerungszeitpunkt als noch nicht beendet betrachtet werden. Bei that talk, that conversation, that chat etc. oder that explanation, that description, that report etc. geht man dagegen von einer Situation aus, die schon abgeschlossen ist. Der Sprecher kann damit auch auf eine Situation

9

Dies soll in Anlehnung an das System und die Terminologie von Quirk et al. (1985, Kap. 17) geschehen. Die Orientierung an Quirk et al. (1985) erfolgt in erster Linie aufgrund des voraussetzbaren Bekanntheitsgrades. Es gibt sicherlich elegantere Theorien. Diese müßten aber erläutert werden, und eine solche Diskussion kann hier nicht geleistet werden.

211

referieren, die außerhalb des ablaufenden Diskurses liegt, so daß dann keine Diskursdeixis vorliegen kann. Der springende Punkt ist aber der, daß hier nicht nur keine diskursdeiktische, sondern überhaupt keine deiktische Referenz vorliegt. 10 Vielmehr haben wir es mit anaphorischer Referenz zu tun. Diskursdeiktische Referenz impliziert einen Sprung auf die metakommunikative Ebene (siehe Kap. 3.1.4). That Η ist jedoch nur vorstellbar, wenn der mit Η bezeichnete Situationstyp schon vorher Gegenstand des Gesprächs war. Wird ein solcher Ausdruck anaphorisch verwendet, kann damit auch auf eine Situation innerhalb des Diskurses referiert werden. Dazu ist es allerdings notwendig, daß ohnehin schon ein Sprung auf die metakommunikative Ebene erfolgt ist. Wird etwa diskursdeiktisch auf eine vorangehende Situation referiert wie in (la), kann diese Situation im Sinne von Ereignisanaphorik wieder aufgegriffen werden (lb), was eben mit dem Anaphorikon that geschehen kann. (1)

a. A while ago, you explained the programme. B. That explanation was quite irritating.

Im übrigen wäre in dieser anaphorischen Verwendung auch this möglich." Ähnlich wie that scheinen auch these und those nur anaphorisch verwendet werden zu können. Selbst bei these ist normalerweise eine vorangehende Ersterwähnung der betreffenden Situationen notwendig.12 Man kann mit einem deiktisch gebrauchten Determiner nur die eine durative Kommunikationssituation, die zur Äußerungszeit gerade abläuft oder zumindest damit assoziiert ist,13 zum Gesprächsgegenstand erheben, aber nicht mehrere. Bei Nomen, die einen ganzen Diskurstyp bezeichnen, ist dies offensichtlich. These talks, these conversations, these chats kommt allein schon deshalb nicht in diskursdeiktischer Verwendung vor, weil die Situationen zusammengenommen über den ablaufenden Diskurs hinausreichen, aber selbst etwa bei these explanations, die ja auch innerhalb eines Diskurses liegen können, muß vorher schon der diskursdeiktische Ebenensprung erfolgt sein (z.B. mit you explained the programme three times), womit erneut anaphorische Verwendung von these vorläge.

10 11

12

13

Man könnte ja annehmen, daß es sich um temporaldeiktische Referenz handelte. Krenn (1985, 102ff.) stellt fest, daß this und that in anaphorischer Verwendung mehr oder minder austauschbar sind. Letztlich handele es sich allenfalls um Stil- oder Registerunterschiede, die mit der "Opposition this vs. that" zum Ausdruck kämen. Kataphorisch kann dagegen nur this verwendet werden, etwa in I make this promise. I will be there. Auf einen Fall, wo these dennoch in diskursdeiktischer Verwendung vorkommt, wird gleich (Beispiel 4) zurückzukommen sein. Assoziiert heißt hier, daß das Ereignis bis an die diskursdeiktische Äußerung heranreicht, aber dann ggf. nicht mehr fortgeführt wird. Normalerweise ist wegen der Proximität dann this angebracht, that scheint aber vor allem bei punktuellen Ereignissen, nicht gänzlich inakzeptabel. Siehe dazu Kap. 6.6.

212 Für durative Situationstypen können wir also festhalten, daß sich nur this zum Gebrauch als diskursdeiktischer Determiner (auf this und that in pronominaler Funktion muß noch eingegangen werden) eignet. Äußerungszeit und Situationszeit sind dabei zwar nicht identisch, aber die Äußerungszeit fällt in die Situationszeit, so daß man mit Harweg (1990) von Autodeixis sprechen kann. Bei punktuell konzeptualisierten Situationstypen ergibt sich jedoch im Zusammenhang mit dem reflexiven Charakter der Diskursdeixis ein Interpretationsproblem. Da es so etwas wie eine nominale performative Formel nicht gibt, der (potentiell) diskursdeiktische Ausdruck also nicht selbst das Diskursereignis konstituieren kann, können Äußerungszeit und Situationszeit nicht zusammenfallen. Wenn es also mit punktuellen Situationstypen überhaupt Diskursdeixis nach dem Muster this Η geben soll, kann sie nur heterodeiktisch sein, und genau dies ist auch der Fall. This apology, this promise, this statement etc. referiert eindeutig nicht selbstreflexiv auf die Äußerung selbst, 14 sondern in aller Regel auf die unmittelbar vorausgehende. 15 Dabei kann der Diskursbeitrag sogar von einem anderen Beteiligten geleistet worden sein, wie in (2). (2)

A: I will be there Β: I will remind you of this promise

Dieser heterodeiktisische Gebrauch von this ist offenbar in Verbindung mit allen aus Λc/2i'eve»ie«/-Kommunikationsverben abgeleiteten Nomen zu erwarten. Wir können ihn aber auch bei metakommunikativen 'Container-Nouns' feststellen, wenn sie eine sprachliche Einheit bis zur Größe eines Satzes bezeichnen. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn wir hatten j a festgestellt (Kap. 4.2.2.3), daß wir innerhalb eines Satzes vom Fortschreiten der Origo abstrahieren, und deshalb muß ein Diskursereignis, das innerhalb eines Satzes realisiert wird, auch punktuell, also im Sinne eines Achievements, gesehen werden. In (3) wird mit dem diskursdeiktischen Ausdruck dann auch auf das unmittelbar vorangehende Diskursereignis referiert.

14

15

Harweg (1990, 186f.) stellt im übrigen für das Deutsche ebenfalls fest, daß diese Behauptung im Gegensatz zu dieser Aufsatz nicht autodeiktisch gebraucht werden kann. Er geht jedoch von schriftlichen Texten aus und hat dafür eine lokalistische Erklärung. Sie läuft darauf hinaus, daß es sich eigentlich immer um heterodeiktische Referenz handelte, denn bei Referenz auf Textteile größeren Umfangs sei neben der Autodeixis, wo der Ort des Textteils und Ort des Deiktikons zusammenfallen, gleichsam bei dem Teil, der über das Deiktikon hinausragt, auch Heterodeixis im Spiel (vgl. Harweg 1990, 189). Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß der Ort des Deiktikons und der des Referenzobjektes zusammenfallen, was ja gerade auch in der lokalen Dimension das Kriterium für Autodeixis ist. This kann, wie wir später sehen werden, auch auf eine zukünftige Diskurssituation verweisen, steht dann aber allein und hat pronominale Funktion.

213 (3)

A: I will be there Β: I will remind you of this sentence

Erinnert wird hier an das Sprechereignis, das im vorausgehenden Satz realisiert wurde. Dieser nicht-reflexive Gebrauch von this erklärt auch, warum die Paradoxien, die in Philosphie und Logik im Zusammenhang mit Sätzen wie this sentence is false diskutiert werden, in der Alltagssprache keine Rolle spielen. Aus diskursdeiktischer Sicht ist der Satz nämlich nicht widersprüchlich, denn worauf in der Regel referiert würde, wäre nicht der Satz selbst, bzw. dessen Aussage, sondern eine unmittelbar benachbarte Assertion. Nur durch drucktechnische 'Tricks', etwa die schrägen Pfeile bei Reichenbach (1947), ist es möglich, unsere alltäglichen Konventionen diskursdeiktischer Referenz zu hintergehen und das Paradoxon überhaupt zu erzeugen. Im Zusammenhang mit 'Container Nouns' ist es im übrigen sogar möglich, these diskursdeiktisch zu verwenden. Das ist dann der Fall, wenn mehrere Einheiten (bis zur Satzgrenze) das betreffende Diskursereignis enthalten, wie in (4). (4)

A: I will be there Β: I will remind you of these words

Wesentlich ist dabei aber auch hier, daß das kommunikative Ereignis, auf das letztlich referiert wird, in unmittelbarer Nachbarschaft des deiktischen Relatums liegt.

6.3.2 Definite Artikel Auf den diskursdeiktischen Gebrauch von this und these werden wir später zurückkommen, wenn wir uns mit den Demonstrativa in pronominaler Funktion beschäftigen. Zunächst wollen wir noch kurz auf den definiten Artikel eingehen. Lyons (1977, 654) weist auf den prinzipiell deiktischen Charakter von the hin. Dieser zeigt sich u.a. darin, daß mit dem definiten Artikel in Verbindung mit Zeiggesten auf vorher unerwähnte Gegenstände referiert werden kann. 16 Den Unterschied zu this, that, these und those erklärt er dann folgendermaßen: "The definite article behaves syntactically like demonstrative articles, but is neutral with respect to proximity." Während this markiert und that unmarkiert bezüglich der Proximitätskategorie ist und dementsprechend in der Regel relative Nähe und Ferne zu einem Relatum

16

Darüber hinaus ließe sich die (potentielle) Deiktizität des definiten Artikels auch diachronisch erklären (vgl. Lyons 1977, 646f.). Dies hat Brugmann (1904) schon wesentlich früher nachgewiesen.

214 ausdrücken, 17 ist der definite Artikel einfach neutral gegenüber der Kategorie, sagt also nichts über die Entfernung zum Relatum aus. Diskursdeiktisch gebrauchte Determiner müssen jedoch offenbar unmittelbare Proximität ausdrücken, denn nicht nur that und those, sondern auch der definite Artikel kann nicht diskursdeiktisch verwendet werden. Wenn man this und these in (2), (3) und (4) durch the ersetzt, kann der jeweilige Satz nur anaphorisch verstanden werden. So wird in (5), (6) und (7) offensichtlich nicht auf das unmittelbar vorangehende Diskursereignis referiert. (5)

A: I will be there Β: I will remind you of the promise

(6)

A: I will be there Β: I will remind you of the sentence

(7)

A: I will be there Β: I will remind you of the words

Sollen B's Sätze überhaupt einen Sinn ergeben, müssen wir im weiteren Diskursuniversum nach einem schon eingeführten metakommunikativen Referenzobjekt suchen, so daß auch kein Ebenensprung vorliegt. Mindestens ebenso deutlich wird der anaphorische Charakter bei durativen Situationstypen. The talk kann sich im Gegensatz zu this talk nicht selbstreflexiv auf den gerade ablaufenden Diskurs beziehen. Es ist also nicht metakommunikativ gebraucht und das Referenzobjekt muß letztlich im Diskursuniversum schon vorhanden sein.

6.3.3 Possessivpronomen Auch die sogenannten Possessivpronomen haben determinative Funktion. Sie sind zwar deiktisch in der personalen Dimension, sind aber ebenso wie der definite Artikel (und auch die Personalpronomen, vgl. Lyons 1977, 647) neutral gegenüber der Proximitätskategorie. Dennoch lassen sie eine metakommunikative Deutung zu, wie (8) zeigt. (8)

17

A: I will be there Β: I will remind you of your promise

Lyons (1977, 647) weist aber daraufhin, daß auch that in etlichen syntaktischen Positionen neutral bezüglich der Proximität ist.

215 Anders als bei this promise ist es aber nicht unbedingt notwendig, daß das Diskursereignis, auf das referiert wird, unmittelbar vorausgeht. Bei / will remind you of your promise ist es auch vorstellbar, daß das Ereignis einige Zeit vor der Äußerungszeit liegt (ggf. sogar außerhalb des ablaufenden Diskurses). Grenzen sind selbstverständlich durch das Gedächtnis gesetzt, aber gerade bei prominenten Ereignissen (etwa einem förmlichen Versprechen) kann man davon ausgehen, daß man auch auf ein weiter zurückliegendes Ereignis referieren kann, ohne daß es durch ein Possessivpronomen temporal lokalisiert würde. Aus den Possessivpronomen (zumindest denen der 1. oder 2. Person) ist aber erschließbar, ob das Ereignis einem (oder mehreren) Diskursbeteiligten zugeschrieben wird. Das gleiche ist bei Eigennamen, wenn sie sich auf Diskursbeteiligte beziehen, im Genitiv der Fall. Man kann ja das Possessivpronomen ohnehin als genitive pronoun (vgl. Quirk et al. 1985, 318) betrachten, so daß die Analogie nicht zu verwundern braucht. Weiß man, daß John Gesprächsteilnehmer ist, kann man mit John 's promise auf ein Diskursereignis referieren. Genitiv wie Possessivpronomen fungieren als Determiner, die die Definitheit des Referenzobjektes angeben. Eine temporale Lokalisierung findet allerdings nicht statt. Insofern sind die gesamten nominalen Ausdrücke (abgesehen von der personalen Dimension bei den Genitivbzw. Possessivpronomen) auch nicht deiktisch. Auf deiktische Genitivkonstruktionen werden wir später jedoch noch zu sprechen kommen. Zunächst wollen wir aber deiktische Ausdrücke im Rahmen der Prämodifikation des metakommunikativen Heads betrachten.

6.4 Deiktische Prämodifikation

6.4.1 Adjektive Auch im Rahmen der Prämodifikation kann es deiktische Ausdrücke geben, die einen Diskurssituationstyp individuieren. Eine Möglichkeit zur deiktischen Prämodifikation läge im Gebrauch deiktischer Adjektive, die in Verbindung mit einem definiten Determiner, da es sich bei Deixis ja immer um definite Referenz handelt, und einem eine temporale Entität bezeichnenden Head stehen. Der Begriff eines temporaldeiktischen Adjektivs wird in der Literatur zur Deixis eigentlich nicht verwendet. 18 Dennoch gibt es offensichtlich Adjektive, deren Verständnis auf eine 18

Der einzige, der m.W. von deictic adjectives spricht, ist R. Sheffer (UC San Diego). Er verwies in einem Vortrag beim First International Colloquium on Deixis 1994 auf eine Klasse von Adjektiven, die nur mit "nouns denoting occupations, religious or societal offices" stehen könnten, etwa the former president. Man könnte meinen, daß dies the then president entpräche. Bei

216 Origo angewiesen ist. Sie können wiederum über Ordnungsrelationen zu diesem Relatum beschrieben werden. Anteriorität zum deiktischen Relatum drücken etwa past, recent, former aus. Man kann nun auch von the past/recent/former event sprechen, bezogen auf ein Ereignis im ablaufenden Diskurs scheinen aber diese nominalen Ausdrücke unangemessen. Dies liegt wohl daran, daß, ähnlich wie wir es bei den abgeleiteten Adverbien recently und formerly gesehen haben, zu große Distanz zum Relatum ausgedrückt wird. Der temporale Ort des Ereignisses liegt außerhalb des zeitlich begrenzten Gesprächs, das gerade abläuft. The former Η kann jedoch auch im Zusammenhang mit the latter Η gebraucht werden, wobei eine Ordnungsrelation zwischen den beiden Ausdrücken und den Textstellen, mit denen sie verknüpft sind, besteht (vgl. Lyons 1977, 669). Es handelt sich aber, selbst wenn Η eine kommunikative Einheit bezeichnet, um eine Verknüpfungs- und nicht um eine Referenzrelation (siehe Kap. 2.5.4), die einen Übergang auf die metakommunikative Ebene einschließt, denn schließlich referieren die Ausdrücke anaphorisch auf die Referenzobjekte ihrer Antezedenten. 19 Simultaneität zum deiktischen Relatum drücken present, current und ongoing aus. Sie können in Verbindung mit dem definiten Artikel zur Lokalisierung von durativen Situationstypen verwendet werden. The present conversation klingt aber im Gegensatz zu this conversation zumindest unidiomatisch, und bei current und ongoing scheint erneut die Ausdehnung größer als die Dauer eines Gespräches. Mit the current debate (about inflation) oder the ongoing conversation (about inflation) wird nicht autodeiktisch auf den gerade zwischen zwei oder mehr Gesprächspartnern ablaufenden Diskurs verwiesen, sondern auf den gesellschaftlichen Diskurs, dessen Ausdehnung (und Grenzen) selbstverständlich ganz anders zu bestimmen sind. Posteriorität wird schließlich mit future oder prospective ausgedrückt, aber auch hier scheint die diskursdeiktische Verwendung unangemessen.

19

letzterem ist die temporale Lokalisierung auf eine vorangegangene Zeitspezifikation angewiesen, bei ersterem nicht unbedingt. Die temporale Bedeutung, allerdings nicht die deiktische bzw. anaphorische Qualität, von nominalen Ausdrücken bei Kennzeichnungen für (temporäre) soziale Rollen ist auch schon Jespersen (1924, 182) aufgefallen. Jespersen (1924, 136) weist in anderem Zusammenhang auf "nouns of action", die er "nexus words" tauft, hin, auf deren temporalen Charakter und insbesondere auf die Lokalisation nominal bezeichneter Situationstypen geht er aber nicht ein. The former und the latter können auch in nominalisierter Form auftreten, wobei dann die Metakommunikativität außerhalb der Nominalphrase ausgedrückt werden müßte (siehe Kap. 6.6). Aber auch dann können sie nur anaphorisch sein. Man kann zwar den Fall konstruieren, wo sie nicht mit Nominalphrasen verknüpft sind, etwa in John has apologized for his lapse and promised to improve. The former was sincere, the latter not, aber selbst wenn man das für akzeptabel hält, handelt es sich lediglich um Ereignisanaphora. Das gleiche gilt im übrigen auch fur the first und the second. Im Deutschen kann man die Ordnungsrelation auch mit dieser/jener ausdrücken, was im Englischen nicht möglich ist.

217 Auf den ersten Blick könnte man meinen, daß preceding und following in Filimores diskursdeiktischer Formel ebenfalls deiktische Adjektive wären. 20 Ohne Kenntnis eines zeitlichen Relatums ist die mit the preceding/the following Η bezeichnete temporale Einheit auch tatsächlich nicht zu identifizieren. Dieses Relatum muß jedoch nicht unbedingt die Äußerungszeit sein. Erfolgt der Sprung auf die metakommunikative Ebene im Rahmen der ablaufenden Äußerung wie in (9), ist das Relatum auch tatsächlich die temporale Origo, also TU. Ist allerdings der Ebenensprung schon in einem vorangehenden Satz erfolgt wie in (10), haben wir es mit einem anaphorischen Relatum zu tun, das im Rahmen der üblichen TT-Bewegung zu sehen ist (siehe Kap. 6.5.2).21 In (10) ist deshalb das mit the following utterance/ sentence lokalisierte Diskursereignis nicht nach TU anzusetzen. (9) (10)

The following utterance/sentence is a promise. I will be there. A minute ago, I asked whether you had time. But you declined the following invitation.

Zu preceding und following kommen noch etliche andere Adjektive hinzu, 22 die ebenfalls zwar nicht zwangsläufig ein deiktisches Relatum haben, die aber diskursdeiktisch verwendet werden können. Neben preceding wäre bei den anterioren etwa last, previous, earlier oder (unter stilistischen Einschränkungen) prior, zu nennen, bei den posterioren neben following vor allem next.23 In schriftlichen Texten sind auch die formaleren Adjektive subsequent oder succeeding möglich. Zum Ausdruck von Simultaneität steht uns im Rahmen der Diskursdeixis kein Adjektiv zur Verfügung. Adjektive wie concurrent, contemporary, simultaneous sind offenbar nicht zum selbstreflexiven Gebrauch geeignet. Simultaneität muß also mit this Η oder anderen Möglichkeiten ausgedrückt werden. 20

21

22

23

Man könnte sie natürlich auch aus formalen Gründen gar nicht zu den Adjektiven zählen. Ob man sie als Adjektive oder als Partizipien betrachtet, spielt hier aber keine Rolle. Wir wollen sie deshalb mit anderen Adjektiven (deren Status eindeutig ist), die zeitliche Ordnungsrelationen ausdrücken, behandeln. Ähnlich listen auch Quirk et al. (1985, 1452) following und preceding als Adjektive, die ein "temporal ordering" involvieren, auf. Auf unterschiedliche Relata gehen sie nicht ein. Ein anaphorisches Relatum bedeutet aber, wie wir in Kap. 5.5.2 gesehen haben, nicht zwangsläufig, daß keine Diskursdeixis vorliegt, da die deiktische Komponente ja in anderen Ausdrücken vorhanden sein kann. Preceding und following haben aber doch gewissermaßen eine Sonderstellung. Sie können auch selbst als Head, d.h. ohne metakommunikatives Nomen, diskursdeiktisch verwendet werden. Dies gilt allerdings nur, falls die Metakommunikativität anderswo im Satz ausgedrückt wird. Diese Nominalisierungen entsprechen dann etwa dem pronominalen this, das die Rolle von the preceding und the following übernehmen kann, und that, das nur the preceding entsprechen kann. Siehe Kap. 6.6. Coming kann zwar ebenfalls deiktisch in bezug auf Ereignisse verwendet werden. Allerdings scheint auch hier die ausgedrückte Distanz zum Relatum zu groß zu sein, als daß es für kommunikative Ereignisse im ablaufenden Gespräch in Frage käme.

218

6.4.2 Nomen Neben der Prämodifikation mit deiktischen Adjektiven wäre auch Prämodifikation auf der Grundlage deiktischer Nomen denkbar. Deiktische Nomen gibt es jedoch nicht.24 Was es allerdings gibt, sind Nomen, die Zeiteinheiten bezeichnen. Diese Nomen hatten wir im Rahmen der Diskussion deiktischer Adverbiale schon erwähnt (Kap. 6.5.1.1). Sie bezeichnen vor allem kalendarische Einheiten und sind isoliert gesehen selbst an keinem zeitlichen Relatum orientiert. Dementsprechend tragen sie auch nicht zur temporalen Lokalisation bei. So weiß man bei the afternoon lecture lediglich, daß die Vorlesung an einem Nachmittag stattfindet, aber wann das Ereignis in Relation zum Äußerungszeitpunkt stattfindet, ist nicht ausgesagt. Selbst this afternoon lecture steht nicht in direkter Relation zur Äußerungszeit, denn hier handelt es sich eindeutig um einen anaphorischen Ausdruck. Die Situationszeit läßt sich nur aus dem Kontext erschließen, und ein Sprung auf die metakommunikative Ebene findet ebenfalls nicht statt. Erst in Verbindung mit dem Genitiv ist Diskursdeixis möglich. 25 This afternoon 's lecture ist nämlich in Relation zum deiktischen Relatum lokalisiert. Diskursdeiktisch ist der Ausdruck natürlich nur dann gebraucht, wenn die Vorlesung zum Äußerungszeitpunkt noch andauert. 26 Die gleiche Bedingung muß auch bei this week's, today's, this morning's, this evening's, und (weniger idiomatisch) this hour's, this minutes's lecture erfüllt sein,27 damit der gesamte nominale Ausdruck diskursdeiktisch referieren kann. Mit Nomen, die ganze Diskurstypen bezeichnen, wie lecture, debate, talk, conversation etc. liegt bei derart ausgedrückter Diskursdeixis das deiktische Relatum in der Situationszeit. Bei punktuellen Situationstypen handelt es sich um Heterodeixis. Selbst bei this moment's promise kann das Versprechen nicht im gleichen Satz gegeben werden. Bei Nomen, die durative Diskurssituationstypen bezeichnen, welche in der Regel nicht den ganzen Diskurs einnehmen wie explanation, report oder description, ist eine autodeiktische sowie heterodeiktische Interpretation möglich. Dabei kommt es darauf an, ob die Situation länger dauert als die Zeiteinheit. Dauert sie länger als die 24

25

26

27

Es sei denn, man betrachtet today, yesterday oder tomorrow als Nomen. Diese lassen sich aber offensichtlich nicht von einem Artikel determinieren, dem üblichen Test fur Nomen. Letztlich handelt es sich dabei ja jeweils um eine lexikalische Zusammensetzung eines deiktisch bzw. anaphorischen Elementes, this/last/next, und einem Nomen, das eine Zeiteinheit bezeichnet. Streng genommen, handelt es sich im übrigen auch gar nicht um Prämodifikation, denn der Genitiv hat determinative Funktion (vgl. Quirk et al. 1985, 1336). Da jedoch deiktische Nomen involviert sind, soll diese Konstruktion dennoch hier besprochen werden. Dies geht einerseits aus dem Diskurswissen hervor, wird aber andererseits auch mit den üblichen temporalen Ausdrücken vermittelt. Bei this talk muß der Satz etwa im Present Tense vorkommen. Aus pragmatischen Gründen scheinen größere Zeiteinheiten kaum gebraucht werden zu können, da vorausgesetzt wird, daß nur ein einzelnes Ereignis des bezeichneten Typs in dem betreffenden Zeitraum vorkommt. Kleinere Zeiteinheiten sind mit lang andauernden Ereignissen nicht kompatibel, da das Ereignis offenbar in dem betreffenden Zeitraum liegt.

219 Einheit (this moment's explanation), fällt die Äußerungszeit zwangsläufig in die Situationszeit. Ist die Situation kürzer als die Einheit, ist nur ausgesagt, daß sie in die Einheit fällt. Ob sie mit der Äußerungszeit assoziiert ist, ist eine Frage des Diskurswissens und der weiteren temporalen Ausdrücke im restlichen Satz. So drückt etwa das Präsens die Assoziierung mit der Äußerungszeit aus, das Past dagegen Anteriorität (this afternoon 's explanation is quite weird vs. this afternoon's explanation was quite weird). Letztlich fungieren die genitivischen Zeitangaben wie Rahmen (analog zu Rahmenadverbialen), in die die Situationszeit hineinfällt. Das sieht man besonders deutlich bei den heterodeiktischen Ausdrücken, die mit next oder last gebildet werden. Bei last moment's promise, last minute's promise oder last hour's promise und ebenso next moment's promise, next minute's promise oder next hour's promise28 liegt die Situationszeit vom deiktischen Relatum aus gesehen eben in der nächsten oder letzten Zeiteinheit. Die genaue Position innerhalb der Zeiteinheit geht aus dem Ausdruck nicht hervor, was besonders bei umfangreichen Rahmen deutlich wird. Sie kann allenfalls aus dem Diskurswissen bekannt sein. Die durch den Modifier spezifizierte Situationszeit ist im übrigen prinzipiell unabhängig von der im Gesamtsatz ausgedrückten. Dies macht folgendes Beispiel deutlich: (11)

I will explain last moment's Statement immediately.

Die genitivischen Zeitangaben können also gewissermaßen parallel zu Temporaladverbialen gesehen werden, wobei allerdings bei Modifikation im Rahmen der Nominalphrase immer die Situationszeit spezifiziert wird. Das gleiche trifft im Grunde auch auf die vorher bespochenen Modifikationstypen sowie auf Modifier in postmodifizierender Position zu. Auf diese soll nun eingegangen werden.

28

Größere Zeiteinheiten, etwa ein Tag, werden diskursdeiktisch wohl kaum verwendet, da ein zusammenhängendes Gespräch kaum so lange dauert. Als temporaldeiktischer Ausdruck ist z.B. yesterday's lecture jedoch durchaus möglich.

220 6.5 Deiktische Postmodifikation

Auch im Rahmen der Postmodifikation kann ein deiktisches Element an der Modifikation des Head beteiligt sein. Quirk et al. (1985, 1274) fuhren in ihren Beispielen für Postmodifikation durch Präpositionalphrasen sogar eines, nämlich the house beyond the church, auf, das innerhalb der lokalen Dimension operiert, so daß für dessen Verständnis im Normalfall ein lokaldeiktisches Relatum vorausgesetzt werden würde. 29 Bei Heads, die eine temporale Entität bezeichnen, kann das postmodifizierende Element durchaus auch (temporal-) positionierende Funktion haben. Im Rahmen diskursdeiktischer Nominalphrasen spezifiziert der Postmodifier dann die Situationszeit des vom Head bezeichneten kommunikativen Ereignisses, das in den ablaufenden Gesamtdiskurs fällt. Die Spezifizierung der Situationszeit basiert dabei im Grunde auf den gleichen Ausdrücken, wie wir sie bei den Temporaladverbialen zur Spezifizierung der Zeitparameter gesehen haben. 30 Selbst wenn wir zunächst diejenigen mit clauseStatus erneut ausklammern, sind die postmodifizierenden Ausdrücke syntaktisch unterschiedlich zu kategorisieren und können auch in ihrer Komplexität variieren. Es kann sich um Adverbien wie in my report afterwards, um Präposititionalphrasen wie my report in a few minutes oder um nominale Postmodifikation wie in my report this afternoon handeln. 31 Da ihre positionierende Funktion aber die gleiche ist, können wir die Kategorisierungsprobleme vernachlässigen und sie gemeinsam behandeln.

29

30

31

Das lokale Relatum kann allerdings auch nicht situativ, sondern im Vorgängertext konstituiert sein. Es handelt sich dann um lokale Anaphora und wäre dann das, was Ehrich (1992, 24ff.) in Abweichung von (nicht nur) unserer Terminologie positionale Diskursdeixis nennt. Die Temporaladverbiale im Satz sind allerdings nicht auf den Zeitparameter Tsit beschränkt. Innerhalb der (infiniten) Nominalphrase scheint jedoch kein weiterer Zeitparameter ausgedrückt werden zu können, was aber nicht bedeutet, daß im weiteren Kontext nicht ein zeitliches Relatum im Sinne einer TT aufgebaut sein kann, wie wir in Kap. 6.4.1 schon gezeigt haben. Nominale Postmodifikation gibt es nach Quirk et al. (1985) nicht. Sie müßten solche temporalen Ausdrücke wohl den Präpositionalphrasen zurechnen, bei denen abstruserweise die Präposition selbst weggefallen ist. In ihrem Kapitel zu Präpositionalphrasen sprechen sie im Zusammenhang mit solchen deiktischen Ausdrücken in der Tat von "absence of preposition in point of time expressions" (S. 692). Die Möglichkeit adverbialer Postmodifikation, bei deren Besprechung sie Temporaladverbiale ohnehin ausklammern, ist für sie ohnehin nur ein "minor type of postmodification" (S. 1293). In ihrem Kapitel zu Adverbien sprechen sie aber doch von "postmodifying time adverbs" (S. 453).

221

6.5.1 Non-clausal

Postmodiflcation

Die postmodifizierenden temporalen Ausdrücke haben nicht nur dieselbe Form wie Temporaladverbiale, sondern auch deren positionierende Funktion. 32 Sie positionieren die Situation von einem Relatum aus. Dieses Relatum kann, wie schon bei den TADV-P aufgezeigt wurde, deiktisch, anaphorisch oder invariabel sein. My report in a few minutes hat ein situativ-deiktisches Relatum, my report after the explanation (afterwards) hat eine Antezedenssituation zum Relatum, und my report at four (o 'clock on the third of January 1996) ist von variablen Relata unabhängig, da an unserer Zeitrechnung orientiert. Alle drei Ausdrücke können sich jedoch auf dieselbe Zeit und somit auf denselben Bericht beziehen. Anders als bei Temporaladverbialen im Satz, wo die Situationslokalisierung komplexer war und durch das Tempus dennoch auf einer deiktischen Relation beruhte, liegt bei der postmodifizierenden invariablen und anaphorischen Zeitangabe jedoch keine Diskursdeixis vor. 33 Die Ausdrücke fur deiktische TADV-P können aber weitgehend auch als Postmodifier in einer metakommunikativen Nominalphrase fungieren, die unter der Bedingung, daß die spezifizierte Situationszeit in das Gespräch fällt, dann auch diskursdeiktisch ist. Allerdings hat es den Anschein, daß Orientierungsadverbien nicht als Postmodifier verwendet werden können. Wir hatten gesehen, daß die unmittelbaren und peripheren posterioren Orientierungsadverbien immediately/at once und soon in ihrer Funktion als TADV-P im Rahmen von Diskursdeixis vorkommen können. My report immediately/at once/soon klingt aber fragwürdig, sobald es nicht möglich ist, die Adverbien nicht auf den ganzen Satz zu beziehen (wie es etwa in my report immediately gives me a headache möglich wäre). Dies wird deutlich, wenn man ein Beispiel konstruiert, bei dem der Satzbezug dieser Adverbien durch andere temporale Ausdrücke (insbesondere Tempusrestriktionen) ausgeschlossen ist. (12) ist nicht akzeptabel. In (13) steht dagegen ein sonst als Rahmenadverbial gebrauchter Ausdruck (in a few minutes) in postmodifizierender Position, und dann ist der Satz akzeptabel. (12) (13)

*My report immediately/soon has been expected for some time My report in a few minutes has been expected for some time

Ähnlich kann das anteriore just nicht postmodifizierend verwendet werden. Der Ausschluß einiger Orientierungsadverbien bedeutet aber nicht, daß Orientierungsadverbien generell nicht in postmodifizierender Position vorkommen können, denn (14) und (15) sind möglich.

32

33

Im übrigen gibt es auch postmodifizierende durative Zeitangaben, etwa our stay overnight oder our trip for two days. Dies gilt selbst dann, wenn ein Ebenensprung auf die metakommunikative Ebene erfolgt ist. Es handelt sich dann einfach um Metakommunikation.

222

(14) (15)

My report later on has been expected for some time My report now has been expected for some time

Bei Postmodifikation mit dem Simultaneität ausdrückenden now muß jedoch erneut darauf hingewiesen werden, daß punktuelle Situationstypen (etwa in my promise now) nur eine heterodeiktische Interpretation, bei der die Situationszeit in unmittelbarer Nachbarschaft zur Äußerungszeit liegt, erlauben.34 Wir haben ja schon bei den Genitiv-Konstruktionen gesehen, daß Ausdrücke, die einen an kalendarischen Einheiten (oder auch vageren Einheiten wie moment oder while) orientierten Zeitrahmen spezifizieren, ohne größere Probleme innerhalb diskursdeiktischer Nominalphrasen gebraucht werden können. Das gilt auch in postmodifizierender Position. Dabei können die gleichen Ausdrücke (natürlich ohne Kasusmarkierung) gebraucht werden. This afternoon's lecture wäre äquivalent mit the lecture this afternoon oder last/next moment's promise mit the promise last/next moment. Da keine Präposition vorhanden ist, handelt es sich aber offenbar nicht um eine mit der Genitiv-Konstruktion äquivalente (»/-Konstruktion (vgl. Quirk et al. 1985, 1275ff.). In postmodifizierender Funktion können darüber hinaus noch Rahmenangaben in Form von Präpositionalphrasen (siehe Kap. 6.5.1) wie in (13) oder nach dem Muster χ units ago wie in the report a while ago vorkommen. 35 Auch hier ist eine korrespondierende Genitiv-Konstruktion normalerweise nicht möglich. In bestimmten Fällen kann das anteriore χ units ago aber mit of angeschlossen werden. So würde man etwa einerseits sagen your report some minutes ago oder your promise a moment ago, andererseits wäre your report of two days ago oder your promise of an hour ago eher gebräuchlich. 36 Offenbar hängt der Gebrauch von of mit der Distanz zur Äußerungszeit und der Dauer des Situationstyps zusammen. Bei kurzen und relativ weit von der Origo anzusiedelnden Situationen steht die o/-Konstruktion. Bis zur Äußerungszeit könnten nämlich dort mehrere Situationen dieses Typs vorkommen und die Situation, auf die der Sprecher referiert, ist genau diejenige, die in den Rahmen der Zeitangabe fällt. In jedem Fall liegt Diskursdeixis vor, denn es wird mit Rückgriff auf die Äußerungszeit und eines deiktischen Ausdrucks auf eine Diskurssituation referiert. Im folgenden soll nun kurz darauf eingegangen werden, inwieweit dies auch bei Postmodifikatoren mit clause-Status möglich ist. 34

35

36

In (15) könnte man noch einwenden, daß dort now als TADV-P fungiert. Dies kann aber mit Sicherheit nicht im folgenden Beispiel der Fall sein: My report now was actually expected an hour ago. Quirk et al. (1985, 688) sprechen bei ago von einem postposed adverb. Es scheint, daß Ausdrücke mit diesem postposed adverb sich aber im wesentlichen wie Präpositionalphrasen verhalten. Die Intuitionen, vor allem wohl wegen der Schwierigkeit, die postmodifizierenden Zeitangaben von den Satzadverbialen zu trennen, sind nicht immer eindeutig. Jedenfalls hat sowohl ein amerikanischer als auch ein britischer Informant diese Gebrauchsweise bestätigt. Im übrigen ist natürlich das Beispiel your report of two days ago nicht diskursdeiktisch, es wurde der Klarheit willen ausgewählt, denn bei kleineren Zeiteinheiten fällt der Unterschied bei report als Head weg.

223

6.5.2 Clausal

Postmodification

In Kap. 5 hatten wir festgestellt, daß in finiten Sätzen zwangsläufig ein deiktisches Element enthalten ist. Das gilt natürlich auch fiir finite Nebensätze, so daß wir auch bei Postmodifikation durch einen Relativsatz von mindestens einem temporaldeiktischen Element ausgehen können. Eine vom Head bezeichnete temporale Entität, wird dabei auch temporal näher bestimmt, wie the promise that I made und the promise that I will make deutlich machen. Der deiktische Lokalisationsprozeß läuft dabei anhand der besprochenen Kategorien, also Tempus, Aspekt sowie, falls vorhanden, Temporaladverbialen ab, und braucht nicht weiter diskutiert zu werden. Bei infiniter Postmodifikation durch eine Partizipialkonstruktion bleiben dagegen die Tempus- und Aspektkategorien offen, bzw. richten sich nach dem Hauptsatz (vgl. Quirk et al. 1985, 1263ff.). Deshalb trägt der Postmodifier in der Regel auch nicht zur temporalen Lokalisation bei. Nur wenn er selbst ein TADV-P enthält, kann ein Zeitparameter spezifiziert werden. Ein TADV-P spezifiziert dann die Situationszeit des vom Head bezeichneten kommunikativen Ereignisses, und diese Situationszeit ist unabhängig von der im Hauptsatz, wie etwa (16) deutlich macht. (16)

The explanation given five minutes ago will be discussed soon.

Der Lokalisationsprozeß läuft dabei im Grunde so ab wie bei der Postmodifikation mit Zeitangaben allein. Allerdings haben wir hier nicht die Beschränkungen hinsichtlich der temporaldeiktischen Ausdrücke, die verwendet werden können. Es können im Grunde alle Zeitadverbiale, die auch im finiten Satz diskursdeiktisch verwendet werden können, vorkommen, also auch die Orientierungsadverbien immediately, at once, soon oder just,37 So ist the explanation just given akzeptabel, während es *the explanation just nicht ist (siehe auch Kap. 5.5.1.1.2) Die Lokalisation der vom Head bezeichneten Diskurssituation läuft auch in postmodifizierenden Nebensatzkonstruktionen nach bekannten Mustern ab,38 und wir wollen die Diskussion der verschiedenen Modifikationstypen an dieser Stelle be-

37

38

Recently und formerly waren ja ohnehin von den Ausdrücken, die im Rahmen von Diskursdeixis vorkommen können, ausgeschlossen worden, da sie eine zu große (relative) Entfernung ausdrücken. Siehe Kap. 5.5.1.1. Es ist nicht notwendig, die verschiedenen postmodifizierenden infiniten Nebensatzkonstruktionen getrennt zu diskutieren, da die uns interessierenden Lokalisationsprozesse im wesentlichen gleich sind. Im Rahmen der Diskursdeixis ist am häufigsten die Postmodifikation mit erf-Partizip zu finden. Die vom Nomen bezeichnete Diskurssituation, das implizite Subjekt, wird dann näher bestimmt. Durch ihren passivischen Charakter lassen sich ein oder mehrere Diskursbeteiligte dann leicht als (impliziter) Aktant vorstellen. Die /«^-Partizipialkonstruktion ist kaum diskursdeiktisch gebraucht, da hier das implizite Subjekt, also das Diskursereignis, selbst wieder aktiv sein muß. Möglich ist auch noch die Infinitivkonstruktion, wobei hier noch eine modale und aspektuelle Komponente hinzukommen kann (vgl. Quirk et al. 1985, 1269).

224 enden. Abschließend soll jedoch noch der Fall nominaler Diskursdeixis besprochen werden, in dem ein Pronomen die Funktion des Head übernimmt.

6.6 D e i k t i s c h e P r o n o m e n

Zum Abschluß wollen wir pronominale Diskursdeixis behandeln. Wir rechnen die Ausdrücke, auf denen sie basiert, zu den nominalen Ausdrücken, denn sie fungieren, syntaktisch gesehen, als Head (ohne weitere Modifikation) einer Nominalphrase mit impliziter definiter Determination. Die am häufigsten deiktisch gebrauchten Pronomen sind wohl die Personalpronomen der 1. und 2. Person. Mit ihnen wird aber ausschließlich auf Personen referiert (siehe Kap. 2.3.3), so daß sie in der Diskursdeixis keine Rolle spielen, da dort ja eine temporale Entität als Referenzobjekt vorausgesetzt wird. Lediglich das unpersönliche it der dritten Person kann sich auch auf ein Ereignis beziehen, 39 so daß wir darauf zurückkommen müssen. Prädestiniert fur den diskursdeiktischen pronominalen Gebrauch müßten allerdings die Demonstrativa this und that sein. Sie lassen sich bezüglich der Proximitätskategorie unterscheiden (vgl. Lyons 1977, 646) und können auch in pronominaler Funktion nicht nur auf physikalische, sondern auch auf temporale Entitäten referieren. 40 Allerdings ist die Trennlinie von pronominaler Diskursdeixis und Anaphora nicht so leicht zu ziehen wie bei den anderen Formen nominaler Diskursdeixis. Dies liegt daran, daß hier das metakommunikative Element nicht im Head der Nominalphrase zum Ausdruck kommen kann. Zur Abgrenzung von anaphorischer Referenz muß jedoch ein Sprung auf die metakommunikative Ebene erfolgen, und der muß j a auch durch einen Ausdruck angezeigt sein. Pronominale Diskursdeixis ist deshalb letztlich auf einen kommunikativen Ausdruck im restlichen Satz angewiesen. Betrachtet man sich die Beispiele für pronominale Diskursdeixis in der Literatur (pronominale Diskursdeixis ist ohnehin der am ausführlichsten diskutierte Fall), läßt sich in der Tat immer ein solcher Ausdruck finden. Fillmore fuhrt etwa This is my explanation (Fillmore 1975, 71) oder This has been a brilliant lecture (Fillmore 1972, 157) als

39

Lyons (1977, 651) behandelt es (nicht nur aus traditioneller grammatischer Sicht) auch aus semantischer Sicht dennoch als Personalpronomen. Es ist lediglich deiktisch neutral, sowohl was die Proximitätskategorie als auch die Geschlechtskategorie angeht, denn es drückt aus, daß das Referenzobjekt weder nah noch fern noch männlich oder weiblich ist.

40

A u f eine Person kann mit this und that überhaupt nicht (außer mit dem Zusatz von one) referiert werden. Meist wird aber nur auf die lokaldeiktische Funktion von this und that hingewiesen (vgl. Lyons, 1977, 6 4 7 ff.), denn bei physikalischen Entitäten als Referenzobjekt handelt es sich auch im wörtlichen Sinne um Lokalisation, die auch in Verbindung mit Zeiggesten zu bringen ist. Siehe Kap. 2.3.1

225 Beispiele für Diskursdeixis an, ohne dabei die Notwendigkeit des ein kommunikatives Ereignis bezeichnenden Nomens zu bemerken. Er weist aber darauf hin, daß die Wahl des Demonstrativpronomens doch auch vom restlichen Satz beeinflußt ist, denn "there appear to be tense restrictions of some sort associated with the use of 'this' as opposed to 'that' in backward pointing discourse deixis" (Fillmore 1975, 71). Er meint nämlich, daß That has been a brilliant lecture weniger akzeptabel sei als der gleiche Satz mit this. Diese Beobachtung ist auch richtig und hängt letztlich mit der Proximität von this einerseits und dem Tempus andererseits zusammen. This kann lediglich, wie wir schon in der Funktion als deiktischer Determiner gesehen haben, verwendet werden, wenn das betreffende Diskursereignis zur Äußerungszeit noch andauert oder in unmittelbarer Nachbarschaft dazu steht. Beim Present Tense (und Present Perfect) als situativem Tempus ist dies problemlos möglich. Daß that hier nicht völlig inakzeptabel erscheint, hat wohl damit zu tun, daß es in manchen Fällen auch neutral bezüglich der Proximitätskategorie verwendet werden kann, wie Lyons (1977, 647) generell feststellt. Deshalb kann es auch in That was a brilliant lecture oder That was a brilliant explanation vorkommen. Hierzu ist allerdings zu bemerken, daß diese Sätze nur nach der jeweiligen Situation geäußert werden können, also nicht autodeiktisch zu verstehen sind.41 Entscheidend ist jedoch auch, daß keine anderen kommunikativen Ereignisse zwischen der Situation und der Äußerung liegen dürfen. Auf diese Weise ist die Situationszeit durch das situativ-deiktische that (oder this, das ebenfalls möglich wäre) gegeben. Auf die explizite Einfuhrung oder Übernahme einer Topic Time, wie sie beim Past Tense sonst zur Lokalisierung der Situationszeit vorausgesetzt wird, kann daher verzichtet werden. Nach einem Intervall sonstiger (kommunikativer) Ereignisse muß allerdings nicht nur der Ebenensprung angezeigt werden, sondern auch eine Topic Time etabliert werden. 42 That was a brilliant explanation ist schon kurze Zeit nach der Erklärung nicht mehr akzeptabel, weil die temporale Lokalisierung unzureichend ist. Möglich ist es allenfalls in anaphorischer Ver41

42

Problematisch ist das Zec/i/re-Beispiel, das von Fillmore (1975, 71) übernommen ist, insofern, als man hier behaupten könnte, die Situation sei nicht im ablaufenden Diskurs, da die Vorlesung schon beendet sei. Entscheidend scheint aber zu sein, daß die Kopräsenz der Beteiligten im Grunde aufrechterhalten ist, und somit auch die kommunikativen Ereignisse im Anschluß an den Vortrag i.e.S. zum kommunikativen Gesamtereignis, dem Diskurs, gerechnet werden (siehe Kap. 4.1.1). That was a brilliant lecture wäre allerdings ohne TADV-P, etwa this morning, vorstellbar, sozusagen weil die das Diskursereignis als Ganzes noch nachwirkt. Dabei handelt es sich aber nicht mehr um Diskursdeixis, da das Ereignis außerhalb des ablaufenden Diskurses liegt. Daß der szenisch-situative Rahmen in Ausnahmefällen die Referenz an sich referenzvariabler Ausdrücke vereindeutigen kann, ohne daß eigentlich auf ein deiktisches oder anaphorisches Relatum zurückgegriffen wird, zeigt Lyons (1977, 672) an einer Kondolenzszene. Sein Beispiel lautet: / was terribly upset to hear the news. I only saw her last week. Hier wird her gleichsam szenisch ins Diskursuniversum eingeführt.

226 wendung. Dann muß jedoch der Ebenensprung und eine Topic Time aus dem vorausgehenden Satz hervorgehen. Dies ist etwa in (17) der Fall, wo Α schon diskursdeiktisch referiert und somit das von Β aufgegriffene Diskursereignis vorher in das Diskursuniversum eingeführt wurde. (17)

A: A few minutes ago, John explained the new programme B: That was a brilliant explanation, but...

Anaphorisches this wäre im übrigen bei (17) kaum möglich. Filimores Beobachtung, daß primär that mit dem Past Tense kompatibel wäre, trifft also bezüglich der Anaphora zu. Allerdings wäre in (17) auch anaphorisches it möglich, das hier wie that im Rahmen von Ereignisanaphora gebraucht wäre. Dabei referiert das Anaphorikon auf das Ereignis, auf das der ganze Vorgängersatz referiert. Aus substitutionstheoretischer Sicht handelt es sich bei that oder it nicht um ein Pronomen, sondern eher um einen "pro-clause" (Quirk et al. 1985, 868), wobei der Satz unmittelbar vorausgehen muß.43 Im Rahmen von Diskursdeixis können this und that nur auf Ereignisse referieren, die in unmittelbarer Nachbarschaft konstituiert werden, also nicht auf Ereignisse, auf die lediglich in unmittelbarer Nachbarschaft selbst referiert wird. Die Verwendung des Present Tense (meist in Verbindung mit Perfekt-Aspekt) mit this dürfte dabei wohl am gebräuchlichsten sein.44 This kann im Gegensatz zu that auch im Hinblick auf ein posteriores Ereignis vorkommen. This is my explanation kann nämlich, wie Fillmore (1975, 71) ebenfalls schon richtig bemerkt, auch im Sinne einer Ankündigung einer Erklärung verwendet werden.45 Dies gilt besonders für punktuelle Ereignistypen, bei denen ja eine autodeiktische Interpretation von this nicht möglich ist. Auch hier muß aber das kommunikative Ereignis in unmittelbarer Nachbarschaft zur diskursdeiktischen Äußerung stehen, ihr also im direkten Anschluß folgen, wie etwa in This is a promise. I will be there on time. Während Fillmore solche Fälle eindeutig zur Diskursdeixis zählt, diskutiert Lyons (1977, 668) einen ähnlichen Fall pronominaler Deixis unter dem Stichwort impure

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Es kann sich dabei auch um eine Reihe zusammenhängender Sätze handeln, die zusammen ein Gesamtereignis beschreiben. So handelt es sich auch in folgendem Beispiel mit it um Ereignisanaphora. This morning, John talked about Bühler. He said that he was a psychologist. He then explained his sign theory and compared it to related theories. It was a brilliant lecture. Krenn (1985) findet für this und that in initialer Stellung (bei einer wie auch immer gearteten Durchsicht des Corpus of English Conversation) keine Unterschiede. Sie lehnt aber auch die Unterscheidung von Anaphora und Diskursdeixis ab und spricht allgemein von erweiterten Verweisen. Es entspricht dann the following, während that lediglich mit the preceding korrespondiert. Siehe Kap. 6.4.1, besonders Fußnote 22.

227 textual deixis, wobei diese "somewhere between anaphora and deixis" läge.46 Sein Beispiel lautet: (X says) I've never even seen him (and Y responds) That's a lie. Lyons' Unentschiedenheit rührt offenbar daher, daß er nicht sehen kann, daß es sich um eine temporale Entität handelt, auf die hier referiert wird, und daß gleichzeitig ein Sprung auf die metakommunikative Ebene stattfindet. 47 Lyons (1977, 668) sieht zwar, daß keine echte Referenzidentität zwischen dem Referenzobjekt von that und dem eines (nominalen) Vorgängerausdrucks besteht, ist sich aber unklar über den Status des Referenzobjektes von that. "Some philosophers might say that it [= 'that'] refers to the proposition expressed by the sentence uttered by X; others that it refers to the utterance act, or speech act, performed by X." Es ist aber gerade entscheidend, diese Unterscheidung zu treffen. Propositionen sind, wie er an anderer Stelle selbst feststellt (Lyons 1977, 686), third order entities und als solche nicht deiktisch lokalisierbar. Sie können aber, wenn sie einmal ausgedrückt sind, anaphorisch wieder aufgegriffen werden. Einen solchen Fall könnte man leicht mit einem Verb der propositionalen Einstellung konstruieren, etwa (Xsays) I've never even seen him (and Yresponds) I know that. Man kann dann von Propositionsanaphora sprechen, weil das Pronomen auf die identische Proposition referiert. In Lyons' Beispiel wird aber in der Tat auf einen Sprechakt, nämlich eine Lüge, referiert, und der ist wie jedes (Diskurs-) Ereignis eine temporale Entität. Diese wird durch that als in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum deiktisch-situativen Relatum lokalisiert. Da von diesem Ereignis aber vorher nicht schon die Rede war, kann es sich auch nicht um Ereignisanaphora wie etwa in (17) handeln. Vielmehr hat das Ereignis stattgefunden (zumindest wird dies präsupponiert) und muß neu in das Diskursuniversum eingeführt werden. Dazu muß von der bisherigen Objektebene auf die kommunikative Ebene gesprungen werden, und dieser Sprung ist für den Adressaten nur nachzuvollziehen, weil ein ein kommunikatives Ereignis bezeichnender Ausdruck, in diesem Fall lie, im Satz verwendet wird.

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Levinson (1983, 87) übernimmt hier Lyons' Beispiel und offenbar auch dessen Konzeption der 'Unreinheit', obwohl er sonst eher Filimores temporalem Standpunkt und auch dessen Definition von Diskursdeixis nahesteht. Letzteres sieht im übrigen auch Fillmore (1975 70ff. und 1971, 1971, 156ff.) nicht, und es ist deshalb kein Zufall, daß er Beispiele von Ereignisanaphora und Diskursdeixis in einem Atemzug nennt, ohne eine klare Unterscheidung zu treffen.

228 6.7 Fazit

Wir haben in diesem Kapitel nominale diskursdeiktische Ausdrücke untersucht, zu denen wir auch die Pronomen gezählt haben. Wenn man sich die nicht besonders umfangreiche Literatur zur Diskursdeixis anschaut, scheinen die Demonstrativa die geradezu klassischen diskursdeiktischen Pronomen zu sein. Man hat beinahe den Eindruck, sie seien die einzigen diskursdeiktischen Ausdrücke. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Diskursdeixis wird ja, wie erwähnt, vor allem hinsichtlich der Frage der Abgrenzung von Diskursdeixis und Anaphora diskutiert, und Pronomen sind referenzvariable Ausdrücke, bei denen diese Abgrenzungsproblematik besonders deutlich zu Tage tritt. Wir sind damit auf die am Anfang dieser Arbeit dargestellte Auseinandersetzung um den Deixis- und Anaphorabegriff zurückgekommen. Die Unterscheidung zwischen Diskursdeixis und Anaphora läßt sich jedoch leicht treffen, wenn man konsequent berücksichtigt, daß es sich bei Diskursdeixis um temporaldeiktische Referenz handelt, die auch eine Metaierung, den Übergang auf die kommunikative Ebene, beinhaltet. Schließlich soll aber nochmals betont werden, daß Pronomen nicht die einzigen potentiell diskursdeiktischen Ausdrücke sind. Im Gegenteil, sie sind wohl eher die Ausnahme. Wir haben ja gesehen, daß im Grunde alle sprachlichen Mittel, die zum Ausdruck temporaldeiktischer Relationen eingesetzt werden, auch in diskursdeiktischer Verwendung vorkommen können, solange in demselben Satz auch das metakommunikative Element deutlich wird.

7 Schlußbemerkungen

Zum Abschluß dieser Arbeit werden ihre Ergebnisse in einem kurzen Überblick zusammengefaßt.1 Darüber hinaus sollen einige über die Arbeit hinausführende Bemerkungen zu Themen und Methoden der Diskursdeixisforschung gemacht werden. Im ersten Kapitel wird die historische Entwicklung des Deixis- und des Anaphorabegriffs nachgezeichnet. Dabei stellt sich heraus, daß Bühler, der die beiden Begriffe nicht als Gegensatzpaar betrachtet, sondern die Anaphora als eine Form der Deixis, zumindest insofern bereits Vorgänger hatte, als schon früher Anaphora sowie Deixis über die Aufmerksamkeitssteuerung erklärt wurden und die Anaphora damit nicht unbedingt an das Substitutionskonzept gebunden gewesen ist. Bühler verfolgt diesen Gedanken weiter, wenn er auch der Anaphora eine Orientierungsfunktion innerhalb eines Zeigfeldes zuweist. Dieses Zeigfeld ist die Rede (oder der Diskurs) selbst. Seine Anaphorakonzeption kommt somit dem später entwickelten Diskursdeixisbegriff eigentlich näher als dem modernen Anaphorabegriff. Im zweiten Kapitel werden zunächst referenzsemantische Fragen diskutiert. Es wird herausgearbeitet, daß bei einem am Kommunikationsprozeß orientierten Verständnis von Referenz nicht nur mit nominalen Ausdrücken referiert wird. Auf dieser referenzsemantischen Basis wird dann ein Deixiskonzept entwickelt, das auf die Zeigemetapher verzichten kann. Deren Erklärungswert ist schon im Rahmen der Temporaldeixis fragwürdig, denn auf temporale Referenzobjekte läßt sich nicht zeigen. Die Referenzobjekte der Diskursdeixis sind diskursive Ereignisse und damit ebenfalls temporale Entitäten. Es ist daher davon auszugehen, daß die Diskursdeixis eine spezifische Form der Temporaldeixis darstellt. Hinzu kommt allerdings noch ein metakommunikatives Element. Auf der Grundlage dieses Verständnisses von Diskursdeixis erfolgt dann eine klarere Abgrenzung zum (modernen) Anaphorakonzept. Im dritten Kapitel werden die entscheidenden Merkmale der Diskursdeixis, Reflexivität und Temporalität, näher erläutert. Bei der Diskursdeixis handelt es sich um deiktische Referenz auf den Diskurs selbst, die in der Regel eine diskursorganisierende Funktion hat. Die Referenzobjekte sind wie bei der Temporaldeixis individuelle Ereignisse in der Zeit. Bei der Diskursdeixis handelt es sich jedoch um spezifische Ereignisse, nämlich um mehr oder minder umfassende kommunikative Ereignisse, die im Ablauf des Diskurses von den Beteiligten konstituiert werden. Es sind also Parole-Einheiten, auf die im Rahmen der Diskursdeixis referiert wird. 1

Auf eine umfangreiche Zusammenfassung wird verzichtet, um allzu große Überschneidungen mit den resümierenden Abschnitten der Einzelkapitel zu vermeiden. Für einen umfassenderen Überblick über die Resultate sei deshalb auf diese Abschnitte verwiesen, die zusammengenommen auch ein detaillierteres Bild ergeben.

230 Diese werden auf der Grundlage eines deiktischen Relatums auf der Zeitachse lokalisiert. Um diesen Lokalisationsprozeß näher beschreiben zu können, wird unsere alltägliche Zeitvorstellung skizziert. Damit steht das begriffliche Instrumentarium fur den zweiten Teil der Arbeit bereit. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich den lexiko-grammatischen Elementen, mit denen die Diskursdeixis im Englischen ausgedrückt wird. Im vierten Kapitel geht es zunächst um die sprachlichen Ausdrücke, die den reflexiven Charakter anzeigen. Dabei handelt es sich vor allem um Kommunikationsverben. Die kommunikativen Situationstypen, die sie zusammen mit ihren Argumenten bezeichnen, werden nach unterschiedlichen Ablaufschemata klassifiziert, da solche Situationsklassen Einfluß daraufhaben, wie die individuelle Situation lokalisiert wird. Die temporale Lokalisation der Diskurssituation wird im fünften Kapitel erläutert. Wir setzen dabei ein Verzeitungsmodell mit drei zeitlichen Parametern voraus, der Äußerungszeit (TU), der Situationszeit (Tsit) und der Topic Time (TT). Die deiktische Relation zwischen TU und Tsit wird nicht direkt durch die Tempora ausgedrückt. Vielmehr ist sie nur erschließbar über die Relation von TU zu TT, die vom Tempus ausgedrückt wird, und der aspektuellen Relation TT zu Tsit. Deshalb werden in diesem Kapitel die vielfaltigen Tempus-Aspekt-Kombinationen behandelt. Darüber hinaus wird dargestellt, wie verschiedene Typen von Temporaladverbialen die beiden nicht als gegeben vorausgesetzten Zeitparameter, TT und Tsit, spezifizieren. Das letzte Kapitel behandelt nominale Ausdrücke. Hier ist sowohl das deiktische als auch das metakommunikative Element im Rahmen einer Nominalphrase enthalten. Der zeitliche Lokalisationsprozeß ist weniger komplex, da kein dritter Zeitparameter vorhanden ist. Im allgemeinen kommt das metakommunikative Element im Nomen, das als Head der Nominalphrase fungiert, zum Ausdruck. Problematisch ist allerdings jener Fall, wo die Nominalphrase nur aus einem Pronomen besteht. Die Metakommunikativität muß dann an anderer Stelle im Satz zum Ausdruck kommen. Wenn dies berücksichtigt wird, bleibt es möglich, Diskursdeixis und Anaphora auseinanderzuhalten. Am Ende dieser Arbeit dürfte deutlich geworden sein, daß die Diskursdeixis ein eigenständiges sprachliches Phänomen darstellt. Es dürfte ebenfalls klar geworden sein, daß es im Englischen vielfältige Typen von Realisationsmöglichkeiten gibt. Angesichts unseres exemplarischen Vorgehens bei der Untersuchung der Realisationsformen versteht es sich von selbst, daß in diesem Bereich detailliertere Studien möglich und wünschenswert wären. Ein anderer methodischer Zugriff auf den Gegenstand könnte darüber hinaus auch ganz andere Untersuchungsbereiche eröffnen. Aufgrund unseres methodischen Vorgehens können wir beispielsweise wenig über die kommunikative Funktion der Diskursdeixis sagen. Wir haben zwar Diskursdeixis untersucht, aber keine Diskursanalyse durchgeführt (vgl. Lenz 1993). Eine solche empirische Analyse wäre jedoch aus mehreren Gründen interessant.

231 Zunächst würde man sicherlich auf hier nicht behandelte Realisationsformen stoßen. Ferner könnte man aufgrund authentischen Datenmaterials Aussagen über die Frequenz der Diskursdeixis (und ihrer Realisationsformen) machen. Vor allem könnte man aber die diskursorganisierende Funktion der Diskursdeixis näher betrachten. Es ist nämlich zu erwarten, daß Diskursdeixis gerade an den Schaltstellen des Diskurses eine besonders wichtige Rolle für den Diskursverlauf spielt. Die kommunikative Funktion der Diskursdeixis dürfte auch abhängig vom jeweiligen Diskurstyp sein. Es ist anzunehmen, daß in hochgradig vorstrukturierten, insbesondere schriftlichen, Diskursen die Diskursdeixis etwa die Erwartbarkeit größerer Abschnitte steuert. Im Small Talk würde sie wahrscheinlich eher im Rahmen kleinschrittiger Diskursorganisation zu finden sein. Solche Hypothesen wären an einem (adäquaten) Korpus zu überprüfen. Insgesamt würde sich dann vielleicht herausstellen, daß das Schattendasein, das die Diskursdeixis in der Deixisforschung fuhrt, nicht nur aufgrund ihres eigenständigen Charakters als sprachliches Phänomen, sondern auch im Hinblick auf ihre kommunikative Bedeutung nicht gerechtfertigt ist.

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