Die Rolle Des Sports Bei Der Europaischen Einigung: Zum Problem Von Auslandersperrklauseln (German Edition) 3428067584, 9783428067589


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German Pages 196 [197] Year 1989

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Die Rolle Des Sports Bei Der Europaischen Einigung: Zum Problem Von Auslandersperrklauseln (German Edition)
 3428067584, 9783428067589

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MARTIN KLOSE

Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht flerausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit fleinz-Dieter Assmann, flans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 20

Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung Zum Problem von Ausländersperrklauseln

Von

Dr. Martin Klose

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Klose, Martin:

Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung: zum Problem von Ausländersperrklauseln I von Martin Klose. Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 20) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06758-4 NE:GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germariy ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-06758-4

Meinen Eltern

Vorwort Die Anregung zum Thema meiner Arbeit, welches meinen Interessen entgegenkam, verdanke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Oppermann (Universität Tübingen), an dessen Lehrstuhl ich von 1983 bis 1986 als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft tätig war. Herrn Professor Oppermann bin ich auch aufgrund seiner steten Gesprächsbereitschaft und Unterstützung zu großem Dank verpflichtet. Des weiteren gilt mein Dank zahlreichen Ansprechpartnern bei nationalen und internationalen Sportverbänden, Europäischen Institutionen und verschiedenen Hochschulen. Die maschinenschriftliche Fassung der Arbeit erstellte Frau Helga OrlikReichert in bewährter Form, wofür ich ihr an dieser Stelle sehr danken möchte. Martin Klose

Inhaltsverzeichnis A. Grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung des Sports für die europäische Integration

15

I. Europäische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . .

15

1. Begriff der Integration .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

15

2. Geschichte und Entwicklung bis zur Gründung der drei Integrationsgemeinschaften sowie deren Grundzüge .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. a) Anfänge europäischer Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg b) Die erste Integrationsgemeinschaft EGKS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Römischen Verträge: EWGV und EAGV .. .. .....................

17 17 21 24

3. Die frühe europäische Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinschaftsverträge sowie ältere Initiativen zu deren Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fouchet-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Luxemburger Kompromiß . ...... ....... .... . . . .. . .... .. . ..... ........ . .. c) Davignon-Bericht und Wemer-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erweiterung der EG und Bildung eines Europäischen Rates . . . . . . . . . e) Tindemans-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 27 28 29 30

4. Direktwahl des Europäischen Parlaments und weitere Reformvorschläge zur Gründung einer Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Feierliche Erklärung zur Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) ~~rtragsentv:urf des Europäischen Parlaments zur Gründung der Europruschen Umon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . c) Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

31 32 33 34

5. Gegenwärtiger Zustand der Gemeinschaft .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

35

6. Wege aus der Krise .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

37

li. Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Rang des Sports in der Gesellschaft .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

38

2. Funktionen des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3. Wo treten diese Funktionen beim Sport auf? .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. ..

40

a) Innerhalb von Gruppen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

40

(1) Kleingruppen: Verein, Mannschaft; offene Gruppe . . . . . . . . . . . . . . .

(2) Nation: Geschlossene Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gemeinschaftsbildung mittels gemeinsamer Sportbetätigung

40 43 43

(b) Gemeinschaftsbildung mittels Identifikation mit der Gruppe

44

10

Inhaltsverzeichnis b) Zwischen einzelnen Gruppen . . .. .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . ... . . . . . . . . . .. . . . . . (1) Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . .... .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . (a) Im Bereich des Spitzensports (b) Im Bereich des Breitensports . .. . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . (2) Kleingruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . (3) Sportverkehr zwischen der BR Deutschland und der DDR . . . . . .

44 44 45 51 52 52

4. Zusammenfassung und Konsequenzen für die Europäische Integration . .

53

5. Integration von Ausländern mittels des Sports .. . . .. . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . .

54

6. Initiativen zur gesellschaftlichen Eingliederung von Ausländern mit Hilfe des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

7. Probleme der Ausländerintegration im Sport . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .

58

8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

B. Völkerrecht und Sport

62

I. Allgemeines Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

II. Europarat und Sport . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Zuständigkeit des Europarates für kulturelle Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

2. Sport als Kulturbestandteil .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . .. . . . . .. . . . . . .. .. .. . . .

63

3. Aktivitäten des Europarates auf dem Gebiet des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Europäische Charta "Sport für alle" . . .. .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . b) Der "Rat für die Entwicklung des Sports" (CDDS) ... . . . . . . . . . ... . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 66 70 71

4. Sonstige für die Beteiligung von Ausländern am Sport bedeutsame Abkommen im Rahmen des Europarates . . . . .. .. . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. . . .

72

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

74

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich . . . .. . . . . . .. . . . .. . . . .. .. . . . .. . . . . ............

74

1. Konkurrenz Europarat-Europäische Gemeinschaft . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .

74

2. Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Sports . a) Europäisches Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EG-Ministerrat I Europäischer Rat . . .. . . ... . . . .. . . . . . .. . . . .. . . . . ... . . . . c) EG-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . .. d) Europäischer Gerichtshof (EuGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 78 78 79

3. Beschränkter Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts für den Sport . . . a) Der vom EuGH vertretene Rechtsstandpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Auffassung der Kommission . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .

81 82 83

Inhaltsverzeichnis

11

c) Schlußanträge der Generalanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stellungnahme des Generalanwalts Wamer . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . (2) Stellungnahme des Generalanwalts Trabucchi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Billigende Stimmen aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schlußfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 84 85 86 86

4. Sport als wirtschaftliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

5. Konsequenz der vorgetragenen Rechtsstandpunkte . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . .

89

6. Zur Frage der Zulässigkeit der Beschränkung des Gemeinschaftsrechts auf wirtschaftliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EWG-Vertrag als Wirtschaftsverfassung . .. . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . . . b) Andere Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kulturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 90 91 94 94 95

7. Sozialer Regelungsbereich des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlagen in den Gemeinschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis der sozialen zur wirtschaftlichen Regelungsbefugnis der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Beschränkung auf eine Wirtschaftsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verflechtung zwischen Maßnahmen sozialer und wirtschaftlicher Art e) Kein genereller Vorrang wirtschaftlicher Regelungsbereiche . . . . . . . . . f) Umfang der gemeinschaftlichen Regelungskompetenz im Sozialbereich .............. ..... ........ ...... ....... ....... ................. . ..... g) Soziale Fragen materieller und immaterieller Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Stellungnahmen aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Außerwirtschaftliche Aspekte auf dem Vormarsch . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritik an den Sporturteilen des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zweifel an der Präzedenzwirkung der EuGH-Sporturteile . . . . . . .. (4) Die Stellung des EuGH im Rahmen des Integrationsprozesses . . i) Schlußfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 96 96 98 99 99 100 101 102 103 103 105 106 107

8. Sport als soziale Angelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 9. Sport als Regelungsgegenstand des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 li. Die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln . .. . . . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 1. Freizügigkeit der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109

110 a) Berufssport aufgrund von Arbeitsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Unterklassiger Wettkampfsport, Sport als Freizeitbetätigung . . . . . . . . . 115 (1) Auslegung des Begriffs "Arbeitsbedingungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

12

Inhaltsverzeichnis (2) Gleichstellung in bezugauf die sozialen und steuerlichen Vergünstigungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

(3) Grenzen der Auslegung der Freizügigkeitsbestimmungen . . . . . . . . (4) Funktionelle Beziehung zum beruflichen Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 123

2. Die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123

a) Sport als selbständige Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123

b) Freizeitsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124

c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124

3. Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

a) Typfall des Art. 60 Abs. 3 EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Passive Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126

5. Das allgemeine Diskriminierungsverbot: Art. 7 EWGV .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

127

a) Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subsidiarität des Art. 7 EWGV .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . (1) Abschließende Regelung der Freiheit des Personenverkehrs in Art. 48 ff., 52 ff. und 59 ff. EWGV? .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. (2) Anwendbarkeit des Art. 7 EWGV in bezugauf den freien Personenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlußfolgerung . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Menschenbild der Gemeinschaftsverträge .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . (1) Der Grundsatz der Menschenwürde .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. (2) Ursprüngliches Ziel der Gleichbehandlungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fortentwicklung: Dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Art. 7 EWGV als Willkürverbot? .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. . f) Art. 7 EWGV als absolutes Differenzierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 127 128 128 130 130 130 131 131 132 133

6. Die Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts: Art. 85 und 86 EWGV

135

a) Anwendbarkeit auf den Freizeitsport? ........ , .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

135

b) Zur Frage der Vereinbarkeit der Ausländerklauseln im Berufssport mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . .

135

( 1) Rechtsauffassung der Kommission .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . (2) Voraussetzungen der Art. 85 und 86 EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unternehmen . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . (b) Handelsbeeinträchtigungen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. (c) Art. 86 EWGV: Mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 137 137 138 140

Inhaltsverzeichnis

13

······················· ························ ······ 142 7. Teilergebnis ······'······ a) Berufssport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Freizeit- und unterklassiger Wettkampfsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

III. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

142

1. Der ordre-public-Vorbehalt . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

a) Inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142 143

b) Motive der Ausländerklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

c) Gemeinschaftsrechtliche Relevanz jener Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutz des nationalen Kulturguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschränkung auf den Bereich des Warenverkehrs . . . . . . . . . . . . . . .

145 146 146

(2) Bestandteil des ordre-public-Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . (3) Sport als nationales Kulturgut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 148

e) Kritik an Geeignetheit der Ausländerklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151

2. Die in Art. 48 Abs. 4, 55 und 66 EWG-Vertrag enthaltenen Vorbehalte

152

3. Keine Rechtfertigung der Ausländerklauseln durch gemeinschaftsrechtliche Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153

1. "Diskriminierung" anderer Staatsangehöriger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153

2. Billigung der Beibehaltung von Nationalmannschaften in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Europäischer Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154 154

b) EG-Kommission .... . . . . . . . ........... ...... . .. . . . . ...... .. ...... . .. . . ... c) Generalanwalt Warner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154 155

d) In der Literatur vertretene Rechtsstandpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

3. Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf die Bildung von Nationalmannschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156

a) Wirtschaftlicher Gesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

b) Sozialer Gesichtspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158

4. Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahme wegen ,,Natur der Sache"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158 159

b) Bildung von Buropamannschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162

1. Anwendbarkeit gegenüber staatlichen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162

2. Autonomie des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . a) Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163 163 163

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Inhaltsverzeichnis c) Großbritannien 00000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 164 d) Italien 000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 164 e) Schlußfolgerung 000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 164 30 Regelung der Teilnahme am Sport staatlicherseits? 00000000000000000000000 165 40 Drittwirkung der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote 00000 165 a) Berufssport 000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 165 b) Amateursport 000 000000000000000000000000000000000000000 000oo 00000000000000 169 5o Abwägung mit Gegenrechten der Sportverbände 00 0000000000000000 00000 000 171 60

Zw~sc~energebnis für den Bereich des unterklassigen Wettkampf- und Freizeitsports 00000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 175

7 0 Autonome Regelung sportspezifischer Angelegenheiten im Berufs- und Hochleistungssport 00000000000000000000000000000000000000000000000 000000000000

175

So Fazit 000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 177 VI. Rechtsschutz 000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 177 1. Klagen einzelner Sportler bzwo Vereine 000000000000000000000000 000000000000 177

20 Prozessuale Möglichkeiten der Kommission 0000000000000000000000000000000 178

D. Zusammenfassung

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Literaturverzeichnis

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A. Grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung des Sports für die Europäische Integration I. Europäische Integration 1. Begriff der Integration

Die Buropapolitik nach dem Zweiten Weltkrieg kann mit einem politischen Leitwort belegt werden: "Integration". 1 Die Wendung von der "Europäischen Integration" wird sozusagen als Etikett für alles benutzt, was mit der Verständigung, Zusammenarbeit, Verflechtung und Vereinigung der westeuropäischen Staaten zusammenhängt. Diese Unschärfe beim Gebrauch des Begriffs der Integration entspricht seiner zeitgeschichtlich/politischen Bedeutung, die im weitesten Sinne synonym mit "Europabewegung" verwandt werden kann. 2 Mit diesem Inhalt erlaßt die "Europäische Integration" sämtliche Bestrebungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die auf eine verstärkte europäische, in erster Linie westeuropäische Zusammenarbeit ausgerichtet sind. Außerdem verbindet sich jedoch mit der "Europäischen Integration" eine eigenständige, sozusagen juristische Dimension, deren Ursprüngen und inhaltlicher Ausgestaltung nachgegangen werden soll. Um zu dieser Bedeutung der Europäischen Integration vorzustoßen, ist zunächst die Herkunft des Begriffs zu ermitteln. Integration leitet sich ab vom lateinischen "integratio", das übersetzt "Erneuerung" bzw. "Wiederherstellung" heißt. 3 Was jedoch unter einer europäischen Erneuerung bzw. Wiederherstellung nach dem Zweiten Weltkrieg im juristischen Sinne zu verstehen war, läßt sich allein durch die wörtliche Übersetzung nicht feststellen. Das Fremdwort "Integration" wurde insbesondere für die Staatstheorie durch die "lntegrationslehre" Smends relevant. Nach Smend 4 stellt die "Integration" als ein ständiger einigender Zusammenschluß einen Grundvorgang staatlicher Existenz oder sogar das Wesen des Staats selbst dar: "Der Staat ist nur, weil und sofern er sich dauernd integriert, in und aus den Einzelnen aufbaut", 5 so H. Schneider, S. 225. Oppennann, Symposium 1978, S. 85. 3 Menge/Güthlings, S. 395. 4 Smend, S. 120. s Smend, S. 138. 1

2

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

daß "Integration" die ständig aktualisierte und reproduzierte Schaffung des Staats bedeutet. Ob Smends Ansatz für die juristische Deutung der Europäischen Integration bestimmend war, erscheint zweifelhaft. Der Begriff "Integration" fand nämlich nicht von Deutschland aus Eingang in die politische Terminologie und insbesondere in den Sprachgebrauch der westeuropäischen Einigungspolitik. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die Amerikaner, die im Zusammenhang mit der Militär- und Wirtschaftshilfe ("Marshall-Plan") den westeuropäischen Staaten eine engere "Integration" nahelegten. 6 Im Englischen wird aber "Integration" seit Herbert Spencers Evolutionstheorie als Ausdruck für gesellschaftliche und politische Einbeziehung bzw. einen solchen Zusammenschluß verwendet. 7 Fraglich ist, ob "Integration" im Hinblick auf die europäischen Einigungsbestrebungen als der dynamische Prozeß des Verbindens, des Sich-Einigens, oder als das fertige Produkt, der ruhende Zustand, als der getätigte europäische Zusammenschluß verstanden werden sollte. 8 Welche dieser beiden Auslegungen den Vorrang beanspruchte, läßt sich anhand von Beispiel aufzeigen: So forderte im Sommer 1948 das RamadierMemorandum,9 die vom Raager Kongreß (7.- 10. 5. 1948) ins Gespräch gebrachte Versammlung von Volksvertretern solle sich u. a. mit den Maßnahmen befassen, "die geeignet sind, in fortschreitendem Maße die politische und wirtschaftliche Integration Europas zu sichern". Schon im Februar 1948 hatte der französische Außenminister Georges Bidault erklärt, die einzige Lösung der deutschen Frage bestehe in der "Integration" eines friedfertigen Deutschlands in ein vereinigtes Europa. 10 "Integration" meinte somit den Prozeß der Ganzheitsbildung, aber auch den der Eingliederung von etwas in ein größeres Ganzes, d. h. die Herstellung eines intensiveren Miteinanders, einer engeren Verflechtung, eines "Mehr" an Einheit, als damals gegeben war oder gerade in Angriff genommen wurde. Insoweit stimmt das weitgefaßte politisch/zeitgeschichtliche Verständnis der "Europäischen Integration" mit dem juristischen überein. Im Jahre 1950, nach Vorlage des Schuman-Plans zur Gründung der Montanunion, kristallisierte sich dann jedoch ein gesonderter rechtlicher Inhalt des Begriffs Europäische Integration heraus: "Integration" wurde zum Markenzeichen für den Typus von Europapolitik, in dessen Verlauf die Staatssouveränität Einschränkungen unterworfen wird, die weitergehen als bei anderen Internationa6 U. a. H. Schneider, S. 186, J. Schwarz, S. 31, Ziebura, S. 8, Paul Hofmann am 31. 10. 1949 vor dem Rat der OEEC, zitiert nach Haußmann, S. 39; "The Economist" v. 20. 11. 1948, zitiert nach Haußmann, S. 38; Marshall, EA 1947, S. 821; Paul Henri Spaak, zitiert nach Cornides, EA 1950, S. 2857. 7 Spencer, Bd. I, § 111. 8 Guggenheim, S. 95 ff., 123. 9 Europa/Dokumente zur Frage der Europäischen Einigung, S. 159 ff. 10 Bidault, zitiert nach H. P. Schwarz, S. 198.

I. Europäische Integration

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len Organisationen, indem die Übertragung gewisser, einst nur von souveränen Einzelstaaten ausgeübten Vollmachten an eine überstaatliche oder übernationale Körperschaft erfolgt. 11 Die von östlicher Seite dagegen vorgebrachte Kritik verdeutlicht dies: Es hieß darin, daß die fortschreitende Zusammenarbeit der Ostblockstaaten im Unterschied zur "Integration" im Westen ohne schädliche Einschränkung der nationalen Souveränität auskomme. 12 Der juristische Begriff der Europäischen Integration, wie er im Zusammenhang mit den westeuropäischen Einigungsbestrebungen der Nachkriegsjahre geprägt wurde, kann demnach als ein Prozeß gekennzeichnet werden, der über eine bloße zwischenstaatliche Kooperation hinausgeht, eine noch nicht (oder noch nicht in der anvisierten Weise) bestehende Einheit anstrebt, aber noch unterhalb der Ebene neuer, föderativer Staatsbildung verbleibt. In diesem Sinne ist die "Europäische Integration" eng mit der Entstehung und Entwicklung der drei Gemeinschaften der heutigen EG, nämlich EGKS, EAG und EWG, verbunden. Im folgenden soll sich der Schwerpunkt auf diesen rechtlichen Inhalt der "Europäischen Integration" beziehen. 2. Geschichte und Entwicklung bis zur Gründung der drei Integrationsgemeinschaften sowie deren Grundzüge

a) Anfänge europäischer Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Ursachen und die Folgen der vorangegangenen zwei Weltkriege in erster Linie dem politischen Wirken der Nationalstaaten und einem extremen Nationalismus zugeschrieben. 13 Insofern gewann die Idee eines europäischen Zusammenschlusses und einer Überwindung der Nationalstaaten rasch an Zustimmung und Aktualität. Ferner herrschte die Ansicht vor, daß nur ein geeintes und starkes Buropa in der zukünftigen globalen Ordnung Wohl und Sicherheit der Völker garantieren und eine eigenständige Rolle in der Weltpolitik spielen könnte. Es war Winston Churchill, der in seiner Züricher Rede vom 19. 9. 1946 die Bildung von so "etwas wie den Vereinigten Staaten von Europa" vorschlug. 14 Gleichzeitig wurde in Heftenstein in der Schweiz von Vertretern verschiedener Organisationen aus europäischen Staaten und den USA die Errichtung einer europäischen Föderation gefordert. 15 11 12

13 14 15

U. a. van Kleffens, S. 74; Jaenicke, S. 466; Hallstein, S. 76 ff. U. a. Schulz, S. 72 ff.; Zorgbibe, S. 12 ff., Nachweise bei H. Schneider, S. 230. U. a. J. Schwarz, S. 21; Spinelli, S. 43; H. Schneider, S. 119 ff. Winston Churchill, zitiert nach J. Schwarz, S. 51 ff. Hertensteiner Programm, zitiert nach J. Schwarz, S. 49 ff.

2 Klose

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

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In zunehmendem Maße wie sich die Ost-West-Beziehungen verschärften (Beispiele: Iran, Griechenland, Berlin, Truman-Doktrin, "Eiserner Vorhang"), konzentrierten sich die europäischen Einigungsbemühungen entweder auf den Westen oder den Osten Europas. Buropa war zu einem festen Bestandteil der Interessenpolitik der Supermächte USA und UdSSR geworden. Die Bemühungen, die ein vereintes Gesamteuropa als eine dritte Kraft zwischen den Supermächten hervorbringen wollten, 16 waren aufgrunddieser auch in Buropa eingetretenen Polarisierung der Blöcke zum Scheitern verurteilt. In Westeuropa griffen die Amerikaner den wirtschaftlich am Boden liegenden europäischen Staaten mittels des Marshall-Plans (1947) unter die Arme. Neben humanitären Erwägungen war ihr Ziel, durch eine wirtschaftliche und damit einhergehende politische Stärkung der westeuropäischen Staaten einerseits für die eigenen amerikanischen Produkte wieder einen europäischen Absatzmarkt zu schaffen, andererseits so etwas wie ein "Bollwerk" gegen die sowjetischen Machtbestrebungen aufzubauen. 17 Deshalb konnte nicht verwundern, daß die Amerikaner ihre Wirtschaftshilfe zusätzlich an die Voraussetzung einer engeren Verbindung der westeuropäischen Staaten untereinander knüpften. 18 Für die Planung des Wiederaufbaus sollte eine amerikanische Behörde - die Economic Cooperation Administration (ECA) - mit einer europäischen internationalen Organisation sowie mit den Einzelstaaten zusammenwirken. Die europäische Internationale Organisation, die daraufhin im Aprill948 ins Leben gerufen wurde, war die "OEEC" 19 (Organization for European Economic Cooperation). Ihre 17 Gründungsmitglieder bildeten beinahe den gesamten westeuropäischen Wirtschaftsraum. Die Aufgaben der OEEC bestanden darin, sich über die Verwendung und Verteilung der amerikanischen Finanzmittel abzustimmen. Dies hatte zwar noch keine gemeinsame westeuropäische Wirtschaftspolitik zur Folge, doch aufgrund der Tatsache, daß man nun im Besitz eines Diskussionsforums war, in dem man sich auch gegenseitig in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über die eigene Wirtschaftspolitik ablegen mußte, entstand eine kooperative Grundeinstellung der Teilnahmeländer untereinander. Parallel zu dieser Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verlief eine ähnliche Bewegung des Zusammenschlusses auf militärischem (Westeuropäische Union, NATO) und politischem Gebiet. Neben den Staaten waren es nach dem Kriege vor allem gesellschaftliche und politische Gruppierungen, die neben den Regierungen die Diskussion um eine allgemein-politische Einigung Europas führten (wie z. B. das oben erwähnte Hertensteiner Programm). Solche Vereinigungen hatten in dieser Zeit weitaus größeren Einfluß auf die Politik als heutzutage. So fand im Mai 1948 aufgrund einer Privatinitiative, aber unter Beteiligung einflußreicher Persönlichkeiten (wie Vgl. Hertensteiner Programm (FN 15). Senator Vandenberg, zitiert nach Morgan, S. 47; weitere Nachweise bei H. Schneider, S.173, 183,186. 18 Marshall, EA 47, S. 821. 19 EA 48, S. 1345 ff. 16 17

I. Europäische Integration

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z. B. Churchill, van Zeeland, Herriot) der Haager Kongreß statt. Dort forderte Churchill vor 800 Delegierten der verschiedensten Europa-Organisationen (u. a . .,The United Europe Movement", die .,Sozialistische Bewegung für die Vereinigten Staaten von Europa", die Ligue Europeenne de Cooperation Economique", die .,Nouvelles Equipes Internationales") die Ergänzung der Wirtschafts- und militärpolitischen Verträge durch eine allgemein-politische Organisation. 20 Es sollte eine wirtschaftliche und politische Einheit geschaffen werden und auf sie bestimmte Souveränitätsrechte übertragen werden, die künftig in einer Union oder Föderation gemeinsam ausgeübt werden sollten. 21 Ferner wurde die Einberufung einer Europäischen Versammlung, deren Mitglieder von den einzelstaatlichen Parlamenten zu wählen seien, gefordert. Daß in dieser Resolution sowohl von Union als auch von Föderation die Rede war, ließ bereits den schwelenden Konflikt innerhalb der europäischen Einigungsbewegung zwischen den Befürwortern einer europäischen Union, die den Nationalstaaten grundsätzlich ihre Souveränität belassen wollten, und den Föderalisten, denen ein europäischer Bundesstaat vorschwebte, erkennen. Nichtsdestoweniger gab der Haager Kongreß einen wesentlichen Anstoß zur Gründung des Europarates 1949. Zunächst schlossen sich die wichtigsten Trägergruppen zur .,Europäischen Bewegung" (mit Churchill, Spaak, de Gasperi u. a.) zusammen. Im Sommer 1948 übersandte das vom Haager Kongreß beaufragte .,Internationale Komitee" der europäischen Organisationen allen westeuropäischen Regierungen ein Memorandum über die geplante .,Europäische Versammlung", ein Parlament, das beratende Funktionen besitzen sollte. Nach Beratung dieses Vorschlags unter den Westunion-Staaten wurde ein Kompromiß erarbeitet, wonach die zu schaffende Organisation sowohl eine Parlamentarierversammlung als auch einen Au.sschuß aus Regierungsvertretern umfassen sollte. 22 1949 wurde schließlich der Europarat mit Sitz in Straßburg als eine erste wichtige Etappe zu dauerhafter westeuropäischer Staatenzusammenarbeit gegründet. 23 Gründungsstaaten waren neben den Mitgliedern der Westunion (Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Belgien, Luxemburg) noch Italien, Irland und 3 skandinavische Staaten (Dänemark, Norwegen, Schweden). Als Institutionen wurden eine "Beratende Versammlung" von Delegierten der nationalen Parlamente und ein Ministerausschuß eingerichtet. Die Beratende Versammlung darf keine rechtsverbindlichen Beschlüsse fassen. Vielmehr verwirklicht sich in ihr die Idee des Haager Kongresses, ein Forum für die Bildung und Äusserung einer europäischen öffentlichen Meinung zu errichten. Auf der anderen Seite steht der Ministerausschuß, der einstimmig Beschlüsse verabschieden kann, woWinston Churchill, zitiert-nach Stikker, S. 155. Raager Kongreß: Politische Erklärung, zitiert nach J. Schwarz, S. 65 ff. 22 Einzelheiten zur Entstehung des Europarats bei H. Schneider, S. 199 f. 23 Oppermann, Europarecht, 1989, § 1/Die Europäische Idee, II. 1. a); Text der Satzung des Europarats in Sartorius II, Internationale Verträge, Europarecht, Nr. 110. 20

21

2*

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

20

bei diese für die Staaten jedoch auch nur empfehlenden Charakter haben. Hoffnungen auf einen weitergehenden Zusammenschluß der europäischen Staaten beruhten auf der Präambel und Art. 1 a ER-Satzung, wo das gemeinsame Erbe der europäischen Staaten herausgestellt wurde und von einer "engeren Verbindung" der Staaten Europas die Rede ist. In der Praxis zeigten sich jedoch sehr schnell Meinungsverschiedenheiten. Mit dem Europarat war nämlich für manche Staaten schon mehr geschaffen worden, als sie ursprünglich beabsichtigten (Großbritannien), andere sahen sich am Ziel ihres europäischen Strebens (skandinavische Staaten), und für dritte sollte mittels des Buroparats die europäische Einigung erst richtig in Angriff genommen werden (Kontinent). Diese unterschiedlichen Standpunkte der Staaten und ihrer Vertreter traten früh zutage, nämlich bereits anläßlich einer Grundsatzdebatte der Beratenden Versammlung über die in Art. 1 a ER-Satzung geforderte "engere Verbindung" der europäischen Staaten. 24 Es standen sich "Föderalisten" und "Unionisten" gegenüber. Die föderalistische Idee eines europäischen Bundesstaates bei weitgehender Aufgabe nationaler Souveränität wurde hauptsächlich von den kontinental-europäischen Staaten vertreten. Demgegenüber fand der Gedanke einer Union der westeuropäischen Staaten mit voller Aufrechterhaltung staatlicher Souveränität in erster Linie in Großbritannien und den skandinavischen Staaten Anhänger und Unterstützung. Man einigte sich schließlich auf folgende Kompromißformel: "The Assembly considers that the aim and goal of the Council of Europe is the creation of a European political authority with limited functions but real powers."25

Damit war der "Funktionalismus" geboren, der später die Grundlage für den Schuman-Pian bildete. Dieser funktionale Weg strebt die schrittweise Errichtung einer Föderation mittels Integration von zunächst einzelnen Bereichen an. 26 Die Vergemeinschaftung bestimmter Sachgebiete soll die Integration weiterer Bereiche gleichsam automatisch nach sich ziehen und auf diese Weise letztendlich zu einer Gesamtintegration der Politiken und dem europäischen Bundesstaat führen. 27 Nachdem die Formel von der "political authority with limited functions but real powers" in der Beratenden Versammlung allgemeine Zustimmung gefunden hatte, gingen die föderalistischen Kräfte daran, einen Verfahrensvorschlag auszuarbeiten, der die Weiterentwicklung des Europarates selbst zu einer "Europäischen Politischen Autorität mit echten Vollmachten" und die zusätzliche Errichtung von Spezialbehörden unter dem Dach des Europarates vorsah. 28 Groß24 Reif, S. 69 ff.; Cornides, EA 49, S. 2557 ff. u. 2569 ff. Council of Europe, 151 Session, 1949, Doc. 87 A.III Nr. 8. 26 Als Urheber der "funktionalistischen" Thesen gilt David Mitrany, International Governrnent, London 1933. 27 Monnet, S. 567 ff. (380, 413, 497); vgl. auch Präambel EGKSV: " ... erster Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern ...", Sartorius II, Nr. 145. 28 Einzelheiten bei H. Schneider, S. 212 ff. 2s

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britannien und die skandinavischen Staaten verweigerten diesem Plan jedoch ihre Zustimmung. Der Europarat blieb somit, was seine Aufgabe von Anfang an sein sollte: Eine lockere Organisation für die dauerhafte und ohne große Vorbehalte geübte Kooperation der europäischen Staaten, aber ohne Souveränitätsverzicht seiner Mitgliedsländer. 29 Nur in der 1950 vereinbarten Europäischen Menschenrechtskonvention wird ein gewisses überstaatliches Element dadurch spürbar, daß Einzelpersonen in begrenztem Umfang Menschenrechtsschutz begehren können.30 Der Einfluß des Europarates auf die Fortsetzung der Europäischen Integrationspolitik ging ab Mitte der 50er Jahre weitgehend verloren. Heute erschöpft sich die Tätigkeit des Europarates vielfach darin, als Brückenglied zwischen den EGMitgliedstaaten und den Nicht-EG-Staaten zu fungieren sowie als allgemeines Diskussionsforum der demokratischen westeuropäischen Staaten zu dienen. 31 Der Versuch, aus dem Europarat eine übernationale Organisation Westeuropas zu machen, war gescheitert.

b) Die erste lntegrationsgemeinschaft: ECKS In der Folgezeit verlagerte sich das Schwergewicht der europäischen Einigungsbemühungen auf die Ebene der Integrationspolitik der Sechs (Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien, Niederlande, Luxemburg) mit dem von J ean Monnet entworfenen Schuman-Plan als Grundlage. 32 Man wollte die mit der Gründung der OEEC eingeleitete wirtschaftliche Kooperation der westeuropäischen Staaten intensivieren, um die vorhandenen Ressourcen im Zuge des wirtschaftlichen Wiederaufbaus optimal zu nutzen. 33 Von einer weitergehenden wirtschaftlichen Integration versprach man sich insbesondere in Frankreich eine gegenüber den USA unabhängigere Position. 34 Nicht weniger bedeutsam war das schon bekannte Motiv, durch einen Zusammenschluß Europas dem Machtzuwachs der Sowjetunion Einhalt zu gebieten. 35 Hauptbeweggrund für den Schuman-Plan war jedoch, nach der bevorstehenden Aufhebung der Alliierten Ruhrbehörde ein Konzept parat zu haben, das die weitere Einbindung der deutschen Kohle- und Stahlindustrie in eine übernationale Organisation ermöglichte. 36 Es sollte eine 29 Carstens, S. 45 f. 30 Art. 25 ff. EMRK, Sartorius II, Nr. 130. 31 Weber, S. 256, 258. 32 Monnet, S. 367 ff. 33 Hoffman am 31. 10. 1949 vor dem Rat der OEEC, zitiert nach Haußmann, S. 39. 34 Loth, zitiert nach Jäger, in: Europäische Integration, Mitteilungen des Arbeitskreises Europäische Integration, S. 19; Philipp, S. 17. 35 Adenauer, zitiert nach Weidenfeld (1976), S. 14. 36 U. a. Monnet, S. 345 ff. (349, 360 ff., 385); J. Schwarz, S. 107 ff.; Satz, S. 126 ff. (135); Loth, zitiert nach Jäger (FN 34), S. 19.

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

Solidarität der Produktion geschaffen werden, die jeden Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich machte. In der Bundesrepublik fand diese Idee Beifall. Denn die damalige Bundesregierung sah in einer Integration der westeuropäischen Staaten und deren "Magnetwirkung" für Osteuropa zum einen die Chance, die deutsche Wiedervereinigung voranzutreiben, 37 und zum anderen erhoffte man sich eine Stärkung der bundesdeutschen Souveränität, wenn man über ein derartiges Abkommen verhandeln durfte und in einem möglicherweise zu schließenden Vertrag gleichberechtigtes Mitglied wäre. 38 Der Abbau der deutsch-französischen Erbfeindschaft sollte den Grundstein für eine europäische Föderation legen, die zur Bewahrung des Friedens unerläßlich erschien: 39 "L'Europe ne se fera pas d'un coup ni dans une construction d'ensemble: eile se fera pardes realisations concretes creant d'abord une solidarite de fait". 40 Inhaltlich sah der Vorschlag Schumans vor, daß die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde unterstellt werden sollte, und zwar in einer Organisation, die anderen Ländern Europas zur Teilnahme offenstehen sollte. Insofern bewegte sich der SchumanPlan auf dem Weg des Funktionalismus, der einen Zusammenschluß Europas durch einen einzigen konstitutionellen Rechtsakt für ausgeschlossen hielt. Stattdessen sollte zunächst die schrittweise Harmonisierung der Interessen der beteiligten Staaten und Völker erreicht werden. Als Beispiel für den Erfolg einer solchen Vorgehensweise hatte man dabei stets die Entwicklung des deutschen Zollvereins (Gründung des deutschen Zollvereins 1834 durch Friedrich v. List) vor Augen, der über Umwegen zur Bildung des Deutschen Reiches führte. 41 Der von Schuman gewählte Ausdruck "Haute Autorite" für das gemeinsame Kontrollund Lenkungsorgan erinnerte zudem an die im Europarat aufgestellten Forderungen nach Bildung einer "politischen Autorität" mit begrenzten Funktionen, aber echten Befugnissen. Der Vorschlag Schumans erschien somit als Erfüllung europapolitischer Forderungen. Nach langwierigen Verhandlungen 42 einigten sich schließlich Deutschland, Italien, Frankreich und die Beneluxstaaten darauf, ihr Gebiet für Kohle und Stahl zu einem einzigen Wirtschaftsraum ohne Ein- und Ausfuhrzölle oder sonstige Handelsschranken zu deklarieren. Im 1951 geschlossenen Vertrag über die Montanunion (EGKS-Vertrag) 43 wurde neben der neunköpfigen "Hohen Behörde" Adenauer, zitiert nach Küsters, S. 42; Gerstenmaier, S. 53. Müller-Roschach, S. 9. 39 Monnet, S. 380. 40 Schuman, zitiert nach Monnet, S. 355. 41 Ziebura, S. 169; Carstens, Rede anläßlich des 150. Jahrestages der Gründung des deutschen Zollvereins, vgl. VWD v. 19. 1. 1984, S. 2. 42 Einzelheiten bei Monnet, S. 403 ff. 37

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mit Sitz in Luxemburg ein Ministerrat, bestehend aus Vertretern der nationalen Regierungen, eine Gemeinsame Versammlung als parlamentarisches Organ und ein Gerichtshof geschaffen. Zum ersten Mal war eine Internationale Organisation mit staatlich-föderalen Elementen in Form von Exekutive, Legislative und Judikative ausgestattet worden. Es wurden gemeinschaftliche Organe gebildet, die nicht der Kontrolle der einzelnen Nationalstaaten unterstanden, und den einzelnen Rechtssubjekten der Mitgliedstaaten wurden unmittelbare Rechte eingeräumt (Art. 69 EGKSV). Für diesen Typus einer Internationalen Organisation prägte man den Begriff "Supranationale Organisation". 44 Als eine weitere Teilintegration wurde- noch vor Unterzeichnung des EGKSVertrages -vorgeschlagen, die angestrebte Zusammenarbeit auf den militärischen Sektor auszudehnen (Pleven-Plan). 45 Der Pleven-Plan fand bei den europäischen Regierungen erheblich weniger Zustimmung als der Vorschlag Schumans. Dies lag daran, daß man in Westeuropa und den USA längst die Notwendigkeit eines bundesdeutschen Verteidigungsbeitrags erkannt hatte und deshalb schon seit einiger Zeit über dessen Ausgestaltung im Rahmen der NATO beriet. Nur Frankreich lehnte jede deutsche Beteiligung an der atlantischen Allianz aus Furcht vor der Schaffung einer eigenständigen nationalen deutschen Armee ab. Der Vorschlag Frankreichs zur Bildung einer Europäischen Armee erschien deshalb vielen als Verzögerungstaktik, um eine bevorstehende Einigung im Rahmen der NATO zu vereiteln. 46 Dennoch wurde der Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) am 27. 5. 1952 unterzeichnet. 47 Gleich im Anschluß daran wurde von einem Sonderausschuß der Versammlung der EGKS unter Vorsitz Heinrich von Brentanos der Versuch unternommen, einen Vertrag über die Errichtung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) zu entwerfen. Bereits im März 1953 lag das Ergebnis vor: 48 Im wesentlichen sollte ein Europäisches Parlament geschaffen werden, das aus einer unmittelbar gewählten Völkerkammer und einem von den nationalen Parlamenten beschickten Senat bestehen sollte, wobei dem Senat das Recht zustehen sollte, den Präsidenten des Europäischen Exekutivrates zu wählen. Dieser "Europäische Exekutivrat" sollte in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und EGKSV, in Sartorius II, Nr. 145. U. a. Schweitzer/Hummer, S. 211 ff.; H. P. Ipsen, in: FS Scheuner, S. 211 ff.; Cerexhe, S. 117 f. 45 Pleven-Pian, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 149 ff. 46 Einzelheiten hierzu bei ComidesNolle, EA 1951, 3961 ff. 47 Zur innenpolitischen Auseinandersetzung über den EVG-Vertrag in der BR Deutschland vgl. Müller-Roschach, S. 25 ff.; BVerfGE 1, 396 ff. 48 Entwurf eines Vertrages über die Satzung der Europäischen Gemeinschaft I Europäische Politische Gemeinschaft (EPG), abgedruckt bei J. Schwarz, S. 242 ff. 43

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

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dem zu schaffenden Rat der nationalen Minister Gesetzgebungsbefugnisse ausüben. In Frankreich hatten sich aber inzwischen die politischen Machtverhältnisse geändert. Die Gaullisten und Kommunisten, die beide einem engen westeuropäischen Zusammenschluß skeptisch gegenüberstanden, hatten in der Französischen Nationalversammlung an Einfluß gewonnen. Als am 30. 8. 1954 die Französische Nationalversammlung die Ratifizierung des bereits unterzeichneten EVG-Vertrages ablehnte, waren die Bemühungen, die europäische Einigung auf einen weiteren Teilbereich neben der EGKS - nämlich die Verteidigungauszudehnen, vorläufig gescheitert. Nach der französischen Ablehnung des EVGVertrages hatte auch der noch weiterreichende Verfassungsentwurf der EPG keine Chance mehr, verwirklicht zu werden. Die Motive für die französische Ablehnung der Ratifizierung des EVG-Vertrages waren vielschichtig. Neben den nationalen Vorbehalten gegen eine deutsche Wiederbewaffnung war es außerdem die französische Verwicklung in den lndochina-Konflikt, der nur aufgrundder Hilfe der Sowjetunion, einer entschiedenen Gegnerin sämtlicher westeuropäischer Einigungsversuche, für Frankreich glimpflich gelöst werden konnte. 49 Mit der EPG war der konstitutionelle Ansatz zur Schaffung einer westeuropäischen Föderation zunächst gescheitert. Der Versuch einer umfassenden supranationalen, sicherheitspolitisch-militärischen, allgemein-politischen und wirtschaftlichen Integration wurde in der Folgezeit geteilt und auf unterschiedliche Ebenen verlagert. Eine neue Initiative in diesen Bereichen mußte zur damaligen Zeit berücksichtigen, daß ein europäischer Zusammenschluß in Form eines supranationalen Bundesstaats kurzfristig aufgrund des Wiedererstarkens der Nationalstaaten keine Realisierungschance besaß. 5° Für führende Buropapolitiker (u. a. Hallstein, Spaak, Beyen) bestand deshalb die Gefahr, daß die im Rahmen der EGKS erreichte Zusammenarbeit durch vorherrschende anti-europäische Strömungen hinweggespült werden könne, wenn es nicht gelänge, den Integrationsprozeß neu zu beleben.

c) Die Römischen Verträge: EWGV und EAGV Mit der Außenminister-Konferenz der Montanunion-Länder vom 1. 3. 6. 1955 in Messina gab es dann den neuen funktionalistischen Auftrieb für die europäische Einigung ("Relance Europeenne").5' Monnet schlug eine neue, spezialisierte Behörde für die Entwicklung der Atomenergie vor. Die holländische und die belgisehe Regierung machten den Vorschlag, die Methode Monnets 49

5o 51

Einzelheiten bei Latte, S. 49 ff. , 53 ff. Küsters, S. 128 f. Konferenz von Messina: Schlußresolution, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 275 f.

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nicht nur auf den einen oder anderen Wirtschaftssektor, sondern auf die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit anzuwenden, um dadurch zu ihrer Vereinigung zu gelangen. 52 Der unter Leitung des belgiseben Außenministers Spaak daraufhin eingesetzte Sachverständigenausschuß legte im April 1956 hierzu seinen Bericht vor. 53 Ausgangspunkt der Überlegungen waren die Erfahrungen, die sich auf die Tätigkeit der EGKS stützten, nämlich daß eine Teilintegration schon nach wenigen Jahren an ihre inneren Grenzen stoße und somit einer Gesamtintegration keinen neuen Impuls geben könne. Eine wirtschaftliche Integration müßte somit, um erfolgversprechend zu sein, nicht nur Teilbereiche, sondern die gesamte Wirtschaft in den Einigungsprozeß einbeziehen. Aufgrund seiner besonderen Bedingungen sollte für den Atomenergiesektor mit einer eigenen europäischen Organisation eine Ausnahme von diesem Konzept gelten. 54 Kernstück der Vorschläge war die Bildung einer Zollunion der Mitgliedsländer, die den Gemeinsamen Markt hereiführen sollte. Für die institutionelle Ausgestaltung der neuen Wirtschaftsorganisation diente die EGKS als Vorbild. Auf der Grundlage dieses Berichts wurden am 25. 3. 1957 die "Römischen Verträge" zur Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) unterzeichnet und im folgenden von den Mitgliedstaaten auch ratifiziert. 55 Getragen wurden die Verträge von der Erkenntnis, daß keine der europäischen Nationalwirtschaften ohne Schaffung eines großen europäischen Binnenmarktes gegenüber den Wirtschaftssystemen der USA und auch der UdSSR konkurrenzfähig bleiben könnte. 56 Somit zielten die Beschlüsse einerseits auf die wirtschaftliche Erstarkung Westeuropas, andererseits auf die Einleitung einerneuen Phase auf dem Weg zu einem geeinten Europa. 57 Geschehen sollte beides mittels einer gemeinsamen Zollunion, die man mit Hilfe der Freiheiten des Waren-, Personenund Kapitalverkehrs und einem allgemeinen Diskriminierungsverbot absicherte. Außerdem sah der EWGV eine Koordination der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten und eine Zusammenarbeit in sozialen Fragen vor. Im institutionellen Bereich richtete man dieselben Organe ein, die sich schon bei der EGKS bewährt hatten. Auffallend war jedoch, daß in Anbetracht der allgemeinen politischen Entwicklung und der Stärkung nationalstaatlicher Interessen die Befugnisse der Gemeinsamen Versammlung und der Kommission im Vergleich zum Montanvertrag zurückgedrängt wurden. 58 In Art. 2 EWGV wurde die Förderung "engerer Monnet, S. 510 ff., 528 ff. Bericht der Delegationsleiter des von der Konferenz von Messina eingesetzten Regierungsausschusses an die Außenminister (Spaak-Bericht), Brüssel, 21. 4. 1956. 54 Monnet, S. 531. 55 EWGV, in Sartorius II, Nr. 150; EAGV, in Sartorius II, Nr. 200. 56 Spaak-Bericht, Vorwort, S. 9 ff. 57 Küsters, S. 437; J. Schwarz, S. 278. 52

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Beziehungen" zwischen den Mitgliedstaaten als Aufgabe der EWG verankert. Konkretere Aussagen über eine engere politische Zusammenarbeit oder die Formen, die sie annehmen könnte, fehlen. Doch ging man davon aus, daß die EWG durch die Vergemeinschaftung der gesamten Wirtschaft eine Eigendynamik entfalten werde, die bald zur Herausbildung weiterer gemeinsamer Zielsetzungen und Politiken sowie eines europäischen Gemeinschaftsbewußtseins führen werde. Der Weg zu einer weiteren europäischen Einigung in Gestalt der fortschreitenden sektoralen Teilintegration schien vorgezeichnet. Der von Großbritannien ausgearbeitete Entwurf einer Europäischen Freihandelszone (EFTA) besaß für die "Sechs" nach ihrer Einigung über eine Zollunion keinen Anreiz. Bei der weiteren Entwicklung der europäischen Einigung im Rahmen der EWG stand Großbritannien somit zunächst im Abseits. 59 Am 1. 1. 1958 konstituierten sich die beiden neuen Integrationsgemeinschaften. 3. Die frühe europäische Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinschaftsverträge sowie ältere Initiativen zu deren Fortentwicklung

Angesichts der Erfolge der Gemeinschaft auf wirtschaftlichem Gebiet 60 und angesichtsdes Wunsches nach engerer Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen gewann die Frage der politischen Zusammenarbeit wieder an Aktualität. a) Fouchet-Plan

In den Jahren 1960- 1962 legte der französische Delegationsleiter eines von den Staats- und Regierungschefs eingesetzten Studienausschusses, Christian Fouchet, mehrere Entwürfe für einen Vertrag über die Gründung einer Union der europäischen Völker vor. 61 Danach war in Form einer völlig konföderalen, zwischenstaatlichen Konstruktion die Gründung einer "unauflöslichen" Union der europäischen Staaten vorgesehen, die sich u. a. die "Annahme" einer gemeinsamen Außenpolitik, "enge Zusammenarbeit" auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet sowie eine "gemeinsame Verteidigungspolitik" zum Ziel setzte. Während die meisten EWG-Partner dadurch eine Zurückstufung ihrer Zusam58 Vgl. z. B. Art. 95 EGKSV und Art. 236 EWGV bzw. Art. 14 EGKSV und Art. 189 EWGV. 59 Küsters, S. 434 ff. 60 Die Steigerungsraten des Sozialprodukts waren innerhalb der EWG höher als in den vergleichbaren Ländern (EFI'A und USA), vgl. Statistisches Bundesam!.Wiesbaden (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch für die BR Deutschland, 1965, Internationale Ubersichten, s. 16 f. 61 Entwürfe für einen Vertrag über die Gründung einer Union der Europäischen Völker (Fouchet-Piäne), abgedruckt bei J. Schwarz, S. 363 ff.

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menarbeit befürchteten, gingen Frankreich diese Vorschläge zu weit. 62 De Gaulle ging zwar einerseits davon aus, daß eine wirtschaftliche Integration - ohne eine politische Integration - nicht ausreiche, denn man könne keine bedeutenden wirtschaftlichen Maßnahmen ergreifen, die nicht gleichzeitig politische Akte seien. Auf der anderen Seite seien doch allein die Staaten legitimiert, solche Entscheidungen zu treffen. Deshalb müsse man mit einer Zusammenarbeit der Staats- und Regierungschefs und der zuständigen Minister beginnen. Die Vorstellung dagegen, daß die supranationalen Organe der EG und das Europäische Parlament befugt seien, wichtige verbindliche Entscheidungen zu treffen, sei eine Träumerei aus Tausendundeiner Nacht ("L'Europe des Etats"). 63 In der Folge galt die Aufmerksamkeit der sechs Mitgliedstaaten wieder zunehmend ihrer wirtschaftlichen Integration, die stetig voranschritt (Beginn der zweiten Stufe der im EWG-Vertrag vorgesehenen Übergangszeit: 1. 1. 1962).

b) Luxemburger Kompromiß 1965löste der Plan der EWG-Kommission unter Walter Hallstein, die Gemeinschaft von nun an statt mit Beiträgen der Mitgliedstaaten mit eigenen Einnahmen aus Agrarabschöpfungen und Zöllen zu finanzieren und dem Europäischen Parlament Haushaltskontrollbefugnisse einzuräumen, die bis dahin schwerste Krise der Europäischen Gemeinschaft aus (Verfassungskrise der Gemeinschaft). 64 Die französische Regierung weigerte sich, diesen Vorschlägen zuzustimmen und sprach darüber hinaus der Kommission ihren politischen Status ab. Die Kommission solle sich auf ihre "technischen" Aufgaben beschränken und als Vermittler zwischen den Regierungen tätig werden. Außerdem dürfe das Mehrheitsprinzip im Ministerrat nicht dazu führen, daß ein Mitgliedstaat bei eigenem vitalen Interesse gegen seinen Willen überstimmt werde. Von einer Verstärkung der Rechte des Europäischen Parlaments war auf französischer Seite schon gar keine Rede. 65 Als die anderen Vertragsstaaten nicht auf die französische Linie einschwenkten, rief Frankreich seinen Ständigen Vertreter bei der Europäischen Gemeinschaft nach Paris zurück und beteiligte sich im Jahre 1965 nicht mehr an den Sitzungen des Ministerrats (,,Politik des leeren Stuhls"). Erst im Januar 1966 gelang es, eine Vereinbarung zu erzielen (sog. "Luxemburger Kompromiß"). 66 Der für beide Teile erträgliche, wenn auch für die Zukunft der Gemeinschaft höchst nachteilige "Kompromiß" sah vor, daß vor Abstimmungen im Ministerrat Von der Groeben, S. 163 ff. De Gaulle: Für ein "Europa der Vaterländer" und nicht "der Mythen und Fiktionen" (Pressekonferenz vom 15. 5. 1962), abgedruckt bei J. Schwarz, S. 381 ff.; vgl. auch Nunez Carcia Sanco, S. 16 ff., 19 f . 64 Der Wortlaut der Vorschläge ist abgedruckt in EA 1965, D 404 ff. 65 Einzelheiten bei von der Groeben, S. 273 ff. 66 "Luxemburger Kompromiß", in: EA 1966, D 85 f . 62 63

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

auf dem Verhandlungswege das Äußerste zu versuchen sei, um zu einer Übereinstimmung aller zu gelangen. Gleichzeitig stellten die sechs Mitgliedstaaten jedoch fest, daß für den Fall, daß ein solches Einvernehmen nicht zustandekommen sollte, ihre Meinungsverschiedenheiten über das weitere Vorgehen in einem solchen Fall bestehen bleiben ("Agreement to disagree"). 67 Rechtlich bestand das Mehrheitsprinzip also fort, tatsächlich wurde jedoch damit grundsätzlich der Einstimmigkeitsgrundsatz eingeführt. 68 In der weiteren Frage der Stellung der Kommission gegenüber dem Ministerrat wurden die jeweiligen vertraglichen Kompetenzen der beiden Institutionen bestätigt. Nach dieser Krise der EWG trat eine gewisse Ernüchterung bei den Mitgliedstaaten ein. Sie erkannten, daß eine fortschreitende Europäische Integration von nun an nicht mehr schnell und problemlos durchzuführen wäre. Die Bereitschaft der Sechs, auf die Gemeinschaftsinteressen Rücksicht zu nehmen, war wegen der Uneinigkeit über die Grundlagen der Buropapolitik geschwunden. 69 Insofern markieren die Luxemburger Beschlüsse von 1966 das Ende dererfolgreichen Integrationsphase in den Gründerjahren der EG. Von nun an gestaltete sich die Fortentwicklung immer schwieriger und langwieriger. c) Davignon-Bericht und Werner-Plan Nach dem Abtreten De Gaulfes von der politischen Bühne unternahmen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer unter Beteiligung ihrer Außenminister in Den Haag am 1. 12. 1969 einen neuen Anlauf zu einer "Vertiefung und Erweiterung" der Gemeinschaft. 70 Es wurde beschlossen, mit Großbritannien, Dänemark, Irland und Norwegen Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Außerdem wurden die jeweiligen Außenminister mit der Prüfung der Frage beauftragt, "wie in der Perspektive der Erweiterung am besten Fortschritte auf dem Gebiet derpolitischen Einigung erzielt werden können" (Davignon-Bericht). Zur Stärkung des internen Zusammenhalts sollte ferner ein Stufenplan für die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion ausgearbeitet werden (WernerPlan). Der Davignon-Bericht 71 an die Staats- und Regierungschefs wurde im Oktober 1970 veröffentlicht. Er sah eine Intensivierung der Zuammenarbeit in allen wichtigen Fragen der Außenpolitik durch zumindest zwei jährliche Treffen der Verdross/Simma, S. 382 f. U. a. Thom, EA 1982, D 224; insgesamt hierzu Streinz, Die Luxemburger Vereinbarung, München 1984. 69 Von der Groeben, S. 337 ff. 10 Kommunique der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der EG in Den Haag, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 421 ff. 71 Davignon-Bericht: Bericht der Außenminister der Mitgliedstaaten der EG an die Staats- und Regierungschefs betreffend mögliche Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 425 ff. 67 68

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Außenminister vor. Regelmäßiger Informationsaustausch und Konsultationen sollten zu einem besseren gegenseitigen Verständnis, einer Stärkung der Solidarität und, soweit möglich, zu einem gemeinsamen Vorgehen auf außenpolitischem Gebiet führen. Europa sollte fortan mit einer Stimme sprechen. Mit Billigung dieses Berichts durch die Mitgliedstaaten war der Grundstein für die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) gelegt, die von nun an neben den Europäischen Gemeinschaften die zweite Säule der Europäischen Integration bildete. In Art. 30 der im Februar 1986 von den Mitgliedstaaten unterzeichneten Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) wurde die europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik inzwischen auf eine vertragliche Grundlage gestellt. 72 Dem Werner-Plan, 73 der die Umwandlung der EWG von einer Zollunion zu einer Wirtschafts- und Währungsunion vorschlug, war nicht derselbe Erfolg beschieden. Zwar wurde er 1971 von den Wirtschafts- und Finanzministern der Mitgliedstaaten gebilligt, in den folgenden wirtschaftlichen Krisenjahren ("Ölkrise") zeigten sich jedoch erhebliche nationale Unterschiede in der Art der Ausübung der Wirtschafts- und Finanzhoheit, so daß eine Vergemeinschaftung dieser Bereiche auch heute noch größtenteils aussteht. Gewisse Fortschritte wurden auf dem Gebiet der währungspolitischen Zusammenarbeit durch Gründung des Europäischen Währungssystems (EWS) 1978 erreicht. 74 Dieser feste Wechselkursverband, dem die meisten EG-Mitgliedstaaten (aber ohne Großbritannien) angehören und dessen Kernstück die ECU (European Current Unity) ist, schaffte es, ein höheres Maß an Währungsstabilität in der Gemeinschaft und eine größere Koordination der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten zu erreichen (vgl. Art. 20 EEA). 75

d) Erweiterung der EG und Bildung eines Europäischen Rates Am 22. 1. 1972 traten Großbritannien, Dänemark und Irland der EG bei. Aus der Sechser- war eine Neunergemeinschaft geworden. Die daraufhin in Paris stattfindende erste Gipfelkonferenz der erweiterten EG beschloß 76 u. a. als "vornehmstes Ziel", die Umwandlung der Gesamtheit ihrer Beziehungen in eine Europäische Union vor Ablauf jenes Jahrzehnts anzustreben. Ferner wurden neue, 12 Einheitliche Europäische Akte, unterzeichnet von den Außenministern der EGMitgliedstaaten in Luxemburg im Februar 1986, EA 1986, D 163 ff. (D 176 ff.). 73 Wemer-Bericht: Bericht einer vom Rat der Europäischen Gemeinschaften eingesetzten Arbeitsgruppe an Rat und Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft, abgedruckt bei J. Schwarz, s. 429 ff. 74 Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates über seine Tagung in Brüssel am 4./5. 12. 1978, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 607 ff. 75 Einheitliche Europäische Akte, EA 1986, D 163 ff. (D 170). 76 Erklärung der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der erweiterten Europäischen Gemeinschaft in Parisam 19./20. 10. 1972, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 485 ff.

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in den Verträgen nicht vorgesehene Aktionsfelder für die Gemeinschaft festgelegt (Regional-, Umwelt- und Energiepolitik). Vor dem Hintergrund der durch den Nahostkonflikt ausgelösten Öl- und Wirtschaftskrise gerieten diese Beschlüsse zunächst weitgehend in Vergessenheit. 77 Erst im Dezember 1974 unternahm man wieder in Paris einen Versuch, die europäischen Einigungsbemühungen neu zu beleben. Man kam überein, dreimal jährlich - und gegebenenfalls häufiger - Treffen der Staats- und Regierungschefs als "Europäischer Rat" abzuhalten. 78 Im "Europäischen Rat" sollte die Gesamtheit der die Mitgliedstaaten betreffenden Probleme, wie Außen-, Sicherheits-, Konjunktur- und Währungspolitik, erörtert und koordiniert werden. In die Struktur der Gemeinschaftsverträge wurde dieser "Europäische Rat" zunächst nicht eingegliedert, sondern er sollte gleichermaßen über den Vertragsinstitutionen stehen, was auch an seinem größeren Zuständigkeitsbereich zu erkennen war. Inzwischen sichert Art. 2 EEA die Institution des "Europäischen Rates" auf Gemeinschaftsebene vertraglich ab. 79 Im Gegensatz zu den "echten" Gemeinschaftsorganen bleibt beim Europäischen Rat die volle Souveränität der Einzelstaaten erhalten. 80 Er ist kein "supranationales" Organ, sondern eher ein politisches Superorgan, das dem Typ "klassischer" Regierungskonferenzen ähnelt. 81 Einerseits ermöglicht die Errichtung des Europäischen Rates den Staats- und Regierungschefs, verstärkt ihr politisches Gewicht in Gemeinschaftsfragen zur Geltung zu bringen, andererseits wird dadurch erheblich in die Initiativfunktionen der Kommission eingegriffen. 82 e) Tindemans-Bericht In Paris wurde außerdem der belgisehe Premierminister Tindemans aufgefordert, einen Bericht darüber auszuarbeiten, wie die Gesamtheit der Beziehungen der Mitgliedstaaten in eine "Europäische Union" umgewandelt werden könnte. In seinem 1976 vorgelegten Plan 83 beschrieb Leo Tindemans die Schaffung der Europäischen Union als eine "qualitative Veränderung", die sich nicht automatisch aus der Integration der Volkswirtschaftssysteme ergäbe. Kennzeichnend für eine Union sei vielmehr das gemeinsame Auftreten nach außen, also das gemeinsame Handeln in allen wichtigen Bereichen der Außenbeziehungen. HinJean Lecerf, S. 50 ff.; Michel Albert, S. 15 ff. Kommunique über die Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften in Paris am 9./10. 12. 1974, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 519 ff. 79 Einheitliche Europäische Akte, EA 1986, D 163 ff. (D 165). 80 Constantinesco, S. 501 ff.; Wessels, S. 130 ff. 81 Schweitzer/Hummer, S. 68. 82 Wessels, S. 307 ff. 83 Tindemans-Bericht über die Europäische Union, 29. 12. 1975, abgedruckt bei J. Schwarz, S. 527 ff. 11

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zukommen müßte, daß die Europäische Union die wechselseitige Abhängigkeit des wirtschaftlichen Wohlstands der EG-Staaten erkenne und daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehe, nämlich in erster Linie die Ausarbeitung einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik. Außerdem erfordere die Union eine wirkliche und wirksame Solidarität der europäischen Völker, was die Durchführung einer sinnvollen Regional- und Sozialpolitik voraussetze. In einzelnen Fragen, vor allem wirtschaftlicher Natur, hielt Tindemans dabei eine "abgestufte Integration" (gemeinsames Vorgehen von zunächst nur einigen Mitgliedstaaten, dem sich die anderen Gemeinschaftsländer erst nach und nach anschließen; vgl. heute EWS und Art. 15 EEA) 84 für denkbar. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben sollte die Europäische Union mit Organen ausgestattet werden, die über die notwendige Autorität und die für eine demokratische Kontrolle erforderliche Legitimität verfügen. Die Summe der dabei nebeneinander erzielten Fortschritte sollte die Europäische Union darstellen. Nach Beratung des Berichts schloß sich im November 1976 der Europäische Rat der vorgeschlagenen Konzeption der Europäischen Union an. 85 Als konkrete Maßnahme wurde jedoch nur beschlossen, den Ministerrat und die Kommission zu beauftragen, einmal jährlich über die erzielten Ergebnisse und die kurzfristig erreichbaren Fortschritte in den verschiedenen Bereichen der Union Bericht zu erstatten. Die "qualitative Veränderung", die nach Tindemans für die Europäische Union kennzeichnend sein sollte, wurde nicht bewirkt. Seine Initiativen verfingen sich in den Schlingen der Diplomatie, und echte Fortschritte gab es kaum. 86

4. Direktwahl des Europäischen Parlaments und weitere Reformvorschläge zur Gründung einer Europäischen Union Einigung erzielte man schließlich über die Einführung der in Art. 138 Abs. 3 EWGV vorgesehenen direkten Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Mit der 1979 zum ersten Mal abgehaltenen Wahl erhielten die EGInstitutionen eine unmittelbare demokratische Legitimation. Obwohl sich die anfangs damit verbundenen Hoffnungen auf neuen Schwung für die Europäische Integration 87 beileibe nicht alle erfüllten, war damit eine Entwicklung eingeleitet, die nicht mehr aufzuhalten war. Auch angesichts bevorstehender neuer Erweiterungen der Gemeinschaft- Griechenland wurde am 1. 1. 1981 10. Mitgliedstaat, Gert Meier, NJW 1987, S. 542. Erklärungen des Europäischen Rates auf seiner Tagung in Den Haag am 29./ 30.11.1976, EA 1977, D57ff. (D58). 86 Opperrnann, Symposium 1978, S. 88; Spinelli, EA 1982, D 404 ff. (D 405); Wessels, S. 196 f. 87 U. a. Pescatore, in: Opperrnann, Tübinger Europa-Colloquium, In welches Europa führen die Direktwahlen? Perspektiven künftiger Verantwortung, 1978, S. 62 f.; Oppermann/Kilian, EuR 1981, S. 366 ff. (376 ff.). 84 85

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Spanien und Portugal folgten am 1. 1. 1986- und um das Ziel der Europäischen Union nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren, begann man umfassende Reformvorschläge für die Gemeinschaftsverträge auszuarbeiten. Ziel war dabei, den Entscheidungsmechanismus innerhalb der Gemeinschaftsorgane zu vereinfachen, dem Europäischen Parlament mehr Rechte einzuräumen und die Gemeinschaftsaktion auf neue Tätigkeitsfelder auszudehnen.

a) Feierliche Erklärung zur Europäischen Union Die vom deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und seinem italienischen Amtskollegen Emilio Colombo ausgehende Initiative zur Verabschiedung einer "Europäischen Akte" 88 führte 1983 zur "Feierlichen Erklärung zur Europäischen Union" der Mitgliedstaaten in Stuttgart. 89 In ihr legten sich die Mitgliedstaaten auf das Ziel der Europäischen Einigung, nämlich die Europäische Union, fest. Es sollte ein neuer Weg für die Fortentwicklung der EG zur Europäischen Union aufgetan werden, der nicht das Wünschbare postuliert, sondern das Erreichbare formuliert. 90 Im einzelnen sah die Deklaration die Zusammenführung der Entscheidungsstrukturen der EG und der EPZ unter der Verantwortung des Europäischen Rates, eine gewisse Stärkung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments und eine Erleichterung des Abstimmungsverfahrens im Rat vor. Als neue Bereiche für eine europäische Zusammenarbeit wurden insbesondere die Sicherheits- und Kulturpolitik genannt. Gerade die letztere sollte zur Heranbildung eines europäischen Gemeinschaftsbewußtseins dienen. 91 Da sich die Deklaration weitgehend in programmatischen, gemeinschaftsrechtlich unverbindlichen Proklamationen erschöpfte, 92 war Skepsis angebracht, ob ihr ein Schub in Richtung auf die Schaffung der Europäischen Union gelingen könnte. 93 In der Folgezeit richtete der Europäische Rat ein "Dooge-Komitee für institutionelle Fragen" und einen Ausschuß ein, der konkrete Maßnahmen für ein "Europa der Bürger" ausarbeiten sollte. 94 88 Gemeinsamer deutsch-italienischer Vorschlag für die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union. Entwurf vom 4. 11 . 1981 für eine europäische Akte und eine Erklärung zu Fragen der wirtschaftlichen Integration, EA 1982, D 50 ff. 89 Feierliche Deklaration zur Europäischen Union von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf der Tagung des Europäischen Rates in Stuttgart am 19. 6. 1983 unterzeichnet, EA 1983, D 420 ff. 90 Genscher, EA 1982, D 55 ff. (D 58); H. P. Ipsen, EuR 1984, S. 3 u. 6. 91 Ipsen, EuR 1984, S. 7 f. 92 Ipsen, EuR 1984, S. 5 f. 93 Hrbek, Integration 1985, S. 3 ff. (3); Strabreit, EA 1983, S. 445 ff. (447). 94 Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates über die 28. Tagung in Fontainebleau am 25./26. 6. 1984, EA 1984, D 440 f.; im einzelnen:

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b) Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments zur Gründung der Europäischen Union Während sich der Europäische Rat "die Verwirklichung der Europäischen Union ... durch die Vertiefung und Erweiterung des Bereichs europäischer Tätigkeiten" vorstellte, 95 bemühte sich das Europäische Parlament, dieses Ziel im Wege eines ratifizierungsbedürftigen Vertragsschlusses der Mitgliedstaaten zu erreichen. 96 Wegbereiter der Parlamentsinitiative zur Ausarbeitung eines Vertragsentwurfs für die Europäische Union war Altiero Spine/li. 97 Seine Verfassungsidee nahm ihren Lauf über den sogenannten "Krokodils-Club" und den Institutionellen Ausschuß des Europäischen Parlaments, bis schließlich am 14. 12. 1984 im Europäischen Parlament der "Entwurf eines Vertrags zur Gründung der Europäischen Union" verabschiedet wurde. 98 In bewußter Abkehr vom Weg des Europäischen Rates der Politik "der Füße auf der Erde und der kleinen Schritte" 99 wagte das Europäische Parlament den "großen Sprung". 100 Der Vertragsentwurf sah in erster Linie Änderungen auf den Gebieten der Gemeinschaftszuständigkeit und der Gesetzgebung vor. Die Zuständigkeit der Europäischen Union sollte sich nach dem Subsidiaritätsprinzip richten. Was die Gesetzgebungsbefugnisse anging, so sollten sie in der Union vom Rat und vom Parlament gemeinsam ausgeübt werden. Insgesamt ließ sich der Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments als ein Versuch kennzeichnen, den Einfluß der Mitgliedstaaten und ihrer Vertreter auf die Handlungen der Union zurückzudrängen. Das Verfahren für das Inkrafttreten des Vertragsentwurfs sollte von den Regierungen eingeleitet werden, sobald der Vertrag von einer Mehrheit der Mitgliedstaaten der EG, deren Bevölkerung zwei Drittel der Gesamtbevölkerung der Europäischen Gemeinschaft ausmacht, ratifiziert wurde. 101 Dazu kam es aber nicht. Vielmehr mündeten die Reformvorschläge, die trotz grundsätzlicher Unterschiede auch bedeutende Gemeinsamkeiten Stärkung der demokratisch legitimierten Institutionen Europäischer Rat und Eu-

Bericht des Ad-hoc-Ausschusses für institutionelle Fragen an den Europäischen Rat am 29./30. 3. 1985, EA 1985, D 240 ff.; - Bericht des Ad-hoc-Ausschusses für das Europa der Bürger an den Europäischen Rat in Brüssel am 29./30. 3. 1985, EA 1985, D 253 ff. 95 Feierliche Deklaration (FN 89), Ziffer 4.2. 96 Ipsen, EuR 1984, S. 1. 97 Läufer, EA 1982, D 397 ff. (404). 98 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments für eine Europäische Union, EA 1984, D 209 ff. 99 Spinelli, Florenz, 13. 6. 1983, S. 31; Schmuck, Integration 1985, S. 55 ff. (65). 100 Pemice, EuR 1984, S. 126 ff. (132); Everling, Integration 1!1984, S. 12 ff. (21); Tindemans in seinem Bericht, s. FN 83. 101 Pemice, EuR 1984, S. 126 ff. (132); Nickel, Integration 1985, S. 11 ff. (23 f.). 3 Klose

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ropäisches Parlament, Bemühen um die Förderung einer "Europäischen Identität" - , aufwiesen, in der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) in Luxemburg durch die Außenminister der EG-Mitgliedstaaten im Februar 1986. 102

c) Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) Die Einheitliche Europäische Akte bekräftigt zunächst den Willen der Mitgliedstaaten, die Gesamtheit ihrer Beziehungen in eine Europäische Union umzuwandeln. Grundlage der Union sollten einerseits die auf den Gemeinschaftsverträgen basierenden Europäischen Gemeinschaften, andererseits die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik (EPZ) sein. Als gemeinsamen Überbau dieser beiden Pfeiler einer zukünftigen Europäischen Union sieht die EEA den Europäischen Rat vor. Ganz im Sinne der Politik der kleinen Schritte 103 einigten sich die Mitgliedstaaten nur auf sehr behutsame Änderungen und Ergänzungen der Gemeinschaftsverträge. Den "qualitativen Sprung" auf dem Weg zur Europäischen Union stellt die EEA nicht dar. Dem Europäischen Parlament werden zwar zusätzliche Mitwirkungsrechte (Art. 6 - 9 EEA) eingeräumt, und im Rat werden die Möglichkeiten der Mehrheitsentscheidung ausgeweitet (z. B. Art. 21 EEA), doch erreichen diese Maßnahmen bei weitem nicht den Grad, den der Verfassungsentwurf des Europäischen Parlaments oder selbst die Genscher-Colombo-Initiative noch beabsichtigten. Materiell steht die Festlegung der Mitgliedstaaten auf die endgültige Verwirklichung des EG-Binnenmarktes, eines Raums ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist (Art. 13 EEA) im Mittelpunkt. Schwerpunkte der Zusammenarbeit solle11,. vor allem die Rechtsangleichung, die Sozialpolitik sowie als neue Bereiche, die damit als Gemeinschaftsaufgaben vertraglich legalisiert wurden, die Umweltund Forschungs(Technologie)-politik sein. 103• Der kulturelle Bereich wird demgegenüber in der EEA nicht erwähnt. Wie überhaupt das Ziel, den Zusammenhalt der europäischen Völker und die Entwicklung einer "europäischen Identität" zu fördern, unberücksichtigt bleibt. Insbesondere bringt die Einheitliche Europäische Akte für den einzelnen EG-Bürger keine unmittelbare Verbesserung seiner Rechtsstellung. 104 Der Bereich der Freizügigkeit wird in Art. 18 EEA vielmehr ausdrücklich von den neugeschaffenen Harmonisierungsregeln ausgenommen. Ob die EEA den mit ihrem Abschluß erhofften Fortschritt auf dem Weg zur europäischen Einigung bringt, bleibt abzuwarten. Falls es gelingt, den Zeitplan zur tatsächlichen Verwirklichung des Binnenmarkts bis zum 31. 12. 1992 einzu102 Einheitliche Europäische Akte, EA 1986, D 163 ff.; vgl. auch Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. 2. 1986, BGBI. II, S. 1102, Gesetz vom 19. 12. 1986. 103 Vgl. FN 99. 103a Oppermann/Conlan/KloseNölker, in: ORDO, Bd. 38, 1987, S. 209 ff. (219 f.) 104 Glaesner, EuR 1986, S. 119ff. (130).

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halten, wäre in jedem Fall ein großer Schritt in diese Richtung getan. Skepsis ist insofern angebracht, als sich auch in der EEA die unterschiedlichen Interessen und Auffassungen der Mitgliedstaaten über eine europäische Zusammenarbeit widerspiegeln. Denn nicht einmal das sehr bedächtige Vorgehen der GerneiDschaftsakte fand die bedingungslose Unterstützung aller Mitgliedstaaten, wie die Schlußakte zeigt, die allein zwanzig unterschiedliche Erklärungen zum Text der EEA enthält. Im übrigen sehen die neuen Vorschriften der EEA zusätzliche Ausnahmetatbestände vor (vgl. Art. 18 Nr. 4 EEA) und sind oftmals nur sehr vage formuliert (vgl. z. B. Art. 16 Nr. 4, Art. 14 EEA). 105 Es hängt letztendlich vom politischen Willen der Mitgliedstaaten ab, ob die Einheitliche Europäische Akte einen Schritt in Richtung zunehmender Europäischer Integration bringt oder ob sie die Desintegration der Gemeinschaft beschleunigt und besiegelt. 106 5. Gegenwärtiger Zustand der Gemeinschaft

Daß die letztere Möglichkeit nicht einfach von der Hand zu weisen ist, verdeutlicht der Zustand der Gemeinschaft, in dem sie sich seit Jahren befindet. Die Verwirklichung der Zollunion und die weitgehende Respektierung der Marktfreiheiten bewirkten zunächst ein schnelles Wirtschaftswachstum innerhalb der Gemeinschaft, was nicht zuletzt dem Wohlstand ihrer Bürger zugutekam. Mit diesen Erfolgen auf dem Gebiet der Wirtschaftsintegration hielt die Vergemeiosehaftung anderer Bereiche, wie z. B. der Konjunktur-, der Währungs-, der Sozial- und der Strukturpolitik, nicht Schritt. In Zeiten der Wirtschaftskrise und zunehmender Arbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten fehlten der EG somit wirksame ordnungspolitische Mittel, um auf Gemeinschaftsebene dieser Probleme Herr zu werden. In den Mitgliedstaaten nahmen nationale und protektionistische Tendenzen zu. Man unterliegt der Versuchung, die Krise mittels nationaler Alleingänge zu bewältigen. 107 Gefährdete Unternehmen bzw. ganze Wirtschaftszweige (z. B. im Stahl- und Agrarbereich) werden massiv von den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten entgegen Geist und oft auch Buchstaben der Gemeinschaftsverträge durch Beihilfen verschiedenster Art subventioniert; Kampagnen, nur nationale Produkte zu kaufen, werden staatlicherseits gefördert ("Buy British"). 108 Die schlechte wirtschaftliche Lage und das bisherige Fehlen einer wirkungsvollen Regionalpolitik der EG tragen dazu bei, daß sich die bereits bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze zwischen den reichen und den armen Mitgliedstaaten bzw. Regionen weiter verschlechtern. 109 Pescatore, EuR 1986, S. 153 ff. (158). Pescatore, EuR 1986, S. 153 ff. (169). 101 Thom, EA 1982, D 223 ff. ; Weidenfeld, Die Bilanz der Europäischen Integration, S. 33 ff.; Lecerf, S. 277 ff. 108 Bremer, in: Die Zeit vom 13. 2. 1981. 109 Boguslawski, EA 1982, 9 ff. (19); Thom, EA 1982, D 223 ff. (D 224); Gerdes, Integration 1981, S. 169 ff. ( 178). 10s

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3*

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

Neben diesem Nord-Süd-Konflikt innerhalb der EG ist es zudem die seit einiger Zeit in manchen Teilen Europas herrschende Tendenz zur Regionalisierung (z. B. in Belgien und in Spanien), die den Einigungsbestrebungen auf Gemeinschaftsebene entgegenläuft. Die Besinnung auf provinziale Identität und Autonomie drängt das "Vaterland Europa" gegenüber dem "Europa der Regionen" zunehmend in den Hintergrund. 110 Mit der fortschreitenden ökonomischen Verflechtung der Staaten und mit der daraus resultierenden Erkenntnis, daß der Nationalstaat bzw. eine Staatengemeinschaft einer Weltwirtschaftskrise weitgehend machtlos gegenüberstehen, wuchs die Bewegung, sich auf den Teil der Politik zurückzuziehen, in dem Veränderungen und Einflußnahmen noch möglich erscheinen. Insofern ist eine Inkongruenz zwischen der Beziehungswelt eines Großteils der Bevölkerung einerseits und der Europäischen Gemeinschaft andererseits festzustellen. 111 Zwar treten weiterhin etwa 87 % der Bevölkerung der EG-Staaten für eine Europäische Einigung ein, 112 doch läßt sich eine gewisse Buropamüdigkeit unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nicht leugnen. 113 Neben der zu beobachtenden Unfähigkeit der europäischen Institutionen, mit externen wie mit internen Problemen (wie z. B. Arbeitslosigkeit, Rüstungswettlauf, Reform der Agrarpolitik, Süderweiterung der Gemeinschaft) fertig zu werden, ist für die zunehmende Gleichgültigkeit der Bevölkerung gegenüber der EG, deren einseitige Ausrichtung auf eine wirtschaftliche Integration der Mitgliedstaaten, mitursächlich. Der einzelne Gemeinschaftsbürger "erlebt" die EG nicht oder nur selten unmittelbar. Die mit der Schaffung der Gemeinschaft verbundenen Vorteile, wie die Erleichterungen und Verbesserungen bei Arbeitsaufenthalten in anderen Mitgliedstaaten oder das gesteigerte Warenangebot, sind selbstverständlich geworden. Im übrigen wird dem Gemeinschaftsbürger die Mitgliedschaft seines Staats in einer Europäischen Gemeinschaft weder vorteilhaft noch nachteilig bewußt. Die Situation der Gemeinschaft wird zusätzlich durch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten belastet. Einem Zuwachs an Integrationsbreite stehen Verluste in der Integrationstiefe gegenüber. 114 Jede Erweiterung der Gemeinschaft um neue Mitglieder erschwert den Interessenausgleich und die Entscheidungstindung in der EG, zumal die Mitgliedstaaten im Ministerrat grundsätzlich das Konsensprinzip des "Luxemburger Kompromisses" praktizieren, wodurch Kompromißlosigkeit quasi "legalisiert" und belohnt wird. 115 Angestrebte verfahrensmäßige 110 Emil Küng, Universitas 1981, S. 405 ff.; Boguslawski, EA 1982, 9 ff. (17 ff.); Gerdes, Integration 1981, S. 169 ff. (178). 111 Von der Groeben, in: ders. u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Einleitung, s. 53. 112 "Europe as seen by Europeans. European polling 1973 - 1986", European Documentation 4/1986, S. 29. 113 Vgl. Umfragen bei Boguslawski, EA 192, 9 ff. 114 Oppermann, Europarecht, 1989, § 1 I Die europäische Idee, II. 3. c). 115 Thom, EA 1982, D 223 ff. (D 224); Genscher, EA 1983, D 54 ff. (D 57).

I. Europäische Integration

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Verbesserungen (wie z. B. die EEA) allein können aber nichts an der Grundsatzproblematik ändern, die darin besteht, daß es sehr große Interessengegensätze zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten gibt 116 und die nationalen Regierungen aufgrund ihrer einzelstaatlichen Verantwortlichkeit darauf angewiesen sind, zunächst nur die Interessen ihres eigenen Staats zu vertreten. 117 6. Wege aus der Krise

Um die Europäische Gemeinschaft aus ihrer Krise herauszuführen und sie wieder auf den Weg zu einer Europäischen Union zu bringen, ist die mit der Einheitlichen Europäischen Akte eingeschlagene Methode der kleinen Schritte gegenwärtig sicher erfolgversprechender als der "große Sprung" mittels einer Verfassungsreform. 118 Es genügt aber nicht, immer neue Politiken zu vergemeinsehaften und das Abstimmungsverfahren in der Gemeinschaft zu demokratisieren, sondern entscheidend für den Erfolg wird es auch sein, inwieweit das "Europa der Bürger" verwirklicht und für den einzelnen Gemeinschaftsangehörigen die Zugehörigkeit zur EG - z. B. durch die Einräumung zusätzlicher Rechte - spürbar wird. Durch die Entwicklung eines europäischen Gemeinschaftsbewußtseins und die Besinnung auf die "Europäische Identität" ließen sich Entscheidungen der EG-Organe in der Bevölkerung leichter vertreten und durchsetzen. 119 Zur Stärkung des Rückhalts der EG bei den Angehörigen der Mitgliedstaaten und für eine bessere Einbeziehung der Gemeinschaftsbürger in den europäischen Einigungsprozeß müßten zum einen die bereits von der Gemeinschaft in Angriff genommenen Projekte, wie z. B. die Schaffung einer europäischen Paßunion 120 oder die Errichtung eines europäischen Fernsehprogramms 121 und die weitergehenden Vorschläge des Ad-hoc-Ausschusses für das Europa der Bürger, 122 wie z. B. die Erleichterung und Vereinfachung des Grenzverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Gütern des persönlichen Bedarfs oder die Ausweitung der Arbeits- und Aufenthaltsmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten, vollständig durchgeführt bzw. beschlossen werden. Als weitere Bereiche, die Chancen in dieser Richtung bieten könnten, kämen der kulturelle Sektor und der Sport in Betracht. Gerade dem Sport wird allgemein Everling, EA 1979, 737 ff. (740, 745). Everling, EA 1979, 737 ff. (740); May, S. 87; Koppe, S. 24. 11s Chaban-Delmas, EA 1985, 121 ff. (129); Everling, EA 1979, 737 ff. (744). 119 Pemice, EuR 1984, S. 126 ff. (140). 120 Vgl. 8. Gesamtbericht der EG, 1974, Anlage zu Kap. 2, S. 337 ff.; Kommunique, Ziff. 10 u. 11; ABI. 1981, C 241/1; ABI. 1982, C 179/1 ; in der BR Deutschland: BGBI. I, 1986, S. 537 ff. 121 Bericht des Ad-hoc-Ausschusses für das Europa der Bürger an den Europäischen Rat in Brüssel am 29./30. 3. 1985, EA 1985, D 253 ff. 122 Bericht des Ad-hoc-Ausschusses für das Europa der Bürger an den Europäischen Rat in Brüssel am 29./30. 3. 1985, EA 19085, D 253 ff. 116

111

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

eine besondere gemeinschaftsbildende Funktion nachgesagt. Im übrigen würde es sich dabei um ein Aufgabengebiet handeln, das bei den Gemeinschaftsangehörigen auf großes Interesse stößt. 123 Dementsprechend regten die Regierungschefs der Mitgliedstaaten den Ad-hoc-Ausschuß für das Europa der Bürger u. a. an, Möglichkeiten für die Bildung von Europa-Mannschaften im Sport zu untersuchen.124

II. Sport 1. Rang des Sports in der Gesellschaft

Gilt heute noch der Satz vom Sport als der "herrlichsten Nebensache der Welt", oder ist diese Vorstellung inzwischen überholt? Nahezu ein Drittel der Gesamtbevölkerung ( 1985: 31 %) der BR Deutschland, nämlich rund 19,3 Millionen Menschen -bei steigender Tendenz - treiben Sport in ca. 65.000 Sportvereinen. 125 Der Deutsche Sportbund (DSB) ist die größte Personenvereinigung in der BR Deutschland. 126 Sport bildet mit 46 % das häufigste Thema der Alltagsgespräche unter Männern, und Sport im Fernsehen erzielt mit die höchsten Einschaltquoten. 127 Etwa 35 % der Europäer verbringen mehr als eine Stunde pro Woche mit Sport, wobei die Teilnahme am Sport jährlich um 5 - 6 % steigt. 128• Sport ist zu einer Hauptsache in der Gesellschaft geworden. 129 Bereits 1966 legte der DSB in seiner "Charta des deutschen Sports" die Bedeutung des Sports in der BR Deutschland nieder. In dieser Charta heißt es zu Beginn: "Der Sport erfüllt in der modernen Gesellschaft wichtige biologische, pädagogische und soziale Funktionen .. .". 130 Ähnliches vertrat schon 1908 der Mediziner Robert Hessen, der davon ausging, daß Sportaktivität gegen die durch die "Annehmlichkeit der Kultur" verursachten "schweren Gesundheitsschäden", gegen Alkoholismus, für "Stählung des Charakters", "Veredelung der Gemüter der Jugend", Förderung des kameradschaftli123 Claeys, S. 1 ff.; Pilotstudie "Ausländer im Sport", LSB Hessen 1985, Schlußbemerkung. 124 Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates über die 28. Tagung in Fontainebleau am 25./26. 6. 1984, EA 1984, D 440 ff. (442). 12s 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 17. 126 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 17. 121 Von Krockow, S. 91; Geyer, Das Parlament, 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 9, S. 21. 12s Vgl. Council of Europe, Parliamentary Assembly, 10. 9. 1982, Doc. 4948: Communication on the activities of the Committee of Ministers, Objective 13.3. 129 Steiner, DÖV 1983, S. 173 ff. (173); Helmut Schmidt, S. 5. I30 Charta des Deutschen Sports, in: Deutscher Sportbund 1978- 1982, S. 62 ff. (62).

Il. Sport

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eben Umgangs zwischen den Geschlechtern und für Volkserziehung hilfreich sei. 131 Entsprechende Charakteristiken des Sports ziehen sich durch die gesamte Sportliteratur. 2. Funktionen des Sports

Der Sport wird in der BR Deutschland selbstverwaltet, er ist autonom (§ 1 DSB-Satzung). Staatliche Einflußnahmen beschränken sich in der Regel auf die Bereitstellung von Finanzmitteln. 132 Hieraus jedoch den Schluß zu ziehen, der Sport sei unpolitisch, wäre falsch. Zum einen rücken in Sportvereinen und verbänden zunehmend Parteipolitiker in Führungspositionen. 133 Wobei fraglich ist, ob eine Trennung von Parteipolitik und Präsidentenamt stets gelingt. Zum anderen ist die gesellschaftspolitische Komponente des Sports zu berücksichtigen, die ihm aufgrund der behaupteten pädagogischen und sozialen Funktionen zugeschrieben wird. 134 Der Sport hat sozial-integrativ zu wirken, er soll zur Einübung von sozialem Verhalten dienen und Lebenshilfe gegen zunehmende Isolation des einzelnen geben; auf internationaler Ebene soll er ferner zur Völkerverständigung beitragen. 135 Der internationale Sport sei ein Medium der Begegnung von Land zu Land und von Mensch zu Mensch, das einen Beitrag zur Herstellung zwischenmenschlicher Beziehungen leiste l36 (,,Sport als Erziehungsfaktor zur gegenseitigen Verständigung"). 137 Der Sport sei mithin "eine Aufgabe von existentieller Bedeutung". 138 In diesem Zusammenhang den Sport quasi als universelles Heilmittel für Mängel und Schäden unserer Gesellschaft zu betrachten, würde jedoch eine Überschätzung der Möglichkeiten des Sports bedeuten. 139 Denn bei der Lösung von gesellschaftlichen Problemen wäre der Sport, auf sich allein gestellt, "instruRobert Hessen, S. 5, 12 f., 30 ff. 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 9 f., 15 ff.; Kregel, s. 117 f . 133 Vgl. Rösch, S. 50 f.; weiteres Beispiel: Der Kultusminister von Baden-Württemberg ist gleichzeitig Präsident eines Fußball-Bundesligavereins. 134 Helmut Schmidt, 25 Jahre Deutscher Sportbund, S. 5; Weyer (1975), S. 2. 135 Franz-Josef Strauß, S. 21. 136 5. Sportbericht der Bundesregierung, 1982, BR-Drs. 352/82, S. 67. 137 Leitmotiv der V. Europäischen Sportkonferenz 1981 in Warschau, vgl. 5. Sportbericht der Bundesregierung, 1982, BR-Drs. 352/82, S. 66; vgl. auch § 3 Nr. 8 DSBSatzung, in: Deutscher Sportbund 1978 - 1982, S. 45 ff. (46): "DerDSB will in internationaler Zusammenarbeit seinen Beitrag zu Völkerverständigung und Völkerfrieden leisten", ebenso u. a. Art. 1 u. 11 Olympic Charter: ... "to educate young people, ... to bring together the athletes of the world", "promoting and strengthening friendship between the sportsmen of all countries ...". 138 Mitscherlich, zitiert nach Weyer (1974), S. 28. 139 Bemasconi, EP-Sitzungsdokumente 1966-1967,7.3. 1966, Dok. 12; Heinemann, s. 84. 131

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

mentell überfordert und funtional überlastet". 140 Der Sport kann im gesellschaftsund sozialpolitischen Bereich nur ein Hilfsmittel der Politik zur Erreichung ihrer Ziele sein. 141 Im Hinblick auf das politische Ziel der Europäischen Einigung könnten die dem Sport zugeschriebenen sozialen Funktionen, wie die sozial-integrative, kommunikative und völkerverständigende Wirkung nützlich sein. Eine verstärkte Integration der EG-Angehörigen und ein ausgeprägteres Gemeinschaftsbewußtsein als Voraussetzung für ein Fortschreiten des europäischen Einigungsprozesses wären dadurch möglicherweise erreichbar. 3. Wo treten diese Funktionen beim Sport auf?

a) Innerhalb von Gruppen (I) Kleingruppen: Verein, Mannschaft; offene Gruppe

"Sport ist ein Mittel der sozialen Integration und damit der Verwirklichung der Chancengleichheit", heißt es im Programm des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. 142 Hierzu paßt das Wort, daß "auf dem grünen Rasen und unter dem grünen Rasen alle Menschen gleich" seien. 143 Die Gemeinsamkeit sportlicher Betätigung besonders in Sportvereinen und innerhalb einer Mannschaft lassen ein "Wir-Gefühl", ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Solidarität entstehen. 144 Der Sportverein selbst wird als "ein Stück Heimat" 145 und als Erlebnisgemeinschaft gesehen, als ein Raum für Begegnung von Menschen unterschiedlicher Art, unterschiedlicher Religion und unterschiedlicher Bekenntnisse. 146 Die soziale Integration mittels des Sports soll jedoch nicht nur den "aktiven Sportler" erfassen, der über seine Gruppe integriert wird, sondern auch über die Identifikation mit einer Mannschaft die "passiv" beteiligten Zuschauer ("Schlachtenbummler" ). 147 Die Reihe solcher oder ähnlicher Behauptungen ließe sich beliebig fortsetzen. Weis, S. 303. Ader, Sportpraxis in Schule und Verein, 1983, 4, S. 76 f.; Rösch, S. 76 ff. 142 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.): Der Sport in Schule und Hochschule, Programm des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft 1971, s. 5 f. 143 v. Krockow, S. 20. 144 Lauerbach, S. 14 f. 145 Vgl. Plakataktion des DSB 1987: "Im Verein ist Sport am schönsten", vgl. Der Spiegel vom 27. 4. 1987, S. 217 ff. 146 Geyer, Das Parlament, 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 9, S. 8; Weyer (1975), S. 2; Wilhelm, S. 65; vgl. hierzu auch§ I Abs. 1 Bremer Sportförderungsgesetz vom 5. 7. 1976 (GBl. S. 173): "Sport als Wegbereiter zur sozialen Integration der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen . ..". 140 141

II. Sport

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Daß der Sport diese Funktionen besitzt, scheint allgemeingültig zu sein. Denn auch bei Vertretern der aus der Frankfurter Schule entstandenen "neuen Linken" stand die Existenz einer Integrationsfunktion nicht zur Diskussion. Ihre Kritik bezog sich nicht auf die integrative Wirkung, sondern auf deren Bewertung als Mittel zur Stabilisierung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. 148 Erstaunlich an der Sicherheit, mit der diese sozialen Aufgaben des Sports reklamiert werden, ist der Umstand, daß man kaum über gesicherte Belege für die angenommenen Funktionen verfügt und bislang wenig Versuche angestellt wurden, jene hohen Erwartungen mit geeigneten Verfahren zu überprüfen. Erste Zweifel an der integrativen Kraft des Sports wurden von Hammerich geäußert, der aufgrund von Ergebnissen einer empirischen Untersuchung Lüschens zu dem Schluß kam, daß im Sport eine proportionale Mischung von Angehörigen unterschiedlicher sozialer Kategorien generell nicht erfolgt. 149 Statt einer sozialen Integration finde lediglich eine partielle Segregation statt. 150 Unter Integration wird dabei die soziale Eingliederung unterschiedlicher Individuen in eine Gemeinschaft verstanden, sowie die ldenfitikation mit den Werten dieser Gemeinschaft (=Gruppe, die als Einheit betrachtet werden kann; von der Kleingruppe bis zur Gesellschaft). 151 Speziell auf die Eingliederung von Ausländern- somit auch "Marktbürgern" - bezogen, heißt Integration: die Ausländer "so zu stellen, daß sie sich einbezogen und zu Hause fühlen können". 152 In seiner Untersuchung über die "Sportvereine in der BR Deutschland, Teil I" ist Schlagenhaut auch der Frage nachgegangen, ob dem Sport eine derartige Integration gelingt. 153 Vorauszuschicken ist, daß in der BR Deutschland die Sportvereine die eigentlichen Träger der Sportbewegung sind. 154 Das hat verschiedene Gründe: z. B. die Mängel des Schulsports sowie die Tatsache, daß viele Sportanlagen in Vereinseigentum stehen und die Sportvereine das Wettkampfmonopol ausüben. 155 Die sozialen Funktionen, die dem Sport zugeschrieben werden, gelten auch für den Sportverein. Zum Großteil sind sie aufs engste miteinander verbunden (z. B. Integrations- und Identifikationsfunktion sowie Geselligkeit). Insofern gibt eine Untersuchung über die Integrationsfunktion des 147 Wilhelm, S. 46; v. Krockow, S. 73; Geyer, Das Parlament, 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 9, S. 7; Stone, S. 144. 148 Vinnai, S. 15 ff. 149 Lüschen (1963), S. 83; Hammerich, Anstöße 5-6, 1969, S. 189. I5o Hammerich (FN 149). 151 Wilhelm, S. 45. 152 Helmut Schmidt, Regierungserklärung vom 24. 11. 1980, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, S. 35 f.; 5. Sportbericht der Bundesregierung, BR-Drs. 352/82, S. 41. 153 Schlagenhauf, Sportvereine in der Bundesrepublik Deutschland I, Seherndorf 1977. 154 Lauerbach, S. 17. 155 v. Krockow, S. 49 ff., 65; zu neuen Tendenzen im Sport, z. B. Freizeit-Studios, vgl. Der Spiegel vom 27. 4. 1987, S. 217 ff.

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

Sportvereins auch Auskunft über die integrative Bedeutung des Sports allgemein. Festgestellt wurde, daß die Geselligkeit im Vereinsleben trotz zunehmender Versachlichung immer noch ein Drittel bis ein Viertel der mit dem Verein verbrachten Zeit in Anspruch nimmt. 156 Schlagenhaufund zum Teil auch schon Lüschen kommen ferner zu dem Ergebnis, daß generell die Mitglieder der mittleren und oberen Sozialschichten häufiger Sport treiben als Mitglieder unterer Sozialschichten und daß Frauen allgemein unterrepräsentiert sind. 157 Die Gründe hierfür liegen sowohl im familiären, privaten als auch im beruflichen Bereich. Die Mitglieder von Sportvereinen rekrutieren sich dabei stark selektiv. 158 Man spricht vom "Prinzip der selbsttätigen Schichtung". 159 Die gesellschaftlichen Differenzen werden in den Vereinen reproduziert. Hinzu kommt noch die soziale Abkapselung vieler Sportarten (z. B. Golf und Segeln für die oberen Gesellschaftsschiehen einerseits, Boxen und Ringen für untere gesellschaftliche Gruppen andererseits).160 Dies alles macht eine wirksame schichtübergreifende horizontale Integration unwahrscheinlich. 161 Im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten, wie z. B. Theaterbesuche, Volkshochschulkurse, ist der Sport jedoch weiterhin verhältnismäßig schichtenoffen, wie Beispiele zeigen: 162 Nach 1945 leistete der Sport einen wichtigen Beitrag zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre neuen Heimatgemeinden. 163 Auch für die Eingliederung der polnischen Auswanderer Anfang dieses Jahrhunderts im Ruhrgebiet bildete der Sport eine entscheidende Hilfe. 164 Die Behauptung, daß viele durch ihr Sozial- und Berufsschicksal vereinzelte Menschen mit Hilfe der Sportvereine sich neue Lebenskreise erschließen konnten, läßt sich ebenfalls durch obige Beispiele erhärten. 165 In diese Reihe gehören auch die Versuche in der BR Deutschland, die Resozialisierung von Strafgefangenen durch ein verstärktes Sportangebot zu verbessern. 166 Dieses aus deutscher Sicht gewonnene Ergebnis findet eine Bestätigung in zahlreichen Beiträgen ausländischer Sportwissenschaftler. 167 Von einer- wenn auch hinsichtlich des 156 Schlagenhauf, S. 94 ff. 157 Wilhelm, S. 59 ff.; Schlagenhauf, S. 150 ff.; Lüschen (1963), S. 79 ff. 158 Schlagenhauf, S. 173. 159 v. Krockow, S. 61 u. 84. 160 Schlagenhauf, S. 173. 161

Schlagenhauf, S. 173; v. Krockow, S. 83.

162 v. Krockow, S. 84; Krawczyk/Jaworski/Ulatowski, S. 165; Claeys, S. 34 f.

v. Krockow, S. 84 f. Schrader, S. 29. 165 v. Krockow, S. 84. 166 Vgl. § 67 Strafvollzugsgesetz 1976, BGBl. I, S. 581, 2088; siehe Vechtaer Modell - Gefangenen- und Nichtinsassen-Club, beschrieben bei Ruderisch, S. 218 ff. ; siehe Der Spiegel vom 18. 5. 1987: "Häftling spielt in der Amateuroberliga". 167 U. a. Wohl, S. 98 ff.; Ruffmann, S. 104 ff.; zur Integration schwarzer Sportler in den USA vgl. Loy and McElvogue, Racial Segregation in American Sport, in: Albonico/ 163

164

II. Sport schichtenübergreifenden Elements eingeschränkten Sports kann deshalb ausgegangen werden.

43 Integrationsfunktion des

(2) Nation: Geschlossene Gruppe Umfassender im Verhältnis zur beschriebenen Integration in einzelnen Kleingruppen, wie Vereinen und Mannschaften ist die Gesamtintegration einer Nation, entweder aufgrundgemeinsamer sportlicher Betätigung oder aufgrund internationaler Sportvergleiche auf Nationenebene. Wie bei der Kleingruppe, so vollzieht sich auch bei der Nation die Gernelnschaftsbildung zum einen innerhalb des Kreises, der gemeinsam Sport betreibt, zum anderen über die Identifikation mit dieser Gruppe. (a) Gemeinschaftsbildung mittels gemeinsamer Sportbetätigung Als Beispiel für die erste Art nationaler Integration mag die von Friedrich Ludwig Jahn (1778 - 1852)- "Turnvater Jahn" genannt- Anfang des 19. Jahrhunderts initiierte deutsche Turnbewegung gelten. Aus dem Widerstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft heraus erstrebte sie als große Volksbewegung die "nationale Erneuerung" Deutschlands. 168 In ihrem Einsatz für Freiheit und deutsche Einheit (z. B. Beteiligung der Turner an der Revolution 1848/49, Mainz und Hanau) 169 stand sie nur Deutschen offen; sie war sozusagen "völkisch" exklusiv. 170• 171 Die Abgegrenztheit der deutschen Turnbewegung kam noch um 1900 zum Ausdruck, als Deutschland sich weigerte, an ersten internationalen Wettkämpfen teilzunehmen (Olympiade 1896), da ein "solches Treiben germanischem Tun fremd sei". 172 Ähnliche Ziele wie die deutsche Turnbewegung verfolgte 1862 die tschechische Sokol-Bewegung. 173 Während der NS-Zeit wurde das nationale Element, das in der Turnbewegung steckte, als ein Mittel völkischer Radikalisierung mißbraucht. 174 Das Turnen degenerierte zur Wehrertüchtigung. 175 Pfister-Binz (Hrsg.): Soziologie des Sports, Basel 1971, S. 113 ff.; Cleaver, Seele auf Eis, München 1970; Steinkamp, Sport und Rasse- der schwarze Sportler in den USA, Ahrensburg 1976; Rigauer, S. 91 f. 168 Jahn, S. 148 ff., 162 ff. 169 Rösch, S. 26 ff.; Dunning, S. 29; Haffner, in: FAZ vom 25. 6. 1983. 170/171 v. Krockow, S. 49 ff. 172 Geyer (bei Richter), S. 80 f. zitiert den 1. Vorsitzenden der Turnerschaft. 173 v. Krockow, S. 49 ff. 174 v. Krockow, S. 49 ff.; Ruffmann, S. 26 f.; Rösch, S. 41 ff.; Schreiber, in: Frankfurter Rundschau vom 23. 6. 1983. 175 Ruffmann, S. 20 ff.; v. Krockow, S. 49 ff.

44

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

Heute unterscheidet sich das Turnen von anderen Sportarten nur noch durch seine lange und zum Teil zwielichtige Vergangenheit, die jedoch von einigen radikalen Verbänden (Jahn-Bund) wachgehalten wird. 176 Turnbewegungen wie die Jahns lehnen Wettkampfsport ab. Bei ihnen soll die allgemeine Körperertüchtigung und Selbstdisziplinierung im Vordergrund stehen. Von dieser Art des Breitensports, die möglichst das ganze Volk ergreifen soll, verspricht man sich über eine körperliche Ertüchtigung sowohl eine geistige als auch eine nationale Erneuerung. Der von allen betriebene Sport soll dazu beitragen, einer Nation Selbstbewußtsein zu vermitteln. Derartige sportliche Masseninitiativen sind heute selten geworden. Elemente hiervon stecken noch in den Deutschen Turnfesten und den Spartakiaden im Ostblock. 177 Bei letzteren tritt allerdings das nationale Element zugunsten eines sozialistisch-internationalen zurück. (b) Gemeinschaftsbildung mittels Identifikation mit der Gruppe Weitaus häufiger wird heutzutage von der national-integrativen Funktion des Sports im Zusammenhang mit Sport-Länderkämpfen gesprochen. Was die gemeinschaftsbildende Wirkung solcher Ländervergleiche für die zuschauende Nation intern - mittels Identifikation mit der eigenen Nationalmannschaft anbelangt, so bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede im Vergleich zur Situation bei Kleingruppen, bei denen eine gruppeninterne Integration allein über die Identifikation mit dem Verein anerkannt ist. Nur der Umstand, daß es sich bei der Nation um eine geschlossene Gruppe handelt, während die Vereine offen sind, kann eine solche als passiv zu bezeichnende Integrationswirkung im Rahmen der Nation noch verstärken.178

b) Zwischen einzelnen Gruppen (1) Nationen

Neben der Funktion zur nationalen internen Integration mittels Identifikation mit den einheimischen Sportlern werden dem internationalen Sportverkehr extern Beiträge zur Völkerverständigung auf der einen Seite, aber auch eine Art Ersatzkriegsfunktion 179 auf der anderen Seite zugeschrieben. Welche dieser Bedeutungen überwiegt, soll an Hand des nun folgenden aufgezeigt werden:

176 Schreiber (FN 174). Ruffmann, S. 56 ff. 178 Einzelheiten hierzu im folgenden Abschnitt A II 3 b. 179 Lauerbach, S. 6.

111

II. Sport

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In den letzten Jahren sind vermehrt Zweifel aufgekommen, ob internationale Sportwettkämpfe tatsächlich der internationalen Freundschaft und dem gegenseitigen Verständnis zwischen Nationen, Rassen, Religionen und verschiedenen sozialen und ökonomischen Systemen dienen. Internationale Wettbewerbe können nämlich auch zu einer Art von Über-Integration innerhalb nationaler Einheiten und damit zu verstärkter Abgrenzung gegenüber anderen Nationen führen. 180 Zur Lösung dieser Frage ist zwischen Spitzensport und Breitensport einschließlich des Wettkampfsports auf unterer Ebene zu unterscheiden: 181 (a) Im Bereich des Spitzensports Bei internationalen Sportereignissen wie Europa- oder Weltmeisterschaften, Länderkämpfen oder Olympiaden treten Hochleistungssportler der jeweiligen Nationen- zumeist von einem großen Medienpublikum verfolgt- gegeneinander an. Bei derartigen Veranstaltungen steht der Erfolg, das gute Abschneiden, im Mittelpunkt des Interesses. Das Motto vom "Dabeisein ist alles" hat in diesem Bereich in einer Zeit, in der nur der Sieger anhaltende Beachtung findet und der Vierte auf dem "undankbaren" Platz schon zu den Verlierern zählt, viel von seiner Berechtigung eingebüßt. Ursächlich dafür, daß es im Hochleistungssport fast ausschließlich nur noch um den Sieg geht, ist die zunehmende Professionalisierung des Sports. 182 Um erfolgreich sein zu können, muß der Spitzensportler in den meisten Sportarten täglich mehrere Stunden trainieren. 183 Eine geregelte Berufsausübung, die nicht nur zum Schein erfolgen soll, ist nebenher in der Regel ausgeschlossen. Somit gewährt den Athleten nur der sportliche Erfolg die Gewißheit, weiterhin finanziell gefördert und unterstützt zu werden. Es gelten die Prinzipien der Leistungsgesellschaft. 184 Hierunter leiden die oft beschworenen hehren Ziele des Sports. Je stärker der Sport professionalisiert wird, je mehr der Sieg als das Ziel sportlichen Strebens gegenüber den Mitteln, mit denen er erreicht wird, betont wird, je wichtiger schließlich die wirtschaftlichen oder sonstigen Folgen eines Sieges sind, desto höher mag die Wahrscheinlichkeit sein, daß die Regeln des Sports zugunsten anderer Interessen verletzt werden. 185

Seppänen, S. 99; Rösch, S. 93. Gieseler (1978), S. 343; vgl. auch Empfehlung des Modellseminars des Deutschen Sportbundes vom 1.- 3. 9. 1975 in Frankfurt "Sport für ausländische Mitbürger" , S. 204. 182 Vgl. hierzu u. a. Der Spiegel vom 2. 6. 1986, "Dassler will alles kontrollieren", s. 84 ff. 183 Thränhardt, in: Semestertip, Juni 1984; Lohre, in: Sonntag aktuell vom 29. 7. 1984; Lauerbach, S. 8. 184 Lauerbach, S. 9. 185 Weis, S. 303. I 80 I8I

46

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

Auf internationaler Ebene wird der Spitzensport in eine nationale Vertreterrolle gedrängt. 186 Der Begriff der "Nation" wird dabei synonym für den Begriff "Staat" gebraucht. 187 Sportliche Erfolge bei bedeutenden internationalen Wettbewerben werden als nationale Prestigesache angesehen. So bezeichnete J osefN eckermann bei 9ründung seiner Sporthilfe den Sport als ein ausgezeichnetes Mittel zur nationalen Repräsentation und als ein nationales Aushängeschild. 188 Auch Bundeskanzler Helmut Kohl hob in seiner Regierungserklärung 1983 hervor, daß "Leistungssportler unseren Namen in die Welt" hinaustragen und es dabei um "sportliche Ehre für unser Land" gehe. 189 Im übrigen leitet der Bund in der BR Deutschland seine Regelungskompetenz für Teilgebiete des Sports u. a. aus Art. 32 Abs. 1 GG, "Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten" ab, und seine Finanzierungsbefugnisse im Bereich der Sportförderung stützt er auf eine ungeschriebene Zuständigkeit aus der Natur der Sache und kraft Sachzusammenhangs, konkret auf die Gesichtspunkte Auslandsbeziehungen und gesamtstaatliche Repräsentation. 190 Auch im Ausland lassen sich zahlreiche Belege für diese Rolle des Sports finden. General De Gaulle beispielsweise kritisierte das schlechte Abschneiden der französischen Equipe bei den Olympischen Spielen 1960 als eine "nationale Schande" für ganz Frankreich. 191 Vor allem im Ostblock 192 - und dort insbesondere in der DDR 193 - , aber auch in den Entwicklungsländern, wird die nationale Funktion des Sports hoch eingestuft, während sich in den westlichen Staaten Stimmen mehren, die unter den Eindrücken der Olympia-Boykotts von Moskau. und Los Angeles den sportlichen vom staatspolitischen Bereich wieder stärker trennen wollen. 194

186 Dahrendorf, S. 14; Krawczyk/Jaworski/U1atowski, S. 168; vgl. hierzu auch die Einrichtung von Medaillenspiegeln bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympiaden. 187 Geyer (bei Richter), S. 83. 188 Neckermann, zitiert nach Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 9, S. 30. 189 Helmut Kohl, zitiert nach FAZ vom 5. 5. 1983. 190 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 13 f. 19 1 Charles de Gaulle, zitiert nach v. Krockow, S. 111; vgl. auch Der Spiegel 1984, Nr. 32, S. 68 ff. zum amerikanischen Sportchauvinismus während der Olympiade 1984 in Los Angeles; oder vgl. das Telegramm des Staatspräsidenten von Zaire an seine Fußballnationalspieler während der Weltmeisterschaft in der BR Deutschland: "Siegt oder sterbt!" zitiert nach Bizer, S. 171. 192 Ruffmann, S. 99 ff. 193 Gieseler (1982), S. 70 f.; Spassov-Neufeld, S. 23 ff.; Pfister, S. 34; Holzweißig, s. 33 ff. 194 Council of Europe, 3rd Conference of European ministers responsib1e for sport, 8. - 10. 4. 1981, Palma de Majorca: Resolution VII, S. 13 f.: "The increasing impact of international tensions on international sport"; Press Communique, Sixth Meeting of the Working Party of European Ministers Responsihle for Sport, 22. 5. 1978, Paris, S. 22.

li. Sport

47

In der DDR stoßen derartige Tendenzen auf Ablehnung. Kennzeichnend für die staatspolitische Bedeutung des Sports in der DDR ist schon seine Verankerung in der Verfassung (Art. 18 Abs. 3 I 25 Abs. 3 DDR-Verfassung). Walter V/bricht erläuterte 1966 den Sinn des DDR-Spitzensports wie folgt: "Wir sind der Auffassung, daß ein Spitzensportler für unseren Arbeiter- und Bauernstaat mehr leistet und dessen Ansehen mehr hebt, wenn er sich mit der Hilfe der Förderung durch Partei und Staat auf hohe sportliche Leistungen vorbereiten kann, als wenn er an seinem Arbeitsplatz einer von vielen ist." 195 Das Ansehen und den Rang der DDR in der Welt durch sportliche Erfolge zu steigern, war jedoch nur möglich, wenn jedermann mühelos erkennen konnte, daß der jeweilige Sportler aus der DDR kam. Ferner sollte auch auf sportlichem Gebiet die Teilung Deutschlands manifestiert und die Anerkennung der DDR verfolgt werden. Aus diesen Gründen betrieb die DDR vor der Olympiade 1968 in Mexiko die endgültige Auflösung der bis dahin bestehenden gesamtdeutschen Olympia-Mannschaft. Die Versuche von bundesdeutscher Seite, diese Entwicklung aufzuhalten, scheiterten. 196 Der Hochleistungssport ließ sich - wie auch später bei den Olympia-Boykotts von Moskau und Los Angeles - nicht von der Politik abkoppeln. Eines der letzten Merkmale gesamtdeutscher Zusammengehörigkeit war dahin. Der Wille nach Betonung von Eigenstaatlichkeil hatte über den Verständigungswillen gesiegt. Für die DDR zahlte sich diese Trennung aus. Denn national repräsentierte und repräsentiert sie sich heute noch vor allem durch ihre sportlichen Erfolge. Der Hochleistungssport trägt wesentlich zur Anerkennung der DDR und ihrer politischen Führung sowohl im Innern als auch in der Welt bei. 197 Die vom Osten dabei propagierte These, daß sportliche Siege zugleich den höheren Rang des eigenen Gesellschaftssystems verdeutlichen würden, führte zu einer zusätzlichen, ideologischen Belastung des internationalen Sportverkehrs ("Wettkampf der Systeme"). 198 Gleichzeitig verdeutlicht dies, daß der Sport in der DDR ein Politikum allererster Ordnung ist. 199 Das Wort Theodor Heuss' , daß es weder einen kapitalistischen Klimmzug noch eine sozialistische Bauchwelle gebe, sondern daß man es entweder könne oder nicht, 200 änderte nichts an der allgemeinen Entwicklung des Sports zu einem Mittel der internationalen Politik:

Ulbricht, zitiert nach v. Krockow, S. 111. Vgl. u. a. Doehring, Rechtsgutachten im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees Deutschland zur Frage gesamtdeutscher Olympia-Mannschaften, 1965. 197 Holzweißig, S. 33 ff.; Gieseler (1982), S. 72; Digel, S. 200. 198 Czula, S. 47; Krawczyk/Jaworski/Ulatowski, S. 165; v. Krockow, S. 112. 199 Helmut Schmidt, 25 Jahre Deutscher Sportbund, S. 6. 200 Theodor Heuss, zitiert nach Gieseler (1976), S. 17. 195

196

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration -

Ausschluß Südafrikas von den Olympischen Spielen, 2o1

-

Boykott der Olympischen Spiele durch schwarz-afrikanische Staaten, 202. 203

-

Black-Panther-Demonstration amerikanischer Athleten und bislang als Schlußpunkte

-

die Olympia-Boykotts von Moskau und Los Angeles.

Kar/ v. Clausewitz, der den Sport als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln bezeichnete, scheint bestätigt zu werden. 204 Auch in Entwicklungsländern wird der politische Wert von Sportveranstaltungen mit verschiedenen teilnehmenden Nationen hoch veranschlagt. Für diese "jungen" Staaten, deren Staatsgrenzen von den Kolonialvölkern willkürlich über Stammesgrenzen hinweg gezogen wurden, bietet der Sport eine gute Gelegenheit nationaler Repräsentation. Durch den Sportvergleich zwischen Staaten entwickelt sich im Innern dieser Länder vielleicht zum ersten Male ein nationales Gemeinschaftsgefühl. 205 Denn bei vielen Menschen wird die erste Identifikation mit dem Staat bzw. der Nation über den Sport hergestellt. 206 Es kann auf diese Weise eine von der Stammeszugehörigkeit unabhängige, eigenständige nationale Identität, eine nationale Einheit, entstehen ("nation- building"). 207 Ohne einen solchen wirksamen Gemeinschaftswillen kann es keinen Staat geben. 208 In Anbetracht ihrer erst seit einigen Jahren bestehenden Souveränität legen die Staaten der Dritten Welt besonderen Wert auf Beibehaltung nationaler Symbole bei internationalen Sportereignissen, wie Nationaltrikots, Wappen, Flaggen und Hymnen. Der "Einmarsch der Nationen" bedeutet für sie die nationale Gleichstellung mit den ehemaligen Kolonialstaaten, eine symbolische Herstellung von Gleichheit. 209 Die nationale Integration, die bei internationalen Ländervergleichen zwischen Spitzensportlern erfolgt, kann für viele einer der Anlässe sein, über die Identifikation mit den nationalen Sportlern den Wert der eigenen Person mit dem Effekt der Hebung des Selbstgefühls durch den Wert der eigenen Gruppe zu ergänzen. 210 201 Valerien, S. 8 ff.; vgl. auch "Internationale Konvention gegen Apartheid im Sport", verabschiedet durch die Vereinten Nationen, 40. Generalversammlung, Dezember 1985, zitiert nach 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 72; hierzu auch Resolution 569 (1985) des Weltsicherheitsrats, ILM 1985, S. 1483 f. 2021203 Schröder, S. 20. 204 Clausewitz, zitiert nach Helmut Schmidt, 25 Jahre Deutscher Sportbund, S. 6. 205 Krawczyk/Jaworski/Ulatowski, S. 168; Geyer, Das Parlament, 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 25. 206 Geyer (FN 205), S. 20. 201 Adefope, The Role of Sports in the Creation ofNational Identity, and its Contribution to the Search for Understanding between Different Communities and Cultures, Vortrag Wissenschaftlicher Kongreß, München 1972, nennt als Beispiel die Austragung nationaler Meisterschaften in Nigeria; Allardt, S. 81; Gieseler (1978), S. 341. 208 Heller, S. 161 u. 234. 209 Digel, S. 201. 2 10 Vierkant, S. 33.

II. Sport

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Ob jeder Sieg der eigenen Nationalmannschaft bei internationalen Wettkämpfen gleich eine Nationalfeier bewirkt, mag bezweifelt werden. 211 Daß jedoch bei internationalen Sportvergleichen eine Integration innerhalb nationaler Gruppen stattfindet, die ansonsten politisch, sozial oder ideologisch desintegriert sein mögen, ist anerkannt. 212 Zum Teil geht die nationalistische Integration derart weit, daß von internationalen Sportwettkämpfen als eine Art Ersatzkrieg gesprochen wird. 213 Mit "Sportskanonen" 214 wird dann aufeinander geschossen, wenn akute politische Konflikte in den Sportbereich übertragen werden. 215 Beispiele hierfür sind die Eishockey-Duelle zwischen der CSSR und der Sowjetunion im Anschluß an den russischen Einmarsch in der CSSR, sowie das Aufeinandertreffen der Fußballmannschaften von England und Argentinien bei der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko nach Beendigung des Falklandkrieges. Ein echter Krieg, der sog. "Fußballkrieg", brach 1969 zwischen El Salvador und Honduras aufgrund eines lange schwelenden Konflikts im Anschluß an ein Länderspiel aus. 216 Die Betonung des Gedankens, daß der internationale Hochleistungssport ein gutes Mittel zur nationalen Repräsentation und Integration darstellt, geht zu Lasten der Vorstellung, daß Wettbewerbe von Spitzensportlern verschiedener Nationen einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten können. Eine weitere Ursache für diese Entwicklung ist darin zu sehen, daß bei heutigen internationalen Sportmeisterschaften ein großes Medienpublikum beteiligt ist, das in keinerlei persönlichem Kontakt zu den Angehörigen der anderen Gruppe steht, da man zwar gleichzeitig (Eurovision), aber nicht gemeinsam vor dem Bildschirm sitzt. 217 Die Zahl der Zuschauer, die sich bei derartigen Wettkämpfen nur passiv und von der gegnerischen Gruppe bzw. Nation isoliert über Radio und Fernsehen beteiligt, ist bei weitem größer als die Anzahl der aktiven Athleten, die in direkten Kontakt zueinander treten. 218 Während unter den konkurrierenden Sportlern zum Teil noch persönliche Beziehungen, die über einen Trikottausch hinausgehen, entstehen können, ist das beim Medienpublikum aufgrund seiner Isolation ausgeschlossen. Folge ist, daß sich die isolierten Zuschauergruppen gegenüber der fremden Nation abgrenzen, aber untereinander integrieren. Die "völkerver~indenden Wirkungen" schwinden also. 211

212

So aber Wohl, S. 102.

U. a. Geyer (bei Richter), S. 79; Lauerbach, S. 6 ff.

Seppänen, S. 99; Franz-Josef Strauß, S. 19. Helmut Schmidt, 25 Jahre Deutscher Sportbund, S. 5. 215 Hierzu 5. Sportbericht der Bundesregierung, 1982, BR-Drs. 382/82, S. 63. 216 Vgl. IX. Fußball-Weltmeisterschaft Mexiko 1970, Bilddokumentation, S. 70; Lever, S. 222. 211 Dunning, S. 35. 21s Rösch, S. 78; Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 16. 213

214

4 Klose

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

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Die völkerverständigende Idee des Sports im Sinne Pierre de Coubertins ist auf dem Rückmarsch. Zweifel sind jedoch angebracht, ob sie gegenüber nationalen Interessen je vorrangig war. Denn schon für Coubertin war eines der Ziele bei der Wiederaufnahme des Olympischen Gedankens: "Rebronzer la France". 219 Der Wettkämpfer der Neuzeit solle sein. Vaterland, seine Rasse und seine Fahne erhöhen. 220 Dementsprechend waren es in Deutschland die bürgerlich-nationalen Kräfte, die einen internationalen Sport nach dem Verständnis Coubertins förderten und nicht der politische "Internationalismus" der Arbeitersportler. 221 Der Sportverkehr der Länder untereinander sollte nicht intemationalistisch, sondern im Gegensatz dazu eine Vertretung der Nationen sein. 222 Es wurde schon damals vom "Krieg im Frieden", vom Sport als der "besten Schule angewandten Vaterlandsstolzes" gesprochen. 223 Insofern standen bereits zu Beginn der Olympischen Bewegung und der Veranstaltung von Länderkämpfen die Gesichtspunkte nationaler Repräsentation und damit nationaler Integration mittels des Sports vor dem Verständigungsgedanken, obwohl es in Art. 9 Olympic Charter heißt: "The Games are contests between individuals and teams and not between countries". Da bei internationalen Meisterschaften bzw. Ländervergleichen nur die jeweils besten Sportler der verschiedenen Staaten vertreten sind, dient der internationale Spitzensport somit hauptsächlich der nationalen Darstellung. 224 Die dadurch erfolgende nationalistische Integration wirkt gegenüber anderen Gruppen oder Nationen desintegrativ. 225 Der Grund hierfür ist im sog. "nationalen Vertretungspurismus" zu sehen. 226 Denn allein bei der Vertretung nationaler Gruppen im Sport ist der Nachweis erforderlich, daß man dieser Gruppe auch entstammt, wobei jedoch nicht auf die N ationenzugehörigkeit, sondern auf die Staatsangehörigkeit abgestellt wird. Bei Vertretungen von "Lokalgruppen" durch Vereine dürfen dagegen die beteiligten Spieler aus verschiedenen Regionen eines Landes oder sogar aus verschiedenen Ländern stammen. Beim Sportvergleich zwischen Nationen wird ein besonderes Gruppenbewußtsein gebildet, das sich hinsichtlich der Intensität von anderen im Sportbetrieb abhebt. Hierfür sind die lebenslange Zugehörigkeit zur Gruppe der Nation und ihre scharfe Außenabgrenzung von Bedeutung. 227

De Coubertin, zitiert nach Geyer (bei Richter), S. 80. De Coubertin, S. 226. 221 Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 17. 222 Geyer (FN 221), S. 18 m. w. N. 223 Bemer, S. 112 ff. 224 Geyer (FN 221), S. 32. 225 Czula, S. 48; Bruns, S. 279 f.; Möhlmann, Der Beitrag des Sports zur Integration der Weltgesellschaft, Vortrag Wissenschaftlicher Kongreß, München 1972. 226 Geyer (bei Richter), S. 85. 221 Geyer (bei Richter), S. 77. 219

220

II. Sport

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Der Spitzensport auf Nationenebene wird getragen von einer jeweils national geschlossenen Gruppe und ist insofern nicht zur Integration anderer Gruppen tauglich. (b) Im Bereich des Breitensports Im Gegensatz zum internationalen Spitzensport steht beim Breitensport einschließlich des Wettkampfsports auf unterer Ebene national wie international nicht der repräsentative Erfolg, sondern andere Funktionen des Sports im Vordergrund, nämlich die sozialen Gesichtspunkte, die auch innerhalb von Kleingruppen bestehen (wie oben, 3 a) (1) beschrieben). Auf die internationale Ebene übertragen, sind dies die Gedanken der Kontaktherstellung und der Völkerverständigung zwischen den verschiedenen nationalen Gruppen. Internationaler Breitensport wird im Rahmen von Austauschprogrammen zwischen einzelnen Sportvereinen unterschiedlicher Länder und Sportfesten mit internationaler Beteiligung (z. B. Jugendlager bei Olympischen Spielen) betrieben. Veranstaltungen gehen häufig auf Eigeninitiative von Privatleuten zurück und finden nur teilweise staatliche finanzielle Unterstützung. Der Bund beispielsweise unterstützt in diesem Bereich ausdrücklich nur das Deutsch-Französische Jugendwerk, das in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sportjugend primär den Gruppenaustausch deutscher und französischer Sportvereine fördert. 228 Derartige internationale Sportveranstaltungen, bei denen die ausländischen Sportler oftmals bei einheimischen Familien untergebracht werden, führen zu persönlichen Kontakten zwischen den Sportlern verschiedener Nationalitäten. Die Beziehungen sind intensiver als diejenigen, welche der organisierte Spitzensport zwischen Nationalvertretungen mit sich bringt. 229 Das hat seine Ursachen neben der geringeren Erfolgsausrichtung und der deshalb fehlenden Professionalisierung darin, daß bei solchen internationalen Sporttreffen die entsprechenden Sportler nicht in nationale Vertreterrollen gedrängt werden. Der Gedanke nationaler Repräsentation spielt im Breitensport keine Rolle. Die Öffentlichkeit und die Medien nehmen sowohl vom nationalen wie vom internationalen Breitensport weitaus weniger Notiz als vom Spitzensport. Dieser Bereich kann nicht mit sportlichen Höchstleistungen aufwarten. Deshalb wird auch nicht der Versuch unternommen, Erfolge im Rahmen des Breitensports als Ausdruck gesellschaftlicher Überlegenheit oder dergleichen zu bewerten. Der Breitensport im internationalen Rahmen leistet somit einen Beitrag zu verstärkter Kommunikation zwischen verschiedenen Staaten und dient damit der Völkerverständigung. 230 228 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 59; Deutscher Sportbund 1978- 1982, Bericht des Präsidiums, S. 44; FAZ v. 5. 7. 1983 zu dem Thema 20 Jahre Deutsch-Französisches Jugendwerk. 229 Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 16.

4*

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

(2) Kleingruppen Entsprechend stellt sich die Lage im nationalen Bereich dar. Auch dort ist eine kommunikative soziale Wirkung des Sports unter den einzelnen Sportgruppen am ehesten dort erkennbar, wo nicht der Erfolg die vorrangige Rolle spielt. 231 Deshalb kommt auch auf nationaler Ebene dem Breiten- und dem unterklassigen Wettkampfsport zwischen verschiedenen Gruppen größere integrative Bedeutung zu als nationalen Leistungsvergleichen im Spitzensport. Der zunehmend professionell betriebene und kommerziell verwertete Hochleistungssport wandelt sich immer konsequenter zu einem "harten Geschäft". Materielle Einstellungen verdrängen zusehends die ideellen gesellschaftlichen Grundlagen des Sports. 232 Der Mit- und Gegenspieler ist eher Konkurrent im Kampf um Prämien als Freund und Partner. Je geringer die Erfolgsorientierung und die materielle Zielsetzung des Sports, um so größer ist seine sozial- integrative Ausstrahlung. (3) Sportverkehr zwischen der BR Deutschland und der DDR Die Richtigkeit dieser These belegt das Beispiel des innerdeutschen Sportverkehrs. In Art. 7 des Grundvertrags und nach Abschnitt II, Ziffer 8 zu Art. 7 des Zusatzprotokolles zum Grundvertrag wird die Förderung des Sportverkehrs zwischen beiden deutschen Staaten angesprochen. 233 Die seitdem bestehenden innerdeutschen Sportbeziehunen werden von bundesdeutscher Seite als ein Mittel zur Bewahrung eines deutschen Zusammengehörigkeitsgefühls angesehen. 234 Bei den zustandekommenden Begegnungen legen die DDR-Gruppen aber verstärkten Wert auf Abgrenzung, indem sie den Kontaktversuchen von Seiten der bundesdeutschen Sportler und Funktionäre von Anfang an abwehrend gegenüberstehen oder aufgrundknapper Zeitkalkulation eine solche Annäherung überhaupt unmöglich machen. 235 Dementsprechend läuft die große Mehrzahl der arrangierten Treffen nach Forderungen der DDR auf Spitzensportebene ab. 236 Diekert, S. 72 f.; Bruns, S. 280. Rigauer, S. 217. 232 Rigauer, S. 124. 233 Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik mit Zusatzprotokollen, abgedruckt in: Sartorius II, Nr. 500; vgl. auch das Protokoll über die Regelung der Sportbeziehungen zwischen dem DSB und dem DTSB in: Deutscher Sportbund 1974 - 1978, S. 326 und Art. 10 des Abkommens mit der DDR über kulturelle Zusammenarbeit vom 6. 5. 1986, BGB!. II 1986, S. 709 ff. (711). 234 Wrede, S. 5; Kühn, S. 6; Carstens, in: Deutscher Sportbund 1978 - 1982, S. 83. 235 Staar, S. 51; Gieseler (1981), S. 47; Beispiele u. a. in: Sport im geteilten Deutschland II, 1982, S. 83 f. und in: Stuttgarter Zeitung vom 10. 3. 1983 zur Begegnung der Mannschaften von Dynamo Dresden und VfB Stuttgart. 230

23 1

II. Sport

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Diese Wettkämpfe gestalten sich dann so, wie man es von internationalen Ländervergleichen her kennt. Zwischen den einzelnen Sportlern gibt es so gut wie keine Kontakte, zumal sie von der einen Seite auch gar nicht gewünscht werden. Der Sieg, den es zu erringen gilt, steht im Mittelpunkt, und die Athleten nehmen ihre Vertreterrollen als staatliche Repräsentanten wahr. Insofern darf es nicht verwundern, daß die DDR im Zusammenhang mit den innerdeutschen Sportbeziehungen nur von Sportbegegnungen im Rahmen des internationalen Sportverkehrs spricht. 237 Folge dieser DDR-Einstellung ist, daß die Begegnungen auf der Ebene des Breitensports, wie Vereinsbesuche und austausch, im innerdeutschen Sportkalender weit unterrepräsentiert sind. 238 Damit will die DDR vermeiden, daß die im Breitensport und im Wettkampfsport auf unterer Ebene vorherrschenden sozial-integrativen Funktionen des Sports im innerdeutschen Sportverkehr zur Geltung kommen, während Begegnungen von Spitzensportlern offenbar als ungefahrlich für die eigenen Abgrenzungspläne eingestuft werden, wodurch die weitgehend desintegrative Kraft des Hochleistungssports einerseits und die integrative Wirkung des Breiten- bzw. des unterklassigen Wettkampfsports andererseits bestätigt wird. 4. Zusammenfassung und Konsequenzen für die Europäische Integration Insgesamt ist festzustellen, daß die Gemeinsamkeit sportlicher Betätigung in einem Verein, in einer Mannschaft bzw. in einer sonstigen Kleingruppe sozialintegrativ wirkt. Daß das gemeinschaftliche Betreiben von Sport gleichsam die Wurzel staatlicher Gemeinschaftsbildung sei, geht möglicherweise etwas zu weit. 239 Doch daß dem Sport eine Kraft innewohnt, die Gemeinschaft bildet, wurde gezeigt. Innerhalb und zwischen Kleingruppen ist sie um so stärker, je geringer der jeweilige Sport professionalisiert und erfolgsorientiert ist. Im übrigen bietet der Sport auch Möglichkeiten zur Integration mittels Identifikation der Zuschauer mit "ihren" Mannschaften. Vom sozial-integrierenden Wirken des Sports im Zusammenhang mit kleineren gesellschaftlichen Einheiten ist die Funktion des Sports auf Nationenebene zu unterscheiden. Zwar fördert das gemeinsame Treiben von Sport auch im nationalen Rahmen die Gemeinschaftsbildung (Bsp.: Turnvater Jahn), und auch bei Länderkämpfen ist eine Integrationswirkung des Sports festzustellen. Im Gegen236 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 71; Wrede, S. 6; Gieseler (1981), S. 43 ff.; Deutscher Sportbund 1974- 1978, Bericht des Präsidiums, s. 46. 237 Stuttgarter Zeitung vom 10. 3. 1983 (FN 235). 238 Gieseler (1981), S. 45; Gesamtzahl der vorgesehenen Begegnungen: 1984: 80; 1985: 73; 1986: 84. 239 So aber Ortega y Gasset, S. 442.

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A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

satz zu offenen Kleingruppen beschränkt sich jedoch hier die gemeinschaftsbildende Kraft des Sports auf die Angehörigen der jeweiligen Nation bzw. des betreffenden Staates. 240 Der Gedanke der Völkerverständigung wird von der nationalen Repräsentationsfunktion des Spitzensports verdrängt. Die grenzüberschreitenden gemeinschaftsbildenden Funktionen des Sports kommen auf Nationenebene nur beim Breiten- und beim unterklassigen Wettkampfspoft zur Geltung. Die kommunikativen und verständigenden Wirkungen des Sports zwischen verschiedenen Nationen sind also um so größer, je weniger die einzelne Sportart der nationalen Repräsentanz dient. Für die Integration von EG-Angehörigen mittels des Sports heißt das, daß der Sport ihnen eine Möglichkeit bietet, in verstärkten Kontakt zueinander zu treten. Über die Gemeinsamkeit sportlicher Betätigung in einer Mannschaft, in einem Verein und über den aufNationenebene betriebenen Breiten- und Wettkampfsport unterer Stufe läßt sich ein ausgeprägteres Gemeinschaftsbewußtsein und engere Solidarität untereinander entwickeln. Diesem Gedanken entsprechend, befaßte sich das Europäische Parlament bereits im Jahr 1966 mit einem von Bernasconi initiierten Entschließungsantrag des Forschungs- und Kulturausschusses, der vorsah, den europäischen Solidaritätsgedanken bei der Jugend mit Hilfe des Sports zu fördern. 241 Der Sport sollte dazu dienen, der Jugend den europäischen Gedanken nahezubringen und sie zu lehren, Sport im Geiste der europäischen Solidarität zu treiben. Hierzu erschien der Sport aufgrund seiner großen Anziehungskraft besonders geeignet. Im einzelnen war beabsichtigt, den Gemeinschaftsgedankendurch gemeinsame sportliche Betätigung zu fördern, deren Weiterentwicklung über die Bildung europäischer Jugendmannschaften bis zu einer gemeinsamen Buropamannschaft bei Olympiaden angestrebt wurde. Heute könnte dieser sportliche Ansatz dazu dienen, einer fast bis zum Stillstand erlahmten Europapolitik neue Impulse zu geben. 242 5. Integration von Ausländern mittels des Sports

Der Anteil der Zuwanderer aus anderen EG-Staaten oder aus Drittstaaten an der Gesamtbevölkerung der EG beträgt etwa 4 %. 243 Hiervon kommen schätzungsweise 40 % aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. 244 240 Geyer (bei Richter), S. 82; Ders., Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 23. 241 Bemasconi, EP-Sitzungsdokumente 1966- 1967, 7. 3. 1966, Dok. 12. 242 Sombart, EA 1982, 647 ff. (647). 243 Vgl. Council of Europe, Study made by the Portuguese Group of the National Institute of Sports (Portugal) 1979, S. 30. 244 StichwortEuropa 13/1985, S. 3.

li. Sport

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In der BR Deutschland waren 1983 7,4% der Wohnbevölkerung Ausländer. Der Anteil der heutigen EG-Angehörigen hieran betrug nahezu 32 %. 245 Die Situation in Frankreich ist ähnlich; 8,4 %der Bevölkerung sind Ausländer, wobei die Portugiesen hiervon allein 19 % stellen. 246 In Belgien sind die Italiener mit ungefähr 32 % der ausländischen Bevölkerung (Ausländeranteil insgesamt etwa 8 % der Gesamtbevölkerung 247 ) die stärkste Ausländergruppe. 248 Am größten in der EG ist der Ausländeranteil in Luxemburg mit über 20% der Wohnbevölkerung.249 Die Umstände, die einer verbesserten Integration von Ausländern und damit auch der Bildung eines ausgeprägten Gemeinschaftsbewußtseins unter den Marktbürgern ansonsten entgegenstehen, wie z. B. Sprachbarrieren und Klassenschranken, treten im Bereich des Sports zurück. 250 Die meisten Sportarten erfreuen sich nämlich internationaler Verbreitung, so daß die Regeln und Normen, nach denen sie betrieben werden, überall die gleichen sind. Da wohl auch auf keinem anderen Gebiet das Wissen über die Leistungen anderer Kulturen größer ist, findet die Annäherung verschiedener Kulturen oftmals über den Sport statt (vgl. z. B. die außenpolitische Öffnung Chinas gegenüber dem Westen mittels eines Tischtenniswettkampfs). 251 Dem Sport kommt insofern "supranationale" Bedeutung zu. 252 Hinzu kommt die Einfachheit und Internationalität der Sportsprache. Der Sport ist der Kulturträger mit der einfachsten Symbolik, der zudem in der Lage ist, schichtspezifische Unterschiede weitgehend zu verwischen (wie bereits oben unter II. 3. dargestellt). 253 Die Chance, die der Sport Ausländern allgemein und EG-Angehörigen im besonderen zur Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Lage im Aufnahmeland bietet, resultiert auch aus dem allgemeinen Interesse, das der Sport unter den ausländischen Mitbürgern findet. In Hessen z. B. ergab eine Umfrage aus dem Jahr 1983, daß knapp 90% aller Ausländer aktiv oder zumindest passiv als Zuschauer am Sportgeschehen Anteil nehmen. 254 Dementsprechend soll der Sport verstärkt zur Integration von Ausländern eingesetzt werden. 245 Der Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Bericht zur Ausländerpolitik vom 19. 3. 1984, S. 72, 74. 246 Just, S. 71. 247 Council of Europe, Study made by the Portuguese Group of the National Institute of Sports (Portugal) 1979, S. 30. 248 Just, S. 66. 249 Council of Europe (FN 247). 250 Ader, Sportpraxis in Schule und Verein, 1983, 4, S. 76; Heckmann, S. 26 ff.; Helmut Schmidt, Jahrbuch des Sports, 1981, S. 300 a. 251 Hanns, Olympische Jugend 1982, 12, S. 6. 252 Hanns (FN 251). 253 Heckmann, S. 24 ff. ; Adolph, Sportunterricht, 1986, 35, S. 126 ff.; Hanns, Olympische Jugend, 1982, 12, S. 6. 254 Landessportbund Hessen, Pilotstudie "Ausländer im Sport", Schlußbemerkung; Claeys, S. 1 ff.; Dietrich, S. 65 ff.; Frogner, S. 348 ff.

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A. Bedeutung des Sports

für die Europäische Integration

6. Initiativen zur gesellschaftlichen Eingliederung von Ausländern mit Hilfe des Sports

Dem Ziel der gesellschaftlichen Eingliederung von Ausländern mit Hilfe des Sports dienen zahlreiche internationale wie nationale Initiativen. Auf europäischer Ebene ist es vor allem der Europarat, der die Rolle des Sports für eine bessere Integration von Wanderarbeitnehmern untersucht und entsprechende Resolutionen verabschiedet. 255 Seit Anfang der achtziger Jahre bemühen sich auch der Deutsche Sportbund und die Landessportbünde verstärkt um eine bessere Integration von Ausländern und anderen sozialen Randgruppen (z. B. Behinderte) in den Sportvereinen. Im Jahre 1981 richtete der DSB einen Appell an alle Vereine und Verbände, sich der sozialen Aufgabe des Sports der ausländischen Mitbürger im Rahmen der allgemeinen Forderung "Sport für alle" anzunehmen. 256 Zur Verwirklichung dieses Zieles entwickelte der DSB mehrere Mitgliedschafts-, d. h. Integrationsmodelle. Sie reichen von der Gründung eigener Sportvereine für ausländische Bürger über d~e Einrichtung selbständiger Abteilungen in deutschen Turn- und Sportvereinen bis zur Einzelmitgliedschaft des Ausländers in deutschen Sportvereinen. 257 Vorrangig anzustreben ist dabei die Form der Einzelmitgliedschaft, da sie am ehesten zu einer Gemeinschaftsbildung beiträgt, insofern "echte Integration" bedeutet, 258 während in den Wettkämpfen, in denen reine Ausländermannschaften auf deutsche Mannschaften treffen, sich eher nationale Anhängerschatten bilden und so Fronten verstärkt und Aggressionen aufgebaut werden, wo eigentlich der Abbau von Gegensätzen das Ziel sein sollte. 259 Entsprechend den Vorgaben des Deutschen Sportbundes bemühen sich viele Landesverbände mit Hilfe verschiedenster Maßnahmen, die Teilnahme von Ausländern am Sportgeschehen zu fördern: In Nordrhein-Westfalen und in Hessen wurden bei den Landessportbünden spezielle Ausländerreferate eingerichtet, 260 deren Aufgabe und Ziel es ist, den Ausländern die sportlichen, medizinischen. kommunikativen und sozialen Werte des Sports und der Sportvereine nahezubringen. 261

255 Vgl. unter Ziffer B II, sowie das Seminar des Europarates "Sport for Immigrants", Portugal 1982, S. 34 ff., wo beispielhaft Initiativen aus Dänemark und Großbritannien beschrieben werden.· 256 Grundsatzerklärung des Deutschen Sportbundes: "Sport der. ausländischen Mitbürger" vom 5. 12. 1981, in: Deutscher Sportbund 1978- 1982, S. 166 f. 257 Vgl. Grundsatzerklärung des DSB (FN 256), S. 168 ff. 258 Stuemper, S. 5. 259 Harms, Olympische Jugend 1982, 12, S. 7; vgl. auch Stuttgarter Zeitung vom 22. 9. 1984: "Eigenbrötelei bei ausländischen Kickern" . 260 Abel, Olympische Jugend 1983, 3, S. 4. 261 Landessportbund Hessen, Projekt "Sport für ausländische Mitbürger" , S. 2.

II. Sport

57

Zahllose Werbeaktionen und Modellversuche wurden ebenfalls gestartet und Aufrufe verlaßt: -

"Der ,internationale Sportverein; Wissenswertes über die Zusammenarbeit deutscher Sportvereine mit unseren ausländischen Mitbürgern"; 262

-

"Mitspieler gesucht"; 263 "Sport- Machen Sie mit!"264

-

"Sport spricht alle Sprachen"265

-

"Integration ausländischer Kinder"266

-

Regelmäßige gemeinsame Aufrufe der Bundesregierung und des Deutschen Sportbundes mit "Tips für den Vereinsvorstand" im Jahrbuch des Sports und in den Sporthandbüchern der Landessportbünde; 267

-

Initiative "Inter FC Dietzenbach", ein multinationaler Verein (13 Nationen), dessen Vorstand ebenfalls multinational zusammengesetzt ist. 268

Die Notwendigkeit solcher Aktionen verdeutlichen einige Zahlen:

1981 wurde bei einer Befragung 269 von 77 Stuttgarter Sportvereinen festgestellt, daß der Ausländeranteil an der Zahl der Mitglieder 3,8 % betrug, während sich ihr Anteil an der Stadtbevölkerung um 16% bewegte. 270 Nur drei Vereine warben speziell um Ausländer, ein Verein bot ein spezifisches Programm für Ausländer an, und lediglich vier Vereine machten Angebote für Ausländer in Form von Übungsabenden und Turnieren. Insgesamt hatten aber 75,4 % der Vereine eine positive Einstellung zur Beteiligung von Ausländern am Sportbetrieb. Es kann festgestellt werden, daß sich Erfolge der Bemühungen um Ausländer im Sport bereits zeigen. So sind z. B. in Stuttgart heute ein Drittel der in Fußballvereinen gemeldeten Kinder und Jugendlichen Ausländer. 271 Auch in Berlin erhöhte sich die Zahl der ausländischen Mitglieder in den Sportvereinen nach entsprechenden Initiativen. 272 262 Broschüre der Württembergischen Sportjugend. 263 Informationsschrift des Landessportbunds Hessen für Ausländer. 264 Informationen der Landeshauptstadt Stuttgart für ausländische Einwohner. 265 Tagungsthema der Württembergischen Sportjugend, 1980, und Plakataktion der Berliner Sportjugend. 266 Aktion des Fußball-Verbandes Mittelrhein. 267 Vgl. 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 51. 268 Landessportbund Hessen, Projekt "Sport für ausländische Mitbürger", S. 6; FAZ vom I. 10. 1980. 269 Kees, S. 3, 9. 21o Vgl. auch die Situation in München: Ausländer - 17 % der Gesamtbevölkerung, 3% der Sportvereinsmitglieder (Deutsche Sportjugend 1981, 6, S. 9). m Amtsblatt der Landeshauptstadt Stuttgart vom 5. 2. 1987, S. 6 f. ; vgl. auch Amtsblatt vom 5. 3. 1987, S. 3, wonach in Stuttgart 11% der ausländischen und 12 % der deutschen Jugendlichen in Sportvereinen sind. 272 Vgl. Deutsche Sportjugend 1980, 10, S. 6 f.

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

58

Insgesamt die günstigsten Voraussetzungen, integrativ zu wirken- schichtenübergreifend oder zumindest innerhalb gleicher sozialer Schichten 273 - bieten dabei Großvereine. 274 Das liegt an ihrer Angebotsvielfalt und damit an der Möglichkeit, die Zusammensetzung der Mitglieder zu steuern. In Großvereinen findet man auch am ehesten zielgruppenspezifisch ausgerichtete Sportprogramme, wobei jedoch bislang nur etwa 1 %jener Vereine über eigenständige Angebote für ausländische Arbeitnehmer verfügt. 275

7. Probleme der Ausländerintegration im Sport

Trotz der unbestrittenen Möglichkeiten, die der Sport für eine bessere Integration der Gemeinschaftsbürger oder von Ausländern allgemein bietet, bestehen weiterhin erhebliche Schwierigkeiten für die Erreichung dieses Ziels. Sie sind zum einen in der Unterschiedlichkeit der betroffenen Kulturkreise 276 und der wohl auch darin wurzelnden, zum Teil vorhandenen Ablehnung bei Einheimischen begründet. Zum anderen liegt es daran, daß die Entwicklung des Sports nicht mit der Europäischen Integration Schritt hielt oder sogar in die entgegengesetzte Richtung verlief. Während auf der einen Seite von der Überwindung der Nationalstaaten die Rede ist, bestimmen im sportlichen Bereich immer noch nationale Gesichtspunkte, wie der Repräsentationsgedanke, das Handeln. 277 Die EG setzte keine neuen Maßstäbe für die Vertretung im internationalen Sport oder für den Sport insgesamt. Dort wird weiterhin national und nicht supranational gedacht und gehandelt. Dementsprechend bestehen in allen Mitgliedstaaten Zugangsbeschränkungen zum Wettkampfsport für alle Ausländer einschließlich der Gemeinschaftsangehörigen. Zwar gibt es in keinem europäischen Staat Vorschriften, welche die Mitgliedschaft in Sportvereinen auf eigene Staatsangehörige beschränken. 278 Als Ausländerklauseln bezeichnete Bestimmungen in den Satzungen und Ordnungen der meisten Sportverbände begrenzen aber zahlenmäßig die mögliche Teilnahme von Ausländern an Sportwettkämpfen. 279 Lüschen, S. 211; Wohl, S. 103. Timm, S. 223; Wilhelm, S. 68. 275 Timm, S. 93. 276 "Integration türkischer Sportler", DSB-Information Nr. 4/83, wonach türkische Mädchen so gut wie gar nicht am Schulsport teilnehmen; Heinemann, S. 90 ff.; Tenne, S. 73 ff. 277 Geyer (bei Richter), S. 85; vgl. auch oben Ziffer 3 b (1). 278 Van Lierde, S. 74. 279 Vgl. die Übersichten bzw. Umfragen bei: - Semder, Leistungssport 1980, 6, S. 482 ff. (483); - Deutsche Sportjugend: Umfrage März 1986; - Württembergische Sportjugend: Umfrage November/Dezember 1983; - Dietrich (BR Deutschland), Curzi (Italien), Colas (Luxemburg), Godinho (Portugal) in Council of Europe, Sport for immigrants, 2. Seminar, Portugal, 21.-26. 6. 1982, s. 17 ff., 23 ff., 26 ff., 34 ff. 273

274

II. Sport

59

In der Bundesrepublik Deutschland finden sich solche Beschränkungen z. B.: -

In § 22 DFB-Spielordnung, wonach sich jeweils nur zwei ausländische Spieler im Spiel befinden dürfen;

-

in§ 12 Spielordnung des Deutschen Handballbundes (DHB): "In den Mannschaften der Bundes- und Regionalligen darf ab der Saison 1983/84 in jedem Meisterschafts- und Pflichtspiel jeweils nur ein ausländischer Spieler eingesetzt werden, ..."; § 12 Abs. 8.1 - 8.3 Spielordnung des Handballverbandes Württemberg (HVW) sieht vor, daß in der ersten Mannschaft jeweils nur zwei ausländische Spieler eingesetzt werden dürfen;

-

Bei Spielen des Deutschen bzw. des Württembergischen Tennisbundes darf ein bzw. dürfen zwei Spieler, die nicht Deutsche sind, aufgestellt werden;

-

Die Bundesspielordnung des Deutschen Volleyball-Verbandes läßt nur den Einsatz von zwei Ausländern bei aktiven Mannschaften zu;

-

Die Sportordnung des Bundes Deutscher Radfahrer e. V. sieht die Ausgabe von Fahrlizenzen nur an deutsche Staatsangehörige vor: u. s. w.

In anderen europäischen Staaten gibt es dieselben oder ähnliche Beschränkungen: -

So sehen beispielsweise die Wettkampfvorschriften der English BasketBall Association vor, daß "in any match in the National League, Championship, Cup, or Trophy, for Men, a team may have a maximum of two foreign players. For the Women's competitions a team may have a maximum of one foreign player. In the Junior League no foreign players are permitted. In addition, a team may have one British (non-English) player ...";

-

The English Football Association schreibt ebenfalls vor, daß gleichzeitig nur zwei ausländische Spieler in einer Mannschaft stehen dürfen;

-

Die Union Royale Beige de Societes de Football-Association beschränkt die Teilnahmeberechtigung von Ausländern im Profi- und Amateurbereich grundsätzlich auf drei Spieler;

-

Article 25 de Reglement Administratif du Championnat de France Professionne! im Fußball bestimmt, daß "le nombre total des joueurs etrangers, C.E.E. ou non C.E.E., inscrits sur la feuille de match ne peut exceder deux;

-

Für den französischen Amateurfußball gilt folgendes: "Le nombre d' etrangers dans les equipes de club de nationalite fran~aise est fixe adeux au maximum dans les competitions regionales Oll federales" ;

-

In Luxemburg ist die Zahl der Ausländer im Fußball grundsätzlich auf drei und im Basketball sogar auf nur einen beschränkt.

60

A. Bedeutung des Sports für die Europäische Integration

Auf der anderen Seite sind aber auch Tendenzen erkennbar, solche Beschränkungen abzubauen oder ganz aufzuheben: -

Nach den Spielordnungen des Hessischen Fußball-Verbandes und des Fußball-Verbandes Mittelrhein sind Ausländer ohne zahlenmäßige Begrenzung in Meisterschafts- und Freundschaftsspielen spielberechtigt;

-

Sonderregelungen für Gemeinschaftsangehörige bestehen im französischen Amateurfußball, wonach "ne sont pas considen!s comme etrangers les joueurs detenteurs d 'une licence frappee du cachet C.E.E.";

-

Eine besondere Sportnationalität wurde in Luxemburg und in Belgien im Bereich des Fußballs entwickelt: Danach gilt ein Ausländer, der eine bestimmte Zeit (3 oder 5 Jahre) in Luxemburg gelebt bzw. dem belgiseben Fußballverband angehört hat, im Fußball als Inländer, mit der Folge, daß die Ausländerklauseln auf ihn keine Anwendung finden; 280

-

Ähnliche Ausnahmen sieht die Spielordnung des WFV für Ausländer vor, die zuvor mindestens zwei Jahre für eine deutsche Jugendmannschaft spielberechtigt waren;

-

Überhaupt gelten die meisten Spielbeschränkungen für Ausländer nur im Erwachsenensport, während beim Jugendspielverkehr keine Beschränkungen bestehen (vgl. u. a. Volleyball und Fußball). 28 1

Diese Entwicklung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß weiterhin in den meisten Sportarten Sondervorschriften für Ausländer existieren. Von angeschriebenen Sportverbänden in der Bundesrepublik Deutschland sahen 1980 über 50 %, nämlich 27, nur eingeschränkte oder gar keine Teilnahmerechte von Ausländern am Wettkampfsport vor. 282 Angesichts der Bedeutung, die dem Wettkampfsport im gesamten Sportbetrieb zukommt, 283 stellen die Ausländerklauseln erhebliche Beschränkungen für die Sportmöglichkeiten ausländischer Mitbürger dar. Die Existenz dieser rechtlichen Schranken in den Satzungen und Ordnungen der verschiedenen Sportverbände stehen auch in Widerspruch zu den angesprochenen Integrationsbemühungen derselben Organisationen (s.o. Ziff. II. 6.). 2so Colas in Council of Europe, Sport for immigrants, 2. Seminar, Portugal, 21. 26. 6. 1982, S. 26 ff. 281 Insgesamt hierzu Zusammenfassung der Umfrage der Deutschen Sportjugend im März 1986, wonach von 44 Spitzenverbänden immerhin bei 31 volle Teilnahmerechte für ausländische Jugendliche bestanden. 282 Semder, Leistungssport 1980, 6, S. 482 ff. 283 Hierzu: - Timm, S. 91, wonach in 31% der Sportvereine schwerpunktmäßig Wettkampfsport betrieben wird; - nach Schlagenhauf, Tabelle 18, treiben 22% aller Sporttreibenden aktiv Wettkampfsport; - Pilotstudie "Ausländer im Sport", Landessportbund Hessen, 1985: 36,5 % der Ausländer in Hessen bevorzugen Wettkampfsport.

II.Sport

61

8. Fazit

Einer weiteren Nutzbarmachung der integrativen Möglichkeiten des Sports gerade für die europäische Einigung, für die Ausdehnung der Freizügigkeit der Gemeinschaftsangehörigen, stehen insbesondere noch die letztgenannten rechtlichen Hindernisse der Ausländerklauseln im Wege. Solange sie bestehen, kann der Sport seine Funktionen für Europa, d. h. für den innereuropäischen Sportverkehr, nur begenzt einsetzen. Insofern erhebt sich die Frage, ob solche Ausländerquoten rechtlich überhaupt zulässig sind, insbesondere ob sie mit dem Völkerrecht und dem Europarecht vereinbar sind.

B. Völkerrecht und Sport I. Allgemeines Völkerrecht Das allgemeine Völkerrecht enthält keine spezifischen Regeln für den internationalen Sportverkehr. Zwar verabschiedeten die Vereinten Nationen auf ihrer 40. Generalversammlung im Dezember 1985 eine "Internationale Konvention gegen Apartheid im Sport", 284 doch stimmten ihr die westlichen Staaten wegen unannehmbarer Eingriffe in den freien internationalen Sportverkehr nicht zu, weshalb diese Konvention, abgesehen von ihrem Status als Resolution, keine allgemeine völkerrechtliche Verbindlichkeit beanspruchen kann. Allerdings sind auch die internationalen Sportbeziehungen und damit die Zulässigkeit von Ausländerklausein an anderen allgemeingültigen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu messen. Doch weder der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, 285 noch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 286 sichern dem einzelnen durchsetzbare gleiche Teilhaberechte am sozialen oder kulturellen und damit auch sportlichen Leben in einem fremden Staat, obwohl beispielsweise nach Art. 15 Abs. 1 a des letzteren internationalen Paktes die Vertragsstaaten das Recht eines jeden, am kulturellen Leben teilzunehmen, anerkennen. Hierbei handelt es sich aber um keine konkreten Individualansprüche gegen einen Staat, sondern nur um Verpflichtungen der Staaten untereinander gegenüber den ihrer Jurisdiktion unterworfenen Personen, deren Verletzungen keine unmittelbaren Sanktionen nach sich ziehen. 287 Das hauptsächlich auf Völkergewohnheitsrecht beruhende völkerrechtliche Fremdenrecht gewährt Ausländern ebenfalls keinen Anspruch auf Gleichbehandlung in arbeits- oder sozialrechtlicher Hinsicht. 288 Eine Verpflichtung der Staaten zur Gleichstellung von Ausländern mit Inländern in Bezug auf die Beschäftigungsbedingungen enthalten die multilateralen Übereinkommen Nr. 97 und Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus den Jahren 1949 und 1958. 289 Ausländerklauseln im Berufssport behin284 285 286 287 288 289

Zitiert nach 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 72. Sartorius II, Nr. 20. Sartorius li, Nr. 21. Verdross/Simma, S. 606. Hilf, S. 88; ausführlich hierzu Verdross/Simma, S. 586 ff. BGBI. II 1959, S. 87; BGBI. li 1961, S. 97.

II. Europarat und Sport

63

dem jedoch bereits den Zugang zu einem Beruf, was von den ILO-Abkommen nicht erlaßt wird. 290 Das allgemeine Völkerrecht bietet somit keine Handhabe zum Verbot der Ausländerklauseln.

II. Europarat und Sport 1. Zuständigkeit des Europarates für kulturelle Fragen

Nach Art. 1 b ER-Satzung soll im Rahmen des Europarates für ein gemeinschaftliches Vorgehen unter anderem auf kulturellem Gebiet gesorgt werden. Zu diesem Zweck wurde 1954 die Europäische Kulturkonvention (KK) unter den Europarar-Mitgliedstaaten-Finnland als Nichtmitgliedstaat des Europarates trat ihr 1970 bei - geschlossen. In ihr sind Maßnahmen zum Schutz und zur weiteren Entwicklung des gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes vorgesehen (so u. a. Art. 1 KK). 291 Im Jahre 1961 einigten sich im Ministerkomitee des Europarates die Unterzeichnerstaaten der Kulturkonvention darauf, in Übereinstimmung mit Art. 17 ER-Satzung einen Rat für kulturelle Zusammenarbeit zu bilden ("Council for Cultural Co-operation" - CCC). 292 Dieser Rat befaßte sich im Jahr 1962 in seinem Ausschuß für außerschulische Ausbildung zum ersten Mal mit dem Bereich des Sports. 293 Es dauerte jedoch bis zum Jahr 1966, ehe der CCC die Forderung "Sport für alle" als gemeinsames langfristiges Ziel in sein Programm aufnahm. 294 Zuvor war lediglich vom Sport im Zusammenhang mit den Stichworten "general and technical education" and "physical education" die Rede. 295 Sport wurde im Rahmen des Europarates als ein Element des kulturellen Bereichs begriffen. 2. Sport als Kulturbestandteil

Unter dem weitgefaßten Begriff "Kultur" wird die schöpferische Veränderung · und Gestaltung der Um- und Mitwelt durch die Menschen verstanden, die über das nur Zweckmäßige hinausgeht. 296 Huizinga geht in seinem Buch "Homo ludens" von der These aus, daß Kultur anfänglich gespielt wird. Als Beleg hierfür Preis, S. 50; Hilf, S. 88. European Treaty Series 1, 1949- 1956, Nr. 18, S. 108 ff. 292 Council of Europe, Consultative Assembly, 1962, Doc. 1410, App. II, Res. (61) 39, s. 92ff. 293 Sagar, S. 53. 294 Council of Europe, Consultative Assemb1y, 1969no, Doc. 2631, S. 3. 295 Vgl. Council of Europe, Consultative Assembly, 1962, Doc. 1410, App. II, Res. (61) 39, s. 92 ff. 296 Herder, Staatslexikon, Bd. 5, 6. Aufl., S. 163 f. 290 291

B. Völkerrecht und Sport

64

führt er Beispiele aus der Geschichte an, und er zeigt, daß in allen Bereichen

der Kultur, wie z. B. Kunst, Philosophie und Recht, Spielelemente enthalten sind. 297 Untrennbar mit dem Spiel sei dabei der Wetteifer verbunden. Beiden zusammen kommen kulturschaffende Funktionen zu. 298

Spiel und Wetteifer sind gerade für den ßereich des Sports besonders charakteristische Merkmale. Insofern stellt sich der Sport nach Huizinga als ein Bereich des kulturellen Lebens dar, zumindest solange die Elemente von Spiel und Wetteifer nicht vollständig von anderen Motiven, wie z. B. Profitstreben, überlagert werden. Eine gewisse Form von Ästhetik und auch die Zurschaustellung bei Sportfesten und Wettkämpfen sind andere typische Kennzeichen des Sports. In dieser Hinsicht beinhaltet der Sport auch schöpferische Betätigungen ("Kultur der Bewegung"). 299 Den Sport als Bestandteil der Kultur anzusehen, wird zudem durch zahlreiche Beispiele gestützt: So war schon im alten Griechenland der Sport - die Olympiade - eng mit anderen Künsten, wie Dichtung und Bildhauerei, verbunden. 300 Außerdem ist im Zusammenhang mit Sport immer wieder von "Körperkultur" die Rede. 301 Krawczyk bezeichnet den Sport gar als ein Element der "Massenkultur", 302 und in der DDR-Verfassung (Art. 18 Abs. 3 sowie 25 Abs. 3) wird der Sport einmal als Element der sozialistischen Kultur - was immer dies sei - und ein anderes Mal als Bestandteil des kulturellen Lebens allgemein behandelt. In dem Bewußtsein, daß es sich beim Sport um ein Grundelement der Kultur handelt, hat auch der französische Gesetzgeber das Gesetz vom 29. 10. 1975, das den Sport betrifft, verabschiedet. 303 Insofern ist es kein Zufall, daß in Baden-Württemberg der Kultusminister für den sportlichen Sektor verantwortlich zeichnet. 304 Sport als ein Bereich der Kultur, die heute in zunehmendem Maße zur Selbstverwirklichung des einzelnen und zur Verbesserung seiner Lebensqualität beiträgt, 305 fällt somit in die Zuständigkeit des Europarates (vgl. Art. 1 b ERSatzung) und im speziellen Falle in die des CCC.

297 298

299 300 301 302 303

(28).

Huizinga, S. 123 ff. Huizinga, S. 75. Grupe, S. 123. De Roulet, S. 45. v. Krockow, S. 57. Krawczyk/Jaworski/Ulatowsld, S. 165. Zitiert nach Plouvin, RMC 78, 516 ff. (524) und Gaz. Pal. 1978, Doctrine S. 23 ff.

304 Vgl. § 1 Abs. 4 der Bekanntmachung der Landesregierung über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien vom 25. 7. 1972 in Dürig, Nr. 15. 305 De Roulet, S. 47.

li. Europarat und Sport

65

3. Aktivitäten des Europarates auf dem Gebiet des Sports Im Anschluß an den CCC nahm sich die Beratende Versammlung der Forderung "Sport für alle" an. Sie stützte sich dabei auf folgende Überlegungen. In einer Zeit, in der der einzelne aufgrund der heutigen Lebens- und Arbeitsbedingungen immer mehr in die Isolation getrieben wird, bietet der "Sport für alle", als Ausdruck eines humanistischen Ideals, gerade Gelegenheiten zur Selbstverwirklichung, zur Kreativität, zur Kommunikation mit Mitmenschen und nicht zuletzt zur Gesunderhaltung. 306 Dem Sport falle insofern eine biologische und eine sozio-kulturelle Funktion zu. Dieses Konzept des Sportswird als der Versuch bezeichnet, auf einige brennende Probleme, die sich für das Individuum und die Gesellschaft stellen, eine Antwort zu geben. In einer Empfehlung (Nr. 588 [ 1970]) an das Ministerkomitee wurde die Unterstützung von Kampagnen - "Sport für alle" - und die Schaffung von Einrichtungen zur Koordination der verschiedenen Maßnahmen auf europäischer bzw. nationaler Ebene befürwortet. 307 Nachdem die belgisehe Regierung mit Hilfe des Europarates ein "Sport für alle"-Informationszentrum, das "Clearing House", errichtet hatte, war es wieder die Beratende Versammlung, welche die Initiative zur Ausarbeitung einer Europäischen Charta "Sport für alle" ergriff. In ihrer Empfehlung 682 (1972)3°8 legte sie dem Ministerkomitee nahe, eine europäische Sportcharta nach den von ihr - Ausschuß für Kultur und Erziehung 309 - ausgearbeiteten Prinzipien anzunehmen. In diesem vom Kultur- und Erziehungsausschuß der Beratenden Versammlung vorgelegten Bericht werden noch einmal die soziale und kulturelle Bedeutung des Sports und die immensen Chancen, die in ihm stecken, hervorgehoben. Unter anderem wird die Integrationskraft des Sports im innerstaatlichen wie auch im europäischen Rahmen betont, indem herausgestellt wird, daß "Sport für alle" auch den europäischen Gedanken stärken könnte( ... "build a European identity and to stimulate individual European contacts through sport"). 3Io

Council of Europe, Consultative Assembly, 1969no, Doc. 2631, S. 2 ff. Conseil de l'Europe, Assemblee consultative, 1970, 21. Session ord., Recommendation 588 (1970), 21. Seance, S. 783. 308 ConseildeI 'Europe, Assemblee consultative, 1972/1973, 24. Session ord., Recommendation 682 (1972), 13. Seance, S. 487 f. 309 Council of Europe, Consultative Assembly, 1972, Doc. 3186, S. 1 ff. 3 10 Council of Europe, CDDS (80), Inf. 1 v. 12. 5. 1980, S. 25: "Objektives of the programme of European cooperation in spart for a11"; Council of Europe, 3rd Conference of European ministers responsible for sport, 8.- 10. 4. 1981, Pa1ma de Majorca, Resolution II, S. 5 f.: "The roJe ofpublic authorities as regards the development of sport for a11". 306 307

5 Klose

66

B. Völkerrecht und Sport

a) Europäische Charta "Sport für alle" Am 20./21. März 1975 trafen in Brüssel die Sportminister der Unterzeichnerstaaten der Kulturkonvention zu einer Konferenz zusammen. Das wichtigste Resultat ihrer Zusammenkunft war die Verabschiedung einer Europäischen Charta ,,Sport für alle". 311 Die Entschließung der für den Sport verantwortlichen Minister gilt selbst noch nicht als ein Beschluß des Europarates, obwohl im Zusammenhang mit diesen Tagungen in der Regel von Arbeiten im Rahmen des Europarates gesprochen wird. 312 Denn nach Art. 14 Abs. 2 ER-Satzung setzt sich das Ministerkomitee, das gemäß Art. 13 ER-Satzung dafür zuständig ist, im Namen des Europarates zu handeln, aus den Außenministern zusammen. Derartige Fachministerkonferenzen der westeuropäischen Staaten stehen konstitutionell außerhalb des Europarates. 313 Sie sind dem Grunde nach autonom. 314 An den Europarat sind sie insoweit gebunden, als das Sekretariat des Europarates auch das Sekretariat dieser Konferenzen stellt. Die Organisation wird als "Beobachter" eingeladen, weshalb die Beratende Versammlung bei den Europäischen Fachministerkonferenzen normalerweise durch mehrere Mitglieder vertreten ist. 315 In der vom Ministerkomitee im Dezember 1971 angenommenen Resolution (71) 44 sind die Bindungen zwischen den Fachministerkonferenzen und dem Europarat im einzelnen geregelt. 316 Das Ministerkomitee des Europarates nahm schließlich am 24. September 1976 die Resolution (76) 41 an, in der die Prinzipien der Charta "Sport für alle", wie von der Sportministerkonferenz empfohlen, niedergelegt sind. 317 Im einzelnen sieht diese Charta vor: 318 Artikel I Jeder Mensch hat das Recht, Sport zu treiben. Artikel II Der Sport soll als wichtiger Faktor der Entwicklung des Menschen gefördert und durch öffentliche Mittel angemessen unterstützt werden. 311 Abgedruckt in Deutscher Sportbund 1978 - 1982, S. 64 f. und in Council of Europe, MSL-3 (81), Inf. 1, Addendum (Deutsch), S. 1 f. 312 Plouvin, RJCD 75, 428 ff. (428); 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BRDrs. 490/86, S. 72 ff.; Deutscher Sportbund 1978- 1982, Bericht des Präsidiums, S. 40. m Klebes, S. 27. 314 Council of Europe, Committee of Ministers, Res. (71) 44 v. 16. 12. 1971. 315 Heydt, S. 62; 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 72 f. 316 Council of Europe, Committee of Ministers, Res. (71) 44 v. 16. 12. 1971. 317 Council of Europe, Committee of Ministers, Res. (76) 41 v. 24. 9. 1976. 318 Siehe FN 317, Appendix to Res. (76) 41; deutscher Text aus: Deutscher Sportbund 1978- 1982, S. 64 f.

Il. Europarat und Sport

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Artikel III Der Sport als Aspekt der sozio-kulturellen Entwicklung soll auf örtlicher, regionaler und nationaler Ebene in Verbindung mit anderen Bereichen von Entscheidung und Planung behandelt werden: Erziehung, Gesundheit, Soziales, Raumordnung, Naturschutz, Künste und Freizeit. Artikel IV Jede Regierung soll eine ständige und wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und freiwilligen Organisationen begünstigen und die Bildung nationaler Strukturen fördern, die es erlauben, den Sport für alle zu entwickeln und zu koordinieren. Artikel V Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Sport und die Sportler vor jeder politischen, kommerziellen oder finanziellen Ausnutzung sowie vor mißbräuchlichen oder herabwürdigenden Praktiken, einschließlich des Gebrauchs von Drogen, zu bewahren. Artikel VI Da das Ausmaß der Teilnahme am Sport unter anderem von Größe, Vielfalt und Zugänglichkeit der Anlagen abhängt, soll deren Gesamtplanung als eine Angelegenheit der Regierungen betrachtet werden, lokalen, regionalen und nationalen Erfordernissen Rechnung tragen und Maßnahmen einschließen, die eine volle Nutzung bestehender und neuer Einrichtungen garantieren. Artikel VII Es sind Vorkehrungen - gegebenenfalls einschließlich gesetzgebenscher Maßnahmen - zu treffen, um für die Freizeitgestaltung den Zugang zur Natur sicherzustellen. Artikel VIII In jedem Programm für Sportentwicklung soll die Notwendigkeit des Einsatzes qualifi-

zierten Führungspersonals auf allen Ebenen der verwaltungsmäßigen und technischen Leitung, in der Führung und im Training anerkannt werden. Möglicherweise können mit Hilfe dieser Charta die einer verstärkten europäischen Integration mittels des Sports im Wege stehenden Hindernisse - wie Ausländerklauseln und nationaler Vertretungspurismus- überwunden werden.

Hierfür bietet in erster Linie Art. 1 der Charta, in dem jedem Menschen das Recht zugestanden wird, Sport zu treiben, einen Ansatzpunkt. Aus ihm geht hervor, daß das Recht, Sport zu treiben, nicht von der Rasse, der Abstammung oder der Nationalität abhängig gemacht werden darf. Ob hierin jedoch auch der Anspruch enthalten ist, Wettkampfsport in einem Verein bzw. einer Sportart nach freier Wahl und nur von der Leistung abhängig zu betreiben, läßt sich allein aus Art. 1 der Charta nicht ableiten. Zur Klärung dieser Frage ist es nötig, auf die nachfolgenden Bestimmungen näher einzugehen. s•

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B. Völkerrecht und Sport

Vom Sport als einem wichtigen Faktor der Entwicklung des Menschen und einem Aspekt der sozio-kulturellen Entwicklung allgemein ist in Art. 2 und 3 der Charta die Rede. Wie diese Aussagen inhaltlich zu verstehen sind, ergibt sich aus den Entwürfen der Beratenden Versammlung und den hierzu ergangenen Erklärungen. 319 Demnach weist die Betonung der sozio-kulturellen Funktion des Sports darauf hin, mit Hilfe des Sports dem einzelnen Mittel an die Hand zu geben, sich selbst darzustellen, Kreativität zu entwickeln und mit anderen zu kommunizieren. 32° Ferner wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, daß der Sport einen Beitrag zur Überwindung von sozialen und sprachlichen Schranken leisten kann und insofern wahrlich demokratisch und europäisch erscheint. 321 Dieses Ergebnis läßt sich dadurch erhärten, daß in Art. 3 der Charta unter den dem Sport verwandten Bereichen gerade auch der Sozialbereich angesprochen wird. Wenn sich dies aber hinter dem sozio-kulturellen Aspekt des Sports verbirgt und wenn dies sein Beitrag zur Entwicklung des Menschen sein soll, dann läßt sich damit nicht die Praxis im Wettkampfsport, der zum Teil als Herzstück des Sports bezeichnet wird, 322 vereinbaren, die Beteiligung von Ausländern in vielen Sportarten zahlenmäßig zu beschränken. Unter diesen Umständen kann ni:j.mlich der Sport nur bedingt die ihm zugeschriebenen Funktionen wahrnehmen. Aus dieser Gesamtschau mit Art. 2 und 3 der Charta läßt sich demzufolge schließen, daß das Recht jedes Menschen, Sport zu treiben (Art. I der Charta), nach Sinn und Zweck notwendigerweise das Verbot einer Diskriminierung nach der Nationalität des Sporttreibenden mitumfaßt. 323 Diese Auslegung findet ihre Bestätigung auch in der Präambel von Resolution (76) 41.324 Dort heißt es nämlich in Punkt 5 und 6, daß der Nutzen des Sports so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen sei und daß die Idee des "Sports für alle" Sport sowohl als Freizeitaktivität als auch als Hochleistungsund damit als Wettkampfsport umfaßt. Die in verschiedenen Spielordnungen von Sportverbänden enthaltenen Ausländerquoten sind mit der Europäischen Sportcharta "Sport für alle" (Art. 1 i. V. m. Art. 2 und 3 der Charta) somit unvereinbar. 325 Doch die Frage bleibt, ob die 319 Council of Europe, Consultative Assembly, 1972, Doc. 3186, S. 1 ff. und 1969/ 1970, Doc. 2631, S. 1 ff.; Conseil de l'Europe, Assemblee consultative, 1972/1973, 24. Session ord., S. 479 ff., 13. Seance. 320 Council of Europe, Consultative Assembly, 1969/1970, Doc. 2631, S. 2. 321 U. a. Council ofEurope, Consultative Assembly, 1972, Doc. 3186, S. 11; Conseil de l'Europe, Assemblee consultative, 1972/1973, 24. Session ord., S. 483 f., 13. Seance. 322 Stensaasen, S. 18. 323 Stensaasen, S. 21. 324 Siehe FN 317. 325 So auch Council of Europe, Sport for immigrants, 1. Seminar, Lisboa, December 1979, Conclusions, Socio-economic and cultural situation of the immigrants, S. 97 f.

li. Europarat und Sport

69

Ausländerklauseln deshalb unzulässig sind. Um zu dieser Schlußfolgerung zu gelangen, müßte die Europäische Sportcharta eine für den innerstaatlichen Bereich jedes Mitgliedstaates des Europarates verbindliche Regelung enthalten: das Recht auf Sport als Grundrecht aller Menschen. 326 Für die Verbindlichkeit der Europäischen Sportcharta könnte die Verwendung des Begriffs der "Charta" sprechen. Diese Bezeichnung taucht nämlich zum Beispiel bei der UN-Charta 327 und im Rahmen des Europarates bei der Sozialcharta 328 auf, diebeidefür die beigetretenen Staaten (z. B. die Bundesrepublik Deutschland) verbindlich sind. Diese beiden Abkommen enthalten aber Vorschriften, in denen ihr lnkrafttreten ausdrücklich von der Ratifikation durch die einzelnen Staaten abhängig gemacht wird (so Art. 110 UN-Charta bzw. Art. 35 Sozialcharta) und nicht schon mit ihrer Annahme durch Staatenvertreter eintritt. Eine derartige Klausel fehlt bei der Europäischen Sportcharta. Ferner enthält die Sportcharta keine Sanktionsmaßnahmen für den Fall der Nichterfüllung der in ihr niedergelegten Verpflichtungen (wie z. B. Art. 39 ff. UN-Charta), und es ist auch kein Kontrollmechanismus vorgesehen, um die wirksame Anwendung ihrer Vorschriften zu garantieren, wie z. B. in der Sozialcharta in Art. 21 - 29.329 Allein die Bezeichnung eines Abkommens als "Charta" genügt deshalb nicht, um eine Vereinbarung von selbst für die einzelnen Staaten verbindlich zu machen oder einen entsprechenden Bindungswillen der Staaten anzunehmen (ähnlich Art. 24 WRVK), 330 sondern es muß in der Regel die innerstaatliche Ratifikation hinzukommen, um derartigen Abkommen auch innerstaatliche Verbindlichkeit zu verschaffen. m Im übrigen läßt Art. 15 b ER-Satzung den Schluß zu, daß das Ministerkomitee des Europarates zwar Beschlüsse fassen kann, diese aber allenfalls Empfehlungscharakter für die Regierungen besitzen und somit für diese nicht verbindlich sein können. 332 Der Europarat ist eine Internationale Organisation, der keine Hoheitsrechte übertragen sind (oben Ziff. AI 1) und die insofern keine für die Mitgliedstaaten verbindlichen Entscheidungen fällen kann. Verbindlich könnte die Sportcharta allenfalls dann noch sein, wenn sie schon gültige Regeln des Völkerrechts lediglich wiederholte. Diese Möglichkeit scheitert jedoch am fehlenden Völkergewohnheitsrecht und der entgegenstehenden 326 327 328 329 330

Gieseler (1978), S. 336. Charta der Vereinten Nationen, Sartorius li, Nr. 1. Europäische Sozialcharta, Sartorius II, Nr. 115. P1ouvin, RJDC 75, 428 ff. (430). Vgl. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRK), Sartorius II,

Nr. 320. 331 U. a. Golsong, S. 97. 332 U. a. de Roulet, S. 46 und Golsong, S. 97.

70

B. Völkerrecht und Sport

Rechtspraxis, nämlich den Ausländerklauseln in den Sportverbandssatzungen und -ordnungen der Mitgliedstaaten. Der Europäischen Sportcharta kommt somit nur moralisches Gewicht zu, 333 was auch aus dem Schlußabsatz von Resolution (76) 41 folgt, wo den Mitgliedstaaten empfohlen wird, ihre nationalen Politiken "as far as possible" auf die in der Charta niedergelegten Prinzipien abzustimmen. Für die Zukunft könnte die Charta als Basis einer Europäischen Sportkonvention dienen, die dann nach entsprechender Ratifikation durch die Mitgliedstaaten verbindlich werden könnte. 334 In dieser Richtung wurden vom Europarat allerdings noch keine konkreten Schritte in die Wege geleitet. Aufgrund dessen, daß der Europäischen Sportcharta keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, sondern nur "moral weight", 335 sind die Ausländerklauseln zwar moralisch, nicht aber rechtlich unzulässig. b) Der "Rat für die Entwicklung des Sports" (CDDS) Trotz seiner beschränkten Kompetenzen bietet der Europarat weiterhin in seinem Rahmen ein Forum zur Beratung aktueller Probleme des Sports. 336 Auch die bessere Eingliederung ausländischer Mitbürger mittels des Sports ist häufiger Diskussionsgegenstand. So schlugen die Sportminister bereits 1975 auf ihrer Konferenz in einer weiteren Resolution vor, daß die öffentlichen Stellen die Sportausübung u. a. der Gastarbeiter fördern sollten. 337 Um den Widerspruch zu lösen, der darin bestand, daß der Europarat als eine zwischenstaatliche Organisation auf dem Gebiet des Sports Resolutionen ausarbeitete, während in den meisten Mitgliedstaaten der Sport nichtstaatlich, also autonom von freiwilligen Organisationen getragen wird, 338 wurde 1977 vom Ministerkomitee ein "Rat für die Entwicklung des Sports" (CDDS) eingerichtet, 339 in dem sowohl die Mitgliedstaaten als auch die nationalen Sportverbände vertreten sind. Aus der Bundesrepublik Deutschland sind dies beispielsweise das Bundesministerium des Innern und der Deutsche Sportbund. Der CDDS untersteht direkt dem Ministerkomitee und hat u. a. zur Aufgabe, Sportseminare allgemeinen Interesses (z. B. Doping im Sport, Zuschauergewalt bei SportveranCouncil of Europe, Consultative Assembly, 1972, Do. 3186, S. 3. Siehe FN 333. 335 Siehe FN 333. 336 Vgl. z. B. 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 72 ff., wonach im Rahmen des Europarates vor kurzem Themen wie z. B. Doping im Sport oder Sport und Kommerz behandelt wurden. 337 Abgedruckt in Council ofEurope, 3rd Conference ofEuropean ministers responsible for sport, 8. - 10. 4. 1981, Palma de Majorca, Resolution II, S. 5 f.: "The role of public authorities as regards the development of sport for all". 338 Vgl. hierzu Sagar, S. 55. 339 Council of Europe, Parliamentary Assembly, 1977/78, Doc. 4087, S. 24. 333

334

II. Europarat und Sport

staltungen) und die Konferenzen der Sportminister 2. 10. 1986 in Dublin - zu organisieren.

71

zuletzt vom 30. 9. bis

Unter anderem fanden in Portugal 1979 und 1982 zwei Seminare über den Sport für ausländische Mitbürger statt. 340 Hierbei wurde noch einmal die Rolle betont, die der Sport für die Eingliederung von Ausländern in Europa spielen könnte. Außerdem wurden die Staaten aufgefordert, die bekannten Hindernisse, auch rechtlicher Art (wie oben, Ziff. A II 6 aufgeführt), die einer stärkeren Beteiligung von Ausländern am Sport entgegenstehen, zu beseitigen und Art. 1 der Europäischen Sportcharta zu verwirklichen. 341 Dabei wurden den teilnehmenden Staaten anhand von Beispielen Wege aufgezeigt, wie diese Beschränkungen langsam abgebaut, abgeschwächt und überwunden werden können (Schaffung einer Sportnationalität, Abschaffung der Ausländerklauseln im Jugendbereich, wie bereits unter Ziff. A II 6 dieser Arbeit dargestellt). 342 Denn Chancengleichheit im sportlichen Bereich und freie Wahl der Sportart sollen grundsätzlich auch für eingereiste ausländische Mitbürger gelten. Auf Ihrer Konferenz 1981 in Palma de Mallorca griffen die europäischen Sportminister dieses Thema ebenfalls auf und beschlossen in ihrer Resolution Nr. 4, in Zusammenarbeit mit den nationalen Sportorganisationen Schritte zu unternehmen, den Zugang von Zuwanderern zu inländischen Sportvereinen zu verbessern. 343 c) Fazit

Die gesamten Aktivitäten des Europarates auf dem Gebiet des Sports verdeutlichen, daß man sich in seinem Rahmen der Bedeutung des Sports für ausländische Mitbürger bewußt ist und daß man versucht, in kleinen Schritten mit immer neuen Aufrufen und Entschließungen auf eine verstärkte Integration hinzuarbeiten. 344 Letztendlich ist das jedoch von dem guten Willen derjenigen - in der Regel der nationalen Sportverbände - abhängig, die im nationalen Sport das Sagen haben - und hier läßt sich konstatieren, daß sich trotz aller Bemühungen, 340 Council of Europe, Sport for immigrants, 1. Seminar, Lisboa, December 1979 und Sport for immigrants, 2. Seminar, Portugal, 21. - 25. 6. 1982. 341 Council of Europe, Sport for immigrants, 1. Seminar, Lisboa, December 1979, Conclusions, Socio-economic and cultural situation of the immigrants, S. 97. 342 Insbesondere Council of Europe, Sport for immigrants, 2. Seminar, Portugal, 21. - 25. 6. 1982. 343 Abgedruckt in Council of Europe, Sport for immigrants, 2. Seminar, Portugal, 21. - 25. 6. 1982, s. 7. 344 Vgl. u. a. Council of Europe, Sport for immigrants, 1. Seminar, Lisboa, December 1979, Conclusions, Socio-economic and cultural situation of the immigrants, S. 97 f. und zuletzt 4. Europäische Sportministerkonferenz vom 14. - 16. 5. 1984 in Malta, Entschließung Nr. 2 über die Bewertung der Auswirkung der Förderprogramme "Sport für alle", im 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 154 f.

B. Völkerrecht und Sport

72

Kampagnen und Initiativen in den Vorschriften der Sportverbände weiterhin Hindernisse für eine bessere Eingliederung von Zuwanderern finden. 345

Van Lierde kennzeichnet die Situation folgendermaßen: "In principle there are no obstacles, but in practice ... ". 346 Von Seiten des nationalen Gesetzgebers wurden die bestehenden Probleme bis jetzt ebenfalls noch nicht angegangen, so daß insgesamt doch Zweifel angebracht sind, ob der Europarat wirklich "den geeignetsten Rahmen für die europäische Zusammenarbeit im Bereich des Sports" abgibt, wie es in der Entschließung Nr. 2 der Dritten Europäischen Sportministerkonferenz von 1981 hieß.347

4. Sonstige für die Beteiligung von Ausländern am Sport bedeutsame Abkommen im Rahmen des Europarates

Die Pflicht, den ausländischen Mitbürgern die gleichen Teilnahmerechte am Sport zu gewährleisten, könnte sich im Rahmen des Europarates noch aus der Europäischen Sozialcharta, 348 der Europäischen Konvention über den Rechtsstatus von Wanderarbeitnehmern 349 oder dem Europäischen Niederlassungsabkommen von 1955 350 ergeben. Zwar erscheint es möglich, die Ausländer zum Großteil unter den Kreis der Berechtigten beider Verträge, nämlich Wanderarbeitnehmer in Art. 19 der Sozialcharta bzw. Art. 1 der Konvention über den Rechtsstatus von Wanderarbeitnehmern, der lediglich Profisportler ausschließt, einzuordnen, doch lassen weder Art. 19 Nr. 4 der Sozialcharta noch die Konvention über die Stellung der W anderarbeitnehmer- besonders deren Art. 13 Nr. 1, 16- eine derart weite Interpretation zu, die den Zugang und die Teilnahme am Sportleben insgesamt mit umfassen würde. In beiden Abkommen ist nämlich ganz speziell nur die Rede von gleicher' Behandlung, was die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen angeht bzw. den Zugang zu Gewerkschaften oder die Besorgung einer Unterkunft betrifft. Unter keinen dieser Punkte kann die gesamte Problematik der Ausländerklauseln im Bereich des Sports eingereiht werden. Allenfalls soweit der Berufssport betroffen ist, könnte Art. 19 Nr. 4 der Sozialcharta - die Gleichbehandlung in bezug auf die Beschäftigungsbedingungen - einschlägig sein. Allerdings sieht die Sozialcharta keine Gleichstellung des 345 Van Lierde, S. 71 und oben Ziff. A II 6. 346 Van Lierde, S. 73. 347 Abgedruckt in 5. Sportbericht der Bundesregierung, 1982, in BR-Drs. 352/82, Anhang 9.2; ähnlich Entschließung Nr. 11 der 4. Europäischen Sportministerkonferenz vom 14.- 16. 5. 1984 in Malta, in: 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs.

490/86,

s. 159 f.

348 Sartorius II, Nr. 115. 349 European Treaty Series 4, 1972 - 1979, Nr. 93. 350 Sartorius II, Nr. 117.

II. Europarat und Sport

73

Ausländers hinsichtlich des Zugangs zu einem Beruf vor, und im übrigen gewährleistet die Sozialcharta dem einzelnenn keinen individuell durchsetzbaren Rechtsanspruch (Art. 21 ff. Sozialcharta). Was das Europäische Niederlassungsabkommen anbelangt, so gilt hierfür Ähnliches wie für die beiden zuvor genannten Vereinbarungen. Hinzu kommt, daß die Vorschriften des Niederlassungsabkommens unter weit gefaßten ordre public- Vorbehalten (z. B. Art. 10 Niederlassungsabkommen: " ... wichtige Gründe wirtschaftlicher oder sozialer Art ...") stehen, weshalb sich die Staaten von ihren eingegangenen Verpflichtungen mit den verschiedensten Argumenten lösen können. 351 Somit bieten auch diese angesprochenen Abkommen im Rahmen des Europarates keine Handhabe gegen die Diskriminierung von Ausländern im Sport.

ll

35 t ZU

Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Vorbem. Art. 48/49.

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport Möglicherweise bestehen im Rahmen der EG bessere Aussichten, die Chancen, die der Sport für ein größeres europäisches Gemeinschaftsbewußtsein bietet, durch Überwindung entgegenstehender Verbandsvorschriften zu nutzen. In diesem Falle könnte der Sport zumindest für Marktbürger seine sozialen Funktionen erfüllen.

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich Der Sport müßte zum Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zählen. Denn allein daraus, daß ein Vorgehen auf Gemeinschaftsebene nützlich erscheint, kann noch nicht auf eine Zuständigkeit zu solchem Handeln geschlossen werden. 352 1. Konkurrenz Europarat - Europäische Gemeinschaft Nachdem sich schon der Europarat mit der Rolle des Sports in Buropa auseinandersetzt, stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, ob dann die EG überhaupt noch befugt ist, ebenfalls auf diesem Gebiet tätig zu werden, zumal die europäischen Sportminister auf ihrer Konferenz 1981 in Palma de Mallorca betonten, "daß der Europarat ... der geeignetsteRahmen für die europäische Zusammenarbeit im Bereich des Sports zwischen den Unterzeichnerländern ist" und im Europarat auch sämtliche EG-Staaten vertreten sind. 353 Das Verhältnis zwischen Europarat und Europäischer Gemeinschaft müßte so ausgeprägt sein, daß ein Tätigwerden des Europarates auf einem Sachgebiet eine gleichzeitige bzw. spätere Beschäftigung der EG mit derselben Angelegenheit ausschließen würde. Zur Lösung dieser Frage könnte Art. 30 WVRK beitragen. Diese Konvention ist zwar noch nicht für alle Staaten des Europarates bzw. der Europäischen Gemeinschaften verbindlich, 354 doch wiederholt sie in ihren wesentlichsten TeiKaiser, EuR 1980, S. 97 ff. (111). Council of Europe, 3rd Conference of European ministers responsible for sport, 8. - 10. 4. 1981, Palma de Majorca, Resolution No. 2, S. 2 ff.: "Progress in European cooperation since the second conference in 1978 and priorities for future European sports cooperation". 354 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zu dem Wiener Übereinkommen vom 23. 5. 1969 über das Recht der Verträge, BT-Drs. 10/1004, Stand: August 1983. 352 353

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

75

len, so auch in Art. 30, für alle Staaten schon verbindliches Völkergewohnheitsrecht. 355 Die ER-Satzung und der EWG-Vertrag müßten zunächst denselben Gegenstand regeln. Art. 1 a ER-Satzung und Art. 2 EWGV legen die Aufgaben der beiden Organisationen fest. Sowohl der Europarat als auch die Europäische Gerneinschaft sollen demnach zumindest u. a. den wirtschaftlichen Fortschritt und engere Beziehungen zwischen ihren Mitgliedstaaten fördern. 356 Die insofern bestehende Identität ihrer Aufgaben führt zwangsläufig zu Überschneidungen ihrer Tätigkeitsbereiche. Nach Art. 30 Abs. 4 a i. V. rn. Abs. 3 WVRK findet demnach im Verhältnis zwischen Staaten, die sowohl der EG als auch dem Europarat angehören, die Satzung des Europarats nur insoweit Anwendung, als sie mit dem späteren EWG-Vertrag vereinbar ist (völkergewohnheitsrechtliche lex-posterior- Regel). 357 Ein grundsätzlicher Vorrang der ER-Satzung gegenüber dem EWG-Vertrag besteht somit auf keinen Fall. Etwas anderes könnte sich allenfalls noch aus der ER-Satzung und dem EWG-Vertrag selbst ergeben. Nach Art. 1 c ER-Satzung darf die "Beteiligung der Mitglieder an den Arbeiten des Europarates ... ihre Mitwirkung am Werk der Vereinten Nationen und der anderen Internationalen Organisationen oder Vereinigungen, denen sie angehören, nicht beeinträchtigen". 358 Aus dieser "Subsidiaritätsklausel" läßt sich schließen, daß der Europarat bei der Verfolgung seiner Ziele keine ausschließliche Kompetenz beansprucht. Belegt wird dies u. a. durch die Resolution (74) 4 des Ministerkomitees des Europarates anläßlich seines 25-jährigen Bestehens. Dort heißt es in Punkt 10, "das Ministerkomitee .. . im Hinblick darauf, daß eine Verteilung der Aufgaben auf diese Organisationen und Institutionen- (entsprechend Punkt 9 der Resolution sind hiermit europäische und internationale gemeint) - unrealistisch wäre und daß es daher erforderlich ist, ihre Tätigkeiten zu koordinieren und den Informationsaustausch zu erhöhen und regelmäßig vorzunehmen, damit diese Organisationen und Institutionen einander in der Praxis ergänzen können". 359 Bezüglich der Außenbeziehungen des Europarates, speziell zur Europäischen Gemeinschaft, sieht diese Resolution regelmäßige Sitzungen und Kontakte vor, um u. a. Gebiete von gerneinsamem Interesse durch die regelmäßige Prüfung laufender Programme und durch die Erfassung von Vorhaben, die für eine Zusammenarbeit geeignet sind, zu finden.

Verdross/Simma, S. 397 f. U. a. Loerke, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 2. Aufl. 1974, Art. 230, Erl. II, und Schröder, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 230, Rdn. 1. 357 Verdross/Simma, S. 397 f. 358 Vgl. hierzu Vedder, S. 17. 359 Abgedruckt in: Das Europa der Siebzehn. Bilanz und Perspektiven von 25 Jahren Europarat, Anhang, S. 311 ff. 355

356

76

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Dementsprechend spricht Art. 230 EWGV ebenfalls davon, jede zweckdienliche Zusammenarbeit zwischen Europarat und Europäischer Gemeinschaft herbeizuführen, 360 d. h.: die Arbeit der Europäischen Gemeinschaft soll mit Rücksicht auf das gemeinsame Ziel der europäischen Einigung dem Europarat zugutekommen und umgekehrt. Aufgrund ihrer weiterreichenden Zielsetzung (Stichwort Supranationalität) und ihren aus diesem Grunde größeren Kompetenzen ist die Europäische Gemeinschaft aber nicht befugt, in ihren Tätigkeitsbereichen auf bestehende Zuständigkeiten zu verzichten. 361 Folge dieser Regelungen ist, daß zwischen Europarat und Europäischer Gemeinschaft rechtlich kein Überbzw. Unterordnungsverhältnis besteht, sondern sie auf gleichberechtigter Stufe zum Teil identische Aufgabengebiete behandeln, was zwangsläufig Überschneidungen ihrer Tätigkeitsbereiche zur Folge hat. Mit Hilfe eines teilweise institutionalisierten Koordinierungssystems soll dabei unzweckmäßige Doppelarbeit weitestgehend vermieden werden 362 (weshalb im Jahr 1975 das Brüsseler Verbindungsbüro zwischen Europäischer Gemeinschaft und Europarat eröffnet wurde 363 ). Im Bereich des Sports entsandte die Europäische Gemeinschaft bisher stets Beobachter zu den Sportministerkonferenzen im Rahmen des Europarates. 364 Dennoch existieren zahlreiche Parallelsysteme verschiedener europäischer Organisationen: Da ist einmal das Gebiet des Umweltschutzes, auf dem sowohl der Europarat 365 als auch die Europäische Gemeinschaft 366 und die OECD 367 agieren, des weiteren der wirtschaftliche Sektor, auf dem in erster Linie die EWG 368 und die OECD 369 sowie in speziellen Angelegenheiten der EuroparatJ70 aktiv sind. Wohlfahrt, in: ders. u. a., Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Art. 230. Louis et Brückner, in: Megret u. a., Le droit de Ia C.E.E., 1980, vol. 12, Art. 230, 5; Loerke, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 2. Aufl. 1974, Art. 230, Erl. II. 362 Bei Loerke, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 2. Aufl. 1974, Art. 230, Erl. II; Briefwechsel aus dem Jahr 1959 zwischen EG-Kommissionspräsident und dem Generalsekretär des Europarates; Genscher, in: VWD vom 31. 1. 1985, S. 2. 363 EG-Bulletin 1977, Beilage 6n7, S. 6. 364 Stein, EuR 1982; insgesamt zur europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sports, vgl. Council of Europe, Parliamentary Assembly, 1984, Doc. 5270. 365 U. a. Umweltministerkonferenz im Rahmen des Europarates, vgl. z. B. in: Report on the activities of the Council of Europe, 1979/1980, S. 107 ff. 366 U. a. Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz, EG-Abl. 1973, C 112/1 ff.; Art. 25 EEA "Umwelt". 367 U. a. Empfehlungen über "Principles conceming transfrontier pollution,lLM 1975, S. 242 ff. bzw. über das .,Polluter-pays-principle", lLM 1975, S. 234 ff. 368 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Sartorius II, Nr. 150. 369 Übereinkommen über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Sartorius II, Nr. 70. 370 U. a. Council of Europe, European convention of the legal status of migrant workers, European Treaty Series 4, 1972 - 1979, Nr. 93. 360 361

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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Auch im kulturellen Bereich gibt es mehrfache Aktivitäten verschiedener europäischer Organisationen. Man denke nur an die Kulturkonvention und den Rat für kulturelle Zusammenarbeit im Rahmen des Europarates und an den Kulturausschuß des Europäischen Parlamentes sowie an weitere Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet. 371 Als Fazit kann somit festgehalten werden, daß die Europäische Gemeinschaft unter der Voraussetzung, daß der Sport in ihren Zuständigkeitsbereich fallt, grundsätzlich trotz der Konkurrenz des Europarates befugt, wenn nicht sogar vertraglich verpflichtet ist, sich mit Fragen des Sports zu befassen. In diesem Fall wäre die Europäische Gemeinschaft aufgrund ihrer weiterreichenden, für die Staaten verbindlichen Entscheidungskompetenzen und des Vorrangs des EGRechts vor nationalem Recht das wirkungsvollere Forum, die Probleme des internationalen Sportverkehrs anzugehen. 2. Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Sports

a) Europäisches Parlament Bereits 1966 befaßte sich das Europäische Parlament mit dem von Bernasconi ausgehenden Entschließungsantrag über die Rolle des Sports in der Europäischen Gemeinschaft (hierzu bereits oben Ziff. A li 4 ). 372 Jahre später stand längere Zeit die Olympische Frage im Mittelpunkt von Beratungen des Europäischen Parlamentes. Ausgelöst wurden diese Debatten durch die Afghanistan-Krise und dem mit ihr in Zusammenhang stehenden Streit über eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Moskau 1980. In einer Entschließung vom 15. Februar 1980 empfahl das Europäische Parlament den Regierungen und den Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der Mitgliedstaaten, die Moskauer Spiele zu boykottieren. 373 In der Folgezeit beschäftigte sich der Ausschuß für Jugend, Kultur, Bildung, Information und Sport allgemein mit der Situation der Olympischen Spiele und insbesondere mit einem griechischen Vorschlag, der die griechisehe Stadt Olympia als dauernden Austragungsort der Spiele vorsah. 374 In diesem Vorhaben und in einer Überprüfung der IOC-Regeln bezüglich Verwendung von Fahnen und Hymnen sah das Europäische Parlament die Lösung für die Probleme -zunehmende Politisierung und Kommerzialisierung - , denen sich die Olympische Bewegung gegenwärtig gegenübersieht. 375 In Fortführung dieser Vor371 Vgl. u. a. Council of Europe, Parliamentary Assembly, 1982, Doc. 4868, S. 7 ff.; Stichwort Europa: "Die Europäische Gemeinschaft und die Kultur", 14/85. m Bemasconi, EP, Sitzungsdokumente 1966- 1967, 7. 3. 1966, Dok. 12. 373 EG-Abl. 1980, C 59/57. 374 EG-Abl. 1984, C 172/117. 375 Vgl. hierzu EP, Sitzungsdokumente 1-767/79, l -386/80, 1-798/80, 1-149/81.

78

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

schlägewurde 1982 ein Antrag verabschiedet, der die Durchführung von regelmäßigen vorolympischen Spielen der EG-Mitgliedstaaten in Berlin forderte, um auf diese Weise u. a. das Gemeinschaftsbewußtsein in der Europäischen Gemeinschaft zu verbessern und friedlich die Zugehörigkeit von Berlin (West) zur EG zu dokumentieren. 376 Die Einrichtung eines Parlamentsausschusses nach der Direktwahl des Europäischen Parlamentes 1979, 377 der sich mit Fragen des Sports beschäftigt, nämlich der Ausschuß für Jugend, Kultur, Bildung, Information und Sport, bietet Gewähr dafür, daß das Europäische Parlament auch in Zukunft Aktivitäten auf dem Gebiet des Sports entfalten wird. Allerdings betrafen bis April 1983 nur zwei von 32 Ausschußthemen, nämlich die Teilnahme von Mannschaften aus der Dritten Welt an der Fußball-WM und das Thema "Olympische Spiele", den Bereich des Sports. Erst 1980 wurde der erste Sportbericht des Europäischen Parlamentes erarbeitet. 378

b) EG-Ministerrat I Europäischer Rat Beim Rat beschränkte sich die Beschäftigung mit dem Sport zunächst auf den Erlaß einer EG-Harmonisierungs-Richtlinie, in welcher die "in engem Zusammenhang mit Sport ... stehenden Dienstleistungen", die gemeinnützige Sportvereine an sporttreibende Personen erbringen, von der Steuer befreit werden. 379 1984 regte der Europäische Rat dann die Bildung von Europäischen Sportmannschaften an. 380

c) EG-Kommission Demgegenüber wurde die EG-Kommission bei ihrer Tätigkeit schon mehrfach mit Angelegenheiten des Sports konfrontiert. Nach Art. 46 Abs. 1 GeschOEP richteten zahlreiche Buropaparlamentarier Anfragen an die Kommission, die den Sportbereich betrafen. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Überprüfung der Vereinbarkeil von Ausländerklauseln in Sportverbandssatzungen (Fußball, Radsport, Sportfischerei, Basketball) mit dem EWG-Vertrag. 381 Weitere Themen, EP, Sitzungsdokumente, 1-12/82. Vgl. Council of Europe, Parliamentary Assembly, 1982, Doc. 4868, S. 7. 378 Vgl. EP, Ausschuß für Jugend, Kultur, Bildung, Information und Sport, Entwurf eines Berichts über den Sport in der Gemeinschaft vom 12. 1./1. 2. 1984, Berichterstatter: A. Bord, PE 84 000, A, B. 379 Vgl. 6. Richtlinie des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (RL 77/388), EG-Abl. 1977, L 145/1 ff. (9). 380 Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates über die 28. Tagung in Fontainebleau am 25./26. 6. 1984, EA 1984, D 440 ff. (442). 381 Schriftliche Anfragen der Abgeordneten:- Seefeld, 379/70, EG-Abl., 1971, C 12/ 10; - Flesch, 196/71, EG-Abl. 1971, C 103/3; - Müller, 338/73, EG-Abl. 1974, C 58/ 376 377

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

79

deren sich die Kommission in diesem Rahmen annahm, behandelten die Steuerbelastung von Sportvereinen in den Mitgliedstaaten, 382 die Werbung bei Sportsendungen im Europäischen Fernsehen, 383 die Teilnahme von Kindern an sportlichen Einzelwettkämpfen, 384 die Vereinbarkeit der Statuten des Internationalen Fußballverbandes (FIFA) mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften 385 und die Bildung einer europäischen Fußballmannschaft. 386 Des weiteren ist die EG-Kommission- insbesondere seit 1985 -bemüht, dem europäischen Sport eine gemeinschaftliche Dimension zu verleihen. 387 Zur Erreichung dieses Ziels förderte die Kommission verschiedene Sportwettkämpfe internationalen Zuschnitts: 388 -

Europäische Segelregatta;

-

"Tour der Zukunft" der Radsportler;

-

das Tennisturnier "European Community Championship" unter Schirmherrschaft der EG-Kommission; Schwimmeisterschaften der Gemeinschaft; Gründung der Vereinigung "Sail for Europe".

Zusätzlich hatte die Kommission Gelegenheit, anläßlich von Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, die den Bereich des Sports betrafen, schriftliche Erklärungen gemäß Art. 20 EuGH-Satzung abzugeben. 389 d) Europäischer Gerichtshof (EuGH) In zwei Fällen, die dem EuGH zur Entscheidung gemäß Art. 177 EWGV im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt wurden, ging es um die Vereinbarkeit 1; - Jahn, 138n7, EG-Abl. 1977, C 200/14;- Carpentier, 868/77, EG-Abl. 1978, C 188/ 6;- Seeler, 1934/81, EG-Abl. 1982, C 198/4;- Brok, 1270/83, EG-Abl. 1984, C 38/21; - van Hemeldonck, 1592/84, EG-Abl. 1987, C 324/11; - Lienemann, 2950/86, EG-Abl. 1987, C 324/11; - Mattina u. a., 724/87, EG-Abl. 1987, C 315/34. 382 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Seefe1d, 207n1, EG-Abl. 1972, C 37/1. 383 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Seefeld, 112n5, EG-Abl. 1975, C 192/12. 384 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten van Hemeldonck, 2322/83, EG-Abl. 1984, c 173/82. 385 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Vandemeulebroucke, 2391/83, EG-Abl. 1984, c 222/21. 386 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Cantarero del Castillo, 2073/86, EG-Abl. 1987, c 143/30 f. 387 Vgl. bereits auch EG-Bulletin 1977, Beilage 6n7, S. 27 "Aktion im kulturellen Bereich". 388 Einzelheiten hierzu vgl. Stichwort Europa: "Europäische Identität: im Symbol, im Sport ...", 6/87, S. 9 ff. 389 Vgl. insbesondere EuGHE 74, 1405 ff. RS 36/79 "Walrave/Koch"; EuGHE 76, 1333 ff. - RS 13176 "Dona/Mantero".

80

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

von Satzungsbestimmungen zweier Sportverbände im Radsport und im Fußball, in denen die Teilnahme von Ausländern bei bestimmten Veranstaltungen ausgeschlossen bzw. beschränkt wurde, mit den Regeln des EWG-Vertrags. Im einzelnen ging es dabei um folgende Sachverhalte: -

Walrave I Koch:390 Die internationale Radsportunion UCI hatte ihre Regeln für die Durchführung von Weltmeisterschaften für Steherrennen 1970 dahingehend geändert, daß ab 1973 bei diesen Rennen der Schrittmacher dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen muß wie sein Steher. Der Charakter solcher Steherrennen läßt sich dabei wie folgt beschreiben: Dem Schrittmacher, der ein Motorrad fährt, folgt ein im Windschatten fahrender Radfahrer. Die Beantwortung der Frage, ob Steher und Schrittmacher zusammen eine Mannschaft bilden oder ob es sich um ein Rennen zwischen Radrennfahrern handelt, bei dem der Schrittmacher nur eine Hilfsfunktion wahrnimmt, führt mitten in die Problematik dieses Falles. Die beiden Niederländer Walrave und Koch, seinerzeit zu den weltbesten Schrittmachern zählend, fuhren in der Regel mit deutschen oder belgischen Radrennfahrern, da sie in den Niederlanden nicht genügend gute "Steher" fanden. Durch die Neuregelung der UCI- Vorschriften fühlten sie sich in der Ausübung ihres Berufes, dem Schrittmachen, behindert, da es ihnen bei Weltmeisterschaften verwehrt war, mit anderen als holländischen Radrennfahrern die Rennen zu bestreiten. Sie klagten daher vor dem zuständigen Gericht in Utrecht gegen die UCI, den niederländischen Radsportverband und den Veranstalter der Weltmeisterschaft, den spanischen Radsportverband, mit dem Ziel, einen Verstoß der UCI- Regeln gegen die Freizügigkeitsbestimmungen des EWG-Vertrages zu belegen. Beim Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Utrecht erwirkten Walrave und Koch eine einstweilige Verfügung, in welcher der Präsident ihrem Klagebegehren nach summarischer Prüfung stattgab. Diese Entscheidung wurde jedoch anschließend vom Gerichtshof Amsterdam auf Berufung der Beklagten wieder aufgehoben. In der Zwischenzeit legte die Arrondissementsrechtbank Utrecht dem Europäischen Gerichtshof den Rechtsstreit gemäß Art. 177 EWGV zur Vorabentscheidung vor.

-

Dona I Mantero: 391 Der frühere Präsident der italienischen "Associazione Calcio Rovigo" - des FC Rovigo- Mantero hatte Dona beauftragt, in ausländischen Fußballerkreisen Spieler zu suchen, die bereit wären, in der Mannschaft von Rovigo zu spielen. Dona ließ daraufhin bei einer belgischen Sportzeitung eine dementsprechende Anzeige veröffentlichen. Mantero weigerte sich jedoch anschlie390 EuGHE 74, 1405 ff. - RS 36n4 "Walrave/Koch". 391 EuGHE 76, 1333 ff. - RS Bn6 "Dona/Mantero".

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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ßend, die aufgrund der Anzeige zu gegangenen Angebote zu prüfen und Dona die Kosten für das Inserat zu ersetzen. Er begründete dies damit, daß Dona voreilig gehandelt hätte, da die italienische Fußballverbandsordnung, wie allgemein bekannt, in Art. 16 i. V. m. Art. 28 g eine absolute Ausländersperre vorsehe und eine Verpflichtung ausländischer Spieler insofern erst nach Aufhebung dieser Sperre möglich wäre. Dona wollte diese Vorschriften nicht gegen sich gelten lassen, da sie gegen die Freizügigkeitsbestimmungen des EWG-Vertrages verstießen, und er verklagte Mantero auf Zahlung der Anzeigenkosten. Zur Klärung der Frage, ob die Freizügigkeitsbestimmungen des EWG-Vertrages im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen oder nicht, leitete der Friedensrichter von Rovigo beim EuGH ein Vorabentscheidungsverlabren nach Art. 177 EWGV ein. Zwei weitere, ähnliche Fälle britischer Fußballspieler, die in Italien die Spielerlaubnis anstrebten, hatten sich vor Entscheidung des Gerichtshofs erledigt. 392 In einem Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal de grande instance Lilie ging es um die Freizügigkeit eines Fußballtrainers und dabei insbesondere um die Anerkennung der Gleichwertigkeit nationaler Trainerdiplome. 393

3. Beschränkter Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts für den Sport

Allein aus der Anzahl von Handlungen der Gemeinschaftsorgane auf dem Gebiet des Sports kann jedoch keine Kompetenz der Gemeinschaft zur generellen Regelung des Sportsektors gefolgert werden. Im Gegensatz zu souveränen Staaten, die auf ihrem Staatsgebiet alle denkbaren Akte vornehmen können, besitzen Internationale Organisationen wie die Europäische Gemeinschaft - woran auch ihr supranationaler Charakter nichts ändert - nur die Befugnisse, die ihnen im Gründungsvertrag ausdrücklich oder implizit übertragen wurden. 394 Es gilt im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (competence d'attribution). Insofern müßte sich die EG beim Tätigwerden im sportlichen Bereich auf eine vertraglich festgelegte Kompetenz stützen können. In keinem der drei Gemeinschaftsverträge wird allerdings der Sport ausdrücklich angesprochen. Eine Zuständigkeit der EG müßte sich deshalb aus anderen Vertragsnormen ergeben. Aufgrund seines allgemeineren Anwendungsbereichs kommen hierfür insbesondere Vorschriften des EWG-Vertrages in Betracht.

Hilf, S. 91; Karpenstein, S. 119. Urteil des EuGH vom 15. 10. 1987- RS 222/86 "UNECTEF/Heylens", Tenor in EG-Abl. 1987, C 300/5. 394 Vedder, S. 12; Zuleeg, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 2, Rdn. 2; Seidl-Hohenveldern, Rdn. 1517 ff. 392 393

6 Klose

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

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Während die Präambel generelle Zielvorstellungen der Gemeinschaft beschreibt, sind in Art. 2 EWGV die "Aufgaben" der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) festgehalten. Demnach soll die EWG "eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen" zwischen den Mitgliedstaaten fördern. In Art. 3 werden anschließend die einzelnen Täigkeitsbereiche der Gemeinschaft (u. a. die Freizügigkeit der Arbeitnehmer) gesondert aufgeführt. Der Bereich des Sports müßte sich unter eine der genannten Aufgaben bzw. Tätigkeitsbereiche subsumieren lassen.

a) Der vom EuGH vertretene Rechtsstandpunkt Der EuGH hat sich in den zwei angesprochenen Entscheidungen Walrave/ Koch und Dona/Mantero mit der Frage der Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Sports befaßt. Er äußerte sich dahingehend, 395 daß sportliche Betätigungen angesichts der Ziele der Gemeinschaft nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht unterfielen, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 EWGV ausmachten. Dies sei nach seiner Meinung der Fall, sobald sich eine solche Betätigung als entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung kennzeichnen lasse, denn dann gelten für sie, je nach Lage des Einzelfalls, die besonderen Vorschriften der Art. 48 51 oder 59- 66 EWGV. Nahezu identisch fiel der entsprechende Satz im Dona/Mantero-Urteil aus. 396 Der EuGH unterließ es dort lediglich anzusprechen, daß sportliche Betätigungen "nur" insoweit dem Gemeinschaftsrecht unterfielen, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 EWGV ausmachten. Ob hierin eine Auflokkerung der Walrave/Koch-Entscheidung zu sehen ist, muß aber bezweifelt werden. Es erscheint wahrscheinlicher, daß der EuGH dies übersah oder einer derartigen Betonung keine allzu große Bedeutung beimaß, 397 zumal er auch bei Dona/Mantero ansprach, daß seine Ausführungen für die Tätigkeit von Fußballprofis oder -halbprofis gelten, da diese eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung ausübten und insofern auf solche Spieler, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind, die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr Anwendung finden. Um nach Ansicht des EuGH demnach zum Anwendungsbereich des EWGVertrages zu zählen, muß der Sport einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne 395 396 397

EuGHE 74, 1405 ff. (1418)- RS 36/74 "Walrave/Koch". EuGHE 76, 1333 ff (1340). - RS 13/76 "Dona/Mantero". P1ouvin, Gaz. Pal. 1987, Doctrine S. 23 ff. (28).

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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von Art. 2 EWGV ausmachen, was gegeben ist, wenn sich die sportliche Betätigung als entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung kennzeichnen läßt. b) Die Auffassung der Kommission In den Erwiderungen zu den bereits erwähnten Anfragen 398 von EP-Abgeordneten vertrat die Kommission hierzu eine ähnliche Auffassung. Insoweit stellen die Fragen der Abgeordneten ein wichtiges Erkenntnis- und Informationsmittel dar, um die Rechtsstandpunkte der EG-Kommission zu bestimmten Fragen auszuloten. 399 Schon 1971 wurde die Kommission aufgrund einer Frage des Abgeordneten Seefeld, 400 der die Vereinbarkeit der sog. Ausländerklauseln in den Satzungen von Sportverbänden mit dem EWG-Vertrag bezweifelte, mit obigem Problemkreis befaßt. Seefeld hatte diese Frage parallel zu dem in den Niederlanden laufenden Walrave/K.och-Verfahren gestellt. In ihrer schriftlichen Antwort stimmte die Kommission der Einschätzung zwar zu, daß es sich bei der Anwendung dieser Klauseln der Natur nach um eine Diskriminierung handelt, daß aber zunächst geprüft werden muß, auf welchen Bereich und Personenkreis die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften überhaupt anwendbar sind. Dabei kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich des materiellen Anwendungsbereichs zu unterscheiden sei zwischen sog. Freizeittätigkeiten mit Erwerbszweck und anderen Tätigkeiten. Die letzteren würden nicht unter Gemeinschaftsrecht fallen, während es bei den sportlichen Tätigkeiten mit Erwerbszweck für die Anwendbarkeit von EG-Recht sogar unerheblich sei, ob der betreffende Sportler Arbeitnehmer sei oder nicht. In weiteren Stellungnahmen der Kommission verfestigte sich dieser Standpunkt. So teilte sie dem Abgeordneten Willi Müller auf eine Anfrage, 401 die Diskriminierungen im Bereil.;!: der Sportfischerei betraf, mit, daß derartige Freizeitbeschäftigungennicht unter die Bestimmungen des EWG-Vertrages einzuordnen seien. Dennoch ließen sich solche Ungleichbehandlungen mit der Vorstellung, die sich Bürger der EG von der Gemeinschaft machen, nicht vereinbaren, und aus diesem Grunde wolle sie sich auch angesichts der zunehmenden Bedeutung des Sports im heutigen Leben bei den Mitgliedstaaten für die Beseitigung jener Schranken einsetzen. In anderem Zusammenhang wurde die Auffassung der Kommission hinsichtlich des An Wendungsbereichs des EWG-Vertrages noch einmal deutlich. Als es darum ging, ob die Regeln des EWG-Vertrages auch auf Vereinigungen ohne 398 399

400 401

6*

Siehe FN 381 - 386. Hans Peter lpsen, S. 331. Schriftliche Anfrage 379no (FN 381). Schriftliche Anfrage 338n3 (FN 381).

84

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Erwerbszweck anwendbar seien, verneinte dies die Kommission mit dem Hinweis, daß der EWG-Vertrag nicht anwendbar sei, wenn weder industrielle noch kommerzielle Geschäfte getätigt werden und kein materieller Gewinn angestrebt werde. 402 Dementsprechend wiederholte die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen (vgl. Art. 20 Abs. 2 EuGH-Satzung) zu den beiden Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof- Walrave/Koch und Dona/Mantero- im wesentlichen noch einmal diese Rechtsauffassung. 403 So ging sie zunächst davon aus, daß Art. 48 EWGV für Tätigkeiten, die- wie der Sport- der Unterhaltung dienten, ebenso gelte wie für die wirtschaftliche Betätigung, allerdings unter der Bedingung, daß die Tätigkeit zu Erwerbszwecken ausgeübt werde. Konkret heißt das, daß das Gemeinschaftsrecht nur dann auf sportliche Betätigungen anwendbar sei, wenn sie als wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt werden und daß sie e contrario nur dann nicht unter den Vertrag fielen, wenn sie von Amateuren, also ohne Entgelt, betrieben werden. Das entscheidende Kriterium für die Kommission ist demnach, ob der Sport gegen Entgelt - und damit als wirtschaftliche Tätigkeit - oder ohne Entgelt - von Amateuren - ausgeübt wird. Denn nur im ersten Fall sei das Gemeinschaftsrecht auf sportliche Aktivitäten anwendbar. c) Schlußanträge der Generalanwälte In den beiden angesprochenen Verfahren vor dem EuGH, bezogen auch die Generalanwälte Warner und Trabucchi in ihren Schlußanträgen zum angesprochenen Problemkreis Stellung, wenn auch auf unterschiedliche Weise. (1) Stellungnahme des Generalanwalts Warner In der RS 36/72 "Walrave/Koch" beschäftigt sich Generalanwalt W arner nicht ausdrücklich mit der Frage, ob der Sport zum Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zählt. 404 Aus seinem Schlußantrag läßt sich jedoch ersehen, welche sportlichen Betätigungen er dem Gemeinschaftsrecht zuordnet. Er prüft nämlich, ob auf die bei Steherrennen bestehenden Vertragsverhältnisse die Art. 48 oder 59 EWGV Anwendung finden, ob es sich demnach um Arbeitsverträge oder um sonstige Dienstleistungsverträge handelt. Sobald ein Vertragsverhältnis, sei es jetzt Arbeitsvertrag oder sonstiger Dienstleistungsvertrag, zwischen dem Schrittmacher und einer anderen Person, wie dem Steher, einem Radsportverein oder Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Seefeld, 98/74, EG-Abl. 1974, C 77/35. EuGHE 74, 1405 ff. (1409 ff.) - RS 36/74 "Walrave/Koch" und EuGHE 76, 1333 ff. (1337) - RS 13/76 "Dona/Mantero". 404 EuGHE 74, 1405 ff. (1423 ff.) RS 36/74 "Walrave/Koch". 402 403

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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einem Förderer, vorliege, aufgrund dessen der Schrittmacher seine Leistung erbringe, kämen Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere Art. 48 und 59 EWGV, zur Anwendung. Die Frage, ob die Vertragsnormen nur dann unter dieser Bedingung den Bereich des Sports erfassen, ließ Generalanwalt Warner, da es im angesprochenen Verfahren nicht verlangt war, unbeantwortet. (2) Stellungnahme des Generalanwalts Trabucchi

Nicht wesentlich präziser äußerte sich Generalanwalt Trabucchi in seinem Schlußantrag im Verfahren Dona/Mantero hierzu: 405 Grundsätzlich fielen sportliche Tätigkeiten mit wirtschaftlichem Charakter in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaftsbestimmungen, wobei dem Merkmal der beruflichen Betätigung besondere Bedeutung zukomme. In bezug auf das Recht von Wanderarbeitnehrnern und ihren Familienangehörigen, Sportvereinen zur Ausübung von Freizeitsport beizutreten, vertrat Trabucchi die Ansicht, daß die Lösung dieses Problems keineswegs präjudiziert sei, wenn der vom EuGH im Urteil Walrave/Koch angesprochene Grundsatz für die Anwendbarkeit des EWG-Vertrags auf Aktivitäten von Berufssportlern mit wirtschaftlichem Charakter beschränkt bliebe. Die Frage der Ausübung von Freizeitsport betreffe nämlich nicht die Freizügigkeit der Berufssportler, die im Gemeinschaftsrecht gerade nur dann gewährleistet sei, wenn es sich um eine wirtschaftliche Betätigung handele, sondern vielmehr die Lebensbedingungen der Auswanderer und ihrer Familienangehörigen im Gastland. Unter diesem Aspekt, den der Gerichtshof weder im Walrave/Koch- noch im Dona/Mantero-Verfahren zu erörtern brauchte, hielt Trabucchi es für möglich, im Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots auch Betätigungen außerwirtschaftlicher Art in Betracht zu ziehen. Was zunächst als einhellige Meinung erschien, daß nämlich der Sportbereich dem Gemeinschaftsrecht nur insoweit unterliege, als es sich dabei um Aktivitäten mit wirtschaftlichem Charakter bzw. gegen Entgelt handele, wie es der EuGH und die Kommission vertreten, wird durch die zuletzt genannte Anmerkung von Generalanwalt Trabucchi in Zweifel gezogen. Demnach wäre es möglich, daß auch außerwirtschaftliche Betätigungen wie der Freizeitsport von Wanderarbeitnehmern und ihren Familienangehörigen unter die Vertragsbestimmungen subsumiert werden könnten.

405

EuGHE 76, 1333 ff. (1343 ff.) -

RS 13n6 "Dona/Mantero".

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

d) Billigende Stimmen aus der Literatur In der Literatur werden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten. Zum Großteil billigt man die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. 406 Die Betonung liegt darauf, daß der Sport als eine wirtschaftliche Betätigung ausgestaltet sein müsse, um dem EWG-Vertrag zu unterfallen. 407 Der gesamte Amateur- und Liebhabersport scheint ausgeschlossen. Einer Äußerung von Trabucchi aus dem Jahre 1974 zufolge muß eine Betätigung vorliegen, bei der das Wirtschaftliche eindeutig überwiegt. 408 Sportliche Aktivitäten würden nicht von vomherein die wirtschaftliche Ausweitung und Stabilität oder die Hebung der Lebenshaltung begünstigen, wie Touffait meint. 409 Demzufolge würden den Sportlern gegenüber ihren Vereinen und Verbänden nur dann Rechte und Pflichten aus dem EWG-Vertrag zuwachsen, soweit sie vergütete Dienstleistungen erbringen oder in einem Arbeitsverhältnis tätig sind. 410 Einem Artikel in "Le Monde" zufolge bezieht sich der EWG-Vertrag ausschließlich auf wirtschaftliche Tätigkeiten, weshalb das Gemeinschaftsrecht den Arbeitern kein volles Familien- und Sozialleben im Aufenthaltsstaat garantiere. 411

e) Schlußfolgerung Nach diesen Rechtsauffassungen erlaßt der EWG-Vertrag nur den Berufssport, und nur die dort bestehenden Ausländerklauseln könnten gegen die im EWGVertrag niedergelegten Diskriminierungsverbote verstoßen, während der gesamte Amateur- und Freizeitsport nicht dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts unterfiele. 4. Sport als wirtschaftliche Betätigung

Die Frage stellt sich, ob der Sport heute insgesamt als wirtschaftliche Betätigungaufgrund seiner zunehmenden Kommerzialisierung (z. B. Trikotwerbung) und der wachsenden Bedeutung der Sportartikelindustrie und der einschlägigen Touristikbranche angesehen werden kann. 412 Dies muß jedoch verneint 406 U. a. MacGillavry(felchini/Luc Silance/Garrigues/Lamberti/Ferran/Schweitzer; widersprüchlich Karpenstein, S. 110, wonach der EWGV nur den Berufssport erfasse, aber für Beihilfen an Amateurvereine ebenfalls Gemeinschaftsrecht gelte. 407 Hunnings, Journal of Business Law 1975, S. 168 ff. (170); Rabinowitch, Recueil Dalloz 1979, Jurisprudence 410 ff. (412). 408 Trabucchi, Rivista de Diritto Civile 1974, S. 622 ff. (624). 409 Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976. 410 Steindorff, RIW/A WD 1975, S. 253 ff.; Delannay, CDE 1976, S. 204 ff. (212 f.) 411 Le Monde vom 24. 2. 1976: "La libre Circulation des joueurs professionnels". 412 Karpenstein, S. 109 f. ; insgesamt hierzu: Der Spiegel vom 2. 6. 1986, Nr. 23, S. 84 ff.: "Dassler will alles kontrollieren"; ebenso Nölting in Stuttgarter Zeitung vom 2. 11. 1987.

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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werden. 413 Denn bei den Aktivitäten der Sportartikelhersteller und der Touristikunternehmen handelt es sich um rein Unternehmerische Betätigungen, die als solche zweifellos im gegebenen Fall dem Gemeinschaftsrecht unterfallen, aber mit der Ausübung von Sport selbst eben nur mittelbar etwas zu tun haben, indem sie für den Sport lediglich Hilfsmittel oder Anlagen zur Verfügung stellen. Den Sport aus diesem Grunde generell als wirtschaftliche Betätigung zu charakterisieren, würde zu weit gehen. Was die Kommerzialisierung im Sport betrifft, so wird sie auch nur in wenigen Bereichen des Sports relevant. Inzwischen wird zwar auch im Wettkampfsport von unterklassigen Vereinen z. B. Trikot- und z. T. auch Bandenwerbung betrieben; dennoch nimmt dieser wirtschaftliche Aspekt im Gesamtrahmen des Sportund Spielbetriebs eines Vereins nur eine untergeordnete Rolle ein. Im Verhältnis zu den anderen Funktionen, welche die sportliche Betätigung dort wahrnimmt, oder den Aufgaben, die ein Sportverein erfüllt, zählen wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht zu den entscheidenden Faktoren. 414 Anders verhält es sich nur beim Spitzensport. Dort werden der Sportler bzw. die Mannschaft oftmals ganz massiv als Werbeträger eingesetzt und vermarktet. Die im Bereich des Profisports gebräuchliche Übung, Ablösesummen beim Vereinswechsel eines Spielers zu verlangen und zu bezahlen, 415 sowie die Verbuchung eines Fußballspielers mit seinem Marktwert auf der Aktiva-Seite der Bilanzen von Fußballbundesligavereinen, 41 6 verdeutlichen das Ausmaß der Kommerzialisierung im Höchstleistungs-, speziell im Profisport, und dort beim Fußball. 417 Da im Bereich des Profisports die sportlichen Leistungen aufgrund von Arbeits- oder Dienstleistungsverträgen erbracht werden 418 und es sich somit schon 413 Vedder, S. 13; Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (254); Telchini, RDE 1975, S. 132 ff. (133); allgemein Vieweg, JuS 1983, S. 825 ff. 414 Zur Gemeinnützigkeit deutscher Sportvereine vgl. Weisemann, S. 141 ff.; zur Situation in Italien vgl. Lamberti, Giurisprudenza di merito, 1987, S. 1009 ff. (1024). 415 Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sportlichen Aspekten der Ablösesummen vgl. Weiland, S. 300 ff.; Westerkamp, Ablöseentschädigungen im bezahlten Sport, Münster 1980 und Reuter, S. 50 ff. 416 Reuter, S. 51, 60 f.; Hilf, S. 89; zur Situation in Italien vgl. Pettiti, in: Le Monde vom 27. 11. 1976 und Picchio, RDI 1976, S. 745 ff. (758). 417 Zum Bestechungsskandal in der deutschen Fußballbundesliga vgl. Rauball, Bundesliga-Skandal, Berlin-New York 1972. 418 Vgl. § 10 Lizenzspielerstatut des DFB: "Vertragsverhältnis Lizenzspieler sind Arbeitnehmer besonderer Art eines vom DFB lizensierten Vereins ..." und § 12 Lizenzspielerstatut des DFB: "Voraussetzungen der Uzenzerteilung Voraussetzungen für den Abschluß des Lizenzvertrages sind a) ein schriftlicher Antrag des Spielers und Vorlage eines unter dem Vorbehalt der Uzenzerteilung abgeschlossenen Arbeitsvertrages mit einem Verein der Lizenzliga,

"

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

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aus diesem Grunde um wirtschaftliche Betätigungen handelt, die dem Gemeinschaftsrecht unterliegen, 419 ergeben sich aus der steigenden Kommerzialisierung im Bereich des Profisports keine Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des EWG-Vertrages. Doch wie stellt sich die Situation in den Bereichen des Hochleistungssports dar, wo der sportlichen Betätigung kein wie auch immer geartetes Vertragsverhältnis zugrundeliegt (z. B. Leichtathletik, Schwimmen)? Tatsache ist, daß auch in den Sportarten, die nach offiziellem Sprachgebrauch nicht als Profisport tituliert werden, die Vermarktung der Spitzenathleten zunimmt und quasi "unter der Hand" finanzielle Zuwendungen an die Sportler erfolgen. 420 Dies liegt nicht nur in einem wachsenden Streben nach Geld, sondern auch in der erforderlichen Trainingsbeanspruchung begründet, die nur gegen Entgelt bzw. Aufwandsentschädigung erbracht werden kann. Bestes Beispiel für diese Entwicklung hin zum "bezahlten Amateur" und zum "Olympiaprofi" ist die Geschichte der Handhabung des Amateurbegriffs in der Olympischen Bewegung. 421 Während noch Anfang der 70er Jahre Geldleistungen an Sportler, die über Aufwandsentschädigungen hinausgingen, scharf geahndet wurden (Beispiel: Ausschluß des Skiläufers Kar[ Schranz von den Olympischen Spielen 1972 in Sapporo), sind heute finanzielle Zuwendungen an und Werbung mit Sportlern gang und gäbe. 422 Seit Kreierung des Begriffs "Olympiaamateur" haben die Athleten zumindest für indirekte Zuwendungen keine nachteiligen Konsequenzen mehr zu befürchten. 423 Bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles war die Teilnahme von Berufsfußballern möglich, und in Seoul 1988 ist sogar Tennisprofis die Teilnahme gestattet worden. Der Übergang von "Amateuren" zu "Profis" ist fließend geworden. 424 Eine scharfe Trennung zwischen beiden Bereichen, in dem Sinne, daß einmal die sportliche Leistung "ohne Entgelt" und das andere Mal "gegen Entgelt" bzw. Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (254). Steiner, DÖV 83, S. 173 ff.; Beispiel aus dem Bereich des Amateurfußballs in der Frankfurter Rundschau vom 23. 11. 1983. 421 Geyer (bei Richter), S. 84, spricht von "Olympischen Meineiden" der Sportler. 422 Grunsky, S. 107 f.; Council of Europe, 3rd Conferene of European ministers responsible for sport, 8. - 10. 4. 1981 , Pa1ma de Majorca, Resolution on professionalism and commercialism, S. 18. 423 Vgl. Bye-Law zu Rule 26 of the Olympic Charter 1985: "Guidelines to eligibility code for the IFs: ... B. All competitors ... may participate in the Olympic Games, except those who have: 41 9 420

4. allowed their person, name, picture, or sports performances to be used for advertising, except when their IF, NOC or national federation has entered into a contract for sponsorship or equipment. All payment must be made to the IF, NOC or national federation concerned, and not to the athlete;

..

424

Lauerbach, S. 8 f.

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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zu Erwerbszwecken oder nicht erfolgt, 425 ist nicht mehr möglich. Es besteht eine Grauzone, "un amateurisme marron", 426 der eine Unterscheidung unmöglich macht. 427 Die Frage, ob eine wirtschaftliche Betätigung vorliegt, kann demzufolge nicht anband der Begriffe "Amateur" oder "Profi" oder daran, daß ein Vertrag besteht oder nicht, entschieden werden. 428 Denn jedes Betreiben von Hochleistungssport bedeutet inzwischen in der Regel Ausüben einer wirtschaftlichen Betätigung gegen Entgelt, 429 weshalb das Gemeinschaftsrecht und die in ihm enthaltenen Diskriminierungsverbote neben dem vertraglichen Berufssport auch diesen Bereich grundsätzlich erfassen. 5. Konsequenz der vorgetragenen Rechtsstandpunkte

Ausschließlich auf dem schmalen Sektor des Profi- und des sonstigen Hochleistungssports bestünde somit für den Sport die Möglichkeit, seine sozial-integrativen, gemeinschaftsbildenden Fähigkeiten voll zu entfalten. Auf einem Gebiet, auf dem diese Funktionen - wie gesehen - nicht besonders ausgeprägt sind, weil im Berufs- und Spitzensport andere Ziele und Werte die sportliche Betätigung beherrschen (wie oben unter A II 3 a), b) ausgeführt), nämlich insbesondere der finanzielle und - als dessen Voraussetzung - der sportliche Erfolg. Im Mittelpunkt steht der Beruf, das "Geschäft". 43o Die anderen Bereiche, wie Freizeitsport und unterklassiger Wettkampfsport, die - wie gezeigt (oben unter A II 3 a), b) - für die Wahrnehmung sozialer Funktionen intra partibus und inter partes besonders geeignet sind, würden von den Vorschriften des EWG-Vertrages nicht erfaßt. Die dort vorzufindenden Beschränkungen wären somit auch nicht gegenüber "Marktbürgern" gemeinschaftsrechtlich unzulässig.

425 Plouvin, Gaz. Pal. 1978, Doctrine S. 23 ff. (28); Antwort der EG-Kommission auf schriftliche Anfrage 379no (FN 381). 426 Plouvin, Gaz. Pal. 1978, Doctrine S. 23 ff. (24, 28). 427 Grunsky, S. 107 f.; Harm Peter Westermann, in: JA 1984, S. 394 ff. (400 ff.); vgl. auch die übliche Bezeichnung der deutschen Fußballamateuroberliga als ,,Nettoliga". 428 Vgl. § 5 a WFV-Spielordnung, der zwischen Amateurspielern, Vertragsamateuren und Lizenzspielern unterscheidet. 429 Vgl. Sports 7/87, S. 66 f.; "Sammeln für Medaillen" über Entlohnung von Sportlern durch die deutsche Sporthilfe. 430 Beispiel hierfür ist die versuchte Umbenennung eines Fußballclubs in "Jägermeister" Braunschweig, Stuttgarter Zeitung vom 30. 11. 1983.

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

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6. Zur Frage der Zulässigkeif der Beschränkung des Gemeinschaftsrechts auf wirtschaftliche Angelegenheiten

Die Frage ist jedoch, ob diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrages auf wirtschaftliche Betätigungen in Anbetracht des Gemeinschaftsrechts unter Berücksichtigung seiner Ziele und Aufgaben überhaupt haltbar bzw. zulässig ist.

a) EWG-Vertrag als Wirtschaftsverfassung Für die Begrenzung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrages auf wirtschaftliche Betätigungen sprechen einige Gesichtspunkte. So deutet schon die Bezeichnung der Gemeinschaft als "Wirtschaftsgemeinschaft" darauf hin, daß der Vertrag wirtschaftliche Angelegenheiten zu regeln beabsichtigt. 431 In diesem Sinne scheinen die Präambel und vor allem Art. 2 EWGV die Aufgaben der Gemeinschaft ebenfalls auf Fragen von wirtschaftlicher Bedeutung zu begrenzen, indem sie u. a. die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die Annäherung der Wirtschaftspolitiken fordern, um in erster Linie wirtschaftliche Zielsetzungen, wie Entwicklung des Wirtschaftslebens, Wirtschaftsausweitung, Stabilität und Hebung der Lebenshaltung zu verwirklichen. Der Vertrag liest sich insofern auch weitestgehend wie eine "Wirtschaftsverfassung" der Mitgliedstaaten, die grundsätzlich vom Konzept der Marktfreiheit getragen wird. Mit Hilfe der Schaffung einer Zollunion sowie der Sicherung des freien Wettbewerbs (Art. 85 ff.) und mit Unterstützung der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts- Warenverkehr, Freizügigkeit, Niederlassung, Dienstleistung, Kapital- und Zahlungsverkehr- soll dabei der freie Fluß der Verkehrsströme zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet werden. 432 Zusätzlich will man die Produktionsfaktoren in die Lage versetzen, sich am günstigsten Standort anzusiedeln, um dadurch zu einer optimalen Produktionsweise beizutragen. 433 Man sieht, daß der EWG-Vertrag in der Tat in allererster Linie wirtschaftliche Sachverhalte, nämlich den Wirtschaftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und damit die jeweilige einzelstaatliche Wirtschaftsordnung, erfassen will. Sie bilden die Basis des Gemeinsamen Marktes. 434

b) Andere Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft Ob man hieraus jedoch den Schluß ziehen darf, daß ausschließlich solche wirtschaftlichen Betätigungen dem Gemeinschaftsrecht unterliegen, erscheint 43 1 432 433 434

Touffait, Recueil Dalloz 1976, Chronique 165 ff. (165). Bleckmann, S. 144, 315. Hans Peter Ipsen, S. 637. Delannay, CDE 1976, S. 204 ff. (212 f.)

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zweifelhaft, zumal eine Entwicklung festzustellen ist, wonach sich die Europäische Gemeinschaft und ihre Organe seit langem mit Bereichen beschäftigen, die weder in den Gemeinschaftsverträgen aufgeführt oder dort erst seit kurzem enthalten sind, noch auf den ersten Blick den wirtschaftlichen Sektor tangieren (z. B. Kultur, Umweltschutz, Grundrechte). 43 5 Falls das Gemeinschaftsrecht diese Bereiche schrankenlos regeln würde, müßte es möglich sein, auch eine umfassende Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft zur Erfassung des Sports herzuleiten. Eine wirtschaftliche Betätigung wäre dann nicht vorausgesetzt. (1) Kulturpolitik Gerade auf kulturellem Gebiet entfaltete die Gemeinschaft bislang zahlreiche Aktivitäten. Die EG-Regierungschefs gaben bereits im Juli 1961 in Bonn eine Erklärung über die kulturelle Zusammenarbeit der europäischen Staaten ab. In ihr sahen sie die Bildung eines Rates vor, der aus den Erziehungsministern bzw. den für die internationalen kulturellen Beziehungen zuständigen Ministern bestehen und der von einem Kultursachverständigen-Ausschuß unterstützt werden sollte. 436 Im Anschluß daran wurde eine Studienkommission unter Leitung Pierre Pescatores zur Ausarbeitung eines Programms für die kulturelle Zusammenarbeit der europäischen Staaten eingesetzt. 437 In späteren Entschließungen einigten sich die im Rat vereinigten Minister für Bildungswesen noch auf ein Aktionsprogramm im Bildungsbereich, 438 und auch die Kommission erarbeitete zahlreiche Vorschläge für Aktionen auf kulturellem Gebiet (u. a. Europäisches Film- und Fernsehjahr 1988; Ernennung von Städten zur "Europäischen Kulturstadt", z. B. Berlin 1988). 439 Bei den jeweiligen Aktionen berief man sich dabei auf Gipfelerklärungen der EG-Regierungschefs, in denen das gemeinsame kulturelle Erbe und Bewußtsein der europäischen Völker angesprochen wurde. 440 In die Reihe der Gemeinschafts435 Vgl. hierzu Everling, EA 1979, 737 ff. (738); Brunner, in: Das Parlament vom 20. 1. 1979, S. 2; Kaiser, EuR 1980, S. 97 ff. (98). 436 Erklärung der Konferenz der Staats- bzw. Regierungschefs der sechs Mitgliedstaaten der EWG in Bonn vom 18. 7. 1961 über die kulturelle Zusammenarbeit, EA 1961, D 470 f. 437 Vgl. Conseil de l'Europe, La cooperation europeenne en 1961, S. 234; nach Ablehnung des Fouchet-Plans- oben Ziff. AI 3 a - wurden die Vorschläge dieser Kommission ebenfalls verworfen. 438 Vgl. EG-Abl. 1976, C 38/1 ff. 439 Südwest-Presse vom 15. 11. 1986; Stichwort Europa: "Die Europäische Gemeinschaft und die Kultur", 14/85, S. 10; vgl. auch EG-Bulletin 1982, Beilage 6/82, "Verstärkung der Gemeinschaftsaktion im Bereich der Kultur". 440 Vgl. u. a. Dokument über die europäische Identität, angenommen von den Außenministern der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften am 14. 12. 1973 in Kopenhagen, EA 1974, D 50 ff. und Verlautbarung der Staats- und Regierungschefs der

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

betätigungen auf diesem Sektor gehört auch die Konferenz der Kultusminister der Mitgliedstaaten, die am 17./18. September 1982 in Neapel stattfand und die "Feierliche Deklaration zur Europäischen Union", die ebenfalls die Bedeutung der Kultur für den europäischen Einigungsprozess hervorhob. 441 Alle diese Aktivitäten beantworten jedoch nicht die Frage, inwieweit sie auf Gemeinschaftsrecht gestützt werden können oder sollen, damit sie in einem rechtlich geordneten Verfahren verlaufen und einen gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Charakter erhalten, im Gegensatz zu bloßen Absichtserklärungen bzw. sonstigen völkerrechtlichen Abmachungen der Mitgliedstaaten außerhalb des Gemeinschaftsrechts. Der damalige EG-Kommissar Guido Brunnerbrachte in einem Interview zum Ausdruck, 442 daß seiner Ansicht nach die Gemeinschaft im Kultur- und Bildungsbereich einen Auftrag habe, und zwar aufgrundder in der Präambel angesprochenen Ziele, nämlich einen engeren Zusammenschluß der europäischen Völker zu schaffen, den sozialen Fortschritt zu sichern und trennende Schranken zu beseitigen, sowie die stetige Verbesserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen anzustreben. 443 Auf der anderen Seite betonte er jedoch, daß die Kulturpolitik weiter in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleibe und eine zentralistische Brüsseler Kulturpolitik nicht erstrebenswert sei. Die angesprochenen Ziele der Gemeinschaft sollten vielmehr nur durch geeignete einzelne Maßnahmen auf dem Sektor der Bildungspolitik ergänzt werden. Dementsprechend verwiesen Rat und Kommission bei ihren Entschließungen und Vorschlägen zu Aktionen im kulturellen Bereich stets darauf, daß die Kulturpolitik grundsätzlich Angelegenheit der Einzelstaaten bleibe. 444 Die Rolle der Gemeinschaft solle sich auf Zuständigkeiten und Mittel, wie sie sich aus dem EWG-Vertrag ergeben, beschränken. Das bedeute, daß man die Gemeinschaftsaktion im Bereich der Kultur enger mit den wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben verknüpfen müsse. 445 Im Gemeinschaftsjargon wird dies als der "kulturelle Sektor" bezeichnet. 446 Diesem Ziel entsprechend, bilden der freie Verkehr von Kulturgütern, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kulturschaffenden, die Erschließung eines breiteren Publikums im Zuge der Neuen Medien und die Erhaltung des architektonischen Erbes Schwerpunkte der Tätigkeit der GemeinMitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften in Kopenhagen vom 14./15. 12. 1973, EA 1974, D 54 ff. 441 EG-Bulletin 9/82, S. 43 bzw. EA 1983, D 420 ff. 442 Brunner, in: Das Parlament vom 20. 1. 1979, S. 2. 443 Vgl. hierzu auch die Entschließung des Europäischen Parlamentes über die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich, EG-Abl. 1979, C 39/50 f. 444 U. a. "Feierliche Deklaration zur Europäischen Union", EA 1983, D 420 ff. 445 EG-Bulletin 1977, Beilage 6/77, S. 7 und EG-Bulletin 1982, Beilage 6/82, S. 8, 16. 446 Tindemans, Integration 1983, 47 ff. (51).

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schaft im kulturellen Bereich. 447 In der Tat taucht der Begriff "Kultur" lediglich an einer Stelle im EWG-Vertrag auf, nämlich in Art. 36 Satz 1, wo vom Schutz des "nationalen Kulturguts" als einer Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs die Rede ist. Allein hieraus ergibt sich bereits eine Sonderstellung des Kulturbereichs im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht. Eine unbeschränkte Regelungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kultur scheidet aus. 448 Zwar können in der Präambel und in Art. 2 EWGV angesprochene Ziele wie "die stetige Besserung der Lebensbedingungen" bzw. die "Hebung der Lebenshaltung" auf eine solche Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft hindeuten. Die zur Durchsetzung von Gemeinschaftsaktionen allgemeiner Art auf kulturellem Sektor vorhandenen Normenwie Art. 235 EWGV - beschränken die Zielverwirklichung aber auf Maßnahmen "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes". Insofern besteht auch aus Art. 235 keine Möglichkeit, eine allgemeine Kompetenz der EG zur Behandlung kultureller Fragen abzuleiten. Art. 235 EWGV verleiht der Gemeinschaft keine Kompetenz-Kompetenz, wie sich aus einer Gegenüberstellung mit Art. 236 EWGV und aus einem Vergleich mit Art. 24 Abs. 1 GG ergibt. 449 So erfaßt der EWG-Vertrag entsprechend der Aufgabenumschreibung der Gemeinschaft in der Präambel, Art. 2 und 3 lediglich einzelne Aspekte aus dem weiten Spektrum des Kulturbereichs, weshalb hieraus auch keine generelle Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft zur Regelung des Sportsektors abgeleitet werden kann. Soweit bestimmte Aktivitäten die Kulturpolitik in einem umfassenderen Sinn als oben dargelegt beeinflussen, wie z. B. die Errichtung des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz 450 oder die Einrichtung einer "Europäischen Stiftung", u. a. zur Förderung gemeinschaftlicher kultureller Aktionen, 451 so basieren sie auf Abkommen zwischen den Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten, bewegen sich also formal außerhalb des Gemeinschaftsrechts. Ob die vom Europäischen Gerichtshof im Bereich des Sports gezogene Grenze "wirtschaftliche Betätigung" für den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts, allerdings auch auf kulturellem Gebiet Gültigkeit beansprucht, erscheint zweifelhaft. Im Entwurf der Kommission über eine gemeinsame Aktion im kulturellen Bereich ist nämlich neben den Sachfragen mit eindeutig wirtschaftlichem Bezug auch von sozialen Aufgaben der Gemeinschaft die Rede, 452 was auf eine Überwindung der wirtschaftlichen Schranke hindeutet. Stichwort Europa: "Die Europäische Gemeinschaft und die Kultur", 14/85, S. 4. Hans Peter Ipsen, S. 231; insgesamt hierzu Massart-Pierard, RMC 1986, S. 34ff. 449 Hans Peter lpsen, S. 435; Oppermann, Symposium 1978, S. 99; Beutler, in: ders. u. a., Die Europäische Gemeinschaft- Rechtsordnung und Politik-, 3. Auf!. 1987, s. 77. 450 EG-Abl. 1976, C 29/1 ff.; EG-Abl. 1979, C 322/36. 451 EG-Bulletin 1977, Beilage 5n7 "Europäische Stiftung"; EG-Bulletin 3/82, S. 17; Tindemans, Integration 1983, S. 47 ff. (48, 50); Rudolf, in: FS Mosler, S. 788 ff. 452 EG-Bulletin 1977, Beilage 6/77. 447 448

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(2) Umweltpolitik Auch auf dem Gebiet der Umweltpolitik beanspruchte die Gemeinschaft, vor dessen Kodifizierung in Art. 25 EEA im Jahre 1986, keine umfassende Regelungskompetenz, sondern beschränkte sich ebenfalls auf Fragen, die den Gemeinsamen Markt betrafen. 453 Der Rat betrachtete die Verbesserung der Lebensqualität und den Schutz der natürlichen Umwelt dabei als eine der wesentlichen Aufgaben der Gemeinschaft, deren Erfüllung nicht nur wirtschaftlichen Bedürfnissen untergeordnet sei. 454 Plouvin zog daraus den Schluß, daß sämtliche Sportbetätigungen, die auf den Schutz der Umwelt gerichtet seien, dem Gemeinschaftsrecht unterfielen. 455 Allerdings stieße auch diese Konstruktion an die in den eventuellen Ermächtigungsgrundlagen Art. 100 oder Art. 235 EWGV enthaltene Schranke des "Gemeinsamen Marktes", die eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Regelung von Umweltschutzfragen stets begrenzte. 456 (3) Grundrechtsschutz Zum Teil wird auch der Komplex, der die mit der Regelung des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaft zusammenhängenden Fragen betrifft, als Beispiel aufgeführt, um zu zeigen, daß die Betätigungen der EG über die Regelung wirtschaftlicher Angelegenheiten hinausreichen. 457 Ein ausdrücklicher Grundrechtskatalog wurde in die Gemeinschaftsverträge nicht übernommen, da man nach dem Scheitern der Versuche einer stärkeren politischen Einigung Westeuropas Mitte der fünfziger Jahre (wie bereits oben in Ziff. A I 2 b dargestellt) die Vorschriften auf das für die wirtschaftliche Integration Notwendige beschränken wollte. 458 In der Zwischenzeit hat aber der Europäische Gerichtshof in mehreren Verfahren entschieden, daß Grundrechte gemeinschaftsrechtlich garantiert seien. Denn die Beachtung von Grundrechten gehöre zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern habe (Art. 215 EWGV). 459 Diese Rechtsauffassung wurde am 5. April 453 Vgl. u. a. EG-Abl. 1973, C 112/1 ff.; EG-Abl. 1976, C 115/1 ff.; EG-Abl. 1981, c 305/2 ff. 454 Antwort des Rates auf eine schriftliche Anfrage aus dem Europäischen Parlament, EG-Abl. 1973, C 97/4 ff. 455 Plouvin, Gaz. Pa!. 1987, Doctrine S. 23 ff. (28). 456 U. a. Riegel, EuR 1977, S. 74 ff. (83); Behrens, S. 277; Krämer, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Anhang C, Umweltpolitik, Rdn. 47/49. 457 Touffait, Recueil Dalloz 1976, Chronique 165 ff. (165); Brunner, in: Das Parlament vom 20. 1. 1979, S. 2. 458 Beutler, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Anhang C, Grundrechtsschutz, Rdn. 5, Bahlmann, EuR 1982, S. 1 ff. (2). 459 U. a. EuGHE 69,419 ff. (425) -RS 29/69 "Stauder"; EuGHE 70, 1125 ff. (1135) - RS 11no "Internationale Handelsgesellschaft"; EuGHE 74, 491 ff. (507)- RS 4/ 73 ,,Nold".

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1977 in einer gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission bestätigt. 460 Weil sich die Gewährleistung dieser Rechte "in die Struktur und Ziele der Gemeinschaft einfügen" muß, 461 sind in erster Linie solche Grundrechte gewährleistet, nach denen der "Marktbürger" sich wirtschaftlich entfalten kann oder deren Respektierung die Wirtschaftsfreiheit voraussetzt, 462 z. B. die Freiheit des Eigentums, der Arbeit und des Handels. 463 Weitergehende allgemeine Grundrechte, wie der Schutz der Privatsphäre, 464 der Anspruch auf ein faires Verfahren 465 sowie das Verbot rückwirkender Strafgesetze, 466 werden nur als Folgewirkungen solcher Tätigkeiten erlaßt. In der Rechtsprechung in Beamtensachen deutet sich jedoch eine Ausweitung des Grundrechtsschutzes auf allgemeine Grundrechte, wie z. B. die Anerkennung der Religionsfreiheit 467 und der Vereinigungsfreiheit, 468 an. Ob hierin eine allgemeine Tendenz zu erkennen ist, die Gemeinschaftsgrundrechte auszudehnen, muß angesichts der Besonderheit des gemeinschaftlichen Beamtensektors (Art. 179 EWGV: EuGH als Dienstgericht) offenbleiben. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH zum Grundrechtsschutz ist am ehesten so zu charakterisieren, daß solche Grundrechte vom Gemeinschaftsrecht geschützt werden, die durch eine Tätigkeit der Gemeinschaft tangiert werden können. 469 Insoweit bewegen sie sich ebenfalls im Rahmen des Gemeinsamen Marktes und werden vom Gemeinschaftsrecht nicht schrankenlos erlaßt. (4) Fazit

Allgemein läßt sich sagen, daß die Entwicklung neuer Politiken oder die Erfassung neuer Rechtsbereiche auf Gemeinschaftsebene nicht zur Folge hatte, daß die in den Zielen und der Aufgabenumschreibung der Gemeinschaftsverträge enthaltenen Grenzen überschritten wurden. 470 Eine unbeschränkte Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft zur Regelung von Sportfragen besteht somit auch nicht. EG-Abl. 1977, C 103/1 ff. EuGHE 70, 1125 ff. (1135)- RS 11/70 "Internationale Handelsgesellschaft". 462 Hans Peter lpsen, S. 721 f. 463 EuGHE 74, 491 ff. (507) RS 4/73 ,,Nold"; EuGHE 79, 3727 ff. (3744 f.) RS 44/79 "Hauer". 464 EuGHE 80, 2033 ff. (2056 f.)- RS 136/79 "Panasonic". 465 EuGHE 80, 691 ff. (716)- RS 98/79 "Pecastaing". 466 EuGHE 84, 2689 ff. (2718)- RS 63/83 "Kirk". 467 EuGHE 76, 1589 ff. (1599) RS 130/75 "Prais". 468 EuGHE 74, 917 ff. (925)- RS 175/73 "Gewerkschaftsbund". 469 Beutler, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Anhang C, Grundrechtsschutz, Rdn. 20; insgesamt hierzu Bleckmann, EuGRZ 1981, S. 257 ff. 470 Kaiser, EuR 1980, S. 97 ff. 460 461

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Ob allerdings die vom EuGH im Bereich des Sports gezogene Grenze der "wirtschaftlichen Betätigung" zutrifft oder ob nicht auch Tätigkeiten primär sozialer Art vom Rahmen des Gemeinsamen Marktes erlaßt werden, wie es beispielsweise die Kommission in ihrem Entwurf zu einer gemeinsamen Aktion im kulturellen Bereich vorsah, 471 bleibt zu klären. 7. Sozialer Regelungsbereich des Gemeinschaftsrechts

a) Rechtsgrundlagen in den Gemeinschaftsverträgen In den drei Gemeinschaftsverträgen wird der soziale Bereich mehrfach angesprochen. So ist in Art. 2 Abs. 1, 3 e) und 46 Abs. 3 S. 5 EGKSV von der "Hebung der Lebenshaltung" und der "Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen" die Rede. Der dritte Titel des EGKS-Vertrages (Art. 46- 75) ist gar neben den Wirtschafts- auch den Sozialbestimmungen gewidmet. Hierunter finden sich dann Vorschriften wie Art. 56, der die Hilfe bei Entlassungen regelt, und Art. 69, in dem die Freizügigkeit der Kohle- und Stahlfacharbeiter festgehalten ist. Im EAGV hebt Art. 96 alle "Beschränkungen des Zugangs zu qualifizierten Beschäftigungen auf dem Kemgebiet" auf. Die Art. 30- 39 regeln den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen Strahlengefahren. Am deutlichsten kommt die Befassung des Gemeinschaftsrechts mit sozialen Fragen im EWG-Vertrag zum Ausdruck. Schon die Präambel betont, daß durch gemeinsames Handeln der wirtschaftliche, aber auch der soziale Fortschritt der Mitgliedsländer zu sichern sei und daß die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der Völker der Mitgliedstaaten als wesentliches Ziel anzustreben sei. Diese Festlegungen setzen sich in Art. 2, 3 i) und 4 Abs. 2 fort, wo zunächst die "beschleunigte Hebung der Lebenshaltung" als eine der Gemeinschaftsaufgaben aufgeführt wird und anschließend die Schaffung eines Europäischen Sozialfonds und die Errichtung eines beratenden Wirtschafts- und Sozialausschusses beschlossen werden. Neben den Freizügigkeitsvorschriften in Art. 48 ff., die ebenfalls sozialpolitische Regelungen enthalten, ist der gesamte dritte Titel des Teils 3 des EWG-Vertrages der Sozialpolitik gewidmet (Art. 117 ff.).

b) Verhältnis der sozialen zur wirtschaftlichen Regelungsbefugnis der Gemeinschaft Aus der Vielzahl der Erwähnungen, die der soziale Bereich besonders im EWG-Vertrag, teils in allgemeiner (Präambel, Art. 2), teils in spezieller Form 471

Siehe FN 452.

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(Art. 48 ff., 117 ff.) gefunden hat, läßt sich der Schluß ziehen, daß das Gemeinschaftsrecht soziale Angelegenheiten erfaßt. In welchem Ausmaß und in welchem Verhältnis dies zur Verfolgung wirtschaftlicher Gemeinschaftsaufgaben geschieht, ist durch Auslegung der Gemeinschaftsverträge, insbesondere des EWGVertrages, zu ermitteln. Art. 2 beschreibt die Aufgaben der Gemeinschaft. Als eine der Gemeinschaftsaufgaben wird unter anderem die "beschleunigte Hebung der Lebenshaltung" genannt, die "durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten" - also primär wirtschaftliche Maßnahmen, wie z. B. die Schaffung der Zollunion und das "Wirken des Gemeinsamen Marktes" (Art. 117 Abs. 2) - verwirklicht werden soll. Die Behandlung sozialer Fragen und die Verbesserung der sozialen Lage scheinen somit von wirtschaftlichen Gesichtspunkten abhängig zu sein. Gestützt wird diese Auslegung durch die Entstehungsgeschichte des Titels "Die Sozialpolitik". 472 Der Spaak- Bericht (oben Ziff. A I 2 c) sah zunächst keinen gesonderten Abschnitt über die Sozialpolitik vor. Erst auf französische Intervention hin wurde ein solches Kapitel eingefügt. Frankreich befürchtete bei fehlender sog. sozialer Harmonisierung, d. h. einer der Integration vorgeschalteten umfassenden Angleichung der Sozialkosten, Wettbewerbsbenachteiligungen zu Lasten seiner Industrieaufgrund des zu jener Zeit fortgeschrittenen französischen Sozialsystems. In einem Kompromiß mit den anderen Vertragsstaaten einigte man sich schließlich dahingehend, zwar einen selbständigen Titel über "Die Sozialpolitik" einzuflechten, aber grundsätzlich von der Unerheblichkeit sozialpolitischer Regelungen für den Wettbewerb auszugehen und nur in Einzelbestimmungen wie Art. 117 Abs. 2, 119 und 120 EWGV eine Harmonisierung, Angleichung bzw. Gleichwertigkeit auf sozialem Gebiet anzustreben. Ausgangspunkt für die Einfügung eines gesonderten Kapitels über "Die Sozialpolitik" waren also wirtschaftliche Erwägungen bzw. Befürchtungen einer Wettbewerbsverzerrung. 473 Insofern scheint der Sozialpolitik im Verhältnis zu wirtschaftlichen Fragen keine eigenständige Rolle zuzukommen, sondern lediglich eine Art Hilfsfunktion: Sozialpolitik als Teil der "Wirtschaft" im weitesten Sinne. 474 Mit der Systematik des EWG-Vertrages ist diese Ansicht jedoch schwer in Einklang zu bringen. Denn in der Präambel wird der "soziale" gleichberechtigt neben dem "wirtschaftlichen" Fortschritt genannt, und dementsprechend existiert neben dem Abschnitt über "Die Wirtschaftspolitik" (Art. 103 ff. EWGV) ein ebensolcher über "Die Sozialpolitik" (Art. 117 ff. EWGV). Dies sind Indizien, 472 Hierzu Hans Peter Ipsen, S. 934 f.; Pipkorn, in: von der Groeben u. a., EWGKommentar, 3. Aufl. 1983, Vorbem. zu Art. 117 - 122, Rdn. 18 ff. 473 Pipkorn, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 117, Vorbem., Rdn. 18. 474 Hans Peter Ipsen, S. 10; Wohlfahrt, in: ders. u. a., Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Art. 7, Nr. 10.

7 Klose

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die gegen eine Unterordnung des sozialen Bereichs gegenüber dem wirtschaftlichen Bereich sprechen. Welcher der beiden Interpretationen der Vorrang gebührt, ist anband des Sinns und des Zwecks der Gemeinschaftsregeln zu ermitteln. Hierzu sind in erster Linie die Präambel sowie die Art. 2 und 3 des EWG-Vertrages mit der gemeinschaftlichen Aufgabenumschreibung heranzuziehen, wobei ihre Auslegung den jeweiligen Stand der Integration zu berücksichtigen hat. 475 Zwar erwähnt die Präambel den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt nebeneinander, andererseits wird in Art. 2 aber die stärkere Ausrichtung auf Maßnahmen wirtschaftlicher Art ("Wirtschaftsleben", "Wirtschaftsausweitung", "Stabilität") betont. In Art. 3 findet neben zahlreichen Tätigkeiten, die speziell auf die Erreichung wirtschaftlicher Ziele gerichtet sind, wie Abschaffung der Zölle, Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs oder Schutz vor Verfälschungen des Wettbewerbs, nur die Schaffung eines Europäischen Sozialfonds als eindeutig sozialpolitische Aufgabe Erwähnung. Diese Gewichtung und der Grundgedanke, daß die Gemeinschaft als ein ursprüngliches Ziel die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Europa mittels einer Optimierung der Allokation der Produktionsfaktoren erreichen wollte 476 - "die rationellste Verteilung der Erzeugung auf dem höchsten Leistungsstande", wie es in Art. 2 Abs. 1 1. Halbsatz EGKSV heißt - , läßt den Schluß zu, daß vorrangig und schwerpunktmäßig wirtschaftliche Angelegenheiten vom Gemeinschaftsrecht erfaßt werden sollen. c) Keine Beschränkung auf eine Wirtschaftsunion In einer Entscheidung des EuGH zum EGKS-Vertrag heißt es, daß dies nicht bedeute, daß die in der Präambel und an anderen Stellen im EWG-Vertrag genannten sozialpolitischen Ziele unter allen Umständen zweitrangig sein müßten und daß die Gemeinschaft in keinem Fall ihr Handeln von ihnen bestimmen lassen dürfte. 477 Im Urteil Defrenne/Sabena 478 verwies der EuGH auf die Präambel (Sicherung des sozialen Fortschritts und ständige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der europäischen Völker) und zog daraus den Schluß, daß die Gemeinschaft sich nicht auf eine Wirtschaftsunion beschränke. 479

Kaiser, EuR 1980, S. 97 ff. U. a. Picchio, RDJ 1976, S. 745 ff. (760); Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik - 3. Aufl. 1987, S. 302; Bleckmann, s. 12 ff. 477 EuGHE 68, 1 ff. (20) RS 28/66 ,,Niederlande/Kommission". 478 EuGHE 76, 453 ff. (473)- RS 43n5 "Defrenne/Sabena". 479 Ebenso Rogalla/Neuhaus, EuR 1984, S. 203 ff. (204 f.). 475

476

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Insofern kommt der Gedanke zum Tragen, daß die Gemeinschaft zur Verwirklichung jedes ihrer Ziele, auch des sozialen Ziels, befugt ist. Daß bei ihrer Zielverwirklichung zumeist wirtschaftliche Gesichtspunkte relevant werden, ändert nichts daran, daß es auch möglich ist, einmal allein sozialen Aspekten den Vorrang einzuräumen. 480 Dies entspricht auch der Vorstellung des Funktionalismus, wonach wirtschaftliche Integration nicht Endziel, sondern nur ein Mittel zur Europäischen Einigung sein soll. 481

d) Verflechtung zwischen Maßnahmen sozialer und wirtschaftlicher Art Tatsächlich erscheint eine scharfe Trennung zwischen Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Bereich tangieren und anderen, die dem sozialen Sektor zuzurechnen sind, gar nicht durchführbar. Denn heutzutage ist Wirtschaftspolitik ohne gleichzeitige flankierende soziale Maßnahmen nicht denkbar. 482 Umgekehrt stellt Sozialpolitik in einem gewissen Sinne auch immer Wirtschaftspolitik dar, z. B. im Rahmen der Beschäftigungspolitik. 483 Wirtschafts- und Sozialpolitik sind insoweit eng miteinander verflochten.

e) Kein genereller Vorrang wirtschaftlicher Regelungsbereiche Für das Gemeinschaftsrecht gilt deshalb, daß die Verträge, im speziellen Fall der EWG-Vertrag, schwerpunktmäßig wirtschaftliche Angelegenheiten regeln. Die soziale Zielsetzung der Verträge kann dennoch in manchen Fällen, soweit ihr eine irgend geartete Auswirkung auf den "Gemeinsamen Markt", wie z. B. bei der Freizügigkeitsregelung, zukommt, 484 einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise vorgehen, wobei stets der enge Zusammenhang zwischen den Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu beachten ist. Der Grundsatz, daß sämtliche in einer Verfassung enthaltenen Leitlinien aufeinander abzustimmen und je nach Einzelfall gegeneinander abzuwägen sind, Grundsätzlich hierzu Bleckmann, EuR 1979, S. 239 ff. (247 f.). Hierzu bereits oben Ziff. AI 2 b; ferner Picchio, RDJ 1976, S. 745 ff. (760); Hans Peter Ipsen, S. 131; Rogalla/Neuhaus (FN 479); Ipsen/Nico1aysen, NJW 1964, S. 339 ff. (342): "in dubio pro communitate". 482 V gl. Erklärung der Konferenz der Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten der erweiterten Europäischen Gemeinschaften in Parisam 19./20. 10. 1972, wonach die wirtschaftliche Expansion kein Selbstzweck ist, sondern vorrangig dazu dienen muß, die Lebensqualität und den Lebensstandard zu verbessern, EA 1972, D 502 ff. (D 503). 483 Megret, in: Megret u. a., Le droit de la C.E.E., 1973, vol. 7, Art. 117, 5.; Koopmans, in: Smit/Herzog, The Law ofthe European Economic Community, 1985, vol. 3, Art. 117, 117.D7. 484 Herzog, in: Smit/Herzog, The Law of the European Economic Community, 1984, vol. 1, Art. 7, 7.07. 480 481

7*

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

gilt auch hier. 485 Selbst wenn zumeist wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen sollen, hat dies somit keine generelle Zweitrangigkeit des sozialen Bereichs zur Folge. Neben den Fragen primär wirtschaftlicher Art erlaßt das Gemeinschaftsrecht somit auch Angelegenheiten, denen in erster Linie soziale Relevanz zukommt.

f) Umfang der gemeinschaftlichen Regelungskompetenz im Sozialbereich Da sich die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Sozialpolitik (Art. 117 ff.) aber auf punktuelle Kompetenzen beschränkt (z. B. Art. 118), könnte man versucht sein anzunehmen, die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts in bezug auf soziale Angelegenheiten sei insgesamt in ähnlicher Weise begrenzt. Dementsprechend werden im sozialpolitischen Aktionsprogramm der Gemeinschaft- Entschließung des Rates vom 21. 1. 1974 - 486 ebenfalls nur einige ausgesuchte sozialpolitische Problemkreise, wie Vollbeschäftigung, Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, worunter man Fragen der sozialen Sicherung, des Gesundheitsschutzes und der Bekämpfung der Armut versteht, sowie Möglichkeiten verstärkter Mitbestimmung der Arbeitnehmer u. ä., aufgegriffen. Ausdrücklich beruft man sich in diesem Aktionsprogramm auf das Subsidiaritätsprinzip, wonach die Gemeinschaft nicht versuchen solle, alle sozialen Probleme einheitlich zu regeln oder auf die Gemeinschaftsebene Verantwortlichkeiten zu übertragen, die wirksamer auf anderer Ebene wahrgenommen werden können. Auf der anderen Seite wird jedoch auch die Möglichkeit angesprochen, die Aktionen des Programms mittels Art. 235 EWGV durchzuführen, was darauf hindeutet, daß die im Vertrag nur punktuell geregelten Kompetenzen auf dem Gebiet der Sozialpolitik über Art. 235 EWGV zur Verwirklichung der in der Präambel, Art. 2 und in Art. 117 Abs. I EWGV genannten und anerkannten sozialen Ziele ausgedehnt werden können. Das Wesentliche ist, daß ein Ziel im Gemeinschaftsrecht erkennbar als solches genannt wird und in der Gemeinschaftspraxis eine bereits nennenswerte Einbeziehung erfolgt ist. Bestehende Unzulänglichkeiten können anschließend mit Hilfe des Art. 235 EWGV ("Lückenfüllungsfunktion") überwunden werden. 487 Die Beschränkung der Zuständigkeiten der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Sozialpolitik auf punktuelle Kompetenzen hat somit keine Auswirkung auf die Anerkennung und mögliche Verwirklichung der im EWG-Vertrag herausgehobenen sozialen Ziele, weil die punktuelle Begrenzung selbst mit Hilfe des Art. 235 EWGV überwunden werden kann.

485 486 487

Hesse, S. 27. EG-Abl. 1974, C 13/1 ff. Riegel, EuR 1977, S. 74 ff. (80).

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

101

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch zwei zusätzliche Überlegungen: -

"Anwendungsbereich" (Art. 7) des Gemeinschaftsrechts bzw. Zuständigkeitshereich der Gemeinschaft bedeuten allein schon vom Wortgebrauch her den Bereich, in dem das Gemeinschaftsrecht anzuwenden ist. Das sind jedoch allgemein die Sachgebiete, die der Vertrag erlaßt, was sich in erster Linie aus der Ziel- und Aufgabenumschreibung des Vertrags ergibt. Unabhängig ist dabei, ob das Gemeinschaftsrecht den Staaten insoweit bereits bestimmte Pflichten auferlegt oder ob zunächst- wie bei der Sozialpolitik (Art. 117 ff.) - fast jede Verpflichtung der Mitgliedstaaten fehlt. 488 Des weiteren muß bei der Betrachtung der punktuell geregelten Gerneißschaftsbefugnisse auf dem Sektor der Sozialpolitik berücksichtigt werden, daß selbst im Bereich der Wirtschaftspolitik (Art. 103 ff.) die der Gemeinschaft zustehenden Befugnisse vielfach auf Koordinierungsmaßnahmen (Art. 105) beschränkt sind.

Niemand bezweifelt aus diesem Grunde aber die Kompetenz der Gemeinschaft zur Regelung wirtschaftlicher Angelegenheiten. Dementsprechend verhält es sich auf dem sozialen Sektor. Die Europäische Gemeinschaft besitzt demzufolge eine Kompetenz zur rechtlichen Behandlung sozialer Fragen. Ihr Zuständigkeitsbereich ist nicht auf die Regelung wirtschaftlicher Betätigungen beschränkt, sondern umfaßt ebenso, wenn auch seltener, soziale Angelegenheiten oder, anders ausgedrückt, aufgrund der bestehenden engen Verbindung zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, Angelegenheiten mit primär sozialem Hintergrund, denen aber, wie z. B. bei den Freizügigkeitsregeln, eine irgend geartete Bedeutung für den "Gemeinsamen Markt" zukommt. 489 Erklärungen der Staats- und Regierungschefs 490 sowie von EG-Organen 49 1 bestätigen dies.

g) Soziale Fragen materieller und immaterieller Art Fraglich ist jedoch noch, ob der EWG-Vertrag soziale Angelegenheiten nur in materieller oder auch in immaterieller Hinsicht regeln will. Als Beispiel einer Maßnahme im Sozialbereich kann die in Art. 51 enthaltene Regelung der sozialen 488 Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7, Rdn. 25; hierzu auch Oppermann, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Bildungsordnung. "Gravier" und die Folgen. Rechtsgutachten, S. 54 ff. 489 Herzog (FN 484). 490 Vgl. u. a. die Erklärung der Konferenz der Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten der erweiterten Europäischen Gemeinschaften in Paris am 19./ 20. 10. 1972, wonach "einem energischen Vorgehen im sozialpolitischen Bereich die gleiche Bedeutung zukommt wie der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion", EA 1972, D 502 ff. (505). 49 1 Vgl. Sozialpolitisches Aktionsprogramm, EG-Abl. 1974, C 13/1 ff.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Sicherheit dienen. Bei ihr ist der finanzielle Aspekt eindeutig. Möglicherweise genügt für eine EG-Zuständigkeit aber auch ein bloßer ideeller sozialer Bezug. Ausgehend von der Präambel des EWG-Vertrages, wo es unter anderem heißt, daß ein immer engerer Zusammenschluß der europäischen Völker- und nicht etwa der Regierungen der Staaten- zu schaffen sei, bezieht der EWG-Vertrag jeden einzelnen Angehörigen dieser Völker in seine Regelungen mit ein. Den EG-Angehörigen werden durch das Gemeinschaftsrecht unmittelbare Rechte eingeräumt (Art. 48 ff., 52 ff., 59 ff. und 7 usw.). Der Gemeinschaftsbürger wird vom EG-Recht als Träger eigener Rechte und Pflichten anerkannt und nicht nur als dessen Objekt betrachtet. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß im EWG-Vertrag neben der Besserung der Beschäftigungs- auch die der Lebensbedingungen angestrebt werden soll. Dieses Ziel umfaßt sämtliche wirtschaftlichen und sozialen Faktoren, die zur Entwicklung und zur Vollendung der Persönlichkeit des einzelnen beitragen. 492 Das heißt, daß hierunter auch Maßnahmen zu fassen sind, die vorrangig einen immateriellen sozialen Hintergrund aufweisen, wie z. B. Arbeitszeitverkürzung oder Urlaubsregelungen, 493 um den Bürgern mehr Feizeit zu verschaffen, oder z. B. das Zurverfügungstellen angemessener Wohnverhältnisse oder sozialer Einrichtungen, wie beispielsweise einer Volkshochschule, oder z. B. der allgemeine Gesundheitsschutz. 494 Diese Beispiele zeigenjedoch auch, daß eine Unterscheidung danach, ob einer Regelung im sozialen Bereich ein finanzieller oder ideeller Hintergrund zugrundeliegt, nur sehr schwer zu treffen ist. Angesichts des in der Präambel des EWGVertrages zum Ausdruck kommenden Menschenbildes der Bigenverantwortlichkeit der Person, welcher der Staat oftmals nur Rahmen für die Selbstentfaltung zur Verfügung zu stellen hat, und angesichts der Zielumschreibung, auch bessere Lebensbedingungen zu schaffen, ist der EWG-Vertrag nicht auf soziale Maßnahmen materiell unterstützender Art beschränkt, sondern erfaßt auch solche, mehr den immateriellen Umkreis bildende soziale Handlungen. 495

h) Stellungnahmen aus der Literatur In der Literatur werden ähnliche Auffassungen vertreten. 496 492 7. Gesamtbericht der EGKS über die Tätigkeit der Gemeinschaft 1959, S. 338, Pkt. 262. 493 Vgl. EG-Abl. 1983, C 333/6 ff. 494 Zum Gesundheitsschutz vgl. u. a. Art. 30 ff. EAGV und Kaiser, EuR 1980, S. 97 ff. (106 ff.); insgesamt hierzu: Sozialpolitisches Aktionsprogramm, EG-Abl. 1974, C 13/ 1 ff.; Die Sozialpolitik der EG, EG-Zeitschrift 4/1983. 495 Vgl. hierzu EuGHE 82, 33 ff. (44)- RS 65/81 "Reina"; EuGH EuGRZ 1985, S. 609 -RS 137/84 "Mutsch", wo die Begriffe "soziale Vergünstigung" in Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 von einer notwendigen Verbindung mit einem Arbeitsvertrag gelöst wurden.

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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(1) Außerwirtschaftliche Aspekte auf dem Vormarsch

Nach Ubertazzi 497 war die erste Periode in der Geschichte der Gemeinschaft geprägt vom Vorrang wirtschaftlicher Ziele. Mit der Erreichung der Zollunion und der Einführung einer gemeinsamen Landwirtschaftspolitik sei dieser Zeitabschnitt zu Ende gegangen. Unter dem Einfluß zunehmender sozialer wie ökologischer Probleme in den Mitgliedstaaten sowie stärker werdenden Zweifeln an der These vom ständigen Wirtschaftswachstum ("Nullwachstum") 498 und angesichts der Verständigung auf das Ziel der Europäischen Union, die nicht nur auf wirtschaftliche Fragen im weitesten Sinne beschränkt sein sollte, habe die Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf ,,meta"- wirtschaftliche Aspekte der Gemeinschaftspolitiken gelenkt. Insofern habe die Gemeinschaft auch stärkeres Gewicht auf die Verwirklichung der sozialen Zielsetzungen des Vertrags, wie die Verbesserung der Lebensbedingungen der Marktbürger, gelegt. (2) Kritik an den Sporturteilen des EuGH Verbunden wird die Heraushebung der Zuständigkeiten der Gemeinschaft im sozialen Bereich teilweise mit einer Kritik 499 an den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu den Rechtssachen Walrave/Koch und Dona/Mantero, wo der EuGH den Anwendungsbereich des EWG-Vertrages auf wirtschaftliche Betätigungen beschränkte.

Picchio weist nach, daß sich der EuGH mit seinen Urteilen in wesentlichen Widerspruch zur eigenen ständigen Rechtsprechung setzte. 500 Denn die Gemeinschaftsrechtsprechung sei eindeutig im Bestätigen der Herrschaft des Gemeinschaftsrechts auch über nicht-wirtschaftliche Betätigungen. 501 In der Tat belegen neben den bereits angeführten Urteilen in RS 28/66 "Niederlande/Kommission" und RS 43/75 "Defrenne/Sabena" 502 zahlreiche weitere Entscheidungen diese Auffassung: -

Das Urteil in RS 13/72 "Niederlande/Kommission", wo der Gerichtshof ausführte, daß auch unentgeltliche Geschäfte vom EWG-Recht erlaßt werden können. 503

496 U. a. Ubertazzi, Pettiti; Pipkom, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 117, Rdnr. 12; Steindorff, NJW 1982, S. 1902ff.; B1eckmann, S. 478 ff.; kritisch Hans Peter Ipsen, S. 934. 497 Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (642 ff.); ebensoKaiser,EuR 1980,S. 97 ff. (99). 498 Ebenso B1eckmann, S. 15. 499 U. a. Ubertazzi, Picchio, Touffait (Recueil Dalloz 1976), Plouvin (Gaz. Pal. und RMC) und Veth. 5oo Picchio, RDJ 1976, S. 745 ff. (754). 501 Ebenso Fresia, RMC 1975, S. 550 ff. (558 f.). 502 Siehe FN 477 bzw. 478. 503 EuGHE 72, 27 ff. (41 f.)- RS 13n2 ,,Niederlande/Kommission".

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

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-

Ebenfalls als Beleg dafür, daß nicht-wirtschaftliche Motive an Hand des Gemeinschaftsrechts überprüfbar sind, dient die Entscheidung in RS 67/7 4 "Bonsignore/Stadt Köln". 504 Dort sah der EuGH in einer Ausweisung aufgrund generalpräventiver Gesichtspunkte einen Verstoß gegen Art. 48 und RL 64/221, 505 obwohl der Grundsatz der Generalprävention für sich allein gesehen keinerlei Bezug zum wirtschaftlichen Sektor aufweist.

-

Die Entscheidung des EuGH in RS 9/74 "Casagrande/Landeshauptstadt München" ist ein weiteres Beispiel dafür, daß das Gemeinschaftsrecht nicht nur auf wirtschaftliche Betätigungen anwendbar ist. 506 In diesem Fall sah nämlich der Gerichtshof in der Ausbildungsförderung, die nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmelandes nur den Inländern offenstehen sollte, einen Verstoß gegen die Vorschriften der VO Nr. 1612/68, besonders Art. 12 Abs. 2. Obwohl dieser Fall primär den Bereich der Bildungspolitik tangierte und nicht den wirtschaftlichen Sektor, sah der EuGH hierin keinen Hinderungsgrund, Gemeinschaftsrecht anzuwenden. 507

-

Auch im Fall "Christini/SNCF" (RS 32/75) legte der EuGH Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 1612/68 508 so aus, daß er alle sozialen und steuerlichen Vergünstigungen umfaßt, unabhängig davon, ob diese an einen Arbeitsvertrag und damit im Sinne der "Wa1rave/Koch"- und "Dona/Mantero"-Entscheidungen an eine wirtschaftliche Betätigung anknüpfen oder nicht. 509

-

In seinem Urteil vom 13. 2. 1985 in RS 293/83 "Gravier" 510 stellte der Europäische Gerichtshof zunächst fest, daß die Organisation des Bildungswesens und die Bildungspolitik als solche zwar nicht zu den Gemeinschaftszuständigkeiten gehörten, 511 der Zugang zum und die Teilnahme am Unterricht im Bildungswesen und in der Lehrlingsausbildung aber nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts stünden (Art. 128 EWGV), obwohl hier ebenfalls keine Aktivitäten wirtschaftlicher Art entfaltet werden.

Demzufolge beschränkte selbst der Europäische Gerichtshof in anderen Entscheidungen als "Walrave/Koch" und "Dona/Mantero" den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts nicht nur auf Betätigungen wirtschaftlicher Art. EuGHE 75, 297 ff. (305 f.) - RS 67/74 "Bonsignore/Stadt Köln". Richtlinie des Rates vom 25. 2. 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, EG-Abl. 1964, 850 ff. 506 EuGHE 74,773 ff. (778 f.) - RS 9/74 "Casagrande/Landeshauptstadt München". 507 Ähnlich EuGHE 75, 109 ff.- RS 68/74 "Alaimo": 508 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. 10. 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, EG-Abl. 1968, L 257/2 ff. 509 EuGHE 75, 1085 ff. RS 32/75 "Cristini/SNCF"; ebenso EuGHE 82, 33 ff. (44) - RS 65/81 "Reina" und EuGH EuGRZ 1985, S. 609 - RS 137/84 "Mutsch". 5to EuGHE 85, 593 ff. RS 293/83 "Gravier". 511 Ebenso bereits EuGHE 83, 2323 ff.- RS 152/82 "Forcheri". 504 505

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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(3) Zweifel an der Präzedenzwirkung der EuGH-Sporturteile

Ohne Rücksicht darauf, daß auslegende Entscheidungen nach Art. 177 EWGV für künftige Fälle rechtlich sowieso nicht verbindlich sind, 512 erscheint es fraglich, ob den EuGH- Sporturteilen überhaupt eine Präzedenzwirkung für spätere Entscheidungen aus dem Bereich des Sports zukommt oder ob sie nicht vielmehr nur auf die jeweiligen Einzelfalle zugeschnitten waren. 513 Bestehende Zweifel werden verstärkt, wenn man die besonderen Umstände dieser zwei Fälle näher in Augenschein nimmt. Nach RS 28/66 "Niederlande/Kommission" 514 darf das Gewicht einer EuGH-Auslegungsentscheidung zwar nicht unterschätzt werden, aber man muß sie jeweils auch in ihrem Zusammenhang sehen. Die "Walrave/Koch"-Entscheidung betraf eine ganz spezielle Angelegenheit, nämlich die Zusammensetzung von Nationalmannschaften. Demnach kam diesem Fall nur geringe praktische Bedeutung zu. Ferner fehlte in der Literatur bis zu jenem Zeitpunkt jede Auseinandersetzung mit diesem Problemkreis. Der Europäische Gerichtshof traf die Äußerung zum Anwendungsbereich des EWGVertrages bei sportlichen Betätigungen zudem, ohne daß eine Frage des vorlegenden Gerichts darauf abzielte und ohne daß in dem vorangegangenen Verfahren einer der Prozeßbeteiligten, selbst der Generalanwalt nicht- außer der knappen Einwendung seitens der UCI und der Königlich- Niederländischen Radsportunion515 -,näher auf diesen Komplex eingegangen wäre. Eine "Verhandlung" hierzu fand nicht statt. 516 Dies ist insofern beachtlich, als Art. 20 der Satzung des EuGH gerade die Möglichkeit vorsieht, daß selbst die Mitgliedstaaten sich zum jeweiligen Verfahren äußern können, also grundsätzlich eine umfassende Erörterung des Streitgegenstandes gewünscht wird. Daß der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus diesem Grunde diesbezüglich lediglich die Bedeutung eines "obiter dictum" zukommt, 517 kann zwar nicht angenommen werden. Diese Gesamtumstände sind jedoch zu berücksichtigen, so daß man der Entscheidung des Gerichtshofs in dieser Frage wohl nicht unbedingt allzu weitreichendes Gewicht beimessen sollte. 518 512 Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (255); allgemein hierzu Daig, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 177, Rdnr. 47 ff. m Vgl. Generalanwalt Trabucchi in EuGHE 76, 1333 ff. (1346)- RS 13/76 "Dona/ Mantero", wonach die Frage, ob Wanderarbeitnehmer und ihre Familienangehörigen ohne Beschränkungen Sportvereinen im Gastland beitreten dürfen, "keineswegs" durch die Entscheidung in RS "Dona/Mantero" "präjudiziert" werde; ähnlich Karpenstein, S. 108, der lediglich von indirekten Auswirkungen jener Sporturteile spricht; vgl. auch Steindorff, NJW 1982, S. 1902 ff. (1903). 514 EuGHE 68, 1 ff. (31, 33)- RS 28/66 ,,Niederlande/Kommission". 515 Vgl. EuGHE 74, 1405 ff. (1414) - RS 36/74 "Walrave/Koch". 516 Picchio, RDJ 1976, S. 745 ff. (759). 517 Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (639). 518 U. a. Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (638 ff.); Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (255); Touffait, in: L 'Equipe vom 11. 3. 1976.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Auch die Entscheidung in RS 13/76 "Dona/Mantero" weist in dieser Hinsicht einen "Makel" auf. Der Ausgangsfall dieses Vorabentscheidungsersuchens war offensichtlich künstlich konstruiert, 519 zumalsich der Beklagte Mantero im Verfahren vor dem EuGH nicht einmal äußerte. Dementsprechend wurde das Verfahren auch nie abschließend durch den italienischen Friedensrichter entschieden, da die Parteien den Fall in gegenseitigem Einvernehmen für erledigt erklärten. Der Gerichtshof hat aber schon mehrfach seine Abneigung gegen konstruierte Fälle zum Ausdruck gebracht. 520 Außerdem wurden auch in diesem Verfahren nicht sämtliche entscheidungserheblichen Gesichtspunkte eingehend erörtert, da weder ein Mitgliedstaat noch der italienische Fußballverband, der ohne Zweifel ein "berechtigtes Interesse" gemäß Art. 37 Abs. 2 der Satzung des EuGH am Ausgang des Rechtsstreits hätte glaubhaft machen können, dem Verfahren beigetreten sind. 521 Insofern ist auch die Entscheidung zur Klärung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrags nur mit äußerster Zurückhaltung heranzuziehen. 522 (4) Die Stellung des EuGH im Rahmen des Integrationsprozesses

In Anbetracht dieser Zusammenhänge und unter Berücksichtigung der gesamten EuGH-Rechtsprechung ist die Schlußfolgerung zulässig, daß sich auch der EuGH einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrages im Rahmen der vertraglichen Aufgaben- und Zielumschreibung auf Angelegenheiten anderer als wirtschaftlicher Art nicht widersetzt, zumal dem EuGH unter den EG-Organen, was die Bereitschaft zu Integrationsfortschritten anbelangt, eine Vorreiterrolle zugeschrieben wird. 523 Er wird als Garant der Wahrung, aber auch der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts charakterisiert. 524 Diesem Selbstverständnis und dem Vertragsziel fortschreitender lntegration 525 (Präambel und Art. 2: ... "engeren Zusammenschluß bzw. Beziehungen zu schaffen und zu fördern") würde es widersprechen, wenn sich der EuGH auf eine rein wirtschaftliche Auslegung des EWG-Vertrages unter Mißachtung der sozialen Zielvorgaben zurückziehen würde. 526 519 Herr Dona war ehemaliger Bediensteter der EG-Kommission und deshalb mit dem Gemeinschaftsrecht durchaus vertraut; vgl. Karpenstein, S. 116 und Hilf, S. 92 f. 520 Vgl. EuGHE 80, 745 ff.- RS 104/79 "Foglia" und EuGHE 81, 3045 ff.- RS 244/80 "Foglia". 521 Hilf, S. 93. 522 Pettiti, in: Le Monde vom 27. 11. 1976. 523 U. a. von der Groeben, in: ders. u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Einleitung, S. 36; Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik-, 3. Aufl. 1987, S. 213 f.; Grunwald, EuR 1983, S. 344 ff. (344). 524 Vgl. Feierliche Deklaration (FN 89); hierzu auch BVerfGE 22, 293 ff. (296), wonach das Gemeinschaftsrecht eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Rechtsordnung sei. 525 EuGHE 78, 1787 ff. (1806) RS 148/77 "Hansen/-Balle"; Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (641); Kaiser, EuR 190, S. 97 ff.

I. EG-Zuständigkeit im Sportbereich

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i) Schlußfolgerung

Die Entscheidungen Walrave/Koch und Dona/Mantero widerlegen nicht die Annahme, daß das Gemeinschaftsrecht auch andere Betätigungen als solche wirtschaftlicher Art erlaßt, vor allem wenn man den Begriff "Wirtschaft" im weitesten Sinne des Wortes, nämlich auch unter Einschluß des sozialen Bereichs, versteht. 527 Der EWG-Vertrag regelt somit entsprechend seiner Ziel- und Aufgabenumschreibung auch Angelegenheiten, denen primär soziale Bedeutung zukommt. 8. Sport als soziale Angelegenheit

Inwieweit der Sport diesem so charakterisierten Anwendungsbereich des EWG-Vertrages unterfällt, hängt davon ab, ob Sportbetätigungen diesem sozialen Bereich zugerechnet werden können. Wäre dies der Fall, so würde das Gemeinschaftsrecht neben sportlichen Aktivitäten wirtschaftlicher Art auch die mit sozialer Zielsetzung erfassen. Im Abschnitt über die Stellung und Rolle des Sports, die er in der heutigen Gesellschaft einnimmt, wurde eingehend geschildert und nachgewiesen, daß dem Sport in bestimmten Fällen eine soziale Funktion zukommt. 528 Wie bereits in Ziff. A II 4 festgestellt, ist dies insbesondere bei gemeinsamer sportlicher Betätigung in einem Verein, in einer Mannschaft bzw. einer sonstigen Kleingruppe der Fall, wobei die sozial-integrative Kraft des Sports um so stärker ist, je weniger der jeweilige Sport professionalisiert und erfolgsorientiert ist (Freizeitund unterklassiger Wettkampfsport). Im Rahmen des Sports auf Nationenebene kommt diese Funktion des Sports um so mehr zum Ausdruck, je weniger die einzelne Sportart der nationalen Repräsentanz dient. Soweit diese Kriterien erfüllt sind, obliegt dem Sport eine soziale Aufgabe, weshalb er insofern grundsätzlich in den Sozialsektor einzuordnen ist. Um dem Gemeinschaftsrecht zu unterfallen, ist im Rahmen jener Sportaktivitäten jeweils noch ein zwischenstaatliches Element wie etwa grenzüberschreitender Sportverkehr oder die Beteiligung von Ausländern an der Ausübung des Sports erforderlich, da rein innerstaatliche Vorgänge vom Gemeinschaftsrecht nicht erlaßt werden. 529 526 Vgl. auch Art. 117 EWGV, wonach die Verbesserung und Allgleichung der Lebensund Arbeitsbedingungen "auf dem Wege des Fortschritts" zu erreichen sei. 527 Hierzu bereits oben Ziff. C I 7 d; sowie Hans Peter lpsen, S. 10; Picchio, RDJ 1976, S. 745 ff. (754); Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (640); Sundberg-Weitrnan, S. 117 ff.; Wohlfahrt, in: ders. u. a., Die Europäische Wirtschaftsgerneinschaft, Art. 7 Nr.IO. 528 Vgl. Ziff. A li sowie zusätzlich Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (291); Plouvin, Gaz. Pal. 1978, Doctrine S. 23 ff. (28); Pettiti, in: Le Monde vorn

27. 11. 1976.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Die Teilnahme von Marktbürgern am Freizeit- und unterklassigen Wettkampfsport müßte deshalb aufgrund ihrer sozialen Funktion dem Gemeinschaftsrecht unterfallen. Zweifel hieran könnten deshalb auftauchen, weil die soziale Bedeutung der Sportausübung in den genannten Bereichen jeweils nur einen Teilaspekt der sportlichen Betätigung unter mehreren anderen- wie z. B. Gesunderhaltung und Ausgleichsfunktion - darstellt. Die Annahme, daß dies schon für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts genügt, stößt auf Bedenken. Denn in diesem Fall wäre der Anwendungsbereich des EWG-Vertrages kaum mehr einzugrenzen, da wohl keine Tätigkeit mehr übrigbliebe, die keine Beziehung zu sozialen oder wirtschaftlichen Fragen aufwiese. Auf dem Gebiet der Sportbetätigung von Ausländern nimmt jedoch die soziale Funktion eine besonders exponierte Stellung ein, 530 wie unter anderem die zahlreichen bereits in Ziff. A II 6 erwähnten Initiativen auf diesem Sektor beweisen. Aufgrund des großen Interesses, das dem Sport auch von Seiten der Ausländer entgegengebracht wird, 531 bietet dieser nämlich eine der wenigen Gelegenheiten, echtes Miteinander zwischen In- und Ausländern mit Erfolg zu praktizieren. 532 Der Sport leistet damit einen besonderen Beitrag zur "Besserung der Lebensbedingungen" (Art. 117 EWGV) der ausländischen Mitbürger. 533 Mag auch bei den meisten Sportbetätigungen die soziale Funktion des Sports nur eine unter vielen der ihm zugeschriebenen Wirkungen sein, so gilt das demnach nicht im Bereich gemeinsamer sportlicher Betätigung mit Ausländern, da dort den sozialen, d. h. gemeinschaftsbildenden Zielen des Sports im Verhältnis zu anderen Funktionen eine herausragende Bedeutung zukommt. Aufgrund dessen, daß der Sport in diesem Bereich einen spezifisch sozialen Charakter aufweist, ist Gemeinschaftsrecht anwendbar. Freizeit- und unterklassiger Wettkampfsport mit Beteiligung von ausländischen EG-Angehörigen fallen somit in den zuvor unter Ziff. C I 7 gekennzeichneten Zuständigkeitsbereich des Gemeinschaftsrechts. Sportliche Betätigungen wirtschaftlicher Art erfüllen zumeist keine sozialen Funktionen 534 oder diese bleiben in jedem Fall von untergeordneter Bedeutung aufgrund des Vorrangs anderer Ziele, wie beispielsweise des Profit- und Erfolgsstrebens. 535 Umgekehrt handelt es sich bei den Sportaktivitäten, die schwerpunktmäßig sozial-integrativ wirken, nicht um Tätigkeiten wirtschaftli529 EuGHE 82, 3723 ff. (3736) (2547)- RS 180/83 ,.Moser". 530 Hilf, S. 85, 90. 531 532 533

(28).

RS 35 u. 36/82 ,.Morson"; EuGHE 84, 2539 ff.

Hierzu bereits Ziff. A II 5. Hilf, S. 85. Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (647); Plouvin, Gaz. Pal. 1978, Doctrine S. 23 ff.

Plouvin, RMC 1978, S. 516 ff. (525). m Vgl. Ziff. A li 3.

534

II. Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln

109

eher Art, da sie nicht gegen Entgelt erbracht werden. 536 Daß die allgemeine Motivation von Gemeinschaftsbürgern für den Aufenthalt in einem Gastland häufig wirtschaftlichen Ursprungs ist, ist hierfür unerheblich. Insofern unterfallen dem Anwendungsbereich der Gemeinschaftsverträge die einen sportlichen Betätigungen aufgrund ihres wirtschaftlichen Charakters und die anderen aufgrund ihrer im Vordergrund stehenden sozialen Zielsetzungen. 537 In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob Sport als wirtschaftliche Aktivität oder als solche sozialer Art einzustufen ist, um dem Gemeinschaftsrecht mit seinen Normen zu unterliegen. 538 9. Sport als Regelungsgegenstand des Gemeinschaftsrechts Sport zählt somit zum Anwendungsbereich des EWG-Vertrages, wenn er entweder als wirtschaftliche Betätigung betrieben wird - das ist in der Regel, aber nicht nur der Fall, wenn der Sportler seine Leistungen aufgrund eines Arbeits- oder Dienstleistungsvertrags erbringt - oder wenn er primär soziale Funktionen erfüllt, wie auf dem Gebiet der Integration ausländischer Mitbürger. Dies hat zur Folge, daß auf diese Bereiche die Normen des Gemeinschaftsrechts anwendbar sind.

II. Die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln Es gelten unter anderem die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote, gegen welche die Ausländerklauseln in den Sportverbandsordnungen verstoßen könnten. Auf diese Weise wäre es möglich, die für Ausländer bestehenden Spielbeschränkungen, den "numerus clausus" für ausländische Sportler, 539 der einer verstärkten Integration und, speziell auf die EG bezogen, einer intensiveren Gemeinschaftsbildung im Wege steht, zu beseitigen, falls die tatbestandliehen Voraussetzungen dieser Normen vorliegen. Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV gilt nur "unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags", weshalb zunächst die über den Vertrag verstreuten speziellen Ausformungen, die das allgemeine Diskriminierungsverbot gefunden hat, heranzuziehen sind.

536 537 538 539

Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976; Hilf, S. 90. Plouvin, RMC 1978, S. 516 ff. (525) und Gaz. Pal. 1978, Doctrine S. 23 ff. (28). Delannay, CDE 1976, S. 204 ff. (212). Touffait, Recueil Dalloz 1976, Chronique 165 ff. (166).

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport 1. Freizügigkeit der Arbeitnehmer

Art. 48 EWGV regelt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Zu diesem Zweck verbietet er bestimmte auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlungen von Arbeitnehmern der Mitgliedstaaten. Die Vorschrift ist seit Ablauf der Übergangszeit des Art. 8 EWGV unmittelbar anwendbar, d. h. sie gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar; jeder betroffene Marktbürger kann sich vor Gericht oder anderen Stellen auf diese Bestimmung berufen. 540 Der Begriff des "Arbeitnehmers" bestimmt sich dabei nicht nach innerstaatlichem Recht, sondern nach Gemeinschaftsrecht 541 Für die Auslegung ist vom gewöhnlichen Wortsinn in seinem Kontext und im Lichte der Ziele des Vertrags auszugehen. 542 Da dadurch der persönliche Anwendungsbereich einer Grundfreiheit festgelegt wird, ist der Begriff weit auszulegen. 543 Art. 48 EWGV spricht in seinem Abs. 2 selbst zwei Merkmale an, die für einen "Arbeitnehmer" kennzeichnend sind, nämlich "Beschäftigung" und "Entlohnung". Aus einer Gegenüberstellung zu der in Art. 52 ff. EWGV geregelten Niederlassungsfreiheit, wo in Abs. 2 von "selbständiger Erwerbstätigkeit" die Rede ist, folgt, daß in Art. 48 EWGV eine unselbständige Tätigkeit vorausgesetzt wird. In der französischen, italienischen und englischen Fassung des EWG- Vertrages wird demgegenüber hauptsächlich darauf abgestellt, ob der Berufstätige für seine Arbeit einen Lohn erhält oder nicht (Art. 52 Abs. 2: "activites non salariees", "attivita non salariate", "not wage-earning activity"). Dementsprechend sah der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1986- RS 66/85 "Lawrie-Blum" - das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. 544 Was die Anwendung des Art. 48 EWGV auf den Bereich des Sports, insbesondere die Frage der Vereinbarkeit der Ausländerklauseln mit dieser Vorschrift, anbelangt, so ist im folgenden zwischen Berufssport auf der einen und Freizeiteinschließlich des unterklassigen Wettkampfsports auf der anderen Seite zu unterscheiden, da nur bei ersterem der Sportler als solcher "Arbeitnehmer" sein kann. a) Berufssport aufgrund von Arbeitsverträgen Im Bereich des Berufssports soll der populäre Profifußball im folgenden als Beispiel dienen. Auf den ersten Blick scheinen sich Sportausübung und Arbeit 540 EuGHE 74, 1337 ff. (1347)- RS 41/74 "van Duyn"; EuGHE 74, 359 ff. (360) - RS 167!73 "Kommission/Frankreich". 541 EuGHE 64, 379 ff. (383)- RS 75/63 "Unger"; EuGHE 82, 1035 ff. (1049)RS 53/81 "Levin". 542 EuGHE 82, 1035 ff. (1048)- RS 53/81 "Levin". 543 EuGH (FN 542). 544 EuGH, Urteil vom 3. 7. 1986- RS 66/85 "Lawrie-B1um".

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gegenseitig auszuschließen. Denn das erstere wird in der Regel dem Feizeitund Hobbybereich zugerechnet, zu dem der Arbeitssektor das Gegenpaar bildet. Im Berufssport sind jedoch im wesentlichen wirtschaftliche Gründe Auslöser für die sportliche Leistung, die dem Gelderwerb des Spielers und der Befriedigung wirtschaftlicher Interessen der Vereine dient. Profisport ist somit Arbeit im wirtschaftlichen Interesse. 545 Dementsprechend sind die deutschen Profifußballer nach § 10 Satz 1 Lizenzspielerstatut (ähnlich auch § 5 a DFB-Satzung) "Arbeitnehmer besonderer Art". Fraglich ist aber, ob sie auch Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts sind. Angesichts des erheblichen Verdienstes der Spieler und einer gewissen Selbständigkeit - zumindest auf dem Fußballfeld - könnte man geneigt sein, sie als Freiberufler einzuordnen, die ihre Leistungen aufgrund eines selbständigen Dienstvertrags erbringen. 546 Dem steht allerdings entgegen, daß in allen Mitgliedstaaten, in denen der Fußballsport berufsmäßig betrieben wird, zwischen Verein und Sportler ein Arbeitsvertrag, "ein Lohn- oder Gehaltsverhältnis" (Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1612/ 68), 547 vorliegt, aufgrund dessen der Fußballer seinen Sport ausübt. 548 Die entscheidenden Kriterien der abhängigen im Gegensatz zur selbständigen Arbeit, wie die Fremdbestimmung der Arbeit hinsichtlich Zeit und Ort, die Weisungsgebundenheit sowie die Leistung nur für einen Berechtigten, werden dabei im Bereich des Profifußballs erfüllt. 549 Dies ergibt sich bereits aus den vielfältigen Bindungen des Lizenzspielers, die aus seinem Arbeitsvertrag und seiner Unterwerfung unter die Satzungen und Ordnungen seines Vereins und des Deutschen Fußballbundes folgen. 550 Außerdem besteht für jeden Spieler eine Gehorsamspflicht in puncto spieltechnischer Anweisungen, pünktlichem Erscheinen zum Training sowie außerdienstlicher Verhaltensweisen. 551 Berufsfußballspieler sind demnach auch Arbeitnehmer im Sinne des Art. 48 EWGV. Nach Art. 48 EWGV ist jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Berufsfußballspieler und aller Sportler, die ihre Leistungenaufgrund von Arbeitsverträgen erbringen, in bezug auf Beschäftigung, Westerkamp, S. 31 ff.; OLG Stuttgart, Arbeit und Recht 1978, S. 125 ff. Westerkamp, S. 31. 547 Siehe FN 508. 548 Vgl. § 12 a Lizenzspielerstatut des DFB: " ... Vorlage eines abgeschlossenen Arbeitsvertrages mit einem Verein ... "; sowie Preis, S. 29 f.; Veth, S. 507; Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976; Trabucci in EuGHE 76, 1333 ff. (1343 ff.) - RS 13n6 "Dona/Mantero"; Karl Heinrich Schmidt, RdA 1972, S. 84 ff. (91); BGH NJW 1977, S. 598 f.; LAG Berlin, NJW 1979, S. 2582 ff. (2582). 549 Vgl. Musterarbeitsvertrag zwischen Spieler und Verein bei Preis, Anhang, S. 137 ff.; Westerkamp, S. 32, 34. 550 Vgl. Musterarbeitsvertrag zwischen Spieler und Verein (FN 549), sowie Vertrag zwischen DFB und Spieler, Anhang Nr. 4 der DFB-Satzung, u. a. § 3 Satz 2: "Die Statuten und Ordnungen des DFB . .. wird der Spieler befolgen". 551 BSGE Bd. 16, S. 98 ff. 545

546

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

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Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen untersagt. Verboten sind demzufolge Bestimmungen, welche die Beschäftigung von Angehörigen der Mitgliedstaaten aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit beschränken. Im Zuge dieses Verbots änderte der DFB mit Wirkung vom 1. Mai 1972 den damaligen§ 12 d Bundesligastatut - heute § 7 Nr. 1 c Lizenzspielerstatut - dahingehend, daß Marktbürger "soweit es sich um die Erteilung der Lizenz handelt, nicht als Ausländer" gelten und damit nicht der dort festgelegten Kontingentierung unterfallen. 552 Die für die Verpflichtung von ausländischen Profispielern in Italien bestehenden Beschränkungen(§§ 16 und 28 g Italienische Fußballordnung) bildeten den Ausgangspunkt für RS 13/76 "Dona/Mantero", 553 in deren Verlauf der EuGH jenes Verbot grundsätzlich bestätigte, indem er eine Regelung oder Praxis mit dem EWG-Vertrag für unvereinbar hielt, "die das Recht, als Profi oder Halbprofi an Fußballspielen teilzunehmen, allein den Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats vorbehält". Im Anschluß an dieses Urteil setzte sich die EG-Kommission mit Vertretern des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) und der Fußballverbände der Mitgliedstaaten zusammen, um die Konsequenzen aus diesem Verbot zu ziehen. Man einigte sich dabei auf folgende "Übergangslösung": 554 -

Alle den Abschluß von Verträgen mit Spielern der Gemeinschaft beschränkenden Bestimmungen sind aufzuheben;

-

Bei nationalen Meisterschaftswettbewerben in der 1. Liga und den dazugehörigen Aufstiegswettbewerben sollen die Vereine auf jeden Fall zur Aufstellung von zwei Staatsangehörigen eines anderen Gemeinschaftslandes in einem Spiel berechtigt sein; auf allen anderen Wettbewerbsebenen 555 bestünde also keine Einschränkung für die Angehörigen von Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Diese Einschränkung würde jedoch nicht für die Angehörigen von Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gelten, die sich gemäß den Vertragsvorschriften für Arbeitnehmer bzw. Selbständige bereits niedergelassen haben, sowie ferner nicht für ihre ebenfalls schon niedergelassenen Familienangehörigen, so wie sie in der gemeinschaftlichen Regelung festgelegt sind. 556

In der Zwischenzeit wurden diese Forderungen weitgehend erfüllt. Lediglich Italien praktiziert bei der Verpflichtung von Spielern aus anderen EG-Staaten zwar kein absolutes Verbot mehr, aber weiterhin eine Beschränkung auf zwei Hierzu Preis, S. 51. EuGH (FN 391). 554 "Übergangslösung" vom 27. 2. 1978, schriftliche Anfrage des Abgeordneten Carpentier, 868/77, EG-Abl. 1978, C 188/6 f. 555 Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, sind hierbei andere Profiklassen gemeint. 556 Vgl. Art. 10 VO Nr. 1612/68 (FN 508), sowie Art. 1 RL 73/148 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, EG-Abl. 1973, L 172/14 ff. 552 553

II. Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln

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Spieler. 557 Außerdem wurde die im 2. Teil der Vereinbarung zwischen Kommission und Fußballverbänden angesprochene Sonderregelung für solche Arbeitnehmer bzw. Selbständige und deren Familienangehörige, die sich gemäß den Gemeinschaftsvorschriften bereits niedergelassen haben, in den meisten EG-Ländern bisher nicht verwirklicht. 558 Nach Aufhebung der bis dahin existierenden Begrenzungen für die Verpflichtung von gemeinschaftszugehörigen Spielern in nahezu allen EG-Mitgliedstaaten (Ausnahme: "Ausländersperre" in Italien) scheinen die noch bestehenden Sonderbestimmungen für die Teilnahme dieser Spieler an Meisterschaftswettbewerben 559 als Folge der "Übergangslösung" nicht gegen Gemeinschaftsrecht zu verstoßen. 560 Denn in jener gemeinsamen Erklärung wird die Möglichkeit zugelassen, die Zahl der Staatsangehörigen eines anderen Gemeinschaftslandes bei der Teilnahme an Wettkämpfen auf "2" zu begrenzen. Dieser Schlußfolgerung steht jedoch entgegen, daß es sich bei der zwischen der EG-Kommission und den Europäischen Fußballverbänden getroffenen Vereinbarung explizit um "Übergangsbestimmungen" handelt, die möglichst rasch durch regelmäßige Fortschritte bei der strikten Anwendung der Bestimmungen über die Freizügigkeit überwunden werden sollten. 561 Eine Auslegung der Freizügigkeitsbestimmungen hinsichtlich ihrer Geltung in bezug auf Ausländerklauseln bezweckte jene Übergangsregelung demnach nicht. 562 Ganz abgesehen davon, daß eine auf diese Weise vorgenommene Auslegung auch nicht verbindlich sein könnte (Art. 164 ff. EWGV).563 Die im Berufsfußball noch bestehenden Beschränkungen bei der Verpflichtung (Italien) oder der Teilnahme (alle Mitgliedstaaten) von Spielern aus anderen Mitgliedstaaten könnten demnach weiterhin mit dem in Art. 48 EWGV niedergelegten Diskriminierungsverbot in bezug auf Beschäftigung und sonstige Arbeitsbedingungen kollidieren. Eine Bestimmung, die bereits den Vertragsabschluß mit Angehörigen anderer EG-Staaten limitiert, verstößt dabei eindeutig gegen diesen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dadurch werden nämlich ausländische 557 Eilers, S. 35. 558 Ansätze hierfür enthalten die in Belgien und Luxemburg bestehenden Regeln, hierzu oben Ziff. A II 7; in der BR Deutschland wurden entsprechende Vorschläge, wonach § 22 Nr. 2 a DFB-Spielordnung derart geändert werden sollte, daß einem deutschen Spieler solche Sportler gleichgestellt werden, die ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, die letzten 5 Jahre, davon mindestens 3 Jahre als Juniorenspieler, ununterbrochen für einen deutschen Verein spielberechtigt waren, bis zu einer entsprechenden Einigung auf EG-Ebene zurückgestellt. 559 Hierzu vgl. oben Ziff. A II 7. 560 Vgl. Preis, S. 51; Eilers, S. 34; Feustel, EG-Magazin 3/77, S. 3; weitere Angaben bei Veth, S. 509. 561 Vgl. schriftliche Anfrage des Abgeordneten Carpentier (FN 554). 562 Vgl. mündliche Frage des Abgeordneten Cifarelli, Verhandlungen EP 1977/78, Nr. 230, S. 252 f., 11. 5. 1978. 563 Veth, S. 512. 8 Klose

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Sportler aus Mitgliedsländern von vomherein von der Aufnahme einer Beschäftigung größtenteils ausgeschlossen (Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1612/68). Auch bei den Teilnahmebeschränkungen für Wettbewerbe liegt ein Verstoß gegen Art. 48 EWGV nahe. Die Vorschrift gewährleistet nämlich nicht nur eine Beschäftigung, d. h. eine Anstellung als solche, sondern in ihrem Abs. 3 c gewährt sie ausdrücklich das Recht, die Beschäftigung nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Vorschriften auch auszuüben. In Art. 2 VO Nr. 1612/68 ist in diesem Zusammenhang vom Anspruch auf Erfüllung von Arbeitsverträgen die Rede, 564 was -bezogen auf den Profisport- die mögliche unbeschränkte Teilnahme an Punktspielen bedeutet. Somit fordert Art. 48 EWGV zusätzlich eine Gleichstellung in bezug auf die Ausübung der Beschäftigung. 565 Die Beschränkung der Zahl von Ausländern einschließlich EG-Angehörigen bei der Teilnahme an Meisterschaftswettbewerben in der 1. Liga und den dazugehörigen Aufstiegswettbewerben (z. B. in § 22 Nr. 2 a DFB-Spielordnung) stellt für einen ausländischen Berufsspieler zumindest eine wesentliche Erschwernis seiner Berufsausübung dar, zumal im Fußballsport die Vorbereitung und die Teilnahme an Wettkämpfen einer nationalen Meisterschaft (einschließlich Aufstiegswettbewerben) den fast ausschließlichen Inhalt der sportlichen Erwerbstätigkeit ausmachen. 566 Die Berufsausübung eines Profispielers beschränkt sich anerkanntermaßen nicht auf die Teilnahme am Training, sondern ist auf die Mitwirkung bei offiziellen Spielen gerichtet, worauf das Training nur vorbereiten soll. Wird nun die Teilnahmemöglichkeit einiger Spieler von Anfang an unabhängig von ihren sportlichen Leistungen allein aufgrund rechtlicher Vorschriften begrenzt, so ist dies ein Eingriff in ihr Recht der freien Berufsausübung. 567 Durch derartige Klauseln in den Spielordnungen der Sportverbände werden ausländische Berufssportler im Verhältnis zu ihren inländischen Kollegen demnach ganz entscheidend an ihrer Berufsausübung und an ihrer beruflichen Entfaltungsmöglichkeit gehindert, was auch einschneidende finanzielle Einbußen zur Folge hat. 568 Denn bei Nichtteilnahme an Meisterschaftsspielen entfallt für sie zum Beispiel eine mögliche Siegprämie. Außerdem haben diese Bestimmungen eine faktische Einstellungssperre, also eine Diskriminierung bereits beim Zugang zum Beruf zur Folge. 569 Welcher Bundesligaverein wäre- z. B. in der Bundesrepublik Deutschland- dazu bereit, mehr als zwei ausländische Spieler für längere Zeit unter Vertrag zu nehmen, wenn er jeweils nur zwei einsetzen dürfte? 570 564

ben". 565 566 567 568 569

Vgl. auch Art. 1 I VO Nr. 1612/68: "... eine Tätigkeit . .. aufzunehmen und auszuüVeth, S. 510. Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (255). Grunsky (1980), S. 59 f. Feustel, EG-Magazin 3/77, S. 4. Petzo1d/Safaris, EuR 1982, S. 76 ff. (79); Feuste1, EG-Magazin 3/77, S. 4.

II. Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln

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Insofern verstoßen nicht nur die für die Verpflichtung von Profifußballern aus anderen EG-Staaten bestehenden Beschränkungen gegen Art. 48 EWGV, sondern auch die Klauseln, welche die Teilnahmeberechtigung von Spielern aus EG-Staaten bei Verbandsspielen ("Bundesspielen") auf eine bestimmte Zahl beschränken, wie es die "Übergangslösung" aus dem Jahr 1978 zunächst für zulässig erklärt hatte. 571 Denselben Schluß zog die Bundesregierung aus dem EuGH-Urteil in RS 13/76 "Dona/Mantero". 572 Dementsprechend ist die EGKommission weiterhin bemüht, in Gesprächen mit Vertretern der nationalen Fußballverbände und der UEFA neue Schritte in Richtung auf die vollständige Verwirklichung der Freizügigkeit für Profi-Spieler zu erreichen. 573 Ab der Saison 1988/89 wird generell der dritte Ausländer in einer Mannschaft zugelassen, und spätestens ab 1992 soll es allen Fußballprofis aus EG-Staaten erlaubt sein, ohne Einschränkungen in Vereinen anderer Mitgliedstaaten zu spielen. 574

b) Unterklassiger Wettkampfsport, Sport als Freizeitbetätigung Möglicherweise gilt das in Art. 48 EWGV niedergelegte Diskriminierungsverbot auch für Beschränkungen, wie sie im Bereich des unterklassigen Wettkampfsports vorzufinden sind. Der wesentliche Unterschied im Vergleich zum Profisport besteht darin, daß der Sport hier nicht als Erwerbstätigkeit, sondern in der Freizeit als Hobby ausgeübt wird. Die betroffenen Angehörigen der Mitgliedstaaten gehen in der Regel einem Beruf nach und wollen sich in ihrer Freizeit sportlich betätigen, woran sie teilweise von den bestehenden Ausländerschranken gehindert werden. Sofern diese "Marktbürger" ihre berufliche Leistung in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber aufgrund eines Arbeitsvertrages erbringen, handelt es sich auch bei ihnen um Arbeitnehmer im Sinne des Art. 48 EWGV. Eine unterschiedliche Behandlung dieser "Marktbürger" aufgrundihrer Staatsangehörigkeit in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen ist demnach untersagt. Die Ausländerklauseln im Bereich des Sports stellen zweifellos Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit dar.

570 Ausnahme Arminia Bielefeld in der Spielzeit 1983/1984, vgl. Stuttgarter Zeitung vom 8. 10. 1983; weiteres Beispiel bei Veth, S. 509. 571 Ebenso u. a. Hilf, S. 89; Petzold/Safaris, EuR 1982, S. 76 ff. (79); SteindorffRIW/ AWD 1975, S. 253 ff. (255); Veth, S. 510, 512; Karl Heinrich Schmidt, RdA 1972, s. 84 ff. (88 f.). 572 BT-Verhandlungen, Stenographische Berichte, 18. 5. 1979, 155. Sitzung, Anl. 35: Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler auf schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert. 573 Unterredung der Kommission mit Spitzenvertretern des Europäischen Fußballverbandes UEFA vom 4. 12. 1984, VWD v. 5. 12. 1984, S. 11. 574 Vgl. Berichte in der Stuttgarter Zeitung vom 2. 6. 1987 sowie in der SüdwestPresse vom 23. 5. 1987.

s•

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(1) Auslegung des Begriffs "Arbeitsbedingungen" Fraglich erscheint, ob es sich dabei um Diskriminierungen in bezug auf die Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen handelt. Dagegen spricht, daß sich das Verbot des Art. 48 EWGV vom Wortlaut her auf Arbeitsbedingungen bezieht, worunter auf den ersten Blick keine Freizeitaktivitäten außerhalb der Arbeitszeit zu zählen sind. Demnach scheinen die für EGAngehörige bestehenden Beschränkungen auf dem Gebiet des Freizeit- und unterklassigen Wettkampfsports nicht vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 48 EWGV erlaßt zu werden. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß in Art. 48 EWGV nur davon die Rede ist, daß das Diskriminierungsverbot bestimmte Bereiche "umfaßt", die Aufzählung in Art. 48 Abs. 2 EWGV mit ihrer Beschränkung auf "Arbeitsbedingungen" also nicht unbedingt abschließend gemeint ist. Zudem ist nach allgemeiner Ansicht der Begriff "Arbeitsbedingungen" weit auszulegen, 575 da in Art. 48 EWGV eine der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten niedergelegt ist und diese nicht einschränkend ausgelegt werden dürfen. 576 Dementsprechend gewährt Art. 48 Abs. 3 EWGV auch das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben und sich für die Arbeitssuche, für die Ausübung der Beschäftigung und auch für die Zeit nach Beendigung der Beschäftigung im Gastland aufzuhalten. Was ferner unter die Freizügigkeitsbestimmungen zu subsumieren ist und ob auch Betätigungen im Freizeitbereich darunter fallen, kann möglicherweise mit Hilfe der VO Nr. 1612/68 577 ermittelt werden, die auf der Grundlage von Art. 49 EWGV erlassen wurde und weitere zentrale Normen und Aussagen über das Freizügigkeitsrecht enthält. In Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1612/68 taucht die Wendung von den "Beschäftigungsund Arbeitsbedingungen" ebenfalls auf. Daß neben Arbeits- auf einmal auch von Beschäftigunsbedingungen gesprochen wird, hat keine Bedeutung. In Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1612/68 werden hierunter jedoch neben den Aktivitäten mit direktem Bezug zu einer ausgeübten Erwerbstätigkeit auch diejenigen verstanden, die lediglich auf die Aufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit gerichtet sind (". .. berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung .. ."). Eine unmittelbare Beziehung zum beruflichen Sektor wird hier aber ebenfalls vorausgesetzt, und der hobbymäßig betriebene Sport erfüllt diese Bedingungen nicht. Zwar kann man fragen, wie sich ein Arbeitnehmer beruflich im Aufnahmeland integrieren soll, wenn er im sozialen, nichtwirtschaftlichen Bereich vom Staat bzw. von den 575 U. a. Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Auf!. 1983, Art. 48 Rdnr. 20, 27; Bode, S. 136. 576 Vgl. EuGHE 82, 1035 ff. (1049) - RS 53/81 "Levin"; EuGHE 83,2323 ff. (2335) - RS 152/82 "Forcheri". 577 Siehe FN 508.

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Verbänden diskriminiert wird. 578 Die Auslegung der Art. 48 Abs. 1 EWGV und 7 Abs. 1 VO Nr. 1612/68 verlangtjedoch einen engeren, d. h. einen unmittelbaren und direkten, einen funktionellen Zusammenhang zwischen den "Bedingungen" und einem bestehenden oder anvisierten bestimmten Arbeitsverhältnis. Der Europäische Gerichtshof bestätigt dies, indem er aus dem Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie aus der Stellung der diesbezüglichen Bestimmungen innerhalb des Systems des Vertrags schließt, daß diese Vorschriften nur die Freizügigkeit von Personen gewährleisten, die im Wirtschaftsleben tätig sind oder sein wollen. 579 Demgegenüber stehen sich der Freizeitsport und die Berufswelt als weitgehend unabhängig voneinander und nur mittelbar über einen möglichen Ausgleichscharakter des Sports im Verhältnis zum Beruf miteinander in Beziehung zu setzen, gegenüber. Eine Ausnahme könnte lediglich für den Betriebssport gelten, in dessen Bereich aber keine Ausländerklauseln bestehen. (2) Gleichstellung in bezug auf die sozialen und steuerlichen Vergünstigungen Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 erweitert die Gleichstellung von Arbeitnehmern aus Gemeinschaftsstaaten im Hinblick auf die sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, wie sie den inländischen Arbeitnehmern gewährleistet werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird diese Bestimmung vor allem gegenüber Vergünstigungen bedeutsam, die nicht direkt an das Bestehen eines bestimmten Arbeitsverhältnisses anknüpfen, da sie ansonsten zumeist schon über Abs. 1 erlaßt werden würden. 580 Vorausgesetzt wird, daß sie gleichwohl spezifisch sozialen Charakter haben. In Betracht kommen beispielsweise Wohngeld- und Brennstoffzuschüsse, die Gewährung von Fahrpreisermäßigungen an kinderreiche Familien, 581 zinsgünstige Darlehen an junge Familien 582 sowie Leistungen, die ein Staat zur Unterstützung von Behinderten gewährt, um diesen die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen, 583 oder auch die nationale Sprachenregelung vor Gericht. 584 Die Loslösung des Gleichbehandlungsgebots im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 vom Bestehen eines konkreten Arbeitsverhältnisses bedeutet, bezogen auf den Wortlaut des Art. 48 EWGV, eine Erweiterung seines AnwenHilf, S. 90. EuGHE 82, 1035 ff. (1050)- RS 53/81 "Levin". 580 EuGHE 75, 1085 ff. (1095)- RS 32!75 "Cristini"; EuGHE 79, 2019 ff. (2034) - RS 207!78 "Even"; EuGHE 82, 33 ff. (44)- RS 65/81 "Reina". 581 EuGHE 75, 1085 ff. RS 32/75 "Cristini". 582 EuGHE 82, 33 ff. RS 65/81 "Reina". 583 EuGHE 73, 457 ff.- RS 76/72 "MichelS.". 584 EuGH EuGRZ 1985, S. 609 f . - RS 137/84 "Mutsch". 578

579

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dungsbereichs. Der Europäische Gerichtshof begründete dies in RS "Cristini" damit, daß Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1612/68 auch eine Gleichstellung im Falle von Arbeitslosigkeit hinsichtlich von Maßnahmen zur "beruflichen Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung" vorsehe und demnach keinen Arbeitsvertrag voraussetze. 585 Möglicherweise könnte sich hieraus ein Ansatzpunkt für die Geltung des Diskriminierungsverbots auch im Bereich von Freizeitaktivitäten bieten. Wie sich aus der Auslegung des Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1612/68 ergab, wird in der Tat keine direkte Beziehung zu einem bestehenden Arbeitsverhältnis vorausgesetzt, sondern nur zum beruflichen Sektor allgemein. Wenn nach Auffassung des EuGH nun Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 hauptsächlich solche Vergünstigungen erfassen soll, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern im allgemeinen wegen deren objektiver Arbeitnehmereigenschaften oder aber auch einfach wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt werden, 586 dann verläßt der Gerichtshof zumindest mit der Billigung dieses zweiten Kriteriums den durch Auslegung des Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 1612/68 gezogenen Rahmen. Gleichzeitig löst er sich damit von seiner Rechtsprechung in RS 76/72 "Michel S.", wo er unter "Vergünstigungen" im Sinne des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 nur die mit einer Beschäftigung verbundenen verstand. 587 Denn das Wohnsitzelement besitzt zumindest keinen offenkundigen und somit keinen direkten Bezug zu einem bestehenden oder auch nur anvisierten Arbeitsverhältnis. Unter diesen Umständen könnte die Gleichstellung von ausländischen und inländischen Sportlern aus Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/ 68 folgen. Die bestehenden Ausländerklauseln müßten sich als "soziale Vergünstigungen" für inländische Arbeitnehmer charakterisieren lassen. Da man allgemein nicht von einem Grundsatz ausgehen kann, der besagt, daß die Diskriminierung des einen gleichzeitig die Begünstigung eines anderen bedeutet, sondern vielmehr für diesen auch als neutrale Maßnahme eingestuft werden kann, ist eine Kennzeichnung der für Ausländer bestehenden Beschränkungen im Sport als gleichzeitige Inländervergünstigung nicht selbstverständlich. Selbst wenn unter den Motiven für diese Ausländerbeschränkungen solche wie die Förderung des nationalen Sports oder Nachwuchses eine Rolle spielen sollten, erscheint es angesichtsder bisher in der Rechtsprechung des EuGH und in der Literatur 588 erfolgten Ausle585

EuGHE 75, 1085 ff. (1095)- RS 32(75 "Cristini"; vgl. auch Art. 7 Abs. 3 VO

Nr. 1612/68, der die Gleichstellung auch bezüglich der Inanspruchnahme von Umschu-

lungszentren vorsieht. 586 EuGHE 79, 2019 ff. (2034)- RS 207(78 "Even"; EuGHE 82, 33 ff. (44)- RS 65/81 - ,,Reina". 587 EuGHE 73, 457 ff. (463) RS 76(72 "Michel S."; ähnlich auch EuGHE 82, 1035 ff. (1050)- RS 53/81 "Levin" . 588 U. a. Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 48 Rdnr. 28 m. w. N.

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gung bzw. den entschiedenen Fällen unmöglich, eine über die Diskriminierung einer anderen Gruppe erfolgende "indirekte" Vergünstigung unter Art. 7 Abs. 2 VO N r. 1612/68 zu subsumieren. In den vom EuGH entschiedenen Fällen handelte es sich nämlich stets um "Vergünstigungen", die auch als solche ausgewiesen wurden: Fahrpreisermäßigungen, 589 zinsgünstige Darlehen, 590 Unterstützungsleistungen 591 oder auch das Recht eines Arbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft ist, zu verlangen, daß ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren in einer anderen Verfahrenssprache durchgeführt wird, als sie normalerweise vor dem mit der" Sache befaßten Gericht verwendet wird, wenn die inländischen Arbeitnehmer dieses Recht unter denselben Bedingungen genießen (z. B. Art. 17 Abs. 3 des belgiseben Gesetzes vom 15. Juni 1935 über den Sprachgebrauch vor Gericht). 592 Entscheidend ist in dieser Hinsicht nämlich, daß bei Ausdehnung einer solchen Quasi-Vergünstigung auf alle EG- Angehörigen überhaupt keine "Vergünstigung" mehr für irgendeinen Sportler vorhanden wäre, was den weitgehenden Wegfall der Ausländerklauseln bedeuten würde. Die Bevorzugung der Inländer besteht nur in der Schlechterstellung der Ausländer und kann insofern keine "Vergünstigung" im Sinne von Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 sein. Die weiteren Probleme, die sich im Zusammenhang mit dieser Vorschrift stellen könnten, wie die Auslegung des Begriffs der "sozialen" Vergünstigungen, ob neben materiellen generell auch immaterielle Maßnahmen darunter zu fassen wären, oder wie die Frage nach dem Grund der Vergünstigung - wegen des Bestehens einer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder wegen eines Inlandswohnsitzes - sowie das Problem, inwieweit Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 nur staatliche Vergünstigungen erlaßt, sind deshalb für den Bereich des Freizeitsports mit seinen Ausländerklauseln irrelevant. (3) Grenzen der Auslegung der Freizügigkeitsbestimmungen Möglicherweise könnte aber der in der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 zum Ausdruck gekommene Gedanke, eine direkte Beziehung zum beruflichen Bereich nicht mehr zu verlangen, auf die Auslegung des Art. 7 VO Nr. 1612/68 insgesamt und damit auf Art. 48 EWGV übertragen werden. In der Tat weisen auch andere Bestimmungen der VO Nr. 1612/68 in ihrem Regelungsgehalt keinen funktionellen Zusammenhang zu einem Arbeitsverhältnis auf. So verlangt z. B. Art. 9 VO Nr. 1612/68 die Gleichstellung der Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich aller Rechte und Vergünstigungen im Zusammenhang mit einer Wohnung. Art. 12 VO Nr. 1612/68 als weiteres 589 590 591 592

EuGH EuGH EuGH EuGH

(FN 581). (FN 582). (FN 583). (FN 584).

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Beispiel regelt die Teilnahme von Kindem der Wanderarbeitnehmer am Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsbildung. Neben diesen Vorschriften, die einen unmittelbaren Bezug zum beruflichen Sektor vermissen lassen, kann auch noch die Begründung zur VO Nr. 1612/68 als Stütze jener These angeführt werden. In der fünften Begründungserwägung heißt es nämlich, daß "ferner alle Hindernisse beseitigt werden (müssen), die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in bezug auf ... die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland". Aus einer Gegenüberstellung zum I . Halbsatz dieser Aussagen, wo ausgeführt wird, daß "sich die Gleichbehandlung tatsächlich und rechtlich auf alles erstrecken (muß), was mit der eigentlichen Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ... im Zusammenhang steht", läßt sich der Schluß ziehen, daß die im 2. Halbsatz verlangte Beseitigung aller der Arbeitnehmermobilität entgegenstehenden Hindernisse sich gerade auf solche bezieht, die keinen direkten Bezug zu einem Arbeitsverhältnis aufweisen. Für die Anwendung der Freizügigkeitsbestimmungen scheint grundsätzlich die Voraussetzung zu genügen, daß eine gegenwärtige oder frühere objektive Arbeitnehmer-Eigenschaft vorliegt 593 bzw. familiäre Bande (so Art. 10 Abs. 1 a/ b VO Nr. 1612/68) zu einem abhängig beschäftigten "Marktbürger" bestehen. 594 Es ist eine Entwicklung erkennbar, die vom Geist und vom Ziel der VO Nr. 1612/ 68 getragen wird, mit Hilfe jener Vorschrift die volle Gleichbehandlung der aus der Gemeinschaft stammenden Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen mit den Bürgern des Staates zu verwirklichen, in den sie zugewandert sind. 595 Davon ausgehend würde Art. 48 EWGV und die hierzu erlassenen Vorschriften in der VO Nr. 1612/68 keinen weiteren Zusammenhang mehr zu einem Arbeitsverhältnis bzw. zu dem beruflichen Sektor insgesamt erfordern. Das Gleichbehandlungsgebot erfaßte selbst die Freizeitaktivitäten der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Wo wären aber im Falle einer derart extensiven Auslegung die Lücken, die nach dem Aktionsprogramm der Gemeinschaft 596 eine Ergänzung der VO Nr. 1612/68 zugunsten der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen erforderlich machten, um eine völlige Gleichbehandlung in bezugauf die Lebensund Arbeitsbedingungen zu erreichen? Allein die Tatsache, daß es sich um einen Arbeitnehmer handelte, handelt oder handeln wird - oder um einen seiner Familienangehörigen - für eine Anwendung des in den Freizügigkeitsbestimmungen festgelegten Diskriminierungsverbots genügen zu lassen, hätte einen Generalanwalt Trabucchi, EuGHE 75, 1085 ff. (1100)- RS 32n5 "Cristini". Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 48 Rdnr. 32. 595 Generalanwalt Trabucchi, EuGHE 75, 1085 ff. (1098) RS 32175 "Cristini". 596 Aktionsprogramm zugunsten der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien, EGBulletin 1976, Beilage 3/1976. 593 594

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nahezu uferlosen Regelungsbereich dieser Vorschriften zur Folge. Eine praktikable, d. h. justiziable Abgrenzung zu anderen Gemeinschaftsnormen wäre nur noch- und selbst da beschränkt-anhanddes Arbeitnehmermerkmals möglich. Auf diese Weise könnte gar das für den EWG-Vertrag geltende Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus den Angeln gehoben werden. Denn eine Ungleichbehandlung von Wauderarbeitnehmern oder ihren Familienangehörigen wäre unabhängig davon, ob der Bereich, in dem diese Differenzierung stattfindet, vom Gemeinschaftsrecht erfaßt wird oder nicht, grundsätzlich verboten. Dies würde dem in Art. 7 EWGV niedergelegten allgemeinen Diskriminierungsverbot widersprechen, da dort die Gleichbehandlung auf den "Anwendungsbereich" des Vertrags beschränkt bleibt, was Bereiche voraussetzt, in denen nach der Staatsangehörigkeit differenziert werden darf. 597 Da Art. 48 ff. EWGV und die darauf beruhende VO Nr. 1612/68 im Verhältnis zu Art. 7 EWGV nur spezielle Ausformungen jenes generellen Diskriminierungsverbots enthalten, müssen auch sie sich grundsätzlich im Rahmen jener allgemeinen Norm halten. 598 Eine unbegrenzte Ausdehnung des Gleichbehandlungsgebots ist nicht zulässig. Zudem hat die Auslegung der VO Nr. 1612/68 von ihrer Ermächtigungsnorm des Art. 49 EWGV auszugehen. Die durch Art. 48 EWGV somit gezogenen Grenzen können mit Hilfe der VO Nr. 1612/68 nicht überwunden werden. Art. 48 EWGV spricht von "Arbeitsbedingungen", wofür zumindest ein funktioneller Zusammenhang zum beruflichen Sektor vorhanden sein muß. 599 Ein Vergleich mit den in den anderen Gemeinschaftsverträgen entsprechenden Vorschriften (Art. 69 EGKSV, Art. 96 EAV) bestätigt dies. Denn dort wird die vorausgesetzte enge Beziehung zu einer Beschäftigung deutlich ausgedrückt. Ausnahmen von diesem Grundsatz, wie sie der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 ("Cristini", "Even", "Reina", "Mutsch") 600 zuließ und wie sie nur in Art. 9, 10 und 12 VO Nr. 1612/68 ihre Ausprägung gefunden haben, müssen, soweit sie überhaupt mit dem primären Gemeinschaftsrecht - insbesondere Art. 48 EWGV - noch vereinbar sind, auf diese wegen ihres besonders gravierenden Einflusses auf die Mobilität des Wanderarbeitsnehmers 601 speziellen Fälle und Normen beschränkt bleiben. 602 Eine Übertragung auf andere Bereiche oder andere Normen wäre von der Ermächtigungsnorm des Art. 49 i. V. m. Art. 48 EWGV nicht mehr gedeckt. 597 Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische Gemeinschaft Rechtsordnung und Politik- 3. Aufl. 1987, S. 303. 598 Stadler, S. 45. 599 Bongen, S. 29 f.; hierzu bereits oben Ziff. C li 1 b (1). 600 EuGH (FN 580 und 584). 601 Koopmans, in: Smit/Herzog, The Law of the European Economic Community, 1984, vol. 1, Art. 48, 48.05. 602 Grabitz, S. 72 f.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Das vom Europäischen Gerichtshof für die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68 neben der objektiven Arbeitnehmereigenschaft alternativ genannte Wohnsitzelement 603 läßt den Schluß zu, daß auch der EuGH den Anwendungsbereich der VO Nr. 1612/68 und insbesondere ihres Art. 7 nicht unbeschränkt sieht. 604 Selbst unter Beachtung dessen, daß es sich bei den Freizügigkeitsbestimmungen um Grundlagen des Gemeinschaftsrechts handelt, die deshalb nicht eng auszulegen sind, 605 kann mit Hilfe der VO Nr. 1612/68 und der dort niedergelegten Ziele der Anwendungsbereich der Art. 48 ff. nur näher gekennzeichnet, aber nicht ausgedehnt werden. Auch die in der fünften Begründungserwägung der VO Nr. 1612/68, insbesondere dem 2. Halbsatz, enthaltenen allgemeinen Grundsätze haben in ihrer Allgemeinheit nur bei einigen Artikeln der VO Nr. 1612/68 (Art. 9, 10, 12) Eingang gefunden. 606 Insofern beanspruchen sie keine generelle Verbindlichkeit, sondern sollen lediglich als Auslegungshilfe innerhalb des gesteckten Rahmens dienen. Für die Staaten und die sonstigen Adressaten der VO Nr. 1612/68 haben sie den Charakter allgemeiner Leitlinien, die im rechtlich verbindlichen Teil der VO Nr. 1612/68 nur in geringem Umfang übernommen wurden. Erkennbar wird dies bei der Behandlung der Frage, inwieweit den Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten bzw. ihren Familienangehörigen staatsbürgerliche und politische Rechte (z. B. das aktive Wahlrecht) einzuräumen sind. Die Beschränkung dieser Rechte auf eigene Staatsangehörige steht mit Sicherheit im Widerspruch zu der Erwägung in der Begründung zur VO Nr. 1612/68, alle Hindernisse zu beseitigen, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer und ihrer Familien entgegenstellen. Ein ernsthafter Versuch, z. B. seitens der Kommission, 607 über Art. 169 EWGV diese Beschränkungen über den Rechtsweg zu Fall zu bringen, wurde jedoch bis heute nicht unternommen, was ein Indiz dafür ist, daß dieser Weg nicht erfolgversprechend scheint. Demzufolge sind die Freizügigkeitsbestimmungen selbst bei Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft oder einer entsprechenden Familienzugehörigkeit nicht grenzenlos auszulegen. 608

EuGH (FN 586). Koopmans, in: Smit/Herzog, The Law of the European Economic Community, 1984, vol. 1, Art. 48, 48.05. 605 EuGH (FN 576). 606 Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische Gemeinschaft Rechtsordnung und Politik- 3. Aufl. 1987, S. 303, 311 f. 607 Vgl. Aktionsprogramm zugunsten der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien, EG-Bulletin 1976, Beilage 3/1976, S. 25. 608 Generalanwalt Slynn, EuGHE 82, 33 ff. (50)- RS 65/81 "Reina". 603

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(4) Funktionelle Beziehung zum beruflichen Sektor Im Bereich des Art. 48 EWGV wurde die Grenze des Gleichbehandlungsgebots beim Erfordernis eines funktionellen Zusammenhangs zum beruflichen Sektor bzw. der beruflichen Stellung gezogen. 609 Diese Voraussetzung erfüllt der Freizeitsport der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen nicht, weshalb die in diesem Bereich bestehenden Beschränkungen für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten - die "Ausländerklauseln" - nicht gegen Art. 48 ff. EWGV verstoßen. 2. Die Niederlassungsfreiheit

Wie die Art. 48 ff. EWGV für die Arbeitnehmer, so verbieten die Art. 52 ff. EWGV unmittelbar die Diskriminierung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates in bezug auf die "Aufnahme" und "Ausübung" selbständiger Erwerbstätigkeit. 6 10 In den Fällen, in denen die sportliche Betätigung dieses Kriterium erfüllt, sind demnach alle aufgrund der Staatsangehörigkeit bestehenden Beschränkungen für Angehörige der Mitgliedstaaten grundsätzlich aufzuheben.

a) Sport als selbständige Erwerbstätigkeit Dies gilt mit Sicherheit dort, wo der Sport selbst als selbständige Erwerbstätigkeitbetrieben wird, wie z. B. im Bereich des Berufsboxsports. 611 Ein Berufsboxer, der nicht in den Rahmen eines Vereins gestellt ist, wird nach außen eigenverantwortlich tätig. Er erhält keine festen Bezüge und muß die Leute, die er für sich beschäftigt, wie Manager, Trainer etc., aus eigener Tasche bezahlen. 612 Ebenso verhält es sich bei selbständigen Sportlehrern z. B. im Bereich des Skisports oder bei Kampfsportarten (z. B. sog. "Sportstudios"). 613 Früher traf dies auch in der Regel im Berufsradrennsport zu. Inzwischen tritt jedoch hier die selbständige Ausübung gegenüber der Mitwirkung in Firmenmannschaften und damit als Arbeitnehmer immer mehr in den Hintergrund. 614 609 Bereits oben Ziff. C II 1 b (1); ebenso u. a. Grabitz, S. 68 ff.; Preis, S. 52; Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Auf!. 1983, Art. 48 Rdnr. 27; Bongen, S. 29 f.; Sundberg-Weitman, S. 167 f.; Hartley, S. 167; Feustel, EG-Magazin 3n7, S. 3, der von einer "beruflich relevanten Ungleichbehandlung" spricht; a. A. Bleckmann, S. 352 f. 610 EuGHE 74, 631 ff. (652)- RS "Reyners". 611 Vgl. Beschluß des Bundeskartellamts vom 3. 5. 1961, WuW/E 1961, S. 569 ff. 6 12 Westerkamp, S. 103; Weiland, S. 271. 613 Vgl. EG-Abl. 1962, 36 ff. (43), An!. II zum AllgemeinenProgramm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit; EG-Abl. 1970, C 1 ff. (2), Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für einige selbständige Tätigkeiten.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Klauseln, in denen für diese Bereiche selbständiger sportlicher Betätigung Beschränkungen für Marktbürger bezüglich Aufnahme und Ausübung ihrer Tätigkeit enthalten sind, unterfallen grundsätzlich dem Verbot des Art. 52 EWGV. b) Freizeitsport Für sportliche Aktivitäten, die nur in der Freizeit ausgeübt werden und in keinem Zusammenhang zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit stehen, gilt bei Art. 52 EWGV dasselbe wie bei Art. 48 ff. EWGV: Sie fallen nicht in den Anwendungsbereich der dort niedergelegten Diskriminierungsverbote. Bei Art. 52ff. EWGV folgt dies zum einen daraus, daß dort deutlich von "Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit" als Inhalt der Niederlassungsfreiheit die Rede ist. Des weiteren ergibt es sich aus der Parallelität der Vorschriften über das Niederlassungsrecht der Selbständigen zu den Freizügigkeitsbestimmungenfür Arbeitnehmer, die beide zusammen die Freiheit des Personenverkehrs umschreiben. Grundsätzlich sind beide Anwendungsbereiche gleich weit zu fassen. 615 Gründe, weshalb nur im Bereich des Art. 52 EWGV der Liebhabersport erlaßt werden sollte, sind angesichts seines Wortlauts nicht zu erkennen. Zusätzlich wird dies dadurch verdeutlicht, daß im Gegensatz zum Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wo die Bestimmungen des EWGVertrags mittels zahlreicher Verordnungen und Richtlinien konkretisiert wurden, die Aufhebung der Beschränkungen für die Niederlassungsfreiheit hauptsächlich in einem Allgemeinen Programm festgelegt wird. 616 Dort sind aber keinerlei Hinweise für eine Ausdehnung des Grundsatzes der freien Niederlassung auf den privaten Sektor enthalten, wie es z. B. in der VO Nr. 1612/68 der Fall war. 617 c) Ergebnis Festzuhalten ist, daß auch die Art. 52 ff. EWGV nur die Fälle erfassen, in denen die sportliche Betätigung selbst die selbständige Erwerbstätigkeit darstellt oder in denen der Sport in unmittelbarem funktionellen Zusammenhang zu einer 614 Vgl. Nr. 17 der Sonderbestimmungen des Bundes Deutscher Radfahrer e. V. für den Berufsradsport, wonach jeder Berufsfahrer zur Ausübung seiner Tätigkeit eine Lizenz benötigt; sowie Art. 2 und 8 des Technischen Reglements der Federation Internationale du Cyclisme Professionnel, denen zufolge mit der Zugehörigkeit eines Fahrers zu einer Firmenmannschaft automatisch die Ausfertigung eines Vertrages verbunden ist. 615 Troberg, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 5258, Vorbem. Rdnr. 1. 616 Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, EG-Abl. 1962, S. 36 ff. 617 Vgl. hierzu Ziff. C II 1 b (3).

II. Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln

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solchen Tätigkeit steht, was jedoch für den Bereich des Freizeitsports nicht zutrifft. 3. Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs

Nichts anderes gilt bezüglich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 ff. EWGV).

a) Typfall des Art. 60 Abs. 3 EWGV Nur dort, wo die sportliche Leistung selbst im Sinne von Art. 60 Abs. 1 EWGV gegen Entgelt erbracht wird und nicht bereits von den Vorschriften über die Freiheit des Personenverkehrs erlaßt wird, 618 sind alle Beschränkungen für Angehörige der Mitgliedstaaten aufgehoben. 619 Das Betreiben von Freizeitsport kann aber nicht als eine solche Dienstleistung angesehen werden. In Betracht kommen nur selbständige sportliche Betätigungen beruflicher Art, 620 die aber im Unterschied zum Bereich des Niederlassungsrechts nur vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden (Art. 60 Abs. 3 EWGV). 621

b) Passive Dienstleistungsfreiheit Seit der Entscheidung des Gerichtshofes in RS "Luisi und Carbone" 622 ist anerkannt, 623 daß auch die sog. passive oder negative Dienstleistungsfreiheit der Dienstleistungsnehmer begibt sich zum Leistenden- in den Anwendungsbereich der Art. 59 ff. EWGV fällt. Bereits in Art. 1 RL 73/148 624 ordnete der Ministerrat die Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen auch für EG-Angehörige an, die sich als Empfänger einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat begeben wollen. Entsprechend gilt die Koordinierungs-Richtlinie 64/221 625 unter anderem für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat entgegennehmen (Art. 1 RL 64/221). Grunsky, Arbeit und Recht 1978, S. 126 f. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr, vgl. EuGHE 74, 1299 ff. (1311 f.)- RS 33n4 "van Binsbergen". 620 Vgl. Ziff. C II 2 a sowie FN 613. 621 Nach Karpenstein, S. 111, wird in diesem Fall der Betroffene nicht in den Verein "integriert". 622 EuGHE 84, 377 ff. - RS 286/82 und 26/83 "Luisi und Carbone". 623 Zum früheren Streitstand vgl. Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik-, 2. Auf!. 1982, S. 297. 624 EG-Abl. 1973, L 172/14 ff. 625 EG-Abl. 1964, S. 850 ff. 618

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Hierauf gestützt, sprach der EuGH aus, "daß der freie Dienstleistungsverkehr die Freiheit der Leistungsempfänger einschließt, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen ... daran gehindert zu werden ...". 626 Als solche Empfänger von Dienstleistungen zählte der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung beispielhaft auf: Touristen, Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, und solche, die Studien- oder Geschäftsreisen unternehmen. Damit könnten auch die Beschränkungen, auf die EG-Angehörige bei der Entgegennahme von entgeltlichen Sportangeboten - also Dienstleistungen seitens der Sportvereine und Verbände treffen, generell verboten sein. Allerdings darf der Dienstleistungsempfänger im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit seine Eigenschaft als Gebietsfremder nicht aufgeben; denn charakteristisch für die Dienstleistungsfreiheit ist der grenzüberschreitende Vorgang. Deshalb ist das Merkmal der zeitlichen Beschränkung nicht nur für die Erbringung einer Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 60 Abs. 3 EWGV), sondern auch für die auswärtige Inanspruchnahme einer solchen Leistung kennzeichnend. 627 Der EG-Angehörige, der sich in einen anderen Mitgliedstaat als Dieostleistungsempfänger begibt, genießt nur solange die Dienstleistungsfreiheit, als er sich dort vorübergehend und nicht dauerhaft aufhält, d. h., solange er in dem anderen Land nicht ansässig wird. Insofern bleibt die passive Dienstleistungsfreiheit für Beschränkungen im Bereich des Sports weitgehend bedeutungslos, als wohl kein EG-Angehöriger, der sich nur kurzzeitig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, am offiziellen Sportbetrieb des Gastlandes teilnehmen und damit in Konflikt mit den Spielordnungen der Sportverbände treten wird. c) Fazit

Die bestehenden Ausländerklauseln im Freizeit- und unterklassigen Weltkampfsport lassen sich somit auch nicht mit Hilfe der Art. 59 ff. EWGV überwinden. 4. Zwischenergebnis

Die speziellen Ausforrnungen des Diskriminierungsverbots (Art. 48 ff., 52 ff. , 59 ff. EWGV) erfassen grundsätzlich nur solche sportlichen Betätigungen, die berufsmäßig entweder als Arbeitnehmer oder als Selbständiger ausgeübt werden bzw. die in engem funktionellen Zusammenhang zum beruflichen Sektor stehen (z. B. Betriebssport). 628 Der allgemeine Freizeitsport unterfällt diesen VorschrifEuGHE 84, 377 ff. (403)- RS 286/82 und 26/83 "Luisi und Carbone". Insgesamt hierzu Seidel, Die Dienstleistungsfreiheit in der neuesten Rechtsentwicklung, Baden-Baden 1987. 628 Vgl. Grabitz, S. 91. 626 627

Il. Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln

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ten nicht. Die dort bestehenden Beschränkungen für Marktbürger verstoßen deshalb nicht gegen diese Bestimmungen.

5. Das allgemeine Diskriminierungsverbot: Art. 7 EWGV

Möglicherweise greift auf diesem Sektor jedoch das allgemeine Diskriminierungsverbot des EWG-Vertrages- Art. 7 EWGV- ein. Die Ausländerklauseln in den Spielordnungen der Sportverbände sind Beschränkungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

a) Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts Ferner müßte der Freizeitsport zum Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zählen. Dieser ergibt sich aus der Präambel und Art. 2 EWGV sowie aus den in Art. 3 EWGV näher gekennzeichneten Tätigkeitsgebieten. Wie bereits oben in Ziffer C I 7- 9 festgestellt, umfaßt das EG-Recht dabei neben Betätigungen primär wirtschaftlicher Natur auch solche, die vorrangig soziale Aufgaben erfüllen. Unter solche sozialen Aktivitäten läßt sich auch der Freizeitsport von EG-Angehörigen im aufnehmenden Mitgliedstaat subsumieren. 629 Zudem spricht Art. 3 c EWGV schlechthin von der Beseitigung der Hindernisse, u. a. für den reinen Personenverkehr. 630 Die für Ausländer im Bereich des Sports bestehenden Sondervorschriften stehen einer Integration der Markbürger im Gastland entgegen. 631 Aus diesem Grunde sind sie als Hindernisse für den freien Personenverkehr zu betrachten, und ihre Beseitigung fällt auch nach Art. 3 c EWGV in den Anwendungsbereich des Vertrags. 632

b) Subsidiarität des Art. 7 EWGV Möglicherweise hat jedoch Art. 3 c EWGV nur in den speziellen Normen über den freien Personenverkehr (Art. 48 ff., 52 ff. EWGV) seine Ausprägung gefunden, so daß für eine Anwendung des Art. 7 EWGV auf diesem Gebiet gar kein Raum mehr wäre. Hierfür sprechen die Subsidiarität von Art. 7 EWGV und die Tatsache, daß Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV für diesen Bereich Regelungen treffen, die eventuell abschließend aufzufassen sind. 633 Hierzu bereits Ziff. C I 8. Rogalla/Neuhaus, EuR 1984, S. 203 ff. (204 f.), wonach die Aufgabenstellung der EG hier über den wirtschaftlichen Bereich hinausgeht. 631 Vgl. Ziff. A II 7. 632 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Rogalla, 611/84, EG-Abl. 1985, C 62/4: laut Kommission enthält Art. 3 c EWGV keinen unverbindlichen Programmsatz, sondern ein Vertragsgebot 629

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Andererseits beinhaltet die Tätigkeitsbeschreibung des Art. 3 c EWGV im Gegensatz zu Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV keine Beschränkung auf die berufliche Seite, weshalb für Art. 7 EWGV insoweit ein selbständiger Anwendungsbereich bliebe. 634 Nach Auffassung der Kommission regelt Art. 3 c EWGV in der Tat nicht nur die wirtschaftliche Freizügigkeit, sondern Freizügigkeit in jeder Beziehung. 635 Die Vorschrift erfasse alle in der Gemeinschaft ansässigen Personen und nicht nur Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige. Demnach würde die Befugnis der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Freiheit des Personenverkehrs mehr umfassen, als in den Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV bereits geregelt ist. Für Art. 7 EWGV mit seiner Beschränkung auf den vertraglichen "Anwendungsbereich" hätte dies zur Konsequenz, daß auch auf dem Sektor der Freizügigkeit das allgemeine Diskriminierungsverbot Tatbestände sachlicher und persönlicher Art erfassen würde, die über die in den Einzelvorschriften geregelten Fälle hinausgingen. Die Klärung dieser Frage hängt davon ab, ob die Freiheit des Personenverkehrs in Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV abschließend geregelt ist oder ob Art. 7 EWGV neben jenen Vorschriften auf diesem Gebiet anwendbar bleibt. (1) Abschließende Regelung der Freiheit des Personenverkehrs

in Art. 48 ff., 52 ff. und 59 ff. EWGV?

Für diese Lösung spricht die bei jeweils ergänzender Heranziehung des Art. 7 EWGV bestehende Gefahr, die in den genannten Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen und Grenzen ihrer Anwendung, wie das Erfordernis eines funktionellen Zusammenhangs zum beruflichen Bereich oder der ordre publicVorbehalt und die Beschränkung in bezug auf den öffentlichen Dienst, mittels des allgemeinen Diskriminierungsverbots zu überwinden und außer Kraft zu setzen. (2) Anwendbarkeit des Art. 7 EWGV in bezug auf den freien Personenverkehr Andererseits beziehen sich die Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV, was den Personenverkehr anbelangt, nur auf einen Teilausschnitt dieses Bereichs. Sie treffen Sonderregelungen für bestimmte Personenkreise (Arbeitnehmer und Selbständige)636 und für ein bestimmtes Sachgebiet, nämlich für Aktivitäten, die in 633 Wägenbaur, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 2. Aufl. 1974, Art. 7, S. 114; Sundberg-Weitman, S.121, 167f. 634 Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7 Rdnr. 26; Durand, ELRev. 1979, S. 3 ff. (9); Bleckmann, EuGRZ 1981, S. 257 ff. (259). 635 Schriftliche Anfrage des Abeordneten Rogalla, 892/82, EG-Abl. 1983, C 3/4.

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einer besonderen Beziehung - in einem "funktionellen Zusammenhang" - zu einer beruflichen Tätigkeit stehen. Andere, vorrangig auf den sozialen Bereich bezogene Angelegenheiten werden von jenen Normen nur punktuell geregelt (u. a. in Art. 51 EWGV und Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1612/68), obwohl in Art. 3 c EWGV bei der Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr keine Beschränkung auf den beruflichen Sektor in weiterem Sinne erfolgte 637 und eine Begrenzung sich auch nicht aus den in der Präambel und Art. 2 EWGV niedergelegten Aufgaben und Zielsetzungen der Gemeinschaft ergibt. 638 Aus jenen Zielvorgaben folgt vielmehr, daß "die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen" der Völker anzustreben und,."der soziale Fortschritt" zu sichern, sowie "engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern" seien. Dem hierin und auch noch in anderen Vorschriften (u. a. Art. 100, 235 EWGV; Präambel des EGKS-Vertrags) zum Ausdruck gebrachten dynamischen Gehalt des Gemeinschaftsrechts 639 würde es widersprechen, die in Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV festgelegten Grenzen für die Freiheit des Personenverkehrs für allgemein verbindlich zu erklären. Das Prinzip fortschreitender Integration und der Charakter des Art. 2 EWGV als Grundsatznorm 640 verlangen, daß die im Bereich obiger Vorschriften bestehenden besonderen Voraussetzungen auf das Gebiet beruflicher Betätigung im weiteren Sinne begrenzt bleiben, aber nicht auf andere gemeinschaftsrechtliche Sachgebiete ausgedehnt werden, was auch der zentralen Bedeutung des Freizügigkeitsrechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaft entspricht. 641 Für die Bereiche, die von den speziellen Freizügigkeitsnormen (Art. 48 ff., 52 ff. und zum Teil 59 ff. EWGV) weder in sachlicher noch in personeller Hinsicht erfaßt werden, aber dennoch in die Gemeinschaftszuständigkeit fallen, bleibt es bei der allgemeinen Regelung des Art. 7 EWGV. In diesem Sinne ist auch die EuGH-Entscheidung in RS "Forcheri" zu verstehen. 642 Dort griff der Gerichtshof in einem Fall, der die Freizügigkeit von Personen betraf, auch auf das in Art. 7 EWGV enthaltene allgemeine Diskriminierungsverbot zurück, um seine Entscheidung zu begründen. 643 EuGHE 84, 2631 ff. (2638)- RS 238/83 "Meade" . Rogalla/Neuhaus, EuR 1984, S. 203 ff. (204). 638 Hierzu Ziff. C I 7. 639 Hans Peter lpsen, S. 11. 640 B1eckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7 Rdnr. 26; Rogalla/Neuhaus, EuR 1984, S. 203 ff. (205) sowie schriftliche Anfrage des Abgeordneten Rogalla, 611/84 (FN 632). 641 Bleckmann, EuGRZ 81, 257 ff. (259): "in dubio pro libertate"; Grabitz, S. 77; Durand, ELRev 1979, S. 3 ff. (11); schriftliche Anfrage des Abgeordneten Rogalla, 1316/83, EG-Abl. 1984, C 38/34. 642 EuGHE 83, 2323 ff. (2336)- RS 152/82 "Forcheri". 643 Vgl. auch EuGHE 85, 593 ff.- RS 293/83 "Gravier", wo sich der Gerichtshof einzig und allein auf Art. 7 EWGV stützte, ohne Art. 59 ff. EWGV zu prüfen: hierzu 636

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9 Klose

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c) Schlußfolgerung Art. 7 EWGV kann somit zur Lückenschließung ergänzend neben den speziellen Vorschriften der Art. 48 ff. und 52 ff. EWGV in den Bereichen zur Anwendung kommen, die von jenen Bestimmungen nicht erlaßt werden, aber dennoch zum Anwendungsbereich des Vertrags zählen und bei denen Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegen. Auf dem Gebiet des Freizeitsports von Marktbürgern in einem anderen Mitgliedstaat ist Art. 7 EWGV somit grundsätzlich anwendbar.

d) Das Menschenbild der Gemeinschaftsverträge Die Erstreckung des allgemeinen Diskriminierungsverbots auf den sozialen Sektor entspricht auch dem Menschenbild, das den Gemeinschaftsverträgen zugrundeliegt. (1) Der Grundsatz der Menschenwürde Wie alle Mitgliedstaaten (z. B. Art. 1 Abs. 1 GG), läßt sich auch die Gemeinschaftsrechtsordnung vom Grundsatz der Menschenwürde leiten. 644 Der einzelne wird nicht nur als Rechtsobjekt, sondern auch als Träger eigener Rechte, als Rechtssubjekt, betrachtet. Ihm werden Rechte eingeräumt, auf die er sich insbesondere gegenüber staatlichen Organen berufen kann. Im EWG-Vertrag kommt dieser Grundgedanke vor allem in den direkt anwendbaren Vorschriften über die Freiheit des Personen- und Dienstleistungsverkehrs sowie in den sonstigen über den Vertrag verteilten Gleichbehandlungsgeboten (z. B. Art. 7 und 119 EWGV) zum Ausdruck. Die Geltung von Grundrechten im Gemeinschaftsrecht verdeutlich ebenfalls diese Basis des europäischen Vertragsrechts. 645 Ausdrücklich taucht der Gedanke der Menschenwürde in der Präambel zur VO Nr. 1612/68, 646 also im Zusammenhang mit der Freiheit des Personenverkehrs auf. Dort heißt es, daß "das Recht auf Freizügigkeit ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien sei", das "nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde" wahrzunehmen sei. Dies verlangt, daß der Mensch als Individuum und nicht als bloßes Objekt staatlichen Handeins anzusehen ist.

Oppermann, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Bildungsordnung. "Gravier" und die Folgen. Rechtsgutachten, 1987. 644 Vgl. z. B. Art. 5 des Vertragsentwurfs des Europäischen Parlamentes für eine Europäische Union, EA 1984, D 209 ff., sowie oben Ziff. CI 6 b (3). 645 Vgl. Ziff. C I 6 b (3). 646 Siehe FN 508.

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(2) Ursprüngliches Ziel der Gleichbehandlungsgebote Mit der Einführung der Freiheit des Personenverkehrs und der damit verbundenen Diskriminierungsverbote verfolgten die Gründungsväter der Gemeinschaft ursprünglich das Ziel, auf diese Weise für die optimale Allokation der Produktionsfaktoren zu sorgen. 647 Die Angehörigen der Mitgliedstaaten sollten zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes beitragen. Die Freizügigkeit und die Gleichbehandlungsgebote wurden auf den vertraglichen Hauptzweck, die Integration der Volkswirtschaften, ausgerichtet. Die Rechte der Marktbürger wurden dieser Zielsetzung untergeordnet. Verdeutlicht wird dies u. a. durch den von Hans Peter /psen geprägten Begriff der "Marktbürgerschaft", 648 der die Rechtsstellung der einzelnen EG-Angehörigen nach dem Gemeinschaftsrecht nicht als "integrale", sondern nur als "funktionale" Persönlichkeit umschreibt, der Freiheit und Gleichheit nur zur Erfüllung der ökonomischen Ziele der Gemeinschaft gewährleistet werden. Die Inländergleichbehandlung in den Gemeinschaftsverträgen soll nur in "ökonomisch relevanten Rollen" gelten. 649 Insoweit soll auch das Maß sozialer Integrationsmöglichkeiten auf die Erfüllung der ökonomischen Gemeinschaftsfunktionen beschränkt bleiben. 650 (3) Fortentwicklung: Dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes Bei diesen Grundüberlegungen blieb unberücksichtigt, daß die Einräumung von Freizügigkeit hinsichtlich beruflicher Betätigung zwar für die Staaten nur die Verwirklichung eines ökonomischen Ziels beinhaltete, aber für den einzelnen EG-Angehörigen auch individuelle Selbstdarstellung und Entfaltung seiner Persönlichkeit bedeutete. 651 Indem man den Gemeinschaftsangehörigen in den Verträgen Freizügigkeit, Niederlassungsrecht und ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot einräumte, wurde für die Angehörigen der Mitgliedstaaten die Möglichkeit geschaffen, ihren Lebensmittelpunkt in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Im Gegensatz zum Status von "Gast"-Arbeitem und zur Freiheit des Dienstleistungsverkehrs sind Freizügigkeits- und Niederlassungsrecht auf Dauer ausgerichtet (so Art. 48 Abs. 3 d, Art. 52 EWGV). 652 Das hat zur Konsequenz, daß 647 Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische Gemeinschaft Rechtsordnung und Politik-, 3. Auf!. 1987, S. 302. 648 lpsen/Nicolaysen, NJW 1964, S. 339 ff. (340). 649 Grabitz, S. 69. 650 Grabitz, S. 106. 651 Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (646); Touffait, Recueil Dalloz 1976, Chronique 165 ff. (166); Grabitz, S. 112; Bleckmann, EuGRZ 1981, S. 257 ff. (270); Magiera, DOV 1987, S. 221 ff.; EuGHE 83, 2323 ff. (2334 f.) - RS 152/82 "Forcheri". 652 Grabitz, S. 111 f.

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die Gemeinschaftsverträge, wenn sie ihren Angehörigen solche subjektiven Rechte einräumen, dann nach dem Grundsatz der Menschenwürde sich nicht darauf beschränken dürfen, den einzelnen nur als Objekt des Wirtschaftslebens, als Produktionsfaktor, zu erfassen, sondern sie müssen in diesem Fall auch dafür Sorge tragen, daß er in die Gesellschaft des aufnehmenden Mitgliedstaates integriert wird. Auch außerhalb des ökonomischen Bereichs müssen dem EG-Angehörigen subjektive Rechte gewährt werden. Dies gilt vor allem auf dem gesamten sozialen Sektor, da diesem für die Integration von Gemeinschaftsbürgern eine entscheidende Rolle zukommt. Dieser Dienst am Menschen ist ein zusätzliches und gleichzeitig das wichtigste Ziel des EWG-Vertrages. 653 Auch aus diesem Grunde ist das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV auf den sozialen Bereich und damit auch auf den Freizeitsport von EG-Angehörigen im aufnehmenden Mitgliedstaat anzuwenden. e) Art. 7 EWGV als Willkürverbot? Wenn man einem Teil der Literatur folgt, so beschränken sich die vertraglichen Diskriminierungsverbote, insbesondere Art. 7 EWGV, auf die Funktion als Willkürverbote. 654 Das heißt, daß die Differenzierungen zwischen einheimischen und ausländischen Sportlern dann nicht gegen die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote verstoßen würden, wenn es für sie sachgerechte Gründe gäbe und die unterschiedliche Behandlung somit nicht willkürlich erschiene. 655 Die Qualifizierung des Art. 7 EWGV als Willkürverbot ist jedoch umstritten. Zudem ist es zweifelhaft, ob für die Ausländerklauseln überhaupt sachgerechte Gründe, die der Sache des Sports dienen, vorgebracht werden können. Denn die Staatsangehörigkeit als sport-technisches Kriterium für die Wettkampfzulassung hat mit Sicherheit zum Beispiel keine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit von Athleten. 656 Die Einstufung des vertraglichen Gleichbehandlungsgebots in Art. 7 EWGV als bloßes Willkürverbot und nicht als absolutes Differenzierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit wird mit einem Verweis auf die Verwendung des Begriffs "Diskriminierung" begründet. Hierunter sei stets nur eine Ungleichbehandlung in negativer Hinsicht, also nicht jede Differenzierung, zu verstehen. 657 Eine Diskriminierung in diesem Sinne läge demnach vor, wenn 653 Pettiti, in: Le Monde vom 27. 11. 1976; Bleckmann, EuGRZ 1981, S. 257 ff. (270); Monnet, Leitgedanke: ,,Nous ne coalisons pas des Etats, nous unissons des hommes". 654 U. a. Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7 Rdnr. 13 f. 655 Hilf, S. 94. 656 Picchio, RDI 1976, S. 745 ff. (752). 657 Reitmaier, S. 12 f.; Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7 Rdnr. 14.

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gleiche oder vergleichbare Tatbestände unterschiedlich behandelt werden würden. 658 Hierfür beruft man sich unter anderem auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. So hat der EuGH in der Entscheidung "Merkur/Kommission" ausgeführt, daß in der "gerügten Ungleichbehandlung nur dann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (läge), wenn sie willkürlich erschiene". 659 Im Fall "Sotgiu" äußerte sich der EuGH in ähnlicher Weise, als er eine verbotene unterschiedliche Behandlung dann nicht annehmen wollte, "wenn die geltende Regelung sachliche Unterschiede in der Lage der Arbeitnehmer berücksichtigt "

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Auf diese Formel griff auch die Kommission im Fall "Walrave/Koch" zurück, als sie die Zulässigkeil der Differenzierung in den UCI-Regeln überprüfte. 661 j) Art. 7 EWGV als absolutes Differenzierungsverbot

Die gewichtigeren Argumente sprechen jedoch gegen eine Beschränkung des vertraglichen Diskriminierungsverbots des Art. 7 EWGV auf ein bloßes Willkürverbot. Zunächst ist der Hinweis auf die Bedeutung des Begriffs "Diskriminierung" verfehlt. Wie ein Blick auf Art. 36 S. 2 EWGV zeigt, ist dort von einer "willkürlichen Diskriminierung" die Rede. Nach obiger Ansicht würde aber schon allein das Wort "Diskriminierung" eine Begrenzung auf willkürliche Differenzierungen beinhalten, so daß der Zusatz "willkürlich" überflüssig wäre. Somit könnten vom gemeinschaftsrechtlichen Begriff "Diskriminierung" auch andere als willkürliche Unterscheidungen erlaßt werden. Möglicherweise haben die Väter des Vertrags dieses Auslegungsproblem aber auch schlichtweg übersehen. In jedem Fallläßt sich aber aus der Verwendung des Begriffs "Diskriminierung" allein nicht auf die Beschränkung des Art. 7 EWGV auf ein reines Willkürverbot schließen. Das Verbot "jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit" deutet vielmehr auf ein absolutes Differenzierungsverbot hin. 662 Die angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs belegen nicht das Gegenteil. Denn im ersten Fall 663 ging es um eine Diskriminierung im Sinne von Art. 40 Abs. 3 EWGV, wobei diese Vorschrift im Unterschied zu Art. 7 658 Hans Peter lpsen, S. 590; Wohlfahrt, in: ders. u. a., Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Art. 7 Nr. 3. 659 EuGHE 73, 1055 ff. (1074)- RS 43/72 "Merkur/Kommission". 660 EuGHE 74, 153 ff. (165)- RS 152173 "Sotgiu". 661 EuGHE 74, 1405 ff. (1409) RS 36/74 "Walrave/Koch". 662 U. a. Steindorff, S. 2; Vignes/Waelbroeck, in: Megret u. a., Le droit de Ia C.E.E., 1970, vol. 1, Art. 7, 1; Feige, S. 44 m. w. N.; ähnlich Oppermann, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Bildungsordnung. "Gravier" und die Folgen. Rechtsgutachten, s. 53. 663 EuGH (FN 659).

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

EWGV, wo die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungskriterium ausdrücklich für unzulässig erklärt wird, kein Differenzierungsmerkmal von vornherein ausschließt, sondern ganz allgemein von einem Diskriminierungsverbot "zwischen Erzeugern oder Verbrauchern" spricht. In dieser Entscheidung fehlt es zudem an einer Bezugnahme auf Art. 7 EWGV. 664 Im Fall "Sotgiu" 665 lag eine Differenzierung nach dem Wohnort des Arbeitnehmers vor, die nach Auffassung des Gerichtshofs grundsätzlich berechtigt sein kann, es sei denn, es handele sich dabei um eine versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, was aber dann nicht der Fall sei, wenn sachliche Unterschiede die Regelung rechtfertigen würden. Diese letzte Entscheidung widerlegt eher die Beschränkung des Art. 7 EWGV auf ein Willkürverbot, als daß es diese Ansicht stützen würde. Denn diesem Richterspruch zufolge ist eine offene Differenzierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in jedem Fall verboten. Dem entsprechen auch die Überlegungen, die für die Regelung des Art. 7 EWGV ursächlich waren. Die Gründungsväter der Gemeinschaft beabsichtigten, einen großen Binnenmarkt zu schaffen. Dies setzte voraus, daß nationale Gegensätze und Ressentiments beseitigt wurden, da diese üblicherweise die größten Hindernisse für grenzüberschreitende Zuammenarbeit darstellten. 666 Wenn man aber eine Differenzierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zulassen würde, sobald diese Unterscheidung sachgerecht erscheint, so könnten die beseitigten Schranken zum Teil mittels entsprechender Auslegung durch die Mitgliedstaaten und anderer Betroffener wieder aufgerichtet werden. 667 Dies würde dem Sinn und Zweck der Bestimmung des Art. 7 EWGV zuwiderlaufen und würde zudem das vertragliche System eng auszulegender, exklusiv geregelter Ausnahmen sprengen. 668 Bei einer Beschränkung des in Art. 7 EWGV enthaltenen Diskriminierungsverbots auf ein Willkürverbot würde diese Vorschrift ihre grundsätzliche Bedeutung 669 zu einem wesentlichen Teil verlieren. Es trifft nicht zu, daß in dem Moment, in dem man Art. 7 EWGV als absolutes Differenzierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit einstuft, eine unterschiedliche Behandlung von Angehörigen der Mitgliedstaaten unmöglich wird, denn schließlich gilt Art. 7 EWGV nur unbeschadet besonderer Vertragsbestim664 Herzog, in: Smit/Herzog, The Law of the European Economic Community, 1984, vol. 1, Art. 7, 7.04. 665 EuGH (FN 660). 666 Feige, S. 44. 667 Feige, S. 45. 668 Picchio, RDI 1976, S. 745 ff. (756); Feige, S. 47; vgl. auch u. a. EuGHE 74, 1337 ff. (1350)- RS 41!74 "van Duyn" und EuGHE 77, 5 ff. (15) - RS 46(76 "Bauhuis". 669 Vgl. Vignes/Waelbroeck, in: Megret u. a., Le droit de la C.E.E., 1970, vol. 1, Art. 7, 3.; Durand, S. 5.

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mungen, die aber in ihrem Bereich auch Ausnahmen von diesem Grundsatz bei Vorliegen bestimmter Umstände zulassen. Ferner greift Art. 7 EWGV nur im Anwendungsbereich des Vertrags ein, was ebenfalls eine Beschränkung des Diskriminierungsverbots bedeutet. Eine Begrenzung für Art. 7 EWGV im Sinne eines Willkürverbots einzuführen, würde seine Bedeutung als einen Stützpfeiler der Gemeinschaft außer acht lassen und kann auch insofern nicht zulässig sein. Art. 7 EWGV beinhaltet demzufolge ein absolutes Differenzierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit, worunter auch die in den Spielordnungen der Sportverbände enthaltenen Ausländerbestimmungen fallen. 6. Die Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts: Art. 85 und 86 EWGV

Neben Freizügigkeitsregeln und Diskriminierungsverboten könnten auch die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften (Art. 85 f. EWGV) in bezug auf die für Ausländer im Sport geltenden Sonderbestimmungen einschlägig sein.

a) Anwendbarkeit auf den Freizeitsport? Es kommt nur ein Verstoß im Bereich des Berufsports in Betracht. Der Freizeitsport scheidet aus, weil auf diesem Sektor sicher kein "Handel zwischen Mitgliedstaaten" betrieben wird und die Sportvereine im Freizeitbereich auch nicht als "Unternehmen" im Sinne der Art. 85 und 86 EWGV tätig werden. 670

b) Zur Frage der Vereinbarkeif der Ausländerklauseln im Berufssport mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften (1) Rechtsauffassung der Kommission Die Kommission befaßte sich 1971 anläßtich einer schriftlichen Anfrage der EP-Abgeordneten Flesch, die Regelungen der Federation Internationale du Cyclisme Professionnel für ausländische Berufsradrennfahrer in Firmenmannschaften betraf, wonach es sich bei höchstens einem Drittel der Fahrer einer Firmenmannschaft um ausländische Staatsangehörige handeln darf, zum ersten Mal mit diesem Problemkreis. 671 In Beantwortung jener Anfrage äußerte sich die Korn670 Plouvin, RMC 1978, S. 516 ff. (525); Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (645); ebenso EG-Kommission in: Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Flesch, 196(71, EGAbl. 1971, C 103/3. 671 EG-Kommission (FN 670).

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mission dahingehend, daß im genannten Fall nicht alle Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 86 EWGV erfüllt seien. Was in concreto gegen ein Eingreifen dieser Norm sprach, ließ die Kommission offen. Einige Zeit später wendete man sich wieder diesem Fragenkomplex zu. Dies geschah dieses Mal aufinitiative der ständigen niederländischen Gemeinschaftsvertretung, und zwar parallel zum Verfahren in der RS "Walrave/Koch". 672 Die Kommission untersuchte, ob die strittige UCI-Klausel 673 mit den Art. 85 und 86 EWGV zu vereinbaren sei, und leitete anschließend durch Entscheidung vom 11. Juni 1974 auf Antrag der Niederlande ein Verfahren (IV/28.767) auf der Grundlage des Art. 89 EWGV und der VO Nr. 17/62 (Art. 11 ff.) 674 gegen die U.C.I. ein. 675 Der Radsportunion wurde vorgeworfen, durch Änderung ihrer Satzung bezweckt zu haben, den zwischenstaatlichen Handel im Dienstleistungsbereich durch Vereinbarungen bzw. aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen einzuschränken oder zu verfälschen. Nach der Entscheidung des EuGH in RS "Walrave/Koch" 676 wurde dieses Verfahren jedoch wegen mangelnden öffentlichen Interesses nicht weiterverfolgt 677 Im Prozeß "Walrave/Koch" gegen "U.C.I." ging die Kommission nur kurz auf die diesbezüglich bestehende Problematik des Falles ein. 678 Sie führte aus, daß im Falle der Zulässigkeit jener Satzungsklausel der Rennfahrer für den Rest seiner Laufbahn einen Landsmann wählen werde und ein solcher Sachverhalt gegen Art. 85 und 86 EWGV verstoßen könnte. In einer neuen Stellungnahme zu einer schriftlichen Anfrage eines Europaparlamentariers 679 verneinte die Kommission einen Verstoß der Sperr- und Transferordnungen des Weltfußballverbandes (FIFA), denen ein Spieler im Falle eines Vereinswechsels unterworfen ist, gegen Art. 85 EWGV. Denn zum einen seien angestellte Berufssportler keine Unternehmen und zum anderen sei es beim derzeitigen Stand der Dinge unwahrscheinlich, daß diese Einschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten in nennenswertem Umfang behindern. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Haltung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit von Ausländerklauseln mit vertraglichen Wettbewerbsvorschriften noch nicht eindeutig ist. Im Jahre 1971 und in einem ähnlichen Fall im Jahre 1984lehnte sie einen Verstoß gegen Art. 85 und 86 EWGV ab, während EuGH (FN 390). Hierzu oben Ziff. C I 2 d. 674 Verordnung Nr. 17/62 des Rates: Erste Durchführungsverordnung zu den Art. 85 und 86 des Vertrages, EG-Abl. 1962, S. 204 ff. 675 Vgl. Delannay, CDE 1976, S. 204 ff. (211); MacGillavry, Journal des Tribunaux 1975, s. 603 ff. (604). 676 EuGH (FN 390). 677 Vgl. Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (295). 678 EuGHE 74, 1405 ff. (1411)- RS 36/74 "Walrave/Koch" . 679 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Vanderneulebroucke, 2391/83, EG-Abl. 1984, c 222/21. 672

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sie im Falle der U.C.I. wohl eher zur Annahme eines solchen tendierte. Andere EG-Institutionen befaßten sich bisher noch nicht mit jenem Fragenkreis, und auch in der Literatur 680 wurde hierauf- wenn überhaupt - dann bislang nur ganz am Rande eingegangen. (2) Voraussetzungen der Art. 85 und 86 EWGV (a) Unternehmen Der Begriff des "Unternehmens" in Art. 85 und 86 EWGV ist funktional zu verstehen, d. h. jeder, der eine Unternehmerische Tätigkeit ausübt, wird erfaßt. 681 Neben der Rechtspersönlichkeit genügt hierzu eine stetige und bis zu einem gewissen Grade auch dauerhafte selbständige Teilnahme am Wirtschaftsleben. Dieses Kriterium müßte im Bereich des Berufssports erfüllt sein. Was die Tätigkeit selbständiger Berufssportler (u. a. Boxer, Tennisspieler) anbelangt, ergeben sich insofern keine Probleme. Sie werden nach allgemeiner Ansicht als "Unternehmen" im Sinne jener Vorschriften eingestuft. 682 Ebenso einhellig geht man davon aus, daß Profisportler als Arbeitnehmer (u. a. Fußballspieler, Tischtennisspieler) aufgrund ihrer abhängigen Stellung nicht unter jene Normen fallen. 683 Was giltjedoch für die Sportverbände und -vereine, welche die Spielordnungen mit den fraglichen Bestimmungen aufstellen? Schließt ihre zumeist vorhandene Gemeinnützigkeit 684 nicht eine Unternehmenseigenschaft von vornherein aus? Da Gewinnerzielungsabsicht für die Qualifikation als "Unternehmen" nicht verlangt wird, 685 steht die Gemeinnützigkeit einer solchen Einordnung nicht entgegen. Dementsprechend hat das Berliner Kammergericht den Deutschen Fußballverband als ein "Unternehmen" im Sinne des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beijeder nicht rein privaten, d. h. außerhalb des Erwerbslebens sich abspielenden Tätigkeit, eingestuft. 686 Dieser Rechtsprechung folgte auch die europarechtliche Literatur. 687 In der Tat ergibt sich nämlich dasselbe Ergebnis unter Heranziehung obiger Definition: Vgl. Picchio, RDI 1976, S. 745 ff. (758); Luc Silance, Journal des Tribunaux s. 289 ff. (293). 68 1 Gleiss/Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 6; Schröter, in: von der Groeben u. a. EWGKommentar, 3. Autl. 1983, Art. 85- 89, Vorbem. Rdnr. 9. 682 U. a. Schröter, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 85 - 89, Vorbem. Rdnr. 10; Bleckmann, S. 388. 683 Vgl. FN 682; sowie EG-Kommission (FN 679). 684 Vgl. hierzu Weisemann (FN 414). 685 U. a. Gleiss/Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 7. 686 Kammergericht Berlin, BB 1974, S. 619 f.; ebenso BGH NJW 1987, S. 3007 ff. bezüglich eines Fußballbundesligavereins. 687 U. a. Gleiss/Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 5; Schröter, in: von der Groeben u. a., EWGKommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 85-89, Vorbem. Rdnr. 11 ; Karpenstein, S. 109; Stein680

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Durch Veranstaltung, Durchführung und kommerzielle Auswertung der professionellen Bundesliga nehmen der DFB und auch die beteiligten Vereine auf Dauer am Wirtschaftsleben teil, ebenso wie durch die Beschäftigung von Berufssportlern. 688 Daß diese Tätigkeit nur einen kleinen Ausschnitt, wenn auch wohl den populärsten ihrer Aktion insgesamt darstellt, ändert hieran nichts. 689 Entsprechendes gilt für alle Verbände und Vereine, die Regelungen für den Berufssport aufstellen und/oder dessen Organisation betreiben. Sie nehmen damit am Wirtschaftsleben teil und sind aus diesem Grunde als "Unternehmen" im Sinne des Art. 85 und 86 EWGV zu qualifizieren. (b) Handelsbeeinträchtigungen "Vereinbarungen zwischen diesen Unternehmen" bzw. "Beschlüsse" solcher Unternehmensvereinigungen, wie z. B. Satzungen oder Spielordnungen, 690 müßten geeignet sein, den "Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen ... und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken" (Art. 85 EWGV). "Handel" ist dabei nicht wörtlich zu verstehen, sondern umfaßt den gesamten Wirtschaftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, nicht nur mit Gütern, sondern auch mit Dienstleistungen. 69 1 Demzufolge fallt der "Spielerhandel", der Transfer von abhängig beschäftigten Berufssportlern nicht in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsbestimmungen. Durch die Ausländerklauseln kann zwar der Wettbewerb der Vereine um namhafte Sportler beschränkt werden. Weil es sich aber bei Sportlern erstens nicht um "Waren" handelt und zweitens die Spielordnungen Arbeitsbedingungen festlegen, greifen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften nicht ein. 692 Denn auf dem Arbeitsmarkt werden keine Erzeugnisse oder Dienstleistundorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (254); a. A. Lamberti, Giurisprudenza di merito 1978, S. 1009 ff. (1024), wonach die unternehmensehe Tätigkeit gegenüber dem Ziel der Stärkung und Verbreitung des Sports nur Hilfscharakter habe, weshalb kein Erwerbszweck vorliege und deshalb Wettbewerbsrecht nicht einschlägig sei. 688 Westerkamp, S. 102 und 151; vgl. auch die Situation in Großbritannien, wo Fußballvereine, z. B. Tottenham Hotspurs, als Aktiengesellschaften organisiert sind, oder in Italien, wo Vereine Handelsgesellschaften sind, die sich selbst zu Gewinnzwecken betätigen, wie aus dem Klägervortrag in EuGHE 76, 1333 ff. ( 1336) - RS I3n6 "Dona/ Mantero" hervorgeht. 689 Beschluß des Bundeskartellamts vom 28. 11. 1972, WuWJE 1972, S. 1433 ff. (1437). 690 Gleiss/Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 16- 21. 691 Schröter, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Auf!. 1983, Art. 8589 Vorbem. Rdnr. 15; Koch, in: Grabitz, EWG-Kommentar, Art. 85 Rdnr. 90; Gleiss/ Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 79. 692 Zur entsprechenden Rechtslage in der BR Deutschland vgl. Brief des Bundeskartellamts vom 6. 8. 1962, BB 1962, S. 978.

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gen angeboten oder nachgefragt, sondern unselbständige weisungsgebundene Arbeit. 693 Obwohl im Zusammenhang mit Spielertransfers (z. B. im Fußball) gelegentlich von "Menschenhandel" gesprochen wird, 694 ist es nicht möglich, den Sportler auf diesem Sektor mit einer "Ware", die hin und her geschoben werden kann, zu vergleichen. Eine solche Praxis würde gegen das auch im Gemeinschaftsrecht geltende Grundrecht der Berufsfreiheit, außerdem gegen das Selbstbestimmungsrecht und die Würde des einzelnen verstoßen. 695 Dementsprechend wurden auch die Transferbestimmungen korrigiert. Die Notwendigkeit einer Freigabe durch den abgebenden Verein bzw. Verband fiel weitgehend weg. 696 Aufgrund seiner Einbindung in ein Beschäftigungsverhältnis ist der arbeitnehmende Sportler nicht frei im Anbieten seiner Leistungen. Zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer findet insofern kein "Handel" statt. Der Sportler als Arbeitnehmer steht vielmehr in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Verein. Dem entspricht, daß bei Vereinswechseln neben dem Arbeitsvertrag zwischen Spieler und aufnehmendem Verein auch ein Vertrag über die Ablösesumme zwischen abgebendem und aufnehmendem Verein geschlossen wird. Sicher ist zwar, daß der Wechsel von Berufssportlern ins Ausland durch Ausländerklauseln verhindert oder erschwert wird; dennoch greifen die Wettbewerbsbestimmungen des Gemeinschaftsrechts dort nicht ein, wo es sich um abhängig beschäftigte Profis handelt. Denn der Sinn und Zweck des Wettbewerbsschutzes besteht darin, die Rivalität und die Selbständigkeit der Unternehmen zu gewährleisten. Den abhängig beschäftigten Berufssportlern fehlt es, wie gezeigt, an dieser Selbständigkeit. Gestützt wird dieses Ergebnis zusätzlich noch durch ein gleichzeitig systematisches und teleologisches Argument. Die Wettbewerbsvorschriften des Gemeinschaftsrechts gelten explizit auch auf nichtstaatlicher Ebene. Auf diese Weise soll das Gemeinschaftsrecht unter anderem verhindern, daß abgebaute staatliche Handelshemmnisse durch gleichwirkende private Wettbewerbsbeschränkungen ersetzt werden. 697

693 Vgl. Koch, in: Grabitz, EWG-Kommentar, Art. 85 Rdnr. 10; Gleiss/Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 10; Hans Peter lpsen, S. 618; Preis, S. 32. 694 Harm Peter Westermann, JA 1984, S. 394 ff. (398). 695 Vgl. hierzu Ziff. C I 6 b (3) und C II 5 d (1) sowie LAG Berlin, NJW 1979, s. 2582 ff. 696 Nach § 28 DFB-Lizenzspielerstatut ist sie nur noch im Falle eines Spielerwechsels zu einem anderen FIFA-Mitgliedsverhand erforderlich; vgl. zudem Art. 3 ff. der DEFAGrundsätze einer Zusammenarbeit zwischen Vereinen, die verschiedenen Landesverbänden der EG-Mitgliedstaaten angehören, vom 1. 9. 1982: Demzufolge ist ein Spieler bei Vertragsablauf frei, mit dem Verein seiner Wahl einen Vertrag abzuschließen, wobei der abtretende Verein Anrecht auf Zahlung einer Förderungs- oder Ausbildungsentschädigung durch den neuen Verein hat. 697 Hans Peter lpsen, S. 606 und 608.

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Dementsprechend regeln die Freizügigkeitsbestimmungen für Arbeitnehmer ebenfalls ausdrücklich die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Art. 48 EWGV und Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 1612/68) und gelten nicht nur gegenüber staatlichen Maßnahmen. RegelungeH, die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern betreffen - wie die Ausländerklauseln im Bereich des weisungsgebundenen Berufssports 698 - , gleichzeitig unter die Freizügigkeitsund die Wettbewerbsvorschriften zu subsumieren, ist aber ausgeschlossen, 699 zumal beide Komplexe gleichartige Rechtsfolgen aufweisen (Art. 8 Abs. 4 VO Nr. 1612/68 " . . . von Rechts wegen nichtig ..."; 700 sowie Art. 85 Abs. 2 EWGV: "Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig".) und die Art. 85 ff. EWGV diesbezüglich keine weiteren bedeutsamen Gesichtspunkte erfassen. Da es sich bei den für arbeitnehmende Berufssportler geltenden Ausländerklauseln um Regelungen von Arbeitsbedingungen handelt, greifen die Art. 48 ff. EWGV und nicht die Wettbewerbsvorschriften der Art. 85 ff. EWGV ein. 701 Erstere sind speziell für die Erfassung der im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern auftauchenden Sachfragen eingerichtet worden. Anders verhält es sich dort, wo der Sportler seine Leistungen weisungsunabhängig, d. h. selbständig, erbringt (z. B. Berufsboxer). In diesen Fällen übt der Sportler seine Sportart als selbständiger Gewerbetreibender, als Unternehmen, aus. 702 Sobald in diesen Bereichen Bestimmungen aufgestellt werden, welche die Betätigung solcher Sportler beschränken, wird im gegebenen Fall "der Handel zwischen Mitgliedstaaten" beeinträchtigt und der "Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes" wird verhindert, eingeschränkt oder verfälscht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ausländischen Sportlern gänzlich der Zugang zur Konkurrenz, zum Markt, verschlossen wird und sie ihre Dienstleistungen nicht mehr anbieten können. (c) Art. 86 EWGV: Mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung Im Unterschied zu Art. 85 EWGV verlangt Art. 86 EWGV statt "Vereinbarungen zwischen Unternehmen" die "mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung". Dieses Kriterium wird im Bereich des Sports von solchen Sportverbänden erfüllt, die in ihrer Sportart eine Monopolstellung innehaben. Dies gilt beispielsweise im Bereich des deutschen Fußballs für den DFB. Zwar ist es "jedem unbenommen, außerhalb dieses Verbandes gegen Bezahlung Fußball zu Vgl. hierzu Zif. C II 1 a. Preis, S. 32. 100 Siehe FN 508. 101 Gleiss/Hirsch, Art. 85 (1) Rdnr. 10; Schröter, in: von der Groeben u. a., EWGKommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 85 - 89 Vorbem. Rdnr. 10; Hans Peter lpsen, S. 618. 102 Vgl. Nachweise (FN 682). 698

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II. Diskriminierungsverbote und Wettbewerbsregeln

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spielen", 703 aber aufgrund der Anziehungskraft des Verbandes besteht keine Konkurrenz zu ihm. Die "faktische Monopolstellung" hat sich inzwischen zu einer "rechtlichen Monopolstellung" verdichtet. 704 Sowohl gegenüber den Vereinen als auch gegenüber den Spielern bekleidet nämlich der DFB als "Zulassungsbehörde" für den Lizenzspielerbetrieb 705 mit Hilfe seines Lizensierungssystems, wonach nur Spieler und Vereine mit entsprechender DFB-Lizenz am Spielbetrieb der Bundesligen teilnehmen dürfen (§§ 4 - 9 Lizenzspielerstatut: Lizenzen der Vereine; §§ 10 - 13 Lizenzspielerstatut: Lizenzen der Spieler), eine reine Monopolstellung. 706 Im übrigen ist die Mitgliedschaft in internationalen Fußballverbänden pro Land auf einen Verband beschränkt (z. B. Art. 1 Abs. 1 und 2 FIFA-Statut). 707 Den deutschen Fußball vertritt international der DFB. Ohne Uzenzerteilung seitens des DFB ist deshalb nationalen Vereinen und Spielern auch die Mitwirkung an Länderspielen und Europacupspielen untersagt. Die Situation in anderen Sportarten ist vergleichbar. So ist in anderen internationalen Sportorganisationen die Mitgliedschaft pro Land ebenfalls auf einen Verband pro Sportart beschränkt. 708 Selbst im Deutschen Sportbund (DSB) ist für jede Sportart nur ein Spitzenverband mitgliedsberechtigt 709 Es kann in diesem Zusammenhang von einer räumlich-fachlichen Monopolisierung im Sportverbandswesen gesprochen werden. 710 Da die Verhaltensweisen dieser Unternehmen in beherrschender Stellung die Struktur eines Marktes beeinflussen, auf dem der Wettbewerb gerade wegen ihrer Anwesenheit bereits geschwächt ist und welche die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen, 7 11 wäre in diesen Fällen auch das Vorliegen einer "mißbräuchlichen Ausnutzung" zu bejahen. Straub bei Paschen, S. 59 ff. Rauball, S. 284 f.; Harm Peter Westermann, JA 1984, S. 394 ff. (401); Westerkamp, S. 112; Weiland, S. 87; Grunsky, S. 109; vgl. auch Kammergericht Berlin 1974, 703

704

619 f.

.

Reuter, S. 56. 706 Burmeister, DÖV 1978, S. 1 ff. (6). 101 Vgl. Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, 289 ff. (293); Preis, S. 21 f. 708 Vgl. z. B. Nr. 1.12.1.5 der Satzung der International Table Tennis Federation, wonach unter keinen Umständen zwei Verbände für dasselbe Gebiet als ausübende Autorität anerkannt werden. 709 § 5 Nr. 2 DSB-Satzung: " ... Besteht für ein Fachgebiet bereits ein durch seine Mitgliedschaft in der zuständigen internationalen Föderation ausgewiesener Spitzenverband im DSB, so kann kein anderer Verband für dieses Fachgebiet in den DSB aufgenommen werden". 1 10 Vieweg, JuS 1983, S. 825 ff. (826). 711 EuGHE 79, 461 ff. (541)- RS 85/76 "Hoffmann La Roche". 705

142

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Ansonsten gelten auch im Bereich des Art. 86 EWGV die bereits von Art. 85 EWGV bekannten weiteren Voraussetzungen - u. a. "Handel zwischen den Mitgliedstaaten"-, weshalb auch diese Vorschrift nur im Bereich des weisungsungebundenen Berufssports Anwendung findet.

7. Teilergebnis

Ausländerklauseln widersprechen dem Gemeinschaftsrecht somit in mehrlacher Hinsicht:

a) Berufssport Im Bereich des Berufssports liegt ein Verstoß gegen die Art. 7, 48 ff., 52 ff. und 85 f. EWGV jeweils unter den angegebenen Voraussetzungen vor.

b) Freizeit- und unterklassiger Wettkampfsport Im Bereich des Freizeit- und unterklassigen Wettkampfsports stehen die Klauseln im Widerspruch zum allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV.

111. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts Möglicherweise sind Ausländerklauseln als Ausnahmen bzw. Einschränkungen des Gemeinschaftsrechts zulässig. Die zur Anwendung kommenden Vorschriften sehen Ausnahmen bzw. Einschränkungen ihrer Geltung vor. 1. Der ordre-public-Vorbehalt

Die für den Profisport relevanten Bestimmungen Art. 48, 52 und 59 EWGV lassen in den Fällen, wo Sonderregeln für Ausländer aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit bestehen, ausdrücklich Ausnahmen zu. Dieser ordre-public-Vorbehalt gilt nach Völkerrecht auch dort, wo er nicht ausdrücklich vereinbart wurde ("die Staaten als Herren der Verträge"). 712 Dies wird relevant für den im Amateursektor zur Anwendung kommenden Art. 7 EWGV, bei dem insofern ebenfalls Einschränkungen möglich erscheinen. 112 Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 48 Rdnr. 37; vgl. hierzu Urteil des Internationalen Gerichtshofes vom 28. 11. 1958 im niederländisch-schwedischen Vormundschaftsfall, Separate Opinion of Judge Quintana, ICJ-Reports 1958, 4 ff. (55 ff.).

III. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts

143

Selbst wenn man allgemein von einer engen Auslegung der ordre-public-Klausel im Bereich der Freiheit des Personenverkehrs ausgeht, 713 so kommt man doch nicht umhin, diesen Vorbehalt bei Art. 7 EWGV im Bereich der Personenfreizügigkeit für anwendbar zu halten, da ansonsten mit Hilfe jener Vorschrift die in den spezielleren Diskriminierungsverboten enthaltenen Ausnahmeregeln unterlaufen werden könnten bzw. die Parallelität der Regeln auf diesem Sektor verlorenginge. a) Inhaltliche Ausgestaltung Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache "Rutili" wird für die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung (Art. 48 III EWGV) das Vorliegen einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefahrdung verlangt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt. 714 Für die Frage, wann dies der Fall ist, steht den Mitgliedstaaten ein Beurteilungsspielraum zu. Aus diesem Grunde ist im Zusammenhang mit dem Begriff des ordre public auch immer wieder von einem Vorbehalt staatlicher Souveränität die Rede. 715 Im Gegensatz zu anderen bi- und multilateralen völkerrechtlichen Verträgen (z. B. Europäisches Niederlassungsabkommen Art. 3, 10; Zusatzprotokoll Abschnitt I und III zu Art. 1, 2, 3), 716 die weitgehend schrankenlos eine Berufung auf die Grundsätze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulassen, ist der ordre-public-Vorbehalt des Gemeinschaftsrechts Schranken unterworfen, die sich aus der supranationalen Struktur der Gemeinschaft ergeben. 71 7 Der Vorbehalt staatlicher Souveränität besteht nur, soweit die innerstaatliche Ordnung nach Inhalt und Zweck dem Zweck und Inhalt des Gemeinschaftsrechts nicht unmittelbar Konkurrenz macht. 718 Aus diesem Grunde ist, trotz des Beurteilungsspielraums der Staaten, die Berechtigung von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung anband aller Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen, 719 die dazu bestimmt sind, zum einen das freie Ermessen der Mitgliedstaaten zu beschränken und zum anderen die Verteidigung der Rechte von Personen zu garantieren. Die Tragweite des ordre- public-Gedankens darf nicht von jedem Mitgliedstaat ohne Nachprüfung durch die Gemeinschaftsorgane bestimmt werden. 720 m Bongen, S. 30; EuGHE 74, 1337 ff. (1350) -

RS 4In4 "van Duyn". EuGHE 75, 1219 ff. (1231) - RS 36n5 "Rutili" ; ebenso EuGHE 77, 1999 ff. (2013)- RS 30n7 "Bouchereau". 715 Vgl. Steindorff, Rechtsgutachten, S. 92; Hubeau, CDE 1981, S. 207 ff. (254); Druesne, RTDE 1976, S. 229 ff. (247). 716 Siehe FN 350. 717 Bongen, S. 21 - 27. 718 Steindorff, Rechtsgutachten, S. 92. 719 EuGHE 75, 1219 ff. (1231)- RS 36n5 "Rutili". n o EuGHE 74, 1337 ff. (1350)- RS 41!74 "van Duyn". 714

144

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

b) Motive der Ausländerklauseln Ob Ausländerklauseln auf den ordre-public-Vorbehalt gestützt werden können, ist davon abhängig, welche Motive für sie ursächlich sind und welche Zwecke sie verfolgen. Zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln wird darauf verwiesen, daß die Teilnahmebegrenzung für ausländische Spieler - sog. Sportlegionäre - dem eigenen nationalen Nachwuchs, aber auch den einheimischen Spielern insgesamt Bewährungschancen biete und sie fördere. 721 Diesem Gesichtspunkt komme vor allem deshalb große Bedeutung zu, als aus diesem nationalen Spielerreservoir die Nationalmannschaften gebildet werden und deren Spiel- bzw. Leistungsstärke eben von der Klasse der nationalen Spieler abhänge. Die Beschränkungen für ausländische Spieler gewährleisteten zudem eine bessere "ldol-Funktion" 722 für Nachwuchsspieler und eine größere Repräsentanz der Spitzenmannschaften und -Sportler für einzelne Städte bzw. Regionen, was eine stärkere Zuschauerresonanz zur Folge habe. 723 Es falle nämlich leichter, sich mit Teams zu identifizieren, die vorwiegend aus inländischen Sportlern zusammengesetzt sind. In diesem Zusammenhang ist auch häufig das Argument zu hören, daß die Beschränkungen auf höchster Leistungsebene auch deshalb gerechtfertigt seien, weil dort schließlich die nationalen Meister gekürt werden und es selbstverständlich sei, daß der nationale Meister auch Angehöriger des Staates sei bzw. sich aus Staatsangehörigen des Landes zusammensetze, wo er zu Meisterehren gelangt. 724 Zudem wird befürchtet, daß die Aufhebung der Ausländerklauseln insbesondere im Profifußball den Ruin zahlreicher Vereine bzw. Verbände bedeuten würde. 725 Nur wirtschaftlich starke Vereine bzw. Verbände wären in der Lage, die Gehaltsforderungen ausländischer Stars bzw. die für sie geforderten Ablösesummen zu bezahlen. Das Leistungsgefälle zwischen den einzelnen Vereinen oder Landesverbänden würde zunehmen, die Konkurrenz an Spannung verlieren, und die einzelnen VereineNerbände wären wachsenden Abwerbeversuchen ausgesetzt. 726 Um dies zu verhindern, müßten die VereineNerbände finanzielle oder sonstige Zugeständnisse- z. B. bezüglich einer künftigen Berufsausübung des Sportlers - machen, was eine zunehmende Verschuldung zur Folge hätte. 721 U. a. Hilf, S. 87; Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (295); Veth, S. 504; Semder, Leistungssport 1980, 6, S. 482 ff. (485). 722 DFB-Generalsekretär Gerhardt, in: Stuttgarter Zeitung vom 2. 6. 1987. 723 Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (295). 724 Preis, S. 52; Hilf, S. 87. 12s Hilf, S. 87. 726 Semder, Leistungssport 1980, 6, S. 482 ff. (485); DFB-Generalsekretär Gerhardt, in: Südwest-Presse vom 23. 5. 1987.

III. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts

145

Auf diese Weise würde auch die Abhängigkeit von sportfremden Einrichtungen (Fernsehen, Sponsoren etc.) zunehmen, und der Sport würde sich mehr und mehr zu einem Unternehmerischen Schaugeschäft entwickeln. Im Bereich des unterklassigen Wettkampf- und Freizeitsports kommt bei der Rechtfertigung der Ausländerklauseln zudem eine zumeist unausgesprochen bleibende, gewissermaßen unterschwellige Ausländerangst, eine Angst vor Überfremdung, zum Vorschein. 727 In der Bundesrepublik Deutschland befürchtet man u. a. durch die Aufnahme zu vieler Ausländer bzw. durch eine unbeschränkte Teilnahme der Ausländer am Sportbetrieb eine Aufweichung des traditionellen deutschen Vereinslebens. Zu große Unruhe und zuviel Spannung zwischen und innerhalb der einzelnen Mannschaften wären außerdem die Folge.

c) Gemeinschaftsrechtliche Relevanz jener Motive Um Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu rechtfertigen, müßten diese Motive ein gesellschaftliches Grundinteresse berühren. Ob dies der Fall ist, erscheint zweifelhaft, denn der staatliche Beurteilungsspielraum in dieser Frage wird durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften beschränkt und ist deshalb anhand des Gemeinschaftsrechts überprüfbar. Da in erster Linie wirtschaftliche Fragen Regelungsgegenstand des Gemeinschaftsrechts sind, 728 werden seit Ende der Übergangszeit (Art. 226 EWGV) Angelegenheiten wirtschaftlicher Art nicht mehr als Teil der öffentlichen Ordnung im Sinne der europarechtlichen Vorbehaltsklausel erlaßt. 729 Das heißt, daß wirtschaftliche Motive über den ordre-public-Vorbehalt keine Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts begründen können. Die Richtlinie 64/ 221 730 verdeutlicht dies "zunächst" 731 für den Bereich der Einreise und des Aufenthalts von Ausländern (Art. 2 Abs. 2 RL 64/221). Demzufolge ist die Berufung auf wirtschaftliche Gründe zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln-Schutz der wirtschaftlichen Freiheit und des Wohlergehens der Vereine - gemeinschaftsrechtlich bedeutungslos. Die weiteren Argumente, die zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln vorgebracht werden, tangieren den wirtschaftlichen Sektor nicht. Dennoch erscheint Veth, S. 505. Hierzu Ziff. C I 6 a. 729 Bongen, S. 87; Steindorff, RechtsgutachtenS. 91 f.; Touffait, Recueil Dalloz 1976, Chronique 165 ff. (167, 169); Selmer, DÖV 1967, S. 328 ff. (332); Matthies, in: Grabitz, EWG- Kommentar, Art. 36 Rdnr. 5; Vignes/Waelbroeck, in Megret u. a., Le droit de Ia C.E.E., 1970, Art. 36, 3. 730 RL 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, EG-Abl. 1964, S. 850 ff. 731 Vgl. Präamel der RL 64/221 (FN 730). m

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10 Klose

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

es zweifelhaft, ob sie Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts rechtfertigen. Durch Sonderbestimmungen für Ausländer werden Grundprinzipien der Gemeinschaft, nämlich die Freiheit des Personenverkehrs und das Gleichbehandlungsgebot, eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff der öffentlichen Ordnung in einem solchen Fall aber eng zu verstehen. 732 Ausländerklauseln müßten, um zulässig zu sein, dem Schutz vor einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefahrdung eines Grundinteresses der Gesellschaft dienen. 733 Als derart geschützes Grundinteresse käme der Schutz des nationalen Sports in Betracht. Zwar nimmt der Sport im allgemeinen einen hohen gesellschaftlichen Rang ein, 734 aber daß gerade der Schutz des nationalen Sports ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, das zudem noch tatsächlich und hinreichend schwer gefahrdet sein müßte, scheint ausgeschlossen. Wo Grundsätze des Gemeinschaftsrechts betroffen sind und wo deshalb die zulässigen Ausnahmen restriktiv auszulegen sind, können nur solche gesellschaftlichen Interessen Ausnahmen rechtfertigen, die für die Gesellschaft von grundlegender herausragender Bedeutung sind, wozu zumindest die Sportausübung unter eingeschränkter ausländischer Beteiligung nicht zählt.

d) Schutz des nationalen Kulturguts Es stellt sich die Frage, ob diesem Bereich bereits im Rahmen des Gemeinschaftsrechts eine Sonderstellung eingeräumt wird. Wie in Ziff. C I 3 festgestellt, trifft die Rechtsordnung der Gemeinschaft explizit keine Regelung im Hinblick auf den Sport. Möglicherweise könnte jedoch Art. 36 EWGV, der Ausnahmen zum Schutz des nationalen Kulturguts zuläßt, auch für den Sektor des nationalen Sports gelten. Der Sport ist als ein Kulturbestandteil anzusehen. 735 Fraglich bleibt jedoch, ob die für die Freiheit des Warenverkehrs geltende Ausnahmevorschrift des Art. 36 EWGV überhaupt auf andere Regelungsbereiche - wie die Freiheit des Personenverkehrs - übertragbar ist bzw. ob der Schutz des nationalen Kulturguts generelles Element des ordre public ist, wie er vom Gemeinschaftsrecht geduldet wird. (l) Beschränkung auf den Bereich des Warenverkehrs Für eine Beschränkung der zugunsten des nationalen Kulturguts bestehenden Schutzklausel auf den Bereich des Warenverkehrs spricht ein Vergleich mit den 732 EuGHE 74, 1337 ff. (1350)- RS 41/74 "van Duyn"; EuGHE 75, 1219 ff. (1231) - RS 36/75 "Rutili"; ebenso Bongen, S. 85 f.; Hubeau, CDE 1981, S. 207 ff. (255). 733 U. a. EuGHE 77, 1999 ff. (2013)- RS 30/77 "Bouchereau". 734 Hierzu Ziff. A li 1. 735 Hierzu Ziff. B li 2.

III. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts

147

anderen Ausnahmevorschriften (Art. 48 Abs. 3, 56 Abs. 1 EWGV), in denen zwar der Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, aber nicht der des nationalen Kulturguts gesondert erwähnt wird. 736 Außerdem bezieht sich der Wortlaut von Art. 36 EWGV ausdrücklich auf Ausnahmen von den Art. 3034 EWGV. 737 Insofern sind die darin aufgeführten Tatbestandsmerkmale speziell auf den Warenaustausch zugeschnitten. Hinzu kommt, daß die Ausnahmeregeln des EWG-Vertrages eng auszulegen sind, 738 was einer Übertragung der in Art. 36 EWGV geschützten Rechtsgüter auf den allgemeinen ordre-publie-Gedanken im Rahmen des Gemeinschaftsrechts entgegensteht. Dagegen, die in Art. 36 EWGV aufgeführten Tatbestände - wie den Schutz des nationalen Kulturguts - als generelle Bestandteile des gemeinschaftsrechtlichen ordre-public-Vorbehalts anzusehen, sprechen auch die EuGHEntscheidungen in den Rechtssachen "Coditel I und II" und "Debauve". 739 Zwar wurde in beiden Entscheidungen der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums über den Bereich des Warenverkehrs hinaus zusätzlich für die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs als zulässige Ausnahme anerkannt, jedoch erst nachdem Generalanwalt W arner gerade die Parallelität des Dienstleistungs- und des Warenverkehrs nachgewiesen hatte und nur deshalb eine analoge Anwendung des Art. 36 EWGV auf die Art. 59 ff. EWGV für angebracht hielt. 740 (2) Bestandteil des ordre-public-Vorbehalts Auf der anderen Seite gibt es aber auch Argumente, die für eine Anerkennung des Schutzes nationalen Kulturguts im Rahmen des ordre-public-Gedankens vorgebracht werden können. So geht etwa Steindorff davon aus, 741 daß das Gemeinschaftsrecht selbst Anhaltspunkte dafür liefert, was inhaltlich zum ordre public zählen kann. Dabei verweist er ausdrücklich auf Art. 36 EWGV und die dort aufgeführten geschützten Rechtsgüter. In der Tat erscheint es vom Wortlaut her ebenfalls möglich zu sein, die Aufzählung des Art. 36 EWGV nur als inhaltliche Ausgestaltung des Grundsatzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu werten und nicht als nebeneinander stehende selbständige Tatbestände.

736 Wägenbaur, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 36 Rdnr. 8 u. 18. 737 B1eckmann, S. 483 f. 738 U. a. EuGHE 74, 1337 ff. (1350)- RS 41/74 "van Duyn"; EuGHE 75, 1219 ff. (1231)- RS 36/75 "Rutili"; EuGHE 77, 5 ff. (15)- RS 46/76 "Bauhuis". 739 EuGHE 80, 881 ff. (903) RS 62/79 "Coditel I" ; EuGHE 82, 3381 ff. (3401) - RS 262/81 "Coditel II"; EuGHE 80, 833 ff. - RS 52/79 "Debauve". 740 Generalanwalt Wamer, EuGHE 80, 833 ff. (878)- RS 52/79 "Debauve". 741 Steindorff, Rechtsgutachten, S. 94.

10*

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Für diese Auslegung könnten ebenfalls die EuGH-Entscheidungen "Coditel I und II" sowie "Debauve" herangezogen werden. 742 Denn dort vertrat die Kommission die Auffassung, daß Art. 36 EWGV, zumindest was den Bestandsschutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums angehe, Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes sei, der nicht auf den Titel I, Kapitel 2, betreffend den freien Warenverkehr, beschränkt sei. 743 Wieso sollte dann nicht auch dasselbe für den Schutz des nationalen Kulturguts gelten? Außerdem haben die Mitgliedstaaten selbst in ihrer Erklärung vom 14. Dezember 1973 zur "Europäischen Identität" beschlossen, die reiche Vielfalt ihrer nationalen Kulturen zu erhalten. 744 Dies kann jedoch nur bedeuten, daß der Schutz der nationalen Kulturen auch im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen ist. Dieser Aussage entspricht eine Mitteilung der Deutschen Bundesregierung betreffs Fragen der Filmförderung, 745 wonach es außer aller Wahrscheinlichkeit liege, daß die Vertragspartner- samt und sonders Staaten mit bedeutendem kulturellem Erbe - die Gründung einer Wirtschaftsgemeinschaft zum Anlaß genommen haben sollten, um die Pflege und Förderung ihres nationalen Kulturschaffens einzustellen oder auch nur einzuschränken; Abstriche an seiner kulturellen Identität wollte und will kein Mitgliedstaat, zumal die Gemeinschaft auf dem kulturellen Sektor, wie in Ziff. CI 6 (1) gesehen, nur über sehr beschränkte Kompetenzen verfügt. (3) Sport als nationales Kulturgut? Letztendlich könnte es dahingestellt bleiben, welcher Auslegung man folgt, wenn der Sport gar nicht als nationales Kulturgut einzustufen wäre. In der Tat erscheint es ausgeschlossen, gerade die Sportarten, in denen Ausländerklauseln bestehen, als besondere Bestandteile einer nationalen Kultur anzusehen. Allein schon aus der Existenz solcher Klauseln folgt nämlich, daß die betreffenden Sportarten entweder international betrieben werden oder betrieben werden können. Zwar ist der Sport ein Teilbereich des kulturellen Sektors, aber ihn als ein nationales Kulturgut zu bezeichnen, ist nicht möglich, weil sich solche Kulturgüter gegenüber ausländischen kulturellen Elementen gerade durch ihre nationale Eigenart auszeichnen. Der Begriff des "nationalen Kulturguts" setzt eine spezielle Verbundenheit zu dem betreffenden Staat voraus. 746 EuGH (FN 739). Kommission, EuGHE 80, 881 ff. (894)- RS 62/79 "Codite1 1". 744 Dokument über die europäische Identität (FN 440). 745 Mitteilung der Regierung der BR Deutschland in bezug auf die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission der EG gern. Art. 169 EWGV- K(81)1228 endg- vom 3. 8. 1981; veröffentlicht im Rahmen eines Seminars "Filmbeihilfen" im Sommersemester 1983 an der Universität Tübingen bei Prof. Wägenbaur. 742 743

III. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts

149

Demgegenüber soll der Bereich des Sports auch nach offizieller Einschätzung offen sein - "Sport spricht alle Sprachen" - und zur Gemeinschaftsbildung, insbesondere auch mit Ausländern, beitragen. 747 Im übrigen werden die hier angesprochenen Sportarten auf der ganzen Welt nach denselben Regeln ausgeübt. Es besteht beispielsweise kein prinzipieller Unterschied zwischen deutschem und italienischem Fußball, der es rechtfertigen würde, den Fußballsport als besonderes deutsches oder italienisches Kulturgut einzuordnen. Eine solche Qualifizierung einer Sportart erscheint allenfalls bei Sportarten denkbar, die für bestimmte Regionen oder Staaten typisch und charakteristisch sind (z. B. Fingerhakeln in Bayern, Cricket in England, Peloton im Baskenland). Bei den allermeisten Sportarten würde aber eine solche Einstufung ihren integrativen und teilweise völkerverständigen Zielen zuwiderlaufen. Demnach kann der Sport in der Regel nicht als nationales Kulturgut angesehen werden. Im übrigen wäre es kaum möglich, den Sport zudem als ein "nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" zu charakterisieren, wie es Art. 36 EWGV zusätzlich voraussetzt. Der Sport stellt somit in keinem Fall ein nach Gemeinschaftsrecht zu schützendes Grundinteresse der Gesellschaft dar, das die Beibehaltung der bestehenden Ausländerklauseln rechtfertigen könnte. Eine Billigung mit Hilfe des ordrepublic-Gedankens scheidet aus.

e) Kritik an Geeignetheit der Ausländerklauseln Zudem ist fraglich, ob die Klauseln für sich gesehen überhaupt geeignet sind, 748 die damit verfolgten Ziele zu erreichen. Es fällt auf, daß die Motive der Ausländerklauseln fast ausschließlich auf den Bereich des Hochleistungssports Bezug nehmen. Argumente wie Nachwuchsförderung und Stützung der Nationalmannschaften sind allerdings nicht uneingeschränkt haltbar. Zwar wird das Erringen des Weltmeistertitels im Fußball durch Italien im Jahr 1982 vielfach auf die restriktive italienische Handhabung der Zulassung ausländischer Fußballspieler (z. B. RS "Dona/Mantero" 749 und die erneute Zugangssperre ab der Saison 1984/85) zurückgeführt, 750 doch gibt es auch Gegenbeispiele aus dem Bereich des Fußballs, wie z. B. die belgisehe Nationalmannschaft, die ebenfalls erfolgreich ist, obwohl 746 Wägenbaur, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 36 Rdnr. 38 f. 747 Insgesamt hierzu Ziff. A Il. 748 Bongen, S. 100, zur Geeignetheil des fraglichen Mittels; Matthies, in: Grabitz, EWG-Kommentar, Art. 36 Rdnr. 7. 749 EuGH (FN 391). 75o Hilf, S. 102, dort FN 40.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

beispielsweise die belgisehe Spitzenmannschaft RSC Anderlecht mit bis zu sechs Ausländern antritt. Im deutschen Basketball und Eishockey wurden ebenso verstärkt ausländische (Spitzen-)Spieler verpflichtet, was ein Ansteigen des Leistungsniveaus in der jeweiligen nationalen Spielklasse bewirkte, wovon die inländischen Sportler wiederum profitierten und was sich auch positiv im Bereich der Nationalmannschaften auszahlte. 751 Die gerade im Spitzensport vertretene Ansicht, Mannschaften, die sich fast ausschließlich aus einheimischen Sportlern zusammensetzen, fänden beim Publikum größeren Zuspruch, läßt sich nicht belegen. Eher könnte man in Anbetracht der gegenwärtigen Situation in den Spitzensportarten (Fußball, Handball u. a.) geneigt sein, das Gegenteil anzunehmen, denn in den Spitzenclubs spielt die landsmannschaftliehe Herkunft des einzelnen Sportlers keine Rolle.Die Publikumsgunst ist vielmehr abhängig vom Erfolg eines Vereins und auch von der Zugkraft seiner ausländischen Stars (z. B. Fußball in Italien: Der argentinische Fußballstar Maradona als Zuschauermagnet in Neapel). In erster Linie repräsentiert der Verein als wirtschaftliche und sportliche Einheit eine Stadt oder eine Region und nicht der Spieler bzw. dessen Herkunft. 752 Daß dies zumindest bei den Mannschaftssportarten so ist, läßt auch das Argument ins Wanken geraten, daß sich nationale Meister aus einheimischen Sportlern zu rekrutieren haben. Wie sich am Beispiel des deutschen Fußballs und seinen Ordnungen zeigt, wird dieses Ziel auch nicht in aller Konsequenz verfolgt. 753 Denn nach den Spielordnungen mehrerer Landesverbände (z. B. Hessen und Mittelrhein)154 gelten im Amateurbereich keine Ausländerklauseln, so daß es möglich ist, daß ein Club, der sich mehrheitlich aus Ausländern zusammensetzt, Deutscher Amateurmeister oder sogar Deutscher Pokalsieger wird. Aus anderen Sportarten ist auch das Austragen nationaler Meisterschaften mit internationaler Beteiligung bekannt, wie z. B. "Die internationalen deutschen Meisterschaften" im Tennis. 755 Wirtschaftliche Motive, die zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln vorgebracht werden, wie die Gefahr des wirtschaftlichen Ruins der Vereine und der zunehmenden finanziellen Abhängigkeit von anderen Institutionen, wie z. B. dem Fernsehen oder der Industrie, überzeugen nicht. Kein Verein wird gezwungen, ausländische Spieler aufzunehmen und hohe Geldbeträge für sie zu investieren. Die Konkurrenzfähigkeit von Mannschaften und Vereinen könnte jederzeit Veth, S. 505; Hilf, S. 95. Veth, S. 511; Hilf, S. 95; Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976; Pettiti, in: Le Monde vom 27. 11. 1976. 753 Allgemein hierzu Preis, S. 52; Hilf, S. 96. 754 V gl. bei Ziff. A II 7. 755 Hilf, S. 96. 751

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III. Ausnahmen von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts

151

durch Auflagen von Verbandsseite- z. B. Festsetzung einer Höchstgrenze für die Förderungs- oder Ausbildungsentschädigung (Transfersumme), die im Fußball nach DEFA-Grundsätzen der neue Verein eines Spielers an den abtretenden Verein zu zahlen hat, 756 oder durch eine strenge Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vereine mit dementsprechendem Lizensierungssystem 757 (Beispiel aus dem deutschen Fußball: Lizenzentzug für 1860 München wegen Überschuldung des Vereins im Jahr 1982)- gewährleistet werden. 758 Außerdem kann es nicht Ziel eines Vereins sein, dank seiner guten finanziellen Lage und einer entsprechend expansiven Einkaufspolitik konkurrenzlos zu werden. Denn eine solche Situation würde das Publikumsinteresse an dieser Sportart zum Erlahmen bringen und damit zu ihrem wirtschaftlichen Niedergang führen. Aus diesem Grunde wird dieser Verein selbst bemüht sein, die ungefähre Gleichwertigkeit der Leistungsstärke aller Vereine in seiner Sportart zu erhalten. Dieser Selbstregulierungsmechanismus schmälert die auf der Verpflichtung ausländischer Stars basierende Gefahr des wirtschaftlichen Ruins von Vereinen. Was die Frage zunehmender Abhängigkeit von sportfremden Einrichtungen betrifft, so ist sie im Spitzensport schon längst Wirklichkeit (Beispiel: Die während der Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles und 1988 in Calgary durch die Fernsehanstalt ABC veranlaßte Ausrichtung der Sportveranstaltungen nach der besten Sendezeit und favorisierten Werbezeiten). 759 Trotz bestehender Ausländerklausein existiert diese Abhängigkeit und nimmt weiter zu, 760 weshalb diese Kausalität zwischen einem Wegfall der Klauseln und einer steigenden Kommerzialisierung im Sport wohl kaum nachzuweisen wäre. f) Fazit

Unabhängig von dieser mangelnden Geeignetheit der Ausländerklauseln, die damit verfolgten Ziele zu erreichen, bleibt festzuhalten, daß solche Sonderregeln nicht über eine weite Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen ordre-publicVorbehalts zu rechtfertigen sind.

Vgl. FN 696. Harm Peter Westermann, JA 1984, S. 394 ff. (402 f.); vgl. auch§§ 5 d und 8 DFBLizenzspielerstatut, wonach der Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, u. a. durch Vorlage einer geprüften Abschlußbilanz sowie der Gewi!Ul- und Verlustrechnung des letzten Geschäfsjahres, Voraussetzung für die Uzenzerteilung an einen Verein ist. 758 Hilf, S. 95. 759 U. a. Valerien, S. 21 ff.; hierzu insgesamt Nölting, in: Stuttgarter Zeitung vom 2. 11. 1987. 760 Nölting, in: Stuttgarter Zeitung vom 2. 11. 1987; sowie bereits Ziff. C I 4. 756

757

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport 2. Die in Art. 48 Abs. 4, 55 und 66 EWG-Vertrag enthaltenen Vorbehalte

Für den Profibereich käme eine Rechtfertigung über Art. 48 Abs. 4 bzw. Art. 55 und 66 EWGV in Betracht, wonach Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung und Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, von der Anwendung der Art. 48, 52 und 59 EWGV ausgenommen sind. Zwar nimmt der Sport in unseren Gesellschaften einen hohen Rang ein und findet breites Interesse in der Bevölkerung, 761 aber dennoch können die Aktivitäten von Berufssportlern nicht als solche Tätigkeiten eingestuft werden, "die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind". 762 An der Ausübung hoheitlicher Befugnisse nimmt nämlich der Berufssport mit Sicherheit nicht teil. In der Bundesrepublik Deutschland geht beispielsweise das Grundgesetz in Art. 8 zudem von der Autonomie des Sports, der Selbstregelungsbefugnis des Sports gegenüber dem Staat aus, was ebenfalls ausschließt, im Rahmen des Sports von einer Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung oder auch von der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sport zu sprechen. 763 Etwas anderes könnte in totalitären Staaten gelten, wo der Sport mit staatlichen Zielen viel enger verquickt ist als in den EG-Mitgliedstaaten. 764 Da die im Gemeinschaftsrecht enthaltenen Ausnahmen von den Grundsätzen der Freizügigkeit und der Gleichbehandlung eng auszulegen sind, bleibt für die Ausnahmevorschriften der Art. 48 Abs. 4, 55 und 66 EWGV im Bereich des Sports kein Raum. 765 3. Keine Rechtfertigung der Ausländerklauseln durch gemeinschaftsrechtliche Ausnahmeregelungen

Die Ausnahmen der fundamentalen Vertragsprinzipien der Freizügigkeit und der Gleichbehandlung sind im Gemeinschaftsrecht in begrenzter Zahl und wenn, dann nur ausdrücklich vorgesehen. In bezug auf die Ausländerklauseln in den Vgl. Ziff. A II 1. EuGHE 80, 3881 ff. (3900) - RS 149179 "Kommission/Belgien" . 763 Lamberti, Giurisprudenza di merito 1978, S. 1009 ff. (1024); hierzu allgemein Burmeister, DÖV 1978, S. 1 ff. (4); Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWGKommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 48 Rdnr. 50, wonach "öffentliche Verwaltung" mehr umfasse als die "Ausübung öffentlicher Gewalt". 764 Hilf, S. 90; hierzu auch Ziff. A II 3 b (1) (a). 765 Vgl. EuGHE 74, 153 ff. (162)-RS 152/73 "Sotgiu"; Picchio, RDI 1976, S. 745 ff. (756). 76 1 762

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften

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Ordnungen der Sportverbände greift keine dieser zulässigen Ausnahmen ein. Diese bestehenden Sonderregeln für Ausländer verstoßen deshalb im Bereich des Profi- als auch des Amateursports gegen geltendes Gemeinschaftsrecht

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften Wie gesehen, sind im Rahmen sportlicher Betätigungen primär wirtschaftlicher oder sozialer Art Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 48 ff., 52 ff., 59 ff. bzw. 7 EWGV verboten. Was bedeutet dies für die Bildung von Nationalmannschaften? Die jeweilig besten Athleten eines Landes in einer bestimmten Sportart sollen zusammen ein Nationalteam bilden, weshalb dies allein eine Angelegenheit des Spitzensports ist.

1. "Diskriminierung" anderer Staatsangehöriger? Zugelassen zur Teilnahme sind jeweils nur eigene Staatsangehörige des betreffenden Staates. Aktive anderer Nationalität sind allein schon aufgrund ihrer abweichenden Staatsangehörigkeit ausgeschlossen. Dieser Sachverhalt erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen, die an das Vorliegen einer Diskriminierung im Sinne des Gemeinschaftsrechts gerichtet werden. 766 Lediglich nach Ansicht Toujfaits läge in diesem Fall keine Diskriminierung vor. 767 Denn die Pflicht eines Berufssportlers, an Länderspielen mitzuwirken, sobald er hierfür auserwählt werde, sei in den Wettkampfordnungen aller Mitgliedstaaten gleichermaßen niedergeschrieben, weshalb für alle dieselben Arbeitsbedingungen gelten würden und deshalb keine Diskriminierung vorläge. Entgegen Touffait ist es jedoch nicht zulässig, eine Diskriminierung dann zu verneinen, wenn in jedem Mitgliedstaat auf die gleiche Art und Weise zwischen eigenen Staatsangehörigen und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten unterschieden wird. Denn eine Diskriminierung kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß sie von allen Staaten vorgenommen wird. Ansonsten wären die im Gemeinschaftsrecht enthaltenen Diskriminierungsverbote bzw. Gleichbehandlungsgebote weitgehend bedeutungslos bzw. in der Vergangenheit nur selten einschlägig gewesen. Bei Zugrundelegung der Argumentation Touffaits hätte die Europäische Integration gerade auf den Gebieten der Freizügigkeit bzw. der Freiheit des Warenverkehrs nicht den heutigen Integrationsstand erreicht, da vor allem in den Anfangsjahren der Gemeinschaft zahlreiche Restriktionen in den Mitgliedstaaten für Angehörige bzw. Waren aus anderen Gemeinschaftsländern bestanden, die sich weitgehend entsprachen (vgl. Besteuerung vonWaren oder restrikti766 767

Vgl. Ziff. C II 5 f. Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

ve Handhabung von Ausländergesetzen) und zum Teil erst auf Intervention des Europäischen Gerichtshofes abgeschafft wurden bzw. noch abgeschafft werden. Entscheidend für eine Diskriminierung im Sinne der europarechtlichen Vorschriften ist das Vorliegen einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 7 EWGV), und zwar unabhängig davon, ob alle Mitgliedstaaten auf dieselbe Art und Weise zwischen ihren Staatsangehörigen und den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten differenzieren. Art. 7 EWGV reklamiert die Inländergleichbehandlung für Angehörige anderer Mitgliedstaaten. 768 Demnach werden bei der Zusammensetzung von Nationalmannschaften die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten "diskriminiert". Die Folge müßte sein, daß die Bildung von Nationalmannschaften in der bisherigen Form nach Gemeinschaftsrecht untersagt wäre.

2. Billigung der Beibehaltung von Nationalmannschaften in Rechtsprechung und Literatur

Dennoch billigen der Europäische Gerichtshof, die EG-Kommission, die Generalanwälte sowie die einhellige Meinung in der Literatur die Beibehaltung von Nationalmannschaften in der beschriebenen Form:

a) Europäischer Gerichtshof Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft schließt die Bildung von Nationalmannschaften aus dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts mit dem Argument aus, daß es bei der Aufstellung dieser Mannschaften um Fragen gehe, "die ausschließlich von sportlichem Interesse .. ." seien, 769 was "mit dem besonderen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen zusammenhänge .. .". 770

b) EG-Kommission Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft stützt sich darauf, daß bei der Zusammenstellung einer Nationalmannschaft "sachliche Unterschiede" den Ausschluß von Ausländern rechtfertigen würden. 771 Bei internationalen Wett768 U. a. Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7 Rdnr. 2. 769 EuGHE 74, 1405 ff. (1419)- RS 36/74 "Walrave/Koch". 770 EuGHE 76, 1333 ff. (1341) - -RS 13/76 "Dona/Mantero". 771 EuGHE 74, 1405 ff. (1409)- RS 36/74 "Walrave/Koch"; EuGHE 76, 1333 ff. (1336)- RS 13/76 "Dona/Mantero"; ebenso Generalanwalt Trabucchi, in: EuGHE 76, 1333 ff. (1344)- RS 13/76 "Dona/Mantero".

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften

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kämpfen zwischen Athleten oder Mannschaften, die für die jeweilige Nation repräsentativ seien, gehe es nämlich darum, die Farben des eigenen Landes zu vertreten.

c) Generalanwalt Warner Eine "typiquement anglo-saxon" 772 und pragmatische Begründung lieferte Generalanwalt Warner in seinen Schlußanträgen zur RS "Walrave/Koch". 773 Die Rechtfertigung des Ausschlusses von Ausländern im Bereich der Nationalmannschaften stützte er nämlich auf einen sogenannten "Test des interessierten Dritten", welcher seinen Angaben zufolge nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten angewandt werde, um zu ermitteln, ob ein bestimmter Punkt Vertragsinhalt geworden sei. Demnach hätte ein "interessierter Dritter", der bei Unterzeichnung des EWG-Vertrages die am Verhandlungstisch Sitzenden gefragt hätte, ob sie der Ansicht seien, daß das Gemeinschaftsrecht im Sportbereich die Bildung von Nationalmannschaften nur aus Staatsangehörigen des jeweiligen Landes verbiete, unter Zugrundelegung des gesunden Menschenverstandes die ungeduldige Antwort erhalten, "natürlich nicht" - möglicherweise mit dem Zusatz, daß dies derart offensichtlich sei, so daß es nicht notwendig gewesen wäre, dies ausdrücklieh zu erwähnen. So einleuchtend dieser "Test" auch scheint, so bietet er doch wenig Handhabe für die rechtliche Auseinandersetzung.

d) In der Literatur vertretene Rechtsstandpunkte Dementsprechend wird in der Literatur auf dieses Argument, wenn überhaupt, dann nur zur Bestätigung der eigenen Rechtsauffassung zurückgegriffen. 774 Im wesentlichen stützt man sich auf die Argumentation des EuGH und der Kommission, wenn auch jeweils mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. So wird z. B. die Zusammensetzung von Nationalmannschaften als "fact of sporting life" bezeichnet, das vernünftig und zugleich inhärent dem Begriff des internationalen Wettbewerbs sei. 775 Verstärkt auf den Gesichtspunkt der nationalen Repräsentation mittels Nationalmannschaften und der daraus folgenden Verpflichtung, sie ausschließlich mit eigenen Staatsangehörigen zu bilden, wird wiederum in anderen Abhandlungen abgehoben. 776 m Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976. EuGHE 74, 1405 ff. (1427)- RS 36n4 "Walrave/Koch". 774 Vgl. Karpenstein, S. 118; Touffait, in: L'Equipe vom 11. 3. 1976. 775 Hunnings, The Journal of Business Law 1975, S. 168 ff. (170). 776 Garrigues, S. 571; MacGillavry, Journal des Tribunaux 1975, S. 603 ff. (605); Telchini, RDE 1975, S. 132 ff. (136); Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (295). 773

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

"Schlicht und einfach aus der Natur derartiger Wettkämpfe" begründen Karpenstein und Plouvin die Form der Bildung von Nationalmannschaften. 777 Eine Rechtfertigung eigener Art versucht Delannay. 778 Seiner Auffassung nach stellen Nationalmannschaften Bastionen des Nationalismus dar, deren Zusammensetzung gegen das positive Gemeinschaftsrecht sowie gegen den Gedanken der Supranationalität verstoße. Er sieht keinen Unterschied zwischen einer Fußballmannschaft und einer "equipe d'ouvriers" oder einer "equipe d'ingenieurs". Zu rechtfertigen sei die Sonderbehandlung von Nationalmannschaften nur mittels einer Einstufung als "coutume europeenne contra Iegern", die sich im Laufe internationaler Vergleichswettkämpfe entwickelt hätte und die durch Abschluß der Römischen Verträge rechtswidrig geworden sei, aber stark genug, einer Einvernahme durch das Europäische Gemeinschaftsrecht zu widerstehen und selbst trotz unterschiedlicher Rechtsquellen europäisches Recht darstelle. Insgesamt gesehen betrachtet Delannay die Aufrechterhaltung von Nationalmannschaften als schädlich im Hinblick auf die Europäische Integration und den Abbau geistiger Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Art, wie Delannay versucht, den Bestand von Nationalmannschaften zu begründen, muß auf Kritik stoßen. Zum einen sind die von ihm als Gewohnheitsrecht bezeichneten Grundsätze in Internationalen Sportverbandssatzungen niedergeschrieben, und zum anderen würde ein Gesetz, das nicht zur Anwendung käme, insgesamt keine Geltung entfalten. 779 Nach einhelliger Ansicht gilt Gemeinschaftsrecht aber zumindest im Bereich des Profisports. 780 Mit Abschluß der Römischen Verträge hätte außerdem ein denselben Fragenkreis regelndes Gewohnheitsrecht seine Geltung verloren und könnte nicht neben dem Gemeinschaftsrecht bestehen bleiben. 3. Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf die Bildung von Nationalmannschaften

Dies leitet über zur eigentlichen Kernfrage, ob das Gemeinschaftsrecht überhaupt die Bildung von Nationalmannschaften regelt. Delannay geht davon aus. 781 Auch die Kommission hält in diesem Zusammenhang Gemeinschaftsrecht wohl generell für anwendbar, verneint dann aber das Vorliegen einer Diskriminierung, 777 Karpenstein, S. 118; Plouvin, RMC 1978, S. 516 ff. (525) und Gaz. Pal. 1978, Doctrine, S. 23 ff. (28). 778 Delannay, CDE 1976, S. 204 ff. (213 ff.). 779 Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (294); als Beispiel einer entsprechenden Satzungsbestimmung vgl. 2.2 Internationale Spielberechtigung in den Disziplinarbestimmungen der International Table Tennis Federation, wonach ein Spieler einen Verband vertreten darf, wenn er in dem entsprechenden Land geboren wurde oder dort seit zwei Jahren ansässig ist. 780 Vgl. Ziff. C I 3. 781 Delannay (FN 778).

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften

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da sachliche Gründe eine Unterscheidung rechtfertigen würden, 782 was jedoch nicht haltbar ist. Denn die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften verbieten überhaupt jede Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, es sei denn, es läge eine der gesondert aufgeführten Ausnahmen vor, worauf sich die Kommission aber nicht beruft. 783 a) Wirtschaftlicher Gesichtspunkt Demgegenüber bestreiten der Europäische Gerichtshof und die Mehrzahl der in der Literatur vertretenen Ansichten hier die Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht Die vom EuGH hierzu vertretene Auffassung ist allerdings in tatsächlicher Hinsicht nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Der EuGH stellt nämlich die These auf, daß es bei der Bildung von Nationalmannschaften "ausschließlich" um Fragen von sportlichem Interesse gehe, die als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun hätten. 784 Dem widerspricht beispielsweise, daß im Bereich des Berufsfußballs auch der Einsatz in der Nationalmannschaft entlohnt wird und zudem mit jeder Berufung in eine Landesauswahl der Marktwert eines Spielers steigt, so daß auch auf diesem Sektor wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. 785 Nicht zu vergessen ist auch der sonstige finanzielle Aufwand, der rund um Länderspiele betrieben wird, wie z. B. der Verkauf von Fernsehübertragungsrechten und Werbeflächen. Dementsprechend ist auch niemand in der Literatur der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes in dieser Absolutheit gefolgt. Vielmehr wird darauf abgehoben, daß bei der Zusammensetzung von Nationalmannschaften zwar auch wirtschaftliche Erwägungen von Bedeutung sind, jedoch sportliche Gesichtspunkte weiterhin überwiegen. 786 Das jeweilige Land solle durch die besten Sportler vertreten werden. Außerdem stelle der Einsatz in der Nationalmannschaft stets nur einen kleinen Ausschnitt, wenn auch möglicherweise den Höhepunkt einer Karriere, in der beruflichen Betätigung eines Sportlers dar. Der bei diesen gelegentlichen Einsätzen zu erzielende Verdienst falle neben den sonstigen regelmäßigen Einkünften außerdem nicht beträchtlich ins Gewicht. 787 Er stelle für die Mitwirkenden mit Sicherheit keine Hauptverdienstquelle dar. Im Vordergrund stehe vielmehr der sportliche Wettstreit. Für den einzelnen müsse es eine Ehre bzw. auch eine Genugtuung sein, zu den Besten Kommission (FN 771); ebenso Ubertazzi, RTDE 1976, S. 635 ff. (646). Vgl. hierzu Ziff. C II 5 f. 784 EuGH (FN 769). 785 Karpenstein, S. 118; Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (254); Hilf, S. 96. 786 Veth, S. 508; Stadler, S. 10; Karpenstein, S. 118; Steindorff, RIW/A WD 1975, S. 253 ff. (254); Hilf, S. 96. 787 Stadler, S. 10; Steindorff, RIW/AWD 1975, S. 253 ff. (254). 782 783

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C.

Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

zu zählen und sein Land international vertreten zu dürfen, was durch das Abspielen der Nationalhymnen vor Länderspielen verdeutlicht wird. Diese Gesichtspunkte treffen zu. In der Tat überwiegen im Bereich der sportlichen Auseinandersetzung auf der Ebene von Nationalmannschaften diese im weitesten Sinne sportlichen Motive die finanziellen und wirtschaftlichen Aspekte dieser Veranstaltungen, obwohl auch hier zweifellos eine zunehmende Kommerzialisierung in jeder Hinsicht festzustellen ist. 788 In erster Linie geht es jedoch um sportliches Kräftemessen zwischen den besten Aktiven zweier Nationen. Nationalmannschaften sollen ihre Staaten repräsentieren, woraus ebenfalls die Unterordnung wirtschaftlicher Aspekte folgt. 789 Da bei Länderspielen vor allem sportliche Faktoren von Bedeutung sind und wirtschaftliche Gesichtspunke derzeit noch nur einen Randaspekt darstellen, ist Gemeinschaftsrecht wegen Fehlens einer eindeutig wirtschaftlichen Betätigung nicht anwendbar.

b) Sozialer Gesichtspunkt Europäisches Gemeinschaftsrecht könnte allerdings noch unter seinem sozialen Aspekt zur Anwendung kommen. Immerhin spielt der Repräsentationsgedanke bei Ländermannschaften eine entscheidende Rolle. Der Anwendung von Gemeinschaftsrecht unter seiner sozialen Komponente widerspricht jedoch schon, daß die Bildung von Nationalteams fast ausschließlich im Bereich des Spitzensports relevant wird und dort die sozialen Funktionen des Sports sowieso nur eine untergeordnete Bedeutung besitzen. 790 Außerdem beschränkt sich die Repräsentationsfunktion solcher Mannschaften in ihrer sozialen Wirkung bewußt auf die geschlossene Gruppe der Nation, 791 so daß das für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts erforderliche zwischenstaatliche Element gerade keine Rolle spielt. Das Europäische Gemeinschaftsrecht ist somit im Bereich sportlicher Auseinandersetzungen von Nationalmannschaften auch nicht unter Heranziehung seines sozialen Anwendungsgebiets einschlägig. Die Zusammensetzung von Nationalmannschaften fallt demzufolge nicht in den Anwendungsbereich der Gemeinschaftsverträge. 4. Perspektiven

Aufgrund der im Sport allgemein und besonders im Spitzensport festzustellenden Zunahme der Kommerzialisierung 792 könnte es nur eine Frage der Zeit sein, 788 789 790 791 792

Hierzu bereits Ziff. C I 4. Vgl. Ziff. A II 3 b (1). Vgl. Ziff. A II 3. Hierzu Ziff. A II 3 a (2), b (1). Vgl. Ziff. C I 4.

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften

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wann diese Tendenzen auch den Bereich der Nationalmannschaften überwuchern, so daß dann die wirtschaftlichen Motive im Vergleich zu den sportlichen Interessen nicht mehr untergeordnet wären bzw. die finanziellen Aspekte zumindest einen derartigen Einfluß gewinnen würden, daß sie in bezug auf die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht mehr zu vernachlässigen wären. Nationalmannschaften könnten dann nicht mehr in der bisherigen Form bestehen.

a) Ausnahme wegen "Natur der Sache"? Es stellt sich die Frage, ob die "Natur der Sache" bei der Zusammensetzung von Nationalmannschaften eine solche Konsequenz generell ausschließen würde. 793 Von der Natur ihrer Sache her könnten solche Angelegenheiten dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts entzogen sein, die zwar grundsätzlich von ihrem Regelungsgegenstand her einer Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen würden, aber im speziellen Fall nur einer innerstaatlichen, einer nationalen Regelung unterworfen werden können. Dies könnte zukünftig für die Bildung einer Nationalmannschaft gelten. Denn der gemeinschaftliche Sport als wirtschaftliche Betätigung unterliegt grundsätzlich dem Gemeinschaftsrecht, während dies bei Fragen im Zusammenhang mit Nationalmannschaften angezweifelt wird. 794 Eine Nationalmannschaft nimmt Repräsentationsaufgaben für die Nation, die sie vertritt, wahr. Die Nation identifiziert sich mit und erkennt sich in dieser Mannschaft und ihren Siegen oder Niederlagen. In einer solchen Mannschaft soll die nationale Identität und die nationale Einheit zum Ausdruck kommen. Die Nation als solche stellt aber eine geschlossene Gruppe dar, die ausschließlich aus den Staatsangehörigen des betreffenden Staates besteht. 795 Allerdings bestehen grundsätzliche Bedenken gegen die Anerkennung von Ausnahmen bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, die sich auf die Natur der zu regelnden Sache beziehen. Denn zum einen sind die in den Verträgen selbst niedergeschriebenen Ausnahmeregeln bereits eng auszulegen, 796 so daß für einen ungeschriebenen Ausnahmetatbestand gar kein Raum mehr wäre. Hinzu kommt, daß die Europäische Gemeinschaft nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 797 sowieso nur Einzelzuständigkeiten besitzt, die nicht durch weitere Sonderklauseln eingeschränkt werden dürfen. Selbst wenn man geneigt 793 Vgl. Karpenstein, S. 118; Plouvin, RMC 1978, S. 516 ff. (525); Steiner, DÖV 1983, S. 173 ff. (179); dazu auch Europäisches Parlament, Ausschuß für Jugend, Kultur, Bildung, Information und Sport. Entwurf eines Berichts über den Sport in der Gemeinschaft vom 12. 1./1. 2. 1984, Berichterstatter: A. Bord, PE 84 000/A, B, S. 19. 794 Vgl. FN 793. 795 Insgesamt hierzu Ziff. A II 3 a (2), b (1). 796 Vgl. Ziff. C III. 797 Vgl. Ziff. C I 3.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

wäre, nur bei der Zusammensetzung von Nationalmannschaften eine Ausnahme aus der Natur der dabei zu regelnden Sache her anzuerkennen, so bestünde doch die Gefahr der Übertragbarkeit einer solchen Argumentation auf andere Bereiche. Dementsprechend beruft man sich in der europarechtlichen Literatur auf die Natur der Sache nur im Zusammenhang mit der Begründung zusätzlicher gemeinschaftlicher Kompetenzen, nicht aber um bestehende Zuständigkeiten einzuschränken. 798 Selbst nach dem "Luxemburger Kompromiß" 799 ist in Fällen der Berührung vitaler nationaler Interessen keine rein nationale Regelung zulässig. Die Natur der Sache könnte im Falle einer zunehmenden Kommerzialisierung des Sports auf Nationenebene die Aufrechterhaltung von Ländermannschaften in der bisherigen Form deshalb nicht rechtfertigen. b) Bildung von Europamannschaften Stattdessen könnte die Entwicklung hin zur Bildung von Buropamannschaften gehen. Um zu erreichen, daß der Spitzensport auf Nationenebene ebenfalls integrativ wirkt, müßte zunächst der Nationalismus im Sport überwunden werden. Daß dies möglich ist, belegen einige Beispiele. So starteten vor dem Ersten Weltkrieg bei Olympischen Spielen auch internationale Mannschaften: 1896 siegte ein deutsch-englisches Herrendoppel im Tennis, 1908 gewann "Australasien" das Rugbyturnier, und 1912 war der Sieger des 4 x 200 m-Freistilschwimmens eine Staffel aus Australiern und Neuseeländern. Bei internationalen Vereinswettbewerben (z. B. Europapokalwettbewerbe in den verschiedensten Sportarten) sind die einzelnen Mannschaften ebenfalls zumeist international zusammengesetzt. Die Vereine nehmen in solchen Wettkämpfen, vor allem bei den populären Sportarten, aber ebenfalls die Rolle von Nationalvertretungen ein, obwohl sie es verbandsoffiziell nicht sind. Ihrer nationalen Vertreterrolle tut es dabei keinen Abbruch, daß nicht nur Staatsangehörige des eigenen Landes mitspielen. Solange Spaniens Nationalmannschaft erfolglos war, galt beispielsweise Real Madrid als eigentliche Fußballvertretung Spaniens, obwohl es zeitweise bis zu vier Ausländer in seinen Reihen hatte. 800 Ähnliches läßt sich auch von anderen Fußball- Buropapokal-Siegern sagen (z. B. der belgisehe Fußballclub RSC Anderlecht, bei dem sechs Ausländer unter Vertrag standen). Die Integrationsfähigkeit solcher bunt zusammengewürfelter Teams ergreift nicht nur die Nation, aus welcher der Verein entstammt, sondern auch die Angehörigen anderer Staaten, deren Sportler in jenem Team mitspielen. Insofern bietet eine aus verschiedenen Nationalitäten gebildete Mannschaft Integrations798 U. a. Nicolaysen, EuR 1966, S. 129 ff. (140 ff.); Bleckmann, S. 163; vgl. insgesamt Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, Bem 1985. 799 Siehe FN 66. 800 Vgl. Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, s. 5.

IV. Sonderproblem: Die Bildung von Nationalmannschaften

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hilfen über Ländergrenzen hinweg und kann deshalb mehr Fremdheits- und Distanzgefühle abbauen als Auseinandersetzungen zwischen reinen Nationalvertretungen. 801 Wenn man den Vereinen allein die Entscheidung überlassen würde, ob sie sich von einer größeren Zahl von Ausländern in ihren Mannschaften vertreten lassen wollten, so würde ihr Vereinsinteresse sie aller Wahrscheinlichkeit nach in ähnlicher Weise zu einer Öffnung gegenüber diesen "Fremden" veranlassen, wie sie gegenüber anderen Lokalgruppen oder Landsmannschaften bereits erfolgt ist. 802 Denn soweit Vereine national Städte oder Regionen repräsentieren, ist es unerheblich, ob die teilnehmenden Sportler auch aus jener Region oder Stadt entstammen bzw. dort leben. 803 Diese Beispiele belegen, daß auch im internationalen Sport, in dem die Sportler als nationale Repräsentanten gelten, integrative Wirkungen zu erzielen sind, sobald die Ausschließlichkeit bei der nationalen Vertretung- der Vertretungspurismus - zumindest teilweise überwunden wird. Man könnte sich fragen, ob es dann nicht möglich wäre, in Zeiten fortschreitender Europäischer Integration statt nationaler Mannschaften EG-Mannschaften zu bilden. 804 Neben dem Hindernis, das darin besteht, daß die Organisation des europäischen Sports, rein geographisch gesehen, nicht mit der Europäischen Gemeinschaft übereinstimmt, 8°5 würde ein solcher Versuch im übrigen nur dann gelingen, wenn sich die in der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Völker durch eine solche Mannschaft auch repräsentiert fühlten. Voraussetzung hierfür wäre, daß so etwas wie eine europäische Identität, ein europäisches Gemeinschaftsgefühl, bestünde, so daß sich die Bürger Europas mit dieser Mannschaft identifizieren könnten. Doch gerade dieses vorausgesetzte Gemeinschaftsbewußtsein ist im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft noch unterentwickelt, und es hält keinem Vergleich zu dem auf nationaler Ebene bestehenden Zusammengehörigkeitsgefühl stand. 806 Der Sport soll zwar seinen Beitrag ·z ur Entwicklung eines solchen Gemeinschaftsbewußtseins leisten, doch kann er dies gegenwärtig nur in den sportlichen Bereichen, die hierfür besonders und bereits jetzt geeignet sind. 807 Auf diesen Sportgebieten spielt der Repräsentationsgedanke, Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 5 f. Geyer, Das Parlament 1972, Beilage: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 9, S. 23. 803 Hilf, S. 95. 804 Vgl. z. B. Europamannschaft in der Leichtathletik, Entwurf eines Berichts des Europäischen Parlamentes über den Sport in der Gemeinschaft (FN 793), S. 17; vgl. auch Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates über seine 28. Tagung in Fontainebleau am 25./26. 6. 1984, EA 1984, D 440 ff. (442). 805 Vgl. Entwurf eines Berichts des Europäischen Parlamentes über den Sport in der Gemeinschaft (FN 793), S. 18. 806 Vgl. Entwurf eines Berichts des Europäischen Parlamentes über den Sport in der Gemeinschaft (FN 793), S. 18. 807 Vgl. Ziff. A II 4. 801

802

II Klose

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

wenn überhaupt, so nur eine völlig untergeordnete Rolle. Es wäre unmöglich, mittels Aufhebung der Nationalmannschaften in der jetzigen Form ein europäisches Gemeinschaftsgefühl erzwingen zu wollen. Wie auf nationaler Ebene muß dieses erst langsam wachsen. Im Falle fortschreitender Kommerzialisierung des Sports auf Nationenebene ließe sich allerdings die grundsätzliche Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf diesen Bereich nicht mehr verhindern, und zwar unabhängig davon, ob damit die Entwicklung einer europäischen Identität Schritt hielte. Die Bildung reiner Nationalmannschaften könnte dann möglicherweise nur für eine Übergangszeit noch damit gerechtfertigt werden, daß es sich hierbei um eine unwesentliche Beeinträchtigung der Berufsausübung eines Sportlers, also keine wesentliche Diskriminierung handele, da die Mitwirkung in einer Nationalmannschaft stets nur eine Randbetätigung eines Berufssportlers sei.

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts Nachdem die Geltung der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote auf dem Gebiet des Sports der Gemeinschaftsangehörigen bei wirtschaftlichem bzw. sozialem Hintergrund bejaht wurde, stellt sich die Frage nach den Adressaten dieser Gemeinschaftsnormen. 1. Anwendbarkeit gegenüber staatlichen Organisationen

Übereinstimmung besteht insofern, als man davon ausgeht, daß sich die fraglichen EG-Bestimmungen zunächst an die Mitgliedstaaten wenden und diesen in den betroffenen Bereichen eine Gleichbehandlungspflicht auferlegen. 808 Die Bindung der Mitgliedstaaten folgt aus Art. 5 Abs. 2 EWGV, der sie u. a. dazu verpflichtet, die im Vertrag verbotenen Diskriminierungen (Art. 7, 48, 52, 59 EWGV) zu unterlassen. 809 Teleologische Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis, wenn man zugrundelegt, daß die Mitgliedstaaten als Unterzeichner des Vertrages in erster Linie sich selbst binden wollten und die Mehrzahl der Diskriminierungen auch auf staatliche Regelungen zurückzuführen ist. 810 Das heißt, daß alle staatlichen Vorschriften mit diskriminierendem Inhalt im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zu beseitigen sind. 808 Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kornrnentar, 3. Auf!. 1983, Art. 7 Rdnr. 29 rn. w. N. 809 Feige, S. 54 f. 810 Bode, S. 298; Feige, S. 54.

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts

163

Was jedoch die Ausländerklauseln im Bereich des Sports betrifft, so finden sich diese Bestimmungen in Satzungen und Ordnungen von nationalen und internationalen Sportverbänden. 2. Autonomie des Sports

Ein Eingreifen der Diskriminierungsverbote gegenüber den Sportverbänden käme in Betracht, wenn es sich bei ihnen um staatliche Institutionen handeln würde, mit der Folge, daß die in ihren Ordnungen enthaltenen Vorschriften staatlichen Normcharakter besitzen würden und den einzelnen Mitgliedstaaten zuzurechnen wären. Dem widerspricht jedoch der Aufbau der Sportorganisation in den Mitgliedstaaten. Im Gegensatz zu den Ostblockstaaten, wo der Sport staatlicher Aufsicht und Kontrolle unterliegt, ist der Sport in den EG-Staaten hinsichtlich seiner organisatorischen Ausgestaltung eigenständig sowie autonom bei der Statuierung sportlicher Verhaltensnormen. 8 I I

a) Bundesrepublik Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland ist die Selbstverwaltung des Sports verfassungsrechtlich über Art. 9 GG abgesichert. Der Deutsche Sportbund (DSB) und seine Mitgliedsorganisationen, u. a. die Landessportbünde und die Spitzenverbände einzelner Sportarten (z. B. DFB) sind eingetragene Vereine im Sinne der §§ 21 ff. BGB (z. B. § 1 Abs. 2 DSB-Satzung; § 1 Abs. 3 DFB-Satzung). Die Tennung zwischen Staat und organisiertem Sportwesen tritt zudem in der Aufgabenstellung des Deutschen Sportbundes zutage, worin festgelegt wird, daß der DSB die gemeinschaftlichen Interessen seiner Mitgliedsorganisationen gegenüber Staat und Gemeinden zu vertreten hat (§ 2 b DSB-Satzung). 812 Eine vergleichbare Situation findet sich in den anderen Mitgliedstaaten. Auch dort sind die Sportverbände, was ihre Organisation und ihre Regelungsbefugnis anbelangt, vom Staat weitgehend unabhängig.

b) Frankreich So wurde in Frankreich in einem Dekret vom August 1945 die staatliche Unabhängigkeit der Sportverbände ausdrücklich anerkannt. 813 Zu den Aufgaben 81 1 Hierzu allgemein Mevert, Internationale und europäische Sportorganisationen, Wiesbaden 1981; ebenso Garigues, S. 538. 812 Insgesamt hierzu Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen, Berlin 1985; sowie Steiner, DÖV 1983, S. 173 ff. sn Vgl. Mevert, S. 123.

II*

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

des Comite National Olympique et SportifFran~ais (CNOSF), in dem ca. 105 000 Vereine mit 7,8 Millionen aktiven Sportlern organisiert sind, zählt ebenfalls, den Sport gegenüber öffentlichen Behörden sowohl in Frankreich als auch international zu vertreten. 81 4 c) Großbritannien Im Mutterland des Sports moderner Prägung, in Großbritannien, existieren zwei Dachorganisationen, der Sports Council und der Central Council for Physical Recreation (CCPR). Der Sports Council ist zwar eine unabhängige Institution, seine Mitglieder werden jedoch von der Regierung berufen. Zu den Aufgaben des Council zählt in erster Linie die Förderung des Sports, wie z. B. die Aufstellung eines Sportstättenleitplans, während die eigentliche Organisation des Sports vom nicht-staatlichen CCPR getragen wird, dem die über 100 nationalen Sportorganisationen mit mehr als 60 000 Sportvereinen und 180 000 lokalen Clubs für Freizeitsport angehören. 815 d) Italien Das Comitato Olimpico Nazionale ltaliano (CONI) ist die Dachorganisation des italienischen Sports, dem 32 nationale Fachverbände und ca. 60 000 Sportvereine mit 4 Millionen Aktiven angehören. Das Budget des CONI wird zwar von Parlament und Regierung kontrolliert, in seinem Aufbau und seinen Organen ist das CONI jedoch autonom. 8 16 e) Schlußfolgerung Aufgrund dieser staatsunabhängigen Organisation des Sportwesens in den Mitgliedstaaten handelt es sich bei den von verschiedenen Sportverbänden erlassenen Satzungen und Ordnungen um keine staatlichen Regeln, sondern um privat gesetztes Verbandsrecht Dementsprechend sind die internationalen Sportverbände ebenfalls privatrechtlich organisiert. 817

Mevert, S. 123. Mevert, S. 126. 816 Mevert, S. 129. 817 Vgl. Kurtze, S. 237 ff.; Leyendecker, Annuaire de l'A.A.A., 1972/1973, Bd. 42/ 43, s. 41 ff. 814

815

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts

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3. Regelung der Teilnahme am Sport staatlicherseits?

Wie sich aus einer Studie des "Clearing House" des Europarates ergibt, 8l8 existieren in den Mitgliedstaaten des Europarates, somit auch in den Gemeinschaftsländem, keine gesetzlichen oder untergesetzlichen Vorschriften, welche die Teilnahme von Einwanderem am Sport regeln. Es lassen sich also weder positive, die Teilnahme fördernde, noch negative, die Teilnahme beschränkende, staatliche Regeln finden. Lediglich in Großbritannien und in Luxemburg bestehen Gesetze, die allen Bürgern, einschließlich dort wohnender Ausländer, u. a. ein Recht auf sportliche Betätigung einräumen. In Großbritannien ist dies der "Racial Relations Act", welcher bezweckt, alle Formen von Diskriminierungen, einschließlich derjenigen auf sportlichem Gebiet, zu beseitigen, während ein luxemburgisches Sportgesetz das Recht auf freie sportliche Betätigung eines jeden nur in Übereinstimmung mit den Regeln der Sportverbände vorsieht. 819 Auch in bilateralen oder multilateralen staatlichen Abkommen, die den Sport miteinbeziehen, lassen sich keine Bestimmungen finden, welche die Sportteilnahme von Einwanderem fördern oder hemmen. Die Mitgliedstaaten haben sich somit einer selbständigen Regelung dieser Frage enthalten. Die Studie des Europarates weist jedoch nach, daß die Staaten einer Förderung der Sportteilnahme jener Bevölkerungsgruppe grundsätzlich positiv gegenüberstehen, da in diesem Zusammenhang stets auf Art. 1 der Europäischen Charta "Sport für alle" verwiesen wird, wo ein allgemeines, allerdings unverbindliches Recht auf sportliche Betätigung verbrieft ist. 82o

4. Drittwirkung der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote

Nachdem staatliche Regeln keine Teilnahmebeschränkungen für Wauderarbeitnehmer oder ihre Familienangehörigen vorsehen, sondern dies nur in Satzungen und Ordnungen privatrechtlicher Sportverbände der Fall ist, müßten die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote auch gegenüber diesen privaten Institutionen zur Anwendung kommen, um solche Beschränkungen auszuschließen. a) Berufssport Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Walrave/Koch gegen UCI gilt das Verbot unterschiedlicher Behandlung tatsächlich nicht nur für Akte staatlicher Behörden, sondern erstreckt sich auch auf 818

Council of Europe, Sport for immigrants, 1. Seminar, Lisboa, December 1979,

s. 70 ff. 819

820

Vgl. Council of Europe (FN. 818), S. 72. Vgl. Council of Europe (FN 818), S. 72; ferner Ziff. B II 3 a.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthalten. 821 Nach Auffassung des EuGH, die im Urteil Dona/Mantero bestätigt wurde, 822 unterliegen somit die im Profisport bestehenden Ausländerbeschränkungen den europarechtlichen Diskriminierungsverboten. Anderenfalls wäre die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr - eines der in Art. 3 c EWGV genannten wesentlichen Ziele der Gemeinschaft- gefährdet, wenn die Beseitigung der staatlichen Schranken dadurch in ihren Wirkungen wieder aufgehoben würde, daß privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungen kraft ihrer rechtlichen Autonomie derartige Hindernisse aufrichteten. 823 Da im übrigen die Arbeitsbedingungen je nach Mitgliedstaat einer Regelung durch Gesetze und Verordnungen oder durch Verträge oder sonstige Rechtsgeschäfte, die von Privatpersonen geschlossen oder vorgenommen werden, unterworfen sind, bestünde bei einer Beschränkung auf staatliche Maßnahmen die Gefahr, daß das fragliche Verbot nicht einheitlich angewandt werden würde. Diese Überlegungen des EuGH finden breite Zustimmung. 824 Allerdings genügt es nicht, wie es Generalanwalt Warner getan hat, zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses auf die allgemeine Fassung des Art. 48 EWGV zu verweisen. 825 Denn grundsätzlich wendet sich der EWG-Vertrag an die Mitgliedstaaten (Art. 227 EWGV), so daß bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte die Allgemeinheit einer Regelung eher für eine alleinige Bindung der Mitgliedstaaten spricht. 826 Ausgehend vom Wortlaut des Art. 48 EWGV in Verbindung mit Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 1612/68 und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks dieser Vorschrift sind in ihr solche Anhaltspunkte jedoch enthalten. Art. 48 Abs. 2 EWGV sieht eine Gleichbehandlung in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen vor. Da in einigen Mitgliedstaaten der Grundsatz der Tarifautonomie, wie z. B. in der Bundesrepublik Deutschland, gilt, wonach wie vom EuGH angesprochen - die Arbeitsbedingungen zum Großteil nicht staatlicherseits festgelegt, sondern von juristischen Personen des Privatrechts z. B. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden - ausgehandelt werden, 827 bliebe Art. 48 Abs. 2 EWGV in den betreffenden Mitgliedstaaten ohne Anwendung und völlig wirkungslos. Daß eine solche Auslegung nicht dem Sinn und EuGHE 74, 1405 ff. (1419 f.) - RS 36/74 "Wa1rave/Koch". EuGHE 76, 1333 ff. (1341)- RS 13/76 "Dona/Mantero". 823 EuGHE 74, 1405 ff. (1419 f.)- RS 36/74 "Walrave/Koch". 824 U. a. Stadler, S. 61 f.; Streil, in: Beutler u. a., Die Europäische GemeinschaftRechtsordnung und Politik-, 3. Aufl. 1987, S. 231; Bleckmann, S. 150; Schweitzer, S. 79; Bleckmann, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 7 Rdnr. 29 m. w. N. 825 Generalanwalt Wamer, EuGHE 74, 1405 ff. (1425) - RS 36/74 "Walrave/Koch". 826 Feige, S. 53, 59 f. zum entsprechenden Problem bei Art. 7 EWGV. 827 Stadler: zu Frankreich S. 266, zu Großbritannien S. 324 f.; vgl. auch Art. 6 der Europäischen Sozialcharta (FN 328). 821

822

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Zweck dieser Vorschrift entspricht, läßt sich auch aus Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 1612/ 68 schließen, der ausdrücklich dieses gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot auf alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen erstreckt. 828 Entgegen der Ansicht von Generalanwalt Warner handelt es sich bei der Regelung des Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 1612/68 um keine Erweiterung des Geltungsbereichs des Art. 48 Abs. 2 EWGV. 829 Es trifft zu, daß eine Verordnung den Anwendungsbereich von Vertragsbestimmungen nicht auszudehnen vermag. Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 1612/68 dient in dieser Hinsicht aber lediglich der Präzisierung und Klarstellung einer entsprechenden Auslegung des Art. 48 Abs. 2 EWGV. 830 Die im deutschen Arbeitsrecht herrschenden Grundsätze, wonach Grundrechte, wozu auch die unmittelbar anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote gezählt werden können, 83 1 im Rahmen privater Arbeitsverhältnisse angesichts des dem Verhältnis Staat- Bürger ähnlichen Machtgefalles in der Beziehung Arbeitgeber - Arbeitnehmer ebenfalls gelten, 832 stimmen hiermit überein. Der Europäische Gerichtshof beschränkte die Drittwirkung jedoch nicht nur auf das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis, sondern dehnte sie mit derselben Argumentation auf den Dienstleistungsbereich aus. 833 Zuvor hatte die Kommission eine entsprechende Auslegung noch mit der Begründung abgelehnt, daß die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr nur die Abschaffung solcher Diskriminierungen vorsähen, die sich aus Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten bzw. "aus innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder vorher zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünften abgeleiteten Verwaltungsverfahren und -praktiken" ergäben (Art. 54 Abs. 3 c EWGV). 834 Über dieses Vorbringen der Kommission setzte sich der EuGH damit hinweg, daß er einmal auf die allgemeine Fassung des Art. 59 EWGV Bezug nahm, was, wie gesehen, nicht sehr überzeugend ist, 835 und des weiteren ausführte, daß die in Art. 59 EWGV genannten Leistungen sich ihrer Natur nach nicht von den in Art. 48 EWGV erwähnten unterschieden. Allein der Unterschied, daß die einen außerhalb eines Arbeitsvertrages erbracht 828 EG-Kommission, EuGHE 74, 1405 ff. (1416) RS 36/74 "Walrave/Koch"; VO Nr. 1612/68 (FN 508). 829 Generalanwalt Warner, EuGHE 74, 1405 ff. (1425)- RS 36/74 "Walrave/Koch". 830 Preis, S. 52; Karpenstein, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Auf!. 1983, Art. 48 Rdnr. 23. 831 Bleckmann, in: Gedächtnisschrift für C. Sasse, Bd. 2, S. 665 ff. 832 Vgl. u. a. BAG NJW 1978, S. 1874 f.; weitere Nachweise bei Hesse, S. 139 ff. 833 EuGH (FN 821). 834 Kommission, EuGHE 74, 1405ff. (1411) RS 36/74 "Walrave/Koch". 835 Vgl. Feige (FN 826).

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

werden, könne es nicht rechtfertigen, den Freiheitsraum, den es zu wahren gelte, enger zu fassen. 836 So nachvollziehbar diese Begründung des Europäischen Gerichtshofes sein mag, überzeugender erscheint in diesem Fall die Argumentation Generalanwalt Warners. 837 Nach seiner Ansicht treffe es zwar zu, daß in einigen auf Art. 59 EWGV folgenden Vorschriften Hinweise auf von Seiten der Mitgliedstaaten erlassene Beschränkungen enthalten seien. Andererseits wiesen aber Art. 59 und 63 EWGV keine solchen Anhaltspunkte auf. Im übrigen handele es sich bei Art. 59 EWGV kraft der in Art. 60 Abs. 1 EWGV enthaltenen Definition um einen Auffangtatbestand, der alle Dienstleistungen erfasse, "die in aller Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen". Zutreffenderweise könne es aber nicht sein, daß ein solcher Auffangtatbestand gegenüber einem engeren Personenkreis Bindungswirkung entfalte als eine der Vorschriften, der er im Vertragstext folge. Wie Beschränkungen in Sportverbandssatzungen, die selbständig tätige Sportler, wie z. B. Boxer oder Reiter, betreffen, zu behandeln sind, wurde vom Europäischen Gerichtshof nicht ausdrücklich entschieden. Aus der Nennung des Art. 7 EWG-Vertrag, des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Gemeinschaftsrechts, im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Geltung der Art. 48 und 59 EWGV auf nichtstaatliche Maßnahmen kollektiver Art, 838 läßt sich der Schluß ziehen, daß der EuGH allen Vorschriften, welche die Freiheit des Personenverkehrs betreffen und somit auch dem Niederlassungsrecht aus Art. 52 EWGV, Drittwirkung zusprechen wollte, was durch die Erwähnung von Art. 3 c EWGV, der den gesamten Personenverkehr betrifft, zusätzlich bestätigt wird. 839 Die Systematik des EWG-Vertrages, wonach Art. 52 EWGV in bezug auf Selbständige die entsprechende Regelung wie Art. 48 EWGV in bezugauf Arbeitnehmer trifft und beide zusammen die Freiheit des Personenverkehrs regeln, 840 erfordert gleichfalls die Geltung von Art. 52 EWGV gegenüber nichtstaatlichen Regelungen kollektiver Art, wobei Beschränkungen der angesprochenen Art im Selbständigenbereich aufgrund des in der Regel fehlenden Machtgefälles jedoch seltener anzutreffen sind und dann meist auch andere Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie Diplome oder Sprachkenntnisse, betreffen. 84 1 EuGHE 74, 1405 ff. (1420) - RS 36/74 "Walrave/Koch". Generalanwalt Wamer, EuGHE 74, 1405 ff. (1425)- RS 36/74 "Walrave/Koch". 838 EuGHE 74, 1405 ff. (1419) RS 36/74 "Walrave/Koch". 839 Stadler, S. 62. 840 Troberg, in: von der Groeben, u. a ., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 5258 Vorbem. Rdnr. 1 und Art. 52 Rdnr. 19. 841 V gl. aber z. B. Lizensierungssystem bei Radrennfahrern (FN 614) oder bei Boxern; allgemein hierzu Troberg, in: von der Groeben u. a., EWG-Kommentar, 3. Aufl. 1983, Art. 52- 58 Vorbem. Rdnr. 3. 836 837

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts

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Die den Profisport betreffenden Beschränkungen in den Ordnungen der Sportverbände werden somit von den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten erlaßt. b) Amateursport

Im Amateurbereich verstoßen die für auswärtige EG-Angehörige bestehenden Beschränkungen gegen Art. 7 EWGV, das allgemeine Diskriminierungsverbot In seinen Urteilen (RS 36174 und RS 13176) sprach der Europäische Gerichtshof zwar an, daß auch Art. 7 EWGV im Verhältnis zu Privaten zu berücksichtigen sei, doch bezog sich dies nur auf Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthalten. 842 Der Freizeitsport z. B. der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vollzieht sich aber gerade nicht auf diesem Sektor. Die betroffenen Vorschrifen in den Ordnungen der Sportverbände sind demzufolge zwar auch kollektive Regeln, beziehen sich aber auf den Freizeit- und nicht den Arbeits- und Dienstleistungsbereich. Auf der anderen Seite ist die vom EuGH angewandte Argumentation auch auf diesen fraglichen Sportsektor übertragbar. Denn auch hier wäre die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr - eines der in Art. 3 c EWGV aufgeführten wesentlichen Ziele der Gemeinschaft - gefährdet, wenn die Beseitigung staatlicher Schranken dadurch in ihren Wirkungen aufgehoben würde, daß privatrechtliche Vereinigungen oder Einrichtungenkraft ihrer rechtlichen Autonomie auf einem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts derartige Hindernisse aufrichteten bzw. beibehielten. Neben dieser Gefahr eines Unterlaufens der Gemeinschaftsregelung könnte ferner für die Geltung des Art. 7 EWGV im Privatrechtsverkehr seine allgemeine Fassung und der Umstand sprechen, daß er keine Beschränkungen hinsichtlich des Adressatenkreises enthält. 843 Wie schon erwähnt, 844 geben diese Argumente allein jedoch keinen Aufschluß über eine mögliche Drittwirkung dieser Vorschrift, da sich die Vertragsnormen in erster Linie an die Mitgliedstaaten wenden und somit die nicht ausdrückliche Erwähnung eines speziellen Adressatenkreises eher auf die Mitgliedstaaten als Adressaten als auf andere schließen läßt. Daß sich die Regelung des Art. 7 EWGV ursprünglich unter den Wettbewerbsvorschriften befand, läßt ebenfalls keinen Rückschluß auf seine Geltung unter Privaten zu. 845

842 843 844 845

EuGH (FN 821) und 822). Bode, S. 299; Eh1e, Bd. 1 Art. 1, Rdnr. 17. Vgl. Feige (FN 826). Feige, S. 60 m. w. N.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

Das Argument Bades, aus dem Rechtsgedanken des Art. 90 EWGV folge die Drittwirkung von Art. 7 EWGV, 846 geht von einer falschen Prämisse aus. Wenn Art. 90 EWGV öffentlichen Unternehmen verbiete, dem Art. 8 EWGV widersprechende Maßnahmen zu treffen, dann dürfe dies privaten Unternehmen erst recht nicht gestattet sein. Übersehen wird dabei aber, daß sich Art. 90 EWGV ausdrücklich nur an die Mitgliedstaaten und nicht, auch nicht indirekt, an öffentliche Unternehmen wendet. 847 Möglicherweise bietet auch Art. 3 f. EWGV neben Art. 3 c EWGV einen Anhaltspunkt für die Drittwirkung des Art. 7 EWGV, indem jene Vorschrift den Schutz vor Verfalschungen des Wettbewerbs als Gemeinschaftsaufgabe bezeichnet und Wettbewerbsverfalschungen diskriminierender Art in großer Zahl auch durch Personen des Privatrechts erfolgen. Um derartige Wettbewerbsbehinderungen zu erfassen, wurden aber gerade die Art. 85 f. EWGV geschaffen, die sich schon von ihrem Wortlaut her auch an private Adressaten wenden und zudem weiter als Art. 7 EWGV gefaßt sind, da sie nicht nur die auf der Staatsimgehörigkeit beruhenden Beschränkungen erfassen. 848 Auf diesem Sektor kommt Art. 7 EWGV somit gar keine selbständige Bedeutung zu, weshalb hieraus auch kein Schluß auf seinen Adressatenkreis gezogen werden kann. Somit bleibt die Argumentation des EuGH, die sich im wesentlichen auf eine Auslegung der Grundsatznorm des Art. 3 c EWGV stützt, die überzeugendste für die Begründung einer Drittwirkung des Art. 7 EWGV. 849 Art. 3 c EWGV sieht die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr vor. Dies soll nach Maßgabe des Vertrags erfolgen, das heißt u. a. auch nach Maßgabe des Art. 7 EWGV. Hindernisse für den Personenverkehr können sowohl auf staatlichen als auch auf privaten Regelungen beruhen. In erster Linie wendet sich diese Vorschrift an die Mitgliedstaaten und verlangt von ihnen die Beseitigung entsprechender Beschränkungen. Eine Auslegung dieser Norm, die sich hierauf beschränken würde, wäre jedoch unvollkommen. Die Gemeinschaftsaufgabe bezweckt, die Freiheit der Verkehrsströme, einschließlich der Freizügigkeit, vollständig herzustellen, 850 u. a. um das Ziel der Gemeinschaft, engere Beziehungen zwischen ihren Staaten und Völkern zu fördern (Art. 2 und Präambel EWGV), zu verwirklichen. Dies kann jedoch nur erreicht werden, wenn neben der Beseitigung staatlicher auch die Beseitigung privatrechtlicher Hindernisse zu den Aufgaben der Gemeinschaft zählt und damit ein Unterlaufen des Gemeinschaftsrechts durch private Regelungen verhindert, sowie eine einheitliche Anwendung der Vertragsvorschriften gewährleistet wird. 846 847 848 849 850

Bode, S. 299. Feige, S. 61. Vgl. bei Feige, S. 60, 62 f. Vgl. hierzu auch Rogalla/Neuhaus, EuR 1984, S. 203 ff. (205). Bleckmann, S. 144, 315; Rogalla/Neuhaus, EuR 1984, S. 203 ff. (205).

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts

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Die "Durchgriffswirkung" des Gemeinschaftsrechts, 851 d. h. die unmittelbare Anwendbarkeit einiger Vertragsbestimmungen und die damit verbundene Einstufung der Gemeinschaftsverträge als eigene Rechtsordnung legt dieses Ergebnis ebenfalls nahe. Denn hiermit wurde das Gemeinschaftsrecht als allgemein verbindlich nicht nur für die Staaten, sondern auch für die Bürger anerkannt. Ein weiteres Argument, das schon im Zusammenhang mit der Drittwirkung des Art. 59 EWGV genannt wurde, ergibt sich unmittelbar aus Art. 7 EWGV. Als allgemeines Diskriminierungsverbot ist Art. 7 EWGV gegenüber den Art. 48 ff., 52 ff. und 59 ff. EWGV subsidiär, d. h. die Vorschrift greift nur ein, soweit ein Sachgebiet, das zum Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zählt, von speziellen Diskriminierungsverboten nicht erlaßt wird. Art. 7 EWGV ist folglich als Auffangtatbestand anzusehen, der nicht enger ausgelegt werden kann als die spezielleren Normen. Nachdem aber bei den speziellen Diskriminierungsverboten eine Drittwirkung anerkannt ist, 852• 853 kann sie im Rahmen des allgemeinen Diskriminierungsverbots nicht abgelehnt werden. Sinn und Zweck des Art. 3 c EWGV, zu dessen Verwirklichung Art. 7 EWGV beitragen soll, und das Wesen des Art. 7 EWGV als allgemeines Diskriminierungsverbot gebieten somit dessen Drittwirkung. 5. Abwägung mit Gegenrechten der Sportverbände

Im Verhältnis zwischen Privaten ist zu berücksichtigen, daß auch dem Gegenüber Rechte zustehen. 854 Somit kann sich der einzelne zwar auch gegenüber anderen privaten Personen oder Institutionen auf das allgemeine gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot berufen, muß aber gewärtig sein, daß diese sich bei ihrem Tun ebenfalls auf gemeinschaftliche Grundsätze bzw. Grundrechte stützen. Als ein solches Gegenrecht kommt im betreffenden Fall der Grundsatz der Privatautonomie in Betracht. 855 In den EG-Mitgliedstaaten sind die Sportverbände, wie bei Ziff. C V 2 gesehen, anerkanntermaßen befugt, ihre Organisation und die Durchführung von Sportveranstaltungen sowie sportspezifische Verhaltensregeln selbständig, d. h. autonom, zu regeln. Insofern gebietet auch das Gemeinschaftsrecht die Aufrechterhaltung der Sportautonomie als allgemeinen Rechtsgrundsatz (Art. 215 EWGV). Man könnte so weit gehen, die Regelungen auf dem Sportsektor als eigene Rechtsordnung sportspezifischer Fragen anzusehen, die dem Gemeinschaftsrecht Nicolaysen, EuR 1984, S. 380 ff. (386). Vgl. Ziff. C V 4 a. 854 Bleckmann, S. 150. 855 Herzog, in: Smit/Herzog, The Law of the European Economic Community, 1984, vol. I , Art. 7, 7.06. 851

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

und dem staatlichen Recht in diesem Bereich vorgehen und hieran nicht gebunden sind. 856 Beispielhaft für seine These nennt Silance die Zulässigkeit des gegenseitigen Schiagens im Boxsport sowie die Anwendung von Fußballregeln auf während eines Spiels begangene Fouls. In seiner Ansicht fühlt er sich durch die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen "Walrave/Koch" und "Dona/Mantero" 857 bestätigt, da dort der Gerichtshof die Anwendung von Gemeinschaftsrecht auf die Zusammensetzung von Nationalmannschaften ablehnte, obwohl die dabei eingesetzten Sportler zumeist Profis seien. Allerdings schloß der EuGH die Bildung von Nationalmannschaften nur deshalb aus dem gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich aus, weil hierbei sportliche Gesichtspunkte überwiegen würden und diese keine Gemeinschaftszuständigkeit begründen könnten. 858 Er äußerte sich aber weder dazu, daß die Zusammenstellung einer Nationalmannschaft immer aus dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle, noch dazu, daß Sportregeln stets dem Gemeinschaftsrecht vorgingen. Die genannten Entscheidungen lassen viel eher den Schluß zu, daß der Gerichtshof durch Anwendung der Freizügigkeitsregeln auf den Profisport den Sport nicht als einen vom europäischen bwz. staatlichen Recht freien Raum betrachtet. Zwar ist der Sport grundsätzlich durch Kategorien der Freiwilligkeit, der Beliebigkeit des Spiels oder durch dessen privaten, freizeitliehen Charakter zu kennzeichnen. Andererseits hat sich der Sport im Laufe der letzten Jahre aber auch zu einer öffentlichen Aufgabe entwickelt. 859 Sportliche Betätigung soll u. a. der Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung sowie der Vermittlung sozialer Grundwerte dienen. 860 Ohne staatliche Unterstützung sind Sportverbände und -vereine heute nicht mehr in der Lage, diese umfassenden Aufgaben wahrzunehmen. Dementsprechend wird der Sport staatlicherseits gefördert. In der Bundesrepublik Deutschland wird beispielsweise Sportvereinen der Gemeinnützigkeitsstatus zuerkannt, was steuerliche Vorteile zur Folge hat. 861 Der Staat unterhält außerdem Sportmedizinische Forschungsstellen und betreibt die sportpädagogische Ausbildung an Hochschulen. 862 Sportlich engagierte Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst genießen ferner, was ihre Dienstausübung betrifft, gewisse Privilegien bezüglich der Arbeitszeit. 863 Des weiteren greift der Staat dem Sport hauptsächlich finanziell Luc Silance, Journal des Tribunaux 1977, S. 289 ff. (295). EuGH (FN 390 bzw. 391). 858 Vgl. Ziff. C IV 2 a. 859 Burmeister, DÖV 1978, S. 1 ff. (4); Stern, S. 142 f.; Steiner, DÖV 1983, S. 173 ff. (176); Lamberti, Giurisprudenza di Merito 1978, S. 1009 ff. (1024). 860 Im einzelnen vgl. Ziff. A li 1 - 3. 861 Vgl. §§51- 68 Abgabenordnung; im einzelnen hierzu Weisemann (FN 414) sowie 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 65 ff. 862 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 40 ff. 856

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unter die Arme. So errichtet und unterhält die öffentliche Hand Sportstätten jeder Art und unterstützt die Sportverbände auch in sonstiger Weise finanziell, u. a. durch Förderung spezieller Projekte oder Einrichtung staatlicher Lotterien, deren Erlöse dem Sport zugutekommen. 864 An der Vielfalt staatlicher Fürsorge- und Unterstützungsmaßnahmen ist erkennbar, daß das Gemeinwesen gegenüber dem Sport inzwischen eine Pflichtenstellung und eine Garantiefunktion einnimmt. 865 Hieraus und aus der Qualifizierung des Sports als öffentliche Aufgabe läßt sich der Schluß ziehen, daß der Standort des Sports nicht mehr nur in der Privatsphäre des einzelnen bzw. der Verbände anzusiedeln ist. Das heißt, daß der Sport sich nicht im rechtsfreien Raum, nicht außerhalb der staatlichen Rechtsordnung bewegt. 866 Trotz des Selbstverwaltungsrechts der Verbände im Sport sind die dort bestehenden Regeln und Vorschriften an der einzelstaatlichen und auch der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsordnung und den darin enthaltenen Rechten einzelner zu messen. Dabei bietet die öffentliche Förderung des Sports und der damit einhergehende teilweise Autonomieverlust der Sportverbände allein keinen ausreichenden Anlaß, den Grundrechten einzelner generell im Verhältnis zur Selbstregelungsbefugnis der Sportverbände Vorrang einzuräumen. 867 Der Staat hat in diesem Zusammenhang lediglich die Möglichkeit, seine Unterstützung der Sportverbände von der Erfüllung gewisser Auflagen, wie z. B. der Einhaltung von Einzelgrundrechten, abhängig zu machen, um im Falle der Nichterfüllung seine Förderung einzustellen. 86s. Grundsätzlich ist die Verbandsautonomie zur Regelung sportspezifischer Fragen, in deren Rahmen Ausländerbeschränkungen errichtet werden, mit dem gemeinschaftsrechtlich normierten Diskriminierungsverbot abzuwägen. In diese Abwägung ist die Monopolstellung der Sportverbände miteinzubeziehen. Wie bereits unter Ziff. C II 6 b) (2) (c) angesprochen, genießen die einzelnen nationalen Sportverbände in ihrer jeweiligen Sportart eine unangefochtene, international abgesicherte Monopolstellung. 869 Der einzelne sportinteressierte Bürger ist vor 863 Vgl. § 15 Abs. 1 Bremer Sportförderungsgesetz vom 5. 7. 1976 (GBI. S. 173); 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 60 ff. 864 Steiner, DÖV 1983, S. 173 ff. (178), dort FN 56; Rigauer, S. 229; insgesamt hierzu 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86; zur ähnlichen Situation in anderen EG-Mitgliedstaaten vgl. Mevert (FN 811). 865 U. a. Stern, S. 142. 866 U. a. Burmeister, DÖV 1978, S. 1 ff. (4); Stern, S. 144; Lamberti, Giurisprudenza di merito 1978, S. 1009 ff. (1024). 867 Rigauer, S. 299 f., der von "Autonomieverlust" spricht; Steiner (1980), S. 9. 868 Steiner (1980), S. 15. 869 Ebenso Kurtze, S. 104- 106.

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C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

allem im Bereich des Wettkampfsports auf die Mitgliedschaft in einem Sportverein und Sportverband angewiesen. Ansonsten wäre er faktisch an der Ausübung von Wettkampfsport gehindert. Da viele Sportanlagen zwar mit öffentlichen Mitteln gebaut werden, aber in Vereinseigentum stehen, ist für das Betreiben von Sport auch aus diesem Gesichtspunkt heraus eine Vereinsmitgliedschaft notwendig. Sobald ein Sportler Mitglied eines Vereins wird, unterwirft er sich damit automatisch auch dem Verbandsrecht des jeweiligen Sportverbandes. Denn Mitglieder der einzelnen Verbände sind die die betreffende Sportart betreibenden Sportvereine, die sich mit Beitritt zu einem Verband, dessen Satzung und Ordnungen (u. a. Spielordnung und Rechts- und Verfahrensordnung) auch mit Wirkung für ihre Einzelmitglieder zu unterwerfen haben. 870 Die Beziehungen zwischen Sportler und Verband entsprechen nicht dem Verhältnis der Gleichordnung, sondern sie können als ein Gewaltverhältnis charakterisiert werden. 871 So unterliegen beispielsweise Vereinsmitglieder u. a. bei Verstößen gegen Strafbestimmungen der Verbandsspielordnung einer speziellen Verbandsrechtsprechung. 872 Aufgrund der Ausübung sozialer Macht, 873 der Repräsentation von Gruppeninteressen, der Eingliederung in die staatliche Finanzmittelverteilung sowie die ersatzweise Wahrnehmung staatlicher Funktionen ähnelt die Stellung der Sportverbände derjenigen des Staates gegenüber seinen Bürgern. 874 Dementsprechend besteht der Hauptunterschied zwischen der vereinsrechtlichen und der staatsrechtlichen Stellung eines Bürgers allein darin, daß er bei der ersteren "autonomem Recht gesellschaftlicher Institutionen, welches der Staat gelten läßt", unterworfen ist, während er bei letzterer unmittelbar der Staatsgewalt gegenübersteht. 875 Der freiheitsreduzierende Effekt, dem für die Frage der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des Individuums primäre Bedeutung zukommt, ist in beiden Fällen jedoch der gleiche. 876 Deshalb ist es erforderlich, die Regelungsbefugnis der Verbände anhand der Freiheitsrechte einzelner zu korrigieren und dem Recht des einzelnen je nach Schwere der Beschränkung durch das Verbandsrecht Vorrang vor dem Selbstverwaltungsrecht der Verbände einzuräumen. 870 Vgl. z. B. §§ 6 und 10 a Satzung des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) vom 1. 6. 1986, wonach sich Vereine und deren Mitglieder verpflichten, die satzungsund ordnungsrechtlichen Bestimmungen des WFV und des DFB einzuhalten und sich ihnen in einer vereinseigenen Satzung auch mit Wirkung für die Einzelmitglieder zu unterwerfen. 871 Bode, S. 299; Burmeister, DÖV 1978, S. 1 ff. (4); Stern, S. 151. 872 Vgl. z. B. § 2 Rechts- und Verfahrensordnung des Württembergischen Fußballverbandes. 873 Bode, S. 299. 874 Steiner (1980), S. 9; Reuter, in: Rebmann/Säcker (Hrsg.): BGB -Allgemeiner Teil, vor§ 21 BGB, Rdnr. 121 ff. 875 Stern, S. 151. 876 Stern, S. 151.

V. Normadressaten des Gemeinschaftsrechts

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Dabei sind die Rechte des einzelnen desto höher einzustufen, je weiter die in Frage stehende Aktivität vom staatlich institutionalisierten Hochleistungssport mit seiner Repräsentationsfunktion entfernt ist. 877 Denn durch die Ausübung von Spitzensport und der oftmals damit einhergehenden Förderung durch den Staat bzw. durch private staatlich unterstützte Institutionen, wie z. B. in der Bundesrepublik Deutschland die Deutsche Sporthilfe, 878 entledigt sich der Sportler des rein privaten Charakters seiner Betätigung und unterwirft sich gleichzeitig dem bestehenden öffentlichen Interesse an seiner Sportausübung, was zu einer stärkeren Einbindung und Beschränkung seiner Rechte führt. 879 6. Zwischenergebnis für den Bereich des unterklassigen Wettkampf- und Freizeitsports

Entsprechend diesen Grundsätzen läßt sich die Frage der Geltung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots gegenüber privaten Sportverbänden zumindest im Bereich des Freizeit- und unterklassigen Wettkampfsports entscheiden. Zum einen handelt es sich bei den bestehenden Ausländerbeschränkungen um gravierende Eingriffe in das Gleichbehandlungsgebot Denn die fraglichen Klauseln kommen in den Fällen, in denen das zulässige Ausländerkontingent erschöpft ist, faktisch einer Aufnahmebeschränkung für Ausländer gleich. Des weiteren ist der unterklassige Wettkampf- und Freizeitsport fern staatlicher Repräsentationsaufgaben oder dergleichen anzusiedeln. 880 Dies hat zur Folge, daß auf diesem sportlichen Sektor die Rechte des einzelnen zu beachten sind und somit trotz der grundsätzlich bestehenden autonomen Regelungsbefugnis der Sportverbände hier das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot gilt. 7. Autonome Regelung sportspezifischer Angelegenheiten im Berufs- und Hochleistungssport

Im Bereich des Profi- und Hochleistungssports scheint sich die Lageangesichts dessen Repräsentationsstellung anders darzustellen. Wie in Ziff. C V 2 aufgezeigt, sind die Sportverbände der EG-Staaten befugt, sportspezifische Angelegenheiten autonom zu regeln. 881 Fraglich ist, ob die hierStern, S. 152 u. 155. Vgl. 6. Sportbericht der Bundesregierung, 1986, BR-Drs. 490/86, S. 69 f. 879 Stern, S. 152. 880 Vgl. hierzu Ziff. A Il 3. u. 4. 881 Vgl. auch Baecker (FN 812), sowie Stern, Voraussetzungen und Grenzen der Verbandsautonomie aus der Sicht des Öffentlichen Rechts, Frankfurt/M. 1979. 877

878

176

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

auf beruhenden Ausländerklauseln, welche die Teilnahme von Ausländern am Wettkampfsport beschränken, überhaupt wesenstypische Regelungen des Sports beinhalten. Ausländerklauseln beziehen sich auf die wettkampfmäßige Ausübung des Sports. Insofern betreffen sie einen sporttypischen Bereich, der grundsätzlich durch die Sportverbände autonom geregelt werden darf. Wenn man jedoch konkret auf die Zulassung von Ausländern zum Wettkampfsport abhebt, so ist dieser Punkt sicher nicht von sportspezifischer Bedeutung. 882 Derartige Beschränkungen sind zwar zahlreich, auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Wettkämpfe, bei denen die Abstammung bzw. die Staatsangehörigkeit der jeweiligen Teilnehmer unerheblich ist. 883 Eine Rechtfertigung entsprechender Teilnahmebeschränkungen unter Berufung auf das Wesen des Sports käme allenfalls im Spitzensport in Betracht, wo die Ausspielung und der Wettstreit um nationale Meistertitel und damit verbundene Repräsentanz in internationalen Wettbewerben ansteht. 884 Auf diesem engen Gebiet des Spitzensports besteht in der Tat ein berechtigtes Interesse des Sports an der Aufrechterhaltung gewisser Ausländerbeschränkungen trotz der bereits in Ziff. C III 1 e geäußerten Zweifel an der generellen Geeignetheil der Ausländerklauseln hierzu. Zum einen werden in jeder Sportart, auch wenn bereits nationale Meisterschaften mit internationaler Beteiligung ausgetragen wurden, zusätzlich noch rein nationale Meister gekürt. Im übrigen dienen nationale Meisterschaften häufig als Qualifikationen für Wettbewerbe auf internationaler Ebene (z. B. Olympiaden), bei denen die Teilnahme aber auf Staatsangehörige des jeweilig vertretenen Landes beschränkt ist. Ähnlich der Situation bei Nationalmannschaften 885 ist es derzeit noch eine sportliche Grundregel, 886 die von der gemeinschaftsrechtlichen Selbstverwaltungsbefugnis der Sportverbände gedeckt wird, nationale Meisterschaften als notwendige Vorstufe internationaler Repräsentanz weitgehend unter Ausschluß von Staatsangehörigen anderer Länder auszurichten. Entsprechend der Integrationsentwicklung ist es jedoch absehbar, daß diese noch als solche anerkannte Besonderheit des Spitzensports ähnlich der Lage auf dem Gebiet des unterklassigen Wettkampf- und Freizeitsports überholt wird. Auf diesem Sektor verlangt das Wesen des Sports bzw.die Aufrechterhaltung eines geordneten Sportbetriebs nämlich keinesfalls die Beschränkung der Teilnehmerzahl von Ausländern. Solche Regeln widersprechen vielmehr den spezifi882 883

s. 96. 884

885 886

Preis, S. 53. Z. B. regionale oder internationale Meisterschaften, vgl. Preis, S. 53, oder Hilf, Garrigues, S. 589. Vgl. Ziff. C IV. Schweitzer, S. 85.

VI. Rechtsschutz

177

sehen Anforderungen, die in diesem Beeich an den Sport gestellt werden, wie z. B. die Ausübung sozial integrierender Funktionen. 887 Bei der Festlegung von Ausländerkontingenten im Wettkampfsport handelt es sich somit- mit Ausnahmen für die im Spitzensport ausgetragenen nationalen Meisterschaften - um keine sportspezifischen Angelegenheiten und keine für den Sport wesenstypische Frage, die der Autonomie der Sportverbände im Kollisionsfan vorrangig vorbehalten wäre. Der Erlaß solcher Beschränkungen durch die Sportverbände wird deshalb in der Regel nicht durch ihre autonomen Regelungsbefugnisse geschützt, weshalb sie insoweit der Kontrolle durch die staatliche und gemeinschaftliche Rechtsordnung unterliegen. 8. Fazit

Im Bereich des unterklassigen Wettkampf- und Freizeitsports genießt das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot wegen der Monopolstellung der Sportverbände, mangelnder Repräsentationsfunktion des Sports in diesem Bereich und damit zusammenhängend dem Fehlen einer sportspezifischen Bedeutung der Ausländerklauseln für diesen Sportsektor generellen Vorrang vor anderslautenden Verbandsbestimmungen, die deshalb wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht rechtswidrig und unanwendbar sind. 888 Wegen vorrangiger internationaler Repräsentationsfunktionen des Spitzensports und damit verbundener Regelung einer für den Spitzensport wesenstypischen Frage, nämlich der Herkunft nationaler Meister, treten die auf diesem Sektor eingreifenden gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote derzeit noch hinter das gleichsam geschützte Recht der Sportverbände auf autonome Regelung ihrer sportspezifischen Angelegenheiten zurück.

VI. Rechtsschutz Soweit Verbandsbestimmungen gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, müssen die jeweiligen Sportverbände Klagen betroffener Sportler oder Vereine gewärtig sein oder ein Einschreiten der Kommission befürchten. I. Klagen einzelner Sportler bzw. Vereine

Weder gemeinschaftsangehörige Sportler, die unzulässigerweise vom Wettkampfspoft ausgeschlossen sind, noch Sportvereine, die gegenjene Beschränkun887 888

Vgl. Ziff. A II 3 u. 4. Hilf, S. 98.

12 Klose

178

C. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Sport

gen vorgehen wollen, haben die Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof direkt anzurufen. Eine Befassung des EuGH mit jenem Problem ist für sie nur über ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWGV erreichbar. Der betroffene Sportler müßte vor einem nationalen Gericht unter Berufung auf die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote auf Aufnahme in einen Verein bzw. Teilnahme am Wettkampfsport klagen. Sobald der beklagte Sportverein seine Weigerung, den klagenden Gemeinschaftsangehörigen aufzunehmen bzw. am Spielbetrieb teilnehmen zu lassen, auf die Existenz von Ausländersperrklauseln stützt, kann bzw. muß der nationale Richter entsprechend Art. 177 EWGV die Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts in diesem Fall dem EuGH vorlegen. 889 Gleiches gilt, wenn ein Sportverein, der gegen die Ausländerklauseln verstoßen hat, vor einem nationalen Gericht gegen seinen Verband auf Aufhebung einer Sanktion 890 klagt, die dieser gegen ihn wegen Nichtbeachtung von Verbandsbestimmungen verhängt hat. 891

2. Prozessuale Möglichkeiten der Kommission

Entsprechend ihrer Aufgabe als Wächter der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten (Art. 155 EWGV) hat die Kommission nach Art. 169 EWGV die Befugnis, im Falle der Verletzung von Gemeinschaftsrecht vor dem EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Verklagt werden kann aber nur ein Mitgliedstaat und kein privater Sportverband. 892 Die Kommission müßte demzufolge gegen diejenigen Mitgliedstaaten vorgehen dürfen, die bisher die Praktizierung von vertragswidrigen Sportsatzungen bzw. Spielordnungen widerspruchslos hingenommen haben. 893 Da das Handeln von Privatpersonen den Mitgliedstaaten aber grundsätzlich nicht zurechenbar ist, ist die Zulässigkeil einer solchen Klage fraglich. 894 Auf der anderen Seite haben die Mitgliedstaaten in Art. 5 EWGV die Verpflichtung übernommen, "alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung" des Gemeinschaftsrechts zu treffen. Insoweit sind sie verpflichtet, auch bei privaten Sportorganisationen für die Einhaltung der gemeinSchweitzer, S. 80. Vgl. § 4 DFB-Rechts- und Verlahrensordnung sowie § 43 DFB-Satzung, die für das Spielenlassen eines nicht spielberechtigten Spielers Geldstrafen bis zu 10 000 DM und evtl. die Aberkennung von Punkten vorsehen. 891 Beispiele aus den Niederlanden bei Veth, S, 509 f., wo die Klagen allerdings ohne näheres Eingehen auf das Gemeinschaftsrecht wegen unerwiesener Beeinflussung des Spielausgangs abgewiesen wurden. 892 Karpenstein, S. 120; Schweitzer, S. 80; Hilf, S. 99. 893 Karpenstein, S. 120. 894 Vgl. Schweitzer, S. 81 f. 889

890

VI. Rechtsschutz

179

schaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote zu sorgen. 895 Stellt der EuGH im Zuge eines Verfahrens nach Art. 169 EWGV einen Verstoß eines Mitgliedstaates hiergegen fest, so hat dieser Staat bei den Sportverbänden die Abschaffung der Ausländersperrklauseln entweder im Wege entsprechender Gesetzesänderungen 896 oder durch sonstige, z. B. finanzielle Maßnahmen 897 sicherzustellen.

895 Hilf, S. 99; Karpenstein, S. 120; a. A. Schweitzer, S, 81 f., der eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten nur über eine Richtlinie zur Rechtsangleichung für möglich hält. 896 Hilf, S. 99. 897 Steiner (1980), S. 15.

12*

D. Zusammenfassung ZuA

1. Der Begriff der Europäischen Integration im Sinne eines fortschreitenden Prozesses europäischer Einheitsbildung ist eng mit der Entstehung und Entwicklung der heutigen Europäischen Gemeinschaft verbunden. 2. Auf der Grundlage des Funktionalismus wurden im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft supranationale Organisationen geschaffen. 3. Das Ziel der europäischen Einigung, die Europäische Union, soll unter anderem mit Hilfe eines Europas der Bürger erreicht werden, wozu der Sport ein Wegbereiter sein kann. 4. Aufgrund seiner gesellschaftlichen Bedeutung werden dem Sport sozial-integrative Funktionen zugeschrieben. 5. Innerhalb und zwischen offenen Kleingruppen ist die gemeinschaftsbildende Kraft des Sports um so größer, je geringer der jeweilige Sport professionalisiert und erfolgsorientiert ist. 6. Auf Nationenebene treten die grenzüberschreitenden kommunikativen und verständigenden Wirkungen des Sports um so stärker hervor, je weniger die einzelne Sportart der nationalen Repräsentanz dient. 7. Die Umstände, die einer Eingliederung von Ausländern ansonsten entgegenstehen, wie z. B. Sprachbarrieren und Klassenschranken, treten im Bereich des Sports zurück. 8. Rechtliche Hindernisse in Form von Ausländersperrklauseln, welche die Teilnahme von Gemeinschaftsangehörigen am Wettkampfsport beschränken, stehen einer weiteren Nutzbarmachung der integrativen Möglichkeiten des Sports im Wege.

Zu B

1. Das allgemeine Völkerrecht bietet keine Handhabe gegen Ausländerklauseln. 2. Den im Rahmen des Europarates auf dem Gebiet des Sports entfalteten Aktivitäten, insbesondere der Verabschiedung der Charta "Sport für alle", kommt moralisches Gewicht zu.

D. Zusammenfassung

181

Zu C 1. Trotz der Konkurrenz des Europarates befaßt sich die Europäische Gemeinschaft mit Fragen des Sports. 2. Ausgehend vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist der Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet des Sports beschränkt. 3. Neben sportlichen Betätigungen wirtschaftlicher Art (Berufssport) erlaßt der EWG-Vertrag auch solche sportlichen Aktivitäten, in denen sozial-integrative Aspekte im Vordergrund stehen (Freizeit- und unterklassiger Wettkampfsport von Gemeinschaftsangehörigen). 4. Die Ausländersperrklauseln im Bereich des Berufssports verstoßen je nachdem, ob die jeweilige Sportart unselbständig oder selbständig ausgeübt wird oder nur vorübergehend als Dienstleistung erbracht wird, gegen die speziellen gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote der Art. 48 ff., 52 ff. und 59 ff. EWGV. 5. Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV untersagt jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung sporttreibender Marktbürger im Bereich des Freizeit- und unterklassigen Wettkampfsports. 6. Für selbständig betriebenen Berufssport geltende Ausländerbeschränkungen stehen im Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften der Art. 85 f. EWGV. 7. Gemeinschaftsrechtliche Ausnahmevorschriften, wie insbesondere der ordre public-Vorbehalt, rechtfertigen nicht die Beibehaltung von Ausländersperrklauseln gegenüber Marktbürgern im Sport. 8. Wegen des gegenwärtig noch bestehenden eindeutigen Vorrangs sportlicher Gesichtspunkte gegenüber wirtschaftlichen und sozialen Aspekten zählt die Bildung von Nationalmannschaften nicht zum Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts. 9. Die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote beanspruchen Drittwirkung, wobei sie mit dem Recht der Sportverbände auf autonome Regelung sportspezifischer Angelegenheiten abzuwägen sind. 10. Gegen gemeinschaftswidrige Ausländerklauseln kann die EG-Kommission den Europäischen Gerichtshof nach Art. 169 EWGV anrufen, während Einzelpersonenden nationalen Klageweg mit der Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens des nationalen Richters an den Europäischen Gerichtshof beschreiten müssen.

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