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German Pages 344 Year 1861
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Geschichte
der
Kriege
in
Algier
von
Heim Lieutenant im Königl . 5. Ostpreussischen Infanterie-Regiment Nr. 41.
Erster Band.
2
Von der Schlacht bei Zama bis zum Fall von Constantine.
Mit zwei Karten und einem Plane,
Königsberg. Th. Theile's Buchhandlung ( Ferd. Beyer). 1861.
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1 B Staatasyerische biblio thek Münch en
Seinen jetzigen und ehemaligen Regimentskameraden
den Seconde - Lieutenants
v. Schlabrendorff, Riebes
und
v. Kozik
widmet vorliegenden Versuch als Zeichen treuer Freundschaft
Der Verfasser.
So wie der Mensch nur sagen kann : Hie bin ich! Dass Freunde seiner schonend sich erfreuen; So kann auch ich nur sagen: Nehmt es hin ! Göthe's Tasso.
Vorrede.
Seit einer Reihe von Jahren dem Studium der neue ren Kriegsliteratur mit Vorliebe ergeben ,
wage ich es
mit einer Arbeit über die französischen Kriege in Afrika vor die Oeffentlichkeit zu treten. Da ich die Unvoll kommenheit dieses
Versuchs
wohl fühle , glaube ich
einiger Worte der Erklärung oder Entschuldigung zu bedürfen. Eine Episode aus der Geschichte dieses Krieges, welche ich für die Behandlung in einem Vor trage bestimmte , die
Grenzen
wuchs
eines
mir unter den Händen über
solchen hinaus.
diese Arbeit die Dimensionen men ,
Aber auch seit
eines Buches angenom
würde ich mich mit der Ausbeute dieser Be
schäftigung für mich selbst begnügt haben, wenn nicht gerade in der letzten Zeit Frankreichs wachsende Mili tairmacht in den Vordergrund des öffentlichen Inter esses getreten wäre. Nachdem durch die Gefangennahme Abd - el- Kaders der unermüdlichste und gefährlichste Gegner der Fran zosen vom Schauplatz verschwunden war , hatten auch die alljährlich wiederkehrenden Expeditionen an Inter
VI esse verloren und beinahe Niemand gedachte ausser halb der Grenzen des französischen Reichs der gross artigen Anstrengungen, durch welche sich die Truppen jenes Landes darauf vorbereiteten, bei Gelegenheit eines europäischen Krieges ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale zu werfen . vor den Mauern
Die Ausdauer derselben
Sebastopols
zeigte
dem erstaunten
Europa zuerst, eine wie kampfgeübte und ausdauernde Truppe sich Frankreich in den Zuaven geschaffen und die Erfahrungen des Kampfes in Oberitalien bestätigten die diese von einer
von Neuem die Ueberlegenheit ,
heisseren Sonne gestählten Regimenter über europäische Armeen gewonnen haben . Möglich, dass auch die Zeit nicht fern ist, wo wir die altpreussische Tapferkeit mit der Gewandtheit jener Beduinenjäger im Kampfe sehen es daher dem Einen oder dem Andern meiner Kameraden nicht ganz uninteressant werden ,
und
dürfte
sein, sich vorher mit der Kampfesschule derselben ver traut zu machen.
Neuerdings hat der Marokkanische
Krieg wiederum die allgemeine
Aufmerksamkeit auf
den nördlichen Theil von Afrika gelenkt und auch die Waffenerfahrungen Frankreichs
an fernen Küsten von
Neuem in der Erinnerung belebt.
Von diesen Anschauungen geleitet , übergebe ich eine Arbeit der Oeffentlichkeit ,
welche ich im Gefühl,
dass sie deren sehr bedarf , der Nachsicht meiner Ka meraden empfehle. Königsberg. Im Juni 1860.
Der Verfasser.
Inhalt.
Seite Belisar. Zerstörung Carthagos. D Die Vandalen. Die arabischen Kalifen. Gründung von Algier. Ludwig IX . Chimenez. - Hoiuk und Hairaddin Barbarossa. ― Verunglück tes Unternehmen Francescos de Vero. - Zug des Marquis von Comares gegen Algier. - Karl V. in Afrika. - Admiral Duquesne bombardirt Algier. - Die Expedition Karls III. Admiral Decatur vor Algier. Vorschlag des Contreadmirals Lord Ex Sir Sidney Smith auf dem Wiener Congress. mouth bombardirt Algier
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Beschreibung der Regentschaft in geographischer , politi 30 scher und socialer Beziehung . Ursachen der französischen Invasion. - Frankreichs Rüstun 48 gen. - Abfahrt der Flotte . • Fahrt. -- Landung zu Sidi-Ferruch. Erster Kampf auf afrikanischem Boden. Gefecht von Staueli. - Gefecht bei Sidi-Kalef . 62 • Beschreibung des Kaiserschlosses. Eröffnung der Lauf 81 gräben und Eroberung des Forts . • • Unterhandlungen . -- Einzug in Algier. - Das Leben da selbst. ―――― Aimé Bourmont erobert Oran ; Damrémont Bona • 98 Zug des Marschalls Bourmont nach Blidah. - Eintreffen Abreise der Nachricht von der französischen Revolution. Bourmonts . • 102 Eintreffen Clauzels. - Ungünstiger Eindruck seiner Pro klamation. Zug nach Medeah. - Ueberschreiten des Passes Rückkehr von Teniah-de- Musaia. - Ankunft in Medeah. nach Blidah. - Schrecklicher Anblick dieser Stadt. Ein treffen in Algier 110
T VIII
Soite. Zweiter Zug nach Medeah. - Organisatorische Massregeln Clauzels. - Berthezène tritt an die Stelle Clauzels • 120 Duvivier rettet die Berthezènes Zug nach Medeah. Truppen. Folgen der verunglückten Expedition nach Me deah. ---- Vorgänge in der Provinz Constantine. -- Die Expe dition des Commandant Huder nach Bona. ― Das 21ste General Boyer. - Beschreibung Linienregiment in Oran. der Provinz Oran 125 Eintretende Aenderungen in der Verwaltung Algeriens. --
Savary, Herzog von Rovigo, wird Gouverneur von Algier. - Strassenbau. - Niedermetze Anlegung von Standlagern . lung des Stammes El-Uffia. Unternehmung gegen die Isser. - Absendung einer Kolonne nach Suk-Ali und einer zweiten • nach Coleah · Wortbrüchigkeit des Generals Savary. - Seine Abreise von Algier. - Abd-el-Kader. Sein Angriff auf Oran. Der General Boyer wird im Kommando durch Desmichels er setzt. Armandy in Bona. - Munk d'Uzer übernimmt den Oberbefehl in genanntem Ort . • Avizard führt intermistisch das Gouvernement. --- Ein richtung der arabischen Bureaus. ➖ Generallieutenant Baron Vollendung der ange Voirol wird Gouverneur von Algier. fangenen Strassen. - Expedition gegen Budschia. - Duvivier übernimmt das Kommando in dieser Stadt · . . Desmichels legt in der Gegend von Die Hadschuten . Oran ,,bei den Feigenbäumen“ ein Blockhaus an. -- Besetzung Abd-el-Kader erobert Tlem von Arsew und Mostaganem. sen. ― Tod Mahiddins. ― Der Emir greift die Franzosen in Mostaganem an. - Expedition gegen die Smelas. - Abd-el Kader kehrt nach Maskara zurück . • Eine wissenschaftliche Commission in Afrika. ---- Desmi Kampf in der Ebene Meleta. chels Brief an Abd-el-Kader. Der Friede wird abgeschlossen. Friedenspräliminarien. • Daraus hervorgehende Misshelligkeiten • Ereig Empörung einzelner Stämme gegen den Emir. nisse in Budschia . • Drouet d'Erlon Generalgouverneur. Stiftung des camp Unternehmung gegen die Hadschuten. - Der Jude d'Erlon. Durand in Algier. - Trézel ersetzt Desmichels im Kommando · in Oran •
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IX Seite. Neue Erschütterungen der Macht Abd-el-Kaders. -- Seine Verwaltungsmassregeln. - Sein Privatleben. - Trézel ver lässt Oran. Wiederbeginn des Krieges. Gefecht im Walde von Muley-Ismael. - Gänzliche Niederlage der Fran zosen an der Makta • 205 Folgen dieses unglücklichen Ereignisses. → Clauzel trifft am 10, August 1835 wiederum in Afrika ein und wird von Neuem Generalgouverneur. --- Expedition nach Medeah. Rapatels Zug gegen die Hadschuten. - Clauzels Expedition nach Maskara • · • 224 --Expedition nach Tlemsen. Beschreibung der Stadt. Cavaignac wird Kommandant des Platzes. - Kampf mit Abd el-Kader. - Gefecht am 10. Februar. ―― Einzug der Kolonne in Oran · • • 241 Unternehmung des Generals Perregaux in Oran. -- Aber malige Expedition nach Medeah. Anlage einer fahrbaren Strasse über den Engpass von Teniah. - Clauzels Abreise nach Paris. -- Gründung eines Lagers an der Ausmündung der Tafna. Kampf am 15. April. - General d'Arlanges er leidet beim Marabut von Sidi-Jagub eine Niederlage. -- In Folge hiervon ein bedeutendes Zuströmen zu der Armee Abd el-Kaders. - Medeah fällt in die Hände des Emirs. -- Die Hadschuten streifen bis vor die Thore Algiers . · · 250 Bugeaud wird nach der Provinz Oran geschickt. - Seine Ankunft in Tlemsen. - Marsch nach der Tafnamündung. Kampf an der Sikak. - Verproviantirung von Tlemsen. • • 261 Bugeauds Rückkehr nach Mostaganem und Frankreich Der Nachfolger des General d'Arlanges , General l'Etang. Verhältnisse der Provinz Constantine. - Ermordung des Kommandanten von Budschia Salomon de Musis. - Clauzels Rückkehr nach Afrika. Operationsplan desselben. - Vor bereitungen zur Expedition nach Constantine. ―― Abreise des Marschalls nach Bona. -- Beschreibung von Constantine. Der versuchte Angriff misslingt. - Clauzels Rückkehr nach · 265 Algier . Gleichzeitige Vorgänge in der Provinz Oran. - General Rapatel verwaltet intermistisch das Generalgouvernement, nachdem Clauzel nach Frankreich zurückgekehrt ist. - Gene Bugeaud kehrt eben ral Damrémont wird sein Nachfolger. falls nach Afrika zurück. ― Abd-el-Kader dringt gegen Osten Damrémonts Zug Anlage eines Lagers bei Blidah. vor.
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Seite . nach Blidah und Coleah. -- Zug gegen die Isser. - Kampf am Buduau 285 Sein Marsch Bugeauds Vorbereitungen zum Kriege. gegen Tlemsen und die Tafna. ――― Das Zusammentreffen des selben mit dem Emir. - Wortlaut des Tafnafriedens. - Be • • 294 sprechung desselben Vorbereitungen zur zweiten Expedition nach Constantine. Kampf am 23. September. - Ankunft vor der Stadt. -Anlage von Batterieen auf Mansurah und Kudiat-Ati. - Pro klamation an die Constantiner. - Tod des General Damré mont. -- General Valée übernimmt nach ihm das Commando. Sturm und Einnahme der Stadt. - Rückmarsch nach Bona 309
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Nachdem achdem die Schlacht von Zama den Vernichtungskampf, der zwischen Rom und Carthago entbrannt war , beendet , nachdem die Rachsucht der Sieger die unglückliche Stadt der Erde gleich gemacht , bildete die Nordküste von Afrika eine Römische Provinz, deren erster Verwalter der bekannte Schriftsteller Sallust war. Die grossen Anstrengungen, deren Rom bedurfte , ehe es ihm gelang , sich der mächti gen Nachbarin zu entledigen , wurden hinlänglich belohnt, durch den Besitz dieses von der Natur im höchsten Grade Lange Zeit hindurch versorgte gesegneten Landstriches. Afrika die üppigen Sieger nicht allein mit den nothwen digsten Nahrungsmitteln , auch Genüsse , nach denen der verfeinerte Sinn der verwöhnten Römer lange vergeblich getrachtet, gewährte die von einer heisseren Sonne beschie nene paradiesische Umgegend Carthago's in vollem Maasse. Die Römer nannten es die Seele ihrer Republik , das Klei nod des Staates ; und das höchste Ziel eines begüterten Pat iers war ein Landhaus an esen lieblichen Gestaden . Mit dem Verfalle des Römischen Reiches kam auch Afrika unter andere Beherrscher. Es wurde zunächst ein Raub der Vandalen, welche es unter Geiserich's Füh rung im Jahre 429 eroberten und daselbst ein neues Reich mit der Hauptstadt Carthago gründeten . Die entsetzlichen Gräuel , womit die wilden raubgierigen Vandalen , das un glückliche Land heimsuchten , brachten es bald in einen Zustand gänzlichen Verfalles ; die blühenden Städte sanken in Trümmer, die Palläste und die geschmackvollen Wohn Heim , Kriege in Algier, 1. Bd.
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2 häuser wurden ausgeplündert und dann niedergebrannt, die Kirchen beraubt und die Einwohner aller Schmach und Unter der Herrschaft Geise Misshandlung preisgegeben. richs, eines Mannes, der Wildheit und Raubsucht mit Arg list und Rachgier verband, verschwand in Kurzem jede Spur römischer Kultur. Indessen war auch das Vandalenreich von keinem lan gen Bestande . Seit Geiserich's Tode war das Land durch Religionskriege zerrüttet worden und die Bewohner unter der heissen Sonne Afrika's der Erschlaffung verfallen. Die ser verwirrte Zustand und die frechen Raubzüge, die sich die Vandalen an allen Küsten des mittelländischen Meeres erlaubten, luden zu Eroberungen ein. So fasste der grie
chische Kaiser Justinian den Plan , durch Unterwerfung dieses Landes seinem Reiche wieder die Ausdehnung zu verleihen, welche es in früheren Zeiten besessen. Im Jahre 534 unterwarf Belisar , der erste Feldherr seiner Zeit, innerhalb weniger Monate den ganzen Landstrich und machte dem Vandalenreiche, dessen König er im Triumphe nach Constantinopel führte, ein Ende. Christliche Cultur und Religion begannen nun sich in der Berberei zu verbreiten, und das Licht des Evangeliums strahlte von hier aus, besonders zur Zeit des heiligen Au gustinus, mit seiner erleuchtenden und erwärmenden Kraft über das gesammte Abendland. Jedoch wurzelten die christ lichen Lehren nicht tief genug, um nicht bald wieder durch die mehr der Sinnlichkeit entsprechende Religion Muha meds verdrängt zu werden, dessen Anhänger mit der Schärfe des Schwertes ihren Glauben zu verbreiten suchten . In der Mitte des siebenten Jahrhunderts brachen Omar und mehrere andere Feldherren der arabischen Ka lifen aus Aegypten hervor , eroberten die ganze Nordküste von Afrika bis an die Meerenge und vertilgten in einem langen Kriege die christliche Cultur und Religion. Kaira wan im Gebiete von Cyrene, umgeben von lachenden Trif ten, wurde zur Hauptstadt erwählt, während Carthago aber mals in Schutt und Trümmer sank. Die nomadischen Ber berstämme, die Abkömmlinge der alten Numidier und Mau
3 ritanier, traten mit den Ueberwindern, denen sie an Sitte, Character und Lebensweise ähnlich waren , in ein inniges Verhältniss. Von da an schied Nordafrika , einst der Sitz römischer Bildung ! und Civilisation aus der Reihe der cul tivirten Staaten. Wohlberittene Beduinenstämme gründe ten mohamedanische Räuberstaaten auf den Trümmern alter Cultur und Herrlichkeit, und die Religion des Halbmondes verdrängte den Glauben an den dreieinigen Gott. Doch auch die Araber wurden zeitweise wieder von den Grie chen aus ihren Eroberungen zurückgedrängt ; ja es glückte sogar im Jahre 697 dem Kaiser Leontius auf eine kurze Zeit in den Besitz von ganz Nordafrika zu gelangen , das ihm erst durch Musa Nusseir, dem Feldherrn des Kali fen Welid entrissen wurde , der die Griechen für immer aus Carthago und den übrigen Küstenstädten hinaustrieb. Musa schien es bei diesem Feldzuge, der erst an den Kü sten des atlantischen Oceans seine Endschaft erreichte, we niger darauf abgesehen zu haben , dem Kalifenreich einen grossen, fruchtbaren Länderstrich zuzubringen, als vielmehr darauf, ein Land zu erobern , dem durch Entziehung seiner Kräfte alle Möglichkeit genommen wäre, jemals wieder das auferlegte Joch abzuschütteln. Nachdem Musa angeblich 300,000 Menschen in die Sclaverei geführt, den einen Berberstamm ausgerottet, den andern vertrieben , den dritten unterworfen hatte , sicherte er sich durch Geisseln vor Verrath und kehrte dann wie der in seine Residenz Kairawan zurück , während er den Oberbefehl über Tanger und die im Westen Afrika's er oberten Länder seinem Freigelassenen Tarik Ibn Zejjad überliess. Diesem gelang es durch Vermittelung des Grafen Julian, welcher an dem Könige Roderich für die Verfüh rung seiner Tochter Rache nehmen wollte, mit einem Heere Von diesem Zeitpunkte ab nach Spanien " überzusetzen . blieb die Nordküste von Afrika durch mehrere Jahrhun derte in Verbindung mit den arabischen Königreichen, welche die Mauren in Spanien gebildet hatten , und ward zugleich der Stützpunkt aller Unternehmungen der Sara zenen an den Küsten des Mittelmeeres.
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Aber auch selbst das Reich der Kalifen war nicht von langer Dauer ; im Innern sowohl wie an den Grenzen wurde es durch Empörung und Volksbewegungen , durch offenen Krieg und heimliches Missionswesen tief erschüttert , wäh rend die Kalifen sich ungestört den Freuden der Liebe und des Gesanges hingaben. Besonders in Afrika war die Ver suchung für die Statthalter, sich der Abhängigkeit von den abbassidischen Kalifen zu entziehen sehr gross , und nach manchen mehr oder weniger glücklichen Versuchen der selben, gelang es endlich dem Edris, einem wirklichen oder angeblichen Nachkommen Ali's , des Stifters einer eigen thümlichen mohamedanischen Secte , sich im Jahre 789 zu Melitta zum Könige auszurufen und ein unabhängiges Reich zu stiften , das sich von Zeuta und Tanger bis Tunis aus Auf dehnte und den ganzen Staat Algier in sich begriff. Veranlassung der Abbassiden jedoch nach zehnjähriger Re gierung vergiftet , setzte der Kalif den unternehmenden Ibrahim ben Aglab als Statthalter in Kairawan ein , mit dem Auftrage, die Edrisiden zu vertreiben. Dieser strebte jedoch für sich selbst nach dem Besitz einer unabhängigen Herrschaft, räumte deshalb alle Grossen des Landes , die ihm dabei hinderlich waren , aus dem Wege und suchte sich die Zuneigung der Einwohner durch Erlassung der Abgaben und durch Freundlichkeit zu verschaffen . Er er reichte seinen Zweck und gründete im heutigen Lande Tunis ein Reich , das er auf seine Nachkommen, die Agla Gegen die Nachkommen des Edris jedoch biten vererbte. schlugen alle seine Unternehmungen fehl , da dessen Sohn sich durch Gerechtigkeit, Tapferkeit und Milde Aller Liebe erworben hatte. Dieser baute im Iahre 807 in einer sehr fruchtbaren Gegend eine Hauptstadt, das jetzige Fezz , wel ches nicht nur unter den Edrisiden , sondern auch unter einem Theile der später an ihre Stelle tretenden Dynastien Sitz der Regierung blieb und noch heutigen Tages eine der bedeutendsten Städte Nordafrika's ist. Doch auch dieses Reich dauerte kaum 200 Jahre, während welcher Zeit meh rere Empörungen einzelner Individuen wie ganzer Stämme zu dämpfen waren.
3 Im Jahre 972 brachte Jussuf Balkin , dessen Vater be reits 935 ein Reich in Algier gestiftet und neun Jahre spä ter dessen gleichnamige Hauptstadt erbaut hatte, den gröss ten Theil der unter der Herrschaft der untergehenden Edri siden stehenden Länder an sich , und wurde so der Stifter einer neuen afrikanischen Dynastie , die man nach seinem Vater die Zeiriden oder nach dem Namen seines Enkels, die Badisiden genannt hat. Unter den Regenten dieses Hauses, das bis zum Jahre 1148 blühte, waren alle Küsten Italiens und des südlichen Frankreichs, unaufhörlichen An griffen der Mohamedaner ausgesetzt , die von hier aus mit Menschen- und Güter - Raub reich beladen zurückkehrten . Im genannten Jahre lösste sich zur Zeit Hassan Ben Alis das Reich der Badisiden auf, indem der kluge und sieggekrönte Roger II., ein Enkel Tankreds von Hauteville,
sich an die Spitze der sicilianischen Kreuzfahrer stellte und Tripolis nebst den andern bedeutenden Seestädten mit den nahe liegenden Ländergebieten eroberte, während die Mo grabiten , die Beherrscher von Marokko , sich der übrigen Diese beherrschten bis Theile des Landes bemächtigten . zum Jahre 1269 einen grossen Theil Nordafrika's, während es den Sicilianern nach Roger's Tode nur mit Mühe gelang, sich in einigen Seestädten zu behaupten. An die Stelle der Mograbiten traten die Merinen , die es jedoch nicht verhindern konnten, dass Oran, Algier, Tri polis und Tunis sich als eigene Freistaaten constituirten. Die beständigen Räubereien , die sich diese Städte auf dem ganzen Mittelmeere erlaubten, bewogen im Jahre 1270 Ludwig IX. bei Gelegenheit seines zweiten Kreuzzuges nach dem heiligen Lande in Nordafrika zu landen , um die Sarazenen in Tunis zu unterwerfen und unter ihnen das Banner des Christenthums aufzupflanzen. Schon belagerte er die Hauptstadt ihres Reiches, als die ungewohnte Hitze Fieber und ansteckende Krankheiten erzeugte, die den Kö nig selbst und viele Tapfere in's Grab stürzten . Die über lebenden französischen Führer aber schlossen schnell einen verhältnissmässig günstigen Vertrag ab , und waren froh, unangefochten in ihre Heimath zurückkehren zu dürfen.
6 Als es im Jahre 1493 Ferdinand dem Katholischen ge lungen war , durch die Eroberung von Granada die Herr schaft der Mauren in Europa zu brechen , flüchtete sich ein grosser Theil derselben nach den obengenannten Städten Afrika's, die dadurch an Grösse und Reichthum bedeutend zunahmen. Ausser ihren Schätzen brachten diese Vertrie benen einen unauslöschlichen Hass gegen die Spanier mit , dem sie durch Seeräuberei und unmenschliche Grausam‣ keiten Luft zu machen suchten. Aber auch die Christen liessen es bei Vertreibung der Mauren aus Europa nicht bewenden , und wenn bis dahin Afrika die Blüthe seiner waffenfähigen Mannschaft zur Ver theidigung des Halbmondes nach Spanien gesandt hatte, so war es jetzt dieses , welches das Kreuz über das Mittelmeer zu tragen suchte. Vorzüglich war es der General Ximenez , der sich mit Bekehrung der Mauren und mit dem Gedan ken , diesen einige Provinzen zu entreissen , beschäftigte. In dieser Absicht entwarf er den Plan , nach Afrika über zusetzen und die Festung Oran , die in den Händen der Mauren war, wegzunehmen . Ferdinand genehmigte dieses Project und Ximenez verwandte nun die Einkünfte seines Erzbisthums , des reichsten in Europa , zu diesem Zuge. Nachdem er eine Meuterei unter seinen Truppen durch Strenge gedämpft hatte , landete dieser grösste Staatsmann seiner Zeit im Monat Mai 1506 an der afrikanischen Küste. In erzbischöflicher Kleidung , über welcher er einen Har nisch trug, von Priestern und Mönchen wie bei einer geist lichen Prozession umgeben , führte er selbst das Heer. In der Nähe von Oran lieferte er den Mauren eine Schlacht, in welcher sie gänzlich besiegt , die Festung erobert und die Besatzung niedergemacht wurde . Nachdem Ximenez diese Stadt neu befestigen lassen und die Moscheen in Kirchen verwandelt hatte , eroberte er noch mehrere andere Städte , machte die Regenten von Tunis und Tlemsen zinsbar und nahm endlich im Jahre 1509 auch Algier ein. Hier liess er auf einer vor der Stadt lie genden Insel ein festes Castell erbauen und kehrte nach
Spanien zurück, wo er von Ferdinand mit Ehrenbezeugun gen aller Art überhäuft wurde. 41
Solange Ferdinand lebte, schlugen alle Unternehmun
gen, durch welche sich die Algierer vom spanischen Joche befreien wollten, fehl Von besserem Erfolge hingegen wurde eine Revolution gekrönt , die nach seinem Tode von Men schen unternommen wurde , deren niedrige Geburt allem Anschein nach ihnen wenig Recht 脂 geben sollte , eine so **** schimmernde Rolle zu spielen. v Horuk und Hairaddin , zwei Söhne eines Töpfers von der Insel Lesbos , getrieben von einem unruhigen und zu grossen Unternehmungen fähigen Geiste , verliessen das Handwerk ihres Vaters, traten zur mahomedanischen Re ligion über und schlugen sich zu einem Schwarm von See räubern. Sie zeichneten sich in Kurzem durch ihren Muth und ihre Entschlossenheit in hohem Grade aus , . ༔ machten sich zu Meistern 8 einer kleinen Brigantine und setzten ihr ehrloses Gewerbe mit so viel Einsicht 禽 und sog grossem Glücke fort, dass es ihnen 3. gelang , eine Flotte von zwölf Galeeren und verschiedenen kleineren Fahrzeugen zusam menzubringen, die mit einem tollkühnen meistens aus Tür ken bestehenden Schiffsvolke bemannt waren. Der ältere dieser beiden Brüder , Horuk , der wegen seines rothen Bartes den Namen Barbarossa erhielt , war oberster Anführer dieser Flotte ; Hairaddin stand unter ihm jedoch mit fast gleicher Autorität. Sie nannten sich Freunde der See und Feinde Aller, die darauf segelten und es dauerte nicht lange , so wurde ihr Name von den Dardanellen bis zu den Säulen des Hercules furchtbar. • Sie brachten oft dens Raub, den sie an den spanischen und italienischen Küsten gemacht hatten, in die Häfen der Berberei , und waren , da sie die Einwohner durch den Verkauf ihrer Beute und durch die unsinnige Verschwendung ihres Schiffs volkes " bereicherten , in allen Seeplätzen gern gesehene Gäste. Die vortheilhafte Lage dieser Häfen, die den dama ligen grössten Handelsstädten der Christenheit so nahe wa ren, gab den Brüdern den Wunsch ein , # in diesen Gegen den einen festen Sitz zu haben. }, Bald zeigte sich zur Er.
8 füllung dieses Wunsches eine bequeme Gelegenheit, welche sie nicht unbenutzt vorüber gehen liessen. Die Algierer hatten zu jener Zeit einen arabischen Scheik Selim Eutemi zu ihrem Könige gewählt, in der Hoffnung durch diesen von den lästigen Spaniern befreit zu werden. Nach mehreren aber allezeit unglücklichen Versuchen das oben erwähnte Kastell zu erobern, beging dieser im Jahre 1516 die Unvorsichtigkeit , den Barbarossa , dessen Tapfer keit die Afrikaner für unwiderstehlich hielten , um seinen Beistand anzusprechen. Der muthige Corsar nahm diesen Antrag mit Freuden an, liess seinen Bruder Hairaddin auf der Flotte und ging an der Spitze von fünftausend Mann Doch nach Algier, wo man ihn auf's freudigste empfing. kaum war er in alle Verhältnisse eingeweiht und zu der Ueberzeugung gelangt , dass die Algierer mit ihren leicht gerüsteten Truppen nicht im Stande wären , seinen alten geübten Völkern zu widerstehen, als er auch schon im Ge heimen den Monarchen , dem er zu Hülfe gekommen war, ermorden und sich an seiner Stelle zum Könige von Algier ausrufen liess. Diese Handlungsweise verursachte unter den Bewohnern Algiers den grössten Hass gegen ihren neuen Beherrscher , der mit der grenzenlosesten Grausam keit gegen Alle verfuhr , die ihm verdächtig erschienen. Barbarossa jedoch , noch nicht zufrieden mit dem Throne, auf welchen er sich geschwungen, griff den benachbarten Kö nig von Tlemsen an , überwand ihn in einem Treffen und verband dessen Reich mit dem Gebiete von Algier. Zu gleicher Zeit fuhr er fort die Küsten von Spanien und Ita lien mit Flotten zu beunruhigen , die mehr den Seerüstun gen eines grossen Staates, als den Escadern eines Corsaren ähnlich waren. Viele Tausende aus der Zahl der in der Nähe des Mittelmeeres wohnenden Völkerschaften wurden auf diese Weise in die Sclaverei fortgeführt und viele von hnen geraubte und dem Christenthume entfremdete Spa nier und Italiener bevölkerten die Nordküste Afrika's. Im Jahre 1517 sandte Spanien , bewogen durch die Bitten eines Sohnes des ermordeten Selims ein Heer von 10,000 Mann unter Francesco de Vero gegen Algier ab.
9 Barbarossas Muth und Wachsamkeit, im Bunde mit den Elementen , vereitelten jedoch die Bemühungen de Veros, von dessen Mannschaft der grösste Theil in Gefangenschaft gerieth. Indessen schickte bereits im nächstfolgenden Jahre Karl V. ein neues Heer von 10,000 Mann unter dem Mar quis von Comares, Gouverneur von Oran, gegen Algier ab. Diesem gelang es mit Beistand des abgesetzten Königs von Tlemsen die Truppen Barbarossa's in mehreren Gefechten zu schlagen und ihn endlich selbst in Tlemsen einzuschlies sen. Nachdem er sich hier bis auf das Aeusserste gewehrt, wurde er in eben dem Augenblicke überrascht , wo er sich durchzuschleichen suchte und indem er mit einem hart näckigen, seines ehemaligen Ruhmes und seiner Thaten würdigen Muthe focht, erschlagen. Sein Bruder Hairaddin, der gleichfalls unter dem Namen Barbarossa bekannt ist , ergriff das * Scepter von Algier mit derselben Ehrsucht, mit gleicher Geschicklichkeit, aber mit besserem Glücke. Da seine Regierung von den Waffen der Spanier , die in andern Kriegen mit den europäischen Mächten genug zu thun hatten , nicht beunruhigt wurde, richtete er die innere Verfassung seines Rsiches mit be wunderungswürdiger Klugheit ein und erweiterte seine Eroberungeu auf dem festem Lande von Afrika. Doch entging ihm nicht , dass die Araber sich seiner Herrschaft nur mit Murren und Unzufriedenheit unterwarfen, und da er fürch ten musste, dass seine unaufhörlichen Räubereien ihm ein mal die Waffen überlegener christlicher Mächte gegenüber stellen möchten , so übergab er sein ganzes Gebiet dem Schutze des Grosssultans , und erhielt von ihm ein Corps Truppen , das ihm sowohl gegen seine einheimischen wie auswärtigen Feinde eine vollkommene Sicherheit versprach . Er blieb nichts destoweniger unabhängiger Regent, obgleich im Namen des Sultans gemünzt und für diesen das Kir chengebet abgehalten wurde. Wenn bereits seit dem Augenblicke , wo Horuk Bar barossa in Nordafrika festen Fuss gefasst hatte , dies Land mehr und mehr in tiefer Barbarei 7 zu versinken anfing , so
10 verfiel es noch mehr, nachdem Hairaddin sein Reich unter türkische Oberhoheit gestellt hatte. ** Eine kleine Schaar verwilderter und anmassender Sol datesca wählte den zum Herrscher , der ihr den meisten Sold zu geben versprach und ermordete ihn , sobald ihre immer gesteigerten Ansprüche nicht befriedigt wurden. Sich für die unumschränkten Herren des Landes hal tend, schlossen diese Janitscharen die Urbewohner dessel ben , die Araber , Berber und Mauren von allen militairi schen wie bürgerlichen Aemtern des Staates aus und such ten sie auf alle Weise unter ihr Joch zu beugen . Inzwi schen stieg mit ihrer Hülfe der Ruf von Hairaddins Thaten von Tage zu Tage, so dass ihm endlich Soliman das Kom mando über die türkische Flotte übertrug , als dem einzi gen Manne, dessen Tapferkeit und Erfahrung im Seewesen ihn würdig machte gegen Andreas Doria , dem berühmte : sten Seehelden damaliger Zeiten , aufzutreten. Mit Unterstützung dieser Flotte gelang es Hairaddin Tunis zu erobern , den dort regierenden Herrscher Muley Hassan zu vertreiben und sich einen von Blut und Leichen umgebenen Thron zu erwerben. Indessen musste er bereits im Jahre 1535 Tunis wie. derum Karl V. überlassen , der von dem vertriebenen Kö nig zu Hülfe gerufen, es eroberte. Alle Unbill , welche in vergangenen Jahren die Corsaren sich erlaubt hatten, wur den von dem christlichen Heere bei diesem Sturme reich lich vergolten. Jede Ausschweifung , deren ein wüthendes und rohes
Kriegsvolk in der Wuth des Kampfes fähig ist, alle Frevel, die Menschen verüben können , wenn ihre Leidenschaften durch die Verachtung und den Hass, den die Verschieden heit der Religion und der Sitten eingiebt, erhöht sind, wur den hier begangen. Der Nachfolger Hairaddins in Algier war Hassan Aga , ein verschnittener Renegat aus Sardinien , der in dem Dienste des Corsaren durch alle Stufen hinaufge stiegen und durch seine grosse Kriegserfahrung zu einer Stellung sich eignete , · die einen geprüften und
f1 entschlossenen Character forderte. 1 Hassan wollte be weisen , wie wohl er diese Würde verdiente und trieb seine Seeräubereien gegen die christlichen Staaten mit einer ganz erstaunlichen Lebhaftigkeit, übertraf selbst Barbarossa an Verwegenheit und Grausamkeit. Der Handel im mittel ländischen Meere wurde durch seine Kaper unterbrochen, und die Küste von Spanien und Italien in solche Schrecken gesetzt, dass man es für nöthig fand , hin und wieder Wachtthürme auf denselben aufzuführen , um die Annähe rung der Corsaren zeitig genug zu entdecken. Nach jedem Raubzuge aber drang ein Schmerzensschrei der Bewohner zu dem Throne Karls V.; von diesem forderten sie Rache, 1 diesem stellten sie die Demüthigung Algiers als ein Unter nehmen vor, das seiner Macht würdig und seiner Mensch lichkeit ein schönes Ziel wäre. Der Kaiser theils gerührt durch die Bitten seiner Un terthanen, die unversöhnlichen Feinde des christlichen Na mens auszurotten , theils gelockt durch die Hoffnung , der durch seinen Feldzug gegen Tunis erworbenen Ruhm durch neue Lorbeeren zu vermehren , insbesondere aber in der Erwägung, dass die aus Amerika gesendeten Goldflotten selbst auf dem Oceane Gefahr liefen, weggekapert zu wer den , hatte von Regensburg aus , wo er sich 1541 auf dem Reichstage befand , nach Spanien sowohl als nach Italien Befehl ausgehen lassen , zu genanntem Zwecke eine Flotte und eine Armee bereit zu halten. Von dieser Zeith an konnte ihn keine Veränderung der Umstände 1. in diesem Entschlusse wankend machen oder ihn bewegen, seine Waffen gegen Ungarn 1 zu kehren , obgleich das Glück , das die türkischen Schaaren in dieser Gegend begleitete , seine Gegenwart eher zu verlangen schien ; und viele seiner ge treuesten Anhänger in Deutschland darauf drangen, dass die Vertheidigung des Reiches seine erste und eigentlichste 1 Sorge sein müsste. Der Kaiser verliess Anfangs August Regensburg und traf im September in Lucca ein , wo der Pabst Paul III. seine ganze Beredsamkeit aufbot, ihn von einem Unterneh men abzuhalten, das wegen der im Herbste an der afrika
12 nischen Küste wehenden Stürme immerhin sehr gefähr lich war. Aber die Vorstellungen des Pabstes wie die flehentlichen Bitten des Marquis del Vasto , des Gouver neurs von Mailand und des greisen Seemannes Andreas Doria, er möge seine Armee nicht dem unvermeidlichen Untergange aussetzen , scheiterten an Karls unbeugsamen Sinn. Als er jedoch am 1. October zu Porto Venere im Genuesischen auf Dorias Galeeren an Bord gegangen war, fand er bald, dass dieser erfahrene Seemann nicht unrecht von den Elementen , auf denen er gross geworden war, geurtheilt hatte ; denn , obgleich die Fahrt mit günstigem Winde begonnen wurde, erhob sich alsbald ein solcher Sturm , dass es nur mit äusserster Schwierigkeit und Gefahr ge lang, in Sardinien , dem allgemeinen Sammelplatze zu lan den. Auf den unerschrockenen Muth und unbeugsamen Character des Kaisers aber hatten weder die nochmals wiederholten Vorstellungen Dorias, noch die Gefahr, die er bereits ausgestanden hatte, eine andere Wirkung , als dass sie ihn in seinem verderblichen Beschlusse bestärkten . Und wirklich war die Macht, die er versammelt hatte, so gross, dass sie selbst in einem weniger kühnen und in seinen Entwürfen minder hartnäckigen Fürsten die Hoffnung eines Sie bestand glücklichen Erfolges erregt haben würde. aus 65 Galeeren und 350 Transportschiffen. # Auf dieser Flotte befanden sich 22000 Mann Fussvolk und 2000 Reiter, Spanier, Italiener, Deutsche und Malteser, meistens alte geübte Krieger , darunter 3000 Freiwillige, die Blüthe des spanischen und italienischen Adels , welche dem Kaiser zu Gefallen ihn in diesem Feldzuge begleiteten und sehnsüchtig wünschten , an dem Ruhme dieser Expe dition Theil zu nehmen. Die berühmtesten Helden der damaligen Zeit befanden sich unter ihnen , wie Ferando Gonzaga, Tabera , der Herzog von Alba , der Eroberer von Mexiko Ferdinand Cortez mit seinen beiden Söhnen , Ca millo Colonna , Augustin Spinola, Antonio Doria und viele Andere. Die Fahrt bis zur afrikanischen Küste war eben so gefährlich als die zurückgelegte und die stürmische See und die ungestümen Winde wollten anfangs den Truppen
13 eine Landung nicht erlauben. Endlich ergriff der Kaiser eine günstige Gelegenheit und setzte sie nicht weit von Algier zwischen der Mündung des Flusses Aratsch und dem Thore Bab -a - Zun an das Land. Die Ausschiffung geschah ohne den mindesten Widerstand , wurde jedoch erst am zweiten Tage vollendet und die Truppen mussten bis an die Hüften im Wasser waten , um die Küste zu erreichen. Der Kaiser rückte unverzüglich gegen die Stadt vor, deren um liegenden dominirenden Höhen die tapferen Spanier unterihren Führern Ferando Gonzaga und Alvarez Sandez im Sturm schritt eroberten. Obgleich Hassan nur 800 Türken und 5000 Mauren, theils geborene Afrikaner , theils Flüchtlinge aus Granada der mächtigen gegen ihn anrückenden Armee entgegenstellen konnte , gab er dennoch dem Herolde , der ihn zur Uebergabe aufforderte, eine hochmüthige und trotzige Antwort. Aber mit diesem Häufchen Soldaten hätte weder seine verzweiflungsvolle Tapferkeit, noch seine vollkommene Erfahrung in der Kriegskunst auf die Dauer widerstehen L können, wenn ihm nicht eine andere Macht zu Hülfe ge kommen wäre. Denn so hoch auch der Kaiser über alle Gefahr von Seiten seines Feindes erhaben zu sein glaubte, wurde er dennoch plötzlich von einem Unglücke betroffen , gegen welches menschliche Kräfte und menschliche Klug heit nichts vermochten. Gegen Abend des 27. Octobers, ehe * der Kaiser noch Zeit gehabt hatte, etwas anderes vorzu· nehmen, als die leicht bewaffneten Araber, die seine Armee umschwärmten, zu zerstreuen , stiegen dunkle Wolken auf und der Himmel nahm eine fürchterliche und drohende Gestalt an. Um Mitternacht erhob sich ein wüthender Į Orcan , Blitze durchzuckten unaufhörlich den Himmel , der Donner rollte , der Regen stürzte in Strömen herab , und die Soldaten, die nichts als ihre Waffen aus den Schiffen mitgenommen hatten, blieben ohne Zelte und ohne Obdach aller Wuth der Elemente ausgesetzt. Der Boden wurde in Kurzem allenthalben so nass, dass sie sich nicht nieder legen konnten ; bei jedem Schritte, den sie thaten , sanken sie 4 bis an die Knöchel in den Schlamm und der Wind blies mit solchem Ungestüm , dass sie sich nur mit Mühe
14 aufrecht erhalten konnten. Hassan war ein zu wachsamer Gegner, als dass er einen Feind in solcher Verlegenheit Sobald der Morgen hätte unangefochten lassen sollen. dämmerte, that er mit seinen Leuten , die unter ihren Dä chern von dem Unwetter nichts empfunden hatten , einen Ausfall. Drei Compagnien Italiener, die der Stadt am näch sten standen, und von der Kälte erstarrt und muthlos wa ren, flohen sobald die Türken heranrückten.. Die hinter ihnen liegenden Spanier bewiesen einen grösseren Muth. Da aber der Regen ihre Lunten ausgelöscht und ihre Mu· nition durchnässt hatte , so entschied Lanze und Schwert und von Kälte und Hunger ermattet , geriethen auch sie bald in Verwirrung. Fast die ganze Armee und der Kaiser in eigener Person mussten ausrücken, ehe der Feind zu rückgeworfen werden konnte, der , nachdem er eine allge meine Verwirrung angerichtet und eine beträchtliche An zahl niedergesäbelt hatte , sich in vollkommener Ordnung zurückzog. Die Malteser , dem Feinde au Zahl überlegen, an Tapferkeit ihm gleich , suchten unter ihrem Anführer Georg Schilling und dem Träger der Ordensfahne , dem Comthur Savignac mit ihm zugleich in das Thor einzu . dringen , was jedoch durch Hassans Wachsamkeit vereitelt wurde. Aber alles Gefühl, alle Erinnerung dieses Verlustes und dieser Gefahr wurde bald über eine weit fürchterlichere und sehrecklichere Scene vergessen. Die Schiffe, auf welche die ganze Armee ihre Rettung und die einzige Hoffnung ihres Unterhaltes gründen konnte, sah man durch den Orcan von den Ankern gerissen , eins auf das andere stossen, einige an den Klippen scheitern , andere auf das Ufer verschla gen oder in Wellen versinken. In weniger als einer Stunde gingen 15 Galeeren und 140 andere Fahrzeuge mit einer Besatzung von 8000 Mann verloren. Das unglückliche Schiffs volk, das der Wuth des Meeres entkam , wurde von den herumstreifenden Arabern ohne Barmherzigkeit ermordet, sobald es das Ufer erreichte. Der Kaiser sah schweigend diesem schrecklichen Un glücke zu, das mit einem Male alle seine Hoffnungen nieder
15 schlug, und erblickte mit Schauder, wie der ganzenunge heure Vorrath, den er sowohl zum Untergange seiner Feinde, als zum Unterhalte seiner eigenen Völker mitgebracht hatte, in der Tiefe versank. Die einzige Hülfe, welche er den See. soldaten zukommen lassen konnte; bestand darin , dass er einige Abtheilungen, längst der Küste aussandte, die die Araber vertreiben und den Wenigen , welche das Ufer er reichten, Beistand leisten sollten. Endlich mit dem Anbruch des 29. October begann die See etwas ruhiger zu werden und es gelang einem von Doria abgesandten beherzten Matrosen, der sich muthig den Wellen anvertraute, das Land zu erreichen , um zum Kaiser zu kommen. Doria liess melden, dass bei dem Sturme, der an Wuth und Schrecken alles übertroffen, was er in seiner 50jährigen Bekanntschaft mit der See erlebt hätte , der grösste Theil der Lebensmittel und der Belagerungs -Artillerie verloren gegangen sei ; dass er sich aber mit dem halb zertrümmerten Reste "Re seiner Flotte nach dem Vorgebirge Matafuz gerettet habe. Er riethe deshalb dem Kaiser, weil der Himmel noch immer bezogen und sturmdrohend wäre, schleunigst nach diesem Orte zu marschiren, wo seine Trup pen mit grösster Gemächlichkeit eingeschifft werden könnten. Dem Troste, den 1 diese Nachricht dem Kaiser gab, hielten neue Sorgen und der Hinblick auf den Zustand der Armee das Gegengewicht. Matafuz lag drei Tagemärsche von dem gegenwärtigen Lagerpunkte entfernt; aller Vorrath, den man bei der ersten Ladung ausgeschifft hatte, war verzehrt und die Soldaten so abgemattet, dass sie kaum in befreundetem Lande einen solchen Marsch zurückzulegen im Stande ge wesen wären. Dennoch war kein Augenblick in Berath schlagung zu verlieren ; der Kaiser hatte keine Wahl und sofort gab er dden Befehl, zum Aufbruch . Die Verwundeten, Kranken und Abgematteten marschirten in der Mitte, wäh rend diejenigen , welche noch die meisten Kräfte zu haben schienen, die Avant- und Arrieregarde bilden mussten. Der Marsch war von grossen Verlusten begleitet ; Einige konnten kaum die Last ihrer Waffen mehr tragen ; Andere er schöpften ihre Kräfte auf den tiefen unergründlichen Wegen,
16 sanken nieder und starben ; Viele kamen vor Hunger um, und die ganze Armee lebte fast von nichts als Wurzeln oder Beeren oder vom Fleische der Pferde , die auf Befehl des Kaisers geschlachtet wurden . Viele ertranken in den Flüssen und Bächen , die bei dem erstaunlichen Regen so angeschwollen waren , dass dem Soldaten das Wasser bei dem Durchwaten bis an das Knie ging ; nicht Wenige wurden vom Feinde niedergehauen, der die Truppen wäh rend des ganzen Rückzuges bei Tage und bei Nacht ver folgte, beunruhigte und angriff. Endlich am 30. October erreichte man Matafuz , wo die Truppen , da sich das Wetter inzwischen wieder auf geklärt hatte , und die Verbindung mit der Flotte möglich war , Ueberfluss an Lebensmitteln hatten und sich in der Hoffnung ihrer Errettung freuten. Karl berief sofort die bedeutendsten Heerführer zu einem Kriegsrath zusammen , dem er die Frage zur Entscheidung vorlegte , ob man von hier aus einen neuen Zug gegen Algier unternehmen oder das Heer unverzüglich einschiffen sollte. Ferdinand Cortez, Don Martin de Cordova und mehrere andere Heerführer erklärten sich für Bejahung der ersteren Frage und ver pflichteten sich , wenn man ihnen die Führung überliesse, in kürzester Zeit Algier zu erobern . Der Kaiser aber, wie die Mehrzahl stimmten für die sofortige Einschiffung , die . auch am 1. November begonnen wurde. Der Kaiser hatte während der ganzen Expedition ge
zeigt , dass er die Rüstung ebenso gut wie den Purpur mantel zu tragen verstände. Mit dem geringsten Soldaten theilte er alle Mühseligkeiten und Entbehrungen ; stellte seine eigene Person bloss, wo sich die Gefahr zeigte ; sprach den Verzweifelten Muth zu, besuchte die Kranken und Ver wundeten und ermunterte Alle durch Rede und Beispiel. Als die Armee eingeschifft wurde , war er einer von den Letzten, welche am Ufer blieben, obgleich ein Haufen Araber in ziemlicher Nähe das Ufer umschwärmte. Kaum waren die Truppen eingeschifft , so erhob sich ein neuer Sturm, der die Schiffe zwang, einzeln spanische oder italienische Häfen aufzusuchen. Der Kaiser selbst
17 wurde nach dem den Spaniern gehörigen Hafen von Bud schia verschlagen und erreichte erst nach mehreren Wochen und nach mannigfachen Gefahren Karthagena . Die Algie rer , zu deren Gunsten sich die Elemente auf eine ihren Feinden so verderbliche Art erklärt hatten , veranstalteten grosse Feste zu Ehren eines Heiligen, von dem sie glaubten, er habe das Meer so lange mit Ruthen gepeitscht, bis es in Wuth gerieth . Ihr früheres Gewerbe aber setzten sie von nun an mit verdoppeltem Eifer fort , die Schiffe aller Nationen wurden von ihren Kapern angegriffen und die am Mittelmeere gelegenen Küsten waren der Schauplatz ihrer schrecklichsten Gräuelthaten. Diesen Seeräubereien der afrikanischen Corsaren und den durch sie hervorgerufenen Handelsstörungen beschloss im siebzehnten Jahrhundert Ludwig XIV. ein Ende zu machen. Eine von dem Admiral Duquesne gegen die See räuber zu Tripolis unternommene Expedition war von dem besten Erfolg gekrönt ; geringere Resultate erzielte der Her zog von Beaufort in dem Kampfe mit den Bewohnern Al giers . Im September des Jahres 1682 unternahm deshalb der Admiral Duquesne einen neuen Zug gegen diese Stadt, um die Wegnahme französischer Schiffe an ihr zu rächen ; musste sich jedoch wegen der ungünstigen Witterung, mit einem kurzen erfolglosen Bombardement begnügen. Allein bereits im nächstfolgenden Jahre erschien der Admiral wie derum auf der Rhede Algiers mit dem Auftrage, der Stadt für die vielen der französischen Flagge zugefügten Belei digungen, eine so derbe Züchtigung angedeihen zu lassen , dass Frankreich hoffen dürfte , einige Zeit lang den Cor saren im Gedächtniss zu bleiben. Die zur Expedition aus gerüsteten Schiffe waren mit der nöthigen Munition in Ueberfluss versehen ; ja man hatte ausserdem noch eine bedeutende Anzahl von Fahrzeugen zu diesem Behuf er bauen lassen , welche Galiotten genannt, zum Werfen der Bomben dienten und unter Leitung ihres Erfinders Renau ihre erste Probe bestehen sollten. Den 26sten und 27. Juli 1683 dauerte das Bombardement Algiers , durch das ein grosser Theil der Stadt in Trümmer gelegt , die Schiffe und Ma Heim , Kriege in Algier 1. Band. 2
18 gazine in Brand gesteckt und viele Bewohner getödtet wurden. Während des folgenden Winters blockirten französische Schiffe den Hafen und der Dey sah sich endlich im April 1684 zu einem Frieden genöthigt , welcher allen französi schen Sclaven in Algier und zwar den seit 1670 gefangenen ohne Lösegeld . den übrigen für ein Lösegeld die Freiheit gab; ausserdem bestimmte , dass die algierischen Kriegs schiffe auf keine Weise die Fahrt der unter französicher Flagge segelnden Schiffe und auch diese nicht die Fahrt algierischer, welche mit einem Certificat des französischen Consuls in Algier versehen seien, stören sollten, und end lich dem Consul gestattete , christlichen Gottesdienst in sei sem Hause zu halten . Auch im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts unter nahmen mehrere Nationen Expeditionen , die den Zweck hatten , den Sitz der Seeräubereien zu vernichten . Aber weder Holländer , noch Spanier noch Dänen vermochten ihre Absicht zu erreichen , sondern vermehrten durch das Misslingen ihrer Unternehmungen den Uebermuth und die Frechheit der Corsaren. Die bedeutendsten unter diesen Expeditionen wurde zur Zeit Karls III . im Jahre 1775 von den Spaniern entsendet. Die hierzu verwendeten Truppen bestanden aus beinahe 21,000 Mann , darunter 1000 Reiter und gegen 4000 Seeleute . Diese Truppen , sowie sämmtliche Kriegs- und Mundvorräthe waren auf 44 Kriegsschiffen und 347 Transportfahrzeugen unter dem Contre-Admiral Castejon eingeschifft und verliessen am 23. Juni Karthagena , den Ausgangspunkt der Expedition . Gegen Abend des 1. Juli erreichte die Flotte die Rhede von Algier und man beschloss mit dem Anbruch des nächsten Tages eine Landung zu ver suchen. Widrige Winde verhinderten jedoch die Realisirung dieses Planes, und die vollständige Ausschiffung der Truppen in der Nähe der Ausmündung des Aratsch konnte erst am 8ten vollendet werden. Gleichzeitig begannen die Kriegs schiffe ein lebhaftes Feuer auf die Strandbatterien zu richten, das jedoch wegen der Grösse der Entfernung unwirksam blieb und nur den Erfolg hatte , dass die Feinde die Lan
19 dung der Truppen ungestört geschehen liessen. Diese rück ten etwa um 6 Uhr Morgens in zwei Kolonnen gegen die an den Ufern des Aratsch lagernden Mauren vor, welche sich jedoch bei ihrer Annäherung in die in der Nähe ihrer Stellung liegenden Gärten und Gebüsche zurückzogen und von hier aus ein mörderisches Gewehrfeuer unterhielten. Nach hartem und anstrengendem Kampfe gelang es aller dings den Spaniern, die vor ihnen befindlichen Mauren zu rückzudrängen, gleichzeitig wurden sie jedoch auf den bei den Flügeln von der arabischen Reiterei mit solcher Wuth angefallen, dass es der ganzen Tapferkeit und Ausdauer der hier befindlichen Garden und der zweckmässigen Anord nung ihres Führers , des Antonio de Navia bedurfte , um diesen dreimal wiederholten Angriffen zu widerstehen. Indessen hatten sich die Spanier in der Hitze des Kampfes verleiten lassen , sich so weit vom Ufer zu entfernen , dass die Flotte den Angriff nicht mehr unterstützen konnte, wohl aber die Geschütze der türkischen Batterien , welche ihr Feuer jetzt auf die Landmacht dirigirten, mit ihren Kugeln verheerende Wirkungen anzurichten vermochten. Ungeachtet dieser ungünstigen Umstände beschlossen die Spanier noch einen Angriff gegen die Mauren zu unter nehmen , welche sich in einem mit Aloes , Dornengebüsch und Feigenbäumen bewachsenen Hohlwege beinahe ganz gedeckt aufgestellt hatten. Indessen scheiterte der Angriff trotz der Tapferkeit der Garden und Wallonen an der Ueber macht der Gegner , welche geschützt durch die vielfachen Terraingegenstände Tod und Verderben in die Reihen der Heranstürmenden sandten. Die Erwägung dieser Umstände, ferner die sengende Glut des afrikanischen Himmels und die Ermattung der Streitenden bewogen den Anführer, dem unnützen Blutbade ein Ende zu machen und den Befehl zum Rückzuge zu geben. In grösster Ordnung und vom Feinde unbelästigt, erreichten die Spanier das Ufer, wo sie sofort ihr Lager durch Erdaufwürfe zu verschanzen suchten. Kaum war man jedoch hiermit fertig geworden , als die Türken ihre frühere Stellung wieder einnahmen und die Spanier mit einem wohlgezielten Tirailleurfeuer zu harceliren
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20 begannen , das bis spät in die Nacht hineindauerte. Auch gelang es ihnen, eine Kanone so aufzustellen, dass dieselbe den ganzen Landungsplatz von der rechten zur linken be strich, wodurch grosse Verwüstungen angerichtet wurden. Noch an demselben Nachmittage begann man die Wieder einschiffung , die jedoch trotz der durch die wiederholten tollkühnen Angriffe der Feinde bedingten Beschleunigung erst am nächsten Morgen vollendet werden konnte. In dessen mussten die Spanier dennoch sämmtliche ausge schifften Pferde , Geschütze , Munition , eine grosse Menge Arbeitszeug und Erdsäcke zurücklassen , ferner was das schlimmste war, sämmtliche Verwundete, deren Köpfe gegen Empfangnahme eines Preises von 15 Zechinen dem Dey überbracht wurden. Der Verlust der Spanier an Getödteten und Verwundeten betrug gegen 4000 Mann, darunter sehr viele Officiere. Einige wenige Bomben , welche von dem Admiral Castejon in die Stadt geworfen wurden , änderten nichts an dem ungünstigen Ausgange dieses Feldzuges , dessen Vorbereitungen so glänzenden Erfolg erwarten liessen. Im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts brachen Zwistigkeiten zwischen Algier und den vereinigten Staaten von Nordamerika aus. Als nämlich im Jahre 1812 eine Brigg den jährlichen Tribut Nordamerikas überbrachte, be hauptete der Dey, es fehle etwas an der bestimmten Masse von Schiesspulver und erklärte , alle Einwendungen des Consuls von der Hand weisend , Nordamerika den Krieg. Sofort wurde Jagd auf alle amerikanischen Schiffe gemacht, mehrere derselben gekapert und ihre Mannschaft in die Sclaverei verkauft. Unter solchen Umständen sah sich im Jahre 1815 der Congress genöthigt, den Commodore Decatur mit einem Geschwader von drei Fregatten und fünf an deren Schiffen nach dem Mittelmeere zu entsenden. Am 20. Juli traf diese Escadre in der Nähe von Karthagena die algierische Flotte, welche nach kurzem Kampfe die Flucht ergriff. Indessen fiel das Admiralschiff Mezaura von 40 Ka nonen und eine Kriegsbrigg in die Hände der Sieger. De catur erschien am 28sten vor Algier und schloss nach zwei tägigen Unterhandlungen mit dem Dey den Frieden.
21 Bereits ehe es zum Kampfe kam, hatte zwischen dem Dey und dem Präsidenten der vereinigten Staaten eine Correspondenz stattgefunden , welche in vieler Beziehung merkwürdig , ein interessanter Beitrag zu einer Sammlung diplomatischer Actenstücke sein dürfte. So lautet unter anderen eine derselben : Antwort des Dey von Algier an den Präsidenten der vereinigten Staaten ") D»Mit Hülfe und dem Beistande der Gottheit, und unter der Regierung unseres Herrschers , des Zufluchtsortes der Welt , des mächtigen grossen Königs , der uns Gutes thut, des trefflichsten unter den Menschen, des Schatten Gottes, des Königs der Könige, des höchsten Schiedsrichters, Kaisers der Erde, gleich Alexander dem Grossen, Machthabers, Be herrschers beider Welten und Meere , Königs von Arabien und Persien, Kaisers, Kaiserssohn und Mehrers des Reiches - des glorreichen Mehmed Chan ergebener und gehorsamer Diener, derzeit oberster Befehlshaber und Herrscher in Al gier, Omar Pascha, an seine Majestät den Kaiser von Ame rika, Beherrscher der Küsten und nächstliegenden Provinzen und aller Orte , wo seine Herrschaft sich ausdehnen kann , unsern edlen Freund , die Stütze der Könige des Volkes Jesu, den Grundpfeiler aller christlichen Fürsten , den glor reichsten der Prinzen , erwählt unter vielen Herren und Kriegern , den Glücklichen , den Grossen , den Liebenswür digen James Matthison , Kaiser von Amerika . Möge seine Regierung glücklich und glorreich und sein Leben glücklich und gesegnet sein ; wir wünschen ihm einen langen Besitz der Siegel seines heiligen Thrones , langes Leben und Ge sundheit. Amen. Indem ich hoffe, dass Deine Gesundheit in gutem Stande ist, zeige ich Dir an , dass die Meinige gut ist , Dank sei dem Allmächtigen, und dass ich stets mein Gebet für Dein ―― -- u. S. W. Glück an den Allmächtigen richte - Geschrieben im Jahre der Hegyra am 20. Tage 1231 . Omar Pascha , Sohn Mohameds. -und 1.5 zweite Division zur Besetzung in Staueli verblieben. 1 & Trotz des herrlichen Erfolges des Tages war dennoch die Armee theilweise nicht ganz zufrieden. Der französi sche Soldat in der Hitze des Kampfes zu den höchsten Anstrengungen moralischer und physischer Kraft begeistert, verlangt, wenn er nicht erschlaffen soll, nach gewonnenem Siege sofortiger Anerkennung 拿 und Belohnung seiner Ver dienste. In Folge dessen sind Beförderungen für an den Tag gelegte Tapferkeit und Auszeichnungen, wenn sie auch unter allen Truppen der Welt als Hebel geistiger Kraft angesehen werden können , in der französischen Armee durchaus unentbehrlich. Die geringe Vollmacht , in deren Besitz der Höchstcommandirende war , verhinderte derglei chen Anerkennungen auf dem Schlachtfelde und erregte zum Theil auch den Missmuth der Offiziere , zumal derer, welche den erfochtenen Sieg nicht ordentlich benutzt glaub ten. Diese hatten nämlich die Ansicht , man müsse aus der Bestürzung desFeindes Vortheil ziehen, rasch vorgehen und Algier durch einen Handstreich zu nehmen versuchen. Allein Bourmont war nicht so tollkühn , die Ausführung dieses durch die Ansicht des tapferen Generals Berthezène unterstützten Planes zu versuchen. Er wusste sehr wohl, dass das Kaiserschloss , der Schlüssel von Algier , aus massiven Werken bestand , die, wie man sagte, ringsherum mit Minen umgeben waren, deren Sprengung man bei weiterem Vor rücken fürchten musste. Ueberdies war die Bestürzung in Algier keineswegs so gross , als man zum Theil im fran 1 zösischen Lager geglaubt haben mag. Der Dey liess mehrere Chefs , die sich seiner Ansicht nach nicht tapfer genug gehalten hatten , auf der Stelle köpfen und sein Schwiegersohn , der Oberbefehlshaber hütete sich wohl nach Algier zurückzukommen, sondern sammelte die Truppen vor der Stadt , 2 und schwur die 盲 erlittene Niederlage blutig zu rächen * ) .
vialect *) Taschenbuch der neuesten Geschichte. Herausgegeben von Dr. W. Menzel. Stuttgart und Tübingen 1831 .
74 Die nächsfolgenden Tage benutzten die Franzosen zur Ausschiffung und Zurüstung des Belagerungsparkes und zur Anlegung einer Verbindungsstrasse zwischen Sidi-Ferruch und Staueli. Ersteres wurde mit Feldverschanzungen um geben und mit 24 Geschützen armirt. Magazine und Spi täler wurden organisirt, in welchen die Verwundeten, auch die feindlichen zu ihrem grossen Erstaunen , untergebracht und gepflegt wurden. Die Franzosen glaubten sich hier durch unter den Eingeborenen Sympathieen zu erwecken, indessen kehrten fast alle Gefangenen , welche als geheilt entlassen wurden, zu ihren Stämmen zurück und ergriffen von Neuem die Waffen. Dankbarkeit Ungläubigen gegen. über, ist dem Sohne der Wüste ein unbekanntes Gefühl. 1 Ausserdem wurden zwischen obengenannten Orten zwei Redouten angelegt , und jede mit 4 Kanonen zum Schutz der stattfindenden Transporte dotirt. Eine dritte Batterie wurde vorwärts von Staueli zur Sicherung des Lagers an gelegt und eine vierte noch etwa 600 Schritte weiter zur Deckung der ersten offensiven Bewegungen. में जाने Diese Arbeiten nahmen die Zeit bis zum 23. Juni in Anspruch , an welchem Tage alle Redouten und auch die Verbindungsstrasse beendet waren. Nichtsdestoweniger blieb die Communication noch im mer mit einiger Gefahr verbunden ; überall schlichen die Kabylen herum und lauerten stundenlang im Gebüsch , bis sich ihnen Gelegenheit bot , einen einzelnen Franzosen zu überfallen , dessen Kopf zu den Füssen des Dey nieder gelegt , ihnen hundert schwere Piaster einbrachte. Auf diese Weise wurde der Artillerielieutenant Amoros , als er sich auf dem Wege vom ersten zum zweiten Treffen einen Augenblick von der Strasse entfernt hatte , von den Kaby len überfallen und ihm sofort der Kopf abgeschnitten. Ja es kam sogar vor , dass Arbeiter, welche ermüdet von der Gluth afrikanischer Sonne , sich wenige Schritte von ihren Kameraden entfernt hatten , um im Schatten eines Feigen oder Orangengebüsches auszuruhen , nur noch auf einen Augenblick unter dem Messer eines Beduinen erwachten . Die Ausführung der Operation des Kopfabschneidens wird
75 von den Eingebornen mit unglaublicher Gewandtheit mit dem Yatagan executirt. Ausserdem ward während dieser Tage ein höchst leb hafter Vorpostenkrieg geführt , der den Franzosen viele Todten kostete , da der Sicherheitsdienst von ihrer Seite nur in sehr unvollkommenem Maasse gehandhabt wurde. Der Franzose thut seine Schuldigkeit im Gefechte mit höch ster Bravour, dann aber glaubt er genug gethan zu haben 1995 und sehnt sich nach Ruhe.or 1 Am : 24. Juni beim Aufgange der Sonne zeigten sich die Türken und Araber in sehr ausgedehnter Front und abermals in der Stärke von · etwa 35,000 Mann. Die Divi sion Berthezène und die erste Brigade der Division Loverdo rückten mit einer Batterie Feldgeschütze vor. Dem An griff dieser geschlossenen Kolonne und dem unausgesetzten Geschützfeuer vermochte der Feind nur kurze Zeit zu widerstehen, und alsbald war seine Flucht allgemein. Vor dem Lager von Staueli breitet sich etwa eine Meile weit eine wellenförmige Ebene aus , begrenzt von Höhenzügen, " welche bis an die Thore Algiers sich erstrecken und mit Häusern und grösseren Weinpflanzungen be 2016 setzt sind.i Mit: grosser Schnelligkeit hatten die französischen Trup pén den Weg durch die Ebene zurückgelegt ; aber je wei ter sie vorrückten , desto schwieriger wurde der 1 Boden , mehrten sichn die Terrainhindernisse und waren Hohlwege und steile Bergabfälle zu passiren. Man hatte erwartet, der Feind werde hier hinter diesen zahllosen Defileen sich kraftvoll vertheidigen ; indessen geschlagen und entmuthigt vermochte er nirgends einen bleibenden Widerstand ent gegenzusetzen. Nichtsdestoweinger fehlte es nicht an blu " tigen Gefechten , besonders an den Stellen , wo Franzosen verleitet sich zu weit vorge durch die Hitze des Gefechts 7 14 wagt hatten und nun in grosser UeberzahlA von den Ara bern bedrängt wurden. So hatten sich unter,$ anderen 30 Soldaten eines weit vorliegenden Hauses bemächtigt, welches ringsum von Hecken umgeben war , hinter denen noch Araber mit bedeutender Uebermacht versteckt lagen.
76 Die Franzosen hatten ihre Patronen verschossen und von allen Seiten von den Arabern angegriffen , befanden sie sich in einer höchst misslichen Lage. Zwei Elitencompag nien *) des 49sten Regiments erhielten den Auftrag, diesen Posten zu entsetzen. Unter einem Hagel von Kugeln setzte Amadé Graf Bourmont , der zweite von vier Söhnen des Marschalls , die ihrem Vater nach Afrika gefolgt waren, über die Hecke. Eine Kugel dringt ihm in den " Czako, eine zweite zersplitterte seinen Degen , eine dritte den Griff desselben und die vierte endlich traf ihn in die Brust. Ein ähnliches Schicksal hatten mehrere der folgenden Gre nadiere , aber der Posten wurde entsetzt und die Arabér ib.1 vertrieben. * „Qui de vous , Messieurs" , sagte Bourmont zusammen stürzend,,,ne voudrait avoir ainsi payé la victoire ! esperons que mon sang servira à apaiser les ennemis de mon père ; avouez que ma blessure est bien placée, là pres du coeur" . Kurze Zeit darauf verschied der junge Mann , der das Glück gehabt hatte , seinen Vater noch auf der Höhe sei nes Ruhmes zu sehen, allgemein betrauert von der Armee, deren Mitgefühl den Schmerz des Vaters ehrte . Auch die liberalen Blätter in Frankreich bezeigten ihr Beileid und hielten mit ihren Schmähungen gegen den Vater auf einige * Tage inne. J Der Temps schrieb : „ Wer bewundert nicht jenes grossherzige Ungestüm eines Sohnes, der fühlt, dass ihm und seinen Brüdern die schwere Aufgabe obliegt, den * L väterlichen Namen wieder zu Ehren zu bringen.“ Inzwischen hatte das Centrum der Franzosen seine Bewegung ununterbrochen fortgesetzt , überall den Feind 3. *) Frankreich besass in dieser Zeit 75 Regimenter Linien- und 25 Regimenter leichter Infanterie , welche letztere sich durch gelbe Kragen an der Uniform unterschied. Im Jahre 1854 wurden jedoch diese leichten Regimenter , die viele Offiziere und Soldaten an die neu errichteten Chasseur-Bataillone abgegeben hatten , ebenfalls in Linien-Regimenter umgewandelt. Jedes der letztern hat als Eliten compagnie auf dem rechten Flügel eine Grenadier-, jedes leichte hatte eine Karabinier-, beide auf dem linken Flügel eine Voltigeur- und 1 5 resp. 6 Compagnien du centre. "
77 vor sich hertreibend. Gegen Abend war der Gegner aus allen Schluchten und aus dem durchschnittenen Terrain, welches ri durch den Abfall des Budschearah gegen Algier gebildet wird, vertrieben , und man gab dem Tage den 3.1 Namen des 4 Gefechts von Sidi-Kalef. > Während des Kampfes machte eine äusserst heftige Explosion, man glaubte anfänglich von einer Mine, die Vor rückenden stutzen. Indessen merkte man bald, dass es ein Pulvermagazin war ,** dass die Araber , um es nicht in die Hände ihrer Feinde fallen zu lassen, in die Luft gesprengt hatten. Furchtbar schön war der "" Anblick , den dieses Schauspiel gewährte. Eine dichte Rauch- und Feuersäule erhob sich mehrere hundert Fuss hoch und bedeckte für einige Augenblicke die Franzosen mit Staub und Erde.. }. Die •{ Sieger waren nunmehr nur noch zwei Stunden von Algier entfernt ; indessen war das gewonnene Terrain schwer zu behaupten , da es eine sehr ausgedehnte . Stel lung erforderte. Deshalb schickte Graf Bourmont , sobald er in Sidi-Ferruh wieder eingetroffen war , dem Herzog von Escars den " Befehl, sich mit seiner Division in Marsch zu setzen , um den * 』 rechten Flügel der Armee zu bilden, während die Brigaden 8 Munk d'Uzer und Colomb d'Arcine zur Besetzung des Lagers von Staueli zurückbleiben sollten. Am 25sten nahm die Division Escars die ihr angewie sene Stellung 1 ein ; indessen war die Hitze an diesem Tage so gross , dass sie auf ihrem Marsche mehrere Todte zu⚫ rücklassen musste. Ueberhaupt war der Abgang der Fran zosen täglich ziemlich bedeutend. Ueber 2000 Mann wa 1 ren bereits ausser Gefecht gesetzt und der Hauptzweck dieser Expedition , die Belagerung von Algier , hatte noch N • nicht begonnen. Die Armee war am 25sten folgendermassen aufgestellt ; ... In Sidi-Ferruh; das 48ste Regiment. In Staueli : das Hauptquartier und die Brigaden d'Ar cine und d'Uzer. » In der Redoute vor Staueli : die Brigade Montlivault. Im vordersten Treffen: die sechs übrigen Brigaden, nämlich die zwei der dritten Division auf dem rechten Flügel,
78 die erste Division " im Centrum und rémont auf dem linken Flügel.
die Brigade Dam 1 " + 5. So wenig standhaft im Allgemeinen die Feinde wäh rend der vorhergehenden Gefechte gewesen , um so uner müdlicher waren dieselben an den nächstfolgenden Tagen im Gebiete des kleinen Krieges. Von allen Seiten, ja so gar im Rücken und zwischen den einzelnen Treffen, um schwärmten sie die Franzosen, überraschten kleinere Trupps, schossen Posten nieder und überfielen auch grössere Ab theilungen, wenn sich die Gelegenheit dazu darbotoDie Verluste , die die Franzosen auf diese Weise erlitten , wa ren sehr bedeutend . So z. B. die dritte Division 6 Offiziere und 112Mann am 26sten; am nächstfolgenden Tage 8 Offi ziere und : 180 Mann . Ein Bataillon der ersten 1 Division 1 wurde von den Türken überfallen und erlitt bedeutende Verluste. Ueberhaupt belief sich die Einbusse dieser bei den Divisionen in jenen Tagen auf über 1000 Mann. Der Araber schlich sich auf dem Bauche bis unmittelbar an die Posten heran, gab dann seinen sichern Schuss ab und ver schwand auf dieselbe Weise, wie er gekommen , während die Franzosen zu ihrem Nachtheil eine Ehre darin setzten, überall frei und offen ihren Feinden entgegenzutreten. Ordonanzen und Adjutanten , die sich von einer Division 靶 zur andern begaben , konnten den Weg nur unter dem Schütze einer grossen Bedeckung zurücklegen, da es mehr mals vorgekommen , dass dieselben überfallen und nieder " gemacht worden waren. " Inzwischen blieb das Wetter, das in diesen Gegenden sonst höchst gleichmässig zu sein pflegt , noch immer un beständig. Am 28. Juni überfiel die Flotte ein neuer Sturm, noch heftiger als der am 16ten und von noch schwereren Verlusten + begleitet. Nur mit der äussersten Mühe und Anstrengung vermochte der Admiral Duperré noch ferner die Bucht von Sidi-Ferruh zu halten, wo er zur Unter stütung des Landheeres unumgänglich nothwendig war. Indessen sah er sich genöthigt , seine Schiffe zu erleich tern und 150 Ballen Lebensmittel, Wein- und Branntwein fässer über Bord zu werfen , wobei es den Franzosen zu
79 Statten kam , dass " diese durch den Wind an den Strand getrieben, von den Soldaten aufgefangen wurden. * 130 Auch die nächstfolgenden Tage waren bei dem ununter brochenen Vorpostenkriege von starken Verlusten begleitet. Der Adjutant des Herzogs von Escars wurde in dem Au genblicke getödtet, als er aus dem Zelte seines Chefs he raustrat. Inzwischen hatte der Oberbefehlshaber sein Haupt quartier nach dem weissen Hause, einem eine Stunde von Staueli gelegenen Punkte verlegt; als am 28. Abends um 10 Uhr die hintenstehenden Abtheilungen, mit Ausnahme der zur Besatzung der Werke nothwendigen, den Befehl erhielten, in das erste Treffen vorzurücken . Bourmont hatte endlich beschlossen, den blutigen, aber zu keinem Ziele führenden 圈 Vorpostengefechten ein Ende zu machen und deshalb am nächsten Tage dem Feinde entgegenzugehen. Am 29. früh um 3 Uhr wurde die Reveille geschlagen , die Truppen kamen zusammen und um 4 Uhr war bereits Alles in Marsch. F Das Heer rückte in drei Colonnen vor, von denen die auf dem rechten Flügel vom General Loverdo commandirt wurde; die Division L Berthezène bildete das Centrum und auf dem linken Flügel befand sich die Division d'Escars. So still wie möglich rückte man an den Fuss des Budsche arah heran. Der Feind hatte hier einige Geschütze aufge stellt, die er jedoch beim Nahen der Franzosen nach nur wenigen Schüssen in die tiefen Hohlwege warf, welche 1 durch jenen Bergrücken führen. Die meisten Türken verliessen vor der Uebermacht ihrer Feinde ihre Stellungen 魯 und zogen sich ohne besonderen Widerstand zurück ; nur einige massive Häuser wurden mit verzweifelter Energie vertheidigt, in denen die Türken, als sie dem Drängen der Franzosen nichts mehr entgegensetzen konnten, erst ihre Frauen und Kinder und dann sich selbst ermordeten. Dem unmässigen Selbstvertrauen und der bestimmten, unerschütterlichen Zuversicht des Dey, die französischen Heere bei dem ersten Zusammentreffen zu vernichten, ist es zuzuschreiben, dass hier auf diesem so günstigen Terrain
80 keine Vertheidigungsanstalten getroffen waren. Einige leicht aufgeworfene Verschanzungen, mit dem in Algier in Ueber fluss vorhandenen 1 schweren Geschütz armirt, würden den Franzosen unendliche Verluste verursacht und ihre An näherung mindestens um mehrere Tage hinausgeschoben haben... Da dies aber nicht geschehen war, so gelangte man bereits Mittags um 1/2 3 Uhr ohne verhältniss mässig grosse Opfer auf die Höhe des Budschearah, und Algier, der Endpunct der Unternehmungen , lag nun in geringer Entfernung mit seinen weiss angestrichenen Häu sern , seinen Kuppeln und Minarets vor den begeisterten Franzosen, die ihm ein freudiges : ,, es lebe der König !" ent gegenjauchzten . Rechts sah man • die Wälle des Kaiser schlosses und zwischen diesen und der Stadt eine starke Abtheilung 1 Türken und grosse Züge von Landbewohnern , die auf Eseln und Kameelen mit ihrer beweglichen Habe den schützenden Mauern Algiers zueilten. Ausserhalb der Stadt erblickte man einige Landhäuser, auf denen die Flaggen der verschiedensten Nationen wehten. Es waren dies die Wohnungen der Consuln, von denen mehrere im Haupt quartier erschienen und um eine Wache baten, durch welche sie vor den Angriffen der Türken und Araber geschützt wären. Durch sie erhielt man auch genauere Nachrichten über den Dey. Sie erzählten , dass derselbe niemals an eine Landung im Sidi-Ferruch geglaubt, da er die Franzosen für viel zu schlau gehalten habe, als dass sie an einem Punkte landen würden, den sie schon Monate lang in allen Zeitun gen als dazu bestimmt angegeben hätten. Hussein sei viel mehr der Ansicht gewesen, sie würden den Landungsplatz Karls V. benutzen und habe sich bereit gehalten, dorthin alle seine Streitkräfte zu werfen . Als die Franzosen nun aber wirklich den oft bezeichneten Landungsplatz gewählt hätten, habe er sie nicht gestört, um ihnen eine desto gründ lichere Vernichtung zu Theil werden zu lassen. 1 Die Con suln gaben ferner die Streitkräfte des Dey in der Schlacht von Sidi-Kalef auf 50,000 Mann an, behaupteten aber, dass die Zahl seiner Truppen jetzt durch Desertionen und Ver luste bis auf 20,000 Mann zusammengeschmolzen sei.
81 Ehe zum unmittelbaren Angriff Algiers übergegangen werden konnte, musste man sich des sogenannten Kaiser schlosses bemächtigen, welches durch seine Lage Algier be herrscht. Das Fort l'Empereur liegt südwestlich von der Hauptstadt, etwa eine Kanonenschussweite von ihr ent fernt, auf einem ziemlich steilen, die Kasbah von Algier be deutend überragenden Hügel. Es ist auf dem Platze er baut, wo Karl V. sein Hauptquartier hatte und einige Ver schanzungen anlegen liess . Die Türken nannten es später Sultan Kalasi, die französischen Soldaten nannten es Na poleon, da dies der einzige ihnen bekannte Kaiser war. Bei den Erdarbeiten, welche zur Belagerung nöthig waren, fand man noch viele Waffen und Arbeitszeuge, die unzweifelhaft aus dem 16. Jahrhundert herstammten. Im Uebrigen ist das Fort mehr geeignet, der Stadt zu schaden, als sie gegen einen Angriff von der Landseite zu schützen da es von den vorliegenden Höhen des Budschearah voll kommen eingesehen wird. Es ist von Backsteinen in Form eines länglichen Vierecks erbaut und mit sechs kleinen Bastionen versehen , die durch Kurtinen verbunden sind. Die einige dreissig Fuss hohen Mauern sind zehn Fuss dick und vollkommen sturmfrei. Nachdem der Obergeneral am Abend die ganze Stadt zurRecognoscirung der Annäherungen umritten hatte, wurden in der Nacht vom 29. zum 30. die Laufgräben bei der Woh nung des schwedischen Consuls in der Nähe der Römer strasse eröffnet und während der Nacht eifrig daran fort gearbeitet. Zwei Bataillone wurden zur Arbeit verwendet, fünf andere zur Bedeckung aufgestellt ; erstere alle zwölf, letztere alle vier und zwanzig Stunden abgelöst. Wenn man auch während der Nacht ) ungehindert und von der Artillerie unbehelligt arbeiten konnte, so schlichen sich doch den Tag über türkische und arabische Plänkler , begünstigt von den Gebüschen in die Hohlwege, die sich *) Der Koran verbietet den Gläubigen während der Nacht Krieg zu führen. Später jedoch emancipirten sich die Araber und Kabylen von diesem Gesetze. Heim , Kriege in Algier 1. Band. 6
82 zur linken der Angriffswerke befanden. Sie verwundeten anfangs eine ziemlich bedeutende Anzahl von Mannschaften, bis die Schulterwehren vollendet waren, durch welche die Truppen gedeckt wurden. Am 30. Morgens versuchte der General Desprez mit zwei Bataillonen leichter Infanterie und zwei Gebirgshau bitzen vom rechten Flügel bis zum Meere vorzudringen und auf diese Weise den Platz vollkommen einzuschliessen. Indessen scheiterte dieser Versuch an dem lebhaften Feuer des Forts Bab-a- zun und an einem Ausfall, den die dasselbe vertheidigenden Türken und Araber unternahmen. Man entschloss sich deshalb Algier nicht ganz einzuschliessen, wozu eigentlich auch die Stärke von 30 Bataillonen nicht gut ausreichte, und sich nur damit zu begnügen, das Kai serfort zu erobern, überzeugt, dass dessen Fall auch den Algiers herbeiführen verde. Es war dies jedoch immerhin ein sehr gewagtes Unternehmen ; denn man liess auf diese Weise die Strasse nach Constantine und somit die Verbin dung zwischen Algier und dem Innern des Landes unbe setzt. Am 30. richtete der Feind auf diejenigen Theile der Laufgräben, die zunächst seinem Feuer ausgesetzt waren, eine so lebhafte Kanonade, dass ein Theil der Arbeiter seine Plätze verlassen musste. Diesen Rückzug benutzte der Feind, der sich stets ohne Gefahr vor der Kasbah zusam menziehen konnte, zu einem Ausfalle, der so plötzlich und lebhaft gemacht wurde, dass es den Algierern gelang, bis zu dem Hause des schwedischen Consuls vorzudringen, wo jedoch den weiteren Fortschritten durch einen Bajonettan griff des 49. Regiments ein Ziel gesetzt wurde. Trotzdem der Feind die Arbeiter täglich heftig mit seinem Feuer beunruhigte und sie besonders durch Wurf geschosse belästigte, wurde dennoch Alles mit solcher Schnel ligkeit in Bereitschaft gesetzt, dass am 4. Juli sämmtliche Batterien beendet waren. Es waren deren sechs, die nach ihren Nummern und Namen dem verdienstvollen Werke des Fürsten v. Schwar zenberg entlehnt sind .
Ebenso ist die nachfolgende Ge
83 schützvertheilung den Angaben dieses Augenzeugen ent nommen. Batt. Nro. 1. Henri IV. beim schwedischen Consulate, armirt mit vier 24pfündigen Haubitzen . 2. Duc de Bordeaux rechts vom Römerwege mit vier 12pfündigen Haubitzen. 3. du Roi ebendaselbst mit sechs 24pfündigen Kanonen.
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4. Dauphin links vom Römerwege mit vier 24pfündigen Kanonen.
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5. Duquesne ebendaselbst mit vier 24pfün digen Mörsern . 6. St. Louis am Ende der Parallele mit sechs 16pfündigen Kanonen.
Ausserdem waren auf der von der Brigade Achard be setzten Anhöhe noch vier Sechszehnpfünder placirt, deren Feuer die Arbeiter der Batterie St. Louis schützen sollten , welche hauptsächlich den Ausfällen exponirt waren. Nichts destoweniger gelang es den Belagerten zweimal in die Bat terie einzudringen und die Arbeiter daraus zu vertreiben, bis man ihnen durch Umstellung mit spanischen Reitern eine grössere Sicherheit zu geben wusste. „ Bei einem dieser Angriffe", erzählt v. Schwarzenberg, ,,sah ich einen Zug wahrhaft altrömischer Tapferkeit. Eine Schaar Türken kam unbekümmert um das auf sie gerich tete lebhafte Musketenfeuer bis an die Contreescarpe der Batterie. Ihr Anführer, ein grosser starker Mann erstieg, den Säbel in der Faust, das Parapet und pflanzte ein Fähn lein darauf. Ein Offizier vom 37. Regiment sprang aber zugleich auf das Parapet und durchstiess den Türken mit seinem Säbel, so dass derselbe in den Graben hinabrollte. Nunmehr kehrten seine Begleiter um und flohen . Der ver wundete Anführer aber kroch aus dem Graben hervor, rief und winkte mit der Hand seinen Gefährten, allein umsonst. Während dessen zerschmetterte ihm eine Kugel aus der Batterie das Kinn , er stürzte › allein, nochauf den einen Arm sich stützend, winkte er mit der andern Hand seiner fliehenden Truppe.
Als er sah, dass seine Bemühungen 6*
84 fruchtlos waren , stiess er sich selbst unter den wüthend sten Verwünschungen seinen Yatagan bis an das Heft in die Brust." Man sieht aus diesem einen Beispiel von Heroismus, der sich noch durch hundert andere belegen liesse , dass die Türken und Arabcr , wenn sie es auch nicht verstanden, durch militairische Arbeiten und Anlagen ihrer Tapferkeit zu Hülfe zu kommen, wenigstens mit Gleichmuth zu ster ben wussten. Am 1. Juli segelte Duperré mit seiner Flotte grade auf die Landspitze Pescada und den Molo los, machte dann aber, noch ehe die Kanonenschuss weite erreicht war, eine Wendung , gab seine volle Breitseite ab und segelte vor über. So herrlich diese Demonstration auch aussah , die nach der Auslassung des Admirals die Aufmerksamkeit der Vertheidiger von den Belagerungsarbeiten ablenken sollte, so war sie doch, da keine Kugel die kasemattirten Werke auch nur erreichte, von gar keinem Erfolge. Nichtsdesto weniger erliess der Admiral Duperré nach der Einnahme Algiers höchst phantastische Bulletins , in denen er die Ueber gabe der Stadt der Entmuthigung zuschrieb , die durch seine Kanonade veranlasst worden . Am 3ten Vormittags waren bereits 5 Batterien armirt und Abends gelang es auch die andere mit Geschützen zu besetzen . Trotzdem der Feind an diesem Tage die Batterien Dauphin, Duquesne und St. Louis mit Wurfgeschossen belästigte , erwiderte man sein Feuer dennoch nicht , da der auf das Fort ge richtete direkte Angriff aus allen Batterien zu gleicher Zeit beginnen sollte. Alle erwarteten sehnsüchtig diesen Augenblick. -- Etwa 3000 Mann waren bereits entweder durch die feindlichen Kugeln gefallen , oder den Anstrengungen erlegen. Seit drei Wochen hatte sich Niemand ausser um sich zu reini gen , entkleidet. Diese Strapazen und der Temperatur unterschied zwischen dem heissen Tage und der unerträg lich kalten Nacht hatten die Zahl der Kranken sehr bedeutend vermehrt. An Lebensmitteln hingegen war kein Mangel , da Wein im Ueberfluss vorhanden und während
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der vorangegangenen Tage ziemlich zahlreiche Viehheerden erbeutet worden. Fühlbar hingegen war die Entbehrung frischen Wassers. Algier nämlich entnimmt seinen Wasser bedarf aus Cisternen oder aus Röhrenleitungen , die die Quellen vom Gebirge in die Stadt hinabführen. Die fran zösischen Soldaten hatten nun , zu bequem um das Wasser aus der Quelle selbst zu holen, die Röhren durchstochen, dadurch Uebersickerungen und überall Verunreinigungen des Wassers veranlasst, Auch liess wie immer bei dem französichen Heere die Aufmerksamkeit der Vorposten sehr bedeutend nach , ein Umstand , der um so unverzeihlicher war, als die Franzo sen vor sich eine starke Festung mit einer entsprechenden Besatzung , hinter sich in der Entfernung von nur einer Meile das ganze Heer des Beys von Constantine hatten, dessen Zelte man in der Metidscha erblickte. Bei dieser unverzeihlichen Unaufmerksamkeit kann man nur das Glück der Franzosen bewundern , dass alle von den Belagerten unternommenen Ausfälle an zufälligen Umständen schei terten, und dass die zwischen den beiden Deys herrschende Eifersucht den von Constantine verhinderte, ernsthafte Ope rationen gegen die Franzosen zu unternehmen . Nur wäh rend des Bombardements des Forts l'Empereur liess er sich aus seiner Ruhe aufschrecken ; aber seine Angriffe waren so wenig wirksam , dass sie mit Leichtigkeit von den Franzosen zurückgewiesen wurden. Am 4. Juli um 4 Uhr Morgens gab eine Rakete das Signal zur Eröffnung des Feuers . Allein der Feind ant wortete so lebhaft, dass ungeachtet der Ueberlegenheit des französischen Materials und der Bedienung , der Vortheil in den ersten zwei Stunden auf Seiten der Algierer war. Diese hatten die Blendungen der Schiessscharten mit Woll säcken belegt , indessen waren diese bald ebenso wie die gemauerten Schulterwehren zerstört. Ungeachtet nun die Ausweitung der Scharten die türkischen Kanoniere fast ganz blosstellte , ungeachtet die Ricochettschüsse der Bat terie St. Louis die furchtbarsten Verheerungen unter ihnen anrichteten, während die in einer Entfernung von 500 Schritt
86 aufgerichteten Frontbatterien sie mit Wurfkörpern über schütteten , blieben die Vertheidiger mit unerschütterlicher Ruhe auf ihrem Posten. Ganze Reihen derselben sah man niederschmettern , mit der grössten Kaltblütigkeit traten Ersatzmannschaften an ihre Stelle und setzten das Feuer Gegen 9 Uhr jedoch wurde der Kampf allmälig schwächer , die Geschütze schienen meist demontirt , die Bedienungsmannschaften getödtet. Nur einige wenige Ge schütze in den einspringenden Winkeln und einige Mörser auf der Plattform des Thurms waren noch nicht zum Schweigen gebracht und setzten hartnäckig ihr Feuer fort. Endlich sah man einen Theil der Besatzung das Fort verlassen und der Stadt zueilen . Allein einige ihnen ent gegengesandte Geschützlagen trieben sie wieder zurück. Noch einmal begann der Kampf wieder lebhafter zu wer den, aber bald verliessen die Vertheidiger wiederum das Kastell und gelangten diesmal unbehelligt von den Kano nen Algiers, in die Stadt. Um 10 Uhr war der Befehl Bresche zu schiessen ge geben und begann bereits ausgeführt zu werden , als eine furchtbare Explosion erfolgte ; eine ungeheure Feuer- und Rauchsäule stieg zum Himmel empor , Wolken von Staub , Rauch uud Qualm bedeckten die ganze Gegend und Steine wurden nach allen Richtungen umhergeschleudert. Einige Augenblicke des Zweifels über die Ursache dieses schreck lichen Schauspiels vergingen ; als aber der Rauch sich etwas verzogen, bemerkte man, dass der grösste Theil des Kaiser schlosses von der Erde verschwunden war. Das Ganze gewährte ein Bild schauerlicher Zerstörung, eine augenblickliche Todtenstille folgte auf die Donner des Kampfes, der alsbald wieder von Neuem entbrannte. Ue berall lagen Stücke von Leichnamen herum , Lafetten, Ge schützröhre , Wollsäcke , Mauerstücke waren bedeutende Strecken weit fortgeschleudert worden. Anfangs glaubte man, der Pulverthurm sei durch eine Bombe entzündet wor den , indessen erfuhr man später , dass die Türken ihn selbst in die Luft gesprengt hätten, als sie sahen, dass sie das Fort nicht mehr würden halten können , und in der
87 Hoffnung einen Theil der Nachstürmeuden unter den Trüm mern zu begraben . Unmittelbar nach der Explosion eilte der General Hurel mit gewohnter Unerschrockenheit und einigen Compagnien des 35sten Regiments zum Fort hin und besetzte dasselbe. Ein Gleiches geschah vom Geniecorps unter Anführung ihres tapferen Generals Valazé und auch von einigen Abtheilun gen Artillerie unter dem Commando des Generals la Hitte. Sofort wurde die nach der Stadt zu gelegene Seite des Forts in Vertheidigungszustand gesetzt , während man die entgegengesetzte Front so schnell wie möglich von Schutt und Trümmern befreite, um den Geschützen und den Trup pen das Hinaufkommen zu erleichtern. Ausserdem versuchte eine Compagnie Grenadiere das Fort Bab-a-zun, welches das gleichnamige Stadt- Thor deckt, zu überrumpeln. Indessen wurde dieselbe, als sie auf Pis tolenschussweite herangekommen war , von einer so mör derischen Salve empfangen, dass sie genöthigt war , eiligst ihren Rückzug anzutreten. Zwei Geschütze, die bereits in das Kaiserschloss trans portirt waren , richtete man deshalb auf genanntes Fort und begann ein lebhaftes Feuer , welches durch einige Bombenwürfe erwidert und durch ein gleiches Feuer von der Kasbah und den Wällen der Stadt verstärkt wurde. Es war bereits 12 Uhr und noch immer dauerte dieser Geschützkampf ununterbrochen fort, als zwei schöne, präch tig gekleidete, von schwarzen Sclaven gefolgte Türken auf herrlichen Maulthieren erschienen, um im Namen des Divans eine Capitulation anzutragen. Der bedeutendste von ihnen war der Geheimschreiber des Dey, Mustapha Kerbadja , der als Basis zu ferneren Unterhandlungen Zurückzahlung der Kriegskosten und Einsetzung des französichen Handels in seine früheren Rechte anbot. Da jedoch der commandi rende General unbedingte Uebergabe forderte, so kam man bei dieser in einem der Gräben des Kaiserschlosses statt Nachdem findenden Unterredung zu keinem Resultate. deshalb die beiden Unterhändler ziemlich missmüthig das das Fort verlassen hatten , wurden französicher Seits alle
88 Anstalten getroffen , eine regelmässige Belagerung Algiers vorzunehmen . Inzwischen hatte der Dey auch zum Ad miral Duperré einen Parlamentair geschickt , der aber zur Antwort erhielt , es sei nicht eher an Unterhandlungen zu denken , als bis die weisse Flagge auf der Kasbah wehe. Um 2 Uhr erschienen zwei angesehene Mauren , von denen der eine fertig französisch und englisch sprach. Sie erzählten mit vieler Offenheit, dass die Einwohner in gros ser Angst und Schrecken schwebten und dass sie lebhaft wünschten eine Capitulation abgeschlossen zu sehen ; nur die Miliz sei, da sie auf keine Rettung hoffe, bereit, sich Schliesslich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen. baten die beiden Unterhändler noch um Einstellung des Feuers , wogegen von ihrer Seite dasselbe geschehen sollte und erboten sich endlich noch, dem Oberbefehlshaber den Kopf des Dey zu bringen , der ihre Stadt in das Unglück gestürzt habe ; ein Vorschlag , welcher natürlich mit Ab scheu zurückgewiesen wurde . Um 3 Uhr erschien abermals der Secretair des Dey, begleitet von dem englischen Consul , mit dem Verlangen, dass die Friedensunterhandlungen schriftlich aufgesetzt würden. Während dieser ganzen Zeit war ein Waffenstillstand eingetreten, den der General Valazé eifrigst dazu benutzte , einen Weg nach der Kasbah hin anzulegen , um , im Falle sich die Unterhandlungen zerschlügen, bequem die Geschütze für eine Breschbatterie heranbringen zu können. Indessen wurde Abends um 7 Uhr die Capitulation folgenden Inhalts ausgefertigt und durch das Siegel des Dey bestätigt : ,,Uebereinkunft zwischen den Obergeneralen der fran zösischen Armee und Seiner Hoheit dem Dey von Algier. Die Citadelle Kasbah , alle anderen Forts , welche von Algier abhängen , sowie der Hafen dieser Stadt , werden den französischen Truppen nächsten Morgen um 10 Uhr übergeben. Der Obergeneral der französischen Armee verbindet sich gegen seine Hoheit den Dey von Algier , ihm die Freiheit und den Besitz Alles dessen zu lassen, was ihm
89 persönlich gehört. Es wird dem Dey freistehen, sich mit seiner Familie und seinem Eigenthume an jenen Ort zu rückzuziehen , den er selbst bestimmen wird , und für die Dauer seines Aufenthaltes in Algier steht er mit Seiner Familie unter dem besonderen Schutze des Ge neral en chef der französischen Armee , eine Schutzwache wird für die Sicherheit Seiner Person und Seiner Familie stehen. Der General en chef verspricht allen Soldaten der Miliz gleiche Vortheile und gleichen Schutz. Die Ausübung der muhamedanischen Religion wird frei gestattet ; die Bewohner der Stadt aller Klassen wer den weder in ihrer Religion , ihrem Eigenthume , noch in ihrem Handel im mindesten beeinträchtigt ; ihre Frauen werden respectirt werden ; der Ober general en chef nimmt den letzten Punct auf seine Ehre. Die Auswechselung dieser Uebereinkunft soll morgen früh um 10 Uhr Statt haben. Die französischen Truppen werden gleich nach derselben die Kasbah besetzen und so nach einander die anderen Forts der Stadt und des Hafens. Im Lager vor Algier den 4. Iuli 1830. Graf von Bourmont. (Siegel des Dey) . Für gleichlautende Abschrift Der Generallieutenant, Chef des Generalstabes, Desprez. So war es denn gelungen mit verhältnissmässig gerin gen Opfern und nach Verlauf einer nur überaus kurzen Zeit Algier zu erobern. Den Franzosen war es vorbehalten , das zu vollenden , was Karl V, die Spanier, Amerikaner und Engländer seit Jahrhunderten vergeblich versucht hatten. Unter zum Theil unglücklichen Voraussetzungen hatte man einen Krieg un ternommen in einem Lande , dessen Beschaffenheit man nicht kannte , gegen einen Fürsten , dessen Streitkräfte ebenfalls unbekannt waren. Wie aber der Kriegs gott stets
dem Tapferen hold
ist,
so schien
er auch
90 die Franzosen in jeder Weise begünstigt zu haben . Wäre die Capitulation nicht zu Stande gekommen, würde es den Franzosen aller Wahrscheinlichkeit nach auch gelungen sein, Algier in einen Trümmerhaufen zu verwandeln und eine Bresche in die Kasbah zu legen , aber mit welchen Opfern hätte dieser kriegerische Erfolg erkauft werden müssen ! Ehe die Franzosen in die Stadt einrückten , wurden
einige Offiziere vorausgeschickt, die sich mit dem Dey we gen Unterbringung des Hauptquartiers und der Soldaten besprechen und ihm zugleich mittheilen sollten , dass die Kasbah für die erste Nacht zwischen dem Oberbefehlshaber und dem Dey getheilt werden sollte , dass es aber sehr wünschenswerth sei , Wenn cr sich am nächsten Morgen in eins seiner in der Stadt gelegenen Privathäuser zurück zöge *). Die Abgesandten wurden durch die zu beiden Seiten aufgestellten Leibwachen den steilen Weg hinauf geführt , an dessen äusserstem Ende die Kasbah gelegen ist. Sie traten alsdann in einen Marmorhof, wo der Dey mit seinem Finanz -Minister von einigen Sclaven umgeben auf Kissen im Schatten eines Citronenbaumes sass. Nach den im Orient üblichen Begrüssungen liess der Dey eine Schaale gefrorner Limonade bringen, nahm zuerst davon , gab sie dann den Franzosen , welche sie wieder dem Minister reichten . Mit Erstaunen und Unwillen vernahm der Dey die Zu muthung die Nacht unter einem Dache mit Ungläubigen zubringen zu sollen und verlangte deshalb drei Stunden Zeit , um sich mit seinem Harem in die Stadt zurückzu ziehen.
Diesem Gesuchwurde indessen keine Folge gegeben, da sich das Heer bereits auf dem Marsche beand ; und so verliess denn der Dey unter Zurücklassung seines Ministers plötzlich mit allen
*) Merle, secrétaire particulier de M. le comte de Bourmont. Anecdotes historiques et politiques pour servir à l'histoire de la conquête d'Alger en 1830. Paris 1831.
91 seinen Weibern das Schloss und siedelte in die Stadt über. Auch der Minister wollte sich zurückziehen , was jedoch von den Franzosen nicht geduldet wurde. Gleich nach dem Fortgange des D ey fiel seine Diener schaft und die Juden üder die zurückgelassenen Schätze her und suchten , was sie nur konnten , in Sicherheit zu bringen. Später hat man die Behauptung aufgestellt, auch französische Offiziere , besonders einer der Divisions Commandeure und auch Bourmont selbst, seien an diesem Tage zu reichen Leuten geworden. Eine gründliche Unter suchung ergab jedoch das Gegentheil und der Fürst Schwar zenberg behauptet , Bourmont habe , als er später Algier verliess , als einzigen Schatz das Herz seines Sohnes in einer silbernen Kapsel mitgenommen . Am 5. Juli gegen Mittag rückte die Armee ein, voran die Artillerie, der die Palme des Sieges zuerst gebührte . General Montlivault mit dem 34. Regimente besetzte das Thor Bab-a- zun, das 35. Regiment den Hafen, General la Hitte mit dem 6. Linien- Regimente die Kasbah. Der Ein zug in die eroberte Stadt geschah nicht wie gewöhnlich mit der Entfaltung des grösstmöglichsten , militairischen Pompes. * Einzeln und in kleinen Abtheilungen marschirten die Truppen durch die engen bergigen Strassen der Kasbah zu. Von Einwohnern war fast gar nichts zu sehen, da die Häuser nach morgenländischer Sitte ihre Fenster nach den Höfen heraus hatten. Nur hier und da sass ein Türke oder Maure still und schweigend auf der Schwelle seines Hauses, im Gesichte den Ausdruck des tiefsten Schmerzes und der Resignation. Ueberrascht und erstaunt waren die Franzosen beim Anblicke der Kasbah . Da sie den Zweck hatte, zum Pal laste des Dey zu dienen, gleichzeitig aber auch mit ihren Kanonen die Stadt beherrschen sollte, ferner den Aufbe wahrungsort für die geraubten Waaren und das Gefängniss für eingebrachte Sclaven bildete, so machte das Ganze mehr den Eindruck * eines grossartigen Speichers oder Fabrikge bäudes, als der Wohnung eines reichen und mächtigen Fürsten. Für alle obenerwähnten Zwecke waren mit Aus
92 nahme der im Keller befindlichen Gefängnisse keine beson deren Räumlichkeiten des Schlosses angewiesen. Aus einem mit morgenländischer Pracht gezierten Vorhofe trat man in eine dunkle Küche ; aus dieser in ein üppiges, halbdunkeles mit Gold- und Silberstickereien erfülltes Gemach, das den Durchgang bildete zu einer mit 48pfündern besetzten Kase matte, durch welche man wieder in Badestuben, Waaren magazine und in einen mit Springbrunnen versehenen Gar ten gelangte. Der Serail war angefüllt mit Frauenkleidern von höchstem Reichthume, herrlichen Teppichen, silber und goldgestickten Polstern und einer Unzahl von Sachen in mannigfaltigstem Farbenglanze, die zur Toilette von Damen gehören. Die neugierigen Franzosen vertheilten sich in alle Gemächer und betrachteten mit Verwunderung diese an ,,tausend und eine Nacht" erinnernde Pracht. Erst nach geraumer Zeit wurden die Privatgemächer durch Posten abgesperrt und der Eintritt verweigert. Der Schatz bestand meistens aus Goldsachen, Edelsteinen und einigem gemünzten Gelde, in einem Gesammtwerth von 45 Millionen Franken. Man fand auch Münzen aus älteren Zeiten, besonders viele jedoch, die aus den Zeiten der Re gierung Karls V. herstammten. Der Werth der eroberten Kanonen, Munition, Waarenbestände und dergleichen betrug ausserdem noch etwa 25 Millionen. Gegen Abend ging das Dampfschiff Sphinx mit der Nachricht von der Eroberung Algiers nach Toulon ab. Ge neral Bourmont sandte zugleich einen ausführlichen Ope rationsbericht mit und verlangte eine bedeutende Anzahl Ordensverleihungen für Officiere und Soldaten , Besetzung der vacant gewordenen Stellen in der Armee und als Gra tification für die Soldaten eine dreimonatliche Löhnung . In Paris hatten sich inzwischen die Leidenschaften kei neswegs beruhigt ; der Hof machte seinem Enthusiasmus bei der wichtigen Nachricht in übertriebenen Aeusserungen Luft, die Liberalen bezeigten nur eine matte Freude. Der Parteihass hatte es dahin gebracht, dass die Eroberungen einer französischen Armee die Hälfte der Franzosen mit Aerger erfüllten.
Die Nationalehre war gestiegen, die Rente
93 sank und die Klänge des Tedeums verhallten in dem Ge schrei der sich bekämpfenden Parteien. Am 6. wurden die Miliz und die Janitscharen entwaffnet. Einzeln erschienen sie in der Kasbah und übergaben, Stolz und Schmerz in den finstern Gesichtern Gewehr und Yatagan an ihre Ueberwinder. Der Dey wohnte in der Stadt und hatte eine Ehren wache von einer Compagnie Grenadiere. Am 7. erschien Hussein Pascha, der letzte Dey von Al gier, in der Kasbah, um dem General en chef seine Visite zu machen. Er wurde mit allen Ehren empfangen ; die Wachen traten vor ihm ins Gewehr und präsentirten und der Generalstab ging ihm bis zur Thüre entgegen. Hussein Pascha war ein Mann von einigen sechzig Jahren, in dessen Zügen sich ein Gemisch von Sanftmuth und Gleichgültigkeit ausprägte, Eigenschaften, die man bei einem Regenten , der lange an der Spitze einer solchen Re gierung gestanden hatte, nicht hätte erwarten sollen. Seine Haltung war militairisch und würdevoll, auf dem Kopfe trug er einen rothen Turban, von seinen Schultern fiel der weisse Burnuss der Beduinen über die unbeklei deten Beine herab. Als er am Tage nach dem Einzuge der Franzosen etwas bekümmert ausgesehen hatte, erhielten die ihn darüber Befragenden zur Antwort: „ Wenn man von einer solchen Höhe gefallen ist, kann man schon etwas be troffen sein". Indessen hatte er sich schnell gefasst und ertrug sein Missgeschick mit Resignation und Achtung ge bietender Würde. Als ihm Bourmont entgegenging, ver mochten auch die aufmerksamsten Späher keine Spur von Veränderung in seinen Gesichtszügen zu bemerken, die die Bewegung errathen liess, welche doch in seinem Innern beim Eintritt in seinen von Christen entweihten Pallast vor gehen musste. Die Unterredung dauerte ziemlich lange, da der Dey dem General en Chef ausführliche Nachrichten mit theilte, über Staatseinkommen, über Summen, die die Beys von Constantine, Titeri und Oran noch schuldig seien und über den Charakter der hauptsächlichsten Bewohner der Stadt und des Landes. Er sagte ferner, wenn die Fran
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94 zosen nicht die von der Türkei gesandte Fregatte aufge halten hätten, so würde er sie selbst in den Grund geschos sen haben, da er sehr wohl gewusst hätte, dass sich die seidene Schnur für ihn an Bord befunden habe. Als der Dey im Gefolge des Grafen Bourmont den Fürsten Friedrich von Schwarzenberg erblickte, welcher als -Malteser die Uniform dieses Ordens trug, fragte er, nachdem er ihn eine Zeit lang aufmerksam betrachtet hatte, ob dies ein Franzose sei. Als er hörte, dass derselbe ein Deutscher, der als Freiwilliger den Feldzug mitgemacht hätte, drückte Hussein Pascha seine Verwunderung darüber aus, Jemand von einer Nation zu sehen, mit der sein Herr der Sultan in Frieden lebe. Nachdem er ihn einen von den kriegerischen Christenpriestern genannt hatte, welche einst in Malta ihren Sitz gehabt hätten , ging er an ihn heran : ,,Junger Mann, sagte er, ich habe vor vielen Jahren gegen die Deinen zur See gefochten ; zwischen ihnen und den Gläubigen war ewiger Krieg. Wir beide sind die letzten in diesem Kriege, doch Gott hat Dir wohl gewollt und Du bist glücklicher als ich. Du bist der letzte, der gegen uns gekämpft und der erste , der als Sieger diese Mauern be treten hat.
Gottes Wille geschehe !"
Am nächsten Tage erwiderte Bourmont die ihm ge machte Visite. Der Dey dankte ihm bei dieser Gelegen heit für sein Benehmen und sagte unter anderem : „ Ich war von der Gerechtigkeit meiner Sache durchdrungen, aber der Thron von Algier ist gefallen , der Erfolg hat ent schieden, dass ich Unrecht hatte. Ich weiss , dass Du bei dem Kampfe einen Sohn verloren und bedaure Dich um so tiefer, als auch ein Neffe von mir im Gefechte geblieben ist ; aber Gottes Wille möge geschehen!" Da es Hussein Pascha frei stand , sich den Ort seines künftigen Aufenthaltes zu wählen , so entschied er sich für Neapel. Am 10. Juli wurde er an Bord der Fregatte Jeanne d'Arc eingeschifft. Zwei Schwiegersöhne, 52 Frauen und 60 Personen Gefolge begleiteten ihn . Sein Abschied von Algier war ergreifend ; viele Bewohner hatten sich am
95 Ufer versammelt , darunter alle Janitscharen, die sich hin zudrängten, ihrem Fürsten die Hand zu küssen. Wenige Wochen , nachdem hier der Barbareskenfürst dessen Thron auf die Schneide des Yatagans gestützt war, unter den Thränen der Unterthanen seiner Hauptstadt den Rücken gewandt, verliess sein Sieger, der allerchristlichste König Karl X. von nur einer kleinen Zahl Getreuer be gleitet und nur mühsam vor den Insulten des Cherbour ger Pöbels geschützt das Land seiner Väter. Hussein lebte einige Zeit in grösster Zurückgezogen
heit auf einem Landhause bei Neapel , ging dann nach Li vorno, später nach Paris und nahm endlich seinen Wohn sitz in Alexandrien , wo er im Jahre 1838 starb. Am Tage nach der Entwaffnung wurden alle unver heiratheten Türken und Janitscharen, 1500 an der Zahl, an Bord gebracht , um nach Smyrna transportirt zu werden . Jeder von ihnen erhielt 25 Piaster und durfte Alles , was er sein Eigenthum nannte, mitnehmen. Die später gemachte Erfahrung, dass von den tausend zurückgebliebenen Verheiratheten der grösste Theil zu den Kabylen floh, um dort die Waffen gegen die Franzosen zu tragen, bewies , wie zweckmässig es gewesen , sich dieser kühnen Gegner möglichst zu entledigen. Die ersten Unterhandlungen mit den Franzosen von Seiten der Berber knüpfte ein berüchtigter und mächtiger Kabylenfürst Ben-Zamum an , der sich zugleich zum Ver mittler den übrigen Stämmen gegenübor antrug. Graf Bourmont wies in seinem Siegesstolze diesen Häuptling, der ihm bereits in allen Gefechten gegenüber gestanden hatte , zurück ; ein Benehmen , was die Franzosen später haben theuer entgelten müssen . Ben -Zamum wurde von nun an der geschworene, unversöhnliche Feind der neuen Eindringlinge , der mit Freuden jede Gelegenheit wahr nahm , wo er sich an ihrem Blute für die erlittene Zurück weisung rächen konnte. Auch der Bey von Titeri hatte gleich nach der Erobe rung Algiers seinen 15 Jahr alten Sohn zum Oberkomman deur geschickt, um ihm anzukündigen, dass er bereit sei,
96 sich zu unterwerfen und zur Unterhandlung persönlich in Algier erscheinen werde. Bourmont lud den jungen Mann zu Tische , behandelte ihn sehr freundlich und sagte in seinem Berichte von ihm, er hätte seine Mission mit einer Naivetät erfüllt, die an die Zeiten des Alterthums erinnere. Nachdem seinem Vater ein sicheres Geleit bewilligt wor den war, erschien auch dieser in Algier und wurde unter der Bedingung , dass er den Franzosen denselben Tribut bezahle, wie dem Dey , im Namen des Königs von Frank reich bestätigt. Die Beys von Constantine und Oran zeig ten keine Absicht, sich den Franzosen zu unterwerfen und zogen sich mit den Ueberresten ihrer Heere in ihre Pro Da auf diese Weise die Umgegend von vinzen zurück. Algier frei wurde, so kamen allmälig auch die umwohnen den Araber in grosser Zahl nach der Stadt , um den Sie gern gegen gute Bezahlung ihre Lebensmittel zu verkau fen. So fingen die Strassen , auf denen man bis dahin nur Soldaten gesehen hatte , allmälig an sich wieder zu bele ben und Handel und Wandel traten an die Stelle kriege rischer Ereignisse. Indessen behalten selbst die belebten Strassen einer afrikanischen Stadt für den Europäer etwas todtes und ödes . Kein Wagen fährt auf dem ungepflaster ten Boden , keine elegante Karosse rollt zwischen den fensterlosen Häusern dahin , und nur höchst selten erblickt man die zierliche Gestalt einer Maureskin Mumie in Schleier eingehüllt.
gleich einer
Für die Soldaten war der plötzliche Uebergang von der angestrengtesten kriegerischen Thätigkeit zu unge wohnter Ruhe von den nachtheiligsten Folgen. Die Dis ciplin lockerte sich und Krankheiten nahmen überhand, ´die im Verein mit dem Missmuth über die im Vaterland nicht gehörig anerkannten , theuer erworbenen Verdienste den Geist der Landtruppen herunterstimmten . Die Befehle in Rücksicht der Disciplin mussten verschärft werden , der Eintritt in die Moscheen und Privatwohnungen wurde auf's strengste untersagt , die Gensd'armerie verstärkt und mit der strengsten Aufsicht beauftragt.
97 • Am 18ten kam die Sphinx von Toulon f zurück und brachte die Ernennung Bourmonts zum Marschall und Du perré's zum Pair von Frankreich. Ausser zwei Ludwigs kreuzen , von denen das eine auf Amadé von Bourmonts Sarg gelegt wurde , waren weder Ernennungen noch Aus zeichnungen mitgesandt worden. Der General en chef ver hehlte nicht den Unwillen , den er darüber empfand , dass man in Frankreich so sparsam mit der Belohnung wohl erworbener Verdienste verfuhr, und mit einigen Ellen Band für eine Armee geizte , durch deren Blut der Staat um mehrere Millionen Unterthanen bereichert war. Dazu kam es, dass die Anforderungen , die Bourmont gemacht hatte, keineswegs übertrieben waren. Er verlangte nämlich die Beförderung von drei Generalmajors zu Generallieutenants , von sechs Obersten zu Generalen und so fort im Verhält niss der Grade. Ferner wünschte er für jedes Regiment zwei Ludwigskreuze, ein Offizierkreuz der Ehrenlegion und vier Legionskreuze. Die Revue über die Truppen wurde in Folge dessen von Tage zu Tage verschoben und die Unzufriedenheit nahm zu, noch vermehrt durch das ungünstige Klima, das Fieber und Ruhr erzeugte , und unter Offizieren und Sol daten vielfache Opfer forderte. So verderblich der Einfluss war, den der Aufenthalt in Algier auf die Soldaten ausübte , um so belehrender und interessanter war das Leben daselbst für die Offiziere. Vom ältesten General bis zum jüngsten Unterlieutenant herab versammelten sich in der Kühle des Abends die Offiziere sämmtlicher Truppentheile auf dem Dache der Kasbah, wo bei Cigarren und in ungezwungener Unterhaltung die neue sten und früheren Kriegsereignisse besprochen wurden. Alle welche jene Tage in Algier mitverlebt haben , ge denken nur mit Freude der interessanten Stunden , welche sie hier im wechselseitigen Austausch von Ideen und Er fahrungen zubrachten. Hier erschienen auch die als Volon tairs dienenden Offiziere fremder Armeen , so z. B. der Oberst Philosophof von der russischen , Fürst Schwarzen berg von der österreichischen , der preussische Hauptmann Heim , Kriege in Algier 1. Band. 7
98 Leclerc und der englische Marinekapitain Mansel. Lauter Männer, die Fähigkeiten und tiefes Wissen mit feinsten Sitten verbanden und sich bei jenen Klubs die Liebe und Achtung sämmtlicher Offiziere erwarben. Um den Besitz der Hauptstadt noch mehr zu befesti gen, beschloss Bourmont vorläufig noch die Einnahme eini ger grösserer Städte. Zu diesem Zwecke ging Aimé Bour mont, der Sohn des Feldmarschalls mit drei Briggs nach Oran ab. Der Bey dieser Stadt befand sich in einer sehr schlim men Lage, nachdem er sich bereit erklärt hatte , sich dem Die Aeusserung Könige von Frankreich zu unterwerfen. dieser Gesinnungen veranlasste einen Aufruhr der arabi schen Stämme im Innern, bei deren Anmarsch der grösste Theil der Bewohner von Oran floh. Nur allein der Bey blieb mit 700 bis 800 Türken in der Stadt zurück , deren Anhänglichkeit und Ergebenheit er sich durch Milde und Sanftmuth erworben hatte. Bis zu dem Zeitpunkte , wo Bourmont in Oran eintraf, hatten die Kanonen der Stadt jede Annäherung der Araber verhindert , indessen fürchtete der Bey nicht mehr lange der Uebermacht widerstehen zu können und begrüsste deshalb die Ankunft der Franzosen mit Freuden. Er unterwarf sich in Folge dessen ohne Blut vergiessen , wurde vereidigt und erhielt dafür das Ver sprechen , dass er möglichst bald mit Truppen unterstützt werden sollte, durch deren Hülfe er seine Autorität inner halb der Provinzen wiederherstellen könnte. Als Bourmont bei der Rückkehr das den Hafen von Oran beherrschende Fort Mers - el-Kebir passirte , fasste er den Entschluss, sich durch einen Handstreich dieses wich tigen Punktes zu bemächtigen. In genanntem Fort befan den sich 80 Mann , die dasselbe schlecht bewachten und unter denen die Annäherung der Araber eine grosse Un ruhe und Unentschlossenheit hervorgebracht hatte. Die Briggs der Voltigeur und der Endymion kreuzten vor dem Fort, während 110 Mann von der Besatzung dieser Schiffe genommen, an das Land gesetzt wurden. Unter Bourmonts Führung marschirten sie mit möglichster Schnelligkeit auf
99 das Fort zu , drangen in die schlecht bewachten Thore und rissen die mahomedanische Fahne herab , an deren Stelle die französische Flagge aufgepflanzt wurde. Die Besatzung wurde entwaffnet und nach Oran zurückge schickt, während die Marinesoldaten , welche das Fort ge nommen hatten, als Besatzung darin blieben . Mers - el - Kebir ist ein Werk der Spanier und sehr fest gebaut. Die 43 Ge schütze, welche es vertheidigten , waren hinlänglich mit Munition versehen und zwei Cisternen enthielten für die Besatzung ausreichendes Wasser. Während Bourmont nach Algier zurückkehrte , um die versprochene Unterstützung veranlassen zu können , blieben die obengenannten beiden Schiffe auf der Rhede vor Anker liegen , um nöthigenfalls den im Fort befindlichen Marinesoldaten Beistand leisten zu können . Zu ihrer Unterstützung wurde der Oberst Goutefrey mit dem 21sten Linien-Regiment , einer Compagnie Artil lerie, einer Abtheilung von 50 Sappeurs und zwei Gebirgs Windstillen und widrige haubitzen dorthin abgesandt. Winde verzögerten seine Fahrt , so dass die Schiffsabtheilung erst am 12. August die Bay von Oran erreichte. Die Trup pen wurden sofort an's Land gesetzt und in Mers -el-Kebir einquartirt, von wo aus sie gegen Oran vorrücken sollten, als am 15ten von Algier aus der Befehl eintraf, der Oberst Goutefrey möge in Folge aus Paris eingetroffener Nach richten die ganze Position aufgeben. Der Bey von Oran wurde sogleich von dem Rückzuge der Franzosen benach richtigt und die Expedition kehrte nach Algier zurück . nachdem sie alle Forts gegen die Seeseite gesprengt hatten. Eine zweite Expedition unternahm der General Dam rémont auf den Schiffen des Contreadmirals Rosamel. Sie bestand aus dem 6ten und 49sten Regiment , einer Feld batterie und einer Kompagnie Sappeurs und war gegen Bona gerichtet. Zugleich mit den Truppen sollte ein Le bensmittel-Transport auf dreissig Tage an's Land gesetzt werden. Die Nachrichten , welche man über Bona ein geholt hatte , schienen keinen Zweifel über den Erfolg Die Stadt hatte keine der Expedition zu lassen.
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türkische Besatzung, ihre Bevölkerung bestand aus Mauren , von denen man hoffte , dass sie die Franzosen mit Ver trauen aufnehmen würden , da sie jeden Augenblick be droht wurden , von den sie umgebenden Arabern geplün dert zu werden. Widrige Winde hatten die Fahrt mehr verzögert, als man vorausgesetzt , so dass die Abtheilung erst am 2. August vor Bona erschien . Jene Einwohner dieser Stadt , welche zur Zeit der Kapitulation von Algier, sich in letzterer Stadt befanden , waren schon mit dem ehemaligen Agenten in den französischen Niederlassungen, Herrn Ramibert in Bona angekommen. Ihre Ermahnungen, die Nachricht von den französischen Erfolgen , vor Allem die Furcht von den Arabern geplündert zu werden, hatten die Einwohner bestimmt, sich dem Könige von Frankreich zu unterwerfen * ) . Sie sahen in den Franzosen ihre Be schützer und verlangten die sofortige Besetzung ihrer Stadt. Admiral Rosamel traf seine Anstalten, und die Aus schiffung der Truppen wie des Materials hatte mit eben soviel Ordnung als Schnelligkeit statt. General Damrémont liess das etwa 1000 Schritt von der Stadt auf einer isolir ten Anhöhe liegende Fort Kasbah durch das 6te Linien Regiment besetzen. Das 49ste Regiment nahm Stellung auf der Strasse gegen Constantine. In dem Fort , in der Stadt und in den Küstenbatterien wurden 134 Kanonen vorgefunden. Einige Tage vor der Ankunft der Franzosen hatten sich die Kabylen und Araber in grosser Anzahl vor der Stadt vereinigt. Ihr Befehlshaber hatte die Einwohner im Namen des Bey von Constantine aufgefordert, ihm die Stadt zu übergeben ; diese hatten jedoch seinen Drohungen Trotz geboten und sich geweigert , ihm das verlangte Pulver zu schicken.
*) Officieller Bericht des Marschalls Grafen Bourmont an den Kriegsminister. Datirt aus der Kasbah am 15. August 1830. Die sen und den nächstfolgenden Berichten ist die ganze Darstellung der Expedition nach Bona entlehnt.
101 Da General Damrémont aus den Bewegungen der Ka bylen und Araber sowie durch erhaltene Nachrichten die Ueberzeugung gewann, dass er sehr bald angegriffen wer den würde, so liess er mit ausserordentlicher Schnelligkeit Redouten zur Vertheidigung der Stellung des 49. Regiments errichten und mit Geschütz besetzen. Der Feind beherrschte zwar die ganze Gegend , allein er beschränkte sich darauf, die Ankunft der Lebensmittel zu verhindern. Am 6ten war die Stärke desselben bedeu tend angewachsen ; die französischen Truppen griffen ihn mit der grössten Tapferkeit an und warfen ihn auf allen Seiten zurück , nachdem die Kartätschen seine Reihen ge lichtet. ten erhielt der Feind neue Verstärkungen Am und rückte am andern Morgen gegen die französische Stel lung vor. Obgleich der Angriff sehr heftig und ungestüm war , scheiterte er an der Unerschrockenheit der Soldaten und der Kaltblütigkeit der Offiziere, welche die Gegner zu einem verlustreichen Rückzuge zwangen. Die Bewegungen der Araber am 11ten liessen von neuem auf einen Angriff schliessen. General Damrémont gab deshalb den Truppen Befehl , sich bereit zu halten , um sofort zu den Waffen greifen zu können. Die Verluste , welche der Feind bis dahin, besonders durch die Geschütze erlitten hatte, bewo Es war gen ihn, einen nächtlichen Angriff zu versuchen. dies das erste Mal seit dem Beginne des Feldzuges , dass die Araber von den hierauf bezüglichen Gesetzen des Koran sich entfernten. Den 11 ten verkündigten Abends um halb zwölf Uhr einige Flintenschüsse den Anmarsch des Feindes ; eine Re doute deckte die Frontlinie der französischen Stellung ; in ihr befand sich der General Damrémont. Begünstigt durch Finsterniss , durch einige Biegungen des Erdbodens und mehrere Bäume, die man nicht die Zeit gehabt hatte nieder zuhauen , wichen die Araber dem Feuer dieser Redoute aus und näherten sich einer andern , die etwas weiter rück wärts angelegt und noch nicht vollkommen zur Vertheidi gung hergestellt war. Auf kurze Entfernung vor derselben angekommen, stürzten sie sich unter grossem Geschrei auf
102 die Brustwehr.
Allein durch ein Kleingewehr- und Ge
schützfeuer empfangen, vermochten sie sich nicht zu halten und traten ihren Rückzug an. Um 1 Uhr Morgens wurde der Angriff mit erneuter Kraft und noch grösserer Energie wiederholt. Einige Araber setzten über den Graben der ersten Redoute und liessen sich auf der Brustwehr und in den Schiessscharten mit dem Bajonette niederstechen. Die ruhige Tapferkeit der Soldaten liess auch diesen Angriff misslingen und der entmuthigte Feind floh in grösster Un.. ordnung. Auf den Brustwehren , in den Gräben und in der nächsten Umgebung fand man 86 Todte, darunter einen Schwager des Bey von Constantine. Die Verwundeten , deren Zahl ebenfalls nicht ganz unbedeutend gewesen sein kann, hatte der Feind trotz der Eile der Flucht in Sicher heit gebracht. Der Verlust der Franzosen war sehr gering, da durch die Vorsicht des Generals die Truppen überall mit Brustwehren geschützt waren. Trotzdem sich während der nächstfolgenden Tage noch immer grosse zahlreiche Banden zeigten , versuchte der Feind keinen ernstlichen Angriff mehr. Am 18, August des Abends erhielt der General Damrémont die Abberu Die Einschiffung der Armee war nicht ganz fungsordre. leicht, da ein starker Wind , namentlich die Ueberführung des Materials erschwerte. Erst am 20sten Abends war man damit fertig. Die Elitenkompagnien , befehligt durch den Obersten Megnan, verliessen die Stadt erst am 21sten Mor gens ; da sie bis zum letzten Augenblick die Angriffe der von neuem sich verstärkenden Feinde abzuwehren hatten. Die Bevölkerung von Bona legte während der ganzen Zeit die günstigste Stimmung für die Franzosen an den Tag, nachdem sie sich in ihren Reihen mit grösster Tapfer keit gegen die Araber geschlagen. Eine dritte unternommene Expedition war eigentlich mehr eine grossartige Recognoscirung zur Erforschung der weiteren Umgegend Algiers und namentlich gegen Blidah im kleinen Atlas gerichtet. Sie war hauptsächlich ange regt worden durch den Chef des Generalstabes Desprez, in dessen Wunsch es lag , die Ebene Metidschah und die
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Quellen der dieselben bewässernden Flüsse Mazafran und Obgleich man anfangs beab Aratsch kennen zu lernen. sichtigte nur zwei Compagnien leichter Infanterie zur Be deckung mitzunehmen, so bestimmten dennoch über die Gesinnung der Einwohner ungünstig lautende Nachrichten den Oberbefehlshaber zu folgender Zusammensetzung : Ein Bataillon leichter Infanterie, 2 Volgiteurs- Compag nien , eine Escadron Chasseure , vier Kanonen und zwei Berghaubitzen. Den Befehl darüber führte der General Hurel. Das Truppencorps verliess am Abend den 22. Juli Algier und lagerte die Nacht am Ufer des Aratsch in der Metidschah . Diese weite Ebene dehnt sich an den Gren zen des gebirgigen Bodens , auf welchem Algier liegt , bis Sie gehört zum zu dem Fusse des kleinen Atlas aus. Theil in das Flussgebiet des Aratsch , zum Theil in jenes des Mazafran. Die Linie, welche diese beiden Flussgebiete Der An von einander trennt , ist schwer zu bestimmen. blick des Landes scheint anzudeuten, dass in früherer Zeit das Meer den Raum ausfüllte , den jetzt die Ebene von Metidschah einnimmt , und dass sie erst nach und nach durch die Anschwemmungen entstand , welche die vom Atlas herabkommenden Ströme und Gebirgsbäche herab führten. Der Boden ist ausserordentlich fruchtbar , allein unangebaut fund die Bewohner beschränken sich darauf, ihn zum Weiden ihrer Heerden zu benutzen. Gegen Abend des 23. Juli erreichte man Blidah. Diese über 10 franzö sische Meilen von Algier entfernte Stadt liegt in einem wahren Paradiese. Die an Wasserquellen überreiche Um gegend erzeugt die üppigste Vegetation , die herrlichsten Fruchtbäume gedeihen zu seltener Fülle und sind die Ur sache der Wohlhabenheit der Bewohner. In einiger Ent fernung von der Stadt erheben sich malerisch die Höhen des kleinen Atlas , der seine sich hier in Wellenlinien, dort als scharfe zerrissene Kämme darstellenden Conturen an dem reinen Blau des Himmels abzeichnet , während seine Abfälle mit dem erfrischenden Grün ihrer üppigen Vegetation das Auge erquicken. Keiner der Einwohner war bei der Annäherung der Franzosen entflohen , eine von
104 ihnen abgesandte Deputation bewillkommnete das Heer Kurze Zeit nach dem bereits eine Stunde vor der Stadt. Eintreffen war bereits ein Markt neben dem Lager errich tet , das sich ausserhalb der Gärten befand , um vor jeder Hin und wieder kamen Ueberraschung gesichert zu sein. auch Einwohner und warnten vor einem grossartigen An griff, den die nahe wohnenden Bergvölker zu unternehmen gedächten. Als aber die Nacht ohne jedwede Störung ver lief, glaubte man nicht mehr daran , und hielt die Nach richt für eine List , durch die sich die Bewohner sobald wie möglich der Franzosen entledigen wollten. In der Frühe des 24 sten unternahm der Marschall, begleitet von zwei nur schwachen Infanterieabtheilungen eine Recognoscirung des kleinen Atlas und der Quellen des Mazafran. Trotzdem man häufig Kabylenschwärme auftauchen und wieder verschwinden sah , kam es doch zu keinem eigentlichen Gefechte , sondern man erreichte Blidah wieder, ohne mehr als einzelne Schüsse gewechselt zu haben. Es war bereits Mittag als der Marschall in sei nem Hauptquartiere , das er in einem Garten ausserhalb der Stadt genommen hatte , ankam. Noch sass Bourmont bei Tische im Schatten eines Oel baumes, als im Garten plötzlich Schüsse fielen. Alles sprang auf und des Marschalls Adjutant de Trélan wurde ausge schickt, die Ursache derselben zu erkunden. Doch kaum hatte er wenige Schritte gemacht, als er durch einen Schuss von gehacktem Blei in den Unterleib getroffen zu Boden sank und bald darauf unter den schrecklichsten Qualen seinen Geist aufgab . Man überzeugte sich bald , dass die Kabylen in grossen Schwärmen von den Bergen herunter kämen und von allen Seiten in die Stadt eindrängen. In zwischen hatten sich jedoch die Franzosen gesammelt und einige Bajonettangriffe genügten , Blidah vom Feinde zu säubern. Nichtsdestoweniger schien ein weiterer Aufent halt bei der entgegenstehenden bedeutenden Uebermacht nicht rathsam und so beschloss denn Bourmont trotz der versengenden Hitze den Rückmarsch sofort anzutreten.
105 Der Hauptmann Chapelin vom Generalstabe war vor der Kolonne vorausgeschickt worden , um einen Platz für das Bivouak der künftigen Nacht auszusuchen. Er war be gleitet von zwei Kompagnien Infanterie und 25 Jägern zu Pferde. Jene liessen, als sie angegriffen wurden, den Feind bis aufPistolenschussweite herankommen, gaben eine Salve ab, griffen dann mit dem Bajonette an, tödteten zehn oder zwölf Kabylen und jagten den Rest in die Flucht. Jetzt warfen sich die Jäger zu Pferde auf die Flüchtlinge und 30 oder 40 derselben blieben unter den Säbelhieben und Lanzenstichen der Franzosen. Andere zahllose Kabylen schwärme stürzten sich mit immer erneuerter Wuth auf die Flanken und die Queue der Hauptkolonne , welche ih ren Marsch , da sie die Verwundeten nicht den barbari schen Stämmen überlassen wollte , nur mit grosser Lang samkeit fortsetzen konnte. Sehr gute Dienste leisteten den Franzosen die Berghaubitzen , welche mit ihren Granaten die dichten Haufen der Feinde etwas lichteten. Die Trup pen zeichneten sich trotz der erschlaffenden Hitze durch ihre Ausdauer und ihren Muth aus , besonders die Chas seurs, die unter dem tapfern Obersten Bontemps du Barry durch fünf oder sechs festgeschlossene Angriffe den frei lich immer wiederkehrenden Feind zurückwarfen. Auch der Fürst Schwarzenberg erwarb sich an diesem Tage das Kreuz der Ehrenlegion, als er durch Beispiel und Ermun terungen die Voltigeurs zu stets neuen Anstrengungen ermuthigte . Nach beinahe achtstündigen, unausgesetzten Gefechten erreichte man eine Gruppe von Feigenbäumen , die etwa eine Stunde vom Aratsch entfernt lagen . Da die Truppen vor Müdigkeit und Durst unfähig waren, den Marsch wei ter fortzusetzen , so beschloss man hier zu lagern , zumal ein Nachtmarsch bei dem bereits fühlbar werdenden Mu nitionsmangel und der Unkenntniss leicht höchst verderb Jedoch auch die Kabylen liche Folgen haben konnte. schienen bedeutende Verluste gehabt zu haben, denn die Nacht verging , ohne dass man von ihnen belästigt wurde. Auch am nächsten Tage benutzten sie die sich ihnen dar
106 bietenden Vortheile nicht , indem sie weder das Gefecht wieder aufnahmen , noch den Franzosen die Ueberschrei tung des Aratsch streitig machten. Nur diesem Zufalle war es zuzuschreiben, dass letztere mit einem Verluste von 105 Mann davon kamen , während die Fortsetzung des Kampfes jedenfalls die Aufreibung der ganzen Kolonne zur Folge gehabt haben würde. Erschöpft vor Anstrengung, begleitet von einer grossen Anzahl Verwundeter , erreichten die Truppen am 25. Juli Algier , wo am nächsten Tage das Begräbniss de Trélans mit Entfaltung alles militairischen Pompes stattfand. Eine auf dem Christenkirchhofe befindliche Marmorsäule legt Zeugniss ab von der allgemeinen Liebe , die dieser Mann genoss und von dem Schmerze , den sein langjähriger Kommandeur um den treuen Begleiter empfand. Der Eindruck, den die misslungene Expedition auf die Armee machte, war ein höchst unangenehmer, während die Araber mit Freuden eine Nachricht begrüssten, durch welche ihr bisheriger Glauben an die Unbesieglichkeit der Fran zosen erschüttert wurde. Auf Anstiften der Türken und angefeuert durch über triebene Erzählungen von den Verlusten der Eroberer, be schlossen sie eine Art sicilianische Vesper zu unternehmen. Es ist bereits oben erzählt worden , dass etwa tausend verheirathete , meist sehr reiche Türken in Afrika zurück geblieben waren. Man hatte vorausgesetzt, dass die Furcht ihr Vermögen einer Gefahr auszusetzen oder die Bande ihrer Familie zerrissen zu sehen , für ihre Unterwürfigkeit Gewähr leisten würde. Hierin jedoch hatte man sich ge täuscht. Jene, welche höhere Aemter bekleidet hatten, be dauerten den Verlust ihrer früheren Stellungen. Einige waren unter dem Titel Kaid, lange Zeit Regierungsbeamte des Dey bei den vornehmsten , arabischen Stämmen gewe sen. Sie benutzten den Einfluss , den sie zu erhalten ge wusst hatten, um mit den Scheiks in Verbindung zu blei ben und es gelang ihnen , diese zu überreden , dass ein Theil der französischen Expeditionsarmee nach Frankreich zurückgekehrt sei, dass Krankheiten den Rest decimirt hät
107 ten , dass die Moscheen entheiligt, die Weiber aus ihrer Zurückgezogenheit gerissen worden seien ; dass die Bevöl kerung von Algier durch die Excesse empört, bereit wäre zu den Waffen zu greifen , und endlich der Zeitpunkt ge kommen sei , ihre Bezwinger zu vernichten . Die Franzosen jedoch hatten von allen diesen Umtrie ben Nachricht erhalten und in Folge dessen die Polizei in Algier verschärft. Einige Araber , die überwiesen wurden, Pulver und Munition den umwohnenden Stämmen heraus gebracht zu haben , wurden auf der Stadtmauer an dem Thore Bab-a-Zun aufgeknüpft. Die Türken, denen man Einverständnisse mit den Ara bern nachweisen konnte, wurden eingeschifft und wie ihre Genossen nach Kleinasien transportirt. Viele verliessen ausserdem freiwillig Algier , so dass die Zahl der Zurück bleibenden sehr zusammenschmolz. Diese Massregel des französischen Oberkommandos war das letzte Ereigniss in dem Kriege mit den Türken. Ihm folgte der Kampf mit den Eingebornen, der mit der Expe dition nach Blidah seinen Anfang genommen und mit ge ringen Unterbrechungen sieben und zwanzig Jahre lang fordauerte.
Bereits seit den ersten Tagen des August lebte man in Algier in einer dumpfen Stille. Unbestimmte Gerüchte von in Frankreich ausgebrochenen Unruhen liefen umher ; die abenteuerlichsten Nachrichten wurden erzählt und ge glaubt. Man sprach von dem Heransegeln der englischen Flotte, die der mehr zum Transport als zum Kampfe geeig neten französischen den Untergang drohe. Andere erzähl ten von einem Aufstande in Algier , der das Zeichen zu einer allgemeinen Schilderhebung sämmtlicher Stämme sein sollte. Die Truppen waren durch die vielen Opfer , die Fieber und Ruhr forderten , entmuthigt und besonders die jüngeren Soldaten von einem sich in krankhaften Zustän den äussernden Heimweh befallen . Die Schwüle der Luft und die aus der Wüste kommenden heissen Winde mach ten den Aufenthalt in Algier zu einer Qual.
108 Am 10ten brachte ein Kauffahrteischiff die erste Nach richt von der Pariser Revolution und von der Vertreibung Karls X. Der Kapitain erzählte , dass bei seiner Abfahrt von Marseille auf den Thürmen die dreifarbige Fahne ge weht habe. Wie ein Donnerschlag traf diese Nachricht den Mar schall , der am nächsten Morgen folgenden Tagesbefehl erliess :
Aus der Kasbah am 11. August 1830. Sonderbare Gerüchte durchlaufen die Armee. Der en chef kommandirende Marschall hat keine officiellen Nach richten erhalten , welche dieselben bestätigen. Auf alle Fälle zeichnet der geleistete Eid und das Grundgesetz des Staates der Armee ihre Pflicht vor. Anfangs war Bourmont nicht geneigt , die Revolution anzuerkennen, und auch eine bedeutende Anzahl von Offi zieren aus seiner Umgebung sprach den Wunsch aus , mit der Armee nach Frankreich zurückzukehren und dort die weisse Fahne von Neuem aufzupflanzen . Allein dieser Vorschlag scheiterte an der dem Königlichen Hause nicht so ergebenen Marine , welche die Ueberführung der Land macht zu diesem Zwecke entschieden verweigerte . Der Herzog von Escars hatte sofort seine Stelle nie dergelegt und verliess Algier ; ebenso sprachen einige Offi ziere den Wunsch aus , nach Frankreich zurückzukehren , worin ihnen auch gewillfahrtet wurde. Am 15ten fand bei dem Marschall ein Kriegsrath statt, zu dem sämmtliche höhere Offiziere herangezogen worden waren. Alle Parteien waren hier vertreten und äusserten ihre Meinungen. Orleanisten, Bourbons, Napoleoniden und Republikaner einigten sich endlich nach langen Debatten dahin, am nächsten Morgen auf der Kasbah die dreifarbige Fahne aufzupflanzen . Nachdem ein Tagesbefehl den Truppen dies bekannt gemacht hatte, rückten die Regimenter am 17ten zur Pa rade aus ; die Abdankungsakte des Königs und des Dau phins zu Gunsten des Herzogs von Bordeaux wurden vor
109 gelesen und die weisse Kokarde mit der dreifarbigen ver tauscht.
Da Bourmont das Heer seinem Nachfolger persönlich übergeben wollte, verblieb er bis zu dessen Ankunft in Al gier. Bereits am 28. August schiffte sich General Clauzel, der von Louis Philipp zum Oberkommandeur der afrika nischen Truppen ernannt worden war , in Toulon ein und erreichte Algier am 2. September. Unter demselben Datum nahm Bourmont in folgendem Tagesbefehl von der Armee Abschied : Algier am 2. September 1830. Der Generallieutenant Clauzel hat soeben den Ober befehl über die Armee übernommen. Indem der Marschall sich von den Truppen entfernt , deren Oberbefehl ihm in einem Feldzuge anvertraut war, der nicht ohne Ruhm ge blieben ist , findet er es angemessen , den Kummer auszu drücken, den er darüber empfindet. Das Vertrauen , wel ches die Truppen in so vielen Gelegenheiten ihm bewiesen haben, erfüllt ihn mit dem lebhaftesten Danke. Er würde sehr glücklich gewesen sein, wenn jene, deren vorzügliche Tapferkeit und Ergebenheit er empfohlen hat, die verdien ten Belohnungen erhalten hätten. Allein diese Schuld wird bezahlt werden , der Marschall findet die Gewährleistung dafür in der Person seines Nachfolgers ; die Rechte, welche die Soldaten der Armee in Afrika sich erworben haben, werden fortan einen Vertheidiger mehr zählen. Am 3. September schiffte sich Bourmont mit seinen Söhnen auf einer östreichischen Kauffahrteibrigg nach Spanien ein , da die Marine ihm ein Schiff zur Ueberfahrt verweigert hatte. Im Augenblicke seiner Abreise zog sich ein furchtbares Gewitter zusammen, der Donner rollte und die Blitze durchzuckten die Wolken nach allen Richtun gen. Selbst die am wenigsten beweglichen Herzen wur den gerührt bei dem Anblicke eines Mannes, der noch vor wenigen Wochen an der Spitze einer tapferen Armee in dem Strahlenkranze des Sieges glänzte und nun einsam und verlassen im Sturme dahin fuhr. Bourmont ging von
110 Spanien aus nach Holyrood, um daselbst seinen ehemali gen König aufzusuchen , Auch Duperré verliess mit dem Gros seiner Flotte Al gier und landete am 17. September in Toulon. Der General Clauzel , den das neue Gouvernement an die Spitze der afrikanischen Armee gestellt hatte, nahm be reits in den Jahrbüchern der französischen Kriegsgeschichte eine hervorragende Stelle ein. Mit Ungeduld sah man seinen Anordnungen entgegen, von denen man hoffte, dass sie die Unzufriedenheit und Muthlosigkeit , die unter Bourmont eingerissen war , verscheuchen würden . Aber der Enthu siasmus , mit dem der neue Gouverneur empfangen wor den, erkaltete schon bei der ersten Begrüssung der Armee. Ein Tagesbefehl verkündete den Truppen die Thronbestei gung Louis Philipps und die Ernennung Clauzels zum Oberbefehlshaber in Afrika. Mit keinem Worte jedoch war der Zufriedenheit ge dacht, die, wie man hoffte, das Vaterland über seine Armee empfinden sollte, kein Wort erwähnte der neuerworbenen Lorbeeren oder drückte den Schmerz aus über das kostbare Blut, welches diesen Siegen geflossen war. Ein zweiter Tagesbefehl am nächsten Morgen enthielt nach einer kurzen Lobesphrase die Mittheilung , dass eine Commission nieder gesetzt worden sei, um die Diebstähle zu untersuchen, welche die allgemeine Stimme der afrikanischen Armee zum Vorwurfe mache. Die gehässige Abfassung dieser Schrift, durch die ein Verbrechen, welches, wenn überhaupt be gangen, doch nur von einer kleinen Anzahl verübt sein konnte, der ganzen Armee zur Last gelegt wurde, machte einen tiefen, peinlichen Eindruck und erzeugte eine allge meine Missstimmung, die noch dadurch erhöht wurde, dass die Commission keineswegs aus beliebten und für unpar teilich geltenden Männern zusammengesetzt war. Nachdem die Untersuchung mit einer gehässigen und erbitternden Genauigkeit ausgeführt worden, erschien am 21. October die Bekanntmachung, dass man keine Unterschlagungen ent deckt habe, dass jedoch bei der Wegnahme des Schatzes einige besondere Unordnungen vorgekommen seien, deren
111 Urheber man den Gewissensbissen überlasse, die sie schon jetzt verfolgten und unaufhörlich verfolgen würden. Wäh rend dies zu Algier passirte, waren die Officiere der Ar mee, welche nach Frankreich zurückkehrten , zu Marseille und Toulon den schnödesten Nachforschungen ausgesetzt. Ja ein Douanenbeamter ging sogar so weit, den Leichnam Amadé's von Bourmont , welcher in dem Erbbegräbniss seiner Väter beigesetzt werden sollte, zu durchsuchen. Clauzel begann seine Thätigkeit mit der Organisation der Armee. Zunächst theilte er dieselbe statt der bishe rigen drei, in vier Divisionen, wie man sagt, lediglich um einem moralisch und physisch untüchtigen Menschen, der aber sein Freund und durch die Julirevolution emporgehoben war, eine Anstellung zu verschaffen. Um die durch Zurück berufung dreier Regimenter entstandene Lücke einiger massen auszufüllen , verordnete ein Befehl vom 1. October die Formation von eingebornen Bataillons unter dem Namen Zuaven. Bereits Bourmont hatte den Plan hiezu entworfen, war aber durch die Verwickelung der Verhältnisse an der Ausführung gehindert worden. Die Bataillone erhielten ihren Namen von einem unabhängigen, höchst kriegerischen Ka bylenstamme, den Zauas, die nach Art der Schweizer ihre Dienste den barbareskischen Mächten zu verkaufen pflegten . Durch glänzende Versprechungen angelockt strömten die Eingeborenen in grosser Zahl zu den französischen Waffen , so dass sofort zwei Bataillone formirt werden konnten. Als jedoch beinahe keine der gemachten Verheissungen ge halten wurde, desertirte eine grosse Zahl derselben wie derum, so dass man nur mit Mühe ein Bataillon vollständig erhalten konnte, Inzwischen verlor Clauzel über die krie gerischen Angelegenheiten der Kolonie die der Administra tion keineswegs aus den Augen. Unter den vielen von ihm hervorgerufenen Einrichtungen dürfte die Einsetzung von Gerichtshöfen wohl die wichtigste sein. Diese waren aus Eingeborenen und Europäern zusammengesetzt und sollten über alle Verbrechen und Händel der Bewohner nach fran zösischen oder unter Umständen auch nach algierischen Gesetzen erkennen. Jedoch fanden diese Civilgerichtshöfe
112 bei den Mauren wenig Eingang ; dafür aber hatte Clauzel alle europäischen Speculanten auf seiner Seite, die ihm in grosser Anzahl nach Afrika gefolgt waren in der sichern Hoffnung, sich unter seiner Aegide goldene Berge erwerben zu können. Zur Unterbringung dieser Leute legte Clauzel 1½ Meilen südöstlich von Algier am Eingange der Metid schah eine Musterwirthschaft (Ferme-modèle) an, die zum Schutze gegen die Eingeborenen mit einigen Befestigungen umgeben wurde und eine kleine Besatzung erhielt. In Algier selbst errichtete Clauzel ein gut organisirtes Polizeicorps, dessen erste Aufgabe es war, die Bewohner der Stadt zu entwaffnen . Gern hätte man diese Massregel auch auf dem Lande zur Ausführung gebracht, besonders nachdem ein Officier vom 35. Regiment unmittelbar vor den Thoren Al giers ermordet worden war. Indessen musste man sich begnügen einen Befehl zu erlassen, wonach jeder Einge borene verpflichtet wäre beim Betreten von französischem Gebiet auf bestimmten Militairposten seine Waffen abzu geben, jedoch die Erlaubniss hätte, sie beim Verlassen der Grenze wieder in Empfang zu nehmen. Todesstrafe war auf die Umgehung dieser Vorschrift gesetzt. Nach diesen nothwendigsten Verwaltungsacten war General Clauzel da rauf bedacht, seine kriegerischen Plane zur Ausführung zu bringen und die französischen Waffen noch weiter über das nördliche Afrika zu tragen. Starke Recognoscirungen wur den deshalb nach allen Richtungen hin unternommen, um die Bewohner einzuschüchtern und ihnen zu zeigen, dass die Eroberer ihr Besitzthum immer mehr zu vergrössern und die Unterwerfung der Araber zu erzwingen gedächten. Die wildeste Anarchie herrschte in ganzen Lande und war im Allgemeinen der Ausführung dieser Pläne günstig . Als da her der Bey von Titeri Mustapha -Bu-Mezrag, der sich hinter seinen Bergen für unbesiegbar hielt, den Franzosen den Krieg erklärte, beschloss Clauzel mit der Unterwerfung die ses Mannes den Anfang zu machen . Ein Tagesbefehl vom 15. November verkündete die Absetzung des Bey und er nannte an seiner Stelle einen angesehenen maurischen Kauf mann Mustapha -Ben-el-Hadschi-Omar. Um dieser Maass
113 regel den nöthigen Nachdruck zu A verleihen , setzte sich am 17. November ein Expeditionscorps unter persönlicher Lei tung Clauzels gegen Titeri in Bewegung. Die Provinz lag zwischen Constantine und Oran, grenzte im Norden an Algier und erstreckte sich südlich bis an die Wüste. Der nördliche Theil derselben gehörte zum Gebiete des kleinen Atlas, der hier überaus steil und wild von tief eingeschnit tenen Thälern durchkreuzt wird. Die Hauptstadt Medeah, ein kleiner Ort von 4-5000 Einwohnern , wird umgeben von bedeutenden Bergen, unter denen sich der Muzaia zu einer Höhe von 4700 Fuss erhebt. Die Stadt liegt auf einem abgesonderten Hügel inmitten von sieben verschiedenen Stammgebieten, unter denen die Beni - Hassan und die Hassan-ben-Ali die hauptsächlichsten sind. Das zum Zuge gegen Medeah designirte Corps bestand aus drei Brigaden unter den Befehlen der Maréchals de Camp Achard, Munk d'Uzer und Hurel. Jede dieser Brigaden war combinirt aus vier Bataillonen von verschiedenen Regimentern. Die erste Brigade war zusammengesetzt aus Bataillonen vom 14., 37., 20. und 28. Linienregimente ; aus dem 6., 33., 15. und 29. war die zweite und aus dem 17., 30. , 34. und 35. Linien regimente die dritte Brigade gebildet. Das ganze eine Di vision bildende Corps stand unter dem Commando des Ge nerallieutenant Boyer. Die Reserve bildete ein Bataillon vom 21. Linien-Regiment, das Zuavenbataillon, die Chas seurs d'Afrique " ), eine Feld- und eine Bergbatterie und eine
*) Die Chasseurs d'Afrique haben dieselbe Organisation wie die französischen Cavallerie-Regimenter, sind also 6 Escadrons stark. Ihr Costüm ist das polnische ; hellblauer faltiger Waffen rock, rothe Hosen und den Kepy. Eine Zeit lang hatte man diese Truppen mit Lanzen bewaffnet; das Unzweckmässige jener Waffe für den afrikanischen Krieg aber erkennend, hat man die Bewaff nung jetzt ganz der der afrikanischen Jäger zu Pferde gleich ge macht d . h. Säbel der leichten Kavallerie, den kurzen Karabiner und zwei Pistolen . (Rückblick auf die Algérie von W. v. Raasloeff und Hirtenfelds allgemeines militairisches Handbuch).
Heim, Kriege in Algier, 1. Bd.
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114 Compagnie des Geniecorps . Diese kleine Expeditionsarmee in der Gesammtstärke von 7000 Mann bivouakirte am 17. No vember bei Buffarik. Nachdem ein heftiger Regen bis zum nächsten Morgen in solcher Stärke angehalten hatte, dass es unmöglich war ein Feuer anzuzünden, setzte man sich am nächstfolgenden Tage gegen Blidah in Bewegung. Das Corps war noch eine Stunde von jener anmuthigen maurischen Stadt, welche in einer paradiesischen Umgebung von Pal men- und Citronenwäldern am Fusse des Atlas gelegen ist, entfernt, als sich ein ziemlich grosser Haufen arabischer Reiter in offenbar feindlicher Absicht zeigte. Der General en chef schickte einen jungen Renegaten Jusuf den Arabern entgegen, welcher ihre Absicht erforschen sollte. Dieser kam sehr bald mit dem Anführer, einem Manne von stolzer Miene, mit sicherem Blick und von hohem, imponirenden Aeusseren, zurück, der auf die ihm vom General gemachte Mittheilung, dass er noch heute in Blidah zu schlafen ge denke, erwiderte, es sei möglich, dass dies nicht geschehe, da er die Absicht habe ihn daran zu verhindern . Nach dieser Antwort wurde der Anführer entlassen und die Ko lonne setzte sich sofort wieder in Marsch. Alsbald begannen die Araber ein ziemlich gut gezieltes Gewehrfeuer, bis sie durch die an der Tete befindliche Brigade Achard mit Hülfe einiger Haubitzen verjagt wurden. Schon begann sich der Tag zu neigen, als Achard , Blidah, dessen Thore verschlossen waren, erreichte. Er gab eben den Befehl dieselben ein zuschiessen, als ein Officier und einige Voltigeurs, welche über die Mauer gestiegen waren , die Thore von innen öff neten. Die Stadt war beinahe gänzlich verlassen und der grösste Theil der Einwohner in das Gebirge geflohen . Die erste Brigade bivouakirte vor der Stadt, die zweite und dritte hinter derselben aber in unmittelbarer Nähe des Thors. Da Clauzel die Absicht hatte, in Blidah eine Garnison zurückzulassen , so benutzte er den 19. um die nöthigen Vorrichtungen zur Unterbringung und Verpflegung der Mannschaften zu treffen. Der Tag verfloss ohne bedeutende Gefechte, denn es gelang den Bataillonen vom 20. und 37. Regiment mit leichter Mühe die Araber zu vertreiben,
115 welche von der linken Flanke aus einen Angriff auf die Brigade Achard unternahmen. Um den hierbei vorgekom menen Verlust einiger Franzosen zu rächen, und um zu gleich die Araber einzuschüchtern , liess Clauzel die schönen Gärten, deren Blidah eine grosse Menge besass, niederbren nen und ausserdem alle diejenigen Bewohner erschiessen, bei denen Waffen vorgefunden wurden. Am 21. setzte sich die Kolonne von Neuem in Bewegung, nachdem zwei Ba taillone vom 34. und 35. Regimente unter den Befehlen des Obersten Rullière, einem sehr entschlossenen und zu diesem Posten vorzüglich geeigneten Officier, als Besatzung zurück gelassen waren. Als die Armee einige Zeit längs des Fusses des Atlas entlang gezogen war, erreichte sie gegen Mittag die Stelle, wo der Weg nach Medeah das Gebirge durch kreuzt. Hier trat ein Marabut in Begleitung von fünf Scheiks arabischer Stämme den Franzosen entgegen, ver sicherte sie ihrer Freundschaft und flehte um Schonung seiner Stammgenossen und ihrer Besitzthümer. Das Gros der Armee bezog darauf hier in der Nähe eines dem Bey von Titeri gehörigen Meiereigebäudes das Bivouak, wäh rend die Brigade Achard etwa 34 Stunden vorwärts auf dem Wege nach Medeah lagerte. Da die Marabuts sehr viel von der Schwierigkeit des Weges erzählten und ihre Berichte den Stempel der Wahr heit trugen, so liess man die Feldgeschütze und sämmtliche Wagen unter dem Schutze des Bataillons vom 21. Linien regiment bei der Meierei zurück. Clauzel verkündete den Truppen, dass sie am nächsten Tage die erste Kette des Atlas überschreiten würden. Der bramabasirende Ton dieses Tagesbefehls erregte die Ge müther der für solche Eindrücke leicht empfänglichen fran zösischen Soldaten und beim Bivouakfeuer erzählten die zahlreichen Pariser mit Zuhülfenahme ihrer classischen Er innerungen den weniger unterrichteten Kameraden, dass seit den Zeiten der Römer keine europäische Armee den Atlas überschritten habe. Am nächstfolgenden Tage wurde der Marsch unbehin dert von den umwohnenden Stämmen fortgesetzt, da sich
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116 die wenigen kriegerisch geson nenen Individuen derselben mit den Truppen des Beys von Titeri vereinigt hatten, der die Franzosen am Engpasse Teniah erwartete. Ohne An strengung passirte das Heer die ersten Abhänge des Atlas und gelangte endlich auf eine Hochebene, die dem Be schauer eine entzückende Aussicht darbot. Von hier aus überblickte man die ganze Ebene Metidscha, in der Ferne begrenzt durch den blauen Streifen des Meeres, im Westen sah man den See Aulo am äussersten Ende des Hadschu tengebietes . Die Armee machte Halt und die Gebirgsartil lerie begrüsste den ehrwürdigen Atlas mit einer Salve von 25 Schuss. Die Truppen setzten darauf ihren Marsch bis in die Nähe des Engpasses fort, an dessen Aufgang sie von Kabylen angegriffen wurden, zu deren Vertreibung jedoch einige zu Tirailleurschwärmen aufgelöste Compagnien vom 14. und 37. Regimente genügten. Die durch den Teniah pass hindurchführende Strasse ist nur einige Fuss breit und wird zur rechten und zur linken durch steile und hohe Felsen beherrscht. Der am Rande einer tiefen Schlucht laufende Fussweg steigt in ziemlich steilen Absätzen bis zum eigentlichen Kamme empor, nachdem er sich noch mehr mals durch steile Querthäler hindurch gezogen hat. Den eigentlichen Pass bildet ein sechs Fuss breites Thor, welches durch zwei hohe kegelförmige Felsen gebildet wird, die durch zwei zur rechten und zur linken Seite aufgestellte Geschütze vertheidigt wurden, während die Truppen- des Beys von Titeri alle umliegenden Höhen besetzt hatten. Da das Ravin zur rechten Seite des Weges garnicht zu pas siren war, so liess sich die Position nur in der Front und in der linken Flanke angreifen. In Folge dessen erhielt der General Achard den Befehl mit seiner Brigade die Höhen zur linken hinaufzuklimmen, um auf diese Weise über den Kamm des Gebirges zum Pass zu gelangen, während die Brigade Munk d'Uzer nach den Intentionen des Generals in der Front vorgehen sollte. Hätte Achard diesen Befehl wörtlich ausgeführt, so wäre der Weg bis zum Eintreffen Munk d'Uzers unbesetzt geblieben. Um diesen Uebelstand zu vermeiden, schickte Achard nur drei Bataillonen unter
117 dem Befehle des Obersten Marion nach links hinüber, wäh rend er selbst mit dem Bataillon vom 37. Regiment auf der Strasse blieb. Der Marsch des Obersten Marion war wegen der Steilheit der Felsen mit grossen Schwierigkeiten ver bunden und schon begannen die Kräfte der Soldaten, da die Kabylen ihnen jeden Fuss breit Erde streitig machten, zu erlahmen, als ihr Commandeur den Avancirmarsch schlagen liess und sie so zu einer letzten Kraftanstrengung ermun terte. Achard schloss hieraus, dass die Bataillone bereits die Höhe erreicht hätten und zum Angriffe vorrückten . Er liess deshalb im Sturmmarsch vorgehen, unbekümmert da rum , dass eine jenseits des Ravins zur rechten detachirte, in Schützen aufgelöste Compagnie sich dem Feinde gegen über im Nachtheile befand, und bereits bedeutende Ver luste erlitten hatte. Das Bataillon vom 37. Regiment stürzte, an seiner Spitze den General Achard und den Comman danten Ducros mit solcher Gewalt und mit einer so maass losen Todesverachtung vor, dass der Feind eingeschüchtert durch die Heftigkeit des Angriffs einen Kampf corps à corps vermied und seine Stellung bereits aufgegeben hatte , als Achards Adjutant Macmahon zuerst in den Pass hinein drang. Gleich darauf erschienen auch die Bataillone des Obersten Marion und begrüssten mit einem dreifachen Hurrah die Tapfern des 37sten Regiments. Nachdem die Brigade Achard ebenso wie die Kavallerie noch über den Engpass hinausgegangen war, bivouakirte die ganze Armee auf dem dem Feinde abgenommenen Terrain ; Clauzel aber erliess noch an demselben Abende jene bekannte Procla mation im napoleonischen Style voll hochtrabender Phra sen, in welchen seine Soldaten mit Riesen verglichen wer den. Nachdem am nächsten Morgen sämmtliche in der Nähe gelegenen feindlichen Ortschaften in Flammen ge steckt und die Brigade Munk d'Uzer zur Besetzung des Engpasses zurückgelassen worden war , trat der übrige Theil der Armee um 11 Ubr Vormittags den Marsch nach Medeah an. Teniah bildet in dieser Gegend den höchsten Punkt des Atlas, so dass man nach Passirung des Gebirgs thores nur noch bergab steigt. Der Weg war im Allge
118 meinen besser und breiter , wie auf der nördlichen Seite und an einigen Stellen sogar gepflastert. Am Fusse des Berges steht ein schöner Olivenwald , von dem ab die Ge birgsformation aufhört und der Boden sich in leichten Wel lenlinien zum Scheliffthale hinabsenkt. Die französische Armee hatte den Olivenwald noch nicht erreicht, als plötz lich aus einer Terrainfalte ein ärmlich gekleideter Araber mit einem Schriftstück in der Hand aufsprang und auf den General en chef losstürzte. Das Papier enthielt ein Schrei ben der Bewohner Medeahs, worin dieselben ihre Unter werfung , welche sie gleich nach der Niederlage des Beys beschlossen hatten, anzeigten . Als sich das Expeditions -Corps der Stadt näherte, hörte man mit Erstaunen ein lebhaftes , zuweilen von Geschütz donner übertöntes Gewehrfeuer. Später erfuhr man , dass die Bewohner Medeahs , um den Franzosen die Reinheit ihrer Gesinnungen an den Tag zu legen, auf die Truppen des Beys geschossen hatten , der in Folge dessen mit dem Rest seiner Truppen nach Beruakia geflohen war * ). Medeah ist von einer schlechten baufälligen Mauer umgeben, die indessen immerhin noch stark genug ist, ge gen die Araber hinreichenden Schutz darzubieten. Hinter den beiden Hauptthoren befinden sich zwei kleine mit spanischen Kanonen armirte Forts. Die Stadt ist bedeu tend regelmässiger als Algier gebaut und wird von ziem Die lich breiten , meist gradlinigen Strassen durchkreuzt. angesehensten Bewohner der Stadt empfingen den General en chef als er gegen Abend an der Spitze eines Bataillons seinen Einzug hielt. Die übrigen Truppen kantonirten vor den Thoren und zwar die Brigade Achard bei einem in der Nähe gelegenen Landhause des Bey , die des General Hurel auf der ent gegengesetzten Seite eine Viertelstunde von der Stadt ent *) Annales Algériennes par E. Pellissier de Reynaud
Paris
et Alger. 1854. Ich bin diesem ausgezeichneten Werke überall da gefolgt , wo es mir an andern Quellen gefehlt hat.
119 Diese wurde am nächsten Morgen von zahlreichen Araberschwärmen , die ihr den Weg nach der Stadt ab schneiden wollten , überfallen ; indessen genügten einige Bajonettangriffe die unterbrochene Kommunication wieder
fernt.
herzustellen. An demselben Tage ergab sich Mustapha-bu Mezrag mit einem grossen Theile seiner Anhänger den Franzosen , da er nach Verlust von Medeah nicht wusste, wo er geschützt vor den Araberhorden sein Haupt nieder legen könnte. An seiner Stelle wurde Ben- Omar, der schon früher zu seinem Nachfolger bestimmt war , als Bey von Titeri installirt. Bei Gelegenheit der hierbei stattfindenden Parade defilirte auch die bewaffnete Einwohnerschaft Me deahs , welche hier zu einer Art Nationalgarde organisirt ist. Indessen hatte man bei dem Auszuge aus Algier nicht daran gedacht , sich mit den nöthigen Geldmitteln zu ver sehen und musste nun, da die Einsetzung des Bey und die Zurücklassung einer Garnison bedeutende Kosten verur sachte und die Hoffnung auf die Vorfindung eines Schatzes sich nicht bestätigte, selbst zu der Börse der Offiziere seine Zuflucht nehmen , um die nöthigen Summen zusammen zubringen. Nachdem die Zuaven und zwei andere fran zösische Bataillone in Medeah zurückgeblieben waren, trat der General en chef mit den Brigaden Achard und Hurel am 26sten den Rückweg an. Der Marsch ging am ersten Tage ohne alle Störung von Statten , indessen bereits am 27sten traf man in der Nähe von Blidah auf grosse Massen von Eingebornen. Genannte Stadt war nämlich am Tage vorher der Schauplatz der schrecklichsten Gräuel gewesen, nachdem es Ben- Zamum gelungen war , an der Spitze zahlreicher Kabylenschwärme in die Stadt einzudringen. Die kleine Garnison war nach einem verlustreichen bluti gen Strassenkampfe durch die Uebermacht der Feinde bis an das Algierthor herangedrängt worden , wo sie einen ungeordneten Haufen bildete und wahrscheinlich in kürze ster Zeit erlägen wäre , wenn sie nicht ihr Oberst durch eine List gerettet hätte. Derselbe ging nämlich an der Spitze von etwa zwei Kompagnien heimlich zum Thore hinaus, schlich sich dann im Schutze der Dunkelheit an
120 der Mauer entlang und drang mit Trommelschall durch das Medeathor wieder hinein. Die Eingebornen wurden glücklich getäuscht und verliessen in dem Glauben , es sei Verstärkung aus Medeah angekommen , eiligst die Stadt. Indessen war der Verlust auf beiden Seiten sehr bedeu tend gewesen, denn noch Clauzel fand bei seinem Einzuge in Medeah die Strassen mit Leichen bedeckt. Die allge meine Wuth und Entrüstung, welche dieser Anblick in der Armee erzeugte , wurde noch durch die gleichzeitig eintref fende Nachricht erhöht, dass 50 Kanoniere, die um Munition zu holen , nach Algier geschickt waren , unterwegs von den Eingebornen überfallen und niedergemetzelt worden. In An betracht dieser feindlichen Gesinnung der benachbarten Stämme gab Clauzel den Plan einer Besetzung Blidahs auf und verliess dasselbe am 28sten mit dem ganzen Heere. Der grösste Theil der Bewohnerschaft aus Furcht in die Hände der Kabylen zu fallen , folgte den französischen Ko lonnen. Es war ein herzzerreissender Anblick , als Greise, Weiber und Kinder die Stadt ihrer Väter verliessen und zum Theil barfuss sich dem abziehenden Heere anschlos sen. Selbst das Herz derjenigen Soldaten , welche man sonst mit kaltem Blute die grössten Grausamkeiten ver üben sah, wurde beim Anblick dieser Scene gerührt. Mit leidig theilten sie ihren kärglichen Mundvorrath mit den Unglücklichen , die Offiziere gaben ihre Pferde den Ermü deten , die Soldaten nahmen die Kinder, welche sie viel leicht zu Waisen gemacht hatten , auf ihren Arm und erquickten dieselben mit den letzten Tropfen aus ihrer Wasserflasche. Kaum war die Armee am 29. November wiederum in Algier eingetroffen , als auch bereits die Nachricht anlangte , dass die Garnison Medeahs von allen Lebensmitteln entblösst und dem schrecklichsten Mangel ausgesetzt sei. Der General Boyer verliess deshalb am 7. December an der Spitze zweier Brigaden und eines grossen Convois Algier und erreichte, ohne einen Schuss gethan zu haben, Medeah. Nur dem günstigen Zufalle, dass die Kolonnen vom Feinde nicht angegriffen wurden, verdankten dieselben
121 ihre glückliche Ankunft, denn die eine der beiden Brigaden kam zwischen dem Atlas und der Stadt vom Wege ab und irrte während einer ganzen Nacht in schrecklichster Ver wirrung in der Gegend umher. Die Truppen wurden mit der ausgelassensten Freude von der Garnison Medeahs em pfangen, die nicht allein durch Mangel, sondern auch durch feindliche Angriffe in harter Bedrängniss gewesen war. Vom 27. bis zum 30. nämlich hatten die Araber beständige und mit solcher Gewalt ausgeführte Angriffe unternommen, dass die schwache Garnison in kürzester Zeit jedenfalls der Ue bermacht erlegen wäre, wenn sie nicht an den Bewohnern der Stadt, die allen Versuchen der Feinde, sie auf ihre Seite zu ziehen trotzten, hülfreiche und den französischen Fahnen treu ergebene Bundesgenossen gefunden hätte. Nachdem Boyer an Stelle des Obersten Marion den General Danlion als Commandanten von Medeah eingesetzt und die Garnison um zwei Bataillone verstärkt hatte, trat er mit dem Rest der Truppen den Rückmarsch nach Algier an, das er ohne Unfall erreichte. Hier war inzwischen der Befehl zur Reducirung der afrikanischen Armee bis auf vier Regimenter eingetroffen, da die Möglichkeit eines europäischen Krieges die Anhäu fung von Truppen in Frankreich erforderlich machte. In Folge dessen beschloss Clauzel den Zuaven noch andere einheimische Bataillone hinzuzufügen, was indess erst durch Clauzels Nachfolger zur Ausführung gebracht wurde . Nach seinen Plänen sollte eine aus Europäern und Eingebornen zusammengesetzte Miliz zur Vertheidigung der Städte or ganisirt werden ; ferner sollte ein Corps von berittenen Zua ven oder Spahis geschaffen werden, zu dessen Kommandeur schon vorläufig der Artillerie Capitain Marey ernannt wurde, dessen Geschmack für orientalische Tracht und Sitte ihn zu diesem Posten besonders geeignet erscheinen liess . Endlich wurde der schon oben erwähnte Jusuf* ) mit der Organi *) Jusuf ist ein italienischer Renegat, der als Kind von Tuneser Korsaren aufgegriffen, seine Jugend im Serail des Bey von Tunis verlebt hatte, und dann in das Mameluckencorps desselben eingetreten war. Eine unter vielen Gefahren und Abenteuern lange
122 sation eines Corps eingeborener Cavallerie beauftragt, das den Namen Mamelucken führen sollte. Wirklich gelang es diesem Manne auch , die Söhne der vornehmsten algierischen Familien zum Eintritte in die Truppe zu bewegen ; aber auch ihnen hielt man die gemachten glänzenden Verspre chungen nicht, und bereits nach kurzer Zeit bestand das Corps nur noch auf dem Papiere. Indessen sieht man aus allen diesen Anordnungen, dass Clauzel wohl die Mängel der bestehenden Einrichtungen zu beurtheilen verstand und bemüht war, denselben abzuhelfen, wenn er sich auch häufig in der Wahl der Mittel vergriff. Obwohl, wie schon gesagt, der General en chef den Plan einer dauernden Besatzung von Blidah wegen der feind seligen Haltung der umwohnenden Stämme aufgegeben hatte, versuchte er dennoch einen unter französischem Ein flusse stehenden Gouverneur daselbst einzusetzen und er wählte zu diesem Posten den Marabut Ben-Jusuf aus Mi lianah. Unter dem Titel Kalifa sollte er nicht allein über die Stadt, sondern auch über die umwohnenden Stämme gebieten. Letztere jedoch waren keineswegs geneigt, sich der neuen Oberhoheit zu fügen und sehr bald entstanden zwischen den Scheiks und Ben-Jusuf Zwistigkeiten. Grösser war die Autorität des letztern innerhalb der Stadt, in welche bereits im Januar der grösste Theil der geflüchteten Be völkerung zurückkehrte. Aber auch hier verlor er durch seine Unentschlossenheit den Anmassungen der benachbarten Stämme gegenüber bald alles Ansehen, so dass die Blidaher ihn vertrieben und das Gouvernement um einen Nachfolger baten. Clauzel, der nicht die Macht in Händen hatte, die
fortgesetzte Liebschaft mit der Tochter des Dey zwang ihn endlich zu fliehen und sich den Franzosen in die Armee zu werfen. Jusuf ist schlau, kühn, entschlossen, von vornehmer Haltung und edlen einnehmenden Manieren und ebenso das Ideal der arabischen Krie ger, wie der Abgott der Pariser und Algierer Damen . Eine aus führliche Beschreibung desselben und die Schilderung seiner roman haften Erlebnisse findet sich in dem Werke des geistreichen Tou risten des Fürsten Pückler -Muskau „, Semilasso in Afrika."
123 selben für diese Eigenmächtigkeit zu züchtigen , gab ihren Bitten nach und ernannte einen gewissen Mohammed- ben Cherguy zu Bén-Jusufs Nachfolger. Indessen brachte dieser abermalige Beweis hartnäckigen Widerstandes von Seiten der Eingeborenen in Clauzel einen schon längst gehegten Plan zur Reife, dessen Ausführung dem französischen Na tionalruhme keinen Nachtheil gebracht hätte und bei der Unterwerfung des Landes von grösstem Vortheile gewesen wäre. In dem Gedanken, dass für die wenig zahlreiche Armee die Schwierigkeiten einer so weiten Operationsbasis zu gross seien, schloss Clauzel mit Tunis einen Vertrag, vermöge dessen dem Bruder des dortigen Bey die Provinz Constantine unter französischer Oberhoheit abgetreten wer den sollte. Der neue Bey verpflichtete sich dagegen unter Caution seines Bruders an Frankreich einen jährlichen Tri but von einer Million Franken zu zahlen und alle Handels niederlassungen der Franzosen im Innern des Landes zu begünstigen, während Frankreich ihm die Unterstützung seiner Waffen zusicherte. In Folge dessen wurde Hadschi Achmet Bey von Constantine durch einen Befehl vom 15. December aller seiner Würde entsetzt und Sidi-Musta pha, der Bruder des Bey von Tunis an seiner Stelle ernannt. Eine ähnliche Uebereinkunft wurde in den ersten Tagen des Februar 1831 in Bezug auf das Beylik Oran abge schlossen, welches an einen andern tunesischen Prinzen Sidi-Achmed ebenfalls gegen einen Jahrestribut von einer Million abgetreten wurde. Während man noch dieser letzteren Provinz wegen verhandelte, fiel der Kaiser von Marokko Abderrhaman in dieselbe ein und eroberte Tlemsen. Hier durch, und um weiteren Eroberungen von dieser Seite Ein halt zu thun, wurde Clauzel veranlasst, den General Dam rémont an der Spitze des 21. Linien-Regiments nach Oran abzusenden und zugleich an den Kaiser die Erklärung er geben zu lassen, dass man jedes weitere Vordringen für eine Verletzung von französischem Gebiete ansehen werde. Damrémont verliess Algier an 13. December und be mächtigte sich , nachdem er zwei Tage später den Ort seiner Bestimmung erreicht hatte, des Forts Mers- el-Kebir. Trotz
124 dem er hier aus Mangel an Instruktionen einen vollen Monat unthätig verblieb, genügte diese Demonstration dennoch Abderrhaman zur Räumung des besetzten Gebietes zu ver anlassen. Nichtsdestoweniger kamen die von Clauzel beab sichtigten Abtretungen nicht zu Stande, da das französische Gouvernement die mit der tunesischen Regierung abge schlossenen Tractate nicht bestätigte. maligen französischen Ministers der genheiten Sebastiani fühlte sich durch Verfahren des Generals verletzt und
Die Eitelkeit des da auswärtigen Angele das zu selbstständige seinem Einflusse ge
lang es, den Abbruch aller weiteren Verhandlungen durch zusetzen * ). Ausserdem war das Missverhältniss zwischen Clauzel und Sebastiani Veranlassung , dass der französischen Armee der bescheidene Namen einer "" Besatzungs-Division von Afrika" beigelegt wurde, der kein kommandirender, sondern blos ein Divisionsgeneral vorgesetzt sein sollte. Diese Be schränkung machte selbstredend die Abberufung des General en chef nothwendig, der Algier am 21. Februar 1831 ver liess, nachdem bereits am Tage vorher sein Nachfolger der General Berthezène daselbst eingetroffen war. Die Menge der eingewanderten Colonisten und Specu lanten bedauerten Clauzels Abreise sehr, da sie an ihm einen eifrigen Beschützer und einen für das Wohl des Landes begeisterten Mann verloren hatten **) . Auch die Armee, der er mit so grosser Kälte entgegengekommen war, betrauerte in ihm einen unternehmenden, energischen General. Unter den Eingeborenen war die Stimmung getheilt . Die Mauren zürnten ihm wegen Vertreibung der Türken und wegen der Beraubung des Grundeigenthums, indem Clauzel zur Erweiterung der Strassen Algiers mehrmals Häuser und Moscheen hatte niederreissen lassen. Die Araber hingegen hatten seinen Beschluss, welcher allen Beys und Scheiks das Recht nahm, Tribut bei den Stämmen zu erheben mit
*) E. Hatin. Histoire pittoresque de l'Algèrie. Paris. 1840. **) Enfantin. Colonisation de l'Algérie. Paris 1843.
125 Beifall aufgenommen und nannten ihn in Folge dessen Sul tan-el-Aksath, d. h. den gerechten König ") . General Berthezène, der bereits zur Zeit Bourmonts die erste Division commandirt hatte, und dessen Verdienste damals, um Bourmont zu schaden, von den Oppositions blättern weit über Gebühr erhoben worden waren, über nahm nach Clauzel das Commando des Expeditions -Corps. Dasselbe bestand aus dem 15., 20., 21., 28. und 30. Regi ment, den Zuaven, den algierischen Jägern, zwei Escadrons vom 12. Jäger- Regiment, etwas Artillerie und einer Com pagnie Genietruppen. Ausserdem gehörten dazu noch eine grosse Zahl Pariser 1 Freiwillige, die in der Julirevolution mitgefochten hatten, und deren die Regierung sich jetzt zu entledigen suchte, indem sie dieselben nach Algier schickte. Sie waren vorläufig noch nicht organisirt und erst später bildete man aus ihnen das 67. Regiment, das wegen der Antecedentien seiner Mitglieder anfangs nur mit grossem Misstrauen betrachtet wurde. Indessen bewies die aus gezeichnete Tapferkeit vieler dieser Barrikadenhelden , und die wahrhaften Verdienste, die sich einige von ihnen um das Vaterland erwarben, die Grundlosigkeit solcher An sichten. ་ Die Truppen waren in drei Brigaden getheilt, welche unter den Befehlen der Maréchals de Camp Buchet, Feu chère und Brossard standen . General Berthezène war mit sehr günstigen Vorurtheilen für die Eingebornen nach Algier gekommen. Bald jedoch concentrirte sich dieses Wohlwollen nur auf • einige intri guante Mauren, wie Buderbah und Andere, welche unter ihm zu grossem Einflusse gelangten . Diesem glückte es durch sein gewandtes und einschmeichelndes Wesen eine so wichtige Rolle zu spielen , dass er, der wegen seiner Immoralität in allgemeiner Verachtung unter den Musel männern stand und 1 dessen Namen bereits häufig vor Ge richt genannt war, beinahe Alles durchzusetzen vermochte. *) Taschenbuch der neuesten Geschichte, Jahrgang 1835. Carlsruhe 1837.
126 Um die Araber kümmerte sich Berthezène wenig. Es schien, als ob er es kaum der Mühe werth halte, sich mit ihren Angelegenheiten zu beschäftigen ; sogar die sich bei ihm meldenden Kaids und Scheiks liess er durch seine Dolmet scher abfertigen "). Inzwischen war die Lage Ben-Omars, des neu einge setzten Beys von Medeah, nachdem die kleine französische Garnison wegen der Armeereduction die Stadt verlassen hatte, von Tage zu Tage kritischer geworden. Zwar hatte er einen grossen Theil der Bewohner für sich, aber auch die Familie des alten Bey zählte zahlreiche Anhänger. An die Spitze der Letzteren stellte sich Ulid-bu-Mezrag, der Sohn des gestürzten Mustapha, verliess, ohne von Omar ge hindert zu werden Medeah und besetzte das in der Nähe gelegene Landhaus. Bereits nach ganz kurzer Zeit war seine Macht durch die Contingente unzufriedener Stämme soweit gewachsen, dass er die Stadt blokiren und ihr jede Zufuhr von Lebensmitteln abschneiden konnte . Hierdurch gerieth Ben-Omar in eine höchst bedenkliche Lage, und schrieb, da er ausserdem jeden Augenblick den Ausbruch einer Verschwörung innerhalb der Stadt fürchten musste, einen höchst demüthigen Brief an den General Berthezène, in welchem er in den unterthänigsten Ausdrücken um Hülfe flehte. Der General en chef war entschlossen, den bedrängten Bey nicht im Stiche zu lassen, uud brach selbst am 25. Juni an der Spitze der Brigaden Buchet und Feuchères von Al gier auf. Nachdem derselbe am 28. den Engpass von Teniah passirt und daselbst zur Sicherheit ein Bataillon vom 28. Li nien-Regiment zurückgelassen hatte, erreichte er am 28. Me deah. Wenn auch der Feind bei Annäherung der Franzosen das Landhaus des Dey geräumt hatte, so reizte doch die Nähe des Gegners die fanatischen Stämme eher, als dass sie dieselben schreckte. Den ganzen Tag über und auch die nächstfolgende Nacht wurden die Vorposten der nörd lich von der Stadt campirenden Truppen geneckt und durch *) Dr. M. Wagner. Reisen in der Regentschaft Algier. Leip zig 1841.
121 das Feuer der feindlichen Plänkler haranguirt. Berthezène befand sich in einer unangenehmen Lage. Der Zweck sei ner Expedition war die Unterstützung und Befreiung des Bey von Titeri ; seine Gegenwart hatte für einen Augen blick von diesem alle Gefahr entfernt, aber offenbar kehrte dieselbe nach Abmarsch der französischen Truppen in er höhtem Maasse zurück. Zur Beseitigung derselben stan den dem General nur drei Wege offen : entweder nämlich zur Unterstützung Ben - Omars eine französische Garnison 圃 in Medeah zurückzulassen , oder durch einen Feldzug von einigen Wochen die umwohnenden Stämme zu unterwer fen, oder sich endlich gegen Ulid-bu- Mezrag selbst zu wen den und ihm durch eine Reihe von Niederlagen und Ver lusten die Möglichkeit zu nehmen , jemals von neuem die " Waffen zu erheben. Der Ergreifung der beiden ersteren Mittel stand die Instruction entgegen , die Berthezène beim Antritte seines Gouvernements empfangen hatte, sich jeder Eroberung und jeder Zersplitterung seiner militairischen Kräfte zu enthal ten. Es blieb ihm mithin nur der dritte , schwierigste Ausweg übrig. Mit dem Anbruch des 1. Juli marschirte der General Berthezène gegen das Gebirge Auarah, wo die Hauptkräfte des Feindes vereinigt waren . Als die franzö sischen Kolonnen sich ihnen näherten , zogen sich diesel ben der arabischen Taktik gemäss zurück , um sofort wie der zu erscheinen , wenn ihr Feind den Rückzug antreten sollte. Nachdem Berthezène in Ermangelung eines Geg ners seinen Zorn an den Getreidefeldern und Obstbäumen ausgelassen hatte , kehrte nach Medeah zurück. Der renden Heere gefolgt war , Stellung , von WO aus er
er am Abende desselben Tages Feind , welcher dem rückkeh nahm unweit der Stadt eine die ferneren Unternehmungen
Berthezènes beobachtete. In Medeah herrschte inzwischen die grösste Verwir rung ; die Lebensmittel begannen bereits zu fehlen , zumal auch die Vorräthe der Armee beinahe erschöpft waren. Die Unzufriedenheit mit Ben-Omar nahm von Tage zu Tage zu und der Ausbruch einer allgemeinen Empörung
128 schien nahe bevorzustehen. Alle diese Umstände und die Nutzlosigkeit eines längeren Aufenthaltes bewogen endlich den General Berthezène die Stadt zu verlassen, deren Ein wohner er durch eine am 2. Juli bekannt gemachte Pro klamation von seinem Entschlusse in Kenntniss setzte. Er theilte ihnen darin mit, dass die Franzosen sich in der harten Nothwendigkeit befänden, sie zum zweiten Male zu verlassen; er fordere sie jedoch auf, sich soweit es in ih ren Kräften stände zu vertheidigen und überlasse ihnen zu diesem Zwecke die von Clauzel verabfolgten Geschütze mit der dazu nöthigen Munition. Noch an demselben Tage Nachmittags 4 Uhr trat er mit seiner ganzen Armee , der sich Ben-Omar und alle seine Anhänger anschlossen , den Rückzug nach Algier an. Gleichzeitig brach auch der Feind auf, der sich bis dahin noch immer Angesichts der Position von Medeah gehalten hatte , um seiner Gewohnheit gemäss tiraillirend dem Zuge zu folgen. Unter beständigen Schar mützeln erreichte man Zabudsch-Azarah , wo das Lager aufgeschlagen wurde. Kaum war jedoch die Nacht einge brochen, als Berthezène den Befehl zum Weitermarsch gab, um unter dem Schutze der Dunkelheit den Engpass von Teniah zu erreichen. Die Sonne war bereits aufgegangen, als die Kolonnen hier anlangten, stets begleitet vom Feinde, der den Abmarsch der Armee bemerkend, die Verfolgung sofort wieder begonnen hatte. Die Zahl desselben ver mehrte sich von Stunde zu Stunde ; indessen betrug sie zu der Zeit , wo die Franzosen den Weg über den Eng pass antraten , nicht viel über 2000 Mann, Es ist unge wiss , ob diese geringe Anzahl oder sonst ein anderer Grund den General Berthezène bewog , die den Pass be herrschenden Höhen nicht zu besetzen und auf diese Weise gegen die allereinfachsten Regeln der Kriegskunst zu ver stossen. Der Feind benutzte sofort den gemachten Fehler, bemächtigte sich der unvertheidigten Felsen und begann von hier aus auf die verschiedenen Kolonnen ein vertika les mörderisches Feuer. Unglücklicherweise wurde der Kommandeur des 20sten Linien-Regiments, das die Arrière garde übernommen hatte , schwer verwundet und verliess
129 das Schlachtfeld, ohne einem Anderen den Befehl übertra gen zu haben. Seine Abwesenheit wurde nicht sogleich bemerkt, da der grössere Theil des Bataillons in Schützen aufgelöst war. Als aber endlich gar keine Anordnungen mehr getroffen wurden , riss eine solche Unordnung und Verwirrung in dem Bataillon ein , dass sogar das schon durch das Feuer der Kabylen erschütterte Gros davon an } gesteckt wurde. Ein panischer Schrecken schien auf einmal die ganze Armee ergriffen zu haben; die Regimenter, Bataillone und Kompagnieen kamen wild durcheinander; jeder dachte nur noch an seine Rettung und war bemüht , so schnell als möglich Muzaia zu erreichen ; die Verwundeten blieben liegen und wurden rücksichtslos der barbarischen Wuth des Feindes überlassen ; Befehle wurden nicht mehr ge geben, oder wenn dies der Fall, nicht mehr gehört ; Alles flüchtete vor den Kabylen , die mit grösster Frechheit bis mitten in die Reihen der Franzosen drangen und die ent setzten Soldaten in den zur Seite des Weges befindlichen Abgrund hinabstürzten. In diesem kritischen Momente, wo viertausend Franzosen nahe daran waren, durch eine Hand voll Kabylen vernichtet zu werden , warf sich der Kom mandant Duvivier , der Chef des neu gestifteten zweiten Zuaven-Bataillons , dem sich einige der obenerwähnten Pa riser angeschlossen hatten, aus freiem Antriebe dem Feinde entgegen. Diese mit grosser Geschicklichkeit und Kühn heit ausgeführte Bewegung machte den begangenen Fehler wieder gut und rettete die Armee. Die Zuaven und Pari ser stritten gegenseitig um die Wette und hielten den vor drängenden Feind zurück , während die übrigen Truppen ihre Flucht fortsetzten. Aber trotzdem der tapfere Duvivier schmachvoll verlassen und der Zwischenraum zwischen ihm und dem Gros von Minute zu Minute grösser wurde , gab er dennoch nicht die Hoffnung auf, sondern zog sich grup penweise mit seinem Bataillon zurück, fortwährend käm pfend und fortwährend Front machend , sobald der Feind zu sehr drängte. Indessen war sein Verlust bei einer Tapferkeit der Feinde, wie sie die Franzosen bis dahin noch Heim, Kriege in Algier 1. Band. 9
130 nicht an den Arabern wahrgenommen hatten , sehr bedeu tend. Dazu kam es , dass viele der jungen an die Stra pazen noch nicht gewöhnten Soldaten , besonders aus der Zahl der Pariser, vor Ermattung liegen blieben und als ein leichtes Opfer unter den feindlichen Yatagans fielen. Am Fusse des Gebirges hielten die Araber und Kabylen in ihrer Verfolgung inne , so dass die französische Armee schweigend und wie voll Schaam über die gezeigte Schwäche sich ordnen konnte. Auf beiden Seiten bedurfte man der Ruhe und Erho lung, und einige Stunden hindurch lagerten die beiden Parteien sich gegenüber , ohne dass die eine oder die an dere etwas zu unternehmen versucht hätte. Endlich zog sich der Feind , dessen Streitkräfte sich inzwischen noch durch die Hadschuten und einige Reiter anderer Stämme verstärkt hatten , nach seiner rechten Flanke hin ab, um die durch die Schiffa führende Furt zu besetzen. Der Ge neral merkte jedoch diese Absicht , liess dem Feinde die nöthige Zeit diese Bewegung auszuführen und setzte sich dann gegen Abend in Marsch , um den genannten Fluss etwa zwei Stunden unterhalb zu passiren. Nur von eini gen gut berittenen Arabern verfolgt , welche ihre Schusse auf die Arrieregarde abgaben, erreichten die Franzosen den Fluss . Kaum erblickten die Soldaten , die bereits seit dem frühen Morgen den erschrecklichsten Wassermangel erlit ten hatten, den Strom, so stürzte sich die grösste Zahl in denselben hinein. Abermals hörte jeder Befehl und jede Ordnung auf und hätte jetzt unglücklicherweise ein ener gischer Angriff stattgefunden , so würde sich hier an den Ufern der Schiffa die Scene vom Morgen wiederholt haben. Nur nach Jangen Bemühungen gelang es endlich den Offi zieren die Ordnung wiederherzustellen ; der Fluss wurde glücklich passirt und gegen Morgen des 4. Juli erreichte die Armee Buffarick. Nachdem noch in der Nähe dieser Stadt ein kurzes Defiléegefecht siegreich beendet war, be zogen die beiden Brigaden auf dem Kampfplatze ihr Bivouak und trafen am nächsten Tage glücklich in Al gier ein.
131 So endete die unglückliche Expedition nach Medeah, deren Ausgang empfindlicher war durch den moralischen Eindruck , welchen sie auf die Gemüther der Eingebornen machte , als durch den im Ganzen nur 254 Mann betra genden Verlust der Franzosen. Weder die Armee noch ihr Führer hatten Lorbeeren errungen, aber der Letztere war es , auf dessen Haupt die gesammte Schuld gehäuft wurde und den man allgemein der Unfähigkeit beschuldigte. Während dessen verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Arabern die Nachricht von dem unglücklichen Rückzuge , und stolz auf die von ihnen errungenen Vor theile glaubten sie den Moment gekommen, um die Fran Besonders waren es zosen aus Algier herauszutreiben. Ulid-bu-Mezrag und Ben- Zamum, welche in den Eingebor nen diesen Gedanken zu nähren suchten und dieselben zum Ergreifen der Waffen aufforderten . Ein Gleiches that ein Marabut Sidi - Saadi , der erst kürzlich aus Mekka zu rückgekommen war , jetzt in der Hoffnung , dereinst mit Hussein-Pascha's Kaftan bekleidet zu werden , das Land durchzog , unter den Stämmen des Ostens den heiligen Krieg predigte und unter ihnen die Fackel des Fanatis mus zu entzünden bemüht war. In kürzester Frist waren zwei Insurgentenlager entstanden, das eine unter dem Be fehle Mezrags zu Buffarik , das andere auf dem rechten Ufer des Aratsch in unmittelbarer Nähe des Ferme-Modèle. Sengend und plündernd wurden von hier aus tagtäglich Streifzüge gegen die Gebiete europäischer Colonisten unter nommen, von denen , nachdem ein Theil getödtet, der an dere in die Stadt zu fliehen gezwungen war. Hier ver mehrten sie durch ihre Erzählungen die bereits allgemein herrschende Bestürzung , indem sie mit den schwärzesten Farben die Wuth und Rohheit des Feindes schilderten und die Anzahl der Gegner übertrieben. Viele Kaufleute schlos sen ihre Läden und packten ihre werthvollsten Habselig keiten zusammen , um jeden Augenblick Algier verlassen zu können. im Fall die entmuthigte Armee und ihr unent
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132 schlossener Chef nicht mehr im Stande sein sollten der allgemeinen Empörung zu widerstehen. Nachdem Ben-Zamum am 17. Juli den Aratsch passirt hatte, unternahm er einen umfassenden Angriff auf Ferme Modèle und führte denselben mit solcher Heftigkeit aus , dass alle Aussenposten genöthigt waren, sich auf die Meie rei zurückzuziehen , nur mit alleiniger Ausnahme der Be satzung eines Blockhauses, welche sich unter dem comman direnden Unterlieutenant aufs tapferste vertheidigte . Nichtsdestoweniger würde sie dennoch den vereinten Anstrengungen der Kabylen auf die Dauer nicht haben widerstehen können, wenn nicht Berthezène bei der ersten Nachricht von den statthabenden Vorfällen an der Spitze von sechs Bataillonen, der gesammten Reiterei und zwei Feldgeschützen zur Hülfe herbeigeeilt wäre. Mit leichter Mühe warf er den Feind über den Aratsch zurück und trieb die Kabylen und Araber, die ihr Lager eiligst aufge. hoben hatten, bis in das Gebirge, wo die verfolgende Ka vallerie sie nicht mehr erreichen konnte. Als jedoch Ber thezène darauf nach Algier zurückkehrte, wiederholten die Feinde in den nächstfolgenden Tagen ihre Angriffe abermals und nöthigten hierdurch Berthezène, am 22. einen zweiten Ausfall zu unternehmen . Die undisciplinirten Banden der Afrikaner vermochten den geschlossenen Bataillonen der Franzosen nicht zu widerstehen, welche bis nach Buffarik vordringend, alle arabischen Wohnungen plünderten und verbrannten . Mit diesem Tage war das Geschick der In surrection entschieden ; alsbald zerstreuten sich die beiden Lager und die arabischen Stämme kehrten in ihre Heimath zurück. Für die französische Armee, welche sich im kläg lichsten Zustande befand, war dies ein höchst glücklicher Zufall. Die Intensität der Krankheiten, welche bereits über einen Monat ihre Reihen verheerten, nahm von Tage zu Tage zu ; die Lazarethe waren überfüllt und einige Com pagnien so geschwächt, dass die Anstrengungen und Ent behrungen eines selbst siegreichen dreiwöchentlichen Feld zuges sie auf ein Nichts reducirt haben würden. Für die Kolonien war die Insurrection, wenn auch den Anstiftern
133 derselben ihr Zweck nicht gelungen war, von den nach theiligsten Folgen. Die wenigen bebauten Felder lagen verwüstet und verödet, kein Kolonist wagte aus Algier her auszugehen ; die europäischen Kapitalisten scheuten sich ihre Gelder in Afrika anzulegen, der Handel stockte und den Feinden der neuen Erwerbung waren hinreichende Gründe an die Hand gegeben, ihre Behauptungen zu be legen. Während dieser Vorgänge in der Provinz Algier trugen sich auch in den entfernteren Provinzen Constantine und Oran Begebenheiten zu, welche die Ausdehnung der fran zösischen Herrschaft verhinderten. Der Bey Achmed von Constantine hatte sich nach der Einnahme Algiers an der Spitze der geringen Truppenzahl, welche er zur Unterstützung Hussein-Paschas herangeführt hatte, wiederum in seine Provinz zurückgezogen. Als er sich jedoch seiner Hauptstadt näherte, erfuhr er, dass die Türken, die er daselbst zurückgelassen , sich gegen seine Herrschaft empört und einen gewissen Hamud-ben- Chakar an seine Stelle gewählt hätten. Achmed, der sich nicht für stark genug hielt, gegen die Stadt irgend etwas unternehmen zu können, liess durch eine Deputation den Regenten bitten, er möge seiner Familie die Erlaubniss ertheilen, die Stadt zu verlassen, da er auf alle Ansprüche Verzicht leiste und sich zu seinen Verwandten in der Sahara der reichen und mächtigen Familie Ben - Gana zurückziehen wolle. Aber während man noch unterhandelte, brach eine Gegenrevo lution zu Gunsten Achmeds in Constantine aus , dessen Be wohner ihn einluden mit seinen Streitkräften sich zu nä hern und mit ihrer Hülfe die Türken zu unterwerfen. Achmed, der nur aus Mangel an Streitkräften dem Kaftan entsagt hatte, nahm diesen Antrag mit Freuden an und drang sofort in die Stadt. Kaum sahen die Türken, dass die ganze Bewohnerschaft gegen sie eingenommen sei, so verliessen sie eiligst den Ort und lagerten sich unter ihrem neu erwählten Bey auf einem benachbarten Berge. Bereits am nächsten Morgen jedoch schickten sie eine Deputation an Achmed, baten ihn dehmüthigst wegen ihres Ungehor
134 sams um Verzeihung und übersandten zum Beweise ihrer aufrichtigen Gesinnung den Kopf ihres Anführers. Der Bey nahm sie gnädig und mit Freundlichkeit auf, sicherte ihnen eine Amnestie zu, liess sie jedoch später einzeln unter den verschiedensten Vorwänden hinrichten. Die zur Provinz Constantine gehörige Stadt Bona war nach dem Abzuge des Generals Damrémont im Jahre 1830 heftigen Angriffen von Seiten der umwohnenden Stämme ausgesetzt gewesen. Die fanatischen Araber, die die Stadt dafür züchtigen wollten, dass sie die Franzosen so bereit willig aufgenommen hatte, versuchten sie mehrmals einzu nehmen, wurden aber jedesmal durch die Einwohner zu rückgeschlagen, welche an der 100 Mann starken, türkischen Besatzung unter einem gewissen Sidi-Achmed eifrige Unter stützung fanden. Als sich jedoch diese Angriffe fortwährend wiederholten, wandte sich die bedrängte Einwohnerschaft im Sommer des Jahres 1831 an den General Berthezène mit der Bitte, um Indess Unterstützung von Mannschaften und Munition . fügte Achmed , der die Absicht hatte, sich seine unabhän gige Stellung zu erhalten, den Beisatz hinzu, dass die Hülfs mannschaft nur aus Eingeborenen bestehen dürfe. Berthe zène ging auf diese Bitte ein und schickte ein Detachement von 125 Mann Zuaven , mit Ausnahme der Officiere sämmt lich Muselmänner, unter dem Capitain Bigot dahin ab . Der Commandant Huder, ein früherer Ordonanzofficier bei der Gesandtschaft in Konstantinopel, wurde mit der oberen Leitung der Fxpedition beauftragt, da man ihn wegen der Bekanntschaft mit den Sitten und Gebräuchen des Orients vorzüglich für diesen Posten geeignet glaubte. Als diese Expedition am 14. September auf der Cor vette la Créole Bona erreichte, wurde sie von der Einwoh nerschaft auf das Beste und Zuvorkommendste aufgenommen, wenn auch Sidi-Achmed seine Unzufriedenheit über die Begleitung französischer Officiere nicht verhehlte. Huder, welcher die Absichten Achmeds durchschaute, und sehr wohl einsah, dass er es hier mit einem Feinde zu thun habe,
135 traf die nöthigen Voranstalten, um etwanige Unternehmun gen seines Gegners verhindern zu können. Unter dem Vorwande nämlich , die Türken in dem Sicherheitsdienste zu unterstützen , brachte er einige Zua ven in die Kasbah und vermehrte deren Zahl nach und nach so, dass er einen Officier hineinlegen konnte, welcher bald, wenn auch nicht dem Namen nach, doch thatsächlich an Achmeds Stelle das Kommando führte. Nun lebte damals zu Bona ein abgesetzter Bey von Constantine, mit Namen Ibrahim , der unter der Maske eines einnehmenden und bestechenden Aeusseren die grösste Ge meinheit und Treulosigkeit verbarg. Dieser hatte die Ab sicht Sidi-Achmed und Huder zu vernichten und sich dann der Herrschaft zu bemächtigen . Mit Leichtigkeit gewann er sich das Vertrauen des fran } zösischen Obercommandanten, den er von allen Plänen seines Gegners in Kenntniss setzte und brachte es sogar dahin, dass ihm bedeutende Geldsummen vorgeschossen wurden. Zum Unglücke für die Franzosen war Huder kein Mann von militairischen Eigenschaften ; seine kleine Truppe war schlecht einquartiert und in Folge dessen unzufrieden ; die Thore der Kasbah standen fortwährend offen und der dort kommandirende Officier kam täglich zu seinem Amusement in die Stadt herunter. Ibrahim beobachtete dieses Alles sehr wohl und beschloss diese Umstände zu benutzen. Mit Hülfe des ihm geliehenen Geldes warb er sich Anhänger und erschien mit diesen plötzlich vor der Kasbah , zu einer Zeit, wo der wachhabende Officier nicht darin war. Als die Besatzung einige Augenblicke schwankte, machte Ibra him derselben grosse Verheissungen und vertheilte auch Geld unter sie, wodurch die Türken und sogar einige Zua ven verleitet wurden, sich für ihn zu erklären . Die kleine Zahl der Widerstrebenden wurde in kurzer Zeit überwäl tigt und entwaffnet. Kaum hatte Huder, durch eine Freu densalve Ibrahims aufmerksam gemacht, das Vorgefallene erfahren, als er sofort die in der Stadt liegenden Soldaten sammelte und mit ihnen gegen die Kasbah rückte. Hier
136 wurde er jedoch von einem so lebhaften Gewehrfeuer em pfangen, dass er zur Rückkehr gezwungen war. Huder beschloss nun die Mannschaft von den beiden auf der Rhede liegenden Schiffen Creolin und Adonis an das Land zu setzen und mit deren Hülfe einen zweiten Angriff auf die Kasbah zu unternehmen. Doch liess er sich durch das Versprechen der Einwohner hinhalten , die Auslieferung Ibrahims und die Uebergabe der Kasbah zu vermitteln . Auf diese Weise vergingen in Erwartung und Unthä tigkeit zwei Tage, ohne dass die Bonenser Anstalten ge troffen hätten, ihr Versprechen zu erfüllen . Inzwischen waren die umwohnenden Araber in grosser Zahl vor den Thoren erschienen und Ibrahim hatte Viele von ihnen in die Kasbah aufgenommen und hierdurch seine Macht verstärkt.
Unter solchen Umständen war an eine Wiedereroberung der Festung vorläufig nicht zu denken und Huder beschloss deshalb, die Stadt zu verlassen und sich mit dem Rest der ihm treugebliebenen Zuaven anf den beiden Corvetten ein zuschiffen . Noch ehe dies geschehen konnte, war es den Arabern gelungen die Thore einzuschlagen und in die Strassen ein zudringen, auf denen sich ein blutiger mörderischer Kampf entspann. Ein Theil der Zuaven ging zu den Insurgenten über, Viele wurden getödtet, darunter auch Bigot, der nach tapferer Gegenwehr durch einen Yataganhieb fiel . Endlich gelang es dem letzten, etwa 40 Mann starken Ueberrest, unter dem bereits schwer verwundeten Huder, die Boote zu erreichen und sich einzuschiffen. Noch im Boote wurde mit vielen Anderen der Befehls haber von einer Kugel niedergestreckt. Wenige Augenblicke
nach diesem traurigen Ereignisse erschienen zwei franzö sische Briggs mit 250 Zuaven an Bord unter den Befehlen des Capitains Duvivier , die zur Verstärkung der Garnison von Bona dienen sollten. Gern hätte dieser unternehmende Officier einen Handstreich auf die Kasbah versucht, indessen war dieselbe zu stark befestigt und besetzt, als dass sich bei seiner geringen Mannschaft ein Erfolg hätte absehen
1
137 lassen.
Er kehrte deshalb unverrichteter Sache nach Algier
zurück, wo er mit den Ueberresten der Expedition am 11. October eintraf. In Oran stand noch immer, wie schon früher erwähnt, das 21. Linien- Regiment unter seinem Obersten Lefol und befand sich in einer höchst traurigen Verfassung. Schon seit einiger Zeit war es zur Rückkehr nach Frankreich be stimmt und empfing in Folge dessen nichts mehr aus dem algierischen Magazine ; es fehlte an Geld, an Nahrungsmit teln, an Kleidern und allen übrigen Lebensbedürfnissen. Dabei trafen Monate lang keine Nachrichten aus Algier oder Frankreich ein und die Situation der mit der türkischen Besatzung verbundenen Garnison verbesserte sich in Nichts, als um die Mitte des August der Oberst Lefol an Nostalgie starb. Im nächstfolgenden Monate kehrte jedoch das Regiment nach Frankreich zurück und das 20. trat an seine Stelle, zu dessen Commandeur der General Boyer ernannt wurde. Wenige Tage nach der Ankunft desselben erschien Muley Aly, der Neffe des Kaisers von Marokko an der Spitze einer grossen Reiterschaar vor der Stadt, ohne gegen dieselbe etwas Ernstliches zu unternehmen. Zwar verschwand er nach Verlauf von drei Tagen und nach einigen nutzlosen Demonstrationen aus der Gegend, indessen blieb dieselbe doch immer noch höchst unsicher. Aus weiter Entfernung schossen die Beduinen auf die französischen Schildwachen, und selbst die Araber, welche in grosser Zahl mit ihren Erzeugnissen auf dem Markte von Oran erschienen, feuerten beim Nachhausereiten ihre Gewehre gegen die Wälle ab, gleichsam als ob sie zeigen wollten, dass sie gegen die Herrschaft der Franzosen protestirten. Dieser unbestimmte weder friedliche noch kriegerische Zustand dauerte mit einigen unbedeutendenUnterbrechungen während des ganzen Jahres 1831 . Bereits ehe der General Boyer in Oran eingetroffen war, ging ihm der Ruf eiserner Strenge voran, den er sich mit dem Beinamen, der Grausame, in Spanien erworben hatte. Er war im Uebrigen ein Mann von Geist und Ta
138 lent , bewandert in den Wissenschaften und ein grosser Freund und Kenner der Kunst , dabei milde und freund lich im Umgange mit seinen Untergebenen. Gegen die Mauren dagegen zeigte er sich unerbittlich streng und liess z. B. einige derselben, welche eines Einverständnisses mit dem Kaiser von Marokko beschuldigt wurden , ohne Untersuchung und Urtheil hinrichten und ihre Güter con fisciren. Dergleichen grausame und unüberlegte Handlun gen erbitterten natürlich die Stadtbewohner , welche ihrer Zahl nach unbedeutend , sich den Franzosen gegenüber keineswegs feindselig gezeigt hatten. Ehe wir nun zu den folgenden Ereignissen übergehen, dürfte es angemessen sein , eine kurze Beschreibung der Provinz Oran einzuschalten , welche von nun an fast aus schliesslich den Schauplatz eines Krieges bildet , dessen Begebenheiten am besten eine Idee von der politischen und militairischen Verfahrungsweise der Franzosen geben. Die Provinz oder das Beylik Oran , über ein Drittheil der Regentschaft Algier ausmachend, wird im Norden vom Meere, im Süden von der Sahara , im Westen vom Kaiser thum Marokko und im Osten von Titeri begrenzt. Die Provinz hat vor den übrigen Theilen des Landes nichts Eigenthümliches voraus und wird im Osten von dem Scheliff und im Westen von der Tafna durchströmt, die mit ihren Nebenflüssen fruchtbare Thäler und herrliche, immer grüne Weideplätze bilden. Geht man von der Küste aus nach dem Innern des Landes , so gewahrt man zwei isolirte Höhenzüge . Zuerst im Osten zwischen Oran und Arsew dicht an der Küste den Amor-Dackno , der gegen Oran hin mit dem Löwen gebirge endigt ; im Westen von dieser Stadt liegt das Ge birge Gamara , fast ebenso hoch wie der Amor- Dackno, welches westlich beim Kap Figalo aufhört. Jenseits dieser Berge , d. h. südlich vom Sebgha-See dehnt sich eine nie drigere Zone mit einer zweiten Bergkette im Hintergrunde aus , welche das letzte Widerlager der ersten Atlaskette ist. Hierdurch bildet sich ein Bergkessel, in welchem der Sebgha von Oran oder der „ Salzsee" liegt , der aus vielen
139 kleinen, von den Bergen herabströmenden Gewässern ent standen ist. Die Gegend östlich von der Scheliffmündung bis zu dem kleinen Küstenstädtchen Tenez ist sehr gebir gig und wird Dahra genannt. Hier erheben sich der el Ba rudi, der Beni-Madun und der Saruel zu einer Höhe von 1400-2400 Par. Fuss , und arbeitsame , tapfere und reiche Kabylenstämme , die von jeher die unumschränkteste Un abhängigkeit genossen haben, bevölkern diese Gegend. Der Küstenstrich ist fast ganz nackt und von allem Holzwuchse entblösst , wodurch das Land einen traurigen Charakter erhält. Die Küste selbst ist fast überall hoch, doch bildet sie mehrere gute , sturmfreie Buchten . Man kann überall landen , nur nicht an der Mündung des Sche liff, welche durch eine lange Sandbank gesperrt wird. Der Scheliff , der grösste und wichtigste Fluss der Regentschaft , kommt unter dem Namen Mikrok aus der Wüste Angad und erhält erst später den Namen Scheliff. Seine eigentliche Quelle hat er auf dem Gebirge Uanseris, welches später in der Geschichte Abd- el-Kaders eine be deutende Rolle gespielt hat. Etwa 2 , Meilen südwest lich von Medeah durchbricht der Scheliff das Gebirge beim Uled- Honter und wendet sich dann am „ kleinen Atlas" entlang nach Westen. Er verstärkt von Nebenflüssen auf beiden Seiten len vor seiner Einmündung in das die Mina sich mit ihm verbindet.
sich durch eine Menge und erreicht 42 Mei Meer den Punkt , WO Die Mina bildet sich
wiederum aus mehreren Quellenflüssen , unter denen der el-Abd und der Haddet die wichtigsten sind ; sie nimmt ihren Lauf nördlich und verbindet sich 2 Meilen vor ihrer Vereinigung mit dem Scheliff, mit dem Hil-hill. Von die sem Vereinigungspunkte durchströmt der Scheliff das ber gige Gebiet der mächtigen Stämme des Dahra und der Medscher und fällt eine Meile südlich vom Kap Ivi ober halb Mostaganem in das Meer. Die Ufer des Scheliff gestatten leicht Uebergänge . Nur auf den letzten 4 bis 5 Meilen seines Laufs ist der Fluss von Bergen eingeschlossen , bis dahin aber sein überaus fruchtbares Thal beinah zwei Meilen breit. Er hat hin
140 reichendes Wasser, um kleine Fahrzeuge zu tragen, auch kann das Flussthal bis zum Einflusse der Mina mit Wagen befahren werden, von da ab jedoch sind die Ufer steil . Im mittleren Theile seines Laufs fehlt es an Holz. Von seinen Nebenflüssen ist die oben erwähnte Mina der bedeutendste und wichtigste. Sie durchströmt schnel len Laufs eine fruchtbare Ebene, in welche sie jedoch tief eingeschnitten ist. Die Makta bildet sich aus den Flüssen Habrah , Sig und Hammam , unter denen der Sig der bedeutendste ist. Dieser bildet sich in der Ebene Mekerra am Fuss des Beghra , macht beim Scherfa einen Durchbruch und tritt alsdann in die weite ,,Ebene des Sig". Der Hammam fliesst einige Meilen östlich, fast parallel mit dem Sig, und vereinigt sich später mit der Habra , bis alle drei unter dem Namen Makta sich in den Meerbusen von Arzew ergiessen. Sowohl die Ebene des Sigs als die des Habra sind wegen des schleichenden Laufs dieser Flüsse, sehr morastig. Dennoch gehören sie zu den fruchtbarsten Niederungen und sind zum Theil von den Borghias, zum Theil von den berüchtigten Garrabas bewohnt. Der Sig fliesst in senkrecht abgestürzten Ufern wie zwischen fortlaufenden Mauern und das nämliche ist bei Hammam der Fall. Der Sig hat schlechtes trübes Wasser von dunkelbrauner Farbe , das die Araber sogar für tödt lich halten. Die Tafna endlich entspringt aus einer Unzahl von Quellen, von denen viele unter dem Namen Isser sich ver einigen , südöstlich von Tlemsen auf dem Smiel. Dieselbe ist nach dem Scheliff und der Makta der grösste Fluss in der Provinz , vor dessen Ausmündung eine mit schroffen Felsen versehene Insel , vulkanischen Ursprungs , Raschgun genannt, gelegen ist "). Die wichtigsten Städte in der Provinz sind Oran, Ar sew, Maskara, Tlemsen, Mostaganem, Massagran, Nedroma, Calah, Tenez, Milianah und Mazauna. *) Decker's Algerien und seine Bewohner.
141 Die Hauptstadt des Landes ist Oran, welches in male rischer Umgebung am Ufer des Meeres gelegen ist. Es erhebt sich auf zwei durch ein Ravin getrennten Hügeln, das mit herrlichen Gärten ausgefüllt und von einem Bach durchflossen wird. Die Stadt ist mit sehr viel Kunst durch die Spanier befestigt worden , welche dieselbe lange Zeit besetzt hielten. Im Osten von Oran liegt auf einem die Stadt beherrschenden Hügel das Fort Santa-Cruz , etwas tiefer das von Sct. Gregorius und am Fusse desselben an der Küste das Fort Muna. Trotzdem Oran einen sehr bedeutenden Flächenraum einnimmt, hatte es zur Zeit der Türkenherrschaft doch nur 7-8000 Einwohner , nachdem es 1790 von den Spaniern in Folge eines zerstörenden Erdbebens verlassen worden war. Inmitten schöner üppiger Gärten und umgeben von fünf Vorstädten liegt Maskara , der Sitz des Beys, so lange die Spanier in Oran residirten. Die Stadt ist am Eingange der Ebene Eghres gebaut, welche von zwei mächtigen Stämmen , den Haschem- Gar raba und den Haschem- Scheraga bewohnt wird. Tlemsen bildete in früheren Zeiten die Hauptstadt eines mächtigen Königreichs , zählte jedoch zur Zeit des Sturzes der Türkenherrschaft nur 6000 Einwohner. Die Umgegend ist äusserst fruchtbar und ausser vielen Gärten findet man hier einen aus vielen Tausenden von Bäumen bestehenden Olivenwald. Die zahlreichen fortificatorischen Bauten der Umgebung Tlemsens aus den Zeiten der Römer , Mauren und Spanier deuten auf die wichtige Rolle , welche diese Stadt in früheren Zeiten gespielt haben muss. Die Befestigungen Mostagnaems bestehen aus einer schwachen Mauer und einem kleinen detachirten Fort. In der Stadt selbst liegt ein altes befestigtes durch Jusuf-ben Tachfin im zwölften Jahrhundert nach Christi Geburt ge bautes Schloss . Mostaganem hatte in früheren Zeiten 12,000 Einwohner , die sich grösstentheils durch Goldstik kereien ernährten. Die Bevölkerung des Landes anzugeben ist sehr schwie rig, die Angabe des General Desmichels von 1½ Millionen
142 dürfte etwas zu hoch gegriffen sein. Es wird bewohnt von über hundert zum Theil sehr mächtigen Stämmen. Die ganze Provinz befand sich zu der Zeit, wo der Ge neral Boyer das Commando übernahm , in der wildesten Anarchie ; überall machte sich ein unbestimmtes Streben nach Unabhängigkeit bemerkbar, aber es fehlte zur Erlan gung derselben an der Einigkeit im Willen und im Kom mando. Im Mai des Jahres 1831 war Casimir Périer Präsident des französischen Ministeriums geworden, und erliess eine Ca binetsordre, nach der die Militairverwaltung zu Algier von der des Civils getrennt wurde. Durch diese am 1. Decem ber 1831 in Kraft tretende Verordnung erhielt ein Civil Intendant, der unmittelbar unter dem Ministerium stand, die Verwaltung der Finanzen und der Justiz , und bildete mit dem Oberbefehlshaber der Truppen und einigen anderen Hauptpersonen den Verwaltungsrath. Diese Massregel, durch welche die Civilbevölkerung vor dem Militairdespotis mus und vor Uebergriffen von dieser Seite geschützt werden sollte, war in Algier, wo die Einheit des Dienstes so drin gend nothwendig war, ein arger Fehlgriff. Die bösen Folgen blieben nicht aus und bereits nach wenigen Monaten sah man die dadurch hervorgerufenen Uebelstände ein und nahm die verderbliche Massregel zurück. Zur Ausführung des neuen Systems wurde einerseits der Generallieutenant Savary, Herzog von Rovigo und andrer seits der Staatsrath Baron Pichon berufen , welcher bereits mehrere sehr bedeutende Verwaltungsstellen bekleidet und verschiedene diplomatische Missionen in den vereinigten Staaten, auf Domingo und in grösseren europäischen Län dern ausgeführt hatte. Was den Ersteren anbetrifft, so ist die Rolle, die er als Soldat und Polizeimann zur Zeit Na poleons gespielt hat, allzu bekannt, als dass sie einer wei teren Erwähnung bedürfte. Nach der Julirevolution hatte er sich der neuen Dynastie genähert, welche ihn, da sie für den Augenblick keine andere passende Stellung für ihn wusste, nach Algier schickte, wo der ihm angewiesene Wirkungskreis den ehemals mächtigen und an einen Kreis
143 ihm blind untergebener Menschen gewöhnten Mann, voll kommen befriedigte. Die Armee, welche der Herzog von Rovigo übernahm, war zum grossen Theile neu gestaltet. Dieselbe bestand aus dem 10. leichten, dem 4. und 67. Linien-Regiment, der Fremdenlegion, den Zuaven und Chasseurs d'Afrique. Die beiden Zuavenbataillone waren zu einem einzigen vereinigt worden; die Chasseurs d'Af rique bildeten zwei Regimenter zu 6 Escadrons. Die Stämme derselben waren französisch, der Ersatz bestand aus Ein gebornen. zweite zu ment und fahl noch
Das erste Chasseurregiment stand zu Algier, das Oran, wo ausserdem noch das 66. Linien- Regi die Fremdenlegion " ) garnisonirten. Ferner be eine im Laufe des Jahres 1832 erschienene Ka
binetsordre die Formirung zweier leichten afrikanischen Infanterie-Bataillone , in welche diejenigen aufgenommen werden sollten, die nach Verbüssung einer durch militai rische Verbrechen verwirkten bedeutenden Strafe wieder in die Armee zurücktraten **) . *) Die Fremdenlegion besteht aus fast lauter festen , stämmi gen Gestalten, deren dunkelgebräunte , wildbärtige , oft mit tüchti gen Narben gezierte Gesichter auf eine ereignissreiche Vergangen heit schliessen lassen. Jede Nation Europas ist hier vertreten ; der blondhaarige Schwede steht neben dem dunkeläugigen Franzosen, der breitschulterige Norddeutsche neben dem schlanken , nervigen Basken. Deutsche, Polen und Schweizer bilden indessen die grosse Mehrzahl , während sich Südländer nur sehr wenig darunter be finden. Fast alle sind verlorene Söhne ihres Vaterlandes, das böse Geschick , sehr häufig auch wohl eigene Schuld , hat sie in das Soldatenleben geschleudert , sie zu den heimathlosen Landsknech ten der Neuzeit gemacht : die meisten dieser Leute haben bereits in mancherlei Heeren gedient , kein Kampf ist in irgend einem Erdtheile gekämpft worden , an dem nicht dieser oder jener von ihnen Theil genommen hat. Die Erprobtesten der Legionäre wer den in die Elitekompagnieen gestellt, die Andern bleiben in den compagnies du centre. **) Die Bataillons lègéres d'Afrique , gewöhnlich Bataillons d'Afrique genannt , recrutirten sich aus den ateliers der condamnés militaires und haben sich bei jeder Gelegenheit sehr tapfer ge
144 Das System , welches der General Savary zur Occupa tion des Landes anwandte, war für die Lage der Colonie wie den Zustand der Armee ungemein passend . Wegen der üblen Einflüsse, welche die Anhäufung der Soldaten in den Städten zur Folge hatte, errichtete er eine Anzahl kleiner Stammlager, in welchen die Truppen cantoniren sollten. Die Lager wurden in bestimmten Rich tungen etappenförmig angelegt, woraus später gewisser massen befestigte Operationslinien entstanden sind, durch die die Grundlage zu den von den nachfolgenden Generalen angenommenen Systemen gegeben wurde. Diese kleinen für ein Bataillon
bestimmten
Posten
wurden von den Truppen selbst eingerichtet, die ihre Ar beit beim Anfange des Frühjahrs begannen, aber wegen der durch ungesunde Lage hervorgerufenen Krankheiten theil weise wieder aufgeben mussten . Nach längerem Herum irren blieb man endlich bei den Lagern Kuba, Birkadem, Tixerain und Dely- Ibrahim stehen, von denen die beiden letzteren bereits im Jahre 1832, die übrigen jedoch erst unter General Voirol im nächstfolgenden Jahre vollendet wurden. Die Zuaven zeichneten sich besonders bei dieser Arbeit aus, indem sie das ihnen zugewiesene Lager von Dely-Ibrahim ohne jedwede Beihülfe von Ingenieuren zu Stande brachten . Nichtsdestoweniger betrugen die baaren Ausgaben der Regierung für die Anlegung jedes einzelnen dieser Posten durchschnittlich 25000 Franks, welche Summe noch durch den Werth des gelieferten Materials auf das Doppelte er höht wurde.
schlagen. Durch gute Führung erlangen die Zephyrs , wie sie der gemeine Mann nennt, die Erlaubniss, wiederum in ihr früheres Re giment zurückzutreten , und müssen daselbst ihre Dienstzeit been den, da bei Berechnung derselben ihr Aufenthalt in den genannten Bataillons nicht in Anbetracht kommt Da nur die äusserste Strenge diese Truppe zu zügeln vermag , so gilt für dieselbe ein eigener Strafcodex , welcher den Offiziren eine fast unbeschränkte Gewalt verleiht.
145 Ausser diesen kleinen Lagern beabsichtigte der Herzog von Rovigo noch die Anlegung eines bedeutenden befestigten Ortes auf einem Punkte, von dem aus zu gleicher Zeit Bli dah und Coleah bedroht werden könnten ; indessen kam auch dieses Project erst unter seinem Nachfolger durch die Anlegung des Lagers von Duerah zur Ausführung. In der Erkenntniss, dass gute Strassen ein wesentliches Hülfsmittel aller militairischen Operationen seien, wurde sowohl in der Umgegend von Algier, als in der Metidscha und dem Sahel ein Strassennetz angelegt. Doch bewiesen die Franzosen bei dieser Gelegenheit wieder, wie wenig sie im Stande sind, auf die Sitten und Gebräuche eines Volkes Rücksicht zu nehmen und dieselben zu schonen . Bekanntlich hegen alle Muselmänner eine ganz beson dere Verehrung für die Grabstätten ihrer Familien und wählen noch lange nach dem Tode derselben vorzüglich diese zur Verrichtung ihrer Gebete. Eine der von dem Herzog von Rovigo angelegten Strassen führte nun über einen maurischen Kirchhof. Es wäre lächerlich gewesen, wenn für die Lebenden aus Rücksicht für die Todten Um ständlichkeiten und Umwege hätten entstehen sollen, aber man konnte die Anschauungen des Landes durch Ueber führung der Gebeine nach andern geweihten Plätzen ehren . Die Franzosen machten aber keine Umstände, sie warfen die Leichen zum Entsetzen der Mauren auf die Felder ; ein Verfahren, welches einen algierischen Schriftsteller zu der grollenden Aeusserung veranlasste : „ die Franzosen lassen uns keinen Platz um zu leben und keinen Platz um zu sterben". Ausserdem brachten noch andere Massregeln die Mau ren gegen den Herzog von Rovigo in Harnisch. Da die Truppen nämlich an Allem Noth litten und kein Obdach hatten als ihre leichten Zelte, in denen sie auf dem nackten Boden schliefen, so legte der Herzog den Mauren eine Con tribution von 5400 Centnern Wolle zur Verbesserung der Lagerstätten auf, welche nur mit vieler Mühe und häu figer Anwendung von Gewalt einzutreiben war. Nicht -minder empört wurde die muselmännische Bevölkerung Heim , Kriege in Algier 1. Band. 10
146 Algiers, als auf Befehl des Generals einige ihrer Moscheen geschlossen und zu Vorrathsgebäuden oder katholischen Kirchen eingerichtet wurden. Inzwischen rastete die Administration des eroberten Landes nicht, um den Kolonisten sichere Zufluchtsstätten zu gewähren. Das ihnen angewiesene Terrain sollte durch eine Reihe von Lagern und Blockhäusern bezeichnet werden, welche beim Thore Pescada beginnend, und einen Umkreis von 4 Meilen einschliessend, bis zur Ausmündung des Arrasch reichen sollten. Man würde dieser zweckmässigen Massregeln wegen
die Verwaltung des Herzogs nur loben können, wenn er nicht die Zeit seiner Amtsführung auch durch Handlungen der Härte und Grausamkeit bezeichnet hätte. Es war im April des Jahres 1832, als eine Gesandtschaft von Farhat ben- Said, einem mächtigen Häuptling, welcher im Süden der Provinz Constantine in den an die Sahara grenzenden sandigen Steppen des Blad - el- Dscherid wohnte, nach Algier kam . Ueber die zahlreichen, wandernden Araberstämme des Dscherid und der Grenzsteppen der Wüste Sahara übte nämlich ein Häuptling die Autorität, welcher unter der Oberhoheit des Beys von Constantine stand und den Titel Scheikh-el-Arab führte. Diese Würde wechselte seit Jahr hunderten zwischen den zwei bedeutendsten Familien jener Gegenden Ben- Said und Ben Gana. Zur Zeit der franzö sischen Expedition nach Algier war Farhat, das Oberhaupt der Familie Ben- Said, im Besitz jener Würde . Achmed Bey, welcher diesem ehrgeizigen Manne misstraute, ent setzte ihn und ernannte Bu -Asis, das Oberhaupt der Fami lie Ben- Gana, mit welcher Achmed von mütterlicher Seite nahe verwandt war, zum Scheikh - el-Arab. Farhat brachte zwar schnell ein Heer zusammen und zog mit diesem gegen Constantine, wurde aber hier von Achmed persönlich an gegriffen und geschlagen ; die Reiter zerstreuten sich und die Autorität des neu ernannten Scheikh-el-Arab wurde von den meisten Stämmen anerkannt. Als Farhat sah, dass er mit seinen eigenen Kräften nichts gegen den Bey aus zurichten vermochte, wandte er sich an die Franzosen und
147 forderte den Herzog von Rovigo zu einem Zuge gegen Con stantine auf, welchen er mit 10000 Reitern zu unterstützen versprach * ). Der General Savary traute zwar dieser Verheissung nicht ganz und gab in Folge dessen auf das Gesuch nur eine ausweichende Antwort, überhäufte aber dennoch die Mitglieder der Deputation mit Ehrenbezeigungen aller Art und entliess sie reich beschenkt. Kaum hatten dieselben jedoch die Thore verlassen, so wurden sie auf dem Gebiete El- Uffia , einem kleinen in der Nähe von Maison - carrée woh nenden, nomadisirenden Völkerstamme überfallen und ihrer Habseligkeiten beraubt. Bestürzt und über die ihnen wider fahrene Plünderung klagend, kehrten sie nach Algier zum Herzog zurück, der gerade eine heitere Gesellschaft bei sich sah und wohl vom Weine etwas erhitzt sein mochte. Sofort gab er einem der anwesenden Generale den Auftrag, mit der verrufenen Fremdenlegion und den Chasseurs d'Afrique aufzubrechen und den Räuberstamm zu züchtigen . Gegen Morgen erreichte man das Stammgebiet, umzingelte dasselbe und executirte nun eine der haarsträubendsten, blutigsten Scenen . Mit der wildesten Grausamkeit und der rohesten Barbarei metzelten die französischen Soldaten die aus dem Schlafe erweckten, wehrlosen Bewohner nieder und schonten weder Männer noch Greise, noch Frauen oder Kinder. Nur mit grosser Anstrengung gelang es einigen Officieren, wenige Kinder und den Häuptling des Stammes, El-Rabbia zu retten und nach Algier zu bringen. Noch während die gegen den Letzteren befohlene Untersuchung im Gange war, brachte man in Erfahrung, dass die Räuber gar nicht dem unglücklichen Stamme, sondern einer be nachbarten Gegend angehörten . Nichtsdestoweniger wollten die Franzosen das begangene Unrecht nicht eingestehen, Rabbia wurde vor ein Kriegsgericht gestellt, verurtheilt und kurze Zeit darauf hingerichtet. Diese unmenschliche That eröffnete den Feldzug im April 1832, und gab das Signal zum gegenseitigen Vernich *) Wagners Reisen in der Regentschaft Algier. 10 *
148 tungskampfe. Die Marabuts durchzogen abermals die Stämme, predigten den Glaubenskrieg, schilderten das Blut bad unter den El-Uffias und riefen die Rache für diese That vom Himmel herab. Ihre Bemühungen blieben nicht ganz ohne Erfolg ; Tag und Nacht waren die Besatzungen der Lager und Blockhäuser fortwährenden Angriffen aus gesetzt und ein unter dem Commando des Schweizerlieu tenants Cham stehendes 30 Mann starkes Recognoscirungs Detachement der Fremdenlegion wurde in unmittelbarer Nähe von Maisoncarrée überfallen und niedergemacht. Nur ein einziger Soldat rettete sein Leben, indem er in dem Augenblicke , wo ihm der Yatagan über dem Haupte schwebte Mahommed rief. Die Araber, welche diese That vollführten, gehörten dem Stamme der Isser an, welche östlich vom Cap Matifu ihre Wohnsitze hatten. General Savary beschloss an ihnen Rache zu nehmen und schickte zu diesem Zwecke eine Expedition von 12 --1500 Mann auf einer Fregatte, einer Brigg und einem Dampfschiff dort hin ab. Man hatte die Absicht, während der Nacht in aller Stille zu landen und beim Anbruch des Morgens die Isser zu überraschen und zu strafen. Diese waren jedoch auf ihrer Hut, an der Küste ausgestellte Posten beobach teten die Expedition und weiterhin sichtbare Feuer schie nen die Kampfbereitschaft des ganzen Stammes anzudeuten. Unter solchen Umständen wagte der die Expedition commandirende General Buchet nicht zu landen und kehrte nach Algier zurück zum grossen Erstaunen der Araber, welehe mit Bitterkeit bemerkten, dass die Franzosen wohl verstünden in tiefem Schlafe befindliche Männer, Weiber und Kinder niederzumachen, aber nicht den Muth hätten, gerüstete und bewaffnete Männer anzugreifen. Am unermüdlichsten gegen die Franzosen wirkte Sidi Saadi , der bereits im Jahre 1831 eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Seine Predigten entflammten alle Herzen zum heiligen Krieg. Trotzdem Ben-Zamum täglich durch Zuzüge von allen Stämmen verstärkt wurde, unternahm der Herzog von Ro
vigo dennoch nichts gegen denselben, da er die Zeit abzu
149 warten beabsichtigte , wo sich die feindlichen Streitkräfte vereinigt hätten und dann mit einem Schlage zu Boden geschmettert werden könnten. Endlich gegen Ende des September begannen die Feindseligkeiten einen ernsthafteren Charakter anzunehmen, wenn dieselben auch meist nur gegen die Recognoscirungs Detachements in der Nähe von Maison-carrée und Ferm Modèle gerichtet waren. Bei einem dieser Angriffe bestand der Kapitain de Signy, ein Mann von bedeutender Kraft mit einem kabylischen Kaid einen langdauernden Ringkampf, aus dem er endlich als Sieger hervorging. Erst jetzt hielt der Herzog von Rovigo den Zeitpunkt für günstig , gegen die Maassnahmen des Feindes einzu schreiten und entsandte zu diesem Zwecke in der Nacht. zum 2. Oktober zwei Kolonnen , die eine nach Suk-Ali unter dem General Fodras, die andere unter General Bros. sard nach Coleah. Suk-Ali ist eine Meierei in der Nähe von Buffarik, wo die Insurgenten sich durch Posten und Patrouillen vor jeder Ueberraschung zu schützen suchten. Als daher die französische Kolonne mitten in der Nacht in die Nähe die ses Punktes kam , wurde dieselbe plötzlich von einer Ge wehrsalve empfangen, welche die voranmarschirenden Chas seurs d'Afrique und die Zuaven in Unordnung brachte . Wenn der Feind diesen Augenblick allgemeiner Verwir rung zu einem Angriffe benutzt hätte , wäre das Loos der Kolonne aller Wahrscheinlichkeit nach entschieden gewesen. Die Kabylen aber verkannten die sich ihnen dar bietende Gelegenheit , so dass es dem Kapitain Duvivier und einigen anderen Offizieren gelang , wieder Ruhe und Ordnung in ihre Truppen zu bringen und sogar die Chas seure zu einem heftigen Angriff auf die arabische Kaval- ' lerie zu bewegen. Diese widerstand dem 备 Chor nicht, son * dern verliess: feige ihre Infanterie , von der etwa 100 Mann niedergesäbelt oder mit der Lanze getödtet wurden. Da die Uebrigen sich Angesichts dieser Erfolge zurückgezogen
150 hatten , hielt Fodras seine Aufgabe für gelöst und kehrte nach Algier zurück . Der nach Coleah besimmte General Brossard hatte den Auftrag erhalten , sich des dortigen Agha zu bemächtigen, den als einen Haupträdelsführer der Insurrection die fran zösische Rache treffen sollte. Als jedoch Brossard die Stadt erreicht , war der Agha bereits entflohen und der General musste sich begnügen , die Vettern desselben , zwei im Lande sehr geehrte , aber der Insurrection ganz fern ste hehende Marabuts Sidi - Allal und Sidi -Mohammed nach Algier mitzunehmen. Hier wurden dieselben gefangen ge setzt und verblieben in ihrer Haft, bis ihnen der Nachfol ger Rovigo's die Freiheit schenkte. Die arabischen Heere kehrten nach dem für sie un glücklichen Kampfe von Sidi- Haidi , beschämt über den schmachvollen Ausgang ihres Unternehmens zu ihren Stäm men zurück. Ben-Zamum aber ging ärgerlich über die Feigheit der Araber nach Flissa und schwur feierlichst, sich fernerhin von allen öffentlichen Angelegenheiten fern zu halten. Die Städte Blidah und Coleah wurden zur Strafe für die Theilnahme an der Insurrection mit einer Contribution von 1,100,000 Franks belegt , trotzdem die letztere nur 1500 Einwohner zählte, von denen etwa 3 oder 4 sich am Kampfe betheiligt hatten. Die Verwaltung des Herzogs von Rovigo endete mit einer That, welche sein Andenken noch mehr brandmarkt als der Antheil , den dieser Fürst einst an der Verurthei Zwei lung des Herzogs von Enghien genommen hatte. arabische Häuptlinge , nämlich Ben-Mussa , der ehemalige Kaid der Beni-Khelil und Messaud-ben-Abdelued , letzterer von den El- Sebt, waren dem Gouverneur schon seit langer Zeit als erbitterte Feinde der Franzosen und als Männer bezeichnet worden , welche jeden Augenblick bereit wä ren, die Fahne der Empörung von Neuem aufzupflanzen . Der General Savary beschloss ihren Untergang , indem er sie nach Algier lockte , was sie bis dahin weislich vermie den hatten, Zu diesem Zwecke befahl er der Stadt Blidah
151 eine Deputation zu ihm zu senden und derselben auch ge nannte beide Männer hinzuzufügen. Als diese zögerten und offenbar die Falle ahnten , übersandte er ihnen einen von ihm selbst unterzeichneten Brief, worin vollkommen freies Geleit zugesichert wurde. Kaum waren jedoch die beiden Häuptlinge in Algier eingetroffen , so wurden sie trotz aller Protestation fest genommen, verurtheilt und auf öffentlichem Markt hinge richtet. Die Armee war über diese Wortbrüchigkeit ent
rüstet : bei den Arabern wurde durch jene That der letzte Ueberrest von Vertrauen zu den Franzosen vernichtet und noch lange Zeit sprach keiner von ihnen die Namen Mes saud oder El-Arbi aus , ohne zugleich einen Fluch über den Verrath der „ Rumis“ auszustossen . Bald darauf verliess der Herzog von Rovigo Algier, bereits den Keim des Todes in sich tragend, der ihn nach ganz kurzer Zeit zur Freude aller Eingebornen , welche darin eine Strafe des Himmels erblickten, ereilte. Man kann das vom Herzog von Rovigo beobachtete System der Kriegführung im Ganzen nicht tadeln , und es ist sehr zu bedauern , dass die französische Regierung in der Folge nicht mehr Rücksicht darauf genommen hat. Da man so häufig mit den Personen wechselte, so hätte man sich wenigstens im Prinzip gleich bleiben sollen, wozu man bei der oft unrichtigen Wahl der Ersteren ge nügende Veranlassung hatte. Das Schwanken der französischen Regierung in ihren Operationsmaximen , welches die scharfblickenden Araber bald durchschaut hatten, verminderte allmälig den Eindruck, welchen die Einnahme Algiers in der Berberei hervor gebracht hatte. Während der oben dargestellten Vorgänge in der Pro vinz Algier hatten zwar die marokkanischen Truppen auf die energischen Vorstellungen Frankreichs die Provinz Oran geräumt ; indessen nahm die Macht des jungen Abd el-Kader in dieser Provinz in bedrohlicher Weise zu. Abd-el-Kader Ben-Sidi · Mahi- ed-din (Diener des All mächtigen und Sohn des Herrn , der die Religion belebt),
152 wurde im Jahre 1807 in Guetma, in der Gegend von Mas kara, auf dem Territorium des arabischen Stammes Haschem geboren. Seine Familie war nicht reich , aber aus einem sehr alten Marabutgeschlechte , das seinen Ursprung von den ägyptischen Kalifen aus der Familie Fatimet herleitete und sich Scherifs oder Abkömmlinge des Propheten nannte. Seine Mutter Zora war eine durch ihren vortrefflichen Charakter und ihre Einsicht gleich ausgezeichnete Frau und sein Vater Sidi-Mahi- ed-din stand wegen seiner Ge lehrsamkeit und der ihm von seinen Stammgenossen bei Aus diesem gelegten Wunderkraft in grossem Ansehen. Grunde wollten ihn die in der Nähe von Maskara woh nenden Stämme im Anfange des Jahres 1832 zu ihrem Chef ernennen ; aber Mahiddin schlug diese hohe Würde seines Alters wegen aus und wünschte sie auf seinen Sohn Abd- el-Kader übertragen, der auch sogleich anerkannt wurde. Der alte Mahiddin erzählte bei dieser Gelegenheit, dass, als er vor einigen Jahren mit seinem ältesten Sohne und mit Abd- el-Kader in Mekka gewesen wäre, ihm eines Tages bei einem Spaziergange mit dem Ersteren ein alter Fakir begegnet sei , der ihm drei Aepfel mit den Worten gegeben hätte : ,,dieser ist für dich, dieser für deinen Sohn, den du mit dir hast und dieser dritte ist für den Sultan." Und wer ist der Sultan ? fragte Mahiddin, „ das ist der, den du zu Hause gelassen , als du zum Spaziergang aus gingst," versetzte der Fakir. Diese kleine Anekdote , an welche die Anhänger Abd el-Kaders wie an einen Koranspruch glauben, hat viel dazu beigetragen, seine Macht zu begründen. Kurze Zeit, nach dem er so die erste Sprosse auf der Leiter des Glücks erstiegen hatte, wählte ihn die Stadt Maskara, die seit der Vertreibung der Türken eine republikanische Verfassung gehabt hatte, zu ihrem Emir , wodurch er einen entschie denen Vorzug über alle seine Rivalen davontrug. Man erzählt , dass die Einwohner dieser Stadt ihren Beschluss auf Veranlassung eines alten Marabuts fassten , welcher feierlich beschwor , der Engel Gabriel sei ihm erschienen
153 und habe ihm offenbaret, Araber herrschen.
Abd- el-Kader solle über die
Es war im Monat April des Jahres 1832 , als der Krieg in Oran einen ernsthafteren Charakter annahm, wie bisher. Um diese Zeit begann nämlich die Garnison Oran , deren Kavallerie durch die Bildung des 2ten Regiments der Chas seurs d'Afrique eine Verstärkung erhalten hatte , in der Umgegend einige militairische Ausflüge zur Recognoscirung des Terrains zu unternehmen. Dieses zu verhindern wurde am 3. und 4. Mai der Platz durch einige tausend Araber heftig angegriffen, an deren Spitze der alte Mahiddin und sein Sohn Abd-el-Kader standen. Einige der kühnsten von ihnen drangen bis in die Gräben des Forts Saint- Philippe und zogen sich erst während der Dunkelheit der Nacht aus denselben zurück , nachdem sie sich von der Unmög lichkeit, die Escarpe zu ersteigen, überzeugt hatten. Diese Angriffe wurden am 7ten wiederholt, indessen nach mehr stündigen vergeblichen Anstrengungen wieder aufgegeben. Nachdem am nächstfolgenden Tage die Araber noch die Stadt in allen Richtungen umschwärmt hatten, verschwan den sie endlich ganz aus der Gegend. So erfolglos und unbedeutend diese Kämpfe nun auch gewesen sind, so waren sie dennoch für Abd-el-Kader eine willkommene Gelegenheit, seinen Anhängern die ihm angeborene Kalt blütigkeit und seinen Muth , Eigenschaften , nach welchen der Araber einzig und allein den Werth des Mannes be stimmt, zu beweisen. Zu jener Zeit hatten dieselben näm lich noch eine ausserordentliche Furcht vor der französi schen Artillerie . Um sie nun daran zu gewöhnen und sie Kanonenkugeln verachten zu lehren, warf Abd- el-Kader zu wiederholten Malen sein Pferd den ricochettirenden Kugeln entgegen und begrüsste dieselben , wenn sie ihm um die Ohren pfiffen, mit Spässen und Hohnlachen. Am 23. Oktober zeigten sich wiederum etwa 5 bis 600 Araber vor den Thoren von Oran ; wurden jedoch von der Garnison zurückgewiesen , wobei sich das zweite Re giment der Chasseurs d'Afrique W durch Unerschrockenheit und Tapferkeit ganz besonders hervorthat.
154 Nachdem Abd-el-Kader von dem Tage dieser Affaire ab den Franzosen jede Verbindung mit dem Innern des Landes abgeschnitten hatte , zeigte er sich am 10. Novem ber wiederum mit ziemlich bedeutender Macht vor Oran. General Boyer rückte zum ersten Mal in eigener Person hinaus ihm entgegen und warf die Araber zurück , nach dem diese mit Muth und Ausdauer gekämpft und den Franzosen, besonders dem zweiten Chasseur-Regiment fühl bare Verluste beigebracht hatten. Dieses Gefecht war der letzte Akt im Kommando des Generals Boyer , der zwischen ihm und dem Herzog von Rovigo eingetretener Misshelligkeiten wegen abberufen und durch den General Desmichels ersetzt wurde. Inzwischen waren in der Provinz Constantine wichtige Ereignisse vorgefallen. Hier regierte zu Bona nach dem unglücklichen Ende des Kapitain Huder, Ibrahim-Bey mit einer solchen Strenge und Grausamkeit, dass die Bewohner nur durch die Furcht vor einem unter Ben-Aissa heranrückenden constantinischen Heere abgehalten wurden , sich an die Franzosen zu wen den. Endlich jedoch, nachdem sechs Monate lang die Stadt belagert und die Noth darin auf das höchste gestiegen war , entschlossen sie sich zu jenem äussersten Schritte. Der Herzog von Rovigo , der von seiner Regierung den Auftrag erhalten hatte , sich bei der nächsten günstigen Gelegenheit in den Besitz von Bona zu setzen , nahm die Abgesandten freundlich auf und gab ihnen den Kapitain Jusuf mit , welcher sich von der Sachlage überzeugen sollte. In Folge des durch diesen Offizier gemachten Be richts übersandte der Herzog den Bonensern das Schiff Fortuna mit Lebensmitteln und den Kapitain Armandy, durch dessen Hülfe die Vertheidigung der Stadt so lange unterstützt werden sollte, bis es möglich wäre, von Algier aus direkt Hülfe zu schicken . Die Wahl dieses Mannes zur Ausführung eines Auf trages, der ihm vielleicht das Schicksal Huders bereiten konnte, war eine höchst glückliche. Armandy gehörte zu der Zahl derjenigen Officiere, deren Umsicht und Entschlos
155 senheit mit der Grösse der Gefahr zunehmen und die das Glück haben, sich aus den schwierigsten Situationen mit Ruhm und Ehre herauszuziehen. Gleich nach seinem Eintreffen vertheilte er die Lebens mittel unter die Bewohner und ermuthigte sie im Vertrauen auf baldige Hülfe, den Kampf mit Ben-Aissa noch weiter hin fortzusetzen. Indessen blieben bei der allgemeinen Abspannung seine Aufmunterungen ohne erheblichen Er folg und in der Nacht vom 5. zum 6. März gelang es Ben-Aissa in die ihm durch seine Anhänger geöffneten Thore einzudringen . Dies geschah so plötzlich und uner wartet, dass es dem Capitain Armandy nur mit Mühe glückte aus Bona zu entkommen und sich auf sein Schiff zu retten. Bereits am nächsten Morgen erschienen jedoch einige Abgeordnete, welche den französischen Capitain auffor derten, sich behufs Unterhandlungen an's Land zu bege ben. Armandy zögerte keinen Augenblick, dieser gefahr vollen Einladung Folge zu leisten und erfreute sich von Seiten Ben Aissa's einer höchst zuvorkommenden Aufnahme. Sie kamen überein , dass jedwede Feindseligkeit zwischen der Citadelle und den Constantinern ausgesetzt werden sollte , bis nähere Instructionen vom General en chef einge gangen seien, mit dem der Bey bereit wäre zu unterhan deln. Dieser Zustand dauerte bis zum 26. März, an wel chem Tage Iusuf aus Tunis zurückkehrte, wohin er sich behufs Pferdeankauf begeben hatte. An demselben Tage brachte Armandy in Erfahrung, dass es unmöglich sein würde den Vertrag länger zu halten, da die in der Cita delle belagerten Türken so entmuthigt waren, dass sie nur die günstige Gelegenheit abwarteten, den Händen der Con stantiner zu entfliehen. Gleichzeitig traf die Erklärung Ben Aissa's ein, dass er die Citadelle, wenn sie sich bis zum nächsten Morgen nicht ergeben habe, mit Gewalt nehmen werde. Da es nun aber voraussichtlich grosse Anstrengun gen kosten würde, sich wiederum in den Besitz derselben zu setzen, nachdem dieselbe einmal von einem mächtigen Feinde erobert war, so wünschte Armandy den Constan tinern zuvorzukommen . Zu diesem Behufe begab er sich
156 in Begleitung Iusufs dorthin und suchte die Türken durch Verheissung von bedeutenden Geschenken und baldiger Hülfe für seine Pläne günstig zu stimmen. Ibrahim jedoch, der Kommandant der Citadelle, der im Bewusstsein, den Tod Huders veranlasst zu haben, die Franzosen fürchtete, veranlasste einen Tumult, bei dem die beiden Officiere Ge fahr liefen, ihr Leben zu verlieren . Armandy kehrte au genblicklich an Bord der aus Tunis gekommenen „, Bearnerin" zurück und bat deren Kapitain Fréart, ihm 30 Mann zu geben, mit denen er in die Citadelle dringen und dieselbe bis zu der Ankunft von Unterstützung vertheidigen wolle. Fréart, der nicht vor der Verantwortlichkeit zurückwich, welche er sich dadurch auflud , gewährte das Gesuch und segelte noch an demselben Tage nach Algier ab, um den Herzog von Rovigo von dem Zustande der Dinge in Kennt niss zu setzen. In der Citadelle hatte inzwischen der Kampf zwischen den Vorfechtern der Franzosen und den Anhängern Ibrahims noch fortgedauert und erstere waren so glücklich gewesen, die Oberhand zu behalten und ihre Gegner zu vertreiben, die sich sammt ibrem Chef unbehindert durch Ben-Aissa, nach Biserta zurückgezogen. Die zurückgebliebenen Tür ken setzten sofort die Franzosen von dem Vorgefallenen in Kenntnsis und baten sie zu unterstützen. Armandy er reichte mit seinen 30 Mann glücklich die Citadelle und wurde von den Vertheidigern derselben, da die Constan tiner nur das Thor bewachten, auf der entgegengesetzten Seite an Stricken die Mauer emporgezogen , Ben-Aissa durch die französische Flagge und einige Ka nonenkugeln von dem Sachverhalt in Kenntniss gesetzt, und die Unmöglichkeit einsehend, die Bergfestung gegen eine französische Vertheidigung mit Gewalt zn nehmen, zwang die Einwobner Bona's die Stadt zu verlassen und steckte dieselbe in Brand. Dieser griff bei günstigem Winde mit grosser Heftigkeit um sich und Armandy befand sich in der traurigen Nothwendigkeit, dieses ver zweifelte 3 Schauspiel thatlos mit ansehen zu müssen. Kaum war das constantinische Heer abgezogen, so fie
157 len die benachbarten Araber in grossen Schwärmen über die noch rauchenden Ruinen, um sich alles dessen zu bemächtigen, was vom Feuer und vom Feinde verschont geblieben war. Gleichzeitig brach eine neue Verschwörung unter den argwöhnischen, an Meuterei gewöhnten Türken aus und ohne die gewaltige Energie Iusufs, der die Hauptverschwörer mit eigener Hand niederhieb, wären die wenigen Franzo sen wahrscheinlich ermordet worden und die Citadelle noch einmal für sie verloren gewesen. Am 12. April traf endlich die lange erwünschte Ver stärkung, bestehend aus einem Bataillone des 4. Linien Regiments, einigen Artilleristen und Pionieren, aus Algier ein. Der Kommandeur dieses Bataillons gab bei dieser Gelegenheit ein in der Militairgeschichte gewiss seltenes Beispiel von Resignation , das zugleich den Beweis liefert, welcher allgemeinen Achtung sich Armandy bei der Armee erfreute. Im Augenblicke der Abreise nämlich berief der General en chef jenen zu sich und theilte ihm mit, dass die Umstände es erforderten, dass Armandy das Kommando in Bona behalte ; er stellte ihm jedoch frei, in Algier zu bleiben wenn er mit dieser Maasregel nicht zufrieden sei. Davois erwiderte, er sei weit entfernt sich dagegen aufzu lehnen ; er betrachte es als Pflicht sich in allen Stücken den Befehlen Armandy's zu fügen, der das .Vertaruen des Generals in dem Maasse besitze, wie er es verdiene, und ausserdem wohl augenblicklich der Einzige sei, welcher den Franzosen die neue Besitzung erhalten könne. In der Mitte des Monat Mai 1832 traf der General Monk d'Uzer, der bereits aus dem Jahre 1830 bei der Armee vor theilhaft bekannt war, aus Frankreich in Bona ein und übernahm das Kommando , zu dem nun das 55. Linien -Re giment, ein Bataillon Fremdenlegion , eine Belagerungs-, eine Feld- und eine Bergbatterie gehörten. Ausserdem wurde im Februar des nächstfolgenden Jahres das 3. Regiment Chasseur's d'Afrique organisirt, zu dem die 7. und 8. Schwa dron des auf 6 Eskadrons reducirten 1 Chasseurs - Regiment's den Stamm abgaben.
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Unter der durch Milde sowohl wie Energie ausgezeich neten Verwaltung erhob sich Bona rasch aus seinen Trüm merhaufen und gar bald kehrte der grösste Theil seiner ehemaligen Einwohner zurück, um unter der weisen Re gierung eines tapferen Generals die Früchte des Frie dens zu geniessen . Nachdem der Herzog von Rovigo seiner geschwächten Gesundheit wegen Algier verlassen hatte, übernahm der älteste der anwesenden Officiere, der General Avizard die Führung des Gouvernements. Derselbe erwarb sich wäh rend seines kurzen Interimisticums dadurch ein dauerndes Verdienst um die Kolonie, dass er auf Anrathen seines Ge neralstabschefs Trézel die arabischen Bureaus einrichtete. Der Zweck derselben war die Bearbeitung aller Angelegen heiten, welche die Araber arfgingen. Sie hatten die be züglichen Documente zu sammeln, wichtige arabische Schrif ten zu übersetzen, mit den Stammhäuptlingen einen schrift lichen und mündlichen Verkehr zu unterhalten und end lich über Alles dies dem General en chef von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten . Alle Befehle, welche der Letztere gab, wurden im Bureau übersetzt und von hier aus den Stäm men bekannt gemacht. Das hierzu nothwendige Beamtenpersonal bestand aus einem Chef, zwei unter seinen Befehlen stehenden Offizie ren und drei vereidigten Dolmetschern . Zum ersten Chef wurde der talentvolle und später so berühmt gewordene Zuavenhauptmann Lamoricière ernannt. Dieser war der arabischen Sprache vollkommen mächtig, dabei entschlossen, talentvoll , ein ausgezeichneter Arbeiter und beseelt von jenem edlen Ehrgeize , sich durch Thaten des Muths oder durch Brauchbarkeit auszuzeichnen. Häufig begab er sich ohne jede Begleitung unter die arabischen Stämme und bewies so zum ersten Male , dass man mit den Eingeborenen auch auf andere Weise , als mit den Waffen in der Hand unterhandeln könne. In den ersten Tagen des April kam der General -Lieu tenant Baron Voirol als interimistischer Oberbefehlshaber der Truppen nach Algier und übernahm Anfang Juni,
159 nachdem der Herzog von Rovigo in Paris gestorben war, die Stelle desselben . Voriol war ein Mann von geradem , biederem Charak ter und unerschütterlicher Gerechtigkeitsliebe , dabei aber im vollständigsten Contrast mit seinem Vorgänger , gar zu milde und ohne die Energie , welche einer solchen Stel lung nicht fehlen darf. Binnen zwei Jahren hatte also schon zum vierten Male das Kommando gewechselt, und jedesmal hatte mit dem Manne auch das System einem anderen Platz machen müssen. Clauzel drang tief in's Land hinein , überschritt den Atlas und besetzte Medeah. Berthezène räumte diese Stadt wiederum , beschränkte sich auf Algier allein sich den Intriguen einzelner Mauren. Rovigo verlorene Ansehen der französischen Waffen wiederherstellen und wählte als Mittel hierzu
und ergab wollte das im Innern das türki
sche System der Willkür und der blutigsten Strenge. Voirol hätte Grosses ausrichten können wenn er die aufgeregten Stämme durch Mässigung versöhnt , dabei aber eine rauhe und strenge Justiz gegen die Uebelthäter aufrecht erhal ten hätte. Die durch Rovigos grausame Härte erbitterten , zum Theil aber auch eingeschüchterten Araber legten die Milde des neuen Generals als Schwäche aus und erlaubten sich die frechsten Gewaltthaten. Der erste Verwaltungsakt des General Voirol war die Vollendung der bereits von Rovigo angefangenen prächti gen Landstrassen. Diese durch Soldaten gebauten Chaus seen verbanden die neu angelegten Lager und Dörfer und gaben dem Vertheidigungssysteme eine gewisse Rundung. Ein nicht minder grosses Verdienst Voirols war der Beginn von Kanalbauten zur Trockenlegung der verpesten den Sümpfe in der Metidscha. Er verwendete zu diesem gewaltigen , höchst nothwendigen Unternehmen die Mili tairsträflinge , arabische und berberische Tagelöhner und einen Theil des Heeres. Leider wurden jedoch diese Ar beiten von den Nachfolgern Voirols theils theils sehr lässig betrieben.
aufgegeben,
160 So günstig die Stimmung der Araber auch durch die Milde Voirols und durch Lamoricières einnehmendes Wesen zu sein schien , so überzeugte man sich doch bald , dass es gewagt sei , sich allzugrosser Ruhe hinzugeben ; zumal nachdem der Lelztgenannte die Direction des arabischen Bureaus verlassen und eine Expedition gegen Budschia unternommen hatte. Dieser Küstenpunkt , das Saldae der Alten , liegt am Ufer einer Bucht , welche beim Kap Karbon beginnt und im Westen beim Kap Cavallo endigt. Die Küste mit ihren zerrissenen Felsenklippen nimmt hier einen grotesken Cha rakter an und einer von den weit in die See hineinragen den Felsen bildet ein fast regelmässiges Thor von hoher mächtiger Wölbung. Die Rhede ist tief und viel sicherer als die von Algier oder Bona und wurde aus diesem Grunde von den Deys während der schlechten Jahreszeit zum Ankerplatz ihrer Fregatten verwandt. Die Stadt ist terrassenförmig auf dem südlichen Ab hange des Berges Guraya gebaut, der sich an seiner höch sten Stelle bis zu 2010 Par. Fuss erhebt und wie ein schmaler Rücken die Küste des Meeres begleitet. Eine tiefe Eine ehemals Schlucht theilt Budschia in zwei Hälften. sehr ausgedehnte Umfassungsmauer ist längst verfallen , so dass die östliche Seite der Stadt ganz offen daliegt. In dessen wird dieselbe durch drei Forts vertheidigt : eine Viertelmeile von der Stadt entfernt am Kap Buak liegt das Fort Mussa, welches von Pedro di Navaro im Jahre 1510 erbaut wurde. Das Fort Kasbah ist unmittelbar am Meere auf einer kleinen Landzunge ziemlich umfangreich und sehr solide zur Zeit Ferdinands des Katholischen gegrün det und endlich nicht weit davon entfernt und ebenfalls an der Meeresküste das Fort Abd-el-Kader. Die Umgegend von Budschia ist schön und vereinigt die Lieblichkeit eines mit Blumen , Kräutern und Frucht bäumen ausgestatteten Gefildes, mit dem grossartigen An blick von zerrissenen und geklüfteten Gebirgen. Im Süden ist die Ebene von Budschia vom Gebirge,
im Osten vom Summam begrenzt , einem Flusse, der von
161 den Eingeborenen Ued-ben-Messaud und von Ptolomäus Nasava genannt wird. Sämmtliche Bewohner der Umgegend von Budschia sind Kabylen. Auf einer Entfernung von mehr als zehn Stunden im Umkreise findet man keinen einzigen Araber stamm. Der Stadt zunächst wohnt der kriegerische und freiheitsliebende Stamm der Mezzaia ; andere Stämme sind die Beni-Messaud , Beni-Mimun , Beni-Amrus , Ulad -Uart, Beni-Mohammed , Beni-Hassein , Beni-Ismael , Beni -Abbas, Grebula. Diese kabylischen Stämme sind sehr volkreich und können eine bewaffnete Macht von etwa 20,000 Mann auf stellen. Sie theilen sich in Districte oder Kharubas , von denen jeder wiederum in Dacheras oder Dörfer zerfällt. An der Spitze einer Kharuba steht ein nur für kurze Zeit erwählter Scheik , in dessen Händen sich die Verwaltung und die Justiz befindet. Sobald einer oder mehrere der Stämme einen Krieg zu unternehmen beabsichtigen , wird durch eine Generalversammlung ein Chef ernannt , der während der Dauer des Zuges die Führung übernimmt. Sie leben sehr einfach und setzen ihren einzigen Stolz in die Erhaltung ihrer ungeschmälerten Unabhängigkeit. Ein Weib, eine Hütte, ein Gewehr, ein Yatagan, eine Kuh und ein Hund , sind die allein erwünschten Besitzthümer eines Kabylen und gesellt sich hierzu vielleicht noch ein Pferd , so hat er die höchste Stufe irdischen Glückes erreicht. Ihre Religion ist mohammedanisch , jedoch vermischen sie in ihren Moscheen und Schulen, deren jedes Dorf eine besitzt, die Koransprüche mit allerlei Fetischlehren. Ihre Sprache unterscheidet sich wesentlich von der arabischen, doch verstehen sie auch diese und bedienen sich derselben mit ziemlicher Geläufigkeit. Frankreich schien seit der Eroberung Bourmonts Bud schia gänzlich vergessen zu haben , bis ein zufälliges Er eigniss bereits unter dem Gouvernement Rovigos von Neuem die Aufmerksamkeit dorthin lenkte. Die Besatzung eines englischen Schiffes nämlich war auf der Rhede ge Heim , Kriege in Algier 1. Band. 11
162 nannter Stadt durch Eingeborene insultirt und die Regie rung von Grossbritannien forderte gewissermassen von den Franzosen Genugthuung , da sie die Küste als ihr Eigen thum betrachteten . Sie liess durchblicken , dass England selbst Massregeln treffen müsste, derartigen Auftritten vor zubeugen , falls die Franzosen die Uebelthäter nicht im Zaum halten könnten. Der französische Minister erblickte in dieser Erklärung Englands eine Drohung Budschia zu besetzen und beschloss zur Vermeidung der unangenehmen Nachbarschaft, diesem Eingriffe zuvorzukommen. Um die Stadt zu recognosciren, begab sich Lamoricière dorthin, gerieth jedoch bei diesem gewagten Unternehmen in grosse Lebensgefahr und musste sammt einem ihm be kannten daselbst ansässigen maurischen Kaufmann die Stadt verlassen und unverrichteter Sache nach Algier zurückkeh ren. Indessen hatte er dennoch die einer Eroberung ent gegenstehenden Schwierigkeiten als höchst unbedentend zu erkennen geglaubt, so dass man zwei Bataillons für aus reichend zu diesem Zwecke erachtete. Im Monate August des Jahres 1833 erhielt der Gene ral Trézel den Befehl, sich ungesäumt nach Toulon zu be geben, von wo aus die Expedition nach Budschia ausge rüstet werden sollte. Charakteristisch für die gänzliche Unkenntniss, in der man über die Bewohner Budschia's lebte war die Rede, welche Trézel vor dem Abgange an sein Officiercorps hielt, in der unter anderem folgende Stelle vorkam : ,, Unsere Soldaten sind leider zu keinem sehr krie gerischen Unternehmen berufen und werden wahrscheinlich mehr Hacke und Schaufel, als Flinte und Säbel zu schwin gen haben. " Indessen hatte er bald Gelegenheit zu sehen, wie gewaltig er sich darin täuschte. Am 22. September verliess die kleine Escadre mit zwei Bataillonen vom 59. Begimente, zwei Batterien und einer Compagnie Sappeure an Bord, die Rhede von Toulon und lief am 28. in die Rhede von Budschia ein. Nachdem das Feuer aus der Kasbah und den Forts durch die Kriegs schiffe zum Schweigen gebracht, wurde die Nacht zu den
163 Vorbereitungen der Landung verwendet. *) Bei Tagesanbruch waren die Kabylen ingrosser Masse am Ufer ; indessen fand die Landung dennoch statt. 澎 Nach wüthendem Kampfe wich die Infanterie des Centrums vor der Uebermacht zurück , der nur die Eliten-Compagnien Stand hielten, welche die hitzigsten Anläufe des Feindes parirten. Inzwischen wur den sie durch 400 an's Ufer gebrachte Matrosen unterstützt, welche sich mit erstaunenswürdiger Heftigkeit auf die Ka bylen warfen und diese bis in den höchsten Theil der Stadt zurücktrieben. Hier entbrannte jedoch ein mörderischer Kampf, jedes Haus verwandelte sich in ein Fort, aus dem Tod und Verderben auf die Franzosen herabgesandt wurde. Nichtsdestoweniger thaten dieselben , vorzüglich die Matro sen, Wunder der Tapferkeit, so dass es nach dreitägigem Kampfe gelang , den Feind aus der Stadt und den daran stossenden Gärten zu vertreiben. Budschia war in einen Trümmerhaufen verwandelt, der mit Blut und Leichen be sät war. Die wenigen übrig gebliebenen Häuser, wurden an gezündet und mit den Kabylen, die sich in dieselben ge flüchtet hatten, verbrannt. Indessen noch hielten sich die tapferen Feinde auf den anstossenden Bergen, von wo aus sie die Satdt beherrschen konnten. Endlich nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es den Truppen am 12. die Bergspitze des Guraya, den höchsten Punkt der feindlichen Aufstellung, im Sturm schritte zu nehmen. In demselben Augenblicke griff eine andere Kolonne das Lager von Demus an, von wo aus die Kabylen ihre Genossen unterstützen konnten. An allen die sen Kämpfen nahmen die Matrosen einen glorreichen An theil, dessen Resultat der Rückzug des 4 bis 5000 Mann starken Feindes war. Nachdem der schwer verwundete Trézel im November nach Algier zurückgekehrt war, übernahm Duvivier das Kom mando in Budschia, dessen Garnison aus einem Bataillon des 59. Linien-Regiments, einem vom 4. und dem 2. Re giment der leichten afrikanischen Infanterie bestand. Spä ter wurde dieselbe noch durch eine Schwadron des 3. Re *) Nach den Berichten im Moniteur und im Le peuple souverain. 11 *
164 giments Chasseurs d'Afrique verstärkt, die aus Bona dort hin gesandt wurde. Noch häufig hat der tapfere Duvivier Gelegenheit ge habt, sich gegen die fanatischen, umwohnenden Stämme schnell verwelkende Lorbeeren zu erwerben. Die Un abhängigkeitsliebe Resultat.
derselben
vereitelte
jedes
dauernde
In der Provinz Algier war es den vereinten Anstren gungen des General Voirol und des Hauptmann Pélissier, des nunmehrigen Chef des arabischen Bureau's , gelungen , einige Stämme als Verbündete zu gewinnen, so z. B. die Khaschnah im Osten der Metidscha, die Beni-Mussa, deren Duars in dem fruchtbarsten Theile dieser Ebene liegen und die ebenfalls daselbst wohnenden Beni-Khelil. Die Ge sinnungen dieser Araberstämme waren nicht gerade freund schaftlich für die Franzosen ; da aber ihre Wohnsitze im Bereiche der Sadt Algier liegen, und mithin leicht von den französischen Kolonnen erreicht werden konnten, so fürchte ten sie das Schicksal des Stammes El-Uffia und fügten sich den Siegern. Nur ein einziger Stamm tratt ganz in die Dienste der Franzosen, die Ariba, ein ehemals mächtiges und zahl reiches Volk, welches aus der Sahara stammte, von dort nach der Hochebene Hamsa wanderte und nach mancher lei Sicksalen sich in verschiedene Gegenden zerstreute. Ge neral Voirol wies diesen Arabern Wohnsitze östlich von Al gier bei dem Hausch Rassota an, bildete aus ihnen ein Corps von irregulären Spahis * ) und ernannte zu ihrem Kaid Ben Zecri, einen geflüchteten Häuptling aus der Provinz Constan tine. Nur ein einziger Stamm störte den Frieden der Umge gend von Algier. Es waren die Hadschuten , welche unaufhör liche Einfälle in den Uthan der Beni -Khelil und den Sahel machten. Die Hadschuten sind Araber, bewohnen zwischen der Schiffa und Scherschel ein fruchtbares, von Sümpfen
*) Die irregulären Spahis müssen jeden Augenblick zum Dienste bereit sein, obgleich dieselben kein permanentes Corps bilden. Sie bestehen aus Colonisten oder Stammcontingenten und erhalten, wenn sie sich dienstfähig ausgerüstet haben, einen bestimmten Sold.
165 auf der Ost- und Nordseite geschütztes Gebiet, besitzen vortreffliche Pferde, und gelten für die besten Reiter des Landes. Die Mehrzahl der Hadschuten gehörte unter den Türken zu den Maghsen des Aga, da dieser Stamm seines kriegslustigen und abenteuerlichen Sinnes wegen berühmt war. Bei der Einnahme Algiers zählten die Hadschuten nicht über 400 Reiter. Seitdem wuchs die Zahl dieses Stammes mit jedem Jahre, da die Verbrecher aller übrigen Stämme, sowie alle kriegs- und raublustigen Individuen sich zu ihm flüchteten, um an dem Räuberkriege Theil zu nehmen, welchen die Hadschuten gegen die Franzosen und deren arabische Verbündete unternommen hatten. Es verging fast kein Tag, an dem nicht Ueberfälle ausgeführt, isolirte Wohnun gen geplündert und Heerden geraubt wurden. Die ener gischen Vorstellungen des Stammes Beni-Khelil, welche als Nachbarn am meisten durch die Einfälle der Hadschuten zu leiden hatten, weckten endlich den General Voirol aus seiner Ruhe. Zwei Expeditionen wurden gegen die Had schuten unternommen ; die erste missglückte , die zweite vom General Brô kommandirt, hatte ein vollkommenes Re sultat. Die Beni-Kbelil und die Beni-Mussa, welche sich der französischen Kolonne anschlossen, nahmen den Had schuten die gestohlenen Heerden wieder ab ; darauf unter warfen sich die Hadschuten, welche zu jener Zeit noch lange nicht so dreist als später waren und einen wieder holten Besuch der französischen Armee fürchteten. Kuider Ben- Rabeha, der Kaid der Hadschuten erschien in Algier und wurde vom General Voirol zur Tafel gezogen, Die impo sante Gestalt dieses Hadschuten-Häuptlings war damals Ge genstand der allgemeinsten Bewunderung. *) Mit der Unterwerfung der Hadschuten nahm die Sicher heit in der Provinz Algier zu ; eine Bekanntmachung er öffnete den Europäern, dass Jedermann sowohl zum Ver gnügen, wie in Geschäften die Ebene Metidscha durchzie hen könne ; dass aber auch das arabische Bureau bereit
*) Wagners Reisen in der Regentschaft Algier.
166 wäre , denen , welche es wünschten. ein bewaffnetes Geleit zu verschaffen. Diese Verheissung wurde sowohl vom ara bischen wie vom europäischen Publikum mit Beifall auf genommen und sehr bald durchkreuzten französische Fahr zeuge und Maulthiere die Ebene nach allen Richtungen bis hin zum Fusse des kleinen Atlas. Zu Oran war inzwischen am 23. April 1833 Boyers Nachfolger der General Desmichels eingetroffen. Dieser Mann galt für einen rastlos thätigen Officier, tapfer im Felde, mit diplomatischen Schleichwegen vertraut, dabei voll Ehrgeiz und von einer Unabhängigkeit des Charakters , die ihn zu einem untergeordneten Kommando ganz unpassend erschei nen liess. Im Uebrigen ahmte er seinem Vorgänger nach und bewies wenige Tage nach seiner Ankunft, dass er die Angriffe der Araber nicht in Oran abzuwarten beabsichtige, sondern dass er dieselben in ihrer Heimath selbst aufzu suchen gedenke. Zu diessem Behufe verliess er in der Nacht vom 8. zum 9. Mai an der Spitze von 2000 Mann und mit 4 Berghau bitzen Oran und richtete seinen Marsch nach dem im Süd osten der Stadt wohnenden Stamme Garaba. Beim An bruch des Morgens befand er sich bereits mitten unter den Duars, in denen die überraschten Araber keinen Widerstand entgegenzusetzen wagten. Die Beute bestand aus einer ziemlich beträchtlichen Menge Vieh, mehreren Gefangenen und einigen Weibern, welche letztere man nach Oran führte und ihnen alle mögliche Sorgfalt angedeihen liess . Im Augenblicke, wo die Kolonne ihren Rückmarsch antrat, wurde dieselbe durch die Krieger der benachbarten Stämme angegriffen, die ihrer Genossen zu Hülfe geeilt waren. Trotzdem sie die Franzosen bis zwei Stunden vor Oran durch fortwährendes Plänklerfeuer harcelirten, gelang es den Arabern doch nicht ihren Feinden die gemachte Beute wieder abzujagen. Kaum hatte Abd -el-Kader von dieser Excursion des französischen Generals Nachricht erhalten, so raffte er so schnell wie möglich eine bedeutende Menge seiner Anhän ger zusammen und lagerte sich in 'Begleitung seines Vaters
167 Mahiddin drei Stunden von Oran bei einer Gruppe von Fei genbäumen, wo die Franzosen später ein verschanztes La ger errichteten . Als der General Desmichels von dieser Bewegung gehört, beschloss er, in der nächstfolgenden Nacht das Lager der Araber zu überfallen. Zur Ausführung die ses kühnen Unternehmens verliess er vor dem Anbruch des 26. Mai Oran und wäre wahrscheinlich für seinen Muth durch den günstigen Erfolg belohnt worden , wenn nicht einige klügere, aber weniger kühne Herren ihn in seinem Entschlusse wankend gemacht hätten. Erst vor kurzer Zeit im Lande angekommen, glaubte Desmichels auf den Rath derer hören zu müssen, welche den Krieg in Afrika schon länger kannten und mit der Kampfesweise der Ara ber vertraut waren. In Folge dessen gab er sein Unter nehmen, das aller Wahrscheinlichkeit nach dem wachsen den Aufschwung Abd- el-Kaders ein Ziel gesetzt hätte, auf und lagerte sich auf dem Wege zu den Feigenbäumen in Schlachtordnung, gleichsam um den Emir zum Kampfe herauszufordern. Diese Position lag auf einer Anhöhe vor wärts vom Fort St. André, im Südosten der Stadt, von wo aus man die ganze Ebene beherrschen konnte. Des • michels hielt diesen Platz für sehr geeignet zur Anlage eines Blockhauses , zu dem er die Vorarbeiten sofort be ginnen liess und dann nach Oran zurückkehrte, da Abd el-Kader sich begnügte, blos einige Hundert Plänkler ge gen die französische Stellung vorzuschicken. Am 27. Morgens verliess der General wiederum mit 10 Kompagnien Infanterie , zwei Berghaubitzen und einer -Escadron Chasseurs die Stadt, um die Arbeiten am Block hause zu beschützen , welche sofort in Angriff genommen wurden. Bald zeigten sich abermals die arabischen Plänk ler und begannen ein sehr lebhaftes Gewehrfeuer. Nach einiger Zeit erschien auch die ganze feindliche Armee in zwei Kolonnen , von denen die eine gegen die französische Position manövrirte und die andere den Rück zug nach der Stadt abzuschneiden suchte. Desmichels durchschaute + diesen Plan und T sandte augenblicklich dem General Sauzet , der in Oran zurückgeblieben war , den
168 Befehl, ihm alle Truppen zu schicken, welche zur Verthei digung der Wälle nicht dringend erforderlich wären. Kaum' war dieser Ordre Folge gegeben, so unternahm Abd- el Kader einen allgemeinen Angriff. Aber so lebhaft derselbe auch ausgeführt wurde und so grosse Todesverachtung der Emir auch selbst an den Tag legte , was vermochten die ungeordneten Haufen der Araber , die nichts hatten, als ihre leichten Pferde und ihre langen Flinten, gegen die geschlossenen Reihen einer europäischen Armee , welche durch ihre treffliche Organisation jeden Augenblick im Stande war , sich nach der bedrohten Seite zu wenden . Ueberall wurde der Angriff zurückgeschlagen und ein De tachement der Araber , welches den rechten Flügel der französischen Aufstellung umgehen wollte , durch eine Chasseurs-Escadron niedergesäbelt. Trotzdem das Gewehr feuer volle drei Stunden dauerte, hatten die Franzosen nur 3 Todte und 40 Verwundete, während der Verlust der Araber besonders durch die Artillerie , ungleich bedeuten der sein musste. Während der Dauer des Kampfes war am Blockhause eifrig gearbeitet worden , so dass es noch vor Abend vol lendet * ) und mit einem Detachement von 40 Mann besetzt werden konnte, indess Desmichels nach Oran zurückkehrte. Die Araber hatten sich ebenfalls in ihr Lager bei den Fei genbäumen zurückgezogen , unternahmen jedoch während der Nacht eine Recognoscirung des Blockhauses , dessen Zweck sie sich nicht erklären konnten. Die hiemit beauftrag ten 30 Mann näherten sich mit grosser Vorsicht den Palli saden, untersuchten dieselben von allen Seiten , und end lich, als von • innen kein Laut zu hören war, stieg der
*) Die Materialien zu diesen Blockhäusern werden sämmtlich aus Frankreich nach Afrika hinübergebracht und brauchen an Ort und Stelle nur zusammengesetzt zu werden . Diese Gebäude kosten 3000 Franks , sind zwei Etagen hoch , von denen die obere über die untere hervorragt und haben den Franzosen gegen die Araber, welche keine Artillerie besitzen , ganz ausgezeichnete Dienste geleistet.
169 kühnste von ihnen hinauf.
Die französischen Soldaten hatten den Befehl erhalten, nicht zu schiessen, als bis eine genügende Anzahl von Arabern sich auf dem Hofe des Blockhauses befände. Als aber der Kabyle auf der Palli sade anfing laut zu lachen , und seine Kameraden herbei rief, gab ein ungeduldiger Soldat Feuer und zugleich das Signal zur Flucht der Feinde, die durch die Einbusse eines ihrer Kameraden den Zweck eines Blockhauses kennen ge lernt hatten. Am 28. und 29. verhinderte ein starker Regen jedwede
militairische Operation. In der Nacht vom 30. aber griffen die Araber das Blockhaus mit einem kleinen Geschütze an ; da dieses sich jedoch bei dem ersten Schuss demontirte, so blieb das Unternehmen ohne Erfolg. Am 31. hob Abd-el- Kader sein Lager bei den Feigenbäumen auf und zog sich nach Maskara zurück , da er sich von der Fruchtlosigkeit weiterer Unternehmungen auf Oran über zeugt hatte. Trotz des oben erwähnten „ Orleans-Blockhauses“ und ungeachtet des für die Araber ungünstigen Ausganges des Gefechts vom 27. Mai umschwärmten dieselben fortwäh rend in allen Richtungen die Umgegend von Oran , um einzelne Unvorsichtige zu überfallen . Nichtsdestoweniger gab Desmichels zum Beweise seiner Milde einige Gefan gene, welche seit Boyer in den Gefängnissen von Mers-el Kebir schmachteten , ihren Stämmen und den Garabas ihre Frauen zurück. Um aber zu gleicher Zeit den Eingebor nen seine Kraft zu zeigen , und ihnen eine hohe Meinung von seiner Macht und Thätigkeit beizubringen , beschloss er den Kreis der französischen Occupation in der Pro vinz noch zu erweitern und Arsew und Mostaganem zu besetzen. Arsew, das Arsenaria der Römer , ist nach Mers- el Kebir der beste und wichtigste Hafen der ganzen Provinz *) und liegt zwölf Stunden östlich von Oran, im Innern einer Bay. Die Römer hatten hier eine Niederlassung angelegt, *) Moniteur.
170 von der sich noch heute Spuren finden und zwischen de ren Ruinen auf der Höhe und am Abhange eines Hügels die jetzige Stadt gebaut ist. Die Häuser sind von Stein und liegen in Gärten und Nopalpflanzungen zerstreut. Der Hafen ist breit und geräumig und im Stande 50 bis 60 Kauffahrteischiffe in sich aufzunehmen , die hier wie in der ganzen Bucht einen ausgezeichneten Ankergrund finden . Arsew bildete von jeher einen bedeutenden Han delsplatz für Getreide und nach der Einnahme Algiers be zogen die Kabylen über diese Stadt grosse Massen von Pulver und Salpeter. Dieselbe wurde von einem marok kanischen Kabylenstamme bewohnt , der unter einem Kadi mit Namen Bethuna stand. Dieser hatte sich schon früher in Handelsverbindungen mit den Franzosen eingelassen und ihnen sogar als das zweite Chasseurregiment, zu Oran organisirt wurde, einen Theil der dazu erforderlichen Pferde geliefert. Abd - el-Kader erblickte hierin eine Beeinträchti gung seines Kriegsmaterials und hob Bethuna, nachdem er ihn einige Male vergeblich gewarnt hatte , davon abzu stehen, zu Arsew auf und führte ihn nach Maskara, wo er nach mehrmonatlicher Gefangenschaft strangulirt wurde. Da die Häuser der eigentlichen Stadt sehr zerstreut und zum Theil in Ruinen lagen , beschloss Desmichels nur den eigentlichen Hafen zu besetzen , zu welchem Zwecke er den General Sauzet dorthin absandte. Dieser marschirte am Abend des 3. Juli von Oran ab , erreichte am nächst folgenden Morgen sein Ziel und besetzte ein kleines ver lassenes Fort , لاdessen Magazine zu Kasernen hergerichtet wurden. Diese wenigen Gebäude nennen die Araber Mersa ; nachdem jedoch die Franzosen davon Besitz genommen , belegten sie dieselben ebenfalls mit dem Namen Arsew. Gleichzeitig mit den Franzosen war auch Abd - el-Kader in der Stadt dieses Namens erschienen , hatte davon Besitz genommen und die Bewohner gezwungen, dieselbe zu ver lassen. Zwar gelang es , die Truppen des Emirs zurück zuwerfen ; aber die Einwohner kehrten nicht zurück , son dern siedelten sich unter den arabischen Stämmen der Ebene Zeirat an , während Arsew seinem Verfalle über
171 lassen wurde.
In Mersa erbauten die Franzosen in aller
Eile einige Verschanzungen , und kehrten mit Zurücklas sung einer 300 Mann starken Besaszung nach Oran zurück. Bald darauf nahmen die französischen Truppen auch Besitz von der Stadt Mostaganem , welche der türkische General Des Kaid Ibrahim ohne Widerstand übergab . michels stellte es den Einwohnern frei , ob sie sich unter französischen Schutz begeben oder mit ihrer beweglichen Habe auswandern wollten. Die Mehrzahl der Familien wählte das letztere , verliess die prächtigen Gärten und Landsitze und zog sich in das Innere des Landes zurück. Der Fanatismus dieser Mauren vermochte sie zwar, nicht zu einem energischen Widerstand gegen die Franzo sen zu entflammen, liess sie aber dennoch die rohe Lebens weise und die barbarischen Sitten der Beduinen , einer Nachbarschaft der Christen vorziehen . Abd-el-Kader arbeitete inzwischen , weit entfernt sich durch die Erfolglosigkeit seiner Unternehmung auf Oran abschrecken zu lassen , mit erneutem Eifer an der Ver wirklichung seines Planes , die arabischen Streitkräfte zu vereinigen. Seine Macht war bis jetzt erst 15 Stunden weit im Umkreise von Maskara anerkannt, sein kühnes Hoffen aber ging dahin, sie bis in die entferntesten Gegenden der Pro vinz auszudehnen. In dieser Absicht versicherte er sich zuerst der Mitwirkung des mächtigen arabischen Stammes Beni-Amer und marschirte hierauf nach Tlemsen. Diese Stadt liegt sechs Meilen östlich von der Marok kanischen Grenze und ist von den Römern gegründet, welche sie Tremis oder Tremici Colonia nannten. Als spätere Hauptstadt eines maurischen Königreiches wurde sie im Jahre 1670 von den Türken fast gänzlich zerstört. Der Ort ist auf drei Seiten von tiefen Schluchten umge ben und nur auf der Südwestseite zugänglich, Im Süden der Stadt liegt eine Citadelle der Meschuar, in Form eines länglichen Vierecks, deren Mauern von zwei Thoren durch brochen werden . Die Umgegend der Stadt gewährt einen herrlichen Anblick, indem sich hier die pittoreskeste Boden
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formation mit einer paradiesischen Vegetation vereinigt. Tlemsen hat von jeher traurige Schicksale erduldet und war auch um diese Zeit ein Opfer innerer Streitigkeit geworden , indem zwei Parteien in derselben sich gegen überstanden. Die Türken und Kuluglis hatten nämlich unter einem gewissen Bursali den Meschuar und die anstossenden Ge bäude besetzt , während die Mauern unter ihrem Ober haupte Ben-Nuna , einem reichen , aufgeklärten und ausge zeichneten Manne, den übrigen Theil der Stadt inne hatten. Beide Parteien befanden sich in einem fortwährenden Kampfe ; indessen waren die Feindseligkeiten, da man kein Interesse hatte sich gegenseitig aufzureiben , nicht gerade sehr ernsthafter Natur. Diese Umstände schienen die Pläne Abd- el-Kaders zu begünstigen , der deshalb im Laufe des Monats Juli vor den Thoren Tlemsens erschien , und Ben- Nuna aufforderte, seine Autorität anzuerkennen . Da dieser das Ansinnen ablehnte , so kam es zu einem Kampfe, der dadurch sehr bald zu Ungunsten Ben-Nunas entschieden wurde, dass die Türken einen Ausfall machten und die Mauren im Rücken angriffen. Hierdurch ward die Niederlage derselben so vollständig , dass ihr Oberhaupt , aus Furcht in die Hände des Siegers zu fallen, sich in einen in der Nähe von Tlem sen liegenden Marabut flüchtete, welcher ihm eine unver letzbare Zufluchtsstätte darbot. Von hier entkam er in der nächstfolgenden Nacht zum Kaiser Abderrahman von Ma rokko , mit dem er bereits seit langer Zeit in Verbindung gestanden hatte und bei dem er einer günstigen Aufnahme gewiss sein konnte. Abd- el-Kader behandelte die Einwohner der eroberten Stadt mit äusserster Milde und benutzte jede Gelegenheit sich ihre Liebe und ihr Vertrauen zu erwerben. Zum Kaid ernannte er aus ihrer Mitte einen gewissen Sidi- Ha madi , der sich zwar weder des Einflusses noch der Ver dienste Ben-Nunas erfreute , aber doch auch ein in der Stadt ziemlich angesehener Mann war.
173 Abd-el-Kader hatte erwartet, dass die Türken im Me schuar, durch deren Hülfe er eigentlich in den Besitz Tlem sens gekommen war , ihm bereitwillig die Thore öffnen und seine Herrschaft anerkennen würden. Diesem war jedoch nicht so. Sie versprachen zwar mit ihm in Frieden zu leben , lehnten aber alle Aufforderungen zur Unterwer fung mit Entschiedenheit ab. Da der Emir keine Artillerie hatte und dies somit nicht. von ihnen erzwingen konnte , vermied er einen unnützen Kampf und trat den Rückweg nach Maskara an. Unterwegs erhielt er die Nachricht von dem Tode sei nes greisen Vaters Mahiddin , die ihn in tiefe Betrübniss versetzte ; denn abgesehen von der kindlichen Liebe , die er für ihn hegte , verhehlte er sich nicht , dass ein grosser Theil seiner Macht Folge der Ehrfurcht war , welche die Araber diesem Mann erwiesen. Sein Tod wurde allgemein einem Verbrechen zugeschrieben , ein Verdacht , der in Afrika wie in Europa oft sich regt , wenn ein politisch wichtiger Mann in bedeutender Zeit plötzlich aus dem Le ben scheidet. Es ging das Gerücht , dass Mahiddin auf Veranlassung Ben-Nunas vergiftet worden sei , der Abd- el Kaders Macht zu untergraben hoffte , indem er dessen Rathgeber aus dem Wege räumte. Jedenfalls verrechnete sich Ben-Nuna , denn Abd -el-Kader erwies sich als ein würdiger Sohn seines Vaters , so klug im Rath als tapfer im Felde. Bald nach diesem Trauerfall erhielt Abd-el-Kader die Nachricht von der Unternehmung der Franzosen auf Mosta ganem. Sofort sammelte er bedeutende Streitkräfte , eilte dorthin und zwang in einem blutigen Gefecht die Franzo. sen, sich in die Forts zurückzuziehen und die Türken sich hinter den Mauern der Stadt zu verbergen. 1 General Desmichels. der die Anwesenheit Abd- el-Kaders vor Mostaganem benutzen wollte , einen Einfall in das In nere des Landes zu unternehmen, eilte sogleich zu Wasser nach Oran und entsandte von hier aus am 5. August etwa 1200 Mann Infanterie und Kavallerie , um den Stamm der Smelas anzugreifen. Die kriegsfähigen Mannschaften des
174 selben befanden sich bei Abd-el-Kader und Desmichels er theilte deshalb dem Kommandeur der trag, so vielen Schaden anzurichten , damit die Furcht vor einem ähnlichen las und die anderen Stämme künftig Franzosen feindlich aufzutreten.
Expedition den Auf wie irgend möglich, Schicksale die Sme abhalte , gegen die
Mit Anbruch des 6ten traf das Corps am Berge Tarfui ein, wo sich die ersten Duars der Smelas befanden . Hier stellte L'Etang die Infanterie und die beiden Berghaubitzen auf und fiel dann mit der Kavallerie über die überraschten Araber her. Einige hundert Weiber und Greise in Lum pen gehüllt, nackte Kinder , von denen viele noch an der Mutterbrust lagen, wurden überfallen und wie eine Heerde Vieh zusammengetrieben , wobei es ohne Leichen nicht abging, da die Aehnlichkeit in der Kleidung der Geschlech ter häufige Verwechselungen hervorbrachte. Doch kaum hatte man den Rückzug angetreten , als die Araber, welche bei Annäherung der Franzosen aus ihren Duars geflohen waren , sich sammelten und die Ka vallerie angriffen . Diese zog sich im Schritt und mit gröss ter Ruhe auf die Infanterie zurück , mit der vereinigt , sie nun den Rückmarsch nach Oran begann. Doch die Zahl der Araber vermehrte sich von Minute zu Minute, die Sonne stand bereits hoch am Himmel und sandte ihre versengenden Strahlen auf die Erde herab , die Hitze war unerträglich und wurde noch durch den Südwind vermehrt, dessen Saharagluth den mit vollem Gepäck Mar schirenden fast den Athem benahm . Vor Allem war es die Infanterie, diese bescheidene und doch so wichtige Waffe, welche unter der Last eines Gewehrs und des bedeuten den Gepäcks die ganze Beschwerlichkeit dieser Umstände zu ertragen hatte. Ihr Marsch wurde noch lästiger da durch, dass die Verwundeten , von den Soldaten getragen werden mussten, da man unvorsichtigerweise weder Trans port- noch Lebensmittel mitgenommen hatte. Kein Tropfen Wassers war aufzufinden , die erschlafften Körper zu er frischen; die Soldaten waren der Erschöpfung nahe und der Marsch wurde immer langsamer und beschwerlicher.
175 1 Dazu kam , dass die Araber durch immer wiederholte An griffe das weitere Vordringen der Kolonne zu verhindern strebten, um den Kriegern aus den entfernter gelegenen Duars Zeit zu geben, sich mit ihnen zu vereinigen. Meh rere von ihnen warfen sich in der Front und an den Sei ten auf die Kolonne, harcelirten sie mit anhaltendem Feuer und zündeten auf weite Entfernungen das Gras und Ge sträuch an , durch welches das französische Corps mar schirte. Der erstickende Rauch , die glühende Asche auf dem Boden, der unerträgliche Durst und alle die anderen Mühsalen und Beschwerden demoralisirten die Infanterie so, dass sich ihrer allgemeine Entmuthigung bemächtigte . Man sah Soldaten ihre Waffen fortwerfen und trotz aller Bitten und Ermahnungen ihrer Vorgesetzten den Weiter marsch verweigern ; sie legten sich auf die Erde und er kauften den Genuss eines Augenblicks der Ruhe mit ihrem Leben , dem der Yatagan der Kabylen sehr bald ein Ende machte. Diejenigen , welche noch Kraft hatten zu mar schieren, vermochten nicht mehr zu kämpfen und nur die Kavallerie hielt mit bewunderungswürdiger Tapferkeit die Angriffe der Araber zurück. Endlich nach furchtbaren An strengungen erreichte die Kolonne die Quelle bei den Fei genbäumen , an der Abd- el-Kader früher sein Lager ge habt hatte. Aber hier erwartete sie eine neue Gefahr, denn die Infanteristen , nachdem sie sich über das faulige ungesunde Wasser mit wahnsinniger Wuth hergestürzt hatten, verweigerten den Weitermarsch und lagerten sich unter den Feigenbäumen , entschlossen , hier ihr Schicksal zu erwarten. In diesem kritischen Augenblicke erklärte der Oberst L'Etang , dessen Muth mit der Gefahr wuchs, seinen Offizieren , man müsse sich bereit halten, hier ent weder mit der Infanterie zu sterben oder sie zu retten . Alle begrüssten mit Enthusiasmus diesen heroischen Ent schluss; die Chasseurs umzingelten die halbtodte, unter den Feigenbäumen gelagerte lethargische Masse und mach ten sich fertig , stehenden Fusses den Angriff des Feindes zu erwarten. Die durch diese feste Haltung eingeschüch terten Araber wagten glücklicherweise keinen ernsthaften
176 Angriff , da auch ihre Pferde , welche schon sehr bedeu tende Märsche zurückgelegt hatten, erschöpft waren. In zwischen hatte der Ordonnanz - Offizier des Generals Des michels, Lieutenant Desforges , welcher die Kolonne be gleitete, bereit, sich für das allgemeine Wohl zu opfern, den gefahrvollen Versuch unternommen , dem General von der traurigen Lage der Dinge Kunde zu bringen. Das Glück begünstigte den Muth dieses tapferen Offiziers , der ohne Unfall den 1 , Meilen langen Weg nach Oran zu rücklegte. Desmichels machte sich sofort mit beträchtlicher Verstärkung , Lebens- und Transportmitteln aller Art auf den Weg und die Expeditionskolonne konnte, da die Ara ber bei Ankunft der Hülfe auseinanderstoben , sich unge stört durch Essen und Trinken kräftigen und dann den Rückmarsch nach Oran antreten , was sie trotz aller Müh salen noch mit einem Theile der gemachten Beute erreichte. Abd-el-Kader hatte sich inzwischen durch die Diver sion, die der französische General in seinem Rücken unter nommen hatte, keineswegs irre machen lassen , sondern eine förmliche Belagerung Mostaganems , in welchem nur eine schwache Garnison zurückgeblieben war , begonnen. Das Gros seiner Truppen etablirte er hierzu in der ver fallenen Vorstadt Tistid und richtete von hier aus am 3ten seinen Angriff auf die Aussenposten, unter denen ein am Meere gelegener Marabut, der durch eine Kompagnie vom 66sten Regiment unter Kapitain Moreau vertheidigt wurde, den vorzüglichsten Zielpunkt seiner Bestrebungen bildete. Der Zweck , den er hierbei im Auge hatte , war ohne Zweifel , die Communication zwischen der Stadt und dem Meere abzuschneiden, was indessen nicht gelang. Die Trup pen, welche er hierher schickte , wurden von genannter Kompagnie erwartet und zu gleicher Zeit durch drei an dere Kompagnien aus der Stadt angegriffen , so dass sie sich nach empfindlichen Verlusten zurückziehen mussten. Am 5ten liess Abd-el-Kader den Marabut wiederum und zwar mit einer noch grösseren Truppenzahl angrei fen; indessen missglückte auch diesmal sein Unternehmen, da eine französische Brigg vom Hafen aus ihr Feuer mit
177 dem der Besatzung vereinigte , und die Araber zum Rück zuge zwang. Dieselben kehrten darauf in ihre Position von Tistid
zurück, von wo aus sehr bald ein Angriff auf die Stadt selbst unternommen wurde , der zwar mit grosser Kühn heit ausgeführt, aber mit mindestens eben so grosser Kalt blütigkeit abgeschlagen wurde. Da nämlich Abd-el-Kader keine Artillerie hatte , um Bresche legen zu können , so suchte er sich durch die Mauer an einem Orte zu sappiren , wo die Courtine nicht flankirt und der Angreifer somit vor dem Feuer der Fes tung geschützt war , sobald er sich am Fusse der Mauer befand. Dieses kühne Wagstück würde aller Wahrschein lichkeit nach vom Glücke begünstigt worden sein , wenn nich der Lieutenant Géraudon sich mit einigen Grenadie ren rittlings auf die Mauer gesetzt und von hier aus die an der Sappe Arbeitenden niedergeschossen hätte. Da hierdurch auch an diesem Tage der Verlust für die Araber sehr bedeutend war , so wurde der Angriff am 7ten bereits schwächer. Am 8ten war die Brigg durch Sturm genöthigt, das hohe Meer zu suchen , wodurch sic Abd-el-Kader veranlasst fand , einen nochmaligen Angriff auf den Marabut zu unternehmen. Als auch dieser miss glückte, wurde die Belagerung aufgehoben. Abd-el-Kader kehrte nach Maskara und seine Krieger zu ihren Stämmen zurück, für die sie schon längst ein ähn liches Schicksal wie das der Smelas befürchtet hatten. Die Letzteren wünschten inzwischen wiederum in den Besitz ihrer Weiber und Heerden zu gelangen und wand ten sich um Frieden flehend an Geneneral Desmichels. Man kam überein, dass die Smelas auf jedwede Verbin dung mit Abd- el-Kader verzichten, in dem in der Nähe von Oran schön gelegenen Thale von Miserghin künftig hin ihre Wohnsitze aufschlagen und zum Unterpfand ihrer redlichen Gesinnungen einige Geisseln stellen sollten ; unter welchen Bedingungen man ihnen das Gewünschte herausgab . Um das Ende des September traf die sogenannte afri kanische wissenschaftliche Kommission, welche alle fran Heim, Kriege in Algier 1. Band. 12
178 zösischen Besitzungen bereiste, um sich von ihrem Zustande zu überzeugen, auch in Oran ein und brach in Begleitung einer Division am 1. Oktober nach dem Thale von Miserghin auf. Abd -el-Kader, der hiervon Nachricht erhalten, hatte sich sofort an die Spitze einer bedeutenden Reitermasse gesetzt und brach plötzlich hinter einer Hügelkette gegen die französische Kolonne hervor. Indessen erreichte er sei nen Zweok nur zur Hälfte, indem die Division weder durch den überraschenden Angriff noch durch die Tapferkeit der Feinde in Unordnung gebracht wurde, wohl aber nach dem Verluste von einigen Todten und etwa 30 Verwunde . ten ihren Marsch aufgab und nach Oran zurückkehrte. Der greise General Bonnet, der Präsident der Kommis sion, wefcher früher wegen seiner ungemeinen Tapferkeit berühmt gewesen war, und bei einer ähnlichen Gelegenheit in der Nähe von Buffarik in seinem Eifer das Kommando der ihm nicht untergebenen Truppen an sich gerissen hatte, begnügte sich hier damit, nur seinen Aufenthalt in der äussersten Tirailleurlinie zu nehmen. Unterdessen begannen die einzelnen Stämme, welche keinen Absatz mehr für ihre Waaren hatten, sich wie derum nach den Märkten zu sehnen und allmählig des Krie ges überdrüssig zu werden. So fing der Stamm der Med schar an den Markt von Mostaganem zu besuchen, die Bordscha kamen noeh Arsew, die Smelas und selbst die so kriegerischen Duer verkehrten häufig in Oran. Auch Abd el-Kader selbst wünschte Frieden ; indessen wollte er den Abschluss desselben in der Hand behalten und ergriff die strengsten Massregeln zur Unterdrückung dieser einzelnen Verhältnisse, welche seinem grossartigen Plane einer gouvermentalen Einheit unter den Arabern voll kommen entgegen waren. Es gelang ihm mehrere Stämme zum Ausbleiben von den Märkten zu zwingen und die Smelas vermochten nicht einmal den Verbindlichkeiten nach zukommen , welche sie gegen die Franzosen übernommen hatten. Unter den Arabern , welche der Begier nach Ge winnst dennoch auf die französischen Märkte zog, befand sich auch ein gewisser Kadur, einer der Scheiks aus dem
179 Stamme Bordscha.
Dieser Mann wusste, dass er bei Abd
el-Kader in dem Rufe eines Hauptanstifters der kommer ciellen Beziehungen stand, und beschloss den Zorn dessel ben durch Ueberreichung einiger Christenköpfe zu entwaff nen. Zu diesem Behufe erschien er wie gewöhnlich zu Arsew und bat nach Verkauf seiner Waaren um eine mi litairische Bedeckung , durch die er vor den Verfolgungen einiger in der Gegend herumstreifender Reiter Abd-el-Kaders geschützt sei. Der Kommandant von Arsew nahm keinen Anstand dieser Bitte Genüge zu leisten und stellte hierzu einen Quartiermeister mit vier Chasseuren . Doch kaum hatten diese Unglücklichen die Thore der Stadt verlassen , als sie in einem von Kadur gelegten Hinterhalt fielen, was die Tödtung eines derselben zur Folge hatte, wärend die übrigen als Gefangene nach Maskara gebracht wurden. Kurze Zeit darauf empfing Abd-el-Kader vom General Des michels einen Brief, worin die Gefangenen reclamirt wur den, indem er anführte, sie wären gegen das Völkerrecht fortgenommen worden. Der Emir antwortete auf dieses Schreiben wie folgt: ") ,,Den 6. Tag im Hiemadistan, Jahr 1249. Gepriesen sei Gott, unser Herr Mahommed und seine
Anhänger!" ,, Hadschi Abd-el-Kader-Ben -Mahiddin , Fürst über die treuen Vertheidiger der Gläubigen, an General Desmichels -Gott beschütze seine Waffen ! - Gouverneur von Oran. " Seid gegrüst! ,, Ich habe den Brief empfangen , in welchem Ihr die Hoffnung nährt, für die vier Gefangenen Freiheit zu erhal ten, die in meinen Händen sind ; ich habe Alles verstanden, was er enthält und beeile mich ihn zu beantworten. " ,,Ich habe nicht daran gedacht, Euch den Vorschlag zu machen, Eure Soldaten loszukaufen ; dies ist nur auf Grund einer mir gegebenen falschen Versicherung geschehen, Ihr
*) Abd-el-Kader und die Verhältnisse zwischen Franzosen und Arabern im nördliehen Afrika von Dinesen. Deutsch von A. v. Keltsch. 12 *
180 hättet im Sinne, ein Opfer zu bringen, und zugleich in der Absicht ihnen durch Lieferung von 1000 Gewehren für je den Mann ihr Unglück zu erleichtern." ,, Ihr sagt mir, dass ungeachtet Eurer Stellung Ihr Euch bequemt hättet, den ersten Schritt zu thun ; aber dies war Eure Pflicht nach Kriegsgebrauch. Ieder hat seine Zeit im Kriege, den einen Tag Ihr, den andern Tag ich ; der Mühl stein läuft für uns Beide herum, indem er stets neue Opfer zermalmt." ,,Gleichwohl ist dies eine religiöse Pflicht für uns Beide und wir müssen sie erfüllen. Was mich betrifft, so habe ich Euch niemals mit Schritten um Vergünstigung für die Gefangenen, die ihr gemacht habt, belästigt . Ich habe als Mensch bei ihrem unglücklichen Schicksale gelitten, aber als Mahommedaner betrachte ich ihren Tod als ein neues Leben und dagegen ihre Auslösung aus der Sclaverei als einen schimpflichen Tod ; darum habe ich auch niemals für sie um Gnade gebeten." ,,Ihr sagt mir, dass die Fürsten der Erde sich durch Edelmuth und Seelengrösse auszeichnen sollen und macht daraus den Schluss, dass ich Euch ohne Erstattung die Ge fangenen zurückgeben soll, die in meinen Händen sind. Euer Prinzip ist im Allgemeinen richtig, aber meine Re ligion verbietet mir , es zu befolgen ; Auslösung von Scla ven ist nur unter Mohammedanern erlaubt. Ferner sagt Ihr, dass diese Franzosen im Begriffe waren, Araber gegen an dere Araber zu beschützen , aber dies kann kein Grund für mich sein. Die Beschützer und die Beschützten sind ge meinschaftlich meine Feinde, und alle die, welche vom Lande zu Euch hineinkommen , sind schlechte Gläubige, die gegen ihre Pflicht handeln . Was diejenigen angeht, die ihnen eine Schlinge gelegt haben , wie Ihr es nennt, so sind diese nicht in meinen Diensten und sie sind von einer zu unbedeutenden Klasse , als dass ich mich mit ih nen beschäftigen sollte. " „ Ich benutze diese Gelegenheit, um Euch meine Ver wunderung über Eure Leichtgläubigkeit in Bezug auf die Ehrlichkeit und Hingebung auszudrücken, welche die Leute
181 an den Tag legen sollen, die aus Furcht, dass ich es er fahren möchte, nur heimlich zu Euch kommen . Was mich betrifft, so misstraue ich selbst dem Schatten solcher Leute, und allen denen, welche in meine Hände fallen, werde ich den Kopf abschneiden lassen oder sie in's Gefängniss setzen. Ihr seid allzugeneigt, Menschen Zutrauen zu erweisen, die es nicht verdienen. " ,, Das Verlangen, was ich Euch in Rüchsicht auf die Gefangenen gestellt, hat keineswegs, seid dessen versichert, darin seinen Grund, dass ich Geld gewünscht habe, sondern allein um Eure Gedanken in dieser Hinsicht kennen zu lernen." ,, Ihr rühmt Euch, dass ihr ohne Erstattung Garabaer und Smelas ausgeliefert habt. Es ist wahr ; aber Ihr habt ein Volk überfallen, dass unter Eurem Schutze lebte und Eure Märkte täglich mit Lebensmitteln versah. Eure Trup pen haben ihnen Alles geraubt, was sie besassen. Wenn Ihr dagegen Euren eigenen Distrikt verlassen und Völker schaften angegriffen hättet, die Euch erwarten z. B. Habi Boalem, Kaleffa, die Stämme Beni-Amer und Haschem, da würdet Ihr mit Recht davon reden können, den Ruhm zu verdienen, den Ihr jetzt ansprecht, Garabaer und Smelaer überrascht zu haben. Wenn Ihr Euch einmal zwei bis drei Tagemärsche von Oran entfernen wollt, so hoffe ich, wir werden sehen und man wird es endlich erfahren, wer von uns Beiden Herr im Lande sein soll. Es ist an der Zeit, denn wenn Ihr beständig zu Hause bleibt, so werden die Leiden, denen die unglücklichen Bewohner dieses Landes schon zu lange ausgesetzt gewesen sind, bis in's Unendliche dauern." Der vom Emir dem General Desmichels gemachte Vor wurf, er könne seine Siege nur durch Ueberfälle erlangen, kränkte denselben tief und reifte in ihm energische Ent schlüsse. Als daher ungefähr einen Monat nach diesem Schreiben Abd -el-Kader auf der Rückkehr von einem Streif zuge bei Temezurar in der fruchtbaren Ebene Meleta auf dem Gebiete der Haschem gelagert war, brach General Desmichels beinahe mit allen seinen Truppen dorthin auf.
182 Antsatt aber das Lager des Emirs anzugreifen, fiel man über einige Duars her , erwürgte eine Anzal Araber, nahm die Frauen und Kinder derselben mit und trat dann den Rückzug an. Dieser war das Signal für die Araber, die Kolonne von allen Seiten anzugreifen, die sich gänzlich mit Tirailleuren umgeben musste, um sich die lästigen Feinde fernzuhalten. Desmichels sah sich genöthigt die geraubten Frauen und Kinder den Arabern wieder zu überlassen , nachdem er die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass er sie bei fort währendem Kampfe doch nicht werde mitführen können . Indessen richtete die Feldartillerie, deren man sich zum ersten Mal statt der Gebirgsartillerie gegen die Araber be diente, unter denselben furchtbare Verwüstungen an, ohne den Muth und die Ausdauer derselben zu brechen. Beide Parteien schrieben sich den Sieg zu ; die Franzosen , weil sie die Angriffe der Araber mit bedeutenden Verlusten zu rückgeschlagen hatten ; die Araber, weil sie ihre Feinde fortwährend auf dem Rückzuge erblickt hatten. Wunder barer Weise traten bei diesem Gefechte die Geisseln der Smelas in die Reihen der Franzosen und fochten mit " her vorstechender Tapferkeit gegen ihre Glaubensgenossen. Die nun folgende Zeit verlief volkommen ruhig, bis endlich am 6. Januar des Jahres 1834 abermals sehr be deutende Reitermassen vor den Thoren Orans erschienen. Sechs Escadrons Chasseure wurden zu ihrer Vertreibung abgesandt, geriethen aber durch das unbesonnene Beneh men des Obersten Oudinot in Unordnung und verloren bei dem eiligen Rückzuge nach der Stadt 1 Officier und 17 Mann, deren Köpfe vom Feinde abgeschnitten und als Trophäen mitgenommen wurden.
Diese unglückliche Affaire war das letzte kriegerische Ereigniss. General Desmichels wünschte sehnlichst den Frieden und entschloss sich daher zu Unterhandlungen, da er nachgerade zur Einsicht gelangt war, dass in einem solchen Lande, wo seine Truppen nirgendsWohnung, nirgends Obda ch fanden und gegen ein solches Volk das die furchtbar
183 sten Strapazen mit Leichtigkeit ertrug, mit Waffengewalt wenig auszurichten war. Hierzu kam, dass sich bereits in Oran ein sehr empfind licher Mangel an Lebensmitteln bemerkbar zu machen anfing, da durch den Einfluss Abd- el-Kaders die Zufuhr vom Lande beinahe gänzlich aufgehört hatte. Desmichels hatte sich zwar zur Abhülfe dieses Uebelstandes mit Mustapha-ben Ismael den Chef der Duer in Unterhandlungen eingelassen ; indessen waren auch diese ohne Resultat geblieben, indem die schlauen und kräftigen Massnahmen des Emirs jede Vereinbarung hintertrieben. In Anbetracht aller dieser Um stände beschloss Desmichels Abd-el-Kader selbst Anerbie tungen zu machen und auf diese Weise endlich einen all gemeinen Frieden zu Stande zu bringen. Ein gewisser Bussnak, der Sohn eines israelitischen Kaufmanns, der we gen seiner ungemeinen Kenntniss aller Verhältnisse des Landes das volle Vertrauen des Generals besass, bemühte sich denselben in seinem Beschlusse zu bestärken. Freilich konnte man sich nicht verhehlen, dass jeder Schritt, der in dieser Hinsicht von dem französischen Kommando ge macht wurde, das Gefühl der Macht bei Abd-el-Kader ver mehren und ihn zu übertriebenen Ansprüchen bewegen musste. Um diesem Uebelstande nun so viel wie möglich entgegen zu arbeiten, entschloss sich Desmichels noch ein mal an den Emir zu schreiben, und zwar in Bezug auf die bei Arsew gemachten Gefangenen. Diese Angelegenheit schien der Abfassung nach der Hauptzweck des ganzen Schreibens zu sein, das erst ganz am Ende die hingewor fene Bemerkung enthielt, dass durch eine Zusammenkunft beider Heerführer viel unnützes Blutvergiessen erspart und dem unglücklichen Lande vielleicht ein Frieden ge bracht würde, welcher den Arabern den ruhigen Genuss der Früchte ihrer Felder sicherte. Zu gleicher Zeit schrieb ein Jude aus Oran, mit Namen Omar-Mardochai an Ben Harrach einen der hochgestelltesten Officiere aus der Armee Abd- el-Kaders , dass die Franzosen im Allgemeinen für seinen Herren eine grosse Zuneigung und Bewunderung empfänden und dass es für dessen Machtausbreitung des
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halb von ausserordentlichem Vortheil sein würde , wenn er sich mit ihnen in Unterhandlungen einliesse. Abd-el-Kader , der trotz aller dieser Umschweife den Kern der Sache sehr gut herausfühlte und einsah , dass er unter solchen Umständen vollständig Herr auf dem Boden der Unterhandlungen sei , beantwortete den Brief des Ge nerals Desmichels mit einem langen Schreiben, in dem er . viele Stellen aus dem Koran anführte und unter Anderm sagte: ") ,,Unsere Religion , die uns verbietet Frieden zu verlangen, erlaubt uns, ihn anzunehmen , wenn er uns an geboten wird," und an einer anderen Stelle : In der hei ligen Schrift ist gesagt : „ Wenn man Euch nicht Frieden vorschlägt, so suchet ihn nicht, denn es ist Gott, der Alles lenkt ; und wenn der Friede gebrochen wird, dann verlasst Euch auf ihn , er wird Euch vereinigen und Eure Waffen beschützen." Ferner : „,dem Tode sehen wir lachend ent gegen, wir trauern nicht um unsere Vorangegangenen ; wir haben keine andere Stütze , als unsere Waffen und unsere Pferde ; das Pfeifen der Kugeln hat mehr Werth für uns , als das frische Wasser für den Durstigen und das Wiehern der Rosse klingt verführerischer in unsern Ohren, als die lieblichste Melodie. Wenn wir genöthigt werden, das Land zu verlassen , dann thun wir es ohne Schmerz. Die Welt gehört Gott an , er hat sie uns zum Erbe gege ben, und wohin wir uns wenden, nach Osten oder Westen ja selbst nach der Wüste, überall finden wir unsere Nation, Ihr scheint unsere Streitkräfte zu verachten und doch sind wir stets bereit zum Kampfe ; schlagt nach in der Ge schichte und ihr werdet finden , was sich in Klein-Asien und in der Gegend von Damascus und Jerusalem zuge tragen hat." Mit diesem Briefe erschien einer von den Vertrauten Abd-el-Kaders , Milud -Ben-Harrach vor den Mauern Orans und bat sich zugleich die Vorschläge des Generals Des michels aus. Dieser war ungemein erfreut über eine solche
Abd-el-Kader von Dinesen. commandement. Paris 1835.
Desmichels , Oran sous son
185 Wendung der Dinge, durch welche die Gleichheit zwischen ihm und dem Emir wiederum vollkommen hergestellt wurde ; denn wenn auch von französischer Seite die Unterhand lungen zuerst angeknüpft worden , so war doch auch von der anderen Seite bereitwillig dazu die Hand geboten. Der hohen Wichtigkeit der Angelegenheit wegen versammelte Desmichels die höchsten Civil- und Militairbeamten um sich und kam mit ihnen dahin überein , dass nur mit Zu grundelegung dreier Basen unterhandelt werden sollte, nämlich : Unterwerfung der Araber ohne Ausnahme unter Frankreichs Oberhoheit , vollständige Handelsfreiheit und sofortige Auslieferung sämmtlicher Gefangenen. Die Be dingungen wurden dem Abgesandten des Emir übergeben, damit er seinen Herrn davon in Kenntniss setze. Nach einigen Tagen erschien Ben-Harrach abermals und bat auf Befehl Abd - el-Kaders um genauere Abfassung der Vorschläge. Diese wurden von Desmichels aufgesetzt und durch Bussnak und den Kommandant Abdallah d'As bonne, einen syrischen Christen , der sich bereits seit der ägyptischen Expedition in französischen Diensten befand, an Abd-el-Kader überbracht. Er nahm die Deputation äusserst gnädig auf und übergab ihnen als ein Zeichen seiner friedlichen Gesinnung die zu Arsew gemachten Ge fangenen. Dieser Akt der Grossmuth verfehlte seinen Eindruck nicht und Desmichels schloss am 26. Februar 1834 folgen den Frieden : Friedensvertrag. Friedensbedingungen für die Araber :
1. Den Arabern ist es erlaubt , Pulver , Waffen , Schwe fel, überhaupt allen Kriegsbedarf zu kaufen und zu verkaufen. 2. Der Handel von Arsew verbleibt wie bisher unter dem Fürsten der Gläubigen. Die Ladungen dürfen nur an diesem Orte eingeschifft werden. In Oran und Mostaganem dürfen nur die zum Lebensunter halte der Bewohner nothwendigen Waaren ausgela
186 den werden. Diejenigen , welche Waaren zu versen den wünschen, müssen sich nach Arsew wenden. 3. Der General giebt alle Deserteure heraus und lässt sie in Ketten schliessen. Ebenso darf er Verbrechern keinen Schutz gewähren. Der zu Algier befehlende General hat keine Gewalt über die Muselmänner, welche zu ihm mit Bewilligung ihrer Chefs kommen . 4. Kein Muselmann darf daran verhindert werden, wenn er in seine Heimath zurückkehren will. Diese Bedingungen sind durch den zu Oran kom mandirenden General zu unterzeichnen. Bedingungen für die Franzosen : 1. Vom heutigen Tage ab gezählt hören die Feindlich keiten zwischen Franzosen und Arabern auf. 2. Die Religion und die Gebräuche der Muselmänner sollen respektirt werden. 3. Die französischen Gefangenen werden herausgegeben. 4. Die Märkte sind frei. 5. Jeder französische Deserteur wird durch die Araber •
ausgeliefert. 6. Jeder Christ , der das Land bereisen will , muss mit einem Pass ausgerüstet sein , der vom Consul , von Abd-el-Kader und vom General untersiegelt ist. Dieser Tractat wich , wie man sieht, ziemlich wesent lich von den im Conseil festgesetzten Grundlagen ab. In dessen fand General Desmichels für gut, von dem für den Emir günstigen Vertrage seiner Regierung nur den zwei ten Theil vorzulegen , die Clauseln des ersten Theils aber geheim zu halten. Die Mehrzahl der in die Algierer Angelegenheiten ein geweihten Männer erklärt das seltsame Benehmen des Ge nerals Desmichels dahin, dass Abd-el-Kader ihm einen An theil an dem Gewinn , den das Handelsmonopol brachte, insgeheim zugesichert habe. Inzwischen verbreitete sich die Nachricht von dem in der Provinz Oran geschlossenen Frieden mit Blitzesschnelle durch die ganze Regentschaft und rief natürlich allgemein, da nur der letzte Theil des Traktates bekannt war , die
187 Ueberzeugung hervor, dass der Handel überall frei sei. In Folge dessen errichteten einige algierische Handelshäuser zu Arsew Comtoirs und versuchten Geschäfte zu machen, als sie zu ihrem grössten Erstaunen von der Existenz eines Der Emir hatte sich nach dem Handelsmonopols hörten. Vorbilde des Paschas von Aegypten , dessen Einrichtungen er auf seiner Reise nach Mekka kennen gelernt, als einzi gen Kaufmann in seinen Staaten constituirt und den Ara bern untersagt, direct mit den Europäern zu handeln , Sie mussten ihre Waaren an den Ukil (Consul) Abd-el-Kaders für einen von ihm festgesetzten Preis verkaufen, welcher natürlich beim Absatz an die Europäer den Vortheil des Geschäfts aus erster Hand für seinen Herrn behielt. Diese Lähmung des Handels und der Mangel jeglicher Concur renz bewogen endlich einige französische Häuser sich mit einer Beschwerde an Desmichels zu wenden , von dem sie jedoch zur Antwort erhielten , dass ihre Klage jedenfalls auf einem Irrthum beruhe. Um dieselbe Zeit liess Abd- el Kader zwei Schiffe mit Getreide zu Arsew befrachten und verkaufte dasselbe nach Spanien. Hierdurch verstiess er gegen ein französisches Gesetz, welches jede Cerealienausfuhr aus den afrikanischen Be sitzungen verbot. Als diese Uebertretung dem General Voirol hinterbracht wurde , schrieb er sofort einen aller dings schonenden aber ziemlich eindringlichen Brief an Desmichels , in welchem eine Erklärung aller dieser unbe greiflichen Thatsachen gefordert wurde. Der General ent schuldigte sich mit der Unkenntniss genannten Ausfuhr verbots , versicherte jedoch wiederum , dass der Handel vollkommen frei sei und dass kein Monopol existire, wel ches den Emir zu seinen . Massnahmen gegen die Euro päer berechtige. Während so der General die Folgen der geringen Ue berlegung ertragen musste , mit der er die Abfassung des Tractates geleitet hatte, war auch der junge Emir auf dem Punkte das noch immer zerbrechliche Gebäude seiner Macht zusammenstürzen zu sehen.
188 Denn obgleich der Emir von dem Volke , aus dem er hervorgegangen war , förmlich angebetet wurde , so fehlte es ihm dennoch nicht , wie stets dem Verdienst und der Tugend , sobald ihnen das Glück lächelt , an Neidern. So wohnte in dem Scheliffthale Sidi-el-Aribi , das Haupt des gleichnamigen Stammes, der dem Emir den Vorwurf machte, gegen . die Gesetze des Koran mit den Christen unterhan delt zu haben, obgleich er selbst im Verhältniss zu Abd -el Kader , auf dessen Schultern die ganze Last des Krieges geruht hatte , einen nur verhältnissmässig kleinen Antheil an demselben genommen hatte. Ebenso gestand Musta pha-ben-Ismael, der Chef der Duer, ein früherer Agha aus der Zeit der Türkenherrschaft , ihm nur sehr ungern den Titel eines Sultan zu , in welche Würde ihn die Stimme des Volkes berufen hatte ; auch Kadur-ben -el-Morfi , der Chef der Bordscha , der an ein freies und vagabondirendes Leben gewöhnt war , sah nur mit Missvergnügen Ruhe und Frieden im Lande verbreitet. Alle diese Leute erwarteten mit Ungeduld eine Gele genheit, ihrer Missgunst freien Lauf zu lassen und eine Ursache hierzu liess nicht lange auf sich warten. Bald nach dem Abschlusse des Friedens verweigerten die Beni-Amer, einer der volkreichsten Stämme der ganzen Provinz , den vom Koran vorgeschriebenen Aschuar unter dem Vorwande , dass das Aufhören des Kriegszustandes die weitere Bezahlung dieser Abgabe unnöthig mache. Der Emir ertheilte sogleich den Smelas und einigen anderen Stämmen Befehl , sich bereit zu halten , auf das erste von ihm gegebene Zeichen gegen die Steuerverweigerer zu marschiren. Da es indessen eine hervorstechende Charakter eigenschaft Abd- el-Kaders war , nur da zu Gewaltmitteln seine Zuflucht zu nehmen , wo vernünftige Vorstellungen nicht mehr ausreichten , versuchte er die Sache im Wege der Unterhandlung auszugleichen. Als daher eines Tages einige Scheikhs der Beni-Amer in der Moschee zu Maskara vereinigt waren, bestieg er die Kanzel , welche für ihn zu einer Art Nationaltribune geworden war , und setzte in feuriger Rede die Verpflichtungen auseinander , welche
189 jedem Bürger des Staates zum Wohle des Ganzen oblä gen. Seine glänzende Beredsamkeit verfehlte diesmal nicht ihren Zweck; die Beni-Amer versprachen den Aschuar zu zahlen und thaten es in Wahrheit; aber die Smelas und andern kriegsbereiten Stämme, die durch ihre frühere Ver wendung zu Raubzügen und Razzias an ein thatenreiches Leben gewöhnt waren , hatten bereits die Feindseligkeiten eröffnet. Abd-el-Kader befahl ihnen sofort ihre Unterneh mungen einzustellen , aber schon war es zu spät ; denn jetzt warf ihr Chef Mustapha die bis dahin getragene Maske ab und pflanzte offen die Fahne der Empörung gegen den Emir auf. Abd-el-Kader zog ihm entgegen, aber in übergrossem Vertrauen auf seine Streitkräfte, liess er sich von Mustapha in der Nacht zum 12. April überfallen und erlitt eine voll Zwar that der Emir selbst Wunder ständige Niederlage. der Tapferkeit ; aber schliesslich ohne Pferd und beinahe ganz ohne Waffen , war er nahe daran getödtet oder ge fangen zu werden, als ihn einer seiner Verwandten Milud ben- Sidi-Butaleb , ein Mann von herkulischer Gestalt, auf sein Pferd hob und ihn dem Getümmel entführte. Allein und ohne Begleiter erreichte er Maskara , wohin ihn der Feind nicht zu verfolgen wagte. Mustapha war selbst erstaunt über den von ihm er rungenen Sieg und schrieb an den General Desmichels einen Brief, worin er ihm unter denselben Bedingungen wie Abd-el-Kader einen Vertrag anbot. Der General wies jedoch dieses Anerbieten nicht allein gänzlich von der Hand, sondern schrieb sogar an den Emir , versicherte ihn seiner fortdauernden Freundschaft und bat ihn , sich nicht durch einen einzigen Schicksalsschlag entmuthigen zu las sen. Zugleich war dieses Schreiben von einer Sendung von 400 Gewehren und einer sehr beträchtlichen Masse Pulver begleitet. Inzwischen hatte die Nachricht von der Niederlage Abd-el-Kaders noch mehrere andere Stämme bewogen, sich für die Insurrection zu erklären und sich mit Mustapha zu vereinigen z. B. Sidi- el-Aribi, Kadur-ben-el-Morfi und auch
190 El-Gomari , den Scheikh des Stammes Angad ; so dass der Emir nun gänzlich von Feinden umringt war , zumal als Sidi-Hamadi , der Kaid von Tlemsen , sich mit Mustapha ebenfalls in Unterhandlungen einliess und diese Stadt nahe daran war, ihren Abfall zu erklären. So viel Unglück auf einmal erschütterte für einen Au genblick die Seele Abd-el-Kaders ; aber sehr bald gewann die seinem Charakter eigenthümliche Energie wiederum die Oberhand. Die Umstände erforderten eine schnelle und kräftige Entscheidung , da Mustapha-ben- Ismael nach dem ihm von Desmichels gewordenen ungünstigen Bescheide entschlossen war, sich an General Voirol zu wenden. Abd- el-Kader musste fürchten, dass die Anerbietungen seines Rivalen gerade in dem jetzigen Zeitabschnitte , wo man noch über die ihm gemachten Zugeständnisse unzu frieden war, ein geneigtes Ohr finden möchten, besonders aus dem Grunde , weil hierdurch in der Provinz Oran eine ihn paralysirende Macht entstehen würde. Aehnliches dachte der General Desmichels, der unter solchen Umstän den für den von ihm geschaffenen Stand der Dinge fürch ten musste , an dem er mit einer gewissen Vorliebe hing. Er ermunterte daher den Emir beständig zum Beginn eines Eeldzuges und lagerte sich selbst bei Miserghin , um durch diese Demonstration die Bewegungen Mustaphas zu lähmen. Endlich entschloss sich Abd-el-Kader, die ihm treu ge
bliebenen Stämme zu vereinigen , verliess mit denselben Maskara und zog an die Ufer des Sig. Man glaubte allge mein, er werde sich sofort auf Mustapha werfen ; indessen machte er plötzlich eine Wendung nach Osten , griff den Stamm Bordscha an und brachte ihm eine gänzliche Nie derlage bei. Dann bemächtigte er sich des Fleckens El Bordsch und zwang in wenigen Tagen die ganze Umge gend sich zu unterwerfen. Nun wandte er sich gegen Mustapha. Die Nebenbuhler trafen sich am 12. Juli bei Zeitun in der Nähe von Tlemsen. Es bedurfte nur der von Abid-Bualem geführten Avantgarde des Emirs, um die Truppen Mustaphas, der selbst verwundet wurde , ausein
191 ander zu treiben. Besiegt , krank und beinahe von seiner ganzen Partei verlassen , blieb Ben-Ismael nichts weiter übrig, als die Gnade des Siegers anzuflehen, die ihm gross müthig gewährt wurde. Dieselbe Milde beobachtete der Emir gegen alle Re bellen, von denen ein Theil sich hinter die Mauern . Orans geflüchtet hatte, um die Vermittelung der Franzosen in Anspruch zu nehmen. Indessen hatten sie nur das Blut der im Kampfe Gefallenen zu beklagen , da kein Akt der Rache den Triumph des Emirs befleckte. Unmittelbar nach seinem Siege marschirte Abd- el-Kader auf Tlemsen ; mit ihm zusammen Ben- Nuna , der auf Ver mittelung des Kaisers von Marokko vom Emir zu Gnaden angenommen worden war. Dieser ehemalige Kaid genann ter Stadt wurde , da Sidi - Hamadi sich durch seine Treu losigkeit der ihm anvertrauten Stellung unwürdig gemacht hatte , wiederum in seine frühere Würde eingesetzt. Die Bewohner der Stadt nahmen Abd-el-Kader mit Enthusias mus und wahrhafter Begeisterung auf; indessen verwei gerten die Türken im Meschuar, ebenso wie bei der ersten Einnahme die Anerkennung der Autorität Abd-el-Kaders, obgleich sie ihm ein prächtig aufgezäumtes Pferd zum Ge schenke überbrachten. Abd-el-Kader, der die Beschämung hatte , die Widerspenstigen nicht zur Unterwerfung zwin gen zu können , erbat sich vom General Desmichels zwei Haubitzen , um mit deren Hülfe in den Besitz vom Me schuar zu gelangen. Indessen glaubte der Kommandant von Oran nicht die Vollmacht zur Erfüllung dieser Bitte zu haben , ohne dass er vorher die Genehmigung des Kriegsministers dazu eingeholt. Als dieselbe aber eintraf, hatte Abd- el-Kader bereits Tlemsen verlassen. Alle andern aufrührerischen Stämme kehrten Angesichts des Waffen glücks Abd-el-Kaders zu ihrer Pflicht zurück und wurden mit gleicher Milde und Nachsicht wie die übrigen behan delt. Nur Mustapha vermochte den Gedanken unter der Gewalt Abd- el-Kaders zu stehen , nicht zu ertragen und zog sich zu den Türken im Meschuar zurück, die ihn zu ihrem Anführer erwählten.
192 Noch immer war es der lebhafteste Wunsch des Ge neral Desmichels, dem Emir persönlich zu begegnen, theils aus Neugierde , theils um mit ihm wegen verschiedener, das Land betreffender Angelegenheiten Rücksprache zu nehmen. Der General hielt den jetzigen Augenblick für die Verwirklichung dieses Plans geeignet und schrieb des halb einen Brief an ihn , voll der schmeichelhaftesten Aus drücke. Abd-el-Kader lehnte jedoch das Ansuchen unter dem Vorwande ab, dass ihn höchst dringende Geschäfte zwängen, sofort nach Maskara zurückzukehren. Noch spä ter versuchte Desmichels mehrmals seine Absicht auszu führen, ohne jedoch jemals darin glücklicher zu sein. Indessen war es nicht etwa Verachtung oder Gering schätzung , welche sich in diesem Benehmen des Emirs aussprach , nur kluge Berechnung : Abd-el-Kader nämlich betrachtete sich als ein Fürst , zu welcher Würde ihn die Wahl des Volkes emporgehoben hatte , und die Sitte er. forderte es, dass er von Jedermann als solcher behandelt wurde. Hielt er nun bei einer Zusammenkunft mit dem französischen General nicht auf diese Etiquette, so sank er in den Augen seiner Umgebung ; beobachtete er dieselbe, so musste es nothwendiger Weise zwischen ihm und Des michels zu Missverhältnissen kommen. Dieser unangeneh men Alternative suchte der Emir aus dem Wege zu gehen und vermied deshalb jedes Zusammentreffen . Abd- el-Kader, der jetzt Herr war über den gesammten Gebirgstheil der Provinz Oran , welcher sich vom Ufer des Scheliff bis zur Grenze des Kaiserthums Marokko aus dehnt , spannte die Träume seines Ehrgeizes noch weiter aus und hoffte sich auch in den Besitz der Herrschaft von Algier und Titeri zu setzen. Um jedoch zuerst die Ansichten des General Voirol über diesen Punkt zu erfahren, schrieb er diesem , dass es ihm mit Hülfe des allmächtigen Gottes glücklich gelungen sei , alle seine Feinde zu überwältigen und dem ganzen westlichen Theile Algeriens den Frieden zu geben, so dass er nun daran denken könne, auch in den östlichen Gegen den Ruhe und Frieden herzustellen .
193 Dieser Brief wurde dem General en chef durch einen Vermittler, mit Namen Sidi- Ali- el-Kalati aus Milianah über bracht. Es war dies ein Mann aus einer alten angesehe nen Marabutfamilie , der sich der Herrschaft in genannter Stadt bemächtigt hatte und den Interessen Abd- el- Kaders eifrig ergeben war. Aus übel verstandenem Eifer für des sen Sache wandte er sich ebenfalls noch schriftlich an Voirol, pries die Macht und die vorzüglichen Eigenschaften des Emirs und sagte , er rechne es sich zum grossen Ver dienst, den Zorn desselben über die gegen die Hadschuten unternommene Expedition besänftigt zu haben. Ferner bat er General Voirol , falls sich die Hadschuten wiederum et was gegen die Franzosen zu Algier erlauben sollten , an statt sich selbst Genugthuung zu verschaffen , bei Abd - el Kader Klage zu führen , zu dessen Unterthanen genannter Stamm gehöre. Voirol antwortete in gebührender Weise auf diesen ebenso unpassenden wie unverschämten Brief. Was Abd- el Kader anbeträfe, schrieb er, so wünsche er ihm Glück die Ordnung in dem ihm unterworfenen Stamme hergestellt zu haben ; wenn derselbe im übrigen dächte, sich in diejeni gen Theile des Landes zu begeben, welche er mit den Stämmen des Ostens bezeichne, so verstände es sich von selbst, dass damit nur die Landstriche bis zum Scheliff gemeint seien, welchen Fluss das Gouvernement dem Emir als Grenze bezeichnet habe. Zwar spräche man öffentlich davon, des Emirs Absichten gingen noch weiter, doch halte er ihn für zu klug, einen Schritt zu thun, der seine Stel lung den Franzosen gegenüber gänzlich verändern müsste. Was im übrigen die Provinz Algier beträfe, so befände sich dieselbe ja in vollkommenstem Frieden, nachdem die letz ten Unruhen der Hadschuten unterdrückt worden seien. 1 Dieser Brief, der in seinen Ausdrücken ebenso fest und bestimmt wie gemässigt war, hemmte für einen Augenblick die Ansprüche Abd-el-Kaders ; aber unglücklicher Weise wurde sein massloser Ehrgeiz sehr bald noch weiter an gespornt und zwar durch Personen, welche vor allen Ue Heim, Kriege in Algier 1. Band. 13
194 " brigen zuerst die Verpflichtung hatten, demselben Zügel anzulegen. Sidi-Ali- el-Kalati, war über die Antwort des General Voirol höchst piquirt und wollte mit aller Gewalt eine Rolle in den politischen Intriguen des Augenblickes spielen. Er begab sich zu diesem Behufe nach Maskara und stellte dem Emir vor, von wie unendlichem Vortheile es sein würde, wenn es gelänge die beiden Generale gegen einander auf zuhetzen, indem man bei dem Einen die Vorliebe für ein von ihm selbst geschaffenes System noch verstärkte, wel chem sich der Andere, wenn es gewisse Grenzen über schritte, widersetzen würde. In Folge dessen mischte sich Sidi-Ali, der trotz der unverschämten Abfassung seines Brie fes an General Voirol, ein einnehmendes Wesen hatte, und ein Mensch von bedeutendem Verstande war, in die Ge sellschaft der zu Maskara befindlichen französischen Offiziere und machte ihnen eine ganze Reihe von vertraulichen Mit theilungen, die alle den Zweck hatten, sie zu überzeugen, dass der General Voirol ausserordentlich eifersüchtig auf den Frieden sei, welchen Desmichels mit Abd - el-Kader geschlos sen, und dass er alle möglichen Mittel ergreiffen würde, das künstlich zusammengefügte diplomatische Werk des Kommandanten von Oran zu zerstören. Nachdem es ihm gelungen war, die Officiere zu täuschen , schrieb er an Des michels einen langen Brief, in welchem alle diese Verleum dungen mit einem solchen Ueberflusse von Unwarheiten, Details und Annahmen auseinander gesetzt waren, dass es unbegreiflich bleibt, wie der General Desmichels sich durch solch ein Machwerk konnte dupiren lassen. Er kam zu der Ueberzeugung, dass die Vortrefflichkeit eines Systems, welches einen Rivalen zu solch einem Grade von Eifer sucht treiben könnte, unbezweifelt dastehen müsse und be. schloss dasselbe bis zu den äussersten Grenzen zu erweitern. Abd - el-Kader erklärte er, dass er ihn grösser machen wolle, als er es jemals zu wünschen gewagt hätte, und dass sein Reich sich künftighin von Marokko bis zu den Grenzen von Tunis erstrecken solle.
195 Als Abd-el-Kader diese Aeusserungen aus dem Munde des Officiers vernahm, der sie ihm im Auftrage des Gene rals überbrachte, spielte ein Lächeln um seine Züge, ohne Zweifel, weil er Mühe hatte sich von einem solchen Grade der Verblendung zu überzeugen. Die Zeit bis zur Realisirung der von Desmichels ver heissenen Versprechungen, beschäftigte sich Abd- el-Kader eifrigst mit der Verbesserung seines Militairwesens und der Administration des Landes. Er ernannte Kaids (Verwal tungsbeamte ) und Kadis ( Richter ) in allen denjenigen Stäm men, wo sie bis dahin gefehlt hatten, und theilte das ganze Land in fünf etwa gleichgrosse Distrikte, an deren Spitze ein Agha stand. Wenn indessen auch alle seine Handlun gen bewiesen, dass er bestrebt war die arabische Gesell schaft zu verbessern, so geschah dies dennoch, ohne dass er irgend etwas von europäischen Einrichtungen entlehnte. Vielleicht hatte ihm das häufige Zusammenkommen mit Europäern eine unvortheilhafte Vorstellung von unserer Civilisation gegeben ; vielleicht war es ein gewisser National stolz, der ihn davon abhielt, seinem Volke etwas aufzu dringen, was nicht aus ihm selbst hervorgegangen war. Ehe wir aber den Faden der Geschichte in den west lichen Theilen der Regentschaft weiter verfolgen, ist es nöthig, auf kurze Zeit Oran und Maskara zu verlassen und den Blick einen Augenblick auf Budschia zu lenken. Ge neral Trézels Nachfolger Duvivier verdankte seine Stellung dem festen Vertrauen, welches man in seine Energie und Kriegserfahrung setzte. Wenn es ihm aber aufgetragen war, Krieg zu führen, um Frieden zu erlangen, so löste er nur den ersten Theil seiner Aufgabe vollkommen ; den letztern herbeizuführen lag ausser dem Bereiche seiner Kräfte. Du vivier hatte sich für den Bau eines Blockhauses am Ein gange der Ebene entschieden und dasselbe sofort in An griff genommen. Während man noch daran arbeitete, fan den ** am 5ten Januar 1834 von Seiten der Eingeborenen lebhafte Störungen statt. Diese Angriffe wurden mit noch grösserer Energie am 6. wiederholt, ohne dass es dem Feinde gelang, Resultate zu erzielen ,
13 *
196 In der Nacht vom 17. zum 18. sammelten sich die Ka bylen in bedeutender Anzahl auf den vor den französi schen Posten gelegenen Hügelketten und griffen dieselben beim Beginn des Morgens an. Der Kampf wurde wie ge wöhnlich mit grosser Erbitterung bis 2 Uhr Nachmittags geführt, wo sich der Feind unter Mitnahme seiner Todten und Verwundeten zurückzog. Am 5. März erhielt Duvivier die Nachricht von einem grossartigen Angriffe, den die Kabylen beabsichtigten und beschloss demselben zuvorzukommen. Er rückte mit allen nur irgend disponibeln Truppen nach Klailná, einer dem Stamme Mezzaia gehörenden Ortschaft, die in geringer Ent fernung von Budschia gelegen ist. Duvivier fand dieselbe verlassen, da sich die Einwohner bei seiner Ankunft ge flüchtet hatten und brannte sie nieder. Nach kurzer Zeit aber erschienen die Kabylen von allen Seiten und stürz ten ihrer Gewohnheit gemäss mit fürhterlichem Geschrei auf die zurückkehrende Kolonne . Diese jedoch marschirte in Echelons und erreichte, da sie alle ihre Bewegungen mit bewunderungswürdiger Ruhe ausführte, Budschia, ohne erhebliche Verluste. Indessen machte Duvivier auch den Versuch den zweiten Theil seiner Aufgabe zu lösen und bediente sich dazu ei niger einflussreicher Juden, die zu Budschia wohnten und sich mit den Kabylen in Unterhandlungen einliessen. Als dieselben jedoch von keinem Erfolge waren, jagte er die Vermittler aus der Stadt und beraubte sich auf diese Weise etwas übereilt, einiger unter Umständen nutzbarer Zwi schenträger. Am 2. Juni erschien der Feind abermals in sehr be deutender Stärke vor den Mauern von Budschia und stellte sich hier in ziemlich regelmässiger Ordnung auf, so dass sich sein rechter Flügel an das Meer, sein linker an die Mühle von Demus lehnte. Duvivier hielt es bei der bedeutenden Uebermacht des Feindes nicht für gerathen, den angebotenen Kampf anzu nehmen und begnügte sich , von den Mauern der Stadt den Gegner zu beschiessen.
197
Gegen Ende des Jahres 1834 erhielt die Verwaltung der Regentschaft Algier eine neue Organisation. Das Kommando über die Armee und die oberste Ad ministration des Landes, das durch eine Königliche Ordon. nanz vom 22. Juli 1834 den Namen „, Französische Besitzun gen im Norden von Afrika “ erhielt, sollte künftighin durch einen Generalgouverneur verwaltet werden. Dieser Pos ten wurde dem General Voirol angetragen, der ihn ablehnte, worauf diese wichtige Stelle dem Grafen Drouet d'Erlon zufiel . *) Im Monat Dezember verliess Voirol Algier und kehrte nach Frankreich zurück. Seine Abreise war ein wahrer Triumphzug, alle Kaids der benachbarten Stämme hatten sich vereinigt, ihm ein letztes Lebewohl zuzurufen, bei nahe die gesammte Bevölkerung Algiers hatte sich am Ha fen eingefunden und bezeigte ihm die Trauer, die sie über seine Abreise empfand ; eine goldene Medaille wurde ihm als Zeichen der Dankbarkeit überreicht. Wagner sagt in seinem Werke über die Thätigkeit des Generals : Von allen den meist abgenützten Männern, welche seit 1839 die Angelegenheiten Algiers leiteten, war General Voirol der glücklichste Verwalter. An dem Miss griff des Friedensvertrages mit Abd-el- Kader trug er keine Schuld, sondern protestirte in Paris dagegen bis zum letz ten Augenblicke. In der Provinz Algier wusste er Frieden und Ruhe herzustellen. Zu keiner andern Zeit weder vor noch nach der Verwaltung Voirols wurden weniger Ver brechen verübt. Mit etwas mehr Energie wäre es ihm wohl gelungen, in den Städten des Innern, namentlich in Medeah und Miliana einheimische mit den Franzosen ver bündete Häuptlinge einzusetzen und dadurch eine Rivalmacht gegen den ehrgeizigen jungen Emir von Maskara zu grün den. Dass General Voirol dies unterlassen, war ein gros ser Fehler, der gleich dem Tractat des Generals Des michels die unseligsten Folgen hatte.
*) C. v. Decker. l'Algérie.
Dagegen war in
Algerien und Hatin. Histoire pittoresque de
198 Bezug
auf die
Organisation der
von
den
Franzosen
occupirten Landestheile das Wirken des Generals Voirol äusserst wohlthäthig und verdienstlich, und keiner sei ner Vorgänger oder Nachfolger kam ihm darin gleich. Der neue Generalgouverneur war ein Veteran der Kaiser zeit, dessen Energie und geistige Fähigkeiten durch Alter und die Strapazen des Feldlebens abgestumpft worden. Für den siebenzigjährigen Greis war es schwer sich in ei nem Lande zurecht zu finden, dessen verwickelte Zustände eines jungen, thatkräftigen Mannes bedurft hätten. In den ersten Monaten des neuen Gouvernements herrschte überall in der ganzen Regentschaft tiefste Ruhe und Frieden ; die Araber besuchten die Märkte in den von den französischen Truppen besetzten Orten und tauschten mit Vergnügen die Erzeugnisse ihres Bodens gegen klingen des Geld ein. So sehr indessen d'Erlon bemüht war, der Kolonie diesen Friedenszustand zu erhalten, auf beiden Seiten fanden sich Männer, welche dessen bereits müde, sehnlichst auf die Eröffnung der Feindseligkeiten warteten ; besonders war dies der Wunsch der französischen Officiere, welche sich Avancement, Orden und Auszeichnungen von den Strapazen eines Feldzuges versprachen. Eine der ersten Massregeln des neuen Gouverneurs war die Sendung von Truppen nach Buffarik zur Anlegung eines festen Lagers , welches seinem Stifter zu Ehren den Namen camp d'Erlon erhielt. Dieses Lager, in dessen Nähe der bedeutendste Markt der ganzen Metidscha abgehalten wurde, war von höchster Wichtigkeit und sehr bald ent stand hier der umfangreichste französische Waffenplatz der algierer Umgegend, in welchem sich in kurzer Zeit eine grosse Anzahl Häuser erhoben. Ausserdem ernannte der Graf d'Erlon einen Agha der Araber, wodurch der Zweck des arabischen Bureau's auf hörte, welches am 20. November 1835 aufgelöst wurde. Zu dieser Stelle wurde der Oberstlieutenant Marey er nannt, der zwar erst kurze Zeit in Algier lebte, aber sehr reich war, sehr bedeutende Connexionen in Paris hatte und ein ausserordentliches Wohlgefallen an der arabischen Klei
199 dung fand, in der er acht Monate lang ohne irgend welche Begleiter die Stammgebiete durchzog.
Um diese Zeit fiel im Sahel ein Viehdiebstahl vor, der allgemein den Hadschuten zugeschrieben wurde, die sich ausserdem noch einige unpassende Scherze mit französi schen Beamten erlaubt hatten. Mit Freuden ergriff man die Gelegenheit wiederum ei nige Kugeln mit den Beduinen zu wechseln, und eine aus vier Bataillonen , den Zuaven, den Chasseurs d'Afrique, den regulairen Spahis, vier Gebirgs- und zwei Feldgeschützen bestehende Kolonne brach am 5. Januar 1835 unter Gene ral Rapatel aus Algier auf. Die Hadschuten hatten jedoch von dem ihnen in vollem Frieden zugedachten Besuche Nachricht erhalten und sich mit ihren Weibern, Zelten und Heerden in das Dickicht des Waldes Khorasa geflüchtet. Rapatel, der nur einige Hütten zu verbrennen fand, kühlte seinen Zorn an einem dem Stamme Muzaia gehörigen und im kleinen Atlas gelegenen Flecken, dessen Bewohner sich ebenfalls an dem Viehdiebstahl betheiligt haben sollten. Von nun an begann der Krieg mit den Hadschuten, der bis zum Frieden an der Tafna beinahe ohne Unter brechung fortgedauert und den Franzosen erhebliche Opfer gekostet hat. Alle gegen sie unternommenen Streifzüge blieben mehr oder weniger ohne Erfolg und wenn auch den Bulletins des moniteur algérien zu Folge, im Laufe der Zeit mehr Hadschuten getödtet wurden, als der Stamm überhaupt Mitglieder zählte, so fanden wunderbarer Weise die Feindseligkeiten dennoch nach wie vor in gleicher Er bitterung und mit denselben Kampfmitteln statt. Ungefähr einen Monat nach der Hadschutenexpedition wollten dieselben die ihnen gemachte Visite erwidern. Sie fegten in einer Stärke von 150 Reitern mit Windeseile die Strasse von Dely- Ibrahim nach Duera hinunter und tödte ten und raubten Alles, was sie dort fanden. Ebenso grif fen sie gegen Ende März die mit den Lagerarbeiten bei Buffarik beschäftigten Truppen an, während zu gleicher
200 Zeit von ihnen eine Razzia gegen den mit den Franzosen verbündeten Stamm der Beni-Khelil unternommen wurde. Nachdem diese vollständig gelungen war, zogen sie sich an die Ufer der Schiffa zurück, wo sie ein kleines Lager hatten . Auf diese Nachricht brach noch in derselben Nacht der General Rapatel mit den regulären Spahis und den Chasseurs d'Afrique dorthin auf; jedoch hatten die Had schuten bereits die Gegend verlassen und ihren Raub in Sicherheit gebracht. Budschia war inzwischen noch immer der Zielpunkt der Angriffe aller umwohnenden Kabylenstämme, deren Anstrengungen jedoch an der Umsicht und Tapferkeit der unter Duviviers Kommando stehenden Truppen scheiterten. Endlich gelang es den Bemühungen d'Erlons , mit einem der bedeutendsten Scheiks einen Frieden zu schliessen, durch den die Stadt selbst und das umgrenzende Land den Fran zosen abgetreten wurde. Duvivier, der die politische Or ganisation der Kabylen vollständig kannte, erklärte einen derartigen Vertrag für ein Unding und bat, als man auf ihn nicht hörte, um seine Entlassung. Kaum war derselbe nach Frankreich zurückgekehrt, so bestätigte sich auch schon die von ihm gemachte Behauptung, indem Budschia nach wie vor den erbittersten Angriffen der Kabylen aus gesetzt war. Nachdem wir so in Kürze die in den Provinzen Bona und Algier stattgefundenen Ereignisse besprachen, nehmen wir den Faden des Berichts über die Provinz Oran wieder auf. Hier hatte man mit grosser Span nung der Ankunft d'Erlons entgegengesehen ; die Anhän ger der Politik des General Desmichels hofften unter dem neuen Gouvernement ein System triumphiren zu sehen, das sie der Kolonie für unbedingt vortheilhaft hielten ; die Geg ner desselben hofften auf Ereignisse, welche die Verwal tung über die unseligen Folgen dieses Systems aufklären würden. Die ersten Eindrücke, welche der General - Gou verneur emfing, waren der Sache Abd-el-Kaders sehr we nig günstig. Dem arabischen Bureau war es gelungen, sich in den Besitz einiger Briefe zu setzen, welche die ehr
201 geizigen und weitgreifenden Pläne des jungen Emir voll ständigst enthielten , so dass man fortan nimmermehr hof fen durfte, jenen als ein Werkzeug für französische Pläne benutzen zu können, wie dies Desmichels irrthümlich ge glaubt. Kaum hatte d'Erlon von diesem Schreiben Kennt niss erhalten, als Desmichels in Begleitung von Milud-ben Arasch in Algier eintraf, um die Absichten des neuen Gou verneurs zu sondiren. Dieser hatte noch ziemlich unklare Begriffe über die Angelegenheiten des Landes und so ver wischte sich zum Theil der Eindruck, den die Briefe her vorgerufen hatten, durch das persönliche Zusammensein mit dem Kommandanten von Oran und dem arabischen Abgesandten. Milud wurde mit grosser Auszeichnung be handelt und verliess Algier sehr befriedigt von dem Ausfall seiner Mission und mit ziemlich reichen Geschenken für seinen Herrn. Der General Desmichels konnte schon ei nen Augenblick glauben , dass sein System triumphirte ; aber noch bevor er vollständig damit durchgedrungen war, wurde er nach Oran zurück gerufen, wo die Cholera in heftigster Weise ausgebrochen war. Der Graf d'Erlon fiel nun in die Gewalt anderer Einflüsse, welche jedoch leider auch nicht die letzten geblieben sind, die seine Ideen und Hand lungen bestimmten. Durch die unklugen Anreizungen Desmichels sicher ge macht, hielt Abd -el- Kader den jetzigen Augenblick für günstig zur Realisirung der Vergrösserungs-Pläne, die wenige Mo nate vorher durch General Voirols Entschiedenheit gehemmt worden waren. Er schrieb deshalb an die Stämme der Pro vinzen Algier und Titeri und theilte ihnen seine bevorste hende Ankunft mit. Der Graf d'Erlon gerieth bei dieser Nachricht in eine gewaltige Aufregung. Er schrieb sogleich ebenfalls an alle Stämme und theilte ihnen mit, dass wenn Abd-el-Kader seinen Plan zur Ausführung brächte, er ihn und alle diejenigen, welche ihn darin unterstüzten , als Feinde Frankreichs betrachte. Zugleich warnte der General den Emir, sich vor dem Ueberschreiten des Scheliff, wie der Ufer des Fedda zu hüten, wenn er sich nicht unangenehmen Kollisionen aussetzen wolle.
202 Abd-el-Kader kam diese drohende Ermahnung gänzlich unerwartet ; er würde wahrscheinlich in seinem Aerger gar keine Rücksicht darauf genommen haben, wenn nicht grade die Cholera unter den ihm untergebenen Stämmen furcht bare Verwüstungen angerichtet hätte. Während der er zwungenen Unthätigkeit hatte er Zeit, sein Verhältniss zu Drouet d'Erlon zu analysiren und kam zu der Ueberzeugung, dass er vorsichtig verfahren müsse, um den gegen ihn ar beitenden Einflüssen gewachsen zu sein . Zu diesem Zwecke beschloss er, einen Chargé d'Affaires in Algier zu stationi ren und zwar fiel seine Wahl zu diesem delicaten Posten auf den algierischen Juden Durand, einen aufgeweckten, gewandten und verschmitzten Menschen, der seine Erziehung in Europa genossen und mehrere Sprachen, besonders das Französische, mit ausserordentlicher Leichtigkeit sprach. Zu der Zeit , wo dieser Mann beim Grafen d'Erlon accreditirt wurde, erhoben einige französische Kaufleute laut Beschwerde über das von Abd-el-Kader, wie man glaubte, gegen den Tractat in Anwendung gebrachte Handelsmono pol. D'Erlon forderte von Durand hierüber Aufklärungen ; aber wie gross war sein Erstaunen, als ihm der Jude den ganzen Vertrag, so wie er früher mitgetheilt ist, vorlegte. Die Unkenntniss, in der man den Gouverneur über einen so wichtigen Gegenstand gelassen, musste auf Desmichels ein höchst ungünstiges Licht werfen, dessen sofortige Ab lösung auch von D'Erlon beim Kriegsminister beantragt wurde. Bis zum Eintreffen der Entscheidung übernahm der General Trézel, der bisherige Chef des Generalstabes , das Kommando zu Oran. Kurze Zeit , ehe diese Enthüllung stattfand , hatte Ge neral Desmichels in der Furcht , dass sein Benehmen end lich an den Tag kommen müsse, durch einen anderen Vertrag den zu ersetzen versucht , dessen mysteriöse Existenz bereits so vielfache Reclamationen veranlasst hatte. Zu diesem Zwecke schickte er einen seiner Offiziere zum Emir, um ihm die Abtretung von Mostaganem und einige andere Vortheile unter der Bedingung anzubieten, dass er
203 auf das Handelsmonopol verzichte und sich bereit erkläre, den Franzosen einen unbedeutenden Tribut zu zahlen. Im entgegengesetzten Falle werde er sich einem aber
maligen Bruch mit Frankreich aussetzen , da nicht allein der Generalgouverneur , sondern auch eine grosse und ein Abd-el-Kader er flussreiche Partei den Krieg wünsche. theilte auf diese Propositionen die würdige Antwort, dass er sich an den ersten Vertrag halte und wenn die Fran zosen beabsichtigten , gegen alles Recht und Gerechtigkeit den Krieg von Neuem zu beginnen, so sei er jederzeit be reit, den Fehdehandschuh aufzunehmen. Indessen fürchtete der Emir trotz des zuversichtlichen und bestimmten Tones seiner Entgegnung einen Krieg, dessen Unruhen nothwendiger Weise die neugeschaffenen 1 Verhältnisse seines Staates von Grund auf erschüttern mussten. Auch Desmichels Zurückberufung beunruhigte ihn , da er nun einen Wechsel der seit sechs Monaten ihm H gegenüber verfolgten Politik vorhersah. Unterdessen wandte der Jude Durand zu Algier alle seine Geschicklichkeit an, das Ungewitter abzuwehren und den Gouverneur zu den Irrungen einer Politik zurückzu führen, welche er kurz zuvor öffentlich verurtheilt hatte. Die Umstände begünstigten in wunderbarer Weise die diplomatische Gewandtheit des Chargé d'Affaires . Es ist bereits oben gesagt, dass der Graf d'Erlon gedroht hatte, alle Stämme der Provinzen Algier und Titeri, welche nur im entferntesten die ehrgeizigen Pläne Abd-el-Kaders be begünstigten , als Feinde anzusehen. Hierauf antworteten die Bewohner Medeahs mit einem sehr vernünftigen und durchdachten Briefe, in welchem sie sagten, dass wenn sie jemals die Ankunft von Mahiddins Sohn gewünscht hätten , dies in der Hoffnung geschehen sei, er werde die Provinz aus der Anarchie, in der sie seit vier Jahren geschmachtet, erretten ; mehrmals hätten sie sich aus gleichem Grunde an die Franzosen gewendet , ohne dass dieselben es für der Mühe werth gehalten, ihnen hülfreiche Hand zu leisten; umsomehr müsste es sie befremden , wenn jetzt dieselben Franzosen es ihnen verargten , dass sie auf anderem Wege
204 eine Hülfe suchten , die von ihnen so entschieden zurück gewiesen sei. Diese klare Darlegung der Umstände musste natürlich Eindruck machen und der Generalgouverneur sah das Treffende des Vorwurfs ein. Er beschloss deshalb eine Regierung zu Titeri einzusetzen. Anstatt aber die Sache da wiederum aufzunehmen, wohin sie durch General Voirol gebracht war , wandte er sein Augenmerk auf den Kaid Ibrahim , der bekanntermassen beim General Desmichels in Sein Plan war ein Corps von Ungnade gestanden hatte. etwa 500 türkischen oder eingeborenen Truppen zu orga nisiren und den Kaid an der Spitze dieser kleinen Truppe in Medeah zu installiren . Da dieses Projekt jedoch nicht die Genehmigung des Ministers erhielt , so glaubte d'Erlon keine Mittel mehr zu haben , um den ehrgeizigen Plänen Abd-el-Kaders Widerstand zu leisten, und entschlossen für die Zukunft die Folgen seiner Handlungsweise zu über nehmen , warf er sich gänzlich in die Arme Ben-Durands. Auf diese Weise gerieth der General Trézel , der nach Oran geschickt war , um dort ein dem vom General Des michels befolgten Systeme entgegengesetztes zur Anwen dung zu bringen , in die wunderbare Lage, im Widerspruche mit demjenigen zu stehen, der ihn zu diesem Zwecke hier her geschickt hatte. Inzwischen versäumte Abd- el-Kader , der durch Durand über Alles , was zu Algier passirte, unterrichtet war, Nichts, wodurch er hoffen konnte , sich dem General d'Er lon angenehm zu machen. Alle Franzosen, welche in sei nen Staaten reisten , wurden auf das beste aufgenommen und waren seines sicheren Schutzes gewiss . Durch das Verführerische und Einnehmende , das in seinem Wesen und seinen Manieren lag , wusste er die zuweilen an ihn abgesandten Generalstabsoffiziere so vollkommen zu fesseln, dass man bald in Algier sich nur noch von Abd - el- Kader unterhielt , und dass selbst diejenigen , welche die Verir rungen einer falschen Politik beklagten, nur mit Bewun derung von seinen grossartigen Eigenschaften sprachen . Während aber so sein Ruf von Tage zu Tage zunahm und
205 sein Name selbst über das Meer getragen wurde und in den entferntesten Theilen Europas widerhallte , war seine Macht neuen Erschütterungen ausgesetzt. Sidi-el-Aribi hatte nämlich trotz seiner erzwungenen Unterwerfung die Conspiration gegen den Emir fortgesetzt. Briefe, die seine Schuld unabweislich documentirten, waren aufgegriffen worden und hatten die Zusammensetzung eines Raths von Kadis und Ulemas zur Folge gehabt , durch den der Verräther zum Tode verurtheilt wurde. War es nun angeborner Edelmuth oder vielleicht Furcht , den Hass einer mächtigen Familie zu reizen , Abd -el-Kader liess den Urtheilsspruch nicht ausführen, sondern setzte Sidi- el-Aribi in's Gefängniss , wo er kurze Zeit darauf an der Cholera starb . Die Söhne glaubten indessen nicht an den natür lichen Tod ihres Vaters , griffen zu den Waffen und bald gelang es ihnen , die Empörung unter fast allen Stämmen am Scheliff zu verbreiten . Kaum hatte Mustapha-ben - Ismael, dieser unversöhnliche Feind Abd -el-Kaders hiervon Nachricht erhalten, so liess er ebenfalls vom Meschuar von Tlemsen aus , wohin er sich zurückgezogen , seine Stimme vernehmen und dem General Trézel Anerbietungen machen , auf die einzugehen dessen Instructionen nicht erlaubten. Eifersucht und ein unver söhnlicher erbitterter Hass waren die Triebfedern für Mustaphas Handlungen, während der blindeste Fanatismus die Stämme leitete, welche dem Aufrufe Sidi-el-Aribis ge folgt waren. Während Mustapha eine Stütze für seine Insurrection bei den Franzosen suchte , eilten die Stämme des Ostens, welche Abd-el-Kader seine Verbindung mit den Christen zum Vorwurf machten, ebenfalls zu den Waffen. Selbst der Bruder des Emir, der ehemalige Kaid von Flita, der seinen Posten aufgegeben hatte, um sich, wie er sagte, ungestört einem beschaulichen Lebenswandel hinzugeben, hatte sich mit den Empörern vereinigt und reizte sie ge gen denjenigen auf, der der Stolz seiner Familie und der Ruhm seines Stammes war. In kurzer Zeit hatte sich eine beträchtliche Streitmacht vereinigt, auch Mussa, der Scherif
206 der Wüste , eilte mit bedeutenden Truppenmassen herbei, um die Franzosen und ihre Anhänger , an deren Spitze Abd-el - Kader stände , aus dem Lande zu jagen. Mit ihm kamen jene von den Türken mit dem Namen Darkui be zeichneten Wüstenstämme, welche zu verschiedenen Zeiten das Reich der Beys zittern gemacht. Abd- el-Kader sah ruhigen Muths den Sturm heran ziehen. Am 12. März 1835 verliess er Maskara und warf sich mit solcher Gewalt und so enormer Schnelligkeit auf die Söhne Sidi-el-Aribis , dass diese ohne Schwertstreich überwältigt und zur Unterwerfung gezwungen wurden. Als man sie ihm vorführte, behandelte er sie mit Güte und Auszeichnung und sagte ihnen , dass der Tod ihres Vaters ihn ihr Verbrechen vergessen lasse. Um aber seiner Güte die Krone aufzusetzen, ernannte er den ältesten von ihnen zum Kaid seines Stammes. Darauf trat er den Weg nach der Scheliffbrücke an. Die Sbiahs wollten sich diesem Unternehmen widersetzen , wurden aber ebenfalls geschla gen und gezwungen seine Güte in Anspruch zu nehmen. Als er seinen Marsch fortsetzend an den Scheliff gekom men war, dessen Ueberschreiten ihm von dem französischen Gouvernement untersagt worden , zögerte er einen Augen blick, in dem Gedanken, dass von dem Ueberschreiten die ses Rubicons seine ganze politische Zukunft abhängen könnte. Da er jedoch den General Trézel von seinem Vor haben , nach Milianah zu gehen , in Kenntniss gesetzt, glaubte er Alles wagen zu dürfen. Nachdem er gehört hatte , dass Mussa in Medeah eingezogen sei , verfolgte er auf sein Glück bauend seinen Weg und wurde in Milianah von dem Volke mit wahnsinnigem Jubel empfangen . Der Exagha des Generals Berthezène El-Hadschi-Mahiddin -El Sghir und Mohammed- el-Barkanni, der Ex-Kaid von Scher schel, welche durch die Verhältnisse zu Feinden der Fran zosen gemacht worden waren, boten dem Emir ihre Dienste an, der keinen Grund hatte , dieselben abzulehnen. Mit ihnen vereinigt, zog er Mussa entgegen und traf denselben bei Hausch-Amura , im Stammgebiete der Sumata. Einige Feldstücke , die im Besitze Abd-el-Kaders waren, entschie
207 den Mussas Niederlage. Die Bagage desselben und seine Weiber, die ihn auf diesem Kriegszuge begleitet hatten , fielen in die Hände des Siegers . Mussa musste in die Wüste zurückfliehen , wohin ihm der Emir die gefangen genommenen Weiber , die sich einer edlen und anständi gen Behandlung zu erfreuen gehabt hatten , nachschickte. Zu Medeah fand Abd- el -Kader einen eben solchen Empfang wie zu Milianah und ernannte Mohammed-ben-Aissa- el Bárkanni zum Bey von Titeri. Inzwischen war der Graf d'Erlon durch alle diese Er eignisse in eine höchst schwierige Lage versetzt worden. Er hatte sich vorgenommen , nur nach den von Paris kommenden Instructionen zu handeln und doch erinnerte er sich andererseits der Drohungen , durch die er Abd- el Kader vom Ueberschreiten des Scheliff abzuhalten gesucht hatte ; dazu kam , dass General Trézel aus Oran an ihn schrieb und die Erlaubniss nachsuchte, gegen Maskara zu marschiren , um den Emir zu zwingen, innerhalb das Ge biet derjenigen Grenzen zurückzukehren , welche ihm durch den General Voirol und den jetzigen Gouverneur gesetzt seien. Aber d'Erlon war viel zu sehr durch den Einfluss Durands gefesselt, als dass er zu selbstständigen Entschlies sungen fähig gewesen wäre, und entschied sich nach eini gem Zögern dafür , Abd-el-Kader nachzugeben und keine Entscheidung durch die Waffen herbeizuführen. Der Jude Durand machte sich anheischig , den Schein zu retten, nicht in den Augen der Araber , denn dies war unmöglich ; aber dem europäischen Publikum gegenüber, welches sich freilich auch nicht täuschen liess. Zu diesem Behufe verbreitete man das Gerücht , der Emir habe in Uebereinstimmung mit dem Gouvernement gehandelt, das, um die Täuschung zu vervollständigen, die Erlaubniss nach suchte, einen Generalstabsoffizier zu Abd-el-Kader senden zu dürfen, der mit ihm über einige Angelegenheiten unter handeln und ihm Geschenke überbringen sollte. Bei Em pfang dieses Briefes konnte Abd- el-Kader nicht umhin, sich über die ausserordentliche Geschicklichkeit seines Chargé d'Affaires und zugleich über die Einfalt des französischen
208 Gouverneurs Glück zu wünschen, der wahrscheinlich nicht bedacht hatte, welche traurigen Folgen dieser Schritt ha ben konnte. In seiner Antwort versicherte er dem Gene ral d'Erlon , dass der Gesandte wie die Geschenke gut aufgenommen werden sollten und um schliesslich die De müthigung vollständig zu machen, beauftragte er die Had schuten, ihm den betreffenden Offizier zuzuführen . Dieser Volksstamm , mit dem die Franzosen einen ungerechten, wenn auch erfolglosen Krieg unternommen hatten , entle digte sich mit einem gewissen Stolze des Auftrages Abd-el-Kaders. Der französische Gesandte erschien beim Emir ohne Dolmetscher, nur begleitet von dem Juden Du rand, wodurch auf das evidenteste dargethan wurde , dass der einzige Zweck der Sendung darin bestand, dem Emir einige schmeichlerische Worte zu sagen und ihm Geschenke zu Füssen zu legen , die derselbe mit Recht als Zeichen der Unterwerfung hinnahm . In der That musste der Emir denken und dachte es in Wirklichkeit , dass die Franzosen auf jedes Colonisationsproject Verzicht geleistet hätten und sich nur einige Handelsplätze unter dem Schutze desjeni gen vorzubehalten wünschten , den sie mit so grosser Be reitwilligkeit als Souverain anerkannten. Er glaubte des halb auch die Aufhebung eines Embargos fordern zu können . das man auf zweihundert von ihm in Frankreich bestellte Gewehre in dem Augenblicke gelegt hatte, als d'Erlon nahe daran gewesen war , dem Emir den Krieg zu erklären . Ebenso bat er um einige hundert Centner Pulver. Alles dieses wurde ihm mit grosser Bereitwilligkeit versprochen. Nachdem Abd- el-Kader noch El- Hadschi- Mahiddin als Bey von Milianah , einen Kaid unter den Hadschuten und einen andern im Namen der Beni- Khelil proclamirt hatte, kehrte er nach dem Scheliff zurück, stets begleitet von dem französischen Abgesandten, der nur gekommen zu sein schien, um Zeuge seiner Triumphe zu sein. Während der Emir noch an dem rechten Ufer dieses Flusses lagerte , wurden zwei seiner Offiziere auf dem Stammgebiete der Flitas ermordet. Den Tod derselben zu rächen, zog Abd-el-Kader, ehe er nach Maskara zurückkehrte
209 gegen diesen Stamm , und legte demselben, da es ihm nicht gelang die Mörder ausfindig zu machen , eine Strafe von 150,000 Budschus (etwa 250,000 Franks) auf, von denen ein Theil zur Unterstützung der Familien der Ermorde ten verwandt wurde , während der Rest dem Schatze des Emirs zufloss. Dieses Beispiel schneller und unnachsichti ger Justiz trug nicht wenig dazu bei, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen . Räubereien hörten gänzlich auf, weil jeder Stamm mit grosser Aufmerksamkeit die hierzu fähi gen Individuen überwachte. Die Strassen wurden so sicher, dass nach einem arabischen Sprüchworte , ein Kind mit einer goldenen Krone ohne Gefahr das Land nach allen Richtungen hin durchstreifen konnte. Doch Abd-el-Kaders thätiger Geist ruhte keinen Au genblick und kaum war der Krieg beendet , so unterwarf er die Uebelstände der Verwaltung einer näheren Unter suchung. Von dem Grundsatze ausgehend , dass die bis dahin üblichen Geschenke der Kadis der Pflege der Ge richtsbarkeit nachtheilig wären, verbot er dieselben und setzte jenen zur Entschädigung von Staatswegen ein be stimmtes Gehalt aus. Ein anderer Befehl hob die Todes strafe für den Ehebruch auf, jedoch stellte er es dem Gat 3 ten frei , das in flagranti ertappte Weib zu tödten. Das Genie dieses ausserordentlichen Mannes umfasste Alles und musste selbst bis in die kleinsten Details eindringen , da die mittelmässigen Menschen seiner Umgebung ihm wenig oder gar keine Unterstützung boten. Er hatte ein Regi ment stehender Infanterie errichtet und einige Kompag nieen Kanoniere (Topschis), die er häufig manövriren liess. Waffenarbeiter wurden durch ihn nach Maskara gezogen, welche nach französischen Modellen brauchbare Gewehre anfertigten. Selbst Pulver liess er fabriciren, was indessen beim Mangel aller Apparate lange Zeit erforderte. Zwar hatte ihm ein deutscher Deserteur durch die Construction einer Pulvermühle grosse Freude verursacht , aber die Zeit gestattete nicht die Ausführung derselben im Grossen. End lich soll der Emir sogar in seinen Träumen von einer ara bischen Monarchie daran gedacht haben , eine Flotte zu IIcim , Kriege in Algier 1. Band. 14
210 erbauen und dieselbe zu Raschgun und Tenez zu statio niren, welche letztere Stadt seit der Expedition nach Me Ideah seine Autorität anerkannt hatte. Auch die Finanzen zogen die Aufmerksamkeit des Emirs auf sich . Alle Stämme bezahlten ihn den durch den Koran vorgeschriebenen Aschuar , die einzige Steuer, zu deren Erhebung er sich berechtigt glaubte. Um jedoch seine Einkünfte zu vermehren, liess er eine genaue Unter suchung anstellen , welche Güter früher zu dem ehemali gen Beylick gehört hätten und dieselben auf Rechnung des Staats verwalten. Er erhob sogar Ansprüche auf solche, die zum Stadtbezirk von Oran gehörten , wurde aber vom General Trézel damit auf das entschiedenste zurückgewie sen. Ueber den Handel hatte Abd-el -Kader wie alle Fürs ten des Orients sehr falsche Begriffe und indem er in der Beibehaltung des Monopols eine unversiegbare Quelle des Reichthums erblickte , nahm er sich vor, demselben unbe kümmert um das französische Gouvernement eine immer weitere Ausdehnung zu geben. Der Jude Durand erhielt für seine grossen Verdienste das ausschliessliche Handels monopol in Arsew und Raschgun und der Emir verkaufte an ihn das als Aschuar eingelieferte Getreide. Wegen des Handels von Tenez stand er mit einem französischen Kauf mann in Unterhandlungen , mit dem er sich jedoch nicht über die Bedingungen einigen konnte. Was das Leben Abd -el-Kaders als Privatmann anbe trifft, so giebt Dinesen darüber folgende Aufschlüsse : ,,Im Privatleben hält man den Emir für ökonomisch bis zum Geiz , aber als Fürst zeigt er sich stets freigebig. Er kleidet sich äusserst einfach und ohne allen Schmuck Das einzige, oder ein Zeichen seiner hohen Würde. worauf er einigen Luxus verwendet , sind Pferde und Waffen. Früher trug er einen Burnuss mit goldenen Quasten, welche er bei folgender Gelegenheit abschnitt. Einer seiner Schwäger , den er zum Kaid über einen zahl reichen Stamm ernannt hatte, umgab sich mit einer Pracht, Welche Missvergnügen erregte. Er liess ihn rufen und stellte ihn deshalb zur Rede , indem er sagte : „ Nimm ein
211 Beispiel an mir ; ich bin reicher und mächtiger als du und siehe einmal, wie ich gekleidet gehe. Selbst diese elenden Goldquasten, die du hier an meinem Burnuss siehst , will ich nicht behalten." Wenn Abd-el-Kader in seiner Haupt stadt ist, bringt er bei seiner Frau und seinen Kindern die Zeit zu, die ihm von den Geschäften übrig bleibt. Er be wohnt ein sehr schönes Haus, wo er ohne Wache wie ein Privatmann lebt. Jeden Morgen, ganz frühe , begiebt er sich in den Pallast des Beylik ; dort ist er rastlos thätig in der Administration des Landes und giebt Audienzen . Des Abends geht er in seine Wohnung zurück und findet in einer geliebten Familie den Lohn für seine Arbeit. " ,, Abd- el-Kader liebt die Studien und opfert ihnen einen Theil der wenigen Augenblicke , welche sein bewegtes, thätiges Leben ihm übrig lässt. Er hat eine kleine Bi bliothek , die ihm auf allen seinen Zügen nachfolgt. Im Felde ist seine Lebensweise weit fürstlicher als in der Stadt. Er bewohnt dann ein prächtiges, sehr bequem ein gerichtetes Zelt. In demselben befindet sich ein kleiner abgeschlossener Raum , wo er Audienzen giebt und arbeitet. Wenn die Umstände keine kriegerischen Operationen erhei schen , bringt er seine Zeit im Lager auf folgende Weise zu : Bei der Ankunft in seinem Zelt nach dem Tages marsche, behält er nur einen Diener bei sich und wendet einige Minuten zu seiner Toilette an. Darauf lässt er seine Secretaire rufen und nach und nach seine vornehmsten Offiziere und arbeitet mit ihnen bis um 4 Uhr, wo er sich vor dem Eingange des Zeltes zeigt und öffentliches Gebet hält ; er predigt hier ungefähr eine halbe Stunde , indem er einen Text wählt, aus welchem er die Ideen von Krieg und Politik entwickeln kann , denen er beim Heere Ein gang zu verschaffen wünscht. Uebrigens ist Niemand ge zwungen bei diesen Predigten gegenwärtig zu sein. Gleich nachher setzt er sich zu Tisch ; er speist mit seinem ersten Secretair und Vertrauten Ben -Arasch , mit seinen Brüdern , wenn sie bei der Armee sind und gewöhnlich mit einem seiner Agas. Er gebraucht keine Art von Taback und trinkt fast gar keinen Kaffee . Abd-el-Kader ist rein 14*
212 und streng von Sitten , und ohne Fanatiker zu sein , hat er einen sehr festen , religiösen Glauben. Er scheut es nicht , religiöse Materien mit den Christen abzuhandeln und thut es dann ohne Bitterkeit und mit Höflichkeit. Seine moralischen Prinzipien haben einen guten Grund, er hält sein Versprechen unverbrüchlich , aber in Unterhand lungen ist er ein sehr feiner und schlauer Diplomat. Nichts liegt weniger in seinem Charakter als Grausamkeit ; er wird selten heftig und weiss immer die Herrschaft über sich selbst zu bewahren. Milde und Gerechtigkeit, gestützt auf die genaueste Aufrechthaltung der Gesetze , sind die Hauptzüge seines Regierungssystems ." Das Glück, das bis dahin , alle Unternehmungen Abd - el Kaders begleitet , und die übertriebene Vorstellung , die er sich in Folge dessen von seiner Kraft und seinen Mitteln gemacht hatte , reizte ihn zum Uebermuth gegen Frank reich, das augenblicklich durch einen Mann repräsentirt war, dem Thatkraft und Energie fehlte . In Folge dessen nahmen die diplomatischen Aeusserungen desselben dem französischen Gouvernement gegenüber seit seiner Rück kehr nach Maskara mehr als je zuvor den Ausdruck der Hoheit und des Stolzes an. Als z. B. der Generalgouver neur in den ersten Tagen des Juni 1835 sich nach Oran begeben wollte, schrieb der Emir an ihn und schätzte sich glücklich, ihn in seinem „ Königreiche" aufzunehmen. Fer ner verlangte er durch Ben-Arasch eine Kanone und zwei Haubitzen zur Einnahme des Meschuar von Tlemsen ; zu gleich aber liess er durch denselben Unterhändler sehr ein dringliche Vorstellungen über die Art und Weise machen, in der der Oberstlieutenant Marey die Araber in der Me tidscha behandele. D'Erlon liess sich diesen Uebermuth ge fallen und war schwach genug, das Versprechen zu geben, er wolle den ihm ertheilten Verweis in Erwägung ziehen . Auch in Bezug auf die Geschütze war er sehr geneigt, der Forderung Abd-el-Kaders nachzukommen , wovon ihn nur die energischsten Vorstellungen Trézels zurückzuhalten Ben-Arasch hatte ausserdem noch den Auf vermochten. trag, einige Vorschläge zu einem noch regelmässiger abge-.
213 fassten Traktate zu überbringen , durch welchen die An massungen des Emirs sanctionirt und seine Unabhängig keit noch bestimmter , wie in dem jetzt bestehenden Ver trage anerkannnt werden sollte. Auch hierauf einzugehen verspürte d'Erlon nicht wenig Lust ; indessen begann ihm bereits die fortwährende ener gische Opposition Trézels so lästig zu werden, dass er die Untersuchung der Bedingungen auf eine gelegenere Zeit verschob. Während der Emir nach Milianah marschirte, hatte der General Trézel, in der bestimmten Voraussicht, dass die Gebietsverletzung einen Bruch mit Frankreich her- beiführen werde , Abd -el- Kader Hindernisse in den Weg zu legen versucht und sich bemüht, die Stämme der Duer und Smelas, in denen noch immer etwas Revolutionsgeist wucherte, auf seine Seite herüberzuziehen . Es war ihm gelungen , mehrere Duars derselben zu der Erklärung zu bewegen, sie seien bereit , sich der französischen Herr schaft zu unterwerfen, unter der Bedingung , dass sie eines nachdrücklichen Schutzes gewärtig sein könnten . Aber der Graf d'Erlon , der den Entschluss gefasst zu haben schien , Abd-el-Kader in der Ausführung seiner Pläne nicht zu stören, verweigerte die Sanction dieses Uebereinkommens Der Emir , welcher seinerseits ganz genau von allem ihn Bezüglichen , selbst von dem , was in den geheimsten Be rathungen des Gouverneurs besprochen wurde, unterrichtet war, hatte auch von dem Plane Trézels Kenntniss und be schloss demselben entgegenzutreten. Er befahl deshalb den in der Umgegend von Oran wohnenden Smelas und Duern diesen Platz zu räumen und sich in der Nähe des Gebirges niederzulassen. Um zugleich diesem Befehle Nach druck zu geben , beauftragte er seinen Agha El-Mzari im Falle der Weigerung zu Gewaltmitteln seine Zuflucht zu nehmen. Die auf diese Weise bedrohten Stämme schickten auf der Stelle Abgesandte an Trézel und baten um den Schutz Frankreichs. Ohne Zögern brach der General am 14. Juni mit einem Theile der disponiblen Truppen aus Oran auf und lagerte sich bei Miserghin , indem er den Arabern erklärte , er sei zu ihrem Schutze herbeigeeilt.
214 Zu dem in der Nähe von Bridiah befindlichen El-Mzari schickte er einen seiner Adjutanten in Begleitung einer Escadron Chasseurs , welcher den Agha zur Aufgabe sei Dieser hatte bereits ange nes Planes auffordern sollte. fangen, die von Abd-el-Kader erhaltenen Befehle mit aller Strenge zur Ausführung zu bringen . Ja sogar sein eigener Neffe Ismael-ben -Kadi , der gewagt hatte , Widerstand zu leisten , wurde festgenommen und in Ketten gesetzt. So bald sich aber der französische Offizier näherte , liess El Mzari seine Beute fahren und zog sich zurück. Die der französischen Partei ergebenen Duer und Smelaer vereinig ten sich unter ihren Oberhäuptern Abda-Ben-Othmann und Ismael-ben-Kadi mit Trézel ; der andere ziemlich zahlreiche Theil, der durch die vom Emir bei Gelegenheit der ersten Revolte bewiesene Milde und seinen Edelmuth für diesen gewonnen war , wollte demselben auch jetzt treu bleiben und zog mit El-Mzari nach den Gegenden am Salzsee. Die Trennung fand schweigend und ohne irgend einen Akt der Feindseligkeit statt ; ein Jeder ging auf die Seite , welche ihm die beste schien, ohne seine Nachbarn zu fragen, was er thun würde. Am 16. Juni nahm Trézel seine Stellung bei den Fei genbäumen, von wo aus er die ganze Gegend der Abd-el Kader feindlich gesonnenen Stämme decken konnte. Hier wurde zwischen den Duern und Smelaern und den Fran zosen ein Vertrag abgeschlossen, in welchem sie sich ver pflichteten, ganz in den Dienst Frankreichs überzutreten unter der Bedingung, dass sie des Schutzes desselben ge wiss sein könnten. Nachdem Trézel am 19. noch zwei Meilen weiter vorgegangen war, lagerte er sich an den Ufern des kleinen Flüsschens Tlelat und übersandte dem Emir die Erklärung, dass die Franzosen in dieser Stellung verbleiben würden, bis er jedem Souverainitätsrecht über die Duer und Smelaer entsagt hätte. Gleichzeitig schrieb derselbe nach Algier, um den Gouverneur von seinen Schrit ten in Kenntniss zu setzen und zugleich die Bitte auszu sprechen, man möge ihm, im Falle dieselben nicht Aner kennung fänden, einen Nachfolger bestimmen, da er unter
215 solchen Umständen die Beibehaltung seines Kommandos für unvereinbar mit der Ehre Frankreichs hielte. Abd- el Kader beantwortete das ihm gestellte Ansinnen mit der Erklärung, es widerstreite seiner Religion, Muselmänner unter christlicher Herrschaft zu lassen und wie er deshalb genöthigt sei, die beiden rebellischen Stämme selbst his unter die Mauern von Oran zu verfolgen. Sein Brief en digte mit der Bitte um Zurücksendung des Oukils aus Oran, der gegen den zu Maskara accreditirten Konsul ausgetauscht werden sollte. Hiermit war der Krieg erklärt und beide Parteien dachten jetzt nur noch an die Vorbereitungen zum bevorstehenden Kampfe. Der französische General ver schanzte seine Position bei Tlelat, um dort im Nothfalle die Bagage unter dem Schutze eines Bataillons zurücklassen zu können. Der Emir rief alle Araber zum heiligen Kampfe F gegen die Christen auf und hegab sich an die Ufer des Sig, die er zum gemeinschaftlichen Sammelplatze be stimmt hatte. Am 22. Juni begannen die Feindseligkeiten mit dem Angriffe eines Convois, der sich von Oran nach Tlelat be gab. Da diese Attaque jedoch nicht kräftig unternommen wurde, so blieb dieselbe erfolglos. Auch am 25. wurde ein Fouragetransport in der Gegend von Tlelat durch 200 Reiter angegriffen. Am nächtfolgenden Tage entschloss sich endlich der General Trézel , der nur noch für vier Tage Lebensmittel hatte, gegen Abd -el -Kader zu marschiren, wel cher inzwischen bedeutende Streitkräfte vereinigt hatte. Das kleine französische Corps zähfte höchstens 2500 Mann und bestand aus einem Bataillon vom 66. Linien- Regimente, einem Bataillon leichter afrikanischer Infanterie, anderthalb Bataillons Fremdenlegion , dem 2. Regiment Chasseurs d'Af rique, zwei Feldgeschützen und vier Gebirgshaubitzen. Der Convoi zählte 20 Wagen. Dieses schwache Corps setzte sich um 5 Uhr Morgens in folgender Marschordnung in Bewegung : Die Avantgarde unter dem Befehl des Obersten Oudinot, bestand aus zwei Eskadrons Chasseurs, drei Com pagnien * Polen und zwei Gebirgshaubitzen, Der Convoi wurde auf der rechten Seite flankirt durch das Bataillon
216 vom 66. Linien- Regimente, eine Eskadron und auf der lin ken durch das Bataillon Itatiener von der Fremdenlegion und ebenfalls eine Schwadron. Die Arrieregarde unter dem Kommando des Oberstlieutenants Beaufort bildete das erste Bataillon der leichten afrikanischen Infanterie, eine Esca dron und zwei Gebirgshaubitzen. Diese Marschordnung hatte den Nachtheil, dass sie die Kavallerie zu sehr zerstückelte und der Kolonnentête keine hinreichende Stärke darbot, ein Fehler, der sich grade bei den afrikanischen Kriegen leicht bestraft. Um 7 Uhr Morgens rückte die Kolonne in den Wald von Muley- Ismael, ein niedriges Gehölz auf dem halben Wege zwischen und Maskara. Das Terrain ist hier uneben und zerklüftet, der Marsch daher nur langsam und unter Beschwerden möglich . Bald zeigte sich die Avant garde Abd - el-Kaders und machte mit bedeutender Ueber legenheit einen nachdrücklichen Angriff auf die französi schen Vortruppen, die mit beträchtlichem Verluste zum Rück zuge gezwungen wurden. Das Bataillon vom 66. Linien Regimente, welches durch die Unebenheiten des Bodens von der Kolonne getrennt war, wurde ebenfalls angegrif fen und zurückgeworfen. Auf dem linken Flügel hatte die Fremdenlegion eine bessere Stellung genommen und widerstand dem gewaltsamen Andrängen des Feindes. Als aber der Oberst Oudinot, indem er die Avantgarde zu railliren suchte, getödtet wurde, machten die ihn begleiten den Reiter Kehrt und nun theilte sich die Unordnung auch der Fremdenlegion mit, welche sich ebenfalls zurückzu ziehen begann. Der Convoi, der sich auf diese Weise ohne Seitendeckung sah, wurde von panischem Schrecken er griffen und alle Wagen mit Ausnahme derer des Ingenieur corps machten Kehrt. In diesem Augenblick liess der Ge neral eine Compagnie vom afrikanischen Bataillon im Lauf schritt an die Tête der Colonne rücken . Hierdurch er muthigt ergriffen auch die beiden Flügel wiederum die Offensive und hoben durch einen energischen Angriff, mit welchem sie den Feind zurücktrieben und ihm grosse Ver luste beibrachten, den gesunkenen Muth ihrer Kameraden.
217 Indessen war auf beiden Seiten mit grosser Erbitterung gekämpft worden und die Tirailleurs mussten jeden Baum, jeden Busch, jeden Graben mit ihrem Blute erkaufen. Der Verlust der Franzosen war bedeutend, und betrug 52 Todte und 182 Verwundete, zu deren Fortschaffung man genö thigt war, die Zeltwagen, ja sogar einige Proviantwagen zu entleeren. Um Mittag machte die Kolonne ausserhalb des Waldes in der Ebene des Sig halt. Nach kurzer Rast wurde der Marsch fortgesetzt ; man erreichte um 4 Uhr Nachmittags die Ufer des genannten Flusses und bezog in der Nähe derselben die Lagercarrés, Abd -el- Kader lagerte oberhalb etwa eine Meile von den Franzosen entfernt. Mit dem Ein tritte der Dunkelheit fand die Auswechselung der Consuln statt, bei welcher Gelegenheit der General Trézel dem Emir ein Schreiben übersandte, in welchem die früheren For derungen erneuert wurden , und zwar sollte Abd -el- Kader nicht allein die Unabhängigkeit der Duer und Smelaer, sondern auch die der Garaber und Kuluglis von Tlemsen aner kennen, ausserdem sämmtliche Ansprüche an die rechts vom Scheliff gelegenen Gegenden aufgeben. Wegen der beträcht lichen Verluste, welche der Emir bei Muley-Ismael erlitten, war er nicht ganz abgeneigt, auf diese Bedingungen ein zugehen ; die Berichte seines Oukils jedoch über den Zu stand des französischen Heeres und die grosse Anzahl der Verwundeten, welche dessen Bewegungen erschwerten, be stimmten ihn zu einer abschlägigen Antwort, und in der That waren jene und die Furcht ihre Zahl noch zu ver mehren die Ursache, dass der General Trézel seinen ur sprünglichen Plan, das Lager des Emirs anzugreifen, auf gab und am 28. seinen Rückzug nach Arsew antrat. Die Tête der Kolonne übernahm das Bataillon leichter afrikani scher Infanterie ; dann folgte in drei Wagenreihen der Convoi, der auf der rechten Flanke durch die Polencompagnien und zwei Escadrons gedeckt wurde. Die Arrièregarde bestand aus dem Bataillone vom 66. Linien-Regimente und zwei Eskadrons und wurde durch den Oberstlieutenant Beaufort kommandirt.
In dieser Ordnung marschirte die Kolonne
218 von allen Seiten durch Tirailleurs geschützt, in die Ebene Zeïrat. Kaum hatte Abd-el-Kader in Erfahrung gebracht, dass die französische Kolonne aufgebrochen sei , so setzte er sich sofort an die Spitze von etwa 10,000 Reitern und 12 bis 1500 Infanteristen und begann dieselbe zu verfol gen. Bald hatte er das Corps umringt und es begann nun von 7 Uhr ab ein sehr lebhaftes Feuergefecht, das jedoch weder den Marsch noch die Ordnung der Kolonne im min desten störte. In der Befürchtung, auf dem direkten Wege nach Arsew auf Terrainschwierigkeiten zu stossen, deren Ueberwindung seinen Wagen unmöglich sein würde, hatte sich General Trézel entschlossen, die leicht zu passirenden Hügelreihen von Hamian zu umgehen und durch das Habrathal an der Stelle der Meeresbucht zu debouchiren, wo der Bach aus den Sümpfen heraustritt und den Namen Makta annimmt. Der Emir erkannte jedoch diesen Plan auf der Stelle und schickte eine bedeutende Kavalleriemasse mit Infanteristen hinten auf den Pferden dorthin ab, um das Defilé , welches die Franzosen passiren mussten, zu besetzen. Gegen Mittag erreichte die Kolonne dasselbe und drang ohne Vorsichtsmassregeln hinein, links von sich die Hügel von Hamian, rechts die Maktasümpfe lassend. Kaum waren sie jedoch darin, so zeigten sich auf den Hügelspitzen ei nige feindliche Tirailleurs. Zwei ihnen entgegengeschickte Compagnien wurden durch das von den Schützen mas kirte feindliche ' Gros zurückgeworfen. Nach und nach kamen andere Compagnien, welche ebenfalls nach und nach zurückgetrieben wurden. Nachdem es so den Ara bern wegen der gegen sie unternommenen getheilten und kraftlosen Angriffe gelungen war, jedes Festsetzen von Truppen auf den Hügeln zu vereiteln, stiegen sie selbst von denselben herunter und griffen den Convoi an, der des schmalen Weges halber in einer langen Reihe fahren musste. Hierdurch sah sich die Arrièregarde in Gefahr, abgeschnit ten zu werden, wurde von panischem Schrecken ergriffen und drängte sich an die Tête der Kolonne, indem sie rechts am Convoi vorbeiging.
Zwar gelang es der französischen
219 Kavallerie durch einen heftigen Angriff die arabischen In fanteristen wiederum auf ihre Berge zurückzutreiben, in dessen konnte man nicht verhindern, dass sie von hier aus ein mörderisches Feuer auf die Führer des vorbeifahrenden Convois eröffneten, Um diesem die Wagen soweit wie möglich den Morast und blieben darin benutzte Abd- el-Kader um 1000
zu entgehen, hielten sich rechts, geriethen dabei in stecken. Diesen Moment Reiter von seinem rechten
Flügel über die Sümpfe gehen zu lassen. Kaum sah sich der Convoi auch von dieser Seite bedroht, so schnitten die erschreckten Wagenführer eiligst die Stricke ab und flüch teten sich unbekümmert um das Schicksal der Fahrzeuge und der darauf liegenden unglücklichen Verwundeten mit ihren Pferden. Nur ein
einziger mit zwanzig Blessirten beladener
Wagen wurde durch die Energie des Quartiermeisters Fournié gerettet, der mit der Pistole in der Hand die Kut scher zwang, ihrer Pflichten eingedenk zu sein und sich an die Kolonne anzuschliessen. Auch die durch beherzte und geübte Leute gefahrenen Wagen der Artillerie, waren nicht in den Sumpf gerathen und wurden mit Ausnahme einer einzigen Berghaubitze, die in die Häude der Araber fiel, gerettet. Inzwischen herrschte in der Kolonne die schrecklichste Unordnung ; die verschiedensten Truppengattungen und Ab theilungen marschirten, nur dem Trieb der Selbsterhaltung folgend, in bunter Vermischung vorwärts ; keine Spur einer regelmässigen Organisation war mehr zu erkennen. Kein Kommando wurde mehr gehört ; das Geheul der Araber und die Schreckensrufe der Verwundeten übertäubten die Stimmen der Officiere. Männer, welche in den grössten Schlachten der Kaiser zeit bei Lützen, Dresden und Leipzig mitgekämpft hatten, stimmen darin überein, dass jene grossen Waffentage bei allem Pulverdampf und Geschützdonner doch lange nicht so schaudervoll gewesen, wie die Kriegsscene an der Makta. Die Verwundeten wussten, dass ein Feind hinter ihnen sei, der keinen Pardon gab.
Sie liefen mit blutenden Wunden,
220 so lange es ihnen möglich war, und wenn sie vor Schwäche nicht mehr weiter konnten, flehten sie ihre Kameraden an, ihnen den Tod zu geben, um nicht unter den Misshand lungen der Barbaren zu sterben. Einige stimmten die Marseillaise an , die aber einem Todtengesang ähnlicher als einem Triumphlied klang ; Andere nahmen Abschied von der Sonne.* ) Glücklicher Weise hielten die Araber, welche mit der Plünderung der Wagen und der Niedermetzelung der Verwundeten beschäftigt waren, einen Augenblick in ihren Angriffen inne. Dies benutzten einige der fliehenden Franzosen, um sich auf einem Hügel zu sammeln und dort eine Kanone aufzuführen , welche die Araber mit Kartät schen beschoss ; ausserdem unterhielten die in Carré for mirten Soldaten ein wenn auch unregelmässiges, so doch sehr gut genährtes Feuer. Unter dem Schutze desselben sammelte sich der grosse Haufen von entmuthigten Men schen und der Rest der Fahrzeuge in einem Ravin hinter dem Hügel, das scheinbar keinen Ausgang hatte. Mehrere Soldaten, welche rechts von sich die Makta und jenseits derselben einen, einem Wege ähnlichen Streifen erblickten , stürzten sich in den Fluss und fanden darin ihren Tod. Andere, darunter auch einige Officiere , schrieen , man müsse den Weg nach Mostaganem zu finden suchen . So lief Alles in wildem Geschrei drei Viertelstunden lang durch einander, ehe man den Weg nach Arsew aufgefunden hatte und sich nach genannter Stadt in Marsch setzte. Nur die auf dem Hügel gesammelten Mannschaften schienen ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Araber con centrirt zu haben und blieben taub für die ihnen gegebe nen Befehle und Zurufe, ihren Rückzug anzutreten. Nur unzusammenhängende Laute und Worte hörte man aus ihren Kreisen erschallen, gleichsam zum Beweise, dass die von ihnen gezeigte Kraft nicht eine Folge ihres Muthes, sondern mehr der Ausdruck einer fieberhaften Erregung war. Endlich setzte sich die Compagnie vom 66. Regimente in Bewegung und sehr bald folgten die andern, aber in *) Wagners Reisen in der Regentschaft.
221 solcher Uebereilung, dass die Kanone einen Augenblick ver lassen stand. Indessen wurde man derselben noch recht zeitig gewahr und vereinigte sich dann mit der unförm lichen Masse, welche sich schon auf der Strasse nach Arsew befand. In dieser abermaligen fürchterlichen Gefahr verdankte das Heer seine Rettung der Hingebung eines Häufleins ent schlossener Männer, die freiwillig den Nachtrab bildeten und dem Feinde beständig die Stirn boten, Es waren dies etwa 40 bis 50 Officiere und Soldaten aus allen Waffengat tungen und 40 Chasseurs d'Afrique, die unter der Leitung des tapferen Capitain Bernard noch einmal die Araber durch einen mit ausgezeichneter Bravour und vielem Glück aus geführten Angriff zurückdrängten. Auch einige Geschütze unter dem Capitain Allaud und dem Lieutenant Pastoret thaten, indem sie über die Köpfe der französischen Tirailleurs fortfeuerten , den Arabern be deutenden Schaden und trugen wesentlich dazu bei, dass nicht die ganze Kolonne aufgerieben wurde. Von diesem Augenblicke an wurde der Rückzug mit grösserer Leich tigkeit bewerkstelligt. Man hatte die Meeresküste erreicht und der Anblick von Arsew belebte die Hoffnungen der Soldaten. Auch die Araber liessen ermüdet vom langen Kampfe und mit Beute beladen allmälig von ihren Angriffen ab, die schlieslich gegen 6 Uhr Abends gänzlich aufhörten. Zwei Stunden später erreichte die Kolonne Arsew, nachdem sie 18 Stunden marschirt und 16 Stunden gefochten hatte. Der Verlust der Franzosen betrug an diesem unglück lichen Tage 300 Todte, 200 Verwundete nebst der Ein busse fast des ganzen Materials. Nur 17 Mann waren von den Arabern zu Gefangenen gemacht worden ; alle Uebri den, selbst nicht die Verwundeten, hatten von den rohen Barbaren, die ihnen die Köpfe abschnitten, Pardon erhalten. Während der Nacht lagerte die Kolonne, trotzdem je den Augenblick der Erneuerung des Kampfes entgegenge sehen werden musste, bei Arsew. Indessen schienen die Truppen so entmuthigt zu sein, dass General Trézel es nicht für gerathen fand, den Rückzug zu Lande anzutreten , son
222 dern sämmtliche Schiffe zu Mers-el-Kebir zur Fortschaffung der Truppen aufbringen liess. Während dieser Kämpfe hatte der Graf d'Erlon den Brief empfangen, worin General Trézel von seinem Marsche nach Tlelat Nachricht gab. Die Sache war dringend und bedurfte einer schnellen Entschliessung ; ausserdem war die Frage so einfach, dass sie nur mit Ja oder Nein beant wortet werden konnte. Denn entweder mussten die Maas nahmen des Generals gebilligt werden oder sie fanden keine Autorisation und dann war die Abberufung Trézels nothwendig. Anstatt sich aber nach der einen oder der anderen Seite hin zu entscheiden, verlor der Gouverneur acht Tage mit Berathungen und kam zu keiner Entschlies sung, so dass es schliesslich den Anschein gewann, als ob er dem ihm untergebenen General die alleinige Verant wortung für den gethanenen Schritt aufbürden wolle. Jedoch beauftragte er den Kommandant Lamoricière in Begleitung Durands nach Oran zu reisen, sich von dem Stande der Dinge zu überzeugen und wo möglich Einleitungen zu dem Arrangement mit Abd- el-Kader zu treffen. Die Abgesand ten gingen zu Arsew vor Anker und wurden hier die Zeugen des Kleinmuths der Armee. In Folge dessen eilte Lamoricière sofort nach Oran, brachte mit Hülfe des Kaid Ibrahim 300 Reiter aus dem Stamme der Duer und Smelaer zusammen und marschirte mit diesen und den Capitains Cavaignac und Montauban nach Arsew, das er ohne vom Feinde belästigt zu werden, am 3. Juli erreichte. Hier hatte man eben die Einschiffung der Artillerie und Infan terie beendet und wollte mit der der Kavallerie beginnen , als der General in Folge der Ankunft Lamoricières diesen Entschluss aufgab, um zu Lande nach Oran zurückzukeh ren. So hatte der tapfere, aber unglückliche Trézel doch wenigstens die Genugthuung, an der Spitze der Kavallerie durch dasselbe Thor zu Oran einziehen zu können, aus welchem er ausmarschirt war. Sein Benehmen war trotz der misslichen Lage, in der er sich befand, edel und wür dig. In seinem Rapporte und seinem Tagesbefehle suchte er keinesweges die Grösse des Unglücks zu verdecken ,
223 noch die Schuld davon seinen Truppen aufzubürden ; er übernahm selbst die Verantwortung und zeigte sich ent schlossen die Folgen zu tragen. In seinem Berichte an den Gouverneur sagte er ") : ,, In diesem traurigen Kampfe sah ich die Hoffnungen schwinden, auf die ich bauen zu können geglaubt ; man hätte siegen müssen um sie zu rea lisiren. Freilich hatte ich unsere Kräfte zu hoch und die der Araber zu niedrig angeschlagen ; das Gefecht des 21 . Juni, so wie alle militairischen Ereignisse, an denen ich während meines dreijährigen Aufenthaltes in Afrika Theil genommen, konnten vielleicht diese zu übertriebenen Hoff nungen entschuldigen. " Kurz ehe es zum Bruche mit Abd- el-Kader gekommen, waren die Franzosen noch nahe daran gewesen, denselben mit Pulver, Blei und Gewehren zu unterstützen. Ein mit diesen Gegenständen beladenes, für den Emir bestimmtes Schiff lief aus Algier aus, um nach Raschgun zu segeln. Glücklicherweise jedoch hatte Trézel hiervon Nachricht erhalten und liess das Fahrzeug bei Mers- el-Kabir auffan gen und mit Beschlag belegen. Die Neuigkeit von der Niederlage an der Makta war sofort nach Algier gekommen und bewog den schwankenden Grafen d'Erlon, nun wo der Erfolg gegen Trézel entschie den hatte, jetzt mit ganzer Strenge gegen ihn zu verfahren. Er befahl ihm sofort sein Kommando niederzulegen und es dem General d'Arlanges zu übertragen. Zugleich aber wollte er mit aller Gewalt das gute Einvernehmen mit Abd-el-Kader wieder hergestellt wissen und würde ohne die energischen Vorstellungen fast aller Mitglieder des Ver waltungsrathes und vor Allen des Generals Rapatel um diesen Preis die Duer und Smelaer der Rache des Emirs preisgegeben haben. Auf die Bitten dieser Stämme wurde der Kaid-Ibrahim, den man mit einigen eingeborenen Trup pen umgab, und welchem man allgemein für einen gefähr lichen Gegner Abd - el-Kaders hielt, zu ihrem Chef ernannt. An der Spitze der waffenfähigen Mannschaft lagerte er sich *) Dinesen.
224 bei Miserghin, wurde jedoch sehr bald durch den Stamm der Beni-Amer gezwungen, sich unter die Mauern Orans zurückzuziehen. In dieser Zeit wurde die Garnison von Oran beträchtlich durch den Verlust der Fremdenlegion vermindert, welche Frankreich im Sommer des Jahres 1835 an Spanien abtrat. Das Benehmen derselben während der Schlacht an der Makta, wo von einer Compagnie Italienern zuerst jener verhängnissvolle Ruf : „ rette sich wer kann “ gehört wurde, soll die Veranlassung zu diesem Schritte gewesen sein. Alle Vorstellungen , dass Oran zu sehr entblösst wurde, ver mochten nichts beim Grafen d'Erlon, der lieber die Sicher heit eines Platzes vernachlässigte, als dem Befehle eines Ministers zuwiderhandelte. So verminderte man nach einer unerhörten Niederlage die ohnehin unbedeutende Besatzung eines höchst wichtigen Platzes. Allerdings ging d'Erlon hierbei von dem Gesichtspunkte aus, dass der Frieden bald wieder hergestellt sein würde und zwar nicht ganz mit Unrecht, denn auch Abd - el - Kader erkannte, dass es trotz seines augenblicklichen Vortheils in seinem Intresse läge, die Ansprüche nicht höher zu schrau ben. Der Emir wusste sehr wohl, dass das mächtige Frank reich eine solche Schmach , wie die Niederlage an der Makta nicht lange ungerächt lassen würde und zeigte sich des halb Unterhandlungen nicht ganz abgeneigt. Aber plötz lich veränderte sich die Scene, der Graf d'Erlon wurde zurückberufen und die Wahl seines Nachfolgers musste Abd -el-Kader überzeugen, dass Frankrich entschlossen sei, in Afrika keine andere Souverainität anzuerkennen , als die eigene. Inzwischen hatte sich die Nachricht von der Nieder lage an der Makta mit den übertriebendsten Zusätzen in der ganzen Regentschaft verbreitet. Man sprach von Tau senden von Todten, von der Absicht der Franzosen, ihre Kolonie gänzlich aufzugeben, von der Gefangennehmung Trézels, der jetst die Ställe des Emirs zu Maskara ausfegen müsse und dergleichen mehr. In Folge dessen fanden wie derum bei einzelnen Stämmen Unordnungen statt, wodurch
225 sich besonders die Hadschuten auszeichneten, indem sie in alter gewohnter Weise Räubereien, Ermordungen und Viehdiebstähle ausführten. Das Geschehene zu bestrafen, Künftigem vorzubeugen, marschirte der Oberst Schaumburg gegen dieselben, überrumpelte sie, tödtete eine Anzahl Män ner und nahm das Vieh, welches der Stamm nicht schnell genug hatte in Sicherheit bringen können, als gute Beute mit fort. Wie schon oben gesagt, war die Regierung mit der Wendung der Dinge in Afrika unzufrieden und rief den General d'Erlon zurück, der am 8. August nach zeḥnmo natlichem Aufenthalte Algier verliess. Bei dem Anblicke des ehrwürdigen Greises vergossen die Bewohner Algiers Thränen des Mitgefühls, unbekümmert darum , von wie nachtheiligen Folgen seine Irrthümer und seine Schwäche für die Kolonie gewesen waren. Man beklagte in ihm einen Augenblick einen Mann, der eine Verantwortung übernommen hatte, die zu seinen Jahren, wie zu seinem Cha rakter, selbst bei redlichstem Willen in keinem Verhält niss stand. Der Marschall Clauzel traf am 10. August 1835 zu Algier ein und übernahm mit dem Titel eines General Gouverneurs der französischen Besitzungen im nördlichen Afrika das oberste Kommando. Die hohe Meinung, welche man von seinen kriegerischen Talenten hatte, flösste allen Parteien Achtung ein und seine zweite Ernennung wurde in Frankreich wie in Afrika sehr günstig aufgenommen. Er ergriff die Zügel der Gewalt in einer der traurigsten Perioden. Zu den Trübsalen eines fanatischen Kampfes war noch die furchtbare Krankheit gekommen, welche wohl in keinem Orte der Welt entsetzlicher auftrat, wie gerade in Algier. Am Tage der Ankunft des Marschalls brach die Cholera aus und während dreier Wochen waren die engen finsteren Strassen der alten Raubstadt von unbeerdigten Leichen fast gesperrt. Ein panischer Schrecken erfasste die sonst so gleich gültige maurische Bevölkerung ; in der Todesfurcht rief sie die christliche Heilkunst an und zum erstenmale hatten Heim, Kriege in Algier 1. Band. 15
226 während dieser Jammertage die französischen Aerzte Zutritt in die inneren Mysterien der maurischen Häuser, sogar in die Frauengemächer. Unter solchen Scenen der Noth und Entsetzens begann das zweite Gouvernement Clauzels, dessen Ende das Blutbad von Constantine bezeichnete. Der mit Jubel empfangene Marschall betrat voll grosser militairischer Entwürfe den afrikanischen Boden. Durch
drungen von Zuversicht, erliess er am Tage nach seiner Ankunft eine Proclamation , in welcher er der Armee seine Ernennung bekannt machte, versprach, dass die Räubereien der Araber von nun an aufhören sollten und mit den Worten endigte : ,, In zwei Monaten wird es keine Hadschu ten mehr geben. " Diese von Munde zu Munde gehende Aeusserung schien die Hoffnung zu rechtfertigen , welche die europäischen Bewohner Algiers auf die Ankunft Clauzels gesetzt hatten. Die leidenschaftlichsten Feinde der Ein gebornen fanden darin eine entschiedene Verheissung eines durch die Vernichtung der Eingebornen bedingten allge meinen Zustandes der Sicherheit, mit deren Einführung man sofort beginnen würde ; ruhigere Männer erblickten hierin die Ankündigung weiser Massregeln, durch die man feindseligen Unternehmungen vorbeugen würde. Alle aber waren befriedigt und drückten im Voraus durch pomp hafte Demonstrationen ihre Dankbarkeit für das neue Gou vernement und ihre feste Hoffnung für die Zukunft aus. Inzwischen wurden von Toulon nach Oran Kriegs material und Truppen gebracht , da die französische Regie rung so schnell wie möglich den üblen Eindruck, welchen die Niederlage an der Makta in Frankreich und in Afrika hervorgebracht hatte, zu verwischen wünschte. Augen blicklich trat jedoch die Cholera allen grösseren Unterneh mungen, die der Marschall beabsichtigte, hindernd entge gen. Um wenigstens einigermassen die auf seine Ankunft gesetzten Hoffnungen zu rechtfertigen, gab er den Bewoh nern von Medeah, die darum baten, einen Bey, von dem man hoffte, die Araber würden nicht wagen sich ihm zu widersetzen. Zur Installirung desselben brach General Rapatel mit einem kleinen Corps von 2000 Mann dorthin
227 auf. Der Marsch wurde ohne jede Störung zurückgelegt. Als man jedoch den Engpass von Teniah erreicht hatte, und die aus einer Eskadron Chasseurs d'Afrique und eini gen Compagnien Zuaven bestehende Avantgarde bereits in denselben eingedrungen war, bedeckten sich auf einmal wie mit einem Zauberschlage alle umliegenden Berge mit Feinden, die ein lebhaftes Feuer auf die Kolonne richteten. Rapatel kam zur Ueberzeugung , dass die Erzwingung des Durchganges bei der Ueberlegenheit des Gegners ein un nöthiges Blutvergiessen veranlassen würde und gab den Befehle zum Rückzuge. Eine kleine Abtheilung der Chas seurs d'Afrique unter dem Kommandant Bro war jedoch schon soweit vorgedrungen, dass sie das Signal nicht mehr hörte und in einen von den Arabern gelegten Hinterhalt Ihr Feuer streckte mehrere der Chasseurs nieder, fiel. darunter auch den Officier, der schwer verwundet mit seinem Pferde zusammenbrach. Während die nicht Blessirten da von sprengten, stürzten die Araber aus ihrem Verstecke hervor, um den Gefallenen die Köpfe abzuschneiden. In diesem Augenblicke eilte der Kommandant Lamorcière mit einigen Leuten herbei und rettete seinen, ungeachtet der Wunden noch immer fechtenden Freund, über dessen Haupt bereits der Yatagan des Arabers schwebte. Rapatel gab es bei dem energischen Widerstande auf, nach Medeah zu gelangen und kehrte nach Algier zurück. 1 Dieses erste unglückliche Debut veranlasste den Mar schall zu einer zweiten Expedition, von der er sich einen besseren Erfolg versprach . Dieselbe war gegen den von Abd el-Kader eingesetzten Bey von Milianah Hadsch -el- Sghir gerichtet, der bedeutende Truppenmassen um sich versam melt haben sollte. Ausserdem war es auch Zeit das be züglich der Hadschuten gemachte Versprechen zu erfüllen, die weit entfernt vom Erdboden zu verschwinden, alle Tage dreister und unternehmender wurden. Zu diesem Behufe brach der General Rapatel an der Spitze von 5000 Mann am 17. Oktober von Buffarik auf, wo er seine Streitkräfte gesammelt hatte. Er marschirte gegen das Gebiet der Hadschuten und befand sich am 18.
15 *
228 nur noch in geringer Entfernung vom feindlichen Lager. Einige Tirailleurs zeigten sich zwar, wurden aber mit Leich tigkeit zurückgedrängt und zogen sich nach Affrun zu rück, wo el- Sghir Stellung genommen hatte. Hier kam es zum Kampfe, in welchem die Araber nach einigen Stunden erbitterten Gefechtes besonders durch die Geschütze ge zwungen wurden, ihren Rückzug nach Milianah anzutreten. Rapatel durchzog darauf das ganze Gebiet der Hadschuten, verbrannte alle Häuser, Bäume und Saaten ohne ein leben des Wesen anzutreffen und kehrte am 22. nach Algier zu rück. Hier hatte sich inzwischen das Gerücht verbreitet, sämmtliche Hadschuten wären getödtet und somit das Ver sprechen des Marschalls erfüllt ; der ausgelassenste Jubel hatte sich der Bevölkerung bemächtigt, die Strassen wur den illuminirt und Festlichkeiten aller Art veranstaltet, bis endlich die bald darauf eintreffende Nachricht von neuen Räubereien jenes Stammes dem allgemeinen Enthusiasmus ein Ende machte. Während dies in der Provinz Algier vorfiel und auch Budschia der Schauplatz fortwährender Kämpfe mit den Kabylen war, hatte General d'Arlanges zu Oran, da seine Truppenmacht zu grösseren Unternehmungen zu schwach erschien, die Zeit zu einzelnen Razzias gegen feindliche Stämme und zur Anlegung eines festen Lagers bei den Feigenbäumen benutzt. Auch wurden die Ausrüstungen zur Expedition gegen Maskara mit grossem Eifer betrieben und Abd-el-Kader dadurch zu Vorkehrungen genöthigt, dem drohenden Sturm begegnen zu können. Er erliess zu diesem Behufe an alle Stämme Aufrufe, vertheilte Waffen und Munition und beorderte sie, sich am Sig als dem ge meinschaftlichen Sammelpunkte zu vereinigen. Die in der Nähe von Oran wohnenden Stämme wurden gezwungen, sich mit ihren Weibern, Heerden und sonstigem Eigenthume in das Atlasgebirge zu flüchten, und alsdann eine bedeu tende Strecke rings um den Platz verwüstet. Er selbst liess alle seine Reichthümer nach der Sahara schaffen und bald darauf seine Familie dahin nachfolgen. Auch schickte Abderrahman, der Kaiser von Marokko viele Kriegsbedürf
229 nisse, Waffen und Pulver, die im Meerbusen westlich von der Tafnamündung ausgeschifft wurden, was die Franzosen, trotzdem sie die Insel Raschgun besetzt hatten, nicht zu Stande waren. rhindern " i Nicht minder grossartig * waren jedoch die Anstalten der Franzosen , welche unter Anderem auch 600 Kameele zur Fortschaffung der Lebensmittel aufgekauft hatten. Am 21. November 1835 begab sich der Marschall Clauzel in Begleitung des ritterlichen Herzogs von Orleans , der an der Expedition Theil nehmen wollte, nach Oran . Mit ihnen traf dort ein Bataillon Zuaven ein und eine Elitencompag nie von allen zu Algier befindlichen Regimentern , nämlich vom 10ten, 13ten und 63sten. Das ganze Expeditionscorps hatte eine Stärke von etwa 11,000 Mann, formirte vier Brigaden und eine Reserve und war folgendermassen zusammengesetzt : Erste Brigade unter General Oudinot: * die Duer, Smelaer, und Ibrahims Türken und Araber, das zweite Regiment der Chasseurs d'Afrique, die Zuaven , das zweite leichte Regiment, eine Kompagnie Mineurs, eine Kompagnie Sappeurs, zwei Gebirgshaubitzen. Zweite Brigade unter General Perregaux : die drei aus Algier gekommenen Elitencompagnien, das 17te leichte Regiment, zwei Gebirgshaubitzen . Dritte Brigade d'Arlanges : das 1ste Bataillon leichter afrikanischer Infanterie, das 11te Linien-Regiment, zwei Gebirgshaubitzen. Vierte Brigade Oberst Combes : das 47ste Linien- Regiment, zwei Gebirgshaubitzen, Reserve : Oberstlieutenant Beaufort vom 47sten Linien-Regimente. Ein Bataillon vom 66sten Linien-Regimente, eine Kompagnie Sappeure,
230 Li vier Gebirgshaubitzen, eine Batterie Feldgeschütze. Die bereits bedeutend vorgeschrittene Jahreszeit war eigentlich zur Ausführung eines so weitgreifenden Planes nicht günstig , zumal in einem Lande ohne Wege und Brücken, in welchem man sich noch dazu auf Regengüsse von langer Dauer und unglaublicher Heftigkeit gefasst machen musste. Aber der bis dahin noch niemals vom Glücke verlassene Marschall vertraute auch diesmal auf seinen guten Stern. Am 26. November 1835 wurde das französische Expe ditionscorps bei den Feigenbäumen zusammengezogen und am nächstfolgenden Tage ging der General Oudinot mit der ersten Brigade bis Tlelat vor , wohin ihm am 28. das ganze Corps folgte. Am 29. brach dasselbe in folgender Marschordnung nach dem Sig auf. An der Tête befand sich die erste Brigade, dann folgte die Artillerie der Reserve, der Convoi , die Kameele und Fuhrwerke, zur rechten gedeckt durch die zweite , auf der linken Flanke durch die dritte Brigade. Die vierte schloss den Marsch. Auf diese Weise bildete die Armee ein grosses Carré , in dessen Centrum sich die Reserve und der Convoi befand. Der Wald von Muley-Ismaël , in welchem der unglück liche Trézel seinen ersten Kampf zu bestehen gehabt hatte, wurde , ohne dass man etwas vom Feinde zu Gesicht be kommen hätte, passirt. Zum Andenken an jenen Waffentag liess der Marschall Clauzel das Spiel sämmtlicher Truppen theile rühren , und Oudinot hielt auf der Stelle , wo sein Bruder so ruhmvoll gefallen, an die Soldaten eine kräftige und ergreifende Anrede. Gegen Abend erreichten die Trup pen bei dem Marabut Sidi-Abd-el-Kader die Ufer des Sig ungefähr eine Stunde unterhalb der Stelle , wo der Weg nach Maskara den Fluss durchschneidet. Das Gros der Armee lagerte am linken Ufer, nur ein Bataillon und Ibra hims Truppen setzten auf das rechte hinüber. Während der Nacht verkündeten zahlreiche Feuer auf den Bergen die Anwesenheit des Feindes .
231 Durch die Berge, welche die Ebene Zeirat von der von Ebgres trennen, führen drei Kommunications wege ; der erste durchschneidet das Kerufthal , worauf er noch etwa vier Meilen im Gebirge bleibt , ehe er nach Oran führt; der zweite ist für Fuhrwerk ebensowenig zu passiren wie der erste und beginnt an dem drei Meilen von Maskara ent fernten Habrathal ; anderthalb Stunden ostwärts .• liegt der gangbarste, welcher an den Marabuts von Sidi-Ibrahim, 1. Sedscherara und Ain-Kebira vorbeiläuft. Der Marschall hatte
sich für die Wahl der ersten
Strasse entschieden ; beschloss jedoch, da er sich die Schwie rigkeiten der Passage keineswegs verhehlte , seine Wagen und Feldartillerie unter dem Schutze von tausend, aus den verschiedensten Truppentheilen gewählten Leuten zurück zulassen. Zu diesem Zwecke befahl er die Anlegung eines verschanzten Lagers , dessen Bau am Morgen des 30sten begonnen wurde. Abd-el -Kader lagerte während dieser Zeit am Fusse des Gebirges, etwa 3, Meilen oberhalb der französischen Stel lung bei dem Marabut von 1 Sidi-Amer. Ausserdem hatte er noch etwa 4000 Araber vorgeschoben, welche bestimmt waren , die Franzosen in die Flanke zu nehmen, sobald dieselben in die Gebirgspässe eindrängen, Das Wetter war ausserordentlich günstig. Die fran zösische Armee war mit Lebensmitteln und Munition über flüssig versehen und sehnte sich nach einem Kampfet durch den sie das letzte Unglück ihrer Waffen rächen konnte. Ausserdem hatte man eine grosse Anzahl Silos " ) und Stroh aufgefunden , so dass auch die Pferde keinen Mangel litten. Am 1. Dezember unternahm der Marschall Clauzel mit der Kavallerie, den Zuaven und den Elitencompagnien *) Silos sind Gruben, in denen die Eingeborenen ihre Getreide vorräthe aufbewahren. Trotzdem die Spuren derselben bei dro hender Kriegsgefahr durch Ueberpflügung und darauf gelegte Steine vernichtet werden, haben die Araber in ihrer Auffindung eine grosse Fertigkeit, indem dieselben einen Stock auf die Erde stossen und horchen, wo der Stoss einen Widerhall giebt.
232 eine Recognoscirung des bis dahin noch immer unthätigen Feindes . Bei der Annäherung der Franzosen brachen die obenerwähnten 4000 Araber ihre Zelte mit ausserordent licher Schnelligkeit ab und flüchteten damit in das Ge birge. Dieser Fluchtrückzug wurde ihnen allgemein als Muthlosigkeit ausgelegt ; indessen bereits nach kurzer Zeit kehrten dieselben zurück und umschwärmten von allen Seiten die französichen Truppen. Der nun beginnende Kampf dauerte fünf Stunden und wurde auf beiden Seiten mit der grössten Erbitterung geführt ; die Araber , welche im Halbkreise der Kolonne folgten , bewiesen eine solche Todesverachtung , dass sie häufig ohne Scheu bis in die nächste Nähe der Geschütze kamen , deren Kartätschen ihnen einen sicheren Tod bereiteten. In Folge dessen ver mochten die Franzosen trotz ihrer ausgezeichneten Ruhe keine Vortheile zu erlangen , so dass der Marschall be schloss, die Vollendung des Lagers am Sig aufzugeben und seinem ersten Plane folgend, die Strasse von Keruf zu passiren. Am 3ten Morgens ging die Armee auf zwei von den Pio nieren gebauten Brücken über genannten Fluss und dirigirte sich in der früher angegebenen Marschordnung auf Habra. Noch war die Arrièregarde mit dem Abbrechen der Brücken beschäftigt , als sie durch 1000 Araber angegriffen wurde, welche dieselbe den ganzen Tag harcelirten. ohne ihr jedoch einen erheblichen Schaden zuzufügen. Nichts destoweniger wurde sie hierdurch in der Vollendung ihrer Arbeit aufgehalten und es entstand zwischen ihr und der weiter marschirenden Kolonne ein erheblicher Zwischen raum. Diesen Moment wollte Abd - el-Kader, der in paral leler Richtung mit dem französischen Corps am Gebirge entlang zog , benutzen, um durch eine Flankenbewegung die Arrièregarde abzuschneiden. Jedoch gelang es dersel ben noch glücklich das Hauptcorps zu erreichen , indem die französiche Artillerie der nur aus vier schlechten Ge schützen bestehenden arabischen so bedeutend überlegen war , dass alle Versuche des Emirs , sich zwischen die Arrièregarde und das Hauptcorps zu werfen, scheiterten.
233 Nach erfolgter Vereinigung liess der Marschall die drei Generale Oudinot, Perregaux und d'Arlanges ihre Brigaden zugweise in Kolonne formiren und mit den Teten in gleicher Höhe marschiren ; die Artillerie, die Kameele , die Wagen und den Convoi in die Kolonnen-Intervallen einschliessend . Die vierte Brigade unter Oberst Combes hatte die Arrière garde und die Ordre, vornehmlich den Convoi zubedecken . Diese Marschdisposition war die einzig zweckmässige auf der 7 Meilen breiten Ebene, welche das französische Corps zurückzulegen hatte, ehe es den Habrafluss erreichte. Um 9 Uhr des Morgens wurde die Arrièregarde von 3000 Ara bern zu Pferde angegriffen, zugleich auch die rechte Flanke von einer anderen feindlichen 1000 bis 1200 Mann starken Abtheilung , was jedoch nicht den beständigen Weiter Sobald Abd-el-Kader marsch der Franzosen verhinderte. geraden Weg nach den nicht Clauzel sah , dass Marschall Maskara einschlug , suchte er mit seiner ganzen Haupt stärke sich der französischen Armee voranzuwerfen , um beim Uebergang über den Habrafluss der Erste zu sein. Sein Heer führte diese Bewegung in der rechten Flanke der Franzosen aus. Den ersten Augenblick , wo sich die Araber in Masse zeigten , benutzte Marschall Clauzel mit grosser Gewandtheit. Er befahl, dass die Brigaden Perre gaux und d'Arlanges eine Frontveränderung zur Rechten machen sollten , und indem diese schnell gerade auf die Atlasberge zu marschirten , liess er acht Geschütze vor die Front rücken. Binnen einer halben Stunde war das ganze Terrain bis zum Atlas hin von den Arabern geräumt. Der Vortheil , welchen der Marschall durch dieses Manöver erreichte , konnte nicht hoch genug angeschlagen werden, denn er theilte dadurch Abd -el-Kaders Heer in zwei Theile. Der zahlreiche Stamm Beni-Amer und einige andere Stämme blieben zurück , als sie sich so von Abd- el-Kader abge schnitten sahen , der ihnen keine Befehle mehr ertheilen konnte und zogen sich ermattet in die Berge zurück, um von den vorangegangenen Gefechten auszuruhen. Abd-el Kader hatte indess die Furt durch den Habra mit dem Rest seiner Truppen erreicht und besetzte den Wald und
234 die Défiléen vor diesem Uebergang nebst dem Kirchhofe Sidi-Embarek so stark als möglich. Ausserdem placirte er vier Geschütze auf den Berg und begann mit diesen ein langsames, aber den Umständen nach gut gerichtetes Feuer, sobald die Tête der französischen Kolonne sich näherte. Der Kampf, der hier entstand , war mörderisch. Die Ara ber bewiesen unter Abd- el- Kaders eigenem Kommando ebensoviel Standhaftigkeit und Ausdauer in der Vertheidi gung, als die Franzosen Tapferkeit und die ihnen eigenthüm liche unwiderstehliche Heftigkeit im Angriff. Auf das Ge schrei ,, en avant " stürzten die Soldaten vorwärts und nahmen eine Position nach der anderen mit dem Bajonet. General Oudinot erhielt eine Kugel in den linken Schenkel und der Herzog von Orleans , der an den Chargen der Kavallerie Theil nahm und der bei keiner Gelegenheit seine Person schonte, ward ebenfalls am Schenkel von einer matten Kugel verwundet. Die Araber wurden aus allen ihren Positionen zurückgeworfen ; um 7 Uhr lagerte sich die französische Armee am Habraflusse * ), und zwar an der Stelle, wo dieser aus den Gebirgen heraustritt und die zweite der oben erwähnten Strassen ihren Anfang nimmt. Der 3. Dezember war für die ganze Armee, mit Aus nahme des am Morgen begangenen Fehlers , in Bezug auf die Arrièregarde, ein Tag der Auszeichnung gewesen ; aber auch Abd- el-Kaders Dispositionen würden einem europäi schen Generale Ehre gemacht haben ; nur vergass er dabei, dass er arabische Truppen befehligte, und dass man bei der zweckmässigen Verwendung eines Volkes zum Kampfe seine Sitten, Gewohnheiten und vor allem seine gesell schaftliche Organisation nicht gering anschlagen darf. Während der Nacht brannten die Feuer des Feindes auf den umliegenden Höhen. Am Morgen des 4ten über schritt die Armee auf einer von den Pionieren gebauten Brücke den Habra, ohne hierbei mehr Schwierigkeiten als bei der Passirung des Sig zu finden . Der Marschall schlug darauf die Richtung nach Mostaganem ein , wandte sich
Dinesen.
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235 jedoch nach einem langen Halt und nach einigem schein baren oder wirklichen Zögern und márschirte nach Osten. Als man endlich bis an den Anfangspunkt der dritten Communicationsstrasse gekommen war , wandte sich der Marschall plötzlich zur rechten gegen das Gebirge hin. Die zweite Brigade und die erste, über welche der General Marbot aus dem Gefolge des Prinzen das Kommando über nahm , besetzten die ersten Anhöhen zur rechten und zur linken Seite der Strasse, während der Convoi und die bei den letzten Brigaden in der Ebene Halt machten. Einige hundert Araber wurden mit Leichtigkeit von den Bergen vertrieben. Nachdem die Strasse zur Genüge recognoscirt war , setzte sich der Convoi und die Brigaden in Bewegung und drangen in die Berge. Als die Araber sahen , dass die Franzosen den Weg nach Maskara ein schlugen , zogen sie sich theils zu ihren Stämmen zurück, theils gingen sie mit Abd -el- Kader an den Habra , von wo aus sie noch 8 an demselben Tage nach Maskara aufbrachen. Wenige Stunden nachher bemerkte man ihre Kolonnen zur rechten auf dem zweiten der bereits mehrmals ange führten Kommunikationswege. Nachdem die Armee am 4. mitten im Gebirge bei den beiden Marabuts von Sidi-Ibrahim bivouakirt hatte, setzte sie sich mit dem Anbruche des nächsten Tages wiederum in Marsch und zwar benutzte der Convoi und die Reserve den meistentheils in Thälern laufenden Weg, während die zweite Brigade die Höhen zur linken deckte und der Mar schall selbst mit den drei übrigen Brigaden auf den rechts gelegenen Bergen marschirte. Wider alles Erwarten tráf man an keiner Stelle auf energischen Widerstand von Sei ten des Feindes und der Marsch ging in Folge dessen , einige Schwierigkeiten bei der Fortschaffung des Convois abgerechnet, schnell von Statten. Die Nacht bivouakirkte der Marschall am Marabut von Sidi-Mohammed und brach in der Frühe des nächst folgenden Tages mit den beiden ersten Brigaden, den Ka meelen und einigen Gebirgshaubitzen in Eilmärschen auf, um so schnell als möglich Maskara zu erreichen. Den Rest
236 der Armee und die Fuhrwerke übergab Clauzel dem Gene ral d'Arlanges mit dem Auftrage, so rasch es die Beschaf fenheit des Weges erlaubte, zu folgen. Oberhalb Ain-Kebira dehnt sich von Osten nach Wes ten hin eine Hochfläche aus, welche bis nach Maskara reicht und von einigen nicht tiefen, in die Ebene Ehgres mündenden Thälern durchschnitten wird. Am Anfange derselben liegt das grosse Dorf oder vielmehr die kleine Stadt El- Bordscha, deren Scheik dem Marschall entgegen kam , ihm die Unterwerfung seiner Unterthanen anzeigte und zugleich um Schonung für das Besitzthum derselben flehte. Die Bewohner empfingen die Franzosen mit gros ser Freundlichkeit; indessen machte das Anerbieten einer Prämie von 30,000 Francs, für die Auslieferung Abd- el Kaders gar keinen Eindruck auf sie. Bei dem Dorfe Ain el-Fers traf man einen Juden aus Maskara mit der Nach richt, das Abd-el-Kader mit der gesammten muselmänni schen Bevölkerung die Stadt geräumt und nur die Juden darin zurückgelassen habe. Sofort liess Clauzel die Trup pen Ibrahims ihren Marsch beschleunigen ; indessen war der Weg beschwerlich und anstrengend, da das Wetter sich geändert und der Regen den Boden aufgeweicht hatte. So geschah es , dass der Marschall nur von Wenigen be gleitet, Maskara erreichte und eine starke, arabische Pa trouille genügt haben würde, den General en chef sowie den Erben der Krone Frankreichs aufzuheben und in die Gewalt Abd- el -Kaders zu bringen. Einige Stunden später trafen die nachfolgenden Brigaden ebenfalls zu Maskara ein. Der Generalstab, die Zuaven, die Artillerie und einige Compagnieen wurden in der Stadt selbst einquartiert, der Rest besetzte die Vorstädte. Der Marschall und die kö niglichen Prinzen bewohnten gemeinschaftlich das Haus Abd-el-Kaders. Maskara war vor dem Abzuge der Araber der Schau platz der rohesten Gewaltthaten gewesen ; die Juden waren misshandelt , ihrer Schätze beraubt und ihre Weiber ge schändet worden. Ja sogar nach dem Eindringen der Franzosen in die Stadt waren die Unglücklichen ähnlichen
237 Schicksalen ausgesetzt, bis endlich das Einschreiten der Of fiziere die beutelustigen Zuaven verhinderte, ihre Wuth über die Armuth der Bewohner an diesen noch fernerhin auszulassen. Man hatte allgemein geglaubt, Maskara werde zu ei nem befestigten Punkte und zum dauernden Aufenthalt französischer Truppen erhoben werden. Gross aber war das Erstaunen in der Armee, als sich am 7. das Gerücht verbreitete, der Marschall beabsichtige die Stadt zu ver lassen und dann zu verbrennen.
Es dürfte schwer sein, einen Grund für diesen eiligen Rückzug Clauzels aufzufinden. In seinem officiellen Be richte sagte er darüber : Maskara sei eine schlechte Posi tion, ohne jeden Einfluss auf das Land, mithin unpassend zur Anlegung eines Beyliks und man thue deshalb gut, dieselbe zu verbrennen, um dem Feinde Schaden zu thun . Es liegt auf der Hand wie wenig stichhaltig diese Gründe waren, und kaum lässt sich annehmen, dass sie aus der wahren Ueberzeugung des Marschalls hervorgingen. Oder sollte er wirklich blos deshalb mit ungeheuren Kosten eine Expedition unternommen haben, um sich in den Besitz ei ner gänzlich werthlosen Position zu setzen ? Weshalb ver brannte er ferner die Sadt, wenn dieselbe für Abd - el-Kader von keinem Nutzen sein konnte? Soviel Erfahrung musste Clauzel in diesem Kriege bereits gesammelt haben, um einzusehen, dass ein einfacher Sieg und einige hundert todtgeschossene Araber in diesen Kämpfen zu keinem Re sultate führen konnte. In Wahrheit ist Maskara der wich tigste Punkt von ganz Oran ; im Norden und Süden der Stadt liegen die beiden fruchtbarsten Weideplätze der Pro vinz , die Ebenen Ehgres und Zeirat ; der Aufenthalt der mächtigsten Stämme, die sich eher entschlossen haben wür den, der Herrschaft des Emirs untreu zu werden, als diese Gegenden zu verlassen. Ferner sind die bedeutendsten Wallfahrtspunkte der Araber nicht weit von genannter Stadt, deren Besitz sehr bald den religiösen Einfluss des jungen Marabut vernichtet hätte. Kurz die freiwillige Auf
238
匪 gabe Maskaras ist ein strategischer Fehler, den der Mar schall vergebens zu beschönigen versucht hat. Freilich wusste auch das Ministerium damals nicht, welche Anordungen es treffen sollte ; denn obgleich dasselbe von dem Zuge unterrichtet war, hatte es keine Befehle gegeben , was man mit Maskara anfangen sollte für den Fall, dass es erobert würde. Es ist dies ein Beweis, dass man trotz des nun bereits fünf Jahre daurenden Kampfes noch kein festes Kriegssystem für Afrika angenommen hatte und alle Hoffnungen auf die Uneinigkeit der Stämme setzte. Aber man übersah dabei, dass dieselben sofort wieder einig wurden, sobald es sich darum handelte, den gemeinschaft lichen Feind zu bekämpfen. Die Nachricht von dem bevorstehenden Abmarsche ver ursachte in der Armee grosse Unordnungen, indem die Soldaten sich sofort daran machten, Alles zu zerschlagen und zu zertrümmern . Man war genöthigt Generalmarsch zu schlagen, um nur einigermassen die Ordnung wieder herzustellen. Vor dem Abzuge der Truppen wurde Mas kara den Flammen Preis gegeben, die Thore wurden nie dergebrannt, ebenso alle hölzernen Häuser, die Laffeten der vorgefundenen Geschütze, die grossen im Pallast Abd el-Kaders vorgefundenen Vorräthe von Schwefel, Pulver, kurz Alles , was nur vom Feuer verzehrt werden konnte. Durch unbegreifliche Nachlässigkeit verbrannten sogar die zum Transport der Munition bestimmten Kameele und mit ih nen 150,000 Patronen. Am 9. verliess die Armee die Stadt, die jüdische Be völkerung vor sich hertreibend, hinter sich die rauchen den Ruinen der Residenz Abd -el-Kaders. Eine dichte durch den Westwind getriebene Rauchwolke verfolgte die Ko lonne gleichsam wie ein Vorwurf und ein Spott auf die hochgepriesene Civilisation . Am nächstfolgenden Tage wurde der Regen im Gebirge sehr heftig, dichter Nebel verhüllte die ganze Gegend und erschwerte den Marsch. Man sah kaum mehr, wo man den Fuss hinsetzte, die Wege glichen Bächen und Pferde und Maulthiere glitten aus und zerschmetterten an den
239 Besonders erlagen die nicht an Anstren gungen gewöhnten Juden den Strapazen ; Viele brachen vor Frost und Ermüdung zusammen und wurden eine Beute der die Kolonne umschwebenden Geier. Wie oben berichtet, war der General d'Arlanges mit den
Felsenwänden.
Wagen im Gebirge zurückgeblieben , während der Marschall auf Maskara marschirte. Am ersten Tage nach der Tren nung gelang es den unglaublichen Anstrengungen der Pio niere den grössten Theil des Convoi auf das Plateau von Ain-Kebira heraufzubefördern. Hier mangelte es jedoch den Pferden an Lebensmitteln und alle Versuche, sich für Geld oder durch Gewalt in den Besitz des Fehlenden zu setzen, scheiterten an der Hartnäckigkeit der Bewohner. Nachdem sich die Armee am 10. wiederum beim Ma rabut von Sidi -Ibrahim vereinigt hatte, kehrte dieselbe am 12. nach einigen ganz unbedeutenden Gefechten nach Mostaganem zurück, in welcher Stadt Ibrahim zum Bey ernannt wurde. Dinesen, welcher den Zug Clauzels höchst ausführ lich beschreibt, sagt darüber : ,, Diese Expedition hatte, wie die Zeit erwies, in politischer Hinsicht nicht sehr wichtige Folgen, aber in militairischer war sie nicht ohne Interesse, denn zwei talentvolle und geschickte Heerführer leiteten die Operationen. Wenn man einen Blick auf die Karte wirft, wird man in der Kürze den Unternehmungen bei der Armeen folgen können. Abd-el-Kader sammelte sein Heer am Sig, dem bestgewählten Punkt, von dem seine Vertheidigung,2 der günsigen Gestalt des Terrains wegen, beginnen muss. Hier lässt er ein starkes Corps, welches den Franzosen bei ihrem weiteren Vordringen in Flanke und Rücken fallen soll . Er selbst postirt sich in den schwierigen Gebirgspässen auf dem geraden Wege nach Maskara und fährt seine Artillerie auf den schwierigsten Passagen auf. So wie er sieht, dass der Marschall einen anderen Weg nimmt, wirft er sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit ihm voran und besetzt den gefährlichen Pass bei Sidi-Embareck, wobei er sogar vier seiner schlecht montirten Kanonen mit * sich führt. Hier macht er den
240 Franzosen den Durchgang streitig, muss aber vor der grös seren Vollkommenheit der französischen Waffen weichen, nachdem er mit Talent und Standhaftigkeit gekämpft hat. Mit seiner geschlagenen Armee sucht er noch den folgenden Tag durch wiederholte Angriffe den Weitermarsch seiner Feinde aufzuhalten ; aber da ihm dies nicht gelingt, zieht er sich durch Maskara zurück, welches er den Flammen preisgiebt und führt die mohammedanische Bevölkerung mit sich fort. Auf der anderen Seite hatte sich Marschall Clauzels Talent glänzend bewährt, indem er eine Expedi tion in einem Terrain glücklich ausführte, von dem man nur geringe Kenntniss hatte und mit welchem sein scharfes geübtes Auge ihn erst an Ort und Stelle bekannt machte. Er geht bis an den Sigfluss vor, welcher seine eigene Ope rationsbasis ist. Hier formirt er sein Heer zum weiteren Vorrücken und lässt es zwei Tage Halt machen, von denen er jedoch den einen dazu benutzt, das arabische Corps aufzureiben und zu schlagen, welches sich in seiner rech ten Flanke lagert und ihn auf seinem Weitermarsch im Rücken bedroht. Nach diesem Gefechte bricht er mit seiner ganzen Macht auf und wirft sich auf die Strasse nach Mostaganem, wodurch er Abd- el-Kaders feste Stellung um geht. Sobald dieser nun mit seinem Heere sich aufmacht, um den Habrafluss vor den Franzosen zu erreichen, greift er ihn gleichsam auf frischer That an und führt ein ge schicktes taktisches Manöver aus, womit er Abd - el-Kaders Kriegsstärke in zwei Corps theilt. Hierauf forcirt er die Passage bei dem Kirchhofe Sidi-Embareck, fügt seinem Gegner eine bedeutende Niederlage zu, geht über den Habra und indem er noch zum Scheine dem Wege nach Mostaganem folgt, schwenkt er plötzlich rechts, überrum pelt die Araber, wirft sie zurück und rückt grade nach Maskara vor, von dem er ohne Schwerdtschlag Be sitz nimmt." Während die allgemeine Erwartung sich auf die Pro vinz Oran fixirte, war auch Algier der Schauplatz wenn auch nur untergeordneter Ereignisse gewesen. Hier näm lich hatten abermals die Hadschuten , die alten Feinde
241 jedweder Ruhe und Ordnung durch ihre gewohnten Räube reien die Strassen unsicher gemacht und die Kolonisten am Bebauen ihrer Felder verhindert. Diesem Uebel abzuhelfen, wurden mehrere Expeditionen unternommen, indessen blie ben dieselben sämmtlich ohne dauernden Erfolg und die Hadschuten entschädigten sich nach wie vor für den ihnen zugefügten Schaden durch Plünderungen und Fortführung der Heerden. Nach der Einnahme Maskaras war der Emir fast allein in Kaschruh bei den Gräbern seiner Vorfahren geblieben. Beinahe alle Stämme, selbst die Haschem, aus denen er hervorgegangen, waren ihm untreu geworden; nur das unbegrenzte Vertrauen auf sein Glück und seine göttliche Sendung hatte ihn nicht verlassen. Seit dem Rückzuge der Franzosen begannen seine Kräfte zu erstarken und gar bald stand der Emir wiederum da, ausgerüstet mit aller der Macht, welche ihn in seiner besten Periode um geben hatte. Seit einem Jahre waren die Türken und Kuluglis un ter dem unversöhnlichsten Feinde des Emirs Mustapha-ben Ismael im Meschuar von Tlemsen eingeschlossen und be lagert worden. Auf ihr Bitten eilten die Stämme Angad zu ihrem Entsatz herbei, wurden jedoch von Abd -el-Kader geschlagen, bei welcher Gelegenheit ihr Anführer eine lebens gefährliche Verwundung erhielt. Kaum hatte Marschall Clauzel von diesen Vorfällen Nachricht erhalten, so marschirte er am 8. Januar 1836 an der Spitze von 7500 Mann aus Oran. Dieses Corps war in drei Brigaden getheilt, von denen die erste von dem Ge neral Perregaux kommandirt, aus dem 2. Regimente Chas seurs d'Afrique bestand, den Zuaven, zwei Kompagnien Sappeurs , aus dem Elitenbataillon, * ) dem 17. leichten, den Duern , den Smelas und zwei Gebirgshaubitzen . Die zweite Brigade d'Arlanges enthielt das erste afrikanische *) Dasselbe war aus den vier Eliten-Compagnieen des 2. leich ten Regiments und den drei aus Algier gekommenen Eliten- Com pagnieen formirt. Heim , Kriege in Algier. 1. Bd.
16
242 Bataillon, das 66. Linien-Regiment und zwei Gebirgs haubitzen. Die dritte endlich bestand aus dem 11. Linien Regiment unter dem Befehle des Obersten Vilmorin und zwei Gebirgshauhitzen.
Mit diesen Truppen bivouakirte der Marschall die erste Nacht bei Bridia, den 9. an den Ufern des Ued-Melah oder Rio- Salado und zwar an demselben Orte, wo Barbarossa im Jahre 1517 durch die Spanier getödtet wurde. Als Clauzel am 12. an den Ufern des Aamiguer lagerte, empfing er von Mustapha -ben-Ismael ein Schreiben mit der Nach richt, dass der Emir und die Hadars (Stadtbewohner) die Stadt geräumt hätten und dass das Lager der Araber sich am Berge Auchba etwa eine Meile östlich von Tlemsen befände. Bereits am 13. gelangte die Kolonne in die schöne Ebene von Tlemsen , wo Mustapha sie erwartete und mit dem Marschall eine lange Unterredung hatte. Das Zusam mentreffen dieser beiden Kriegergreise , beide gleich frisch an Körper wie an Geist, beide berühmt unter ihren Lands leuten, bot ein anziehendes, selbst grossartiges Schauspiel dar. Eine Stunde später hielten die französischen Truppen ihren Einzug in Tlemsen, dessen Besitznahme mit ausge zeichneter Ordnung bewerkstelligt wurde. Den von den Türken und Juden bevölkerten Meschuar ausgenommen , war die Stadt verlassen ; indessen fand man darin viele Lebensmittel, da die Bewohner bei der Eile ihrer Flucht weder die Zeit noch die Macht gehabt hatten, Alles in Sicherheit zu bringen. Am 15. Januar liess Clauzel die erste und zweite Brigade und die Türken und Kuluglis ge gen Abd-el - Kader ausrücken. Man manövrirte derartig , dass es gelungen wäre den Emir zu umzingeln , wenn er sich nicht eiligst zurückgezogen hätte. Indessen glückte es dem Major Jusuf an der Spitze der arabischen Aliirten die feindliche Infanterie einzuholen und sie von ihrer Ka vallerie abzuschneiden. Abd- el- Kader selbst musste sein Heil in der Flucht suchen und verdankte, von Jusuf und 50 Reitern 5 Stunden lang verfolgt, seine Kettung nur der Schnelligkeit seines Pferdes . Die Folge dieses Gefechts
243 war, dass sich in der darauf folgenden Nacht Sidi- Hamadi ben-Scal, der ehemalige Kaid von Tlemsen mit einem gros sen Theile der entflohenen Bevölkerung dem General Perre gaux ergab. Am 17. kehrten die Brigaden mit 2000 Ge fangenen nach der Stadt zurück. Abd-el-Kader hatte bei dieser Affaire einen bedeutenden Theil seiner Bagage, ei nige Pferde und eine Fahne verloren. Die Umgegend Tlemsens ist überaus fruchtbar und blühend und nach Blidah vielleicht der schönste Theil Nordafrikas, was bei dem äusserst öden und traurigen Charakter der übrigen Provinz Maskara um so auffallender ist. Die Stadt selbst liegt auf einem Plateau, das schon vor hundert Jahren die Bewunderung des berühmten Rei senden de Shaw erregte. Der Boden ist mit dem herr lichsten Buschwerk bedeckt und europäische und afrikani sche Pflanzen wechseln hier in bunter Farbenpracht man nigfaltig ab. Quellen und Bäche durchrieseln die Gegend, bilden Cascaden und erhalten die Frische der Vegetation und die Gesundheit der Bewohner. Tlemsen war früher die Hauptstadt eines mächtigen Reiches und noch heute geben die Ruinen eine Idee von der Wichtigkeit derselben, ehe sie Hassan-Dey im Jahre 1670 wegen Empörung der Bewohner zerstören liess. Der herrliche Anblick, den die Umgebung Tlemsens gewährt, erzeugte in dem Marschall die unglückliche An sicht, dass die durch vielfaches Kriegsunglück scheinbar verarmte Bevölkerung grosse Reichthümer verborgen haben müsse. In Folge dessen befahl er die Aufbringung einer Contribution, welche die Kosten des Zuges und einer Gra tification für die betheiligten Truppen decken sollte. Die armen Bewohner, welche niemals einen feindseligen Akt gegen Frankreich begangen hatten, geriethen in Verzweif lung, aber alle ihre Bitten blieben fruchtlos und die Ein treibung wurde einem Juden aus Oran, Namens Cassery und dem Major Jusuf übertragen und mit schonungsloser Härte ausgeführt. Frauen wurde der Schmuck aus den Ohren gerissen, Männer erhielten die Bastonnade oder wur den in's Gefängniss gesetzt, und dennoch kamen statt der 16 *
244 befohlenen 2,000,000 Francs nur 95,000 zusammen.
Wohl
mag der Krieg viele Dinge nothwendig machen und ent schuldigen, aber den Fluch des Brennus auch auf Alliirte und Freunde auszudehnen, war weder ehrenhaft noch po litisch vom General Clauzel. Während seine Agenten be müht waren, die Contribution einzutreiben, organisirte der Marschall ein zur Besatzung des Meschuar bestimmtes Volontairbataillon unter dem Kommando des in der Armee in höchster Achtung stehenden Geniecapitains Cavaignac. Das Zurücklassen eines einzigen Bataillons bleibt wie derum eine der unbegreiflichen Massregeln Clauzels, da Tlemsen, nachdem man Maskara aufgegeben hatte, viel zu weit ausser dem Bereiche der französischen Operations wirksamkeit lag. Ausserdem wurde es dadurch nothwen dig, zur Sicherung der 16 Meilen langen Strasse nach Oran eine Befestigung anzulegen, und zwar schien die nur 5 Mei len entfernte Tafnamündung, von wo aus man die genannte Stadt zu Wasser erreichen konnte, dem Marschall hierzu trefflich geeignet. Zu diesem Zwecke brach er am 25. Januar 1836 mit der 2. und 3. Brigade, einigen Eskadrons Chas seurs und eingeborenen Hülfstruppen von Tlemsen auf, um längs dem Laufe der Tafna die Mündung derselben zu erreichen. Indessen hatte die Expedition nicht den Er folg, den man sich davon versprochen. Clauzel durchzog die Ebene Remscha, am Zusammenfluss der Tafna mit dem Isser, ohne etwas vom Feinde anzutreffen, erhielt jedoch während der Nacht die Nachricht, dass der Gebirgspass oberhalb derselben von den Truppen Abd - el- Kaders besetzt sei. In der That bewiesen zahlreiche Feuer in der Nacht vom 25. zum 26. die Anwesenheit des Feindes auf beiden Ufern der Tafna. Am Morgen des 26. überschritt der Marschall mit allen seinen Truppen den Isser, das 11. Linien-Regiment ausge nommen, welches am linken Ufer zum Schutze der Kran ken und des Gepäcks zurückblieb ; deren Beförderung zur See nach Oran von Raschgun aus bewerkstelligt werden sollte. Der Kommandeur der 2. Brigade, der General d'Arlanges
erhielt
Befehl mit dem 1. Bataillon leichter
245 afrikanischer Infanterie, den von Mustapha kommandirten arabischen Hülfstruppen und etwa 300 Türken unter dem Major Jusuf die zur rechten gelegenen Höhen zu besetzen. Der Oberst Gouy sollte mit dem 2. Regiment der Chasseurs d'Afrique und einem Bataillon vom 66. Linien -Regimente den Feind, sobald er aus seinen Stellungen herausgetrie ben wäre, am Fusse der Höhen erwarten. Das 2. Bataillon vom 66. Linien-Regimente stand zwischen den Oberst Gouy und der Bagage. Abd- el-Kader befand sich mit etwa 2000 Reitern auf einer kleinen Anhöhe, an deren Fuss ungefähr 1000 Infan teristen aufgestellt waren. Von den Kabylen vom Stamme Uelassa waren die Höhen auf dem linken Ufer der Tafna besetzt, während einige Reiter diesen Fluss passirt hatten und sich auf der Ebene vor dem 11ten Linien-Regiment befanden, so dass die Feinde einen Halbzirkel um die fran zösische Aufstellung formirten. Der Kampf begann um 10 Uhr Morgens , wo sich Mustapha auf die Truppen des Emirs stürzte. Dieser erwartete jedoch , da er zugleich dem Feuer der Artillerie des General d'Arlanges ausgesetzt war , den Angriff nicht, sondern zog sich in die Ebene hinunter. Bei dieser Gele genheit wurde er von einem Theile seines linken Flügels getrennt , der sich auf die Höhe des Gebirges zurückzog und keinen Antheil mehr am Kampfe nahm . Der durch. diesen ersten Erfolg ermuthigte Mustapha begann sofort Abd - el - Kader zu verfolgen . Als er aber in die Ebene kam, bemerkte der Feind die geringe Anzahl seiner Gegner, machte sofort Kehrt und würde dieselben ohne Zweifel in die Berge gejagt haben , wenn ihnen nicht der Oberst Gouy mit seinem Regimente und einem Bataillon vom 66sten Linien-Regimente zu Hülfe gekommen wäre. Nur mit Mühe gelang es Abd- el-Kader das andere Ufer der Tafna zu erreichen, wohin ihn Gouy, der das Ufer besetzte , ebenfalls verfolgte . Der Kampf dauerte bis 4 Uhr , um welche Zeit die Truppen in ihre Bivouakplätze zurück kehrten. Der Verlust der Franzosen war sehr unbedeu
246 tend * ) Die Kuluglis trugen bei ihrer Rückkehr in's Lager die Köpfe der getödteten Feinde auf ihren Bajonetten. Auch der greise Mustapha hatte an diesem Tage wiederum bedeutende Beweise kriegerischer Geschicklichkeit und jugendlichen Muthes an den Tag gelegt. Ebenso hatten die Truppen Abd- el-Kaders mit Todesverachtung gefochten. Ein Fahnenträger, der von dem Souslieutenant Savary ver folgt wurde und nahe daran war eingeholt zu werden, rettete das ihm anvertraute Gut, indem er sich von der höch sten Spitze eines Felsens herunterstürzte. Die nächstfolgende Nacht verging ohne alle Störung und die nur spärlich auf den Bergen brennenden Feuer deuteten an , dass der Feind geneigt sei , sich zurückzu ziehen. Nichtsdestoweniger entschloss sich der Marschall, ehe er seinen Marsch weiter fortsetzte, eine starke Abthei lung zur Recognoscirung voranzusenden. In dem Augen blicke jedoch, als dies geschehen sollte, traf die Nachricht ein, dass sich der Feind in einer Stärke von 8-10,000 Mann von Westen her dem Lager nähere. In Folge dessen wurde der Convoi aus der Ebene auf ein Plateau heraufgebracht und à cheval der nach Tlemsen führenden Strasse etwas hinter seiner Position zurück aufgestellt. Ebenso besetzten die beiden Brigaden die Höhen zur rechten und linken desselben Weges. Die Kavallerie wurde in der Ebene am Fusse der Berge aufgestellt , während die Hülfstruppen sich an dem linken Flügel der französischen Infanterie anschlossen. Kaum waren diese Anordnungen in's Werk gesetzt, als auch schon der Feind die Kavallerie und die Hülfs truppen zu gleicher Zeit angriff. Die Kuluglis widerstan den der Heftigkeit des Anpralls nicht und zogen sich auf die Brigade d'Arlanges zurück. Auch die Kavallerie musste der unverhältnissmässigen Uebermacht nachgeben und zog
*) Nach den Berichten betrug der Verlust der Franzosen nur drei Mann . Im Uebrigen pflegt dies bei ihnen die stereotype Anzahl zu sein , wenn angeblich einige Hundert Feinde ge tödtet sind.
247 sich langsam zurück. Ein lebhaftes Gewehrfeuer auf dem linken Flügel und im Centrum wurde nach kurzer Dauer vom Feinde plötzlich abgebrochen , der sich zwar in Ord nung aber mit grosser Eile zurückzog , ohne dass eine Be wegung der französischen Linie diesen Schritt motivirt hätte. Sehr bald jedoch stellte es sich heraus , dass der selbe durch die unerwartete Ankunft eines Theiles der Brigade Perregaux's veranlasst worden, dem der Marschall bereits im Verlaufe der Nacht geschrieben hatte. Die Truppen hatten sich auf die linke Seite der nach Tlemsen führenden Strasse geworfen , um so den Arabern in den Rücken zu fallen. Diese wären dadurch zwischen zwei Feuer gerathen, wenn der Emir es nicht vorgezogen hätte, sich zurückzuziehen und sein Lager eine Meile stromauf wärts an der Tafa aufzuschlagen. Hier hatte derselbe eine so ausgezeichnete und feste Position gewählt, dass Clauzel es trotz seiner beiden Siege aufgab, den Weg nach Rasch gun zu erzwingen. Er war zu der Ueberzeugung gekom men , dass der von steilen Schluchten durchschnittene Bo den der Passage grosse Schwierigkeiten darbieten möchte, zumal derselbe von kriegerischen Kabylenstämmen bewohnt war , die Alles aufbieten würden , um die Franzosen am Durchzuge zu verhindern. Als Clauzel am 28sten seinen Rückmarsch antrat, wurde er sofort von 1000 Reitern , die dieses Zurückgehen für Schwäche gehalten hatten, verfolgt. Nachdem jedoch einige Kugeln der Artillerie ihre Reihen etwas gelichtet hatten, nahmen sie von ihrem Vorhaben Abstand , und die Ko lonne traf Nachmittags 4 Uhr wiederum wohlbehalten in Tlemsen ein. Inzwischen hatte der Oberstlieutenant Beaufort , der während der Abwesenheit des General d'Arlanges in Oran kommandirte , auf Befehl des Marschalls mehrere Schiffe mit dem zu den Befestigungsarbeiten nöthigen Material nach Raschgun geschickt. Diese Fahrzeuge kamen erst in dem Augenblicke dort an, als die Armee bereits wiederum in Tlemsen eintraf.
248 Indessen erzeugten sie dennoch in den Kabylen vom Stamme Uelassa die Furcht vor einem combinirten An griffe von der Land- und Wasserseite , in Folge deren sie an Clauzel ein Schreiben voll unterwürfiger Redensarten richteten. Als aber die Schiffe nach einigen Tagen wieder ver schwanden, liessen sie es bei diesem ihrem ersten Schritte bewenden. Nachdem der Meschuar in guten Vertheidigungszustand gesetzt und hinlänglich mit Lebensmitteln versehen war, verliess die mit einem für acht Tage reichenden Mund vorrath ausgerüstete Armee am 7. Februar 1836 Oran . Entweder um den Feind zu täuschen , vielleicht auch um einen andern Theil des Landes zu recognosciren , schlug der Marschall nicht den Weg ein , den er auf seinen Hin marsche benutzt hatte , sondern den nach Maskara füh renden. Das Terrain, welches das Expeditionscorps in den bei den ersten Tagen zu passiren hatte , war äusserst coupirt und das Ingenieurcorps blieb fortwährend in Arbeit, um die dem Transport des Convois entgegenstehenden Schwie rigkeiten hinwegzuräumen . Am 9ten erreichte die Armee den Kamm des sich zwischen Oran und Tlemsen hinziehenden Gebirges und bivouakirte unweit der Quellen des Rio - Salado an der Stelle , wo die Strasse von Oran sich von der nach Mas kara führenden trennt. Nur ganz unbedeutende Schar mützel hatten im Laufe des Tages stattgefunden ; während der Nacht jedoch schlichen sich einzelne Araber in das französische Lager und stahlen daselbst Gewehre. Als sich das Expeditionscorps am 10ten in Marsch setzte , erschien der Feind in bedeutend grösserer Anzahl wie in den beiden vorhergehenden Tagen. Um 8 Uhr Morgens griff Abd-el-Kader in eigener Person die Arrière garde mit ziemlich beträchtlichen Streitkräften an . Nichts destoweniger würde hierdurch weiter kein Aufenthalt ent standen sein, wenn nicht der Boden noch immer so viele Schwierigkeiten dargeboten hätte , dass die Arbeiten der
249 Pioniere geraume Zeit in Anspruch nahmen.
Während
dessen nahm die Brigade Perregaux , die die Arrièregarde bildete, Position und hielt das Andrängen des Feindes zu rück. Gerade in einem Augenblicke , als das Feuer unge mein lebhaft war , ereignete sich ein ganz unbedeutender Vorfall, der aber einen Beweis für die Geistesflüchtigkeit und die Charakterähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Nationen giebt. Ein Eber nämlich , wahrscheinlich durch das Knallen der Gewehre aufgeschreckt , lief zwischen der arabischen und der französischen Feuerlinie hindurch. So fort hörten beide Parteien auf gegen einander zu schiessen, Alles richtete seine Gewehre auf den neuen Ankömmling und überall hörte man Scherze und Zurufe , so dass der Kampf auf Leben und Tod sich plötzlich in eine gross artige Treibjagd verwandelt hatte. Als es nichtsdestowe niger dem glücklichen Thiere gelang , mit heiler Haut da vonzukommen , nahmen die Kugeln wiederum ihre vorige Richtung . Am nächstfolgenden Tage wiederholte der Feind seine Angriffe mit verdoppelter Heftigkeit , aber der Marschall wusste dieselben, ohne sich irgendwo ernsthaft einzulassen, vollständig durch seine Manöver zu paralysiren. Er liess die gauze Armee en échelons zurückgehen , nahm bald den einen, bald den andern Flügel zum Pivot, stets bereit den Feind zu debordiren und sich auf seine schwächsten Stellen zu werfen.
Abd-el-Kader ermüdete Angesichts dieser mit grosser Geschicklichkeit ausgeführten Manöver sehr bald und zog seine Truppen ausser Kanonenschussweite zurück. Fast ohne Kampf legte der Marschall den Rest des Weges zu rück und hielt endlich am 12ten seinen Einzug zu Oran. Trotzdem die Macht Abd-el- Kaders verhältnissmässig nur sehr wenig gelitten , im Gegentheil sein moralischer Einfluss durch die falschen Massnahmen der Franzosen nur zugenommen hatte , erliess Clauzel dennoch nach seiner Rückkehr eine emphatische Proclamation, deren ungefährer Inhalt war , dass dem Emir jetzt nach Beendigung des Krieges nichts übrig bliebe , als in den Schluchten des
250 Atlas oder in den Wüsten der Sahara die Folgen seines Aufruhrs und seiner Verrätherei zu büssen. Während der Expedition nach Tlemsen war auch die Besatzung von Oran allerlei Angriffen und Scharmützeln von Seiten des Stammes Garaba ausgesetzt gewesen , der dieselbe an Erneuerung der Holzvorräthe verhindern wollte. Die Weiber und Kinder der Duer und Smelaer , deren Männer am Zuge des Corps hatten Theil nehmen müssen , waren durch diese fortwährenden Angriffe sogar genöthigt worden , ihre schönen fruchtbaren Weiden zu verlassen und sich unter den Schutz des Blockhauses und der Kano nen der Stadt zu flüchten. Gegen Ende des Monat Februar 1836 kehrte der Mar schall nach dreimonatlicher Abwesenheit wiederum nach Algier zurück, nachdem er den General Perregaux zu Oran mit dem Auftrage zurückgelassen hatte, einige Excursionen in der Provinz zu unternehmen. Wenige Tage darauf sah sich derselbe schon genöthigt, eine Razzia gegen die Garabas anzuordnen, da es in Oran schon seit langer Zeit an Fleisch mangelte. Dieselbe wurde mit grosser Schnelligkeit ausgeführt, und 2000 Stück Vieh befanden sich bereits in den Händen der Franzosen , ehe die Gegner nur daran denken konnten, dieselben in Sicher heit zu bringen. Gegen Mitte des Monat März verliess Perregaux zum zweiten Male Oran mit einem Bataillon vom 11ten Linien-, einem vom 66sten und einem vom 17ten leichten Regi mente, einigen Escadrons Chasseurs d'Afriques, 3 Feld- und 3 Gebirgsgeschützen und den Reitern von Mustapha-ben Ismael. Diese Expedition dirigirte sich an diejenige Stelle des rechten Ufers der Habra , wo der Marschall Clauzel am 3. Dezember auf seinem Marsche nach Maskara ge lagert hatte. Von hier aus unternahm der General mit einem Theile seines Corps Expeditionen gegen widerspenstige Stämme und bestrafte dieselben durch Wegnahme von Weibern , Kindern , Vieh und Getreide. Mehrere Stämme benutzten jedoch bereits das Frühjahr zur Bestellung ihrer Felder uud verliessen dieselben auch nicht bei Annähe
251 rung der Franzosen, sondern führten ihnen ein aufgezäum tes Pferd, das bei den Arabern übliche Zeichen der Unter werfung, entgegen. Mit dem anderen nicht zu den Expe ditionen verwandten Theile seines Corps errichtete der General aus seinem Bivouaksplatze ein festes Lager , deren Nützlichkeit man bereits bei verschiedenen Expeditionen erprobt hatte. Da die Araber es nämlich nicht verstehen sich derselben zu bedienen , es auch nicht für werth hal ten, sie zu zerstören , so kann man sie im Gebrauchsfalle besetzen , ohne dass man sich sonst um dieselben zu be kümmern braucht. Das Expeditionscorps durchzog das Scheliffthal , ohne irgendwo auf ernstlichen Widerstand zu stossen. Im Gegentheil erwarb sich General Perregaux durch die Würde und das Einnehmende seiner Manieren, durch seine ausserordentliche Gerechtigkeitsliebe und strenge Mannszucht , die Liebe und Achtung der Eingeborenen. Und in der That wäre man im Besitze von Maskara ge blieben, hätte man diesen Stämmen einen Bey nach ihrem Wunsche gegeben , man würde hier mit Leichtigkeit eine arabische Macht erschaffen haben , die der Abd - el-Kaders das Gleichgewicht gehalten hätte. Um dieselbe Zeit , als diese Expedition ausgeführt wurde , marschirte der General d'Arlanges an der Spitze eines kleinen Corps von 1200 Mann nach Westen bis nach Bridiah vor, wo er einzelne Verschanzungen anlegte. Abd el-Kader befand sich während dieser Zeit zu Ain-el-Huth in der Nähe von Tlemsen, und wartete dort auf eine gün stige Gelegenheit von Neuem handelnd aufzutreten . Die selbe liess nicht lange auf sich warten. Als Clauzel nach Algier zurückkehrte , fand er das Land noch völlig in demselben Zustande , in welchem er es verlassen hatte, d. h. noch immer durch die Räubereien der Hadschuten beunruhigt. Auch im Anfange des Monat März wurden wiederum in dem westlichen Theil der Ebene resultat- und zwecklose Operationen unternommen , an die man in Algier schon gewöhnt war und deren Clauzel be durfte, um durch pomphafte Bulletins , das siegeseitle Frank reich zu begeistern .
252 Unterdess fasste der Minister , der durch die fortwäh rend über den Zustand des Landes einlaufenden günstigen Berichte getäuscht wurde , den Entschluss , das Budget wiederum auf seine frühere Höhe zurückzuführen , indem man die Truppen auf ihre Zahl vor der Expedition nach Maskara reducirte. Den Befehl dazu überbrachte einer seiner Adjutanten der Oberstlieutenant Carue nach Algier. Der Marschall , der durch seine officiellen Berichte diese unzeitige Massregel provocirt hatte , war dennoch ent schlossen, ihre Ausführung so lange wie möglich zu hinter treiben. Er fügte sich und zwar insoweit dem ihm zuge kommenen Befehle, dass er die zur Ueberfahrt nach Europa bestimmten Truppen bezeichnete, die Abfahrt aber hinaus schob, bis die Expedition des General Perregaux und eine andere, welche er selbst projectirte , beendigt sein würde. Es hatte nämlich sowohl der Marschall wie Abd- el Kader einen Bey zu Medeah ernannt. Da der Candidat des Letzteren seinen Herrn , nachdem ihm das Glüek un treu geworden schien, verlassen , so glaubte er unbedenk lich im Besitze seiner Gewalt bleiben zu können , umso mehr als der französische Mitbewerber keine Gegendemon stration wagte. Der Marschall war entschlossen , diese Irrungen zu beenden und mit allen ihm zu Gebote stehen den Mitteln einen Zug nach jenem Orte zu unternehmen . Zu diesem Behufe vereinigten sich am 29. Mai 1836 vier Brigaden unter den Generalen Desmichels und Bro und den Obersten Königseck und Hoguet zu Buffarik. Nach dem sich diese Heeresabtheilung am 30. März in Bewe gung gesetzt , sah sich die Colonne durch einen grossen Haufen Araber und Kabylen mit Nachdruck angegriffen. Dies verhinderte jedoch nicht das weitere Vorrücken der Franzosen , die die Nacht in der Nähe der Meierei von Muzaia zubrachten. Hier liess der Marschall sämmtliche Wagen unter dem Schutze eines Bataillons Militairsträflinge zurück , welche man zu diesem Zwecke bewaffnet hatte und deren Füh rung während der ganzen Campagne nichts zu wünschen übrig liess. Am 31sten drang die Armee in folgender Ord
253 nung in's Gebirge ein. Die von Brô commandirte Avant garde bestand aus den Zuaven , dem 2ten leichten , dem 3ten afrikanischen Bataillon und 2 Gebirgshaubitzen und marschirte in zwei Colonnen, von denen die eine den Weg nach Medeah verfolgte, die andere auf einem Höhenzuge Hinter dem General zur linken der Strasse marschirte. Brô zog der General Rapatel mit dem 13ten Linien - Regi Der Marschall zog rechts mente und die Feldartillerie. davon mit der ganzen Kavallerie , dem 63sten Linien-Regi ment und zwei Geschützen auf der Strasse nach Milianah und säuberte dieselbe durch einige gut gezielte Kanonen schüsse von einigen Haufen Arabern , die darauf Position genommen hatten. Alsdann näherte er sich wiederum dem Rest der Armee, die sich auf ein Plateau dirigirte, welches den Uebergang von den Vorbergen zu den felsigen Partien des Atlas bildet. Am 1. April um 8 Uhr Morgens stand man endlich dem bereits aus dem November des Jahres 1830 berühmten Engpasse von Teniah gegenüber. Um densel ben zu nehmen , erhielt der General Bro Ordre mit den Zuaven , dem 3ten afrikanischen und dem 2ten leichten Bataillon über die Berge zur linken zu gehen. Die Ter rainschwierigkeiten waren indessen so ausserordentlich, dass an ein Mitnehmen von Artillerie gar nicht zu denken war. Während das 13te Linien-Regiment auf der Strasse vor rückte, besetzte der General Brô die wegen Ermüdung der Truppen Halt den Engpass beherrschenden Puncte gegen Mittag gelang es , besonders
Berge, musste jedoch machen , ehe er die erreicht hatte. Erst durch die Hülfe der
Zuaven, die Kabylen aus ihren Positionen zu vertreiben, so dass man die Nacht auf den Höhen des Gebirges bivouakiren konnte. Um diesen stets mit grossen Verlusten verbundenen Kämpfen am Engpasse für künftige Fälle vorzubeugen, be schloss Clauzel , eine fahrbare Strasse anzulegen , deren Bau er sofort mit gewohnter Energie begann. Das mit eben so vieler Kühnheit als Geschick ange legte Werk , welches den den Franzosen so vielfach ver derblichen Gebirgspass von Teniah endlich sprengte und
254 für die Artillerie zugänglich machte, erfüllte selbst die Araber mit Bewunderung für das Genie und den Muth ihrer Feinde. Als die Nachricht, dass die Franzosen bei Teniah lager ten , zu Medeah eintraf, flüchteten die sämmtlichen Bewoh ner , mit Ausnahme der Kuluglis , etwa 30 Hadars und einigen Juden. Am 4. April glückte es General Desmichels mit einem kleinen Corps und ohne sonderlichen Kampf bis nach Medeah vorzudringen und von hier aus in den nächstfolgenden Tagen einzelne Razzias gegen benachbarte Stämme, welche den früher von den Franzosen eingesetz ten Bey Mohammed nicht hatten anerkennen wollen , zu unternehmen . Am 7. April trat die Armee ihren Rückmarsch nach Algier an , das sie zwei Tage später erreichte . Der Ver lust der Franzosen betrug während dieser zehntägigen Campagne 300 Todte und Verwundete ; also mehr als bei den beiden Expeditionen nach Maskara und Tlemsen zu sammengenommen.
Unmittelbar nach der Rückkehr fand die Einschiffung der Truppen nach Europa statt. Auch Clauzel verliess am 14. April Afrika , um nach Paris zu eilen , wo er die Budgetschlacht für die Kolonie Algier, welche alljährlich frisch geliefert wurde, als Redner mitschlagen wollte. Es ist bereits oben erwähnt, dass der Marschall Clauzel , ehe er die Provinz Oran verliess , dem General d'Arlanges den Auftrag gab , an der Ausmündung der Tafna ein Lager zu erbauen , vermittelst dessen man eine Verbindung mit Tlemsen herstellen könnte. D'Arlanges, dessen Streitkräfte bereits durch die Abreise des elften Linien-Regiments bedeutend vermindert waren , wünschte diesen Auftrag auszuführen, ehe anderweitige Reductionen ihm jede Möglichkeit einer Unternehmung abschnitten. Er verliess deshalb am 7. April mit 3000 Mann aus allen Truppengattungen und acht Geschützen Oran, überschritt am 13ten den Rio Salado und bivouakirte am genannten Tage in der Ebene Zeidur.
255 Einzelne kleine Scharmützel abgerechnet war der Marsch ohne jede Störung von Statten gegangen. Am 15ten traf Mustapha jedoch mit seinen Reitern auf die ebenfalls aus Kavallerie bestehende Avantgarde Abd-el- Kaders und zwang dieselbe sich zurückzuziehen. Er sah sich genöthigt um Unterstützung zu bitten, da er bei dieser Gelegenheit einer grossen Masse Infanterie ansichtig wurde, der den Rücken zu kehren er sich scheute. Zur Deckung dieser Bewegung schickte ihm General d'Arlanges die Chasseurs d'Afrique, zugleich aber den Befehl , ungesäumt den Rückzug an zutreten. Inzwischen hatte jedoch die Infanterie Abd - el- Kaders durch eine Flankenbewegung den Rückzug unmöglich ge macht und sogar die Chasseurs in Gefahr gebracht. Sobald d'Arlanges dies bemerkte, liess er ein Bataillon vom 17ten leichten Regimente und zwei Geschütze avanci ren und befreite auf diese Weise die Kavallerie . Mustapha aber anstatt von dieser Sachlage Vortheil zu ziehen , und geordnet zurückzugehen, verliess seine Truppe, eilte selbst zum General d'Arlanges und bat ihn um neue Verstärkun gen , da jetzt der Augenblick gekommen sei , den Feind gänzlich zu schlagen . Während dieser Zeit wurde seine Kavallerie angegriffen und zersprengt und brachte, indem sie sich auf das Bataillon vom 17ten Regiment warf, auch dieses in Unordnung. Unter solchen Umständen kam der General, der einem ernsthaften Gefechte gern aus dem Wege gegangen wäre, - zu der Ueberzeugung , dass der Kampf unvermeidlich sei. Nachdem er deshalb die Bagage unter dem Schutze des 66sten Linien-Regiments und des Geniecorps zurückgelassen hatte , rückte er selbst mit dem Reste seiner Streitkräfte vor. Der Zusammenstoss war nur von kurzer Dauer, aber äusserst heftig. Die aus den Kabylen der Umgegend zu sammengesetzte Infanterie schlug sich mit bewunderungs würdiger Tapferkeit und ging erst da zurück , als sie mit einem Hagel von Kartätschen überschüttet wurde. Ihr Ver lust muss sehr bedeutend gewesen sein ; da die Araber aber selbst beim heftigsten Feuer und trotz des unaufhalt
256 samen Nachdrängens der Feinde ihre Todten und Verwun deten aus dem Gefechte herauszutragen pflegen , so lässt sich ihre Einbusse nicht bestimmen. Die Franzosen hatten 10 Todte und 70 Verwundete. Obgleich der Kampf bis Mittag gedauert hatte , war der General dennoch entschlossen, seinen Weitermarsch an die Tafna sofort anzutreten. Mustapha bemühte sich um sonst ihn von diesem Vorhaben zurückzuhalten . Er stellte dem General d'Arlanges vor , dass es nach einem unent schiedenen Kampfe die grösste Tollkühnheit sei, in ein von Kabylenstämmen dicht bevölkertes Gebirge einzudringen ; dass die französische Armee Gefahr liefe , einzeln todt geschossen zu werden, bereits ehe sie die Tafna erreichte ; dass selbst , wenn dies auch glücken sollte , das Corps im Lager umzingelt und an der Beschaffung der nothwendig sten Lebensmittel verhindert werden könnte. Unter solchen Umständen, setzte er ferner hinzu, sei es das einzige Rath same, auf der Stelle stehen zu bleiben , da die Kabylen unzweifelhaft ihre Angriffe erneuern würden , in welchem Falle es leicht sei, dieselben gänzlich zu schlagen und sich hierdurch den Weg in ihre Berge zu öffnen. Der General blieb jedoch für alle diese Raisonnements taub , indem er im Gegentheil glaubte , dass die Kabylen , wenn er seinem Vorrücken Einhalt thäte, nur noch dreister und übermüthi ger werden würden und gab den Befehl zum sofortigen Aufbruch. Auch erreichte man wirklich, vom Feinde nur wenig beunruhigt , gegen Abend die Ufer der Tafna, zwei Meilen oberhalb ihrer Mündung. Am 16ten gelangte das Expeditionscorps an den Aus fluss selbst, gegenüber Raschgun , wo sich seit fünf Mona ten eine kleine Garnison befand. Das Lager für die Truppen wurde auf dem rechten Ufer des Flusses aufgeschlagen, nachdem eine starke Truppenabtheilung zur Besetzung des linken Ufers abgesandt war. Gleichzeitig wurden von die sem Tage an die genannten Fortificationswerke unter Lei tung des eifrigen und einsichtsvollen Oberstlieutenant Le mercier vom Ingenieurcorps in Angriff genommen.
257 Sehr bald begannen sich die Prophezeihungen Musta phas zu bewahrheiten ; sämmtliche umwohnenden Kaby lenstämme standen in Waffen und die zum Fouragiren commandirten Mannschaften wurden fortwährend durch Abd-el -Kaders Eclaireurs beunruhigt. Da sich indessen seine Hauptmacht nirgends zeigte, beschloss d'Arlanges am 24sten eine Recognoscirung des Feindes zu unternehmen und verliess zu diesem Behufe mit der gesammten Infan terie das in aller Schnelligkeit aufgeworfene , aber noch immer im Bau begriffene Lager. Nachdem sich am näch sten Morgen die Kavallerie mit der Infanterie vereinigt hatte , setzte sich das Corps gegen den Marabut und das Dorf von Sidi-Yagub, westlich von der Strasse nach Tlem sen in Bewegung. Kaum war man in die gebirgigeren Gegenden eingedrungen, so zeigten sich auch bereits auf allen Höhen einzelne Kabylenhaufen ; im afrikanischen Kriege ein untrügliches Zeichen grösserer im Hintergrunde be findlicher Streitmassen. Nichtsdestoweniger setzte der Ge neral seinen Marsch fort, trotzdem seine Infanterie nur aus 1500 Mann bestand und er die Nachricht erhalten hatte, dass Abd- el - Kader seine Armee durch Heranziehung des Stammes Garaba und durch marokkanische Truppen ver stärkt hatte. Alsbald traf die Kolonne auf ein kleines, nicht zahlreiches Lager, von dem man nur durch eine Schlucht getrennt war und dessen Bewohner durch einige gut ge zielte Kanonenschüsse verjagt wurden. Indessen kehrten dieselben nach kurzer Zeit mit bedeutender Verstärkung zurück, so dass es nun dem General d'Arlanges gefährlich schien, sich mit der bedeutenden Uebermacht in einen ernst haften Kampf einzulassen und er den Beschluss fasste , in das Lager an der Tafna zurückzukehren . Ehe dies mög lich war , mussten die Kavallerie und die verbündeten ara bischen Truppen gesammelt werden , die sich bei Verfol gung des Feindes in dem coupirten Terrain zerstreut hatten, worüber eine Stunde verging. Inzwischen war die Zahl der Feinde von Minute zu Minute gewachsen, die Franzosen sahen sich plötzlich von 10,000 Reitern umgeben, die sich unter Abd- el-Kaders Heim , Kriege in Algier 1. Band . 17
258 persönlicher Leitung mit fanatischer Wuth auf die beiden Kolonnen stürzten. Die französischen Tirailleurs, welche den Marsch nach allen Seiten decken sollten , liessen sich durch die Kabylen, welche ihnen mit Gewehren, Yatagans oder Stöcken entgegeneilten verleiten , häufig aus der De fensive in die Offensive überzugehen ; sie vernachlässigten hier bei die Deckung des Gros , feuerten in der Hitze des Kampfes alle ihre Patronen ab und zogen sich dann auf die Kolon nen zurück, wo sie die schon bestehende Unordnung noch vermehrten. Zugleich aber hinderten sie häufig durch diese unüberlegte Kampfesweise die Artillerie, welche die Kabylen mit Kartätschen und Granaten überschüttete, am Abgeben ihrer Schüsse, indem die französischen Soldaten sich oft in buntestem Gemisch mit den arabischen Kriegern befan den. Mehrmals geriethen die Geschütze, die einzige Hoff nung des Expeditionscorps, in Gefahr abgeschitten zu wer den, so dass es einiger Bajonett-Angriffe und Attaquen des tapfern Duer- Chefs Mustapha- ben-Ismael und der Chasseurs unter ihrem Capitain Bernard bedurfte, um dieselben wieder frei zu machen. Trotzdem der Weg zum Lager nur 1½ Meilen betrug, gebrauchten die Franzosen zur Zurücklegung desselben beinahe fünf Stunden fortwährenden Kampfes. Der General, sein Generalstabschef, der Oberstlieutenant Maussion, sein Adjutant der Hauptmann Lagandie wurden mehr oder we niger schwer verwundet. Im Ganzen waren den Franzosen bei dieser unglücklichen Affaire 300 Maun ausser Gefecht gesetzt worden . Der Verlust der Araber war freilich weit bedeutender ; aber auch der Sieg war auf ihrer Seite ge blieben und Abd-el-Kader hatte durch ihn in reichlichstem Maase den Einfluss wieder gewonnen, den er durch die Expeditionen nach Maskara und Tlemsen verloren haben mochte. Er verfehlte nicht, daraus Vortheil zu ziehen ; Proklamationen verbreitete er in vielen Tausenden unter den Stämmen, durch die er auf die Leichtgläubigkeit, das Vertrauen und den religiösen Fanatismus der Muselmänner wirkte . Er stellte ihnen die Franzosen als in einem bedeu tenden Treffen geschlagen und den gegenwärtigen Moment
259 als den allergünstigsten zu ihrer gänzlichen Vertreibung von der afrikanischen Nordküste vor. Von allen Seiten mehrte sich in Folge dessen die Zahl seiner Anhänger ; diejenigen Stämme, welche bis dahin den Franzosen, von denen sie am meisten gefürchtet hatten, scheinbar günstig gesonnen waren, warfen jetzt offen und frei die Maske ab und erklärten sich für den kühnen kräftigen Emir. Der Enthusiasmus für denselben war grenzenlos und die entferntesten und unabhängigsten Stämme erkannten ihn freiwillig als Herrscher an. Inzwischen nahm Abd - el-Kader sein Hauptquartier zu Nedruna, einer kleinen nicht weit von der Tafna gelegenen Ortschaft. Ein Theil seiner Armee lagerte auf der Strasse nach Tlemsen am Zusammenfluss von Tafna und Isser und ein anderer auf der Strasse nach Oran. Hierdurch waren die Franzosen in ihrem Lager blockirt und konnten sich weder mit Tlemsen, noch auf dem Landwege mit Oran in Verbindung setzten. Das La ger selbst war fortwährend von Plänklern umschwärmt, die jedes Fouragiren und Verlassen der Befestigungen un möglich machten. Allmälig begann das Futter für die Pferde zu mangeln , die Rationen der Truppen mussten auf das Minimum reducirt, der grösste Theil der Pferde musste geschlachtet werden und Alles befand sich in der kläg lichsten Stimmung, zumal der aufgeregte Zustand des Mee res vorerst eine Benutzung des Seeweges nicht er warten liess. Während so der Glücksstern der Franzosen in der Provinz Oran allmälig erbleichte, standen die Angelegenhei ten derselben in den übrigen Provinzen nicht viel besser. Es ist bereits oben berichtet, dass die Franzosen zu Medeah einen Bey eingesetzt hatten, ohne ihn mit Geld und Trup pen gegen seine Feinde zu schützen. In Folge dessen sah sich derselbe genöthigt nach Algier zu schreiben und um eine Geldunterstützung zu bitten. Als er hierauf vom Marschall Clauzel die Antwort erhielt, er möge sich das selbe auf die bei seinen Vorgängern übliche Weise ver schaffen, fiel dieses Schreiben in die Hände des Beys von Milianah, eines treuen Anhängers Abd-el-Kaders, der in 17*
260 aller Schnelle davon eine grosse Anzahl Kopieen anfertigen und dieselben in den verschiedenen Stämmen verbreiten liess. Eine grenzenlose Erbitterung war die Folge dieses Schrittes und sofort vereinigten sich die Sumata , Muzaia, Beni -Menad, Melmata, Beni- Zug-Zug, Dschendel, Riga und verschiedene andere Stämme unter den Banner des Beys von Milianah und zogen gegen den Bey von Medeah, der ausserdem noch bei den Hadars d. h. den maurischen Be wohnern seiner eigenen Stadt als Türke verhasst war. Trotzdem ging er dem anrückenden Feinde entgegen, musste aber vor der Uebermacht weichen und erlitt beim Rück zuge eine empfindliche Niederlage. Noch gab er jedoch die Hoffnnng nicht auf, sondern besetzte sämmtliche Thore mit Kuluglis und war entschlossen, sich bis auf den letz ten Mann zu vertheidigen. Indessen gelang es einem Theile der Hadars sich in den Besitz eines der Ausgänge zu setzen, und die Feinde hereinzulassen. Die Kuluglis wurden ent waffnet und ergaben sich, und Mohammed-ben-Hussein wurde gefangen genommen und sofort an Abd -el-Kader ausgeliefert. So fiel Medeah abermals in die Hände des Emirs. In der Provinz Algier benutzten die Hadschuten die mehrmonatliche Abwesenheit des Generalgouverneurs ihre Räubereien mit empörender Frechheit von Neuem zu beginnen. Sie durchstreiften jetzt nicht allein die ganze Metidscha, sondern drangen sogar bis unmittelbar vor die Thore Algiers, wo sich seit dem Jahre 1830 kein Feind mehr hatte blicken lassen. Ein französischer Kauf mann, der mit seiner Frau in der Umgegend der Stadt spazieren ging, wurde von ihnen gefangen genommen und Abd-el-Kader zugesandt, während seine Gemahlin unter dem Messer eines Hadschuten fiel, der auf diese Weise einen unter seinen Genossen ausgebrochenen Streit über dieselbe zu schlichten suchte. Inzwischen war die Nachricht von dem Kampfe und der traurigen Situation an der Tafna nach Frankreich ge langt und hatte Minister und Kammern, Freunde und Feinde der Kolonisation einig gemacht in dem Entschlusse, das
261 Heer mit Ehren aus der Situation zu ziehen. Drei neue Regimenter, das 23. 24. und 62. Linien -Regiment wurden zu diesem Behufe in Toulon eingeschifft und landeten am 6. Juni an der Tafna ; mit ihnen zugleich der General Bu geaud, dem die Ehrenrettung des französischen Namens von der Regierung anvertraut worden war. Alsbald be gann im Lager ein reges Leben und in Kürze wurden alle Maassregeln zur Ausführung wirksamer Operationen ge troffen. Nachdem am 11. Juni die nothwendigen Vorberei tungen beendet waren, beabsichtigte Bugeaud eben nach Tlemsen aufzubrechen, als er die Nachricht erhielt, Abd el -Kader habe sich nach Oran begeben, um dort die Erndten der französisch gesonnenen Stämme zu verbrennen. Diese Mittheilung bewog den General, seinen gefassten Entschluss zu modificiren und des Emirs Vorhaben zu hindern . Nach dem er 1,800 Mann zum Schutze des befestigten Lagers an der Tafna unter den Befehlen des Major Perrault zu rückgelassen hatte, verliess Bugeaud am Morgen des 12. Juni in Begleitung von 6000 Mann und 10 Gebirgsgeschützen die Position. Der Marsch ging einige unbedeutende Ge fechte abgerechnet ohne Hinderniss von Statten, so dass Bugeaud bereits am 15. vor den Thoren Orans eintraf. Der 19. Juni sah bereits den General wiederum auf dem Marsche nach Tlemsen . Auf dem ganzen Wege zeigte sich keine Spur vom Feinde, nur beim Uebergange über den Sassef, noch Angesichts der Stadt, griff die Reiterei Abd-el-Kaders die Arrièregarde an, wurde aber nach kur zem Kampfe zurückgeschlagen. Abends im Bivouak er schienen der Befehlshaber des Meschuar, der Bey von Tlem sen und die Häupter der maurischen und jüdischen Be völkerung. Alle hatten sich mit Recht einer höchst schmei chelhaften Aufnahme von Seiten des Generals zu erfreuen. Und in der That verdienten sie dieselbe in hohem Grade, denn trotzdem die Truppen und Heerden Abd-el- Kaders die Stadt bis zum vergangenen Tage umlagert und meilen weit alle Erndten vernichtet hatten, widerstand das im Meschuar zurückgelassene Bataillon unter dem Kommando des unermüdlichen Cavaignac tapfer allen Angriffen der
262 Araber. Aber auch die Kuluglis und selbst ein Theil der Hadars hatten ungeachtet der ihnen früher von Clauzel auferlegten ungerechten Contribution hierbei hülfreiche Hand geleistet und alle ihnen zugefügte Unbill vergessen. Der öde und verwüstete Zustand der Umgegend überzeugte bald, dass ein längerer Aufenthalt der Armee hier unmög lich sei und dass diese so rasch als es anging, die Tafna erreichen und sich dort zu dem grossen Convoi sammeln müsse, der zur Ravitaillirung von Tlemsen erforderlich war. Der Feind machte diesmal keinen der so schwierigen und gefahrvollen Pässe streitig, welche 7 Stunden Weges in Anspruch nahmen . Am 28. endlich hielt die Armee an der Tafna, Angesichts Raschgun, nachdem dieselbe vier Tage gebraucht hatte, um die Entfernung von 16 Meilen, welche diesen Puukt von Tlemsen trennt zurückzulegen . Nachdem der General bis zum 4. Juli im Lager ver weilt hatte, setzte er sich an diesem Tage mit einem gros sen Convoi, der eine viermonatliche Provision für die Be satzung der Citadelle auf 350 Kameelen führte , nach Tlem sen in Bewegung . Nachdem er am 5. das Telgatgebirge passirt hatte, ohne auf den Feind zu stossen, stieg er am nächstfolgenden Tage in drei Kolonnen in das ziemlich breite, aber tiefe und von steilen Bergen umgebene Sikak thal hinab. Bereits während der Nacht verkündeten zahl reiche Feuer auf den Höhen die Anwesenheit des Feindes und am Morgen erblickte man das am Ausgange des Tha les gelegene Lager Abd-el- Kaders, welcher dem französi schen Heere offenbar den Weitermarsch streitig machen wollte. Und kaum befand sich das ganze Corps auf der Thalsohle als plötzlich die Arrièregarde durch die Reiterei des Emirs unter seinem Feldherrn Ben-Nuna mit Heftigkeit an gegriffen wurde ; indessen hielten die dort befindlichen ara bischen Hülfstruppen den Choc aus, obgleich ihr Anführer der greise Mustapha bedeutend an der Hand verletzt wurde. Gleichzeitig griff der Emir selbst mit etwa 3000 Pferden, ebensovielen Kabylen und einem ungefähr 1000 Mann star ken regulären Bataillon die Franzosen in der Front an. Unter solchen Umständen blieb dem General Bugeaud nichts
263 übrig. als das 62. Linien- Regiment und das afrikanische Bataillon zur Deckung des Rückens zu bestimmen und mit dem Gros seiner Streitmacht dem Emir entgegenzu gehen. Nach einem ungemein hitzigen und lebhaften Feuergefecht, lies der General durch das 2. Regiment Chas seurs einen Choc ausführen. Dieser hatte zwar im An fange guten Erfolg, beim weiteren Vordringen aber, wur den die französischen Kavalleristen vom Feuer der Araber in die Flanke genommen und mussten sich auf die Infan terie zurückziehen. Als Bugeaud hierauf die gesammte französische Kavallerie einen zweiten Angriff versuchen liess, glückte derselbe vollkommen, und Leute, Pferde und Waffen der Feinde blieben auf der Wahlstatt. Bei dem Anblicke der Flucht der Seinigen , rückte Abd el-Kader mit der regulären Infanterie vor und suchte der Unordnung zu steuern . Er begann zuerst ein lebhaftes Feuer ; aber die taktischen Manöver, die er ausführen wollte, schlugen volkommen fehl. Die arabischen Infanteristen, welche als Tirailleurs ausgezeichnete Dienste zu leisten im Stande sind, vermochten während des Feuers die ihnen erst seit Kurzem beigebrachten Manöver nicht zur Ausführung zu bringen, geriethen in Unordnung und wurden in die Sikak gestürzt, welche hier ziemlich steile Ufer von 40 bis 50 Fuss Höhe bildet. Aher auch da folgten ihnen die Fran zosen und es entstand nun im Wasser ein Blutbad, bei dem sich besonders die Duer und Smelas im Massakriren ihrer Landsleute auszeichneten. Wer entrinnen konnte, suchte sein Heil in der Flucht und entwischte über Felsen und durch Büsche. Auf dem Kampfplatze blieben üder 200 Todte und über 600 Flinten zurück ; 130 Gefangene und 6 Fahnen waren die im afrikanischen Kriege sehr seltenen Siegestrophäen. Abd-el- Kader, welcher in eigener Person in den vordersten Reihen stand, und selbst seine Flinte öfters abdrückte, war nahe daran erschossen zu werden . Ein Pferd wurde ihm unter dem Leibe getödtet; er stürzte und entkam dem Tode nur, weil er Kleider wie ein ge meiner Araber trug und dadurch der Aufmerksamkeit ent ging. Der Verlust der Araber war sehr bedeutend ; der
264 General Bugeaud schätzt ihn auf 12 bis 1500 Mann, wäh rend die Franzosen ihren Angaben nach nur 52 Todte und 70 Verwundete hatten. Der Kampf war um 8 Uhr zu Ende und unmittelbar darauf setzte der Convoi unter dem Schutze des 25. Linien-Regiments seinen Marsch nach Tlemsen fort. Nachmittags um 3 Uhr folgte ihm die Kavallerie, während die Infanterie und der General die Nacht an der Tafna bi vouakirten. Am Abende erbauten die Grenadiere dem General Bu geaud eine Hütte von Lorbeerzweigen und die arabische Infanterie Mustaphas zierte dieselbe mit den abgeschnit tenen Köpfen ihrer Landsleute. Am 7. rückte auch Bugeaud in Tlemsen ein . Nachdem die Truppen den 8. über geruht hatten, ent sandte der General am nächstfolgenden Tage eine Abthei lung derselben gegen den Stamm der Beni- Ornid, welcher vorzugsweise die Verproviantirung des Meschuar verhindert hatte. Die Razzia war ungemein beutereich und beson ders war der Ertrag an Getreide eine erwünschte Beisteuer zur Ravitaillirung Tlemsens . Am 12. Juli brach der Gene ral Bugeaud wiederum mit seiner kleinen Armee auf, um nach Oran zurückzukehren. Dem Wortlaute nach hatte er seine Mission erfüllt, der Meschuar war mit Proviant hinlänglich versehen worden und Abd-el-Kader geschlagen. Vielleicht hätte er noch den am 6. errungenen Sieg dazu benutzen können , die in der Nähe wohnhaften Stämme unter der Botmässigkeit eines französisch gesinnten Beys zu vereinigen. Hierzu wäre es jedoch vor Allem nöthig gewesen, dass das Heer noch einige Zeit in der Stadt ver blieb. Sei es nun, dass Bugeaud in keiner Weise über seine rein militairische Mission hinausgehen wollte ; sei es, dass er die bis dahin geschaffenen Grundlagen der Erobe rung für falsch hielt und glaubte, dass es ihm nicht zustehe, dieselben zu ändern , oder mochte er, und dies ist nach seinen Worten und Ansichten das wahrscheinlichste, an gar keine Zukunft der Kolonie Algier glauben ; kurz er verliess Tlemsen, ohne auch nur einen einzigen Stamm für die französische Sache gewonnen zu haben.
265 Das in Meschuar verbliebene Bataillon, dem der Mar schall Clauzel bei seinem Abmarsche höheres Gehalt, Or den und Avancement in Aussicht gestellt, hatte bis dahin noch keine einzige dieser Verheissungen empfangen, nicht einmal eine belobende Anerkennung von Seiten des Kriegs ministers war ihm zu Theil geworden. Indessen sagte der General Bugeaud bei seinem Abmarsche dem Kapitain Ca vaignac, dass er für ihn den Rang eines Bataillons- Kom mandeurs nachsuchen würde. Aber dieser Offizier, wel cher sowohl wegen seiner Tapferkeit als auch wegen sei ner stoischen Selbstverleugnung in der Armee berühmt war, antwortete stolz, dass er auf jede Anerkennung ver zichte, wenn er der einzige sei, der sie erlangte. Als der General Bugeaud Tlemsen verliess, nahm er seine Marschdirection nach Maskara, durchzog sengend und brennend das Gebiet der Beni-Amer und kehrte endlich am 19. nach Mostaganem zurück. Von hier aus schiffte er sich am 30. nach Frankreich ein, wo er zur Belohnung für seinen Sieg den Generallieutenantstitel empfing. Bei der französischen Armee in Nordafrika hatte er sich einen guten Namen erworben Die Liebe der Soldaten, für die er mit Hintenansetzung seiner eigenen Person in hohem Grade gesorgt hatte, folgte ihm nach Frankreich, noch er höht durch die Achtung, welcher jeder Militair für die Kar dinaltugenden des Soldaten, Energie, Kraft und Muth zu besitzen pflegt. Der General l'Etang übernahm an Stelle des nach Frankreich zurückberufenen Generals d'Arlanges das Kom mando der Provinz Oran. Der Kampf am 6. Iuli hatte für Abd- el- Kader empfind liche Verluste herbeigeführt. Seine Autorität war bei meh reren Stämmen erschüttert worden, es mangelte ihm an Geld und er befand sich in der grössten Verlegenheit, wenn die ihm von Marokko verheissene Unterstützug ausblieb. Aber keinen Augenblick verliess ihn sein rastloser Thätig keitstrieb und das Vertrauen auf seinen guten Stern, der ihn trotz aller widrigen Schicksale zur alleinigen Herr
266 schaft über Nordafrika führen werde. Zu Nedruna verei nigte er die Flüchtlinge aus Tlemsen und den in der Nähe gelegenen Stämmen ; hier wurden Pulver, Waffen und Klei dungsstücke fabricirt und alle Vorbereitungen zu einem neuen Feldzuge getroffen. Da dem Emir aber Nedruna für die Dauer nicht sicher genug und auch Maskara zu sehr den Angriffen der Franzosen ausgesetzt schien, so ver legte er seine Residenz in die Ruinen von Tekedempt, einer etwa 10 Meilen östlich von Maskara gelegenen Rö merstadt. „ Während dieser kriegerischen Vorgänge *) in den west lichen Theilen des Landes, herrschte in den Provinzen Constantine und Algier ziemliche Ruhe. Achmet Bey hielt sich fortwährend ruhig in seiner Hauptstadt Constantine. Mit Ausnahme der Stämme in der Umgebung von Bona gehorchte ihm Alles in der Provinz, wo seine Grausamkeit die Araber in Schrecken setzte, aber ihm nirgends Anhän ger gewann. Zwischen ihm und Abd- el-Kader herrschte gutes Einvernehmen, da sie beide den Glaubensfeind be kämpften. Uebrigens leisteten sie sich gegenseitig keiner lei Unterstützung . Beide hegten wohl heimliche Eifersucht und Nationalhass, da Achmet von Vaterseite Türke war und das türkische System fortsetzte, wäbrend der arabische Emir die Reste der türkischen Macht überall niederzureis sen strebte. Beide kämpften gegen die Franzosen mit aller ihrer Macht und reizten den religiösen Fanatismus der Ein geborenen auf, behielten sich aber vor, nach dem Abzuge der Franzosen mit einander um die Herrschaft Algiers zu strei ten. Die stärkste Stütze fand Achmet-Bey an den Kabylen , welche südlich von Budschia zwischen den Flüssen Uad -Ad schebbi und Summam wohnen. Diese Gebirgsstämme waren frei von Abgaben und liehen dem Bey den Beistand ihrer Waf fen nur gegen die Christen. Vor Allen zeichneten sich die Mezzaia bei Budschia durch ihren wüthenden Fanatismus aus.
*) Wagners Reisen in der Regentschaft Algier. Reynaud Annales Algériennes .
Péllissier de
267 Sie griffen diese Stadt oft und einige Male mit der gröss ten Entschlossenheit an, obwohl die Kanonen und be sonders die Handgranaten der Franzosen, furchtbare Ver heerungen unter ihnen anrichteten. Die festen Blockhäuser Salem und Kliffa bei Budschia wurden einmal zur Nacht zeit von 4000 Kabylen angegriffen und waren nahe daran, zu erliegen , weil die Besatzung der Stadt zu einem Aus fall zu schwach war und daher nur durch ihr Kanonen feuer die bedrängten Vertheidiger der Blockhäuser unter Dennoch wurden die Kabylen zurückge stützen konnte. schlagen und entfernten sich nach grossem Verluste. Als die Gebirgsbewohner ihre Angriffe erfolglos sahen , ent warfen sie einen verrätherischen Plan gegen den französi schen Kommandanten von Budschia Salomon de Musis , welcher dort im Jahre 1836 den Oberbefehl führte. Der Scheik Amisian , Oberhaupt des Stammes Ulad-Abd- el Dschebar, schickte Abgeordnete an jenen Offizier, um über die Bedingungen der Unterwerfung seines Stammes mit ihm zu unterhandeln. Der Kommandant ergriff diese Ge legenheit , mit wilden Atlasstämmen endlich einmal einen friedlichen Verkehr anzuknüpfen , sehr bereitwillig und achtete nicht auf die Warnungen der wenigen Individuen seiner Umgebung, welche den treulosen Charakter der Ka bylen kannten. Am 4. August kam Amisian , von etwa 20 Reitern begleitet, zu der verabredeten Zusammenkunft, welche , ungefähr 200 Schritte von den äusseren Schanzen entfernt, in der Nähe des Seeufers statthatte. Der franzö sische Kommandant näherte sich mit seinem Dragoman Ta bani dem Häuptlinge , während der Hauptmann Blangini mit seiner Kompagnie in geringer Entfernung Wache hielt. Amisian begrüsste den Kommandanten mit vielen höflichen Worten und freundlichem Händedruck. Plötzlich umgaben aber die Reiter den Kommandanten und streckten ihn und seinen Dolmetscher durch eine Flintensalve todt nieder. Die Kompagnie eilte vor , konnte aber den Mord ihres un· glücklichen
Kommandeurs
weder
hindern
noch rächen .
Die Mörder waren auf ihren flüchtigen Rossen schnell ausser Schussweite und schlugen in der Ferne ein abscheu
268 liches Gelächter auf, das sie mit höhnischen verächtlichen Geberden begleiteten." Amisian der verrätherische Scheikh lebte seitdem in hohem Ansehen unter den Kabylen. Sein Verbrechen blieb ungestraft und keine französische Armee hat es sobald ge wagt, in die Gegenden südlich von Budschia vorzudringen. Nach einem ungewöhnlich langen Aufenthalte zu Paris, wo er schwere Kämpfe zu bestehen gehabt, kehrte Clauzel Seit Anwendung jener un endlich nach Afrika zurück. würdigen Mittel bei der Contributionseinziehung zu Tlem sen, erhoben sich gegen ihn in Frankreich, wo er bis dahin die Wünsche aller Parteien für sich gehabt hatte, erbit terte Gegner und unter diesen Männer , deren Angriffe nicht blos Oppositionslust, sondern der Ausdruck tiefge fühlter Entrüstung waren. Von neuem hatte man in Paris die Frage aufgewor fen, ob man die Eroberung überhaupt fortsetzen oder doch wenigstens mit etwas minder kostspieligen Mitteln zu be haupten versuchen sollte? Indessen hat ein siegreicher Ge neral mit dem französichen Volke leichtes Spiel. Marschall Clauzel , der als Gouverneur fast ganz unabhängig han delte, war weder ein Freund von Thiers, noch der übrigen Minister. Dennoch wagten diese nicht seine Absetzung auszusprechen aus Furcht, Opposition und Presse möchten für ihn Partei nehmen . Der Marschall, der gar gern Gou verneur von Algier bleiben wollte , erkannte ganz gut die wahren Grundlagen seines Einflusses und beschloss daher durch eine dritte glorreiche Expedition die siegeseitle Nation zu blenden und die wachsende Zahl seiner Gegner nieder zuhalten. Zu diesem Zwecke legte Marschall Clauzel der Regierung einen neuen Operationsplan vor, der im Wesent lichen folgender war : 1. Man müsse alle Städte im Innern der Regentschaft und überhaupt alle strategischen Punkte mit Trup pen besetzen und 2. müsse man die Verbindung zwischen diesen Punkten durch mobile Kolonnen unterhalten.
269 Im Geiste dieses Planes beschloss Clauzel nun einen Hauptschlag auszuführen und sich der festen Stadt Con stantine zu bemächtigen. Er suchte dazu die Autorisation auch , wenn auch des Ministeriums nach und erhielt nicht gerade für Constantine, denn es heisst in dem Kam merbericht : l'autorisation d'agir fut accordée. Nachdem sich Clauzel hinlängliche Lokalkenntniss von Constantine und dem Wege dorthin verschafft hatte, suchte er auch die Bewohner der zu durchziehenden Gegenden für sich zu gewinnen. Der Bey Achmet war wegen seiner Grausamkeit und seiner vielen Erpressungen weder in der Stadt noch auf dem Lande beliebt und regierte nur durch Furcht. Wohl berechnet war daher das Vorhaben der Fran zosen , den unzufriedenen Unterthanen einen neuen Bey anzubieten , den man in der Person des Major Jusuf zu finden glaubte , welcher alle Eigenschaften für diese Stelle in sich vereinigte. Energisch , tapfer, entschlossen, ein ge wandter Reiter , Muselmann von Geburt , Franzose aus Interesse, durfte man sich allerdings von seiner Herrschaft grosse Erfolge versprechen. Am 28. Oktober schiffte sich der Marschall selbst zu Algier nach Bona ein ; mit ihm zugleich das 63ste Linien Regiment , ein Bataillon vom zweiten leichten , die Genie truppen und die Artillerie. Von Oran kam das 62ste und das erste Bataillon afrikanischer leichter Infanterie , aus Budschia die Compagnie von Blangini. Während durch Jusuf täglich höchst günstige Berichte über den Zustand und die Gesinnung des Landes einliefen, nahm die ganze Angelegenheit eine andere Wendung, in dem ein um diese Zeit im Mutterlande eingetretener Ministerwechsel die Aufmerksamkeit von Afrika ab und mehr auf das Pariser Kabinet lenkte. Das mit wichtigeren Verhandlungen beschäftigte neue Ministerium , nahm die Vorschläge Clauzels nicht mehr mit derselben Wärme auf. und es wurde mehr wie zweifelhaft , ob er die ihm zuge sagte Unterstützung von 30,000 Mann erhalten würde. In zwischen wurde mächtig an den Vorbereitungen zur Expe dition gearbeitet. Bei Drean , einem einige Stunden von
270 Oran entfernten Orte , wurde ein festes Lager errichtet, das Jusuf, welcher sich eben mit der Organisirung einiger einheimischen Truppen beschäftigt hatte , besetzte. Jedoch noch zu schwach, musste er es mit ansehen, wie Achmet mit seinen Arabern bis Drean vordrang und alles Schlacht Schon nahte die schöne vieh aus der Gegend fortführte. für die Operation geeignete Jahreszeit , ohne dass man etwas Näheres über die Kampfmittel feststellen konnte. Endlich traf die Nachricht von einem Kammerbeschluss ein, der die versprochene Verstärkung aus Frankreich gänzlich verweigerte, es aber dem Marschall frei liess, seine Unter nehmungen ganz aufzugeben , oder auch zur Ausführung zu bringen, wenn in Afrika selbst die Mittel dazu vorhan den wären. Es wäre nun allerdings besser gewesen, die Expedition zu verschieben ; aber ein Unternehmen aufzugeben, zu dem schon viele Vorbereitungen gemacht worden und in den Augen der Welt vielleicht gar den Schein der Zaghaftig keit auf sich zu laden, lag nicht in dem Charakter Clauzels . Indessen schien ein eigener Unstern von vornherein über der ganzen Expedition zu walten. Nur mit grösster Mühe konnten die zu dem Zuge bestimmten Truppen nebst dem Material zusammengebracht werden, weil Stürme und widrige Winde die aus Oran und Algier kommenden Schiffe nach allen Richtungen zerstreuten. Während die an Bord befindlichen Soldaten auf diese Weise lange Zeit hindurch ungewöhnlich zu leiden hatten , fiel zu Bona der Regen in Strömen und das ganze Land war förmlich überschwemmt. Ein zu Oran eingeschifftes Bataillon brauchte 29 Tage zur Fahrt, während man sonst in vier Tagen Bona erreichte. Ein Fahrzeug mit 30 Pferden scheiterte an der Küste, ein anderes mit eben so vielen beladen , wurde nach Toulon verschlagen. Von 1500 Maulthieren , die zur Fortschaffung des Kriegsmaterials erwartet wurden, kounten nur 400 zu sammengebracht werden. Die Krankheiten unter den Mann schaften nahmen in bedrohlicher Weise zu, einige konnten sich ausserdem nicht von den Strapazen der Seereise er
271 holen und von 7000 Mann Infanterie blieben nahe an 2000 Mann in den Lazarethen von Bona zurück. Von Neuem regten sich Angesichts aller dieser Um stände Zweifel, ob man die Expedition unternehmen sollte, aber die Erfahrung , dass in Nordafrika im November ge wöhnlich anhaltend trockenes und kühles Wetter eintritt, bei welchem die Anstrengungen während des Marsches und im Gefechte weit leichter als in den heissen Sommer tagen ertragen werden, - die Erinnerung , dass im vori gen Jahre gerade um diese Zeit die erfolgreichsten Expe ditionen in der Provinz Oran stattgehabt hatten und die Berechnung , dass die anwesenden Truppen zum Sturme gegen die Stadt eben hinreichen dürften , gaben den Ausschlag.
Nachdem das Wetter am 12. November schön gewor den war, verliess der Marschall am 13ten Bona und setzte sich mit 7000 Mann von allen Waffen in Bewegung. Der Marsch ging gut von Statten, da die Wege brauchbar und der kühle Wind das überschwemmte Land mit grosser Schnelligkeit getrocknet hatte. Die Streitmacht , der sich auch der zweite Sohn des Königs, der Herzog von Nemours angeschlossen hatte, war folgendermassen zusammengesetzt : Erste oder Avantgardenbrigade befehligt durch den General de Rigny, die Hülfs- und regulären Spahis, das Infanterie-Bataillon von Jusuf und seine aus vier Gebirgshaubitzen bestehende Artillerie, das dritte Regiment Chasseurs d'Afrique, das erste afrikanische Bataillon, zwei Kompagnien Sappeure, zwei Feldgeschütze (ein 8 -Pfünder und eine Haubitze). Die zweite Brigade unter Oberst Corbin : das 17te leichte Regiment, ein Bataillon vom 2ten leichten, zwei Gebirgsgeschütze,
272 Die dritte Brigade kommandirt von Obers Levesque: das 62ste Linien-Regiment, zwei Gebirgsgeschütze. Die Reserve-Brigade unter dem Oberst Petit d'Hauterive : das 59ste Linien- Regiment, zwei Gebirgsgeschütze. Die vierte Brigade vom Oberst Hecquet : das 63ste Linien- Regiment, zwei Feldgeschütze. Marschall Clauzel führte selbst den Oberbefehl .
Die
2te , 3te und 4te Brigade wurden unter dem Kommando des General Trézel vereinigt, so dass das ganze Corps eigentlich nur in zwei Abtheilungen zerfiel , die durch die Generale Rigny und Trézel kommandirt wurden. Jusuf befehligte die Spahis und die arabischen Verbündeten , welche aber statt der Tausende, die man sich versprochen, nur eine geringe Macht von einigen Hundert Reitern bil deten. Jedes Geschütz war mit 100 Schuss und jeder Mann Zu Drean er mit Lebensmitteln für fünf Tage versehen. hielten die Mannschaften noch Fleisch für sieben Tage, wozu jeder der verschiedenen Truppenabtheilungen das Schlachtvieh als letzte Aushülfe , unter besondere Aufsicht und Pflege gegeben wurde. Trotz der grenzenlosen Zuversicht , welche der Mar schall Clauzel in das Gelingen des Unternehmens setzte, fürchtete er dennoch , dass die Erinnerungen an Tlemsen seiner Sache schaden möchten und erliess bei seinem Ab marsche eine Proklamation an die Bewohner Constantines , worin er ihnen versprach , ihr Eigenthum zu schonen und die Zusicherung gab, dass keine Contributionen irgend wel cher Art von ihnen gefordert werden sollten. Kaum war das Expeditionscorps am ersten Marschtage in's Bivouak bei Bu-Afra gekommen , als das Wetter , das den Tag über schön gewesen war, sich änderte, strömen der Regen sich ergoss und der Bach, an dessen Ufern die Franzosen campirten , schnell zu einem Strome anschwoll. Hierdurch wurden die Truppen am nächsten Morgen beim Passiren desselben aufgehalten und befanden sich erst um
273 Mittag des 14ten am jenseitigen Ufer. Da die Sonne wie der schien, bivouakirte das Corps bei Muhalfa und gelangte am 15ten , nachdem es nicht ohne grosse Schwierigkeiten für das Gepäck den Pass von Muara passirt , an den Sey buss in der Nähe von Gelma. Hier stand früher eine römische Stadt und noch jetzt finden sich zahlreiche römische Ruinen , von denen einige, besonders die alte Citadelle, so gut erhalten sind, dass hier mit vollkommener Sicherheit gegen die Araber ein militai rischer Posten aufgestellt werden konnte. Clauzel benutzte dies, um 200 Mann zurückzulassen, welche durch den bis herigen Marsch so ermüdet waren , dass sie nicht nach Constantine hätten folgen können. Ausserdem war der Marschall aber genöthigt , 200,000 Infanterie- Patronen hier zu deponiren , da die mit ihrem Transport beauftragten Araber während der Nacht sammt ihren Maulthieren deser tirt waren. Einen characteristischen Belag für die franzö sische Unachtsamkeit und Sorglosigkeit gab am nächstfol genden Tage das Factum , dass die Armee sich bereits bedeutend von Gelma entfernt hatte, als es zufällig jemand einfiel, dass man die Kranken dort ohne Bedeckung zurück gelassen hatte. In Folge dessen wurden 150 Mann zu ihrem Schutze zurückgeschickt und gleichzeitig dem 3ten Bataillon vom 62sten Linien-Regimente , welches sich ver spätet, inzwischen aber zu Bona eingetroffen war , der Be fehl übersandt , nach Gelma zu marschiren und dort zu rückzubleiben. Das Wetter war fortwährend günstig und die Armee kam am 16ten früh zu Mjez - Hamar an, wo sie wiederum auf grosse Schwierigkeiten beim Seybussübergang stiess. Da die Ufer sehr schroff sind , so brachten die Genietrup pen die Nacht damit zu, Treppen einzuhauen und die Furt von den ungeheueren Steinen zu befreien , um den Ueber gang zu ermöglichen , der am 17ten bewerkstelligt wurde. Er dauerte lange und das Corps erreichte erst um 4 Uhr Nachmittags die berühmte Steige der 10ten Legion , über welcher der Engpass Ras-el-Akba, von den Arabern Gurgel abschneider genannt, sich befindet. Eine Menge Ruinen 18 Heim , Kriege in Algier 1. Band.
274 auf den Höhen bewiesen , dass die Römer von einer zur andern halben Stunde Wegs Thürme und Forts errichtet hatten , um dieser militairischen Stellung gänzlich Meister zu bleiben * ). Diese Pas ge war stets als so schwierig bezeichnet worden, dass die Araber überzeugt waren, Clau zel würde sie mit dem Material der Armee nicht über schreiten können. Indessen liess derselbe das Gebirge und die Schluchten durch mehrere Offiziere recognosciren und blieb selbst sechs Stunden lang zu Pferde , um die zahl reichen Schwierigkeiten , die sich darboten übersehen zu können. Während die Armee die Nacht hindurch am Fusse des Gebirges zu Akbat -el -Achari zubrachte, wurde von den Truppen des Geniecorps, welchem zahlreiche Arbeiter bei standen , eine Strasse hergestellt , die am 18ten Abends 6 Uhr von der ganzen Bagage bis zum Gebirgspasse hin durchzogen war , worauf auch dieser ohne irgend einen Verlust an Material passirt wurde. An diesem Tage , den 18ten , campirten die Truppen bei dem Stamme Uled - Ze nati, eine Stunde jenseits Raz-el-Akba. Bis dahin war das Wetter günstig gewesen , und der Marsch ging durch friedliche Stämme ; die Araber bearbeiteten ihre Felder und die Heerden weideten auf den an der Strasse gelegenen Triften. Am 19ten bivouakirten die Truppen bei Raz - Ued Zenati , und nun begannen für die Armee unerhörte Lei den und die grausamsten Täuschungen. Dieselbe war jetzt nur noch zwei Tagemärsche von Constantine entfernt und in sehr hoch liegenden Gegenden angelangt ; die Nacht über fiel Regen, Schnee, Hagel, so reichlich und anhaltend, dass die Truppen der ganzen Strenge eines nördlichen Winters preisgegeben waren, während der gänzlich durch weichte Boden die alten Offiziere an den Koth von War schau erinnerte. Zwar erblickte man bereits Constantine, begann aber doch die Hoffnung aufzugeben , bis unter seine Mauern zu gelangen. Dennoch setzte sich das Corps am 20sten in Marsch und die Armee, das Gepäck und
*) Die Beschreibung des Marsches ist theilweise dem Bericht des Marschalls an den Kriegsminister entlehnt.
275
einen Theil der Arrièregarde ausgenommen, kam glücklich bei dem Monument von Constantine an. Hier musste Halt gemacht werden ; Vielen erfroren die Füsse , Andere ver starben während der Nacht , da sich von Raz-el-Akba in den baumarmen Gegenden kein Holz mehr zur Unterhal tung der Bivouakfeuer vorfand. Die Wagen, welche die Lebensmittel trugen, blieben im Kothe stecken und muss ten im Stiche gelassen werden . Man kann sich einen Be griff machen von dem, was die Soldaten zu leiden hatten, wenn man in den Berichten liesst, dass täglich Selbst morde vorfielen. Manche Soldaten , von Müdigkeit und Entbehrungen erschöpft, legten sich auf den Boden nieder, weigerten sich hartnäckig der Colonne zu folgen und sahen mit verzweiflungsvoller Ruhe dem Tode durch den Yata gan der Beduinen entgegen . . Am 21sten traf endlich die Armee auf dem Plateau von Mansurah vor Constantine ein. Clauzel rechnete mit Bestimmtheit darauf, dass die Stadt sofort ihre Thore öff nen würde. Die gleiche Ansicht war auch in der Armee verbreitet und jeder Soldat hatte sich bereits in Gedanken ein Häuschen ausgesucht , wo er seinen Wohnsitz nehmen wollte. Gross war daher das Erstaunen Aller , als man noch keine Deputation erblickte , welche demüthig die Schlüssel der Stadt überreichte, wohl aber eine rothe Fahne auf dem Thore Bab - el-Kantara als Zeichen von kriegeri schen Gesinnungen der Bewohner. Es befand sich nämlich in der Stadt eine ziemlich . starke Besatzung von Türken und Kabylen unter dem Kom mando Ben-Aissas , eines der Oberoffiziere Achmeds , der seine eigene Person nicht den Mauern der Stadt anver traut hatte. Unter solchen Umständen blieb dem Marschall nichts übrig, als die Stadt mit stürmender Hand zu nehmen , da an eine förmliche Belagerung derselben aus Mangel an dazu geeigneten Geschützen garnicht gedacht werden konnte. Hiermit begann eine Periode vieler militairischer Fehler; alle hervorgerufen und bedingt durch den ersten. 18
276 Die Lage Constantines * ) ist bewundernswerth und die Stadt ist auf allen Punkten, einen ausgenommen, durch die Natur selbst gut vertheidigt. Sie liegt amphitheatralisch auf einem sich etwas nach Nordosten senkenden Plateau , das mit seinen beiden senkrechten Abstürzen einer unzu gängigen Felseninsel gleicht. Nur an der Südostseite ist dieselbe durch eine schmale Landzunge , wie durch einen Damm mit den Höhen des Kudiat-Ati verbunden , von wo sie auch allein zugänglich ist. Dort wo der Rummelfluss an die Stadt tritt und am Fusse derselben entlang fliesst, fallen auch die jenseitigen Höhen in senkrechten Felsen wänden zum Ufer herab und bilden dadurch eine zwischen einhundert bis vierhundert Fuss tiefe, weit klaffende Felsen spalte , auf deren Grund sich der Rummel zwei Male in Höhlen verliert. Selbst bei den heftigsten Regengüssen hat dieses Wasser aber nicht mehr als vier Fuss Tiefe. Ueberall , wo Felsen sind , begrenzen die Wohngebäude den Rand der Abstürze, ohne sonstige Vertheidigungsmass regeln. Nur wo das Ersteigen möglich wäre, ist der Zu gang durch einen einfachen Wall oder eine Mauer abge sperrt. In der zugänglichen Front allein , gegen den Kudiat-Ati , ist eine regelmässige Befestigung angebracht. Drei Thore führen hier aus der Stadt ; sie sind durch eine vierundzwanzig Fuss hohe freistehende Mauer verbunden und werden durch einige kasemattirte Batterien vertheidigt. Ein vierter Ausgang, das Bab- el-Kantara, liegt im Nord · osten der Stadt , wo am Buge des Rummels eine alte stei nerne Brücke über den Abgrund gespannt ist. Ein an der Stadtseite stehender viereckiger Thurm und zwei kasemat tirte Batterien darin, dienen zur Absperrung dieses Zugan ges . In der im höchsten Theile gelegenen Kasbah, welche mehr Kaserne wie Citadelle genannt zu werden verdient, ist eine Batterie von 8 Geschützen errichtet, die wohl einen Theil der Stadt beherrscht , aber gegen einen bereits in das Innere der Stadt eingedrungenen Feind nichts mehr vermag.
C
*) Oestreichische militairische Zeitschrift,
277 Die Stadt selbst zählte mehr als 25,000 Bewohner, meistens Mauren und Juden . Sie hat enge Gassen, nur kleine Plätze, überhaupt manche Aehnlichkeit mit den älte ren Städten Spaniens. Vor den Thoren gegen den Kudiat Ati hin lag eine nur von Kaufleuten und Handwerkern bewohnte Vorstadt , welche im nächstfolgenden Jahre von den Arabern weggerissen wurde. Quellwasser fehlte der Stadt gänzlich. Es finden sich theils Cisternen , theils neh men die Bewohner das Wasser aus dem Flusse , zu wel chem sie durch unterirdische Gänge gelangen. Constantine, das frühere Cirta, galt schon in den älte sten Zeiten für einen der wichtigsten Punkte bei der Ver theidigung Numidiens, dessen König Syphax die Stadt einst im Kriege mit Masinissa eroberte. Adherbal flüchtete sich hieher vor der Macht Jugurthas und wurde von diesem lange Zeit darin eingeschlossen gehalten. Als Jugurtha später gegen die Römer zu Felde zog, und Metellus Cirta erobert hatte, machten die Römer diesen Platz zum Haupt depot ihrer Kriegsbedürfnisse und zum Ausgangspunkte ihrer Operationen. Zweimal versuchte es Jugurtha vergebens die Stadt wieder zu gewinnen . In dem Kriege, welchen Cäsar in Afrika führte , spielte Cirta eine ebenso wichtige Rolle ; nicht minder in den Feldzügen zwischen Octavian und Antonius, unter Tiberius und mehreren anderen römischen Kaisern. Constantin , der einen bedeutenden Werth auf diesen Platz legte , verwendete grosse Sorgfalt auf dessen Befestigung. Nach ihm erhielt Cirta im vierten Jahrhun dert den Namen Constantine. Im fünften Jahrhunderte eroberte es Genserich , der Vandalenkönig, nach einer bei nahe zwölfmonatlichen Belagerung. - Nach den Vandalen machte sich Belisar zum Herrn der Stadt. Die später ein dringenden Araber ersahen sich dieselbe ihrer Festigkeit wegen zum Sitze ihrer Fürsten. 1423 wurde Constantine den Beherrschern von Tunis unterworfen und 1520 von Barbarossa erobert und dem algierischen Staate einverleibt. 1782 und 1783 nach den zwischen Tunis und Algier aus gebrochenen Feindseligkeiten , hatte die Stadt neuerdings eine vergebliche Belagerung von den Tunesern auszuhalten.
278 Unter den Umständen, in welchen Clauzel sich befand, hatte er nicht Zeit den Platz gehörig zu belagern. Er hatte mit den Truppen des General Trézel das Plateau von Mansurah besetzt und die Avantgarden -Brigade auf den Kudiat-Ati beordert , mit dem Befehle , sich desselben zu bemächtigen , die Marabuts und Todtenäcker gegenüber dem Thore von El-Rabah zu besetzen und dasselbe sofort zu blokiren. Es war auf den ersten Blick zu sehen, dass hier der Angriff gegen die Stadt gemacht werden musste, nicht so leicht aber die Gebirgsartillerie dorthin zu schaf fen, welche schon auf dem Plateau von Mansurah bis zur Mitte der Räder einsank. Es gelang dem Obersten Tour nemine nicht, zwei Achtpfünder nach der andern Stellung zu bringen trotz des grössten Kraftaufwandes von Pferden und Menschen. Inzwischen hatte die Avantgarden-Brigade unter dem General Rigny dem erhaltenen Befehle gemäss den Rum mel durchwatet und die Höhe zu ersteigen begonnen. Noch während dies geschah , wurde von mindestens Tau Ihnen folgte send Bewaffneten ein Ausfall unternommen. eine grosse Anzahl Unbewaffneter, Weiber und Kinder, die durch ihr Geschrei die Kämpfenden zu ermuthigen suchten. Indessen wurden dieselben durch das Vordringen mehrerer geschlossener, sich unterstützender Kompagnien zurück geworfen und gezwungen, sich in die Häuser der Vorstadt zu flüchten , von wo aus sie mit ihrem Feuer die Avant garde belästigten , welche sich bei einigen Gebäuden und Gartenumzäunungen des Kudiat-Ati zu verschanzen begann. Zwei Brigaden , sowie die Truppen Jusufs campirten auf dem Mansurah, ausserdem noch die Feldartillerie, nach dem es ihr am Morgen des 22sten unter unsäglichen An strengungen gelungen war , diese Höhe ebenfalls zu errei chen. Die übrigen Truppen dienten zur Bedeckung des sich weiter rückwärts befindenden Hauptquartiers . Dage gen vermochte die aus dem 62sten Regimente bestehende Arrièregarde durchaus nicht mit den Geniekompagnien und dem Train nachzukommen. Sie befand sich noch immer an der alten Stelle, in dem Kothlager, wie es die Soldaten
279 nannten , dabei fiel der Schnee in grossen Flocken , die Kälte war schneidend , die Wege wurden von Stunde zu Stunde unergründlicher und man musste befürchten , die Schmutz sinken zu sehen, zu Wagen immer tiefer in mal die Kräfte sich verringerten und die Stärke der Arrière garde bereits auf 280 Mann zusammengeschmolzen war. In der Meinung , das Hauptcorps sei bereits in die Stadt eingerückt oder wenigstens in deren Nähe besser unter gebracht, entzog sich ein grosser Theil der Leute der Auf sicht ihrer Offiziere und entwischte während der Nacht aus dem Lager. Viele von ihnen wurden am Morgen theils erfroren, theils im Kothe erstickt an der Strasse gefunden. Unter solchen Umständen musste der Commandeur der Nachhut um Unterstützung bitten , die man ihm auch in den Truppen Jusufs , denen Maulthiere zur Fortschaffung der Wagenladungen beigegeben waren , gewährte . Jedoch war diese Massregel ohne Erfolg ; als die Truppen eintra fen, hatte bereits ein Theil des 62sten Regiments , in der Ueberzeugung, dass die Wagen nicht fortgeschafft werden konnten, aller Bemühungen des Obersten ungeachtet , die Lebensmittel geplündert, den Wein- und Brantweinfässern die Böden ausgeschlagen und so das Heer des grössten Theiles seiner Hülfsquellen beraubt. In dieser precären Lage blieb dem Marschall nur die Wahl zwischen einem schleunigen Rückzuge oder einem Gewalt streiche, durch welchen den auf das Aeusserste ermüdeten Truppen in Kürze Nahrung und Unterkunft verschafft werden konnte. Er entschied sich für einen Sturm und ersah sich zu diesem Zwecke die Brücke von Alcantara ; sollte derselbe nicht gelingen, so war er entschlossen, sofort den Rückzug anzutreten. Zu diesem Behufe hatte er bereits im Laufe des 22sten das Brückenthor auf < eine Entfernung von 600 Schritten beschiessen lassen und beabsichtigte, wäh rend der Nacht mit Hülfe der Genietruppen in die Stadt einzudringen. Als gegen Abend das Feuer von einigem Erfolg gekrönt zu sein schien , erhielt der Oberst Lemer cier Befehl , sich mit fünf Elitencompagnien vom 59sten und 63sten Linien-Regimente zum Sturme bereit zu halten.
280 Mit grösster Stille wurden dieselben an die Brücke heran geführt und erwarteten hier die Sappeure , die erst von dem zurückgebliebenen Genieparke herbeigeholt werden mussten. Indessen kamen dieselben sehr spät, da sie durch sechsunddreissigstündige ununterbrochene Arbeit in dem Moraste erschöpft waren. So konnte die Recognoscirung des Thores erst kurz vor Tagesanbruch veranstaltet wer den ; jedoch fand man die Flügel desselben eingeschossen und an das Gewölbe gelehnt, so dass sie längs der Mauer einen schmalen Durchgang gestatteten. Leider stiess man jedoch dahinter noch auf ein zweites, vollkommen unver sehrtes Thor , dessen Sprengung nach der Erklärung der Pioniere erst in der nächstfolgenden Nacht vorgenommen werden konnte. Zum grössten Missvergnügen der Mann schaften , welche die Nacht müssig im Kothe gestanden hatten, musste deshalb das ganze Unternehmen um einen Tag verschoben werden und die Truppen kehrten Morgens 6 Uhr in ihre Bivouaks zurück. Am 23sten heiterte sich das Wetter auf und die Ar tillerie begann von Neuem ihre Anstrengungen gegen das Thor von Cantara zu richten ; ausserdem aber traf man im Laufe des Tages alle Voranstalten für den in der nächsten Nacht projectirten Sturm. Während dies geschah wurde die Avantgarden -Brigade lebhaft angegriffen , warf jedoch den Feind auf allen Punkten und die Reiterei säbelte unter der glanzvollen Leitung des Schwadronschef von To rigny einen grossen Theil der türkischen Infanterie nieder. Endlich brach die Nacht ein ; die Genietruppen stellten sich an der Brücke auf; hinter ihnen der General Trézel mit dem 59sten und 63sten Linien-Regiment und der Kom pagnie von Blangini. Da der Himmel klar und mondhell und die Bewohner ausserdem durch den in der vergan
genen Nacht gemachten Versuch aufmerksam geworden waren , mussten die Genietruppen unter dem stärksten Kugelregen mit ihren Handwerkszeugen und Pulversäcken über die Brücke gehen, um zu arbeiten. Endlich traf die Nachricht ein , dass das Thor geöffnet und die Vordersten bereits in die Stadt eingedrungen seien. General Trézel ,
281 wohl bedenkend , dass in solchem Momente kein Augen blick zu verlieren sei , gab sofort den Befehl zum Vor rücken und stellte sich selbst an die Spitze der Truppen, welche im dichtesten Kugelregen avancirten. Viele Mann schaften wurden getödtet oder verwundet ; der Geniekapi tain Ruy brach Bein und Hand ; General Trézel endlich, der sich am stärksten im Feuer hielt, um die Truppen auf zustellen und zu ermuthigen , stürzte in Folge eines Schusses. Gleichzeitig mit diesem Sturm hatte der Marschall auch von Kudiat- Ati aus, um die Aufmerksamkeit der Besatzung abzulenken und die Einwohner zu schrecken, durch die Truppen der Avantgarde einen zweiten Angriff unterneh men lassen. Hier sollte das Thor Bab-el- Ued durch das
Bataillon d'Afrique, zwei Gebirgshaubitzen und eine Ab theilung Pioniere genommen werden. Indessen hatte auch hier der Angriff dasselbe Schicksal wie der auf der Brücke Cantara ; tapfere Officiere fanden hier einen ruhmvollen Tod, so der Geniecapitain Grand und der Kommandant Richepanse. Die Lage der Armee war nach dem Scheitern der bei den Eroberungsversuche schrecklich. Eine moralisch ver nichtete Truppe, viele Verwundete und noch mehr Kranke ; keine Lebensmittel, keine Munition, von allen Seiten Feinde und eine Rückzugslinie von zwanzig Stunden Wegs. Ein Kriegsrath wurde gehalten und die verschiedensten An sichten dabei geltend gemacht ; indessen entschied sich Clauzel für einen möglichst geordneten Rückzug. Er traf ungesäumt die nöthigen Anstalten und gab der Brigade de Rigny auf Kudiat-Ati den Befehl, sich mit ihm zu ver einigen. Da viele Pferde theils zu Grunde gegangen, theils aufgegessen waren, so musste nach den übrig gebliebenen berechnet werden, was noch von Material mitgeführt wer den könne. Die Waffen der Getödteten, alle entbehrlichen Geräthschaften und Vorräthe wurden zertrümmert und ver brannt. Als endlich die ehemalige Avantgarde unter de Rigny auf Mansurah eintraf, hatte sich die Armee bereits in Be wegung gesetzt. Nach den Anordnungen des Marschalls
282 sollten das 53. und 69. Linien-Regiment die Deckung des Rückzuges übernehmen ; indessen war es trotz aller An strengungen und Bemühungen unmöglich, Ruhe und Ord nung in die ermüdete ausgehungerte Truppe zu bringen. Gleich anfänglich plünderte ein Theil derselben die von Jusuf und seinem Corps verlassenen Zelte ; später an der Stelle angekommen, wo im Hinmarsche die Proviantwagen zerstört wurden, fanden sich noch einige Ueberreste von Mundvorrath, besonders aber von Brantwein. Unaufhalt sam stürzten sich die Soldaten über die Fässer und schlürf ten das Getränk aus dem Kothe, als man es um die Trup pen weiter zu bringen, ausfliessen liess. In diesem ge fährlichen Augenblicke, wo die von einem überlegenen, unaufhaltsamen und durch seinen Sieg ermuthigten Feinde , gedrängte Armee nahe daran war, zu erliegen, verdankte sie ihre Erhaltung der Tapferkeit und Geistesgegenwart eines einzigen Offiziers. Der Kommandant Changarnier übernahm nämlich mit seinem auf 300 Mann reducirten Bataillon die Deckung der äussersten Nachhut. Aber auch diese Schaar begann bereits bei dem Anblicke zu wanken, als die arabischen Reiter die Tirailleurs überritten und niedersäbelten. In dieser schwierigen Stellung und von allen Seiten von den Arabern eingeschlossen und heftig angegriffen , liess er sein Häuflein Carré formiren und er muthigte sie durch den Zuruf: allons ! mes amis, voyons ces gens-là en face, ils sont six mille et vous êtes trois cents, vous voyez bien que la partie est égale ! Ein lautes : „ Es lebe der König !" war die Antwort. Die hierdurch einge schüchterten Araber machten zwanzig Schritte von dem Ba taillon rechts um und wagten keinen Angriff, während das wohlgezielte Feuer aus zwei Gliedern auf drei Seiten des Carrés Leichname von Menschen und Pferden häufte. Den ganzen ersten Tag und die folgenden hindurch diente das Batail lon des 2. leichten Regiments ebenso ausgezeichnet als Nachtrab und wurde besonders bei dem Seybussübergange zu Mjez-Hamar durch den Oberstlieutenant Duvivier, Kom mandanten des afrikanischen Bataillons und der Freicom pagnie von Budschia kräftig unterstützt.
283 Die Armee marschirte in zwei Kolonnen zu beiden Seiten der Strasse, den Train in der Mitte ; das Wetter war zwar seit zwei Tagen schön und insofern der Marsch leicht; aber es fehlte an Lebensmitteln, Munition und an Wagen für die Verwundeten. Vielen waren die Füsse er froren und jeden Augenblick war man genöthigt, Unglück liche zurückzulassen, die nicht mehr weiter 贗 marschiren konnten. Dieselben warfen sich auf die Erde, bedeckten sich mit den Händen das Gesicht und erwarteten mit Re signation den tödtlichen Säbelhieb eines Arabers. Am 24. bivouakirte die Armee zu Somma ; am 25. an den Ufern des Ued-Talaga, einem der Nebenflüsse des Ued Zenati. Beide Tage waren ein beständiger Kampf und es lässt sich denken , welcher Muth, welche Energie und Ent schlossenheit der Offiziere und Soldaten dazu gehörte, die Reste der Armee vor völliger Vernichtung zu bewahren. Jedenfalls flechten diese unglücklichen Tage der französi schen Armee einen Ruhmeskranz, der durch ein einziges Beispiel von Feigheit nicht entblättert werden konnte. Durch zu schnelles Ausschreiten der Tête war näm lich zwischen ihr und der Arrièregarde ein bedeutender Zwischenraum entstanden. Dies erblickte der Komman deur der letzteren und in der Furcht abgeschnitten zu wer den, soll er den verhängnissvollen Ruf ausgestossen haben: ,, Rette sich wer kann ! " Clauzels Zorn über diese Muth losigkeit war grenzenlos.
99 Mein Herr, *) fuhr er ihn an, Sie hätten uns nicht auf dem Schlachtfelde Epauletten zeigen sollen, die Sie in den Salons von Paris gewonnen haben. Es bleiben Ihnen nur noch zwei Dinge übrig : Stellen Sie sich an die Spitze des ersten Bataillons, das gegen den Feind marschiren wird, und suchen Sie im Kampfe den Tod oder schiessen Sie sich eine Kugel vor den Kopf. " Am 26. bivouakirte die Armee am Ued -Zenati. Bereits konnte man bemerken, dass die Reihen der Feinde sich bedeutend gelichtet hatten.
*) Messager.
Als das Corps das Bivouak
284 verliess, und die Araber und die Kabylen wie gewöhnlich auf die abziehenden Trupden losstürzten, in der Hoffnung, sie würden einiges Gepäck oder Verwundete zurücklassen, führten drei Schwadronen der Chasseurs d'Afrique einen glänzenden Angriff gegen sie aus , wobei der Capitain Morrice die Hälfte seines Säbels in dem Leibe ei nes Arabers stecken liess. Am 27. hatte Clauzel das schwierige Defilée zu passiren, welches zu dem Passe von Raz el-Akba führt. Er liess den Kommandanten von Rancé, den Marsch an der Spitze zweier Schwadronen eröffnen. Die Kavallerie erfüllte muthig ihre schwierige Aufgabe, indem sie über einen Gebirgskamm nach dem andern setzte und die arabische Reiterei zurückwarf oder fern hielt. Nachdem es gelungen war, den Pass zu nehmen, blieben die Araber zurück und zeigten sich nicht wieder. Die Kabylen hatten versucht, den Durchmarsch zu versperren, wurden aber auf der Höhe des Passes durch die Spahis angegriffen und viele von ihnen blieben auf dem Platze ; dann wurden sie von der Infanterie aus den Wäldern rechts und links von der Strasse vertrieben und zu eiligem Rückzuge gezwungen. Nachdem das Corps am Fusse der Steige der zehnten Legion auf dem rechten Ufer des Seybuss kampirt hatte, gelang es am 28. die Kabylenbanden vol lends zu vertreiben, welche noch die Gebirgskämme die den nach Gelma führenden Pass beherrschten, inne hatten. In Gelma liess Clauzel die Kranken zurück und traf alle erforderlichen Anstalten, um diesen Posten zu einem wich tigen militairischen Punkte zu erheben. Am 4. November schiffte sich der Marschall wiederum nach Algier ein ; mit ihm zusammen kehrten auch die Truppen dorthin zurück, welche zu der Expedition nach Constantine von dort hergekommen waren. Das 59. Regiment verliess Afrika gänzlich und wurde nach Toulon übergeführt. Duvivier wurde mit dem Ba taillon d'Afrique, einem Bataillon vom 17. Regiment und einigen Spahis zu Gelma stationirt. Es ist bereits früher erwähnt, dass der Marschall Clauzel zur Durchführung des letzten Feldzuges alle festen
285 Punkte der Regentschaft mehr oder minder entblösst hatte. Nothwendiger Weise mussten hierdurch auch die Operatio nen in der Provinz Oran den nöthigen Nachdruck verlie ren und Abd- el-Kader sah sich allmälig im Stande die Städte Oran, Mostaganem, Arsew und Tlemsen dicht ein zuschliessen ; ebenso auch das Lager an der Tafna, wo die Franzosen an der Vollendung der dort begonnenen fortifi catorischen Werke zu arbeiten fortfuhren. Zwar hatte der General Létang, der Nachfolger des General d'Arlanges im Verlaufe des Herbstes verschiedene Streifzüge in die Land schaften unternommen, besonders gegen den Stamm Beni Amer und gegen die gefährlichen und unversönlichen Ga raber ; aber diese in der heissesten Jahreszeit unternomme nen Expeditionen konnten keinen Erfolg hahen, denn dieTrup pen waren durch Wassermangel, Hitze und Strapazen voll kommen demoralisirt.
In Tlemsen war Kapitain Cavaignac beständig eng von den Kabylen blokirt. Der Stamm Beni-Urnid war wie derum von den Gebirgen herabgestiegen und schnitt jede Zufuhr ab. Die Lebensmittel fingen deshalb an zu man geln und es bedurfte eines neuen Zuges zur Verprovian tirung des Meschuar. Zu diesem Zwecke verliess der Ge neral Létang am 23. November mit 4000 Mann, 9 Geschützen und einem Convoi mit Lebensmitteln für drei Monate Oran und gelangte ohne Kampf nach einem sechstägigen Mar sche nach Tlemsen. Auf dem Rückwege jedoch hatte er einen lebhaften Kampf mit Ben-Nuna zu bestehen, der in dessen umgangen und geschlagen wurde, worauf die Fran zosen am 4. Dezember wiederum in Oran eintrafen. In der Provinz Algier hatte der General Rapatel wäh ren der Abwesenheit des Marschalls das Kommando über nommen. Dieser General musste mehrmals wegen Unru hen der Kabylen und Hadschuten unter El-Hadsch - el- Sghir in's Feld rücken, da diese Stämme im Vertrauen auf die Schwäche der französischen Streitkräfte sogar einen An schlag auf die Stadt Algier gewagt hatten. Die Franzosen verloren in einem hitzigen Gefechte 17 Mann und 3 Offi ziere, trieben aber endlich die Araber in die Berge zurück,
286 Kaum war Clauzel nach Algier zurückgekehrt, so suchte er aus allen Kräften seinen Verlust wieder herzustellen und traf augenblicklich Vorbereitungen zu einer neuen Expe dition. Aber während diese Rüstungen noch mit Eifer be trieben wurden und alle Welt ihre Aufmerksamkeit nur auf Constantine richtete, nahm das Ministerium den Faden der Begebenheiten im Westen gegen Abd- el -Kader wieder auf. Die Regierung hatte beschlossen, Nichts gegen Con stantine vorzunehmen, ehe die Sache gegen den Emir, den un leugbar mächtigsten Rivalen eine solidere Basis gewonnen hätte. Und in der That war die Lage der Franzosen auch diesem Gegner gegenüber durchaus keine günstige. Den Garnisonen war jeder Verkehr und jeder Markt mit dem Innern des Landes abgeschnitten ; es fehlte an Brod, Fleisch und allen Lebensbedürfnissen. Dabei befand sich der Ge neral Brossard, welcher am 13. Januar 1837 in Stelle des nach Europa zurückgekehrten General Létang das Kommando übernommen hatte, in der unangenehmen Nothwendigkeit, durch eine Expedition die drängenden Feinde in ihre Schran ken zurückzuweisen, und doch waren seine Mittel nicht so bedeutend, um diesem Unternehmen von vornherein ei nen glücklichen Ausgang zu versprechen. In dieser trau rigen Verlegenheit hatte ein Vorschlag des Juden Durand, wonach sich Abd-el-Kader selbst zur Verproviantirung des Meschuar gegen Herausgabe der Gefangenen, verpflich ten sollte, schon Aussicht angenommen zu werden, als Ge neral Rapatel die Vertretung des General- Gouvernements von Neuem übernahm, indem der Marschall Clauzel im Laufe des Januars nach Paris reiste. Seine Hoffnung , bald zürückzukehren, ging nicht in Erfüllung ; denn bereits am 12ten Februar wurde der Generallieutenant Graf Denys de Damrémont zu seinem Nachfolger im Kommando ernannt. Clauzels Abreise wurde von Niemandem mit Ausnahme der Speculanten, welche unter ihm gute Geschäfte ge macht hatten, bedauert. Seine hochtrabenden Proclama tionen und unerfüllt gebliebenen Verheissungen hatten ihm
287 das Vertrauen der Armee entzogen und den Spott der Ein gebornen erregt. Die Kolonisation lag sehr im Argen, da der unaufhör lich mit kriegerischen Projekten beschäftigte Marschall we der Zeit noch Willen gehabt hatte, für die Bodenkultur etwas zu thun. Er selbst war Besitzer bedeutender Län dereien, die er aber nicht anbauen liess, sondern an An dere um theures Geld verpachtete*) und dadurch den Ein wanderern den Erwerb von Grundbesitz noch erschwerte. Dabei warf man ihm in Algier unersättliche Habsucht und schmutzigen Geiz vor und erzählte sich nur von seinen Erpressungen und von seiner Nachsicht gegen die scham loseste Corruption der Militairbeamten, Intendanten, agens comptables und dergl. Möglich dass ein guter Theil der Anklagen gegen den Marschall übertrieben, manche auch rein erfunden sind ; dennoch ist es gewiss, dass man in Algier fast alle diese Behauptungen damals glaubte. Wohl mochte die verhaltene Leidenschaftlichkeit und der Hass der Gegner sich in dieser Weise Luft machen, aber wun derbarer Weise erhob sich auch nicht eine einzige Stimme zu seiner Vertheidigung . Der Name des Grafen Damrémout stand in Afrika noch in ehrenvollem Andenken. Der Gouverneur hatte im Jahre 1830 unter Bourmont eine Brigade kommandirt und an al len Gefechten gegen Türken und Araber bis zur Einnahme Algiers ruhmvollen Antheil genommen. Er hatte sich dann ohne Schwertstreich Bonas bemächtigt und sich hier wäh rend seines kurzen Aufenthaltes die Liebe und Anhäng lichkeit der Bevölkerung durch seine Herablassung, Gerech tigkeit und durch die unter seinen Truppen streng auf recht erhaltene Mannszucht in hohem Grade erworben. Als bald darauf die Stadt von den Arabern mit grosser Wuth und Unerschrockenheit angegriffen wurde, verthei digte sie Damrémont tapfer und brachte dem Feinde be deutende Verluste bei. Auf die Nachricht vom Ausbruche der Julirevolution rief Bourmont die Brigade Damrémonts
*) Wagners Reisen in der Regentschaft Algier.
288 nach Algier, von wo aus der General nach Frankreich zurückkehrte und seither kein Kommando mehr in Af rika führte. Sobald ein neuer Gouverneur seine Function über nommen hatte, war es Sitte gewesen, dass er in einer Proklamation seine Pläne in Bezug auf die Kolonie dar legte. Trotzdem häufig die Handlungen den gemachten " Verheissungen wenig entsprochen hatten, glaubte Dam rémont dennoch, als er am 3ten April zu Algier eintraf, sich diesem Gebrauche fügen zu müssen und erliess ein Manifest, worin er der Kolonie einen friedfertigen und ge segneten Zustand verhiess. Wirklich hoffte der General als Freund einer ruhigen und ungestörten Verwaltung die selbe mit der Zeit einführen zu können, aber augenblick lich athmete noch Alles Krieg und war nach der eben er littenen Niederlage eine Beilegung der Feindseligkeiten vorläufig nicht abzusehen. Mit dem Grafen Damrémont zngleich traf auch der General Bugeaud mit einer ziemlich unbestimmt defi nirten Autorität in Oran ein, um daselbst ein vom Gene ralgouverneur unabhängiges Kommando zu übernehmen. Er sollte nämlich, wie es in der ihm gegebenen Instruction hiess, den Emir bis auf's äusserste bekämpfen oder mit ihm einen definitiven und annehmbaren Frieden schliessen. Ebenso wie Damrémont glaubte auch Bugeaud mit einer Proklamation debütiren zu müssen, in der er den Arabern mit einem Vertilgungskriege drohte. Augenblicklich wur den die durch den Juden Ben -Durand und den General Brossard betriebenen Unterhandlungen abgebrochen, ver möge deren Abd- el-Kader gegen Eisen und Geld sowie gegen Freigebung der am Sikak gemachten Gefangenen die Verproviantirung des Meschuars mit Getreide und Ochsen übernommen hatte. Ueberhaupt war Abd- el-Kader ursprüng lich nicht ganz abgeneigt gewesen einen Frieden zu schlies sen ; nun aber nach der Proklamation Bugeauds wollte er den Monat April, da er sehr wohl wusste, dass die Fran zosen vor Anfang Mai nicht würden in's Feld rücken können, dazu benutzen, um die Stämme im Osten der
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Provinzen Oran und Titeri zu durchziehen.
Er erreichte
durch diese Operation einen doppelten Vortheil ; erstens konnte er seine Finanzen durch die den Völkerschaften zu machenden Auflagen verbessern , ferner aber hoffte er durch sein persönliches Erscheinen seine Autorität zu con solidiren und die im Centrum der französischen Besitzun gen wohnenden Stämme zu bewegen, den Generalgouver neur im Falle eines Krieges an einer Vereinigung mit General Bugeaud zu verhindern . Wenige Wochen nach der Ankunft des Generals Dam rémont brach daher Abd- el-Kader ") von Tekedempt mit einem kleinen Heere auf, um die noch nicht unterworfenen Stämme zu durchziehen . Zuerst wandte er sich gegen die Stadt Scherschel und den Kabylenstamm der Beni - Menasser mit der Aufforderung, ihm als ihrem Oberherrn den Aschur zu entrichten. Die Bevölkerung von Scherschel unterwarf sich ; die Beni- Menasser aber verweigerten die Abgabe und versprachen ihm blos ihre Freundschaft, die Unterstützung ihrer Waffen gegen die Franzosen , wollten aber nichts von Unterwerfung hören. Da die Beni-Menasser gebirgige Gegenden bewohnen und sehr streitbar und mächtig sind, so begnügte sich Abd -el-Kader hiermit und marschirte von dort nach der Provinz Titeri, wo er am 22ten April in Me deah seinen Einzug hielt. Seine Emissäre stiegen allenthal ben vom Atlasgebirge herab , predigten den Krieg gegen die Christen und munterten die Stämme der Metidscha zur Empörung gegen die Franzosen auf. Die Stadt Blidah, ob wohl nur drei Stunden von den französischen Vorposten entfernt und die Beni- Khelil, deren Duars unter den Kano nen des Lagers Buffarik standen, schickten heimlich Ge sandte an den Emir und zahlten den verlangten Tribut. Auf die Nachricht von diesen Vorgängen beschloss Dam rémont dem weiteren Umsichgreifen des Aufstandes entge genzutreten und versammelte in der Gegend von Buffarik ein Truppencorps von 6000 Mann, um mit diesen Blidah zu *) Wagners Reisen in der Regentschaft Algier. Reynaud : Annales algériennes . Heim, Kriege in Algier. 1. Bd.
19
Pellissier de
290 besetzen und die Stämme der Metidscha einzuschüchtern. Am 28ten April unternahm der General deshalb, nur von einem Theil seiner Truppen begleitet, eine Recognoscirung des Gebirges und suchte die Beni - Salah und die Hadschu ten, welehe zu den Waffen gegriffen hatten, durch Unter handlung zu beruhigen. Diese Stämme erwarteten den General in der Nähe von Blidah und feuerten einige Schüsse ab, als ihnen der Kapitän Pellissier in Begleitung eines Dragomans entgegen geschickt wurde. Nachdem es den beiden Abgesandten mit genauer Noth gelungen war, sich zu retten, traten die französischen Re gimenter ihren Rückweg an , und auch die Feinde kehrten, da sie glaubten, es habe sich hier, wie schon häufig, um eine blosse militairische Promenade gehandelt, in ihre Stammgebiete zurück. Bereits am nächsten Morgen er schien jedoch Damrémont wiederum vor den Thoren Bli dah's, diesmal aber mit seiner ganzen Macht und theilte dieselbe in drei Kolonnen , von denen zwei die Stadt um gingen, um den Kabylen auf diese Weise die Unterstützung derselben unmöglich zu machen . Zwar leisteten die Beni Salah auf dem Gebirge einigen Widerstand, wurden aber von den Zuaven aus allen ihren Positionen gejagt und ei nige ihrer Duars in Brand gesteckt. Bald darauf zog der Generalgouverneur in die Stadt, wo er sich eifrigst mit dem Plane einer Befestigung derselben beschäftigte. Indessen erklärte das Geniecorps, die Ausführung dieses Projekts sei der Oertlichkeit wegen mit grossen Schwierigkeiten verbun den, ganz abgesehen davon, dass durch einen derartigen Bau die grossen prächtigen Orangegärten, welche die Stadt umgaben, zerstört werden müssten. Besonders dieser letz tere Umstand war so gänzlich den proklamirten Prinzipien Damrémonts entgegen, dass er den Plan aufgab und west lich von der Stadt ein Lager aufzubauen beschloss. Durch die Anlage dieses Werkes konnte in der That mit bedeu tend geringeren Mitteln derselbe Zweck erreicht werden, indem ein solches Lager die Hadschuten von Blidah trennte und auch die Beni- Salah im Zaum hielt. Trotz aller die ser Vorzüge kam jedoch auch dieses Projekt erst im Jahre
291 1838 zur Ausführung, da die Militairverwaltung behaup tete, nicht mit Sicherheit die Mittel zur Verproviantirung dieses neuen Etablissements garantiren zu können . General Damrémont führte seine Truppen nach Buffa rik, unternahm von hier aus noch einen Zug nach Coleah und kehrte am 2. Mai nach Algier zurück. Während dieser Vorgänge hatte der Emir bereits Medeah verlassen und sich nach der Provinz Oran zurück begeben, wo er der Eröffnung der Feindseligkeiten von Sei ten des Generals Bugeaud entgegensah. Vor seinem Abmarsche hatte er in Stelle von El-Bar kani seinen Bruder El- Hadsch - Mustapha als Kalifa in Hauptstadt Titeris zurückgelassen, von wo aus dieser vom Emir begonnene Werk vervollständigte und sich mühte, die Stämme des Ostens gegen die Herrschaft Franzosen aufzuhetzen. Seinen Bemühungen gelang
der das be der es,
die Amrauah, einen halb aus Kabylen , halb aus Arabern bestehenden Stamm zu vermögen , dass sie die schönste und bedeutendste europäische Kolonie, das Landgut Reghaia überfielen, die beträchtlichen Heerden fortführten und ei nige Knechte tödteten . Auf diese Nachricht hin erhielt der Oberst Schauenburg den Auftrag mit 2 Bataillonen vom 2. leichten , einem Bataillon vom 48. Linienregiment, 200 Chasseurs d'Afriques, zwei Gebirgsgeschützen und etwa 100 irregulären Spahis gegen die Beni -Isser zu marschiren. Dieser Stamm war zwar bei dem Raube unmittelbar nicht zugegen gewesen ; indessen hatte derselbe den Plünderern den Durchzug durch sein Gebiet gestattet und so wollte man an ihnen die That rächen, da die eigentlich Schuldigen nicht erreichbar waren . Während Oberst Schauenburg gegen Osten zog, und die erschreckten Stämme mit ihren Heerden vor sich her in der Richtung des Flusses Isser trieb, sollte der General Perregaux mit zwei Bataillonen an der Mündung desselben landen und den Arabern die Flucht versperren . In dem Augenblicke jedoch, als dieser die Rhede von Algier verlassen wollte, erhob sich ein furcht barer Orkan, der die Abfahrt verhinderte, so dass Oberst Schauenburg allein auf dem Kampfplatze blieb. Nach einigen 19*
292 unbedeutenden Gefechten , aus denen die Franzosen als Sieger hervorgegangen waren, mussten sie der Uebermacht weichen, da Ben-Zamum mit den Kabylen des Dschurd schuragebirges dem Stamme Isser zu Hülfe geeilt war und auch die Reiter der Amrauah die für die Franzosen fech tenden Ariben in die Flucht geschlagen hatten. Um die Gebirgsbewohner einzuschüchtern, wurden am linken Ufer des Flüsschens Buduau einige Schanzen errichtet und Trup pen dort zurückgelassen . Die Kabylen waren dadurch mit einem Ueberfalle bedroht und entschlossen sich daher, die Franzosen aus dieser für die Gebirgsbewohner so gefähr lichen Position zu vertreiben. Am 25. Mai 1837 wurde das kleine Lager der Franzosen, das von dem Major de La Torré mit nur 900 Mann Infanterie, 45 Reitern und zwei Gebirgshaubitzen vertheidigt ward, von 5000 Kabylen angegriffen. Torré hatte in aller Schnelligkeit einige Ver theidigungsmassregeln getroffen und zwar in der Art, dass er vier grosse Wagen, die am Tage vorher mit Proviant angekommen waren, in Carréform hinter der angefangenen Redoute auffahren und mit zwei Compagnieen, den Ge schützen und dem Feldlazareth besetzen liess . Zwei an dere Compagnieen besetzten das links von der Befestigung gelegene arabische Dorf Buduau, während die Kavallerie zur rechten derselben hinter einer langen Linie von Tirail leuren aufgestellt wurde, welche mit zwei anderen Com pagnieen als Soutiens die verschiedenen Punkte der Posi tion verband. Der um 7 Uhr Morgens beginnende Kampf wurde von Anfang an ungemein lebhaft. Der Feind bemächtigte sich einiger vor dem Dorfe gelegenen Ruinen und setzte sich darin fest ; gleichzeitig umging ein Theil seiner Kavallerie die Position der Franzosen und schnitt ihnen auf diese Weise den Rückzug nach Algier ab. Plötzlich jedoch stürzten die 45 französischen Reiter auf die mehrere Hun dert Pferde starke feindliche Kavallerie und führten diesen Choc mit solcher Schnelligkeit und so viel Heroismus aus , dass sie die Gegner verjagten und sie zwangen sich auf ihre Infanterie zurückzuziehen. Dieser glückliche und brillante
293 Angriff hätte nothwendiger Weise das Uebergewicht auf die Seite der französischen Waffen bringen müssen, wenn nicht gleichzeitig ein Signal von den Vertheidigern des Dorfes irrthümlich für den Befehl zum Rückzuge gehalten worden wäre. Sobald nun die Companieen Buduau ver liessen, folgten ihnen auch die Truppen auf der rechten Seite der Redoute, wodurch die Feinde einen erheblichen Vortheil über die französischen Truppen erhielten. Kaum hatten indessen die Offiziere die Grösse der Gefahr und ihren Irrthum erkannt, als sie an der Spitze ihrer Solda ten unter lautem Zuruf wiederum in das Dorf drangen und die Feinde mit dem Bajonette, dieser Afrikanern ge genüber unwiderstehlichen Waffe , aus demselben heraus jagten. Weniger glücklich war der Kampf bei der Ruine, wo es zur Delogirung des Feindes erst der Beihülfe des Geschützes bedurfte. Nichtsdestoweniger verliessen die Kabylen erst gegen Abend das Schlachtfeld und luden , wie gewöhnlich, den grösseren Theil ihrer Todten und Verwundeten auf Pferde und Maulthiere, mussten aber dennoch über hundert Leichen auf der Wahlstatt zurück lassen, da sie dieselben nicht alle fortschaffen konnten. Unmittelbar nach Beendigung des Kampfes traf der General Perregaux mit bedeutenden Verstärkungen aus Algier ein, wohin bereits die Nachricht von dem stattfin denden Kampfe gedrungen war. Nun ergriffen die Fran zosen ihrerseits die Offensive, drangen in den Uthan der Beni-Isser ein und wandten sich dann gegen Dellys. Die Isser unterwarfen sich hierauf wenigstens scheinbar und versprachen den in Reghaia gemachten Raub zu ersetzen. Wenn dies nun auch niemals geschehen ist , so fand sich der General Damrémont dennoch veranlasst, in dem moni teur algérien den glücklichen und erfolgreichen Ausgang des Zuges zu preisen . Vielleicht geschah dies insofern nicht ganz mit Unrecht , als es diesem Siege zuzuschreiben war, dass die Feindseligkeiten von Seiten der östlichen Stämme vereinzelt blieben und nur die Hadschuten in gewohnter Weise, ihre Razzias und Plünderungen fortsetzten.
294 Während dieser Ereignisse in der Provinz Algier hatte General Bugeaud in Oran das Kommando einer Armee von 9000 Mann übernommen , um gegen Abd-el-Kader zu Felde zu ziehen , oder den Emir durch Entwickelung einer so imposanten Streitmacht zu einem Friedensschlusse zu be wegen. Da es damals die Niederlage von Constantine zu rächen galt, wünschte man mit dem Emir möglichst schnell fertig zu werden, um dann alle Streitkräfte gegen den Bey von Constantine verwenden zu können. Bugeaud hatte zu diesem Behufe alle möglichen Vor bereitungen getroffen, um seinen Truppen die für das Land und die Fechtart der Feinde durchaus nothwendige Leich tigkeit zu geben. Kein einziger Wagen folgte dem Marsche des Corps, die Gebirgsartillerie wurde auf Maulthiere ge packt, der Convoi von 500 Kameelen getragen , das Schlacht vieh ebenfalls zur Fortschaffung von Lasten verwendet und statt der Krankenwagen hatte man Krankenbahren und Stühle , die so eingerichtet waren , dass auf jeder Seite eines Maulthieres ein Kranker in sitzender oder liegender Stellung transportirt werden konnte. Um der Infanterie, dieser wichtigsten und doch am meisten allen Anstrengun gen und Entbehrungen ausgesetzten Waffe, die Ertragung der Strapazen möglichst zu erleichtern, hatte Bugeaud Für sorge getroffen, dass alles nur irgend Entbehrliche zu Hause gelassen wurde. Die Infanteristen trugen kurze Röcke und Feldmützen , legten die Seitengewehre ab und erhielten eine bequemere Patrontasche. Vor dem Abmarsche wurde eine Musterung abgehalten und alle diejenigen zurück gestellt, von denen man voraussetzen konnte, dass sie nur mit Mühe die Beschwerden einer längeren Campagne er tragen würden. Abd -el-Kader war von allen diesen Vorgängen auf das Besoldete Spione in Oran , Algier genaueste unterrichtet. und Paris setzten ihn von den Interessen und Absichten der kommandirenden Generale , von der Gesinnung des Minis teriums und von dem Einflusse der Kammern in Kennt niss. Ja der Emir erfuhr sogar die Gespräche Bugeauds mit seinen Umgebungen, welche für ihn von der höchsten
295 Wichtigkeit waren , indem der General mit seinen Offi zieren nicht allein seine eigenen Pläne , sondern auch das was Abd-el-Kader thun müsste, zu besprechen pflegte. Auf diese Weise hatte der Emir erfahren , dass es Bugeauds Absicht sei, zuerst gegen Tlemsen und die Tafna zu marschiren und hatte deshalb sämmtliche Stämme im Westen unter die Waffen gerufen und sein Lager in dem Isserthal einige Meilen vor Tlemsen aufgeschlagen. Ausser dem hatte er sämmtlichen Duars , die sich auf dem Wege der Franzosen befanden, befohlen, die Gegend zu verlassen und ihre Habseligkeiten in die Gebirge in Sicherheit zu bringen. Das 9000 Mann starke Expeditionscorps bestand aus den 1sten , 23sten , 24sten , 47sten und 62sten Linienregi mentern , dem 3ten Bataillon leichter afrikanischer Infan terie, dem 2. Regiment Chasseurs d'Afrique, den regulairen Spahis, den Hülfstruppen der Duer und Smelaer und zwölf Feldgeschützen und setzte sich am 15ten in Bewegung. Die Truppen waren in drei Brigaden eingetheilt , welche von den Generalen Ceydet und Rullière und dem Oberst Combes commandirt wurden. Am 16. Mai passirte General Bugeaud Meserghin, den Rio- Salado am 17ten, den folgen den Tag den Ued- Sinan und kam am 19ten zum Isserfluss. Die Gegenden, welche man durchzog , waren öde und un bewohnt , vom Feinde war nichts zu bemerken und nur beim Uebergange über den letztgenannten Fluss zeigten sich einige hundert Araber , die jedoch von den Reitern des greisen Mustapha-Ben-Ismael , der selbst mit einem Kopfe auf seinem Gewehre ins Bivouak zurückkehrte, zer streut wurden. Am 20. Mai wurde in einem herrlichen Olivenwalde vor den Thoren Tlemsens bivouakirt, während Bugeaud im Meschuar selbst sein Hauptquartier aufschlug. Bereits am nächstfolgenden Tage trat das Expeditionscorps den Marsch nach der Tafnamündung an und erreichte die selbe am 23sten nach Ueberwindung eines höchst schwie rigen und gebirgigen Terrains. Unmittelbar nach der An kunft wurde die Demolirung der dort mit so unendlicher Mühe und so bedeutenden Geldopfern errichteten fortifika
296 torischen Werke begonnen , da die Regierung zu der Ue berzeugung gekommen war , dass die direkte Verbindung, die man dadurch mit Tlemsen zu eröffnen hoffte, vermöge der Beschaffenheit des Terrains und der Unzuverlässigkeit Um die Küste zu be der Bewohner unausführbar blieb. herrschen, hielt man allein die Besetzung der Insel Rasch gun, einer nackten , vulkanischen , 4000 Schritt von der Tafnamündung entfernten Felseninsel aufrecht. Trotz des verhältnissmässig unbedeutenden Marsches und trotzdem noch keine Kämpfe stattgefunden hatten, war der Anblick des französischen Corps doch ein wesent lich verschiedener von dem , welchen es bei seinem Aus marsche aus Oran gewährt hatte. Denn wenn sich Bugeaud auch mit Recht der Hoffnung hingegeben hatte, die beweg lichste französische Kolonne aufzustellen , welche jemals in Nordafrika operirt , so befand er sich doch jetzt in Bezug auf seine Transportmittel in nicht geringer Verlegenheit. Wie oben erzählt worden , befanden sich bei dem Corps keine Wagen , sondern nur Lastthiere , welche besonnener und ruhiger Führer bedürfen , deren man in der französi schen Armee nicht leicht vorfindet. In Folge dessen und weil die schlecht gearbeiteten Tragesättel die Thiere ge drückt hatten , war die Zahl derselben , als man an der Tafna ankam , um 276 Stück geschmolzen, mit ihnen auch der Proviant , den man nur zum Theil hatte fortschaffen können. Ausserdem war die Zahl der Kranken sehr gross und es liess sich erwarten, dass ihre Menge in der bevor stehenden heissen Jahreszeit noch bedeutend zunehmen würde ; der durchschnittlich 31 ° Réaumur betragende Tem peraturunterschied zwischen 3 Uhr Morgens und 12 Uhr Mittags erzeugte Fieber und ermattete selbst die kräftig sten Naturen . Unter solchen Umständen war es dem General Bu geaud sehr erwünscht , als am 25. Mai aus dem 6 Meilen entfernten Lager Abd- el-Kaders ein Abgesandter mit Frie densvorschlägen erschien. Die Unterhandlungen gingen rasch von Statten und bereits am 27sten war man über die Hauptpunkte einig.
Da
aber Bugeaud über einige
297 Punkte gerne mündlich mit dem Emir sich verständigen wollte, so schlug er demselben eine auf den 1. Juni 1837 anberaumte Unterredung an einem einige Meilen von dem französischen Lager entfernten Orte vor. Abd-el-Kader gewährte dem General diesen Wunsch , dessen Erfüllung einst Desmichels vergeblich erstrebt hatte. An genanntem Tage brach der General Bugeaud um 6 Uhr Morgens mit 6 Bataillonen Infanterie , seiner Kaval lerie und Artillerie von dem Tafnalager auf, um sich nach dem Orte zu begeben , der für die bevorstehende Zusam menkunft verabredet worden war. Um 1/2 10 Uhr traf er zu Magta-el-Tafna , einer wilden , mit Zwergpalmen und Mastixsträuchern dürftig bewachsenen Gegend , ein und stellte seine Truppen in Schlachtordnung auf. Aber meh rere Stunden vergingen , ohne dass vom Emir und seinem Heere auch nur eine Spur zu erblicken gewesen wäre. ,,Endlich * ) erschien ein arabischer Häuptling , wie es hiess, ein Minister Abd-el-Kaders, der dem General Bugeaud ein Schreiben seines Sultans brachte. Der General öffnete - wir drängten uns neugierig in seine Nähe. Nachdem Bugeaud durch seinen Dragoman Namscha , einem Syrier, den Inhalt erfahren , zog er ein finsteres Gesicht und rief zum Dolmetscher sich wendend : „dites au ministre , que je suis las de ses crochets , que je n'ai avec moi , que la moitié de mon armée et que nous invitons son maître à venir nous livrer bataille." Ramscha und der Häuptling sprengten im Galopp fort, dem Emir diese drohende Ant wort zu bringen. In dem Schreiben hatte Abd- el-Kader nach den Preisen der ihm versprochenen Waffen und Mu nition gefragt. Er und seine Häuptlinge legten auf diese Clausel des Tractates ganz unverholen das grösste Gewicht. Dieser Umstand allein hätte hinreichen sollen, dem franzö sischen General über die Absichten und Pläne des Emirs die Augen zu öffnen. Ein Gegner , der beim Friedens
*) Wagner liefert über diese interessante Unterredung den Be richt eines Augenzeugen des Hauptmanns im vierten Schweizer regimente des Königs von Neapel, Herrn Muralt.
298 schlusse Waffen und Pulver fordert, erregt einige Zweifel über die Aufrichtigkeit friedlicher Versicherungen. Aber er fühlte , dass er schon zu weit gegangen war, um mit Ehren zurückzugehen. Er glaubte sich zu compromittiren, fürchtete die im gegenwärtigen Falle gerechten Angriffe einer ihm feindseligen Presse , wenn er mit seiner Armee nach Oran zurückkäme , ohne weder gekämpft noch Frie den gemacht , ohne durch den pomphaft angekündigten Feldzug das mindeste Resultat erreicht zu haben. Um eine persönliche Beschämung sich zu ersparen, opferte er höhere Rücksichten." ,,Die Stunden vergingen , die Sonne stand schon ziem lich tief und noch immer keine Spur von Abd- el - Kader. Auch unser Dragoman blieb aus. Bugeaud suchte verge bens seinen Aerger zu verbergen ; die Offiziere murrten und ich hörte einen halblaut sagen : „ Abd -el - Kader ne se présentera jamais, notre Général reçoit un bon soufflet." Bissige Bemerkungen fielen in Menge. Der General, um sie nicht zu hören , und den Vorwürfen , die er auf allen Gesichtern sah, auszuweichen , legte sich der Länge nach auf's Gras hin und suchte zu schlafen . Es kamen wieder arabische Boten mit lakonischen Worten . Der Eine sagte, der ,,Sultan" sei krank gewesen und spät vom La ger aufgebrochen ; ein Anderer versicherte, er sei nicht mehr weit, ein Dritter, er sei ganz nahe, aber aufgehalten worden. Bugeaud empfing sie grob , liess sie die Front seiner Bataillone und die Kanonen übersehen und schickte sie wieder fort." ,,Unter den anwesenden Offizieren war der bedeu tendste, zwar nicht dem Range , doch dem Titel und dem Charakter nach , der Oberst Combes , ein Mann von den hochherzigsten Gesinnungen , glühend begeistert für den Ruhm Frankreichs, im Umgange mild, klar, in seinem gan zen Wesen einfach und doch imponirend. Obwohl Combes der liberalen Partei seines Vaterlandes angehörte, und seine Prinzipien demnach in keiner Weise mit denen seines Obergenerals harmonirten, so setzte Bugeaud dennoch gros ses Vertrauen in ihn; sie waren persönliche Freunde , ob
299 wohl auch im gegenwärtigen Falle ihre Ansichten durch aus nicht übereinstimmten. Ich sah Beide in eifrigem Gespräche. Combes forderte Bugeaud auf , nicht eine so kostbare Zeit an der Tafna unthätig und unnütz verstrei chen zu lassen ; wenn die Lebensmittel zu dem projectir ten vierzigtägigen Feldzuge nicht mehr hinreichten, so solle man wenigstens einen achttägigen unternehmen und den Feind nach allen Richtungen verfolgen. Der Oberst sprach mit grosser Wärme , er bedauerte die Millionen, welche sein Vaterland hier unnütz vergeuden lasse ; jeder vernünf tige Mensch musste ihm beistimmen. Bugeaud machte seinem inneren Grimme und Aerger in heftigen Ausrufen Luft: „ Que sommes -nous devenus dans quelques jours ! Reduits a l'impossibilité de faire la guerre ! mes ordres ne sont pas exécutés . Je serais le premier à la faire — je suis brave comme vous tous. Mais nous ne pouvons pas. Si l'Emir se retire , ne se montre pas que faire alors ? Ah cette guerre est bien difficile ! Dies waren Bugeauds eigene Worte. Man merkte an ihm ein beständiges Schwanken. Unter Combes Oberkommando wären die Ereignisse wohl anders ausgefallen." ,,Endlich kam unser Dragoman in vollem Rennen an gesprengt . Abd-el -Kader sagte er, sei im Augenblick , als er ihn verliess, mit seiner ganzen Armee aufgebrochen und Nun war Bu bald werde man ihn zu sehen bekommen. geaud wieder heiter. Der todtmüde Ramscha setzte sich auf einen Stein und schrieb einige Zeilen nieder , die ihm der General als Zusatzartikel zu dem Vertragsentwurf in die Feder dictirte. Die Zeit verstrich indessen und noch immer liess sich der Emir nirgends blicken. In der Ferne sahen wir arabische Kavalleriemassen einige Berge besetzen." .,Es war fünf Uhr Abends. Der General , der seine Truppen noch an demselben Tage in's Lager zurückzufüh ren wünschte , entschloss sich endlich , den Emir selbst aufzusuchen. Er ritt, begleitet von einigen Offizieren, fünf Chasseurs und einigen Spahis im Galopp davon ; ich schloss mich ebenfalls seinem Gefolge an . Im Ganzen waren wir etwa zwanzig Personen.
Der Grund des Zögerns war bei
300 Abd-el-Kader vielleicht keineswegs Misstrauen , sondern mehr Stolz. Er sah ein , dass er vor der Front der feind lichen Armee nicht in seiner Sultanswürde auftreten könne, sondern mit dem französischen General auf dem Fusse der Gleichheit stehen werde. Dies suchte er zu vermeiden, sowohl aus angeborenem Stolz , als aus Klugheit, denn er wollte sich in den Augen seiner Araber auf keine Weise etwas vergeben." ,,Nach einem dreiviertelstündigen Ritt über einen ziem lich rauhen Weg, glaubten wir endlich Abd- el- Kader inmit ten seiner Reiter auf dem Abhange eines Hügels zu er blicken. Es war aber Täuschung. Nur einzelne Reiter zeigten sich und winkten mit weissen Tüchern. Endlich kam Buhamedi, Häuptling der Kabylen an der Tafna und versicherte dem General, er werde den Emir sogleich tref fen. Einige arabische Reiter umkreisten uns auf der Seite und im Rücken. Das Gefolge fing an unruhig zu werden und mehrere Stimmen riefen : ,,Général nous nous exposons trop - arrêtons ! Bugeauds augenblickliche Antwort war: ,,Messieurs il n'est plus temps." Er hatte Recht. Vorsicht wäre hier zu spät gewesen , denn von allen Seiten waren wir bereits von einzelnen Reiterhaufen umringt, deren De monstrationen übrigens nichts Feindseliges hatten. Buha medi, der die Unruhe des Gefolges merkte , rief: ,, Seid ruhig, fürchtet nichts." ,,Ich kenne keine Furcht," erwi derte General Bugeaud , „ ich bin an Euren Anblick ge wöhnt. Aber ich finde es unhöflich von Deinem Häuptling, dass er mich so lange warten , so weit herkommen lässt." - „ Er ist dort", sagte der Kabyle,,,Ihr werdet ihn gleich sehen." Der Weg machte hier eine Biegung und nun er blickten wir den Emir plötzlich vor uns. Abd- el-Kader sass auf einem schwarzen Ross ; an seiner Seite seine Neger musik , um ihn seine vornehmsten Häuptlinge auf pracht vollen Pferden und im Hintergrunde seine Armee , Reiter und Fussvolk malerisch gelagert auf den Abhängen des Gebirges." ,,Als Bugeaud den Emir erblickte , ritt er ihm wenige Schritte entgegen und lud ihn mit freundlicher Geberde
301 ein, das Gleiche zu thun. Abd -el-Kader achtete aber nicht auf ihn, sondern liess sein wunderschönes Wüstenross die Fantasia machen und zeigte dabei eine ungemeine Reiter gewandtheit. Bald machte der feurige Rappe Sätze von vier bis fünf Fuss , bald marschirte er mehrere Minuten lang blos auf den Hinterfüssen , er schnaubte dabei sehr vernehmbar und seine lange Mähne berührte den Boden. Die 150 oder 200 Häuptlinge hinter ihm , sämmtlich äus serst imposante Gestalten mit schönen schwarzen oder silbergrauen Bärten , liessen gleichfalls ihre Rosse bäumen und schnauben. Als der Emir dem General durchaus nicht entgegenkommen wollte, sprengte letzterer im Galopp auf ihn zu und bot ihm die Hand. Der Araberfürst empfing sie äusserst stolz und auf eine für den General wahrhaft beleidigende Weise. Wir sahen einander an, uns war nicht wohl zu Muth und namentlich wurden die Intendanten Inzwischen stieg bleich ; wir fürchteten Verrätherei. Bugeaud vom Pferd , Abd-el-Kader that das Gleiche und legte sich gleich der Länge nach auf das Gras hin , ohne den General zu sich einzuladen. Uns würdigte der Emir gar keines Blicks ; er schien uns insgesammt wie Hunde zu verachten. Bugeaud setzte sich nun auch sans façon an seine Seite ; neben ihm der Dragoman Ramscha. Bei Abd-el-Kader sass Milud-ben-Arasch , sein Aga und Ver trauter. Die 150 Häuptlinge, grösstentheils Marabuts und Scheikhs , blieben auf ihren Pferden und bildeten einen grossen Halbkreis um die Gruppe. Zwei von ihnen ritten dicht vor uns und stellten sich zwischen uns und ihren Gebieter, offenbar in der Absicht, dem Sultan beizusprin gen, wenn wir etwa unser eigenes Leben einsetzen woll ten, den gefährlichen Feind zu tödten.“ ,, Abd -el-Kader ist von kleiner Figur und zart gebaut. Seine Stirn ist sehr ausgebildet, sein Mund ziemlich gross, sein Auge sanft und gleicht ziemlich dem Bilde, das die Tradition von Jesus Christus giebt. Der Ausdruck seiner Züge verräth Andacht und Frömmigkeit, die vielleicht ein Bischen affectirt ist. An jenem Tage trug er das einfachste Gewand, einen braunen, aus Kameelhaaren gewebten Bur
302 nuss. Wir wussten nicht, wen wir unter den merkwürdigen Gruppen vor unseren Augen am meisten betrachten sollten, den Emir, seine Häuptlinge, deren majestätische Haltung und langen wallenden Gewänder. Das Malerische ihrer Ge stalten erhob die arabische Armee, welche 8000 Reiter und ebensoviel Fussgänger stark, recht geisterhaft alle Berg rücken umher bedeckte. Es herrschte tiefe Stille und die Unterredung begann . " ,,Der erste Artikel des Traktats betraf die Anerken . nung der Souverainität des Königs der Franzosen in Afrika. " 29 Wie ! " rief der Emir, „, und die übrigen Fürsten Afrikas, Marokkos , Tunis, sollen auch die ihn als solchen anerkennen ?" „ Que t'importe ? " erwiderte Bugeaud , Abd - el- Kader schwieg dann und man ging in der Lesung der Artikel weiter. Bugeaud verlangte Geisseln als Garantie der Erfüllung des Traktates. ,, In diesem Falle -- sagte der Emir -- werde auch ich Geisseln von Dir fordern . Der Glaube und die Sitten des Arabers sollten euch genügen. Jeder Vertrag ist mir heilig . Nie habe ich mein Wort gebrochen . Die französischen Generale können nicht dasselbe von sich sa gen." Er wiederholte dies einige Male mit lebhaftem Nach drucke. ,, Ich vertraue auf Dein Wort - erwiderte der General ―― und verpfände mich für Deine Treue beim Kö nige der Franzosen ; ich biete Dir meine persönliche Freund schaft. 66 99 Ich nehme Deine Freundschaft an. Mögen die Franzosen sich aber hüten, den Intriguanten Gehör zu schenken. " „ Die Franzosen lassen sich von Niemandem leiten. Einzelne Verbrechen werden den Frieden nicht stören, wohl aber wird dies der Fall sein, wenn der Ver trag nicht erfüllt oder eine Feindseligkeit von Bedeutung begangen wird. Was einzelne Verbrechen anbelangt, so wollen wir sie einander anzeigen und die Schuldigen ge genseitig bestrafen. " 99 Ganz gut. Gieb mir immer Nach richt und die Schuldigen sollen der Strafe nicht entgehen.“ ,, Ich empfehle Dir die Kuluglis von Tlemsen zu guter Behandlung. " ,, Sei ruhig, sie sollen behandelt werden wie die Hadars. " Abd -el-Kader fragte auf's Neue nach den Preisen der zu liefernden Waffen und Munition . Ungedul
303 dig rief General Bugeaud zu seinem Dolmetscher : „ Mais que diable ! Dites lui donc, que nous ne sommes pas des enfants. Il les aura au prix de l'armée. “ Abd-el-Kader schien zufrieden." ,, Nach einem kurzen Schweigen fragte Bugeaud ; ,,hast Du befohlen den Handelsverkehr mit unseren Städten wie ,, Nein, dies wird geschehen, wenn der herzustellen ?" ,, Du weisst wohl, Du mir Tlemsen übergeben hast. " dass ich Dir Tlemsen erst übergeben kann, sobald mein König den Vertrag genehmigt hat. " - ,, So hast Du also keine Vollmacht einen Vertrag zu schliessen ?" 99,Wohl bin ich dazu bevollmächtigt, aber der Vertrag muss be stätigt werden. Es ist dies zu Deiner Garantie nothwen dig, denn wenn er von mir allein geschlossen wäre, könnte mein Nachfolger ihn wieder aufheben, hat ihn aber der König genehmigt, so ist auch mein Nachfolger verpflichtet, den Vertrag zu halten . “ - "" Wenn Du mir Tlemsen nicht übergiebst, so habe ich keinen Vortheil Frieden zu schlies sen. Dann wird es nur ein Waffenstillstand sein." ― ,,Al lerdings ist es vielleicht nur ein Waffenstillstand ; aber Du allein gewinnst dabei ; fürchtest Du nicht meine Artillerie? Und wenn ich Deine Erndten zerstöre und verbrenne? " ,, Die Sonne ist meine Artillerie, die Deine Heere vernich ten wird. Verbrenne immerhin einen Theil unserer Ernd ten, wir werden anderswo Getreide finden. Unser Land ist gross und Du wirst mir mit Deinen Kolonnen nicht folgen; die Hitze und die Seuche werden sie aufreiben. Ueberall, wo Du erscheinen wirst, ziehen wir uns zurück und dann werden Dir bald die Lebensmittel ausgehen. Wir Nomaden finden überall genug zu unserer Nahrung. Nie werden wir in deine Hände fallen, " - ,, Ich glaube, die Araber denken nicht Alle wie Du. Sie wünschen den Frieden und Einige haben mir gedankt, dass ich ihre Fel Abd- el-Kader lachte verächt der bisher verschonte. “ lich und fragte dann, wie lange Zeit nothwendig sei, bis zum Eintreffen der Königlichen Genehmigung. wid ,, Drei Wochen, " antwortete ihm der General. ― 99 Es ist eine lange Zeit! " ― - ,, Du verlierst nichts dabei" --- Ben-Arrasch
304 näherte sich und sagte zum General : 39 Drei Wochen ist zu lang. Wir warten nicht länger, als 10 bis 14 Tage." --,,Kannst Du dem Meere gebieten ?" rief Bugeaud . - ,,Wohlan , so werden wir den Handelsverkehr erst dann wieder an knüpfen, wenn die Genehmigung Deines Königs eingetrof fen sein wird." Ramscha erzählte mir auch, dass Bugeaud im Laufe des Gesprächs zum Emir gesagt habe : 99 Wenn Du uns gefangen nimmst oder tödtest, gewinnst Du nichts dabei. Es giebt noch tausend Generale wie ich in Frankreich. “ Nach einer dreiviertelstündigen Unterredung stand Bu geaud auf, während der Emir sich nicht im geringsten um ihn kümmernd, ausgestreckt liegen blieb. Der General sah ihn ganz verdutzt mit gekreuzten Armen an, pakte ihn dann plötzlich bei der Hand und hob ihn in die Höhe. Der Emir lächelte dankbar für diese Höflichkeit und liess sich auf die Füsse stellen. Das französische Publikum glaubte, als es diesen Vorgang in den Journalen las, der französische General hahe sich äusserst kühn benommen . Aber auf die Araber hatte dieses Aufheben ihres Fürsten gerade den entgegengesetzten Eindruck gemacht. Sie glaub ten hierin eine Demüthigung des französischen Generals zu sehen, einen Bedientendienst von der Art, wie der des Kaisers Friedrich Barbarossa, als er dem Papst den Steig bügel hielt. Es war sechs Uhr Abends als die Unterre dung zu Ende war. Die Sonne war von Wolken umhüllt. Abd- el-Kader schwang sich, ohne sich nach uns umzusehen, auf's Pferd und sprengte im Galopp die Anhöhe hinauf; seine hundert und fünfzig Häuptlinge ihm nach. Jetzt brach auf einmal das gespensterhafte Heer, das bisher der Un terredung regunglos zugeschaut hatte, in ein wildes , lang dauerndes Hurrah aus, das , vom Fusse des Berges begin nend, wie eine Meerwoge hinaufrollte. Gleich darauf krachte ein dumpfer Donnerschlag von den Wolken oben, der vom Bergecho wiederholt , das Grossartige dieser Scene nicht wenig erhöhte .“ ,, Bugeaud kam auf uns zu mit den Worten : „ Quel homme fier ! Mais je l'ai forcé de se lever. 66 Er mochte
305 aber wohl bei sich fühlen , dass die Araber sein Benehmen durchaus nicht für ein Heldenstück gehalten. “ ,, Uns war bei dem Wegreiten ganz seltsam zu Muthe. Wir waren von dem was wir gesehen, wie betäubt und glaubten zu träumen. Auch der General Bugeaud ritt in stillem Nachdenken fort. Im Lager angekommen, umring ten uns hunderte von neugierigen Offizieren, die uns benei deten und denen wir erzählen mussten . Mit finsterem Ge sichte sass der alte Mustapha-ben-Ismael auf dem Rasen, das schöne ehrwürdige Haupt tief zur Brust gesenkt. Er glich einem sterbenden Propheten. Als er hörte dass nun Alles im Reinen sei, und dass man sich nicht gegen Abd el-Kader schlagen werde, sagte er mit bitterem Tone : „ mir bleibt jetzt nichts weiter übrig, als nach Mekka zu ziehen und für mein den Franzosen geschenktes Vertrauen in der Kasabah Busse zu thun. " Den 3ten Juli wurde der Adjutant des Generals, Kapi tän Eynard mit dem Friedenstraktate nach Frankreich ge sandt. Dieser ward später ratificirt und enthielt folgende Paragraphen. Erster Artikel. Der Emir Abd-el-Kader erkennt die Souverainität Frankreichs in Afrika an. Zweiter Artikel. Frankreich behält sich vor, in der Provinz Oran : Mostaganem, Mazagran nebst deren Territo rium ; Oran, Arsew, ferner das Land, welches im Osten begrenzt wird durch die Makta und die Sümpfe, aus denen sie hervorgeht, im Süden durch eine Linie, gezogen von den erwähnten Morästen durch das südliche Ufer des Salz sees und verlängert bis zum Ued-Malah (Rio - Salado ) in der Richtung auf Sidi-Said und von da bis zum Meere ; so dass alles Land, welches sich innerhalb dieser Umgrenzung be finde, französisches Gebiet ist. In der Provinz Algier be hält sich Frankreich vor: Algier, den Sahel, die Ebene Metidscha, welche im Osten begrenzt wird vom Ued-Kad dara und darüber hinaus ; im Süden durch die erste Ge birgskette des kleinen Atlas bis zur Schiffa, inbegriffen Blidah und dessen Territorium ; gegen Westen von der Schiffa bis zu ihrer Biegung bei Massafran und von da in Heim , Kriege in Algier 1. Band, 20
306 gerader Linie bis zum Meere, Coleah und sein Territorium mit einschliessend, so dass alles Terrain, welches sich in nerhalb dieser Umgrenzung befindet, französisches Ge biet wird. Dritter Artikel. Der Emir regiert in der Provinz Oran , Titeri und in dem Theile der Provinz Algier, der nicht un ter den im zweitem Artikel bezeichneten Grenzen einge schlossen ist. Er darf in keinen anderen Theile der Re gentschaft eindringen . Vierter Artikel. Der Emir soll keine Autorität über die Muselmänner haben, welche das Territorium bewoh nen wollen, das sich Frankreich vorbehalten hat, und diese können frei auf das Territorium ziehen, welches der Emir regiert, ebenso wie Einwohner von dem Territorium des Emirs nach Gutbefinden sich auf dem französischen Gebiete niederlassen können. Fünfter Artikel. Die Araber, welche auf französischem Territorium leben, können ihre Religion frei und ungehin dert ausüben. Sie können Moscheen bauen und in jeder Hinsicht ihrem Religonsceremoniel unter der Autorität ih rer geistlichen Oberhäupter, folgen. Sechster Artikel . Der Emir verpflichtet sich, der fran zösischen Armee zu liefern : 30,000 Oransche Fanek Weizen, 30,000 Fanek Gerste und 5000 Ochsen. Diese Lieferung wird in drei Abtheilungen gestellt, von denen die erste in dem Zeitraum vom 1ten bis 15ten September 1837 und die beiden anderen mit einem Zwischenraume von zwei Monaten stattfinden sollen. Artikel 7. Der Emir kann in Frankreich Pulver, Schwe fel und Waffen kaufen soviel als er nöthig hat. Artikel 8. Die Kuluglis, welche in Tlemsen oder an derwärts verbleiben wollen, behalten ihr gegenwärtiges Eigenthum und sollen ebenso wie die Hadars behandelt werden. Diejenigen, welche sich vom französischen Ter ritorium zurückziehen wollen, können ihr Eigenthum frei verkaufen oder verpachten. Artikel 9. Frankreich überlässt dem Emir Raschgun (die an der Mündung der Tafna gelegene Sandfläche, nicht
307 zu verwechseln mit der Insel) Tlemsen und den Meschuar nebst den Kanonen , welche sich früher in dieser Citadelle befunden haben. Der Emir verpflichtet sich alle Ef fekten, Kriegs-, Ammunitions- und Provisionsvorräthe, in deren Besitz die Besatzung von Tlemsen ist, nach Oran transportiren zu lassen. Artikel 10. Der Handel zwischen den Arabern und den Franzosen, die sich auf dem beiderseitigen Territorium ansässig machen können, soll frei sein. Artikel 11. Die Franzosen sollen bei den Arabern
respektirt werden, wie die Araber bei den Franzosen. Die Gehöfte, welche französischen Unterthanen gehören, oder deren Besitz diese erlangen, sollen ihnen gesichert wer den. Sie können frei jeden gesetzmässigen Vortheil davon ziehen und der Emir verpflichtet sich , ihnen den Schaden zu ersetzen, welchen die Araber ihnen zufügen sollten . Artikel 12. Die Verbrecher, welche ihre Zuflucht auf das fremde Territorium nehmen, sollen ausgeliefert werden. Artikel 13. Der Emir verpflichtet sich, keinen Punkt der Küste an irgend eine Macht ohne Einwilligung der Franzosen abzutreten . Artikel 14. Der Handel der Regentschaft kann nur durch die Häfen getrieben werden, welche Frankreich be setzt hat. Artikel 15. Frankreich kann Agenten bei dem Emir und in den Städten unterhalten, welche unter seiner Re gierung stehen, damit dieselben als Vermittler in den Han delsstreitigkeiten oder andern Zwistigkeiten dienen können, welche zwischen den französishen Unterthanen und den Arabern entstehen könnten. Der Emir hat dasselbe Recht in den französischen Städten und Häfen. Tafna, den 30ten Mai 1837. Abd -el-Kaders General Bugeauds Siegel Siegel Es lässt sich nicht leugnen, dass dieser sehr bald zu vielen Controversen Veranlassung gebende Frieden verschie dene, für Frankreich scheinbar vortheilhafte Bestimmungen,
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308 besonders in Bezug auf den Handel enthielt ; indessen zeigte sich das Illusorische derselben sehr bald, indem jene meistentheils eine Folge der mangelhaften Uebersetzun gen und Deutungen einzelner Artikel waren, welche sich sowohl der Emir, wie die Franzosen auf ihre eigne Art auslegten. Im Allgemeinen scheint der Friedensschluss aber nicht nach einem, für die französisch-algierischen Besitzungen durchgreifenden System abgefasst worden zu sein ; denn schwerlich dürfte es sich unter ein solches bringen lassen, wenn auf der einen Seite einer der wichtigsten Punkte der ganzen Provinz aufgegeben wird, während man auf der anderen Seite alle möglichen . Vorbereitungen trifft, Constantine zu besetzen. Auch auf die Bezeichnung der Grenzen für die an Frankreich abgetretenen Gebiete hatte man nicht die für einen so wichtigen Gegenstand durchaus nothwendige Sorgfalt verwendet. So fiel die fruchtbare Ebene Meleta, die hauptsächlichste Quelle des Wohlstandes der Duer und Smelaer, Frankreichs einzigen arabischen Verbündeten, an Abd -el-Kader, und genannte Stämme mussten sich mit der zu Grunde gerichteten und verheerten Umgegend Orans begnügen. Ja man war sogar in der Sorglosigkeit so weit gegangen, dass man sich nicht einmal die Strasse zwischen Arsew und Mostaganem vorbehalten hatte, und letztere Stadt mithin nur noch auf dem Seewege erreichen konnte. General Damrémont hatte durchaus keinen Antheil an dem Abschlusse des Friedens gehabt. Die Nachricht da von kam ihm völlig unerwartet und musste ihn unange nehm berühren, da seine selbstständige Wirksamkeit dadurch so gut wie aufgehoben war. Er befand sich eben mit ei ner Kolonne im Gebiete der Hadschuten, zog sich aber sofort zurück und die Feindseligkeiten blieben suspendirt. Der Friedensschluss an der Tafna gab den Franzosen freie Hand ihre Streitkräfte ungetheilt gegen die alte Haupt stadt zu verwenden und den Flecken abzuwaschen, den die Nationalehre im verflossenen Jahre davongetragen. Man war bei der ersten Expedition gegen Costantine zu der
309 Ueberzeugung gekommen, dass Sturm, Regen und schlechte Wege viel mehr zu fürchten seien, als die Waffen der Feinde und bemühte sich nun nach Kräften, auf alle Un fälle gerüstet zu sein. Ausser zu Drean wurden deshalb noch zu Neschmeya und Mjez- Hamar verschanzte Lager angelegt, die Umfassungsmauer zu Guelma ausgebessert, steinerne Kasernen eingerichtet, die Verbindungsstrassen für Belagerungsgeschütz fahrbar gemacht und eine Strasse bis auf den Ras-el-Akba hinauf gebaut. Im August 1837 kam der Gouverneur nach Mjez-Hamar und wartete hier das Resultat der Unterhandlungen ab, welche zuerst durch den Juden Bussnak, dann durch den Mauren Ben-Kherim mit Achmet angeknüpft worden waren. Man verlangte von ihm, er solle die Oberherrschaft Frankreichs anerken nen, ein bedeutendes Stück seines Territoriums abtreten, einen jährlichen Tribut bezahlen und bei feierlichen Gele genheiten die französische Fahne über der türkischen auf ziehen. Aber der stolze Türke wies im Vertrauen auf seine Macht, in der Hoffnung auf Unterstützung von Seiten der Tunesen und übermüthig geworden durch die grossen Verluste der Franzosen auf dem Rückzuge jede Unterhand lung schnöde von der Hand. Indessen traf er alle Anstalten zu energischem Widerstande und suchte vor Allem die Zahl seiner Streitkräfte zu vermehren, indem er unter den Eingebornen die Flammen des Fanatismus entzündete. Die in seinem Solde stehenden Marabuts predigten in ihren Stämmen den heiligen Krieg, sagten, dass die Franzosen Constantine zu erobern wünschten, um den umwohnenden Völkerschaften den rückständigen siebenjährigen Tribut ab zupressen und dass sie fünfhund der schönsten jungen Araberinnen zu Curtisanen für ihre Offiziere verlangt hätten. Achmet selbst liess einen Brief verbreiten, in welchem er die Absichten der Franzosen in grellen Farben zeichnete und schloss denselben : ,,Meine Kinder , wollt ihr in diese Bedingungen, die mich mit Wuth und Entrüstung erfüllen, willigen, so lasst es mich wissen. Alsdann werde ich mich mit meinen Frauen und Töchtern zu Pferde setzen und lieber mit ihnen vereint in der Wüste verdursten , als sie
310 schmachvoll in die Hände von Ungläubigen liefern. Wollt ihr aber meine und eure Töchter vor den Fremdlingen be wahren, seid ihr aufrichtige Anhänger des Propheten, so kommt zu mir; vereint wollen wir unser Vaterland und das Gesetz des Propheten vertheidigen oder Alle zu Grunde gehen.“ In Mjez-Hamar häufte sich indessen alles Nöthige an Kriegsmaterial und Proviant ; Magazine und Vorrathshäuser wurden angelegt , Lazarethe errichtet und so stand man kriegsgerüstet bereits auf halbem Wege nach Constantine mit den Mitteln in der Hand, jeden Augenblick möglichen Entbehrungen der Expedition abzuhelfen. Das hierzu be stimmte Corps * ) war in vier Colonnen getheilt, deren erste der Herzog von Nemours kommandirte, die zweite befeh ligte der maréchal de camp Trézel , die dritte stand unter den Befehlen des maréchal de camp Rulhières und die vierte unter dem Obersten Combes. Die Gesammtstärke des Corps betrug 13,000 Mann und etwa 4000 Pferde. Bei jeder Bri gade befanden sich vier Feldgeschütze und zwar hatte *) Folgendes sind die Quellen , denen ich die Schilderung der " zweiten Expedition nach Constantine entnommen habe : Reisen in der Regentschaft Algier in den Jahren 1836, 1837 und 1838 von Dr. Moritz Wagner. Leipzig. 1841. Oestreichische militairische Zeitschrift. Jahrgang 1840. Archiv für die Offiziere der Königlich Preussischen Artillerie und des Ingenieur-Corps . Berlin. 1837. Taschenbuch der neuesten Geschichte von Fr. Thiersch. Stutt gart. 1839. Corréand. Recueil de documents sur l'expédition de Constan tine par les Français en 1837. Paris. 1838. Desvoisins. Expéditions de Constantine. Paris. 1840. Journal des opérations de l'artillerie pendant l'expédition de Constantine. Paris. Sédillot. Campagne de Constantine de 1837. Paris. Souvenirs de l'expédition de Constantine en 1837 ou précis des opérations militaires , qui ont précédé la prise de cette ville, par un officier de l'armée. Paris. 1838. Sur l'expédition et le siège de Constantine , marches, travaux, details de l'assaut et du siège Paris 1838.
311 man bei sich 4 achtpfündige Kanonen , 2 vierundzwanzig pfündige und 10 zwölfpfündige Haubitzen. An Belage rungsgeschützen waren der Armee beigegeben : 4 vierund zwanzigpfündige und 4 sechszehnpfündige Kanonen , zwei achtzöllige und 4 sechszöllige Haubitzen und 3 achtzöllige Mörser. Zur Fortschaffung des Artillerieparkes dienten 126 Wagen ; 589 Pferde und 483 Maulthiere waren zum Transport des Proviants und der Fourage erforderlich. Jeder Soldat war auf vier Tage mit Brod, Reis , Salz, Zuk ker und Kaffe versehen. Die Truppen liessen Jacke und Montirung in Bona zurück , behielten nur ein Paar Bein kleider und den Mantel und empfingen dafür eine grosse wollene Decke , durch die sie sich vor dem Regen und der Kälte der Nacht schützen sollten . Trotz aller mög lichen Sorgfalt aber und obgleich man alle Vorsichtsmass regeln angewandt hatte , war dennoch der Gesundheits zustand der Truppen sehr schlecht. Durch das zwölfte Regiment war die Cholera von Toulon nach Afrika ge bracht worden und forderte ihre Opfer. An Fieber und Dysenterie Erkrankte füllten die Holzbarracken der Lager von Mjez-Hamar , Guelma, Hamman-Borda und Drean, die ihre wachsende Zahl kaum mehr zu fassen vermochten . Täglich nahmen die Wagen der Convois als Rückfracht Leidende mit und selbst Bonas Hospitäler waren so über füllt, dass man die Kranken auf Dampfschiffe bringen und nach Algier oder Frankreich zurücktransportiren musste. Am 23. September unternahm Achmet Bey , der bis dahin mit seiner Armee auf den Höhen des Ras-el-Akbah gelagert hatte, einen verzweifelten Angriff auf die Vorpos ten des Lagers. Sein Heer bestand meistentheils aus Ka bylen, besonders aus den fanatischen Stämmen der Um gegend von Budschia. Diese hatte Achmet bereits im Anfange des August, wo er die Ankunft der Franzosen Wie glühend erwartete, unter seine Fahnen versammelt. nun aber auch ihr Fanatismus gewesen , und wie gross auch die Sehnsucht war, mit der sie einem Kampfe gegen die Ungläubigen entgegensahen , zwei Monate lang ver mochten sie doch nicht die Trennung von der Heimath zu
312 Sie beschlossen desshalb nach Hause zurückzu kehren , zuvor aber noch dem Dey durch eine Schlacht ihren Eifer für den heiligen Kampf an den Tag zu legen. Am 23. September bei Sonnenaufgang rückten sie desshalb in einer Stärke von 3000-4000 Mann zum Angriffe vor. Dieser wurde mit solcher Entschlossenheit und so grosser Schnelligkeit vollführt , dass wenn sich die Kabylen nicht ertragen.
schon von weitem durch ihr wildes Kampfgeheul verrathen hätten , eine grosse Anzahl von Soldaten , die sich ohne Waffen zerstreut hatte, um Holz zu sammeln oder Schild kröten zu fangen, von ihnen unzweifelhaft niedergemacht So aber wurden die Franzosen bei Zeiten worden wäre. gewarnt und empfingen die Kabylen mit so mörderischen Gewehrsalven, dass diese, das Nutzlose ihres Angriffs ein sehend , sich nach dreistündigem harten Kampfe in ihr Lager zurückzogen. Sie wurden hierbei von den Franzosen nicht weiter verfolgt , da Damrémont nicht beabsichtigte sich vor dem Beginne der Operationen in Gefechte einzu lassen , die bei der Anwesenheit von 4000 von Achmets regulären Truppen immerhin ziemlich ernsthafter Natur werden konnten. Der grösste Theil der kabylischen Hülfs kontingente kehrte bereits am nächstfolgenden Tage in seine Heimath und auch Achmet räumte am 28sten den Ras-el-Akbah und zog sich nach Constantine zurück. Nachdem am 29. September die letzten Kavallerie Abtheilungen und der grosse Convoi von Bona eingetroffen waren , wurden die letzten Vorbereitungen zum endlichen Aufbruch der Armee veranstaltet. Am 1. Oktober erliess Graf Damrémont folgenden Tagesbefehl : „ Soldaten ! die Expedition gegen Constantine beginnt. Ihr seid zu der Ehre berufen, eure Waffenbrüder zu rächen , die im vergangenen Jahre den widrigen Ele menten preisgegeben, ihre Kraft und ihren Muth vor den Mauern von Constantine scheitern sehen mussten. Das Selbstvertrauen und der Eifer , der euch belebt , bürgen mir für den günstigen Erfolg. Frankreich sieht auf euch und begleitet euch mit seinen Wünschen und seinen Sor gen. Zeigt euch dessen würdig - würdig des Königs,
$313 der euch einen seiner Söhne zur Theilnahme an euern Leistungen und Gefahren anvertraut hat und würdig des Vaterlandes , damit es stolz sein kann , Euch unter seine Kinder zu zählen." In der Frühe des 1. Oktober setzte sich das Expeditionsheer in Bewegung. Voran marschirten die Brigaden Nemours und Trézel. Die Avantgarde bilde ten die Spahis der ersten Brigade , bei welcher sich auch der berühmte Oberst Lamoricière mit seinen Zuaven be fand. Alsdann folgte der ungeheure Convoi , der zwei Stunden Wegs einnahm und durch die Brigade des Gene ral Rulbières gedeckt wurde. Oberst Combes bildete mit der vierten Brigade die Arrièregarde. Am ersten Marsch tage gelangte man bis zu der Höhe des Ras- el-Akbah und bezog hier auf derselben Stelle , wo eine grosse Menge liegen gebliebenen Strohs das verlassene Lager Achmets bezeichete , das Bivouak. Die folgenden Tage wurde der Marsch in derselben Ordnung fortgesetzt, jedoch legte man wegen der Schwerfälligkeit des Terrains immer nur ver hältnissmässig kleine Entfernungen zurück. Von dem Rük ken des Gebirges ab veränderte sich der Charakter der Gegend gänzlich. An Stelle der mit Pistaciensträuchen, Tamarisken und wilden Oliven gezierten Bergabhänge und Schluchten , trat eine einförmige , traurig nackte Gegend ohne Busch oder Baum , dessen Grün eine wohlthuende Abwechselung gewährt hätte ; die Vegetation war in hohem Grade armselig und nur ganz niedriges Gras bekleidete stellenweise den kahlen Boden. Kein Vogel belebte mit seinem Gesange diese starre Einöde , kein Schmetterling flatterte über den sparsamen Blumen und erfreute das Auge durch das Spiel seiner Farben. Nur der riesige Aas geier , als ob er instinktmässig eine ihm gewisse Beute ver folgte , begleitete in Schaaren von mehreren Tausenden hoch in den Lüften schwebend die marschirende Kolonne. Während der Nacht hörte man das grausenerregende Ge brüll der Löwen , deren eigentliche Heimath die Provinz Constantine ist, in der sie die Herrschaft der Wildniss mit den Beduinen theilen . Nichtsdestoweniger waren die Sol daten von dem besten Muthe beseelt und plaudernd, lachend
314 und singend zogen sie durch die trostlose Einöde dahin . Die Bivouaks wurden stets in der Nähe eines Baches oder einer Quelle aufgeschlagen und erhielten entweder hiervon oder von dem Gebiete des dabei wohnenden Stammes ihren Namen. Von den Truppen Achmets war während der Dauer des ganzen Marsches nichts zu sehen. Die Franzosen gedachten mit Schrecken der entsetzlichen Verwirrung , die ein entschlossener auf den Convoi unter nommener Angriff nothwendigerweise hervorbringen müsste, aber der Bey begnügte sich damit, auf einigen Höhen Reiterposten aufzustellen, die ihn von dem allmäligen Vor dringen der Armee benachrichtigen sollten. Am 5. Oktober war man, als die beiden ersten Colonnen auf dem rechten Ufer des Flusses Bumerzug bivouakirten , nur noch ein Lieue von Constantine entfernt. Von einer Anhöhe , auf der einige schöne Ruinen von dem weltumkreisenden Fluge der Römischen Adler Zeugniss ablegten, erblickte man das Ziel des Feldzuges die alte Cirta, Jugurthas und Masinis sas berühmte Residenz. Der Anblick einer so bedeutenden Stadt nach fünf durch die schrecklichste Gebirgsöde zu rückgelegten Tagemärschen erweckte die Begeisterung der Soldaten. Unter dem Kufe: „ Constantine , Constantine !" gaben sie Zeichen der ausgelassensten Freude von sich und schlugen klirrend ihre Waffen aneinander. Die Duars, einen Tagemarsch von Constantine entfernt , waren verlas sen und standen in lichten Flammen, die den Abendhimmel erleuchteten , als man gegen das Thal des Rummel lang sam vorrückte. Schon formirten sich die Lagercarré's, als sie auf der linken Flanke von arabischen Reitern angegrif fen wurden. Jedoch plänkerten dieselben aus so weiter Entfernung, dass ihre Kugeln fast gar keine Wirkung her vorbrachten. Da man jedoch auf den Hügelketten jenseits des Rummel eine grosse Zahl von Reitern bemerkte , die sich von Minute zu Minute vermehrte , so war man auf einen grossartigen Angriff Achmets gefasst und während der Nacht sehr auf seiner Hut. Indessen verging dieselbe ohne jede Störung und der Gegner beschränkte sich dar auf, mit den Vorposten einzelne Schüsse zu wechseln.
315 Am 6. Oktober um 9 Uhr früh erreichte man
nach
dreistündigem Marsche das Plateau von Mansurah, von dem aus man Constantine vollständig übersehen konnte. Dieje nigen, welche bereits im vorigen Jahre an der Expedition Theil genommen hatten, fanden den Anblick der Stadt un verändert. Keine neuen Vertheidigungswerke waren seit jener Zeit angelegt worden ; noch immer bot Constantine den Anblick einer Todtenstadt oder den „ der Residenz des Teufels", wie des Herzogs Adjutant, der Prinz von der Moskwa , sich ausdrückte ; die einzige vorgenommene Ver änderung war die Abtragung einer nach dem Kudiat-Ati hin gelegenen kleinen Vorstadt. Das Hauptquartier und der Park etablirten sich etwa 3000 Schritt von der Festung bei dem Marabut Sidi-Mabruk ; der Train , die Ambulance und die Arrièregarde in einer kleinen Ebene am Fusse des Berges Mansurah. Bereits während die Avantgarde auf Mansurah ihre Stellung einnahm , wurde die linke Flanke des Convois von einigen Tausend Arabern beunruhigt , die sich am rechten Ufer des Rummel auf ihren raschen Pfer den umhertummelten und ihre langen Gewehre abfeuerten. Indessen war ihr Kampf so wenig ernst gemeint , dass die ungeheure ihnen entgegengeworfene Tirailleurlinie . nach zweistündigem , Gefechte , wo die Feinde durch einige gut geworfene Granaten auseinander getrieben wurden, bei nahe gar keine Verluste erlitten hatte. Während dieser Zeit versammelten sich der General Damrémont, die Artil lerie- und Genie-Chefs, Valée und Fleury , der Herzog von Nemours und die meisten übrigen Generale unter dem Schutze einer Compagnie des 17ten leichten Infanterie- Re giments auf em äussersten Ende des Plateaus Mansurah zur Recognoscirung des Platzes. Kaum hatte man in der Stadt die Ankunft des Generalstabes bemerkt , als das Kriegsgeschrei von allen Batterien ertönte , untermischt mit jenem wilden, trillernden Geheul , mit dem die arabischen Weiber jeden Gemüthseffect sowohl der Lust wie der Trauer zu bezeichnen pflegen. Gleichzeitig eröffneten die Batterien der Kasbah und alle in der Nähe der Thore Bab- el-Dscheddid und Bab-el-Kantara gelegenen ein äusserst
316 heftiges Feuer. Eine Kanonenkugel fuhr zwischen dem General Damrémont und dem Herzog von Nemours hin durch und eine Bombe zerplatzte 30 Schritte hinter ihnen unter furchtbarem Knalle, ohne jedoch Jemand zu verletzen. Trotz dieser augenscheinlichen Gefahr sah man dennoch den General Damrémont in tiefes Nachdenken versunken, das Fernrohr in der Hand , seine corpulente Gestalt den Kugeln des Feindes aussetzen. Ein Ausfall, der von 300 tür kischen Infanteristen gleichzeitig mit der Fröffnung des Feuers über die Römerbrücke unternommen wurde, schei terte an der Aufmerksamkeit des leichten zweiten Infan terie-Regiments und der Zuaven. Man hatte sich bei der Recognoscirung überzeugt, dass die einzig angreifbare Seite der Stadt die nach dem Ku diat-Ati hin gelegene sei. Hier zwischen den Thoren el Ued und el-Dscheddid, wo nur eine freistehende mit einzel nen Schiesslöchern versehene Mauer hinläuft , ist der einzige Punkt, an dem es möglich ist eine Bresche zu öffnen. Die tiefe Schlucht , welche Constantine von allen Seiten um giebt, endet hier ; der Fels bildet keine senkrechte Mauer mehr und eine Erdzunge stellt eine natürliche Verbindung mit dem Kudiat-Ati her. Man beschloss deshalb , die Be
lagerungsgeschütze auf diesen Berg hinüberzubringen , zu gleich aber auch zu ihrer Unterstützung auf dem Mansurah Batterien zu errichten , welche die an der Umfassungs mauer aufgestellten feindlichen Geschütze enfiliren und das Frontalfeuer der in der Kasbah befindlichen Batterie be kämpfen sollten. Constantine war von etwa 6-7000 Bewaffneten ver theidigt, worunter sich gegen 3000 Kabylen befanden , die von ihren Bergen heruntergestiegen waren , um an dem Kampfe gegen die Ungläubigen Theil zu nehmen. Sie hat ten ihre langen Flinten und Yatagans mitgebracht und wurden als Schützen auf den Bastionen und äussersten Häusern verwendet , wo sie wegen ihres scharfen Auges und ihrer sichern Hand ausgezeichnete Dienste leisteten. Die Kanoniere waren meistentheils aus Algier geflüch tete Türken und Kuluglis und einige französische Deserteurs
317 oder Gefangene, grösstentheils aus der Fremdenlegion. Auch zwei deutsche Renegaten befanden sich darunter. Die Zahl der bewaffneten Türken mochte etwa 2000 betragen ; sie waren die besten , streitbarsten Truppen des Beys, kämpften mit Ordnung und Gewandtheit und standen bei Ausfällen immer an der Spitze. Die maurische Bevölke rung hatte nur gezwungenerweise zu den Waffen gegrif fen und man konnte sich wenig auf sie verlassen. Ober befehlshaber der Stadt war Ben - Aissa , ein ehemaliger Kabyle, der durch Sitte und Charakter zum Türken gewor den, Achmets volles Vertrauen besass. 1hm zur Seite stand der Kaid-el-Dar , gleichfalls ein Kabyle von grossem Muthe , der die Besatzung rastlos anfeuerte und die Ver theidigung eigentlich geleitet haben soll. Achmet selbst war trotz seiner prahlerischen Proclamationen ausserhalb der Stadt geblieben. Er hatte etwa 3000 arabische Reiter und ungefähr 1500 Infanteristen bei sich , mit denen er östlich von der Stadt bei einem grossen Landhause hielt. Ein anderes arabisches Lager befand sich nicht weit von El-Mansurah und stand unter dem Befehl eines Oheims des Bey. Im Ganzen mochten sich seine Streitkräfte aus serhalb der Stadt auf etwa 8000 Mann belaufen. Am 6ten Nachmittags um 2 Uhr erhielt der General Rulhières den Auftrag, mit der dritten und vierten Brigade die Höhe des Kudiat- Ati zu besetzen. Vier auf dem Man surah aufgefahrene Feldgeschütze sollten durch ihr Feuer diese Bewegung unterstützen. Rulhières liess das Thal in zwei Colonnen oberhalb und unterhalb der Bumerzugmün dung überschreiten und vertrieb einige arabische Reiter haufen , welche an der Römischen Wasserleitung aufmar schirt waren . Der Uebergang selbst verbunden, der Regen fiel vollkommen aufgeweicht ; Steinen angefüllt und der
war mit grossen Schwierigkeiten sehr heftig und hatte den Boden der Rummel war mit grossen gegenüberliegende Abhang unge
mein schlüpfrig. Die der Stadt zunächst marschirende Colonne unter dem Befehl des General Fleury war ausser dem
noch dem Feuer einiger feindlichen Batterien aus
318 gesetzt, durch die mehrere Leute getödtet wurden, darun ter Fleurys Adjutant, den eine Kanonenkugel in zwei Stücke riss. Nichtsdestoweniger überwanden die beiden Brigaden, angefeuert durch das Beispiel ihrer Anführer, alle Hinder nisse und erreichten , ohne einen Schuss gethan zu haben, die Höhe des Kudiat-Ati , wo zwei beigegebene Sappeur Compagnien sofort aus den Steinen der vorgefundenen Grabstätten eine Brustwehr errichteten . Am 6ten wurde der Herzog von Nemours zum Com mandeur der Belagerungsarbeiten ernannt und noch an demselben Tage um 6 Uhr Nachmittags der Bau der Bat terien auf dem Mansurah in Angriff genommen. Diese drei ihrer Anlage, ihres Zwecks und ihrer Armi rung nach verschieden, waren folgende : Die linke Flügelbatterie , batterie royale , Nr. 1. war auf dem tiefer liegenden Plateau in der Verlängerung der Kurtine der Angriffsfront etablirt und sollte als Revers und Enfilade- Batterie das feindliche Feuer zum Schweigen bringen. Sie war zur Aufnahme eines 24-Pfünders, zweier 16-Pfünder , einer 6" und einer 8" Haubitze bestimmt. Die Batterie d'Orleans Nr. 2. lag zur rechten Seite der tunesischen Redoute , sollte als Centralbatterie gegen zwei 24-Pfünder und zwei grössere Mörser in der Kasbah die nen, die am Thore Kantara befindliche Batterie beschiessen und den Feind glauben machen , man wolle wie im ver gangenen Jahre über die Römerbrücke einen Angriff ver suchen. Zu diesem Zwecke beabsichtigte man , sie mit zwei 16-Pfündern und zwei achtzölligen Haubitzen zu armi ren. Zur linken der tunesischen Redoute lag die mit drei achtzölligen Mörsern dotirte Batterie Nr. 3. * Da es der Anlage einer gedeckten Communications approche nicht bedurfte , indem man durch das Terrain selbst geschützt war , so konnte man mit dem Bau der Batterien sofort beginnen und setzte die Arbeit die ganze Nacht hindurch fort. Dieselbe war jedoch mit bedeuten den Schwierigkeiten verbunden. Der felsige Boden verhin derte das schnelle Vorschreiten besonders bei der Batterie royale , wo man sich nicht einschneiden konnte und ge
319 nöthigt war , die Brustwehren aus Erdsäcken zu errichten, die in der tunesischen Redoute von den Arbeitern gefüllt werden mussten. Nachdem der Prinz und der General en chef mit dem Frühesten des 7ten die während der Nacht gemachten Fortschritte der Arbeiter auf Mansurah besichtigt hatten und sich eben wegen der Anlage der Breschbatterien auf Kudiat-Ati zur Recognoscirung dorthin begeben wollten, entwickelte die Besatzung, welche sich die Nacht hindurch still verhalten hatte , einige Thätigkeit. Während nämlich ein unbedeutender Ausfall aus dem Thore Kantara , gegen die rechte Flanke der Position von Mansurah gerichtet, die Aufmerksamkeit der Franzosen hierher lenken sollte, unter nahmen etwa 7--800 Mann arabischen Fussvolks , an de ren Spitze man Türken in prächtiger Kleidung bemerkte, einen hartnäckigen Angriff auf die hinter den Verschan zungen des Kudiat-Ati aufgestellten Truppen. Zu gleicher Zeit sprengten auch von den östlichen und nördlichen Ber gen über 3000 Reiter mit fürchterlichem Geschrei heran, um die beiden Brigaden im Rücken und in der Flanke anzugreifen. Die Chasseurs d'Afrique erwarteten die kühn sten jener Reiter bis auf halbe Flintenschussweite und liessen dann zwei Escadrons gegen sie ausfallen . Die Ara ber standen indess dem Anprall nicht , sondern ergriffen auf's schleunigste die Flucht , um dann plötzlich wieder umzukehren und die eifrigsten ihrer Verfolger niederzu hauen. Nachdem sich dieses Manöver mehrmals wieder holt hatte , zogen sich die feindlichen Reiter auf die höhe ren hinter dem Römischen Aquädukt gelegenen Berge zu rück. Inzwischen war es auch dem 3ten Bataillon d'Afri que und der Fremdenlegion gelungen , die aus der Stadt vordringende Infanterie wiederum iu dieselbe zurückzu werfen. Bereits um 6 Uhr Morgens waren die Brustwehren in den Batterien No. 1 und No. 2 fertig geworden ; bei dem Bau von No. 3 hingegen waren die Schwierigkeiten so ausserordentlich, dass man kaum über das Knie hinaus war. Nichtsdestoweniger fuhr man unbeirrt durch das
320 feindliche Feuer, welches von Kantara aus lebhaft unter halten wurde, mit der Arbeit ununterbrochen fort, so dass um 4 Uhr Nachmittags alle Batterien vollendet waren und um 6 Uhr trotz des sich verschlechternden Wetters mit der Armirung begonnen werden konnte. Dieselbe wurde bei zweien vollendet ; ein 24 Pfünder und zwei 16 Pfünder aber, welche für die Batterie royale bestimmt waren, stürz ten während des Hinfahrens, da der nach der Batterie er richtete Weg von den Regenströmen unterwaschen war, in ein Ravin und blieben liegen. Gegen Mittag hatte die Rekognoscirung wegen Anlage einer Breschbatterie auf Kudiat-Ati stattgefunden . Valeé hatte sich sofort für Anlegung einer vierten Batterie Nemours in der Nähe des Marabut entschieden und wollte dieselbe mit vier und zwanzig pfündigen Kanonen und zwei 6zölli gen Haubitzen armiren . Sie wurde sofort in Angriff ge nommen und man hoffte sie bis zum nächsten Morgen soweit herstellen zu können, dass sie ihr Feuer zugleich mit den Batterien des Mansurah eröffnen könne. Als je doch während der Nacht der von Regen und Hagel beglei tete Sturm grösser wurde, musste man um 2 Uhr, trotz dem 3 Sappeurcompagnien und noch mehrere Hundert Mann Linientruppen dabei beschäftigt wurden, die Arbeit einstellen und konnte nur 200 Schritt hinter der Bresch batterie ein leichtes Epaulement für die 4 Feldhaubitzen anlegen. Nach den Beschreibungen aller Betheiligten war diese Nacht vom 8ten zum 9ten so furchtbar, dass man schon daran dachte, die ganze Expedition aufzugeben. Die Armee befand sich in einer eisigen Nässe und bis an die Kniee im Koth. Kein Feuer konnte angezündet werden, und keine Bedeckung schützte vor dem in Strömen herabfallenden Regen. Zu diesen furchtbaren Leiden kamen noch die Schrecknisse des Krieges. Die Batterien der Stadt setzten ihr Feuer fort und einzelne verwegene Feinde schlichen sich bis an die französische Linien heran. Kaum war der Morgen angebrochen, so erschienen auf allen Seiten Araber aus der Stadt. Die nass gewordenen Gewehre der Fran
321 zosen versagten das Feuer und die Soldaten mussten jedes mal erst eine geraume Zeit putzen and reiben, ehe der Schuss losging. Nichtsdestoweniger zeigten sie auch un ter so ungünstigen Umständen einen unbeugsamen Muth; durch den Koth watend gingen sie dem Feinde mit dem Bajonett so entschlossen entgegen, dass dieser sich nach kurzem Kampfe, wieder nach Constantine zurückzog. Trotz dem Sturm und Regen am Sten in unverminderter Heftig- .. keit fortdauerten, arbeitete man auf Mansurah mit grossem Eifer daran, die umgestürzten Geschütze wieder aufzurich ten. So thätig sich hierbei aber auch die Zuaven zeigten, und obgleich sie sich den ganzen Tag und die nächstfol gende Nacht unermüdlich anstrengten, gelang es doch nur noch ein Geschütz in die batterie royale hineinzubringen. Valée, der das vorausgesehen hatte, gab bereits am Mor gen des 8ten Befehl, oberhalb der Batterie No. 1 eine an dere Enfilir- Batterie, Damrémont genannt, anzulegen, die " auch noch im Laufe des Tages vollendet und mit drei 24 Pfündern und mit zwei sechszölligen • Haubitzen be setzt wurde. Auf dem Kudiat-Ati hingegen hatte man alle Arbeit eingestellt, da bei dem starken Regenwetter sämmtliche Arbeitskräfte auf Mansurah verwendet werden mussten. Den 9ten um 7 Uhr Morgens begannen die Batterien auf Mansurah ihr Feuer. Dieses wurde bis Mittag mit grosser Lebhaftigkeit unterhalten und vom Feinde in gleicher Weise mit 20 Geschützen erwidert. Ungeachtet die Franzosen bis gegen Abend Bomben und Raketen warfen und trotz dem bereits um 11 Uhr Vormittags die Geschütze mit Aus nahme derer von der Batterie Bab-el-Dscheddid ihr Feuer einstellten, zeigten sich die Vertheidiger durchaus nicht zur Uebergabe geneigt; denn der Araber ist zwar nicht im Stande Alles zu thun, wohl aber Alles zu ertragen. Jetzt musste es Damrémont endlich klar werden, dass der Stadt von dieser Seite nichts anzuhaben und dass es un umgänglich nothwendig sei, die Belagerungs- Geschütze auf den Kudiat-Ati hinüberzubringen. Aber der Transport wurde von vielen Seiten für unmöglich erklärt und doch Heim, Kriege in Algier. I. Bd.
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322 erheischte die furchtbarste Nothwendigkeit mit der Errich tung der Breschbatterien zu eilen. Die Krankheiten nah men zu, die Lebensmittel gingen auf die Neige, es fehlte an Holz und selbst an Pferdefutter litt man bedeutenden Mangel. Es wurde deshalb der Befehl gegeben, dass zwei 24Pfünder aus der Baterie No. 5 Damrémont und zwei 16Pfünder aus der Batterie No. 2 Orleans nebst 8 Wagen sich um 7 Uhr Abens bereit halten sollten, den Weg ge gen den Rummel anzutreten. Gleichzeitig rückten von Kudiat-Ati aus die Truppen gegen die Stadt vor und be. setzten die Ruinen und vorliegenden Ravins, um die her auffahrenden Geschütze vor den Ausfällen der Araber zu schützen. Es ist nicht leicht, sich einen Begriff von den Anstrengungen zu machen, welche es kostete diese schwie rigste der Belagerungsarbeiten zu Ende « zu führen. Die schweren Geschütze mussten einen steilen Abhang von mehr als 500 Fuss Höhe hinabgelassen , dann über einen reissenden mit grossen Steinen angefüllten Fluss hinüber und dann wieder einen steilen hohen Berg hinaufgebracht werden. Und alles dieses sollte während der Nacht bei strömendem Regen, der den Boden durchweicht und die Abhänge schlüpferig gemacht hatte, geschehen. Es war bereits Mitternacht geworden, als der erste Vierundzwanzig pfünder am Flusse ankam. Die Sappeure arbeiteten meh rere Stunden lang, bis an die Brust im Wasser stehend, um die schweren Steine, welche den Transport der Ge schütze verhinderten, aus dem Flussbette zu schaffen. Schon brach der Morgen an, als das erste Geschütz von vierzig der stärksten Pferde gezogen und indem eine Kompagnie des 47ten Regiments mit an den Rädern ziehen und schie ben half, während die Offiziere und Unteroffiziere die Pferde leiteten, die Höhe des Kudiat-Ati erreichte. Trotz des Feuers der Besatzung, die mit Kartätschen und Wallbüch sen die Franzosen an ihrem schwierigen Unternehmen zu hindern suchte, gelangte man mit den Geschützen und Wagen nach und nach bis 9 Uhr Vormittags anf die Höhe, wo man vor dem feindlichen Feuer gesichert war. Nur ein 24 Pfünder, dessen Pferde durch einen Kartätschen
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schuss unruhig geworden waren, warf um und konnte erst gegen 11 Uhr Vormittag auf den Berg F hinaufgebracht werden. } Den 19ten 2+ Abens um 8 Uhr hatte man auch wieder den Bau der unvollendet gebliebenen Haubitzbatterie Ne mours ( No. 4) in Angriff genommen und trotz des starken Regens so thätig fortgesetzt, dass man am Morgen des 10ten , mit den Merlons schon ziemlich weit vorgeschritten war, als das Feuer des Feindes die Arbeiter mit dem wei teren Bau einzuhalten zwang. Dennoch legte man noch am Tage die Bettungen, wurde aber wegen des felsigen Bodens erst in der Nacht damit fertig. Das 1 Wetter hatte sich seit dem Morgon des 10ten ein .i wenig aufgeklärt, nachdem es 曬 fünfzig Stunden ununter brochen geregnet hatte. Den Tag über war man mit der Vollendung * der Batterie No. 6 寡 ( Beaumont ) und mit der Anlage zweier neuen Batterien No. 7 und No. 8, von welchen die erstere für Mörser bestimmt war, beschäftigt, Diese sämmtlichen Batterien waren bis zum Vormittage des 11ten fertig geworden. Das Feuer der aufMansurah und Kudiat Ati aufgefahrenen Feldgeschütze maskirte am Tage des 10ten die betriebenen Arbeiten, während das Feuer des Feindes am Vormittage ziemlich lebhaft war. Am 11ten um 6 Uhr wurde die Breschbatterie Ne mours No. 4 vollendet, aber noch nicht armirt. Der Bau hatte grosse Schwierigkeiten gemacht und wegen Man gels 零 an Sandsäcken konnte man ihrer Brustwehr nur 12 Fuss Stärke geben ; wegen des unebenen und abschüssigen Bodens war das Strecken der Bettungen besonders schwie rig } und sah man sich an einzelnen Stellen zu bedeuten den Aufschüttungen genöthigt. Zwei 24Pfünder wurden glücklich in die Batterie geschafft ; den dritten aber, der durch 50 Infanteristen an einem Tau gezogen wurde, liess man wegen des heftigen feinlichen Feuers etw 50 Schritte hinter der Batterie stehen... Zwei andere Batterien waren schussfertig, die Batterie No. 6 (Beaumont) ganz von Sandsäcken erbaut, lag unter halb der Batterie Nemours, beinahe auf der Terrasse des 21 *
324 Hauses von Ali -Mustapha, und war mit zwei sechszölligen Haubitzen armirt. Die zweite Batterie; (Lecourtois) lag weiter rückwärts etwas rehts der Batterie Nemours in der Verlängerung des Weges, der von dem gedachten Hause nach der feindlichen grossen Batterie führt, etwa in der doppelten Entfernung vom Platze wie die Batterie Nemours. Diese Batterie war während der Nacht auf den Ruinen eines # Gebäudes erbaut worden ; die Steine desselben bil. deten die Brustwehr, und nur die Scharten waren mit Sandsäcken bekleidet ; sie war mit einem 16Pfünder und # 4: zwei Szölligen Haubitzen armirt. Die Batterie No. 7 von 3 Mörsern wurde 150 Mêtres rückwärts der Batterie No. 8 von denselben 9 Materialien erbaut ; da die Bettungen für dieselbe aber zuletzt anlang ten, so wurde sie erst um Mittag schussfertig. K Um 9 Uhr eröffneten gleichzeitig die Batterien No. 8, 6 und 4, der nur noch ein 24Pfünder zu ihrer Armirung fehlte, das Feuer. Dies wurde gegen den ausspringenden Winkel des kasemattirten Gebäudes gerichtet, welches auf dem linken Flügel die grosse Batterie begrenzt, sowie ge gen die drei ersten Scharten der gedachten Batterie, wäh rend die 6- und Szölligen Haubitzen ihr Feuer gegen die Geschütze richteten, welche die Angriffsbatterien beschiessen konnten. Nach dem Verlaufe von einer Stunde erlosch das Feuer der feindlichen Geschütze, nicht weil sie dementirt waren, sondern weil die Araber, so lange gegen ihre Kase matten geschossen wurde, ihr Feuer einstellten und die Ge schütze gänzlich zurückzogen. Um 10 Uhr wurde auch der dritte stehen gebliebene 24Pfünder durch Infanteristen in die Batterie geschafft,
während von Mansurah her die einzige dort noch befind liche Batterie No. 1 ihr Feuer abgab. Da man sich von jetzt ab nur noch damit beschäftigte, eine Bresche zu Stande zu bringen, so erhielten der 16Pfün der und die drei 24Pfünder den Befehl, ihr Feuer auf den Theil zwischen dem eingehenden Winkel des kasemattir ten Hauses 7 und der zweiten Scharte der grossen Batterie zu beschränken und dasselbe stets auf 8 Fuss unter den
Schartensohlen zu richten. Die Haubitzen waren bestimmt, das Feuer zu unterstützen,18 indem sie sowohl die Brust wehr der Batterie aufwühlen, 2 als auch das Revêtement direkt beschiessen sollten. Nach kurzer Zeit hatten die 2½ Uhr Batterien sich gut eingeschossen und bereits um 22 bewirkte eine1.5 von der Batterie Lecourtois abgeschossene Granate den ersten Cop Einsturz, von welchem Zeitpunkte ab sich die Bresche mehr uud mehr erweiterte, indem die Haubitzen die partiellen, durch die Kanonenschüsse her " vorgebrachten Oeffnungen aufwühlten und den Abhang mehr abflachten. Der Versuch, dadurc eine Diversion hervorzubringen, dass man mit einem 16Pfünder am Thore Ggabia eine Bresche zu schiessen suchte, musste bald aufgegeben wer den, weil man trotz des ausgezeichnet guten Treffens doch nur partielle und unbedeutende Breschen hervorbrachte. Um 1 Uhr begannen die Mörser das Feuer gegen die Umgebungen der Bresche, sowie gegen die wichtigsten Gebäude, die zufolge der eingezogenen Nachrichten Pulver und andere Ausrüstungsgegenstände enthalten sollten; sie unterhielten das Feuer die Nacht hindurch. Erst gegen Abend zeigte sich die Bresche an der gros sen Batterie ziemlich erweitert, aber noch nicht gangbar genug. Das Mauerwerk war aus grossen Quadern zusam mengesetzt und über vier Fuss dick, worauf die ziemlich #1 entfernten Geschütze nicht kräftig genug einwirken konn ten . Man begann deshalb um 7 Uhr Ahends in einer Ent fernung von 120 Mêtres vom Platze den Bau einer eigent lichen Breschbatterie No. 9. Bereits in der vorigen Nacht war von dem Ingenieurcorps ein Waffenplatz eingerichtet worden, in welchem diese Batterie liegen sollte, Dieselbe lag genau in der Schusslinie der Batterie No. 4, aber viel tiefer. Um vor dem Aeussersten, dem Sturme, noch einen Versuch zu machen , die Bewohner Constantines ohne Blut vergiessen zur Unterwerfung zu bewegen, sandte der mensch lichgesinnte General Damrémont einen jungen Araber vom Bataillon der Zuaven, welcher sich zu dieser den Meisten
326 höchst gefährlich erscheinenden Mission freiwillig gemel det hatte, als Parlamentair nach der Stadt ab. Das idem selben mitgegebene Schreiben lautete folgendermassen: 48. : Au " Bewohner von Constantine!" 1 : ,, Meine Kanonen stehen am Fusse eurer Mauern und meine Truppen werden bald in eurer Mitte sein . Wenn + ihr grosses Unglück verhüten wollt, so unterwerft euch, so lange es noch Zeit ist. Ich schwöre euch, dass weder eure Weiber, Kinder, noch eure Habe angetastet werden 47 sollen und dass ihr ruhig in euren Behausungen blei P5 19 8Ch ben könnt."
99 Schickt mir, bevor ich in eurer Stadt trete, einige eurer Angesehensten, damit sie mit mir das Nöthige ver • handeln. Ich werde gewissenhaft halten was ich versprochen. Graf Dámrémont. Als der Sendbote ein weisses Tuch schwingend, sich der Mauer näherte, stellten die Constantiner ihr Feuer ein und warfen ihm einen Strick zu , mit welchem sie ihn hin aufzogen. Sie behielten ihn so lange in der Stadt zurück, bis sie die Bresche mit Wollsäcken wieder angefüllt hatten . Endlich kam derselbe mit 13 folgender mündlichen Antwort : ,, Es giebt in Constantine viel Kriegs-1 und Mundvorrath. Wenn es den Franzosen daran fehlt, wollen wir ihnen davon schicken. Was eine Capitulation ist, wissen wir nicht. Unsere Stadt und unsere Häuser werden wir auf's äusserste vertheidigen ; sie werden nicht in eure Macht fallen, so lange noch ein Vertheidiger lebt. " General Dam rémont sagte, nachdem er diese Antwort gehört : „ Es sind tapfere Männer ! Wohlan ! der Kampf wird nun um so "I rubmvoller für uns sein. " *) Die Arbeiten an der neuen Breschbatterie wurden während der Nacht fortgesetzt und um 2 Uhr beendigt. Der mit den Vertheidigungmassregeln an der Bresche be & schäftigte Feind, liess die Franzosen ganz ungestört und begann erst beim Armiren der Batterie ein so heftiges Kleingewehrfeuer, dass dasselbe für eine kurze Zeit einge
*) Wagners Reisen in der Regentschaft.
327 ก stellt und erst am Morgen vollendet werden konnte. Zú * diesem Behufe schaffte man die 24Pfünder aus der Batterie No. 4 nach No./9-und ersetzte dieselben durch die acht zölligen Haubitzen und den 16Pfünder aus der Batterie No. 8. Die t beiden sechszölligen Haubitzen der Batterie No. 1 sollten diese Armirung der neuen Breschbatterie ver vollständigen, während die Mörser, sowie die beiden ober halb des Hauses Ali -Mustapha aufgestellten sechszölligen Haubitzen ihren Platz behielten. Die Munition der neuen Batterie wurde durch Infanteristen herangeschafft, die im Feuer des Platzes ohne gedekte Kommunikation die ein zelnen Kartuschen und Kugeln herantrugen, jedoch keinen sehr beträchtlichen Verlust erlitten. Am 12ten um 19 Uhr Morgens kam der Gouverneur mit dem Herzoge von Nemours , dem General Perregaux und einigen anderen Offizieren des Generalstabes , die Fort schritte der Arbeiten auf dem Kudiat-Ati zu besichtigen. Nachdem der General Damrémont die neueste Batterie be sichtigt hatte, ging er noch über dieselbe hinaus den Ab hang des Berges herab, um sich von der Wirkung des 4 Feuers zu überzeugen . Sofort richteten die Feinde ihre Geschosse auf das Häuflein **Verwegener, die sich weder durch die zahlreichen Bomben , noch die in Masse her änfliegenden Wallflintenkugeln in ihrer verwegenen Pro menade stören liessen. General Rulhières machte den Ober Kommandeur auf die gefährliche Stelle aufmerksam . C'est égal, war die kalte Antwort Damrémonts, der in demselben Augenblicke von einer vierpfündigen Kanonenkugel in die Brust getroffen nur noch Zeit hatte mit dem Seufzer 99 mon Dieu" Gott seine unerschrockene Kriegerseele zu empfeh len. Schmerzvoll beugte sich der tapfere General Perre gaux über den Leichnam seines Feldherrn und Busenfreun des, als er ebenfalls durch eine Flintenkugel tödtlich an der Stirn verwundet wurde. Auch General Rulhières er hielt einen Streifschuss in der linken Backe und sein Rock wurde von mehreren Kugeln durchlöchert. Nichtsdestowe niger blieb der unerschrockene Herzog von Nemours auf 17° }-go
328 der gefährlichen • Stelle, 聚 bis man die Leiche Damrémonts hinweg getragen hatte. sad st 91 Nach dem Tode des Obergenerals wurde ein Kriegs ràth zusammenberufen und das Kommando14der Armee dem Generallieutenant Valée, einem Veteranen # der Kaiser zeit, als dem ältesten Generale übertragen. Unter den Truppen war der Eindruck, den jenes traurige Ereigniss hervorrief, nur höchst vorübergehender Natur. Die Solda+ ten hatten in der letzten Zeit zu viel Leiden und Strapa! zen * ertragen müssen, die ihr Gemüth für dergleichen Re gungen abgestumpft hatten und auch die Offiziere waren zum grossen Theile zu v sehr für die Verdienste Clauzels eingenommen, als dass sie den Tod seines *1 Nachfolgers anders wie mit Gleichgültigkeit hätten anfnehmen sollen. Die ungehemmte und wo möglich gesteigerte Thätig keit in den Belagerungsarbeiten war Valées vorzüglichste Sorge. Bereits eine Viertelstunde nach der Uebernahme des Kommandos liess er das Feuer aus den alten Batterien von Neuem eröffnen und um 1 Uhr begann bereits das Feuer aus der Batterie No. 9. In kurzer Zeit war die Bresche bedeutend erweitert ; man schoss nun fortdauernd auf das obere Drittel der Bresche und dann zwei Fuss unterhalb der Crête derselben, um den Gipfel der Bresche abzuflachen und die Hindernisse hinwegzuräumen. Um 6 Uhr Abends wurde die Bresche für praktikabel erkannt und der Sturm für den folgenden Tag angeordnet. Die Nacht benutzte man zur Erweiterung und Verstärkung des Waffenplatzes ; die Artillerie gab von fünf zu fünf Minuten einen Schuss ab und feuerte mit Kartätschen, sobald sie Arbeiter auf der neuen Bresche bemerkte. Eine klare mondhelle Nacht begünstigte alle diese Vorbereitungen zum Sturm . Als Bey Achmet fühlte , dass die Lage seiner Haupt stadt immer gefährlicher werde, richtete er an den General Valée folgendes Schreiben : ") "" Wir haben erfahren , dass Sie einen Boten an die Bewohner der Stadt geschickt haben , der von einigen der *) Oestreichische militairische Zeitschrift.
329 angesehensten Bürger, aus Besorgniss, dass ihm vom Pöbel ein Leid widerfahre, angehalten wurde. Dieselben Bürger haben mich von diesem Vorfalle in Kenntniss gesetzt und um meine Meinung befragt." „ Wenn der Friede in Ihrer Absicht liegt, so lassen Sie das Feuer aufhören und die Ruhe herstellen. Ich will dann gerne mit Ihnen unterhandeln. Warten Sie nur 24 Stunden , bis ich ihnen einen sachverständigen Bevoll 1 mächtigten schicke , damit ! wir in Folge der getroffenen Uebereinkunft "" einen Krieg enden sehen , aus welchem nichts Gutes hervorgehen kann. Fürchten Sie nichts für Ihren Abgesandten ; er ist in der Stadt in Sicherheit." Valée , der diesen Antrag nur für ein Mittel um Zeit zu gewinnen ansah , " schickte unmittelbar darauf folgende Ste Antwort an Achmet: " Ich habe mit Vergnügen ersehen , dass es in ihrer Absicht liegt, Frieden zu machen , und dass Sie uns die selben Gesinnungen zutrauen . Aber bei den grossen Fort schritten in unsern Belagerungsarbeiten 18 können 1dieselben keineswegs unterbrochen : und Unterhandlungen nur inner→ halb der Mauern Constantines unterzeichnet werden. " 1.J ,,Werden uns die Thore auf Ihren Befehl geöffnet , so bleiben die bereits besprochenen Bedingungen unverändert. Wir verpflichten uns , Ordnung in der Stadt zu halten, Personen , Eigenthum und Religion zu achten und die Lasten in Beziehung der Aufnahme unserer Truppen so leicht und wenig drückend wie möglich zu machen. “ ,,Wenn wir aber durch Gewalt der Waffen eindringen, so sollen uns keine vorhergegangenen Uebereinkünfte bin dén und die daraus entspringenden Uebel können uns nicht mehr zugerechnet werden." 99Wenn das Verlangen nach dem Frieden bei Ihnen so aufrichtig wie bei uns , so werden Sie die Nothwendigkeit einer schnellen Antwort erkennen." 14 Am Morgen des 13ten ging die Sonne an einem völ lig unbewölkten Horizonte auf und die zum Angriffe be stimmten Corps jauchzten dem Augenblicke entgegen , der ܂ ihre Leidenszeit beendigen sollte.
330 Joe Die czum Sturme bestimmten Truppen waren in drei . a Ina Colonnen getheilt. روDie erste vom Oberst Lamoricière , commandirte be stand aus 300 Zuaven , zwei Eliten-Compagnien des 2ten leichten sich im Die Combes
Infanterie-Regiments und 40. Sappeurs und /stellte 1.: 3 རྩྭ་ཪེསཪ་སྐྱཪ་ཨཊྛི, ** 31 Waffenplatze auf. zweite Colonne unter dem Oberbefehl des Oberst stand hinter dem Ravin und war zusammengesetzt
aus Detachements der Sappeurs, des 47sten Linien - Regi ments, der A Fremdenlegion und des zweiten und dritten Bataillons d'Afrique. .:0 1.1.i :{ Die dritte Colonne unter Oberst Corbin, bestand aus zwei Bataillonen , welche aus den vier Brigaden in gleicher Anzahl durch das Loos gewählt waren. Die Zuaven hat ten sich in einer Art Laufgraben der Bresche 8 auf etwa hundert und fünfzig Schritte genähert und lagen dort einen ganzen Tag und eine Nacht das Sturmsignal erwartend. Der Herzog von Nemours war zum Commandanten der Belagerung ernannt und befand sich, trotzdem das Feuer des Feindes sehr lebhaft war , an der Seite Lamoricières. Um 7 Uhr Morgens flüsterte der Herzog dem Obersten die Worte zu: ,,Quand vous voudrez Colonel !" Lamoricière schwang 5 den " Säbel 1 und mit kräftiger 4 Stimme rufend : à moi mes Zouaves !" rannte er die Bresche hinauf, die er gleichzeitig mit dem Major Vieux zuerst erstieg. Kurz zuvor hatten acht zu gleicher Zeit abgefeuerte Geschütze das eigentliche Signal zum Angriff gegeben , zu dem die erste " Sturmkolonne nun unter dem Schutze der durch die Kugeln in die Luft gewirbelten Staubwolke vordrang. Gleichzeitig begrüsste die den Sturmmarsch schmetternde Musik der Fremdenlegion, deren Beispiel alle anderen Re gimentsmusiken und Tambours folgten, die Vordringenden. Die Bresche wurde ohne Widerstand genommen ; die Flankengeschütze in dem vorspringenden Hause (K) lagen bereits unter den eingestürzten Trümmern begraben , nur im Hintergrunde der Bresche stand noch eine alte hohe Mauer (2. 2.) , welche den französischen Kugeln getrotzt hatte und den Sturmkolonnen jetzt ein Deckungsmittel
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331 darbot. Ersts als die Angreifer sich links nách 3 wandten, waren sie einem mörderischen Feuer ausgesetzt. Aus dem Labyrinthe von Trümmern , halbverschütteten Häusern und umgestürzten Laffetten pfiffen von allen Seiten Kugeln , deren unsichtbare Absender sich 势 vorzugsweise die Offiziere zum Opfer ausersehen hatten. Endlich gelang es den Zuaven in ein Haus einzudringen, wo sie sich ohne einen Schuss zu thun mit dem Bajonette auf den Feind warfen und denselben nach der verzweifeltsten Gegenwehr nieder machten. Mit Hülfe der vorschreitenden Sappeure konnte man sich bald in den Strassen 3, 4 und 3, 6 ausbreiten, die jedoch so eng und schmal waren, dass die Dächer der Häuser beinahe an einander stiessen. Als jedoch der Kern der Kolonne an dem Punkte 3 ankam , stürzte ein von Ku geln stark zerrissenes Gebäude zusammen und begrub unter seinen 1 Steinen * eine grosse Zahl Soldaten und Offiziere, * 63 unter denen sich auch der Commandant 1 Serigny vom 2ten leichten Regiment befand . Sobald die 蕾 erste Kolonne auf 9 der Bresche angelangt war, rückten 80 Sappeure und zwei Kompagnien der 2ten Kolonne zu ihrer Unterstützung 14 nach, denen Valée später noch im Verhältniss zum Vorschreiten der Angreifer De tachements zu zwei Kompagnien nachsandte.duod Trotz des Einsturzes der Mauer und des durch den energischen Widerstand der Araber verursachten sehr be deutenden Verlustes, drangen die Franzosen dennoch immer weiter vor und gelangten endlich beim Punkte 5 an ein Thor, welches ihnen das weitere Vorgehen versperrte. Die nach links 4 auf der Strasse 3, 6 vorgedrungenen Kolonnen versuchten deshalb eine Umgehung und gelangten auch mit Hülfe der Sappeure auf den Hof 7 , von wo aus sie die 』་ Strassen 10 und 妻 11 erreichten. Hier empfing sie jedoch aus dem Thurme m ein so mörderisches Feuer, dass die Angreifer , sich gezwungen sahen , in ein Haus zu retiriren , von wo aus sie den 7 genannten Punkt zu beschiessen anfingen. Die Araber, in I 5 hielten aber jetzt , wo sie die Feinde im Rücken wussten , ihr wei teres Verbleiben für 3 nicht rathsam und gaben das Thor
332 auf, welches die lebhaft folgenden Franzosen augenblicklich besetzten. In diesem Momente jedoch fand eine Scene statt, die nach Aussage von Augenzeugen alles nur Denk bare + an Schrecklichkeit übertraf. Eine grössere Pulver masse wahrscheinlich durch einen Flintenschuss entzündet, explodirte. Die Stürmenden glaubten sich plötzlich in eine Hölle versetzt, der Athem verging ihnen, die Sinne schwan den, Kleider und Haare fingen Feuer, und Flammen und Dampf umgab sie von allen Seiten. * ) Die französischen Soldaten hatten eine bedeutende Anzahl von Pulversäcken zu je 25 Pfund zur Wegräumung von Hindernissen mitge nommen ; auch diese entzündeten sich und vermehrten das Schreckliche der Katastrophe. Ueber 40 Soldaten und Offiziere wurden zermalmt und verbrannt ; die meisten von ihnen erlitten den Tod schweigend, da Glut und Dampf ihnen den Athem benahm. Andere überlebten die entsetz liche Explosion nur einige Augenblicke und schrieen in Tönen , die nichts Menschenähnliches mehr hatten. Andere waren mit grösseren oder geringeren Brandwunden davon gekommen, viele hatten das Augenlicht verloren, einigen war die Haut vom Körper geschunden . Eine allgemeine Stille folgte dem schrecklichen Ereigniss ; die Constantiner benutzten diesen Augenblick des Zauderns und der Ver wirrung, und zerlumpte, ebenfalls vom Pulver geschwärzte Kabylen drangen mit dem Yatagan in der Faust, von al len Seiten 團 über die Trümmerhaufen, das letzte, was noch lebte und athmete, gänzlich niederzumachen. Viele rissen den Leichnamen die Glieder aus , steckten dieselben auf 1 ihre Messer und eilten damit triumphirend nach der Stadt, durch diesen Anblick die bereits etwas entmuthig ten Constantiner zu neuen Anstrengungen anzuspornen. In diesem kritischen Augenblick drang die zweite Sturm kolonne unter Oberst Combes durch w das Thor 5 in der Hauptstrasse weiter vor, besetzte die daselbst sich vor findenden kleinen Buden, während Lamoricière von Pulver verbrannt und des Augenlichts für einige Zeit beraubt, den
*) Wagners Reisen in der Regentschaft.
333 Kampfplatz verliess. Mit der blanken Waffe } drang die zweite Sturmkolonne bis zu der Barrikade bei 11 vor, die sich von Trümmern und Leichnamen von selbst gebildet hatte und durch die gedeckt der Feind den Franzosen ein mörderisches Feuer entgegensandte. Combes verhiess dem Ersten, der die Barrikade ersteigen würde, das Ehrenkreuz. Ein 1 Offizier sprang hinauf und verschwand sofort wieder, er war indessen nicht getödtet, sondern nur strauchelnd gefallen und blieb am Leben. In demselben Augenblicke fühlte sich auch Combes von zwei Kugeln tödtlich getrof fen. Er entfernte sich langsam, schweigend und ohne fremde : Beihülfe vom Kampfplatze und kehrte zur Bresch batterie zurück, wo er dem dort befindlichen General Valée und dem Herzog von Nemours ausführlichen Bericht über 鳖 die Sachlage abstattete. Erst nachdem dies geschehen, fügte er in ruhigster Fassung und ohne auch nur eine Miene zu verziehen hinzu, dass er sich tödlich verwundet fühle. Er zog sich darauf in sein Zelt zurück, wo er kurze Zeit darauf mit derselben Ruhe und dem ganzen Seelen adel eines Römischen Helden den Geist aufgab.: ⠀⠀⠀ Die ihrer Führer beraubten Soldaten setzten darauf den Kampf in der Stadt auf eigene Hand fort. Es gelang ihnen die Barrikade 1 zu nehmen , aus * einem gegenüber liegenden Hause das Thürmchen m zu beschiessen und so die Araber in die Hauptstrasse zu drängen. Hier schlug man sich von Haus zu Haus, bis es den Zuaven gelang in das Wohngebäude Ben-Aissas zu dringen , wo der Wider stand concentrirt war. Jedes Zimmer in demselben , jede Gallerie , jeder Hof musste mit Blut erkauft werden und der Kampf wurde noch beinahe eine Stunde mit äusser ster Erbitterung fortgesetzt , ehe der gänzliche Rückzug der Araber in die Kasbah erfolgte und dem Blutvergiessen durch Unterwerfung der Constantiner ein General Rulhières übernahm das Commando Morgens flatterte die Trikolore auf allen der Stadt. Nach der Besitznahme derselben war
Ende machte. und um 9 Uhr Hauptpunkten die Ruhe bald
hergestellt ; die Truppen hatten strengen Befehl das Eigen
334 thum zu schonen ; die alten Stadtbehörden blieben in ihren Functionen und erhielten den Auftrag, 2 sich mit den um wohnenden Stämmen in Handelsverbindungen einzulassen, da man mit Ausnahme von Gerstenvorräthen keine Lebens 4. Aror mittel vorfand. Bei der sofort angeordneten allgemeinen Entwaffnung fand man 2000 Gewehre , 250 Säbel und 300 Pistolen; an Artilleriegut befanden sich auf den Wällen 45 Kanonen, 6 Haubitzen, 12 Mörser, +K Lafetten und Wagen ; 1 3000 Voll kugeln, 500 Bomben und Granaten, 6500 Kilogramm Pulver I und 20,000 Infanterie Patronen. Die Eisenmunition lag auf den Wällen ungeordnet um her und an einer Stelle waren die Bomben sogar mit Men schenschädeln untermengt ; die Geschütze der Stadt waren
türkisch, spanisch und deutsch, meist sehr unbeholfen und ohne Richtmaschine. Nach Zurücklassung einer Besatzung von 2500 Mann aller Waffen mit 4 Feldgeschützen , traten die Franzosen am 20sten ihren Rückmarsch nach Oran an. Auf der Höhe, wo das Römische Monument El-Sommah stand , machte die Kolonne Halt und Alle schauten noch einmal schwei gend nach der Numidischen Felsenstadt zurück , die der Schauplatz so furchtbarer Anstrengungen und die Ruhe stätte so vieler der edelsten Söhne Frankreichs 8 gewor den war. !!
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Druck der Universitäts -Buch- u. Steindruckerei von E. J. Dalkowski in Königsberg.