Die Rolle des Notars bei der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen [1 ed.] 9783428589098, 9783428189090

Angesichts der Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin und der Vielfalt gelebter Familienmodelle werden die seit Jahr

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German Pages 424 [425] Year 2023

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Die Rolle des Notars bei der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen [1 ed.]
 9783428589098, 9783428189090

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 561

Die Rolle des Notars bei der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen

Von

Christine Boot

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTINE BOOT

Die Rolle des Notars bei der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 561

Die Rolle des Notars bei der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen

Von

Christine Boot

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18909-0 (Print) ISBN 978-3-428-58909-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Notarrecht der Georg-August-Universität Göttingen. Sie wurde im Wintersemester 2022/2023 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis einschließlich Dezember 2022 berücksichtigt werden. Meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Barbara Veit danke ich herzlich für die Ermutigung zur Promotion im Rahmen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung. Ihre stetige Bereitschaft zur Diskussion, die zahlreichen wertvollen Anregungen bei gleichzeitiger Gewährung des notwendigen wissenschaftlichen Freiraumes sowie ihr fortwährender Optimismus hinsichtlich des Gelingens dieser Arbeit haben mir geholfen, das Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Herrn Prof. Dr. Joachim Münch danke ich herzlich für die Übernahme der Erstellung des Zweitgutachtens, die Schaffung der zum Abschluss der Promotion notwendigen guten Rahmenbedingungen und das Vertrauen sowie etliche gewinnbringende thematische Hinweise. Ich danke der Deutschen Notarrechtlichen Vereinigung e. V., der Notarkammer Celle und der Notarkammer Braunschweig für ihre Förderung des Instituts, die ebenfalls maßgeblich zu Entstehung und Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Dem gesamten Lehrstuhlteam danke ich für den freundschaftlichen Zusammenhalt und die gemeinsame Zeit, durch die ich meine Promotionsjahre stets in bester Erinnerung behalten werde. Ich danke meinen lieben Wegbegleitern für ihre Treue und Unterstützung über die vielen Jahre, für die Ablenkung, wenn sie notwendig war, für ihr ehrliches Interesse, das stets offene Ohr und vor allem für ihren unerschütterlichen Glauben an mich. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Ihnen gilt mein besonderer Dank für ihre bedingungslose und niemals endende Liebe, Fürsorge und Unterstützung und ihren uneingeschränkten Rückhalt mit Blick auf alle meine Vorhaben und Entscheidungen. Sie haben mir Studium und Promotion ermöglicht und damit entscheidenden Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Hannover, im April 2023

Christine Boot

Inhaltsübersicht

Einleitung 

23

Kapitel 1

Grundlagen 

27

A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Techniken künstlicher Befruchtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Rechtliche Rahmengebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge  . . . . . . . . . . . . . 47 E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Kapitel 2

Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht und die Bedeutung notarieller Mitwirkung 

80

A. Der Grundsatz von Privatautonomie und seine verfassungsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 C. Die Stellung des Notars im Statusrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Kapitel 3

Notarielle Vereinbarungen anlässlich einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen 

102

A. Inhalt von Kinderwunschvereinbarungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 B. Dogmatische Einordnung von Kinderwunschvereinbarungen  . . . . . . . . . . . . . 107 C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 108 D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

8 Inhaltsübersicht Kapitel 4

Analyse – Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 

139

A. Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Zweite rechtliche Elternstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 C. Folgevereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Kapitel 5

Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle nach Samenspende de lege ferenda unter Berücksichtigung der Bedeutung notarieller Mitwirkung 

263

A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 B. Anpassung der Anerkennung der Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C. Ausweitung des scheidungsakzessorischen Statuswechsels . . . . . . . . . . . . . . . 286 D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 E. Anpassung der Anfechtungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 F. Abstammungsklärung, § 1600g BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 G. Weiterer Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 H. Schlussbemerkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Kapitel 6

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen 

371



Anhang 

375

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

Inhaltsverzeichnis

Einleitung  I. II.

23

Gegenstand und Umfang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kapitel 1



Grundlagen 

27

A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Intendierte Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Heterologe und homologe Befruchtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Künstlichkeit der Befruchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Spendearten und Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 28 28 29

B. Techniken künstlicher Befruchtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Künstliche Insemination  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. In-vitro-Fertilisation (IVF) und intrazytoplasmatische Spermieninjek­ tion (ICSI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kryokonservierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eizellspende und Embryotransfer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Embryonenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Leihmutter- bzw. Ersatzmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 30

C. Rechtliche Rahmengebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgebungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. §§ 1600 Abs. 4, 1600d Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. ESchG, AdVermG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. § 27a SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. TPG, AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. SaRegG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ursachen für den Flickenteppich an rechtlichen Regelungen . . . . . . . . .

33 33 34 36 36 38 41

30 31 32 32 32 33

42 45 45

D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge  . . . . . . . . . . . . . 47 I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

10 Inhaltsverzeichnis 1. Begriff der Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Genetische“, „biologische“ und „leibliche“ Abstammung  . . . . . . . II. Zwecke und Leitprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Statusprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwei-Eltern-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abstammungsprinzip und Prinzip der Statuswahrheit . . . . . . . . . . . 4. Trennung von Primär- und Sekundärzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Statusklarheit und Statussicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Voluntative Begründungsmerkmale von Elternschaft . . . . . . . . . . . . 7. Soziale Kriterien und Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Abstrakte Berücksichtigung des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 48 50 50 51 52 56 57 58 59 60

E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Die Stellung des Notars vor dem Hintergrund von § 1 BNotO . . . . . . . 63 1. Der Begriff der vorsorgenden Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Notarielle Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Träger eines öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Hoheitliche Tätigkeit infolge Aufgabenübertragung durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Verhältnis zu beruflicher Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Pflicht zu Unabhängigkeit und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Öffentliche Urkunde und notarielle Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Beweiskraft öffentlicher Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Beurkundungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5. Unterscheidung von Beurkundung und Beglaubigung . . . . . . . . . . . 72 IV. Beurkundungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Sachaufklärung und Willenserforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Belehrung über rechtliche Tragweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Niederschrift und Ausfertigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 V. Amtsgewährpflicht und Ablehnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Inhaltsverzeichnis11 Kapitel 2

Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht und die Bedeutung notarieller Mitwirkung 

80

A. Der Grundsatz von Privatautonomie und seine verfassungsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Minderjährigenadoption, §§ 1741–1766 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vaterschaftsanerkennung, §§ 1592 Nr. 2, 1594–1598 BGB . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Scheidungsakzessorischer Statuswechsel, § 1599 Abs. 2 BGB  . . . . . . . 1. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81 81 86 86 89 91 91 93

C. Die Stellung des Notars im Statusrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Abstammungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Adoptionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Kapitel 3

Notarielle Vereinbarungen anlässlich einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen 

A. Inhalt von Kinderwunschvereinbarungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notarielle Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einwilligung in die heterologe Befruchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Unterhaltsansprüche und Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . VI. Sorge- und Umgangsrechte sowie erbrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . .

102 102 102 103 104 105 105 106

B. Dogmatische Einordnung von Kinderwunschvereinbarungen  . . . . . . . . . . . . . 107 C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . I. Privatautonome Handlungsspielräume im Familienrecht . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Verbote und Sittenwidrigkeit als Grenzen . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Verbote, § 134 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sittenwidrigkeit, § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Höchstpersönlichkeit der Entscheidung als Grenze abseits von § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eingeschränkte Intensität rechtlicher Bindung als Grenze . . . . . . . . . . .

108 108 110 110 112 115 118

D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

12 Inhaltsverzeichnis I.

Vorlage der Dokumentation von Indikation und medizinischer und psychologischer Beratung bei ärztlich assistierter Befruchtung . . . . . . . II. Sachaufklärung und Willenserforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ungeklärte Zulässigkeitsfragen und Ablehnungsrecht des Notars . . . . . 1. Strafbewehrter Arztvorbehalt des ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verbot des ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsmäßigkeit des Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilunwirksamkeit der Vereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Vorgaben für einzelne Personenkreise und Ablehnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion von 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen für notarielle Vereinbarungen anlässlich einer heterologen Insemination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ablehnung wegen Unvereinbarkeit mit notariellen Amtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ablehnung wegen ernsthafter Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ablehnung aufgrund von Gewissensgründen  . . . . . . . . . . . (1) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heterosexuelle Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gleichgeschlechtliche Frauenpaare und alleinstehende Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121 122 122 122 123 125 126 126 126 127 128 128 129 130 130 131 132 132 133 134 136

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Kapitel 4

Analyse – Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 

A. Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verheiratete heterosexuelle Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nichtverheiratete heterosexuelle Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gleichgeschlechtliche Frauenpaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Alleinstehende Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 139 139 140 141 142

B. Zweite rechtliche Elternstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Privatautonome Erklärung zur Begründung des Kindesstatus . . . . . . . . 143

Inhaltsverzeichnis13 II.

Präkonzeptionelle Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. De lege lata: Pränatale Vaterschaftsanerkennung (§ 1594 Abs. 4 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Vaterschaftsanerkennung bereits vor der Zeugung . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Bezugspunkt der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Bedingungsfeindlichkeit der Erklärung (§ 1594 Abs. 3 BGB) . . 147 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Notarielle Beratung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Frage der Anwendbarkeit abstammungsrechtlicher Regeln auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Eherechtsänderungsgesetz: Gleichstellung gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Auswirkungen der Reform auf die Vorschriften des Abstammungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Regelungsbedürftige Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Notarielle Beratung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. Verpflichtung des intendierten Vaters zur Vaterschaftsanerkennung nach Zeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Wirksamkeit der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Durchsetzung der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Notarielle Beratung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 IV. Verzicht auf Rechte des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 V. Anfechtungsausschluss infolge Einwilligung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Hintergrund der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Rechtsnatur der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Einwilligung in heterologe Insemination als Realakt . . . . . . . . . 164 c) Einwilligung in die heterologe Insemination als geschäftsähnliche Handlung im Sinne einer Einwilligung in eine ärztliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 d) Einwilligung in heterologe Insemination als Willenserklärung bzw. rechtsgeschäftliche Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Ausschluss der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft . . . . 168 bb) Konkludenter Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes . . . 170 cc) Einwilligung als Preisgabe des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

14 Inhaltsverzeichnis (1) Recht auf Fortpflanzungsfreiheit und verfassungsrechtliche Herleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erstreckung auf medizinisch assistierte Reproduktion . (3) Bedeutung genetischer Verwandtschaft und Familienbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwilligungsberechtigte Personen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorliegen eines Rechtsbindungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gegenstand der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Umfang der Einwilligung und Zeitpunkt der Abgabe . . . . . . . . . . . . 7. Erklärungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Geschäftsfähigkeit bzw. Altersgrenze für die Abgabe der Einwilligungserklärungen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Keine wirksame Anfechtung der Einwilligungserklärung . . . . . . . . . 10. Kein wirksamer Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Widerrufsrecht als Ausdruck des individuellen Selbstbestimmungsrechts im reproduktiven Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des letztmöglichen Zeitpunkts der Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zeugung in-vivo  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problem: Zeugung in-vitro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erklärungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beweislast und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Folgen des Wegfalls des Widerrufsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Folgen eines wirksamen Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Keine Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 134 BGB . . . . . . . 12. Beweislast und Form  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft  . . . . . . . b) Adressaten des Anfechtungsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkludenter Unterhaltsvertrag zu Gunsten des gezeugten Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zeitlicher Geltungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Kritik an der Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verzicht des Spenders auf seine Elternposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematik, Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Genese  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 173 174 177 178 178 178 179 181 183 184 186 188 190 190 191 191 192 195 196 197 197 198 198 198 199 199 199 201 202 202 204 205 205 206 208 210

Inhaltsverzeichnis15 2. Ausschluss des Anfechtungsrechts durch Verzicht . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgeschäftliche Vereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 1600 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzicht auf die Elternstellung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgen eines Verzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlust der Elternposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlen einer zweiten Elternstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsrechtliche Anforderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwei-Eltern-Prinzip nach einfachem Recht . . . . . . . . . . . . . cc) Möglichkeit der Einzeladoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Wertungen des Abstammungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vaterschaftsfeststellung, § 1592 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . (2) Scheidungsakzessorischer Statuswechsel, § 1599 Abs. 2 BGB: ­Anerkennung durch Dritten . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ungleichheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ungleichbehandlung von offiziellen und privaten Spendern . . . . b) Alleinstehende Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lesbische Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Forderungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 212 212 213 216 216 218 218 219 221 222 222 223 224 224 224 226 226 226 229 230

C. Folgevereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . 231 1. Grundlagen und Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Inhalt und Umfang des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Anpassung der Vaterschaftsanfechtungsvorschriften und Einführung isolierter Vaterschaftsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Höchstrichterliche Anerkennung von Auskunftsansprüchen des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 d) Die Rolle des Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Samenspenderregistergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Zweckbestimmung und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Kernstück: Auskunftsanspruch des Samenspenderkindes . . . . . . 236 c) Aufklärung des Spenders, Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten und Übermittlung der Samenproben  . . . . . 238 d) Aufklärung der Empfängerin und Erhebung sowie Speicherung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 e) Datenerhebung und Informationsübermittlung für den Geburtsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

16 Inhaltsverzeichnis f) Zweckbindung der erhobenen Daten und Aufbewahrungspflicht  241 g) Ansprüche des Spenders und der Empfängerin  . . . . . . . . . . . . . 242 h) Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 i) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Auswirkungen auf notarielle Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Aufklärung und Dokumentation nach SaRegG durch einen Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Unzulässigkeit von Klauseln zur Sicherung der Spenderanonymität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 II. Kindesunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrags zu Gunsten des Kindes infolge der Abgabe der Einwilligung nach § 1600 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Wirksame Einwilligung bei späterer Ehelichkeitsanfechtung vor Schaffung von § 1600 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Wirksame Einwilligung bei fehlender späterer Vaterschaftsanerkennung nach Schaffung von § 1600 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . 250 c) Fehlende bzw. unwirksame Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Nicht abgegebene Einwilligung und fehlende Geschäfts­ fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Unwirksame Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Nachträgliche Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Anpassung der Unterhaltspflicht infolge eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 e) Notarielle Beratung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten des Samenspenders . . . . . . 258 a) Reichweite der Vertragsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Auswirkungen des SaRegG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Fragen notarieller Beratung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Kapitel 5

Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle nach Samenspende de lege ferenda unter Berücksichtigung der Bedeutung notarieller Mitwirkung 

A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mutterschaft, § 1591 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beibehaltung des Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen bei Kinderwunschrealisierung im Ausland  . . . . . . . . . . . . .

263 265 265 265 266

Inhaltsverzeichnis17 II.

Einführung einer rechtlichen Mit-Mutterschaft, § 1592 Abs. 2 BGB-E . 269 1. Inhalt des Entwurfs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Aktuelle Vorlagebeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Verhältnis zur Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Langwierigkeit des Adoptionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Schutz der Interessen des leiblichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 c) Folgerungen für die Einführung einer rechtlichen Mit-Mutter außerhalb der Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4. Ungleichbehandlung im Verhältnis zu gleichgeschlechtlichen Männerpaaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

B. Anpassung der Anerkennung der Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Anerkennung vor der Zeugung, § 1594 Abs. 4 BGB-E . . . . . . . . II. Veränderungssperre, § 1594 Abs. 2 S. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anpassung der Regeln über die Zustimmung des Kindes, § 1596 Abs. 2 Nr. 1 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281 281 282

C. Ausweitung des scheidungsakzessorischen Statuswechsels . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt des Reformvorschlags  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitskreis Abstammungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskussionsteilentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286 286 286 287 288

D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anpassung von § 1592 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik und Regelungsgehalt der §§ 1598a bis 1598c BGB-E . . II. Ärztlich assistierte Befruchtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verzicht des Samenspenders auf seine Elternstellung, § 1598c Abs. 1 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Feststellungsausschluss bei Spende an Entnahmeeinrichtung (offi­ zielle Samenspende), § 1598c Abs. 1 Nr. 1 BGB-E . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellungsausschluss bei privater Spende, § 1598c Abs. 1 Nr. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzichtserklärung und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erklärungsempfänger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Altersvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feststellungsausschluss bei Befruchtung einer alleinstehenden Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 290 290 290 291

284 286

292 292 293 293 294 294 295 296 296 297 299

18 Inhaltsverzeichnis IV. Einwilligung der intendierten Eltern in die künstliche heterologe Befruchtung, § 1598c Abs. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Rechtscharakter der Einwilligung in die künstliche Befruchtung, § 1598c Abs. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Einwilligungsberechtigte Personen und Erklärungsempfänger . . . . . 300 3. Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit, §§ 1598c Abs. 2 S. 1 HS 2, 1595 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 4. Maßgeblichkeit der letzten Einwilligung bei mehreren einwilligungsbereiten Personen, § 1598c Abs. 2 S. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . 301 5. Umfang der Einwilligungserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 6. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a) Formüberlegungen Anfang des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . 303 b) Bedeutung notarieller Mitwirkung vor Inkrafttreten des Kind­ RVerbG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c) Diskussion um Erfordernis notarieller Mitwirkung im Rahmen der Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB   . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 d) Rechtsvergleichende Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 e) Diskussionsteilentwurf: Bloß schriftliche Erklärungen, §§ 1598c Abs. 3 S. 1 mit 1598c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 f) Analyse der Begründung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 aa) Rechtssicherheit und Beweiszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 bb) Beratung und Belehrung über rechtliche Tragweite . . . . . . . 310 (1) Warnfunktion: Weitreichende Folgen der Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung . . . . . . . . . . . 311 (2) Keine vergleichbare Beratung durch andere Personen oder Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (a) Ärztliche Aufklärung im Rahmen des Behandlungsvertrags  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (b) Aufklärung nach den Vorgaben des SaRegG . . . . . 318 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 cc) Identitätsprüfung und Feststellung der Geschäftsfähigkeit . 319 dd) Gefahr der Missachtung der Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (1) § 1598c Abs. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (2) § 1600 Abs. 4 BGB bzw. § 1600b BGB-E . . . . . . . . . . . 321 (a) Heilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 (b) Auslandsfälle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (c) Private Befruchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 7. Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln zur Anfechtung . . . . . . . . . 327 8. Widerrufsrecht nach § 1598c Abs. 4 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 a) Adressatenkreis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Spätestmöglicher Zeitpunkt, § 1598c Abs. 4 S. 3 BGB-E . . . . . . 328

Inhaltsverzeichnis19 c) Erklärungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Geschäftsfähigkeit und Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329 329 331 331 332

E. Anpassung der Anfechtungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anfechtungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen der Anfechtung (§ 1600a Abs. 1 BGB-E) . . . . . . . . . . III. Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit (§ 1600a Abs. 2 BGB-E) . 1. Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Elternteil (Satz 1 Halbsatz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des Kindesalters (Satz 1 Halbsatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum Anfechtenden (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anfechtungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss des Samenspenders i. S. v. § 1598c Abs. 1 BGB-E, § 1600 Abs. 2 BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss im Falle künstlicher Befruchtung, § 1600b BGB-E . . . . 3. Ausschluss nach Anerkennung, § 1600c BGB-E  . . . . . . . . . . . . . . . V. Anfechtungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

332 333 334 335 335 335 337 338 338 338 340 343 344

F. Abstammungsklärung, § 1600g BGB-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 G. Weiterer Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die voluntativen Elemente im Rahmen von künstlichen heterologen Befruchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Standort im Kanon gesetzlicher Tatbestände des Statusrechts   . . . . . . . III. Das Formerfordernis (§ 1598c BGB-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formfreier Verzicht des Samenspenders  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notarielles Beurkundungserfordernis bei ärztlich assistierter Samenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notarielles Beurkundungserfordernis bei privater Becherspende . . . 4. Zwischenfazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtliche Zuordnung zum Kind  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mögliche Konzepte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tragfähigkeit der Lösungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Feststellungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Anerkennungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Mehrelternschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung notarieller Beurkundung im Abstammungsrecht  . . . . . . a) Relevanz voluntativer Elemente im Diskussionsteilentwurf . . . . b) Die Rolle des Notars im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . c) Die Besonderheiten des gerichtlichen Feststellungsverfahrens . .

347 347 348 350 350 351 352 353 354 354 355 355 357 358 361 361 362 363

20 Inhaltsverzeichnis

V.

d) Die private Samenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Ausblick: Die Rolle des Notars im künftigen Abstammungsrecht . . . . . 365

H. Schlussbemerkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Kapitel 6

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen 

371



Anhang 

375

I. II.

Literaturhinweise zu Musterformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Synopse: Geltendes Recht und Diskussionsteilentwurf . . . . . . . . . . . . . . 376

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Auffassung a. F. alte Fassung Anm. Anmerkung BGB-E BGB-Entwurf BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BNotK Bundesnotarkammer bzw. beziehungsweise DÄBl Deutsches Ärzteblatt ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe/dieselben DJT Deutscher Juristentag ggf. gegebenenfalls grds. grundsätzlich Herv. d. Verf. Hervorhebung durch Verfasser h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber/in/innen HS Halbsatz i. d. F. in der Fassung i. E. im Ergebnis insb. insbesondere i. S. d. im Sinne der/des i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit JAMA Journal of the American Medical Association Kap. Kapitel krit. kritisch m. w. N. mit weiteren Nachweisen sog. sogenannte/r/s str. streitig u. a. unter anderem z. B. zum Beispiel zust. zustimmend

22 Abkürzungsverzeichnis Im Übrigen wird auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, Berlin 2013 und Duden, Die deutsche Rechtschreibung, Band 1, 25. Auflage, Mannheim u. a. 2012, verwiesen.

Einleitung Als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes nehmen Notare im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege zentrale Aufgaben wahr. So sieht der deutsche Gesetzgeber ihre Mitwirkung bei der Ausgestaltung von Rechtsgeschäften zwischen Privaten auf vielen Gebieten des Zivilrechts vor. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen mit dem Rechtsgeschäft weitreichende persönliche, wirtschaftliche oder rechtliche Folgen verknüpft sind. Die nota­ rielle Haupttätigkeit besteht in der Beurkundung von Rechtsvorgängen. Zu unparteilicher Behandlung der Beteiligten verpflichtet, tritt der Notar als Rechts­ experte auf, dem besonderes Vertrauen entgegengebracht wird und der durch Erforschung des Willens, durch Aufklärung, Beratung, Belehrung und Unterstützung bei der Vertragsgestaltung sowohl Individualinteressen sichert als auch zu Rechtssicherheit, Konfliktvermeidung und damit letztlich zu Rechtsfrieden beiträgt. Der wohl relevanteste Fall gesetzlich zwingender notarieller Beurkundung findet sich bei Rechtsgeschäften über Grundstücke (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB). Die notarielle Beurkundung ist gleichwohl nicht allein im Grundstücksrecht, sondern für bestimmte Rechtsvorgänge beispielsweise auch im Gesellschafts-, Erbrecht und im Familienrecht erforderlich. Im Familienrecht sieht der Gesetzgeber sie ausdrücklich für Eheverträge (§ 1410 BGB), im gesetzlichen Güterrecht (§§ 1378 Abs. 3 S. 1, 1379 Abs.  1 S.  3 BGB), im Recht der Gütergemeinschaft (§§  1415 i.  V.  m. 1410 BGB) und bei der Adoption (§§ 1746 Abs. 2 S. 2, 1750 Abs. 1 S. 2 BGB) vor. Jenseits der obligatorischen Beteiligung empfiehlt sich in einigen Fällen, z. B. für Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten, zudem auch die freiwillige Einschaltung eines Notars. Die Untersuchung zielt darauf ab, einen Bereich der genaueren Betrachtung zu unterziehen, welcher nicht zu den klassischen Anwendungsfeldern notarieller Betätigung zählt. Sie widmet sich dem Gebiet der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen und insbesondere der Frage nach Möglichkeiten oder gar dem zwingenden Erfordernis der Mitwirkung eines Notars an abstammungsrechtlich relevanten Rechtshandlungen der Beteiligten. Die Tendenz zunehmender Verrechtlichung von Handlungsspielräumen in nahezu allen Lebensbereichen, das rasante Tempo naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritts und nicht zuletzt auch gesellschaftliche Veränderungen aus vergangenen Jahrzehnten führen nämlich dazu, dass der Gesetzgeber im

24 Einleitung

Abstammungsrecht zusehends unter Druck gerät1, während gleichzeitig die Zahl reproduktionsmedizinischer Behandlungen Jahr für Jahr steigt2. Der Gesetzgeber hat im Abstammungsrecht für Fälle der Spendersamenbehandlung partiell bereits einige wenige Wertungen getroffen, jedoch bleibt für die Eltern-Kind-Zuordnung ein rechtliches Vakuum bestehen. Eine stabile rechtliche Zuordnung des Kindes zu zwei Verantwortung übernehmenden Elternteilen, wie sie mit jedem reproduktionsmedizinischen Verfahren einhergehen sollte3, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht in jedem Fall möglich. Die Schwierigkeiten potenzieren sich noch vor dem Hintergrund, dass zum einen auch immer mehr alleinstehende Frauen dem Wunsch nach einer Spender­ samenbehandlung nachgehen, zum anderen oftmals privat organisierte sog. Becherspenden verwendet werden; dieses Vorgehen spielt insbesondere in gleichgeschlechtlichen Beziehungen zwischen Frauen eine wichtige Rolle. Die Verhältnisse der Akteure zueinander unterscheiden sich angesichts der vielfältigen möglichen Konstellation und unterschiedlichen Individualinteressen. Das Abstammungsrecht wird hierdurch erheblich gefordert. Wenn die Methoden der Reproduktionsmedizin die Möglichkeit eines gezielten Bruchs zwischen biologischer und rechtlicher Elternschaft bieten, stellt sich nach künstlicher Befruchtung mit Spendersamen bei fehlender tatsächlicher Abstammung des Kindes vom Partner oder der Partnerin der Mutter immer drängender die Frage nach der Bedeutung des Willens zur rechtlichen Elternschaft als Legitimation einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung. Weil in willensbasierten Entscheidungen das dem Zivilrecht zugrundeliegende Prinzip der Privatautonomie zum Ausdruck kommt, betrifft die Frage nach ihrer Relevanz im hiesigen Kontext das Verhältnis von Privatautonomie und Abstammungsrecht: Ob und inwieweit ist es im Rahmen der geltenden Rechtslage zulässig, bestehende Regelungslücken im Abstammungsrecht durch privatrechtliche Vereinbarungen zu schließen? In welchem Umfang kann, darf und soll außerdem der Wille in einem reformierten Abstammungsrecht eine Rolle spielen und welche Bedeutung käme schließlich der notariellen Mitwirkung innerhalb neuer Konzepte de lege ferenda zu? In diesem Zusammenhang steht der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im März 2019 vorgelegte Diskussionsteilentwurf zur Reform des Abstammungsrechts im Mittelpunkt der Beleuchtung aktueller Reformbemühungen.

1  Schon Wassermann, Archiv für Sexualforschung 1915 (Bd. 1), 347: „Sisyphos­ arbeit“ des Gesetzgebers, dem, sobald „er das Leben in Paragraphen gefaßt hat, (…) es ihm längst schon wieder davongerollt [ist]“. 2  DIR Jahrbuch 2018, S. 16. 3  Löhnig, ZRP 2015, 76.

Einleitung25

I. Gegenstand und Umfang der Untersuchung Der Gegenstand der Untersuchung beschränkt sich auf die künstliche Befruchtung mit Spendersamen eines Dritten als Teilbereich der Reproduktionsmedizin. Als künstlich gilt eine Befruchtung dann, wenn sie ohne den natürlich vollzogenen Geschlechtsakt ausschließlich unter Einsatz technischer Hilfsmittel erfolgt4. Hierfür ist grundsätzlich zunächst unerheblich, ob die Befruchtung ärztlich assistiert oder in Selbstvornahme erfolgt, ob der Spendersamen über eine offizielle Spendeeinrichtung, bei welcher ihn der Dritte abgegeben hat, oder ob er auf privatem Wege unter Kenntnis von der Person des Spenders zur Verfügung gestellt wird, welches medizinische Verfahren im Einzelnen zum Einsatz kommt und ob dieses ärztlichem Standesrecht entspricht. Im Ausland vorgenommene Befruchtungen sowie rechtsvergleichende Erwägungen können im Rahmen dieser Arbeit allenfalls am Rande thematisiert werden. Auch Konstellationen von Leih- oder Ersatzmutterschaft nach Samenspende bleiben im Wesentlichen ausgeklammert. In personeller Hinsicht berücksichtigt die Untersuchung in erster Linie nicht verheiratete heterosexuelle Paare, gleichzeitig und unabhängig von der Formalisierung ihrer Beziehung aber auch gleichgeschlechtliche Frauenpaare sowie schließlich alleinstehende Frauen. Die Untersuchung beschränkt sich ausschließlich auf Möglichkeiten und Grenzen der Mitwirkung von Notaren auf dem Gebiet der künstlichen heterologen Befruchtung. Die Betätigung anderer juristischer Berufsträger wird nicht untersucht.

II. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert, wobei das erste Kapitel als vor die Klammer gezogener Abschnitt fungiert, in welchem die terminologischen, medizinisch-naturwissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Untersuchungsgegenstandes erläutert werden. Darauffolgend widmet sich das zweite Kapitel der Frage, wo und in welcher Form privatautonome Entscheidungselemente bereits de lege lata in den gesetzlichen Tatbeständen des Statusrechts angelegt sind und welche Rolle der notariellen Mitwirkung in diesem Zusammenhang zukommt. Das dritte Kapitel untersucht sodann, inwiefern durch privatautonome, notarielle Kinderwunschvereinbarungen der Status der Beteiligten abgesichert werden kann. Denkbare 4  OLG Hamburg NJW-RR 2012, 1286; Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (ESchG), BT-Drs. 11/5460, 8; Palandt/Siede, Einf. v. § 1591 BGB Rn. 15; Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 24; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77; Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 11; Grziwotz, in: CoesterWaltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 103 (113); Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 932.

26 Einleitung

Möglichkeiten und Grenzen werden dabei sowohl materiell-rechtlich als auch unter rechtsgestalterischen Gesichtspunkten beleuchtet. Unter Zugrundelegung der gefundenen Ergebnisse werden im vierten Kapitel mögliche Inhalte und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen analysiert. Dabei wird zwischen Vereinbarungen, welche die zweite rechtliche Elternstelle betreffen, und solchen, die sich auf Folgefragen wie das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung oder das Unterhaltsrecht beziehen, unterschieden. Im fünften Kapitel wird untersucht, wie de lege ferenda die zweite rechtliche Elternstelle neben der Mutter zu besetzen ist und welche Bedeutung der notariellen Mitwirkung in der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung in Zukunft zukommt. Als Basis der dortigen Ausführungen gilt der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im März 2019 vorgelegte Diskussionsteilentwurf zur Reform des Abstammungsrechts5. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse im sechsten Kapitel. Im Anhang befindet sich eine Übersicht über Quellen notarieller Musterformulierungen sowie eine vergleichende Gegenüberstellung geltender abstammungsrechtlicher Bestimmungen einerseits und der Vorschläge des BMJV de lege ferenda andererseits.

5  Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Diskussionsteilentwurf: Gesetz zur Reform des Abstammungsrechts, 13.03.2019, abrufbar unter: https://www. bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/DiskE_Reform_Abstam mungsrecht.pdf;jsessionid=5D743AFDEEF1D3F18C98E476C9435677.2_cid289?__ blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 27.11.2022.

Kapitel 1

Grundlagen Das erste Kapitel dieser Arbeit widmet sich der Erörterung wesentlicher Begrifflichkeiten, der verschiedenen Techniken künstlicher Befruchtung und vor allem der rechtlichen Grundlagen, welche im Rahmen der weiteren Untersuchung vorausgesetzt werden. Dabei handelt es sich zum einen um die aktuelle gesetzliche Rahmengebung für künstliche Befruchtung mit Spendersamen. Zum anderen wird anschließend das Abstammungsrecht mit seinen Zwecken, Leitprinzipien und Grundzügen erörtert. Die Ausführungen dienen maßgeblich als Basis für die Frage nach Möglichkeiten einer rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Kindesstatus bei einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen de lege lata. Gleichzeitig ermöglichen sie im späteren Verlauf eine Bewertung von Vorschlägen zur Reform des Abstammungsrechts de lege ferenda. Als Voraussetzung für die Untersuchung der Rolle des Notars bei der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen werden schließlich die Stellung des Notars sowie Grundlagen notarieller Tätigkeit näher beleuchtet.

A. Begriffsbestimmung I. Intendierte Eltern Beschließt ein Paar, seinen Kinderwunsch im Wege einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen zu erfüllen, so bringt es infolge seiner Einwilligung in die Befruchtung zum Ausdruck, künftig die Elternverantwortung für das zu zeugende Kind tragen zu wollen. Die einwilligende Frau und der einwilligende Mann beabsichtigen, trotz fehlender genetischer Abstammung des Kindes vom Ehemann bzw. Partner der Mutter für das Kind wie für ein leibliches Kind zu sorgen, es zu erziehen und in ihre Gemeinschaft aufzunehmen. Der ausdrückliche Wille zur Verantwortungsübernahme bezieht sich neben der sozialen Elternschaft im Regelfall auch auf die rechtliche Elternschaft1. Die Einwilligungserklärungen manifestieren jedoch nicht allein die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, sondern tragen noch vorher – neben dem Samen des Spenders – maßgeblich zur Zeugung des Kindes bei. Auch vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich die Bezeichnung dieser Eltern 1  BMJV,

Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 22.

28

Kap. 1: Grundlagen

als sog. intendierte Eltern2. Dieser Terminus ist im Übrigen auch auf Kon­ stellationen gleichgeschlechtlicher Frauenpaare anwendbar, die ihren Kinderwunsch durch eine Spendersamenbehandlung erfüllen möchten. Nicht als intendierte Eltern sollen im Kontext dieser Arbeit Konstellationen bezeichnet werden, in denen ein Mann eine schwangere Frau heiratet oder ein nichteheliches Kind anerkennt3, auch wenn in diesen Fällen der Wille zur rechtlichen Elternschaft ebenfalls von besonderer Bedeutung ist.

II. Heterologe und homologe Befruchtung Wird eine Frau mit dem Samen ihres Ehemannes befruchtet, handelt es sich begrifflich um eine künstliche homologe Befruchtung4. Auch bei der Verwendung des Samens des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird der Begriff der homologen5 bzw. der quasi-homologen6 Befruchtung gebraucht. Erfolgt hingegen die Befruchtung unter Rückgriff auf Sperma eines nicht mit der Frau verheirateten oder nicht mit ihr in nichtehelicher Lebensgemeinschaft verbundenen Mannes als Drittem, handelt es sich begrifflich um eine heterologe bzw. donogene künstliche Befruchtung7.

III. Künstlichkeit der Befruchtung Als künstlich gilt eine Befruchtung dann, wenn sie ohne den natürlich vollzogenen Geschlechtsakt ausschließlich unter Einsatz technischer Hilfsmittel erfolgt8. 2  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 22; ähnlich auch Schwenzer, in: 17. Deutscher Familiengerichtstag e. V. (Hrsg.) (2008), 27 (37) und dies., RabelsZ 2007, 705 (722): „intentionale Eltern“. Wertend dagegen die Begriffe „Wunsch­ eltern“, vgl. Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553; Dutta, JZ 2016, 845 und „Bestell­ eltern“, vgl. BeckOGK-BGB/Löhnig, Bearbeitungsstand 1.12.2022, § 13a AdVermiG Rn. 2; Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 295 mit 449: „Initiativeltern“. 3  Vgl. Schwenzer, in: 17. Deutscher Familiengerichtstag e. V. (Hrsg.) (2008), 27 (37). 4  Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 5; Voigt, Abstammungsrecht 2.0 (2015), S. 10. 5  Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 5. 6  Staudinger2011/Rauscher, § 1591 BGB Rn. 2; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 220; Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 14; Voigt, Abstammungsrecht 2.0 (2015), S. 10. 7  Siehe nur Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 5; Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 7; Voigt, Abstammungsrecht 2.0 (2015), S. 10; Weyrauch, Zulässigkeitsfragen und abstammungsrechtliche Folgeprobleme (2003), S. 5. 8  Siehe Einleitung Fn. 4.



B. Techniken künstlicher Befruchtung 29

IV. Spendearten und Einrichtungen Stellt ein Mann seinen Samen einer Einrichtung zur Verfügung, ohne dass der Empfängerin der Spende im weiteren Verlauf die Identität des Spenders bekannt ist oder werden soll, handelt es sich um eine sog. offizielle oder institutionalisierte Samenspende bzw. um einen sog. offiziellen Samenspender. Die Einrichtung ist eine sog. Entnahmeeinrichtung9. Sofern die Begriffe Spendeeinrichtung oder Samenbank verwendet werden, stellen sie im Rahmen dieser Untersuchung Synonyme im Verhältnis zum Begriff der Entnahmeeinrichtung dar. Stellt ein Mann, der den intendierten Eltern persönlich oder jedenfalls seiner Identität nach bekannt ist, etwa weil er aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis oder aus einer Internetbekanntschaft mit den intendierten Eltern stammt, seinen Samen zur Verfügung, wird für diesen Spender die Bezeichnung privater Spender oder Becherspender gebraucht. Entsprechend wird im Rahmen dieser Untersuchung der Terminus der privaten Befruchtung verwendet, wenn eine Befruchtung ohne ärztliche Mitwirkung im privaten Rahmen, z. B. durch selbstständiges vaginales Einführen mit Hilfsmitteln, durchgeführt wird. Auf der Schnittstelle zwischen den geschilderten Spendeformen liegt die Möglichkeit, mit privat gespendetem Samen eine ärztlich durchgeführte künstliche Befruchtung vornehmen zu lassen. In diesen Fällen entfällt für die Einrichtungen die Auswahl des Spenders, ihre Tätigkeit beschränkt sich in der Regel auf die Prüfung und Untersuchung der Spende etwa auf Infektionsparameter. Sofern nicht anders gekennzeichnet wird diese Form der Spende wegen ihrer Einbettung in einen vorgegebenen, bestimmten Regeln unterliegenden Organisationsapparat als formalisierte Spende bezeichnet.

B. Techniken künstlicher Befruchtung Im Folgenden werden in einem kurzen Überblick die für den Untersuchungsgegenstand wichtigsten Techniken sowie Konstellationen dargestellt, in welchen eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen in Frage kommt.

9  Vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 SaRegG (Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über den Spender nach heterologer Verwendung von Samen (Samenspenderregistergesetz – SaRegG), eingeführt durch das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017, BGBl 2017 I S. 2513).

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Kap. 1: Grundlagen

I. Künstliche Insemination Die künstliche Insemination bedeutet das Einbringen von Samenflüssigkeit in die weiblichen Genitale unter Einsatz instrumenteller Hilfsmittel10. Die Form der Übertragung der Spermien in die Gebärmutter mit Hilfe eines Katheters (sog. intrauterine Insemination, IUI) stellt das älteste Verfahren der künstlichen Befruchtung dar11. Der Terminus der künstlichen Befruchtung ist unter Beachtung naturwissenschaftlicher Grundsätze irreführend: Lediglich die Art der Zusammenführung von Eizelle und Spermienzelle ist eine künstliche bzw. der Ort des Zusammentreffens12 ein künstlicher, während sich die Befruchtung, d. h. die Verschmelzung des weiblichen mit dem männlichen Zellkern und mit ihr die Vereinigung des Erbgutes, auf natürliche Weise vollzieht. Der Einsatz von Instrumenten im Rahmen von künstlicher Befruchtung unterstellt nicht in jedem Fall eine ärztliche Beteiligung: Wird bei der Erfüllung des Kinderwunsches hingegen auf ärztliche Hilfe und medizinische Apparatur und Techniken zurückgegriffen, so es handelt es sich begrifflich um eine assistierte Reproduktion bzw. Befruchtung13. Sofern im Folgenden der Begriff der Insemination verwendet wird, bezieht er sich nicht auf die Bezeichnung einer bestimmten medizinischen Technik, sondern wird synonym zum Begriff der künstlichen Befruchtung gebraucht.

II. In-vitro-Fertilisation (IVF) und intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) In-vitro-Fertilisation (IVF) bezeichnet eine Methode der Befruchtung ex­ trakorporal, also außerhalb des Körpers14, was den wesentlichen Unterschied zur künstlichen Insemination darstellt. Die Befruchtung oder Fertilisation erfolgt durch das Zusammenführen mit den Samenzellen in besonderen Kulturmedien. Haben sich der weibliche mit dem männlichen Vorkern und damit die genetischen Informationen vereinigt, spricht man von einem Embryo mit eigener genetischer Information15, der sodann auf den Körper der Frau trans-

10  Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, A IV Rn. 176; Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (731). 11  Staudinger2011/Rauscher, § 1591 BGB Rn. 2; Popovici/Würfel, Assistierte Reproduktion (2007), R 92. 12  Popovici/Würfel, Assistierte Reproduktion (2007), R 99. 13  Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion, DÄBl 2018, A 1 (A 7). 14  Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (731). 15  Lange, in: Günther/Keller (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin (1991), 3 (4 f.).



B. Techniken künstlicher Befruchtung 31

feriert werden kann16. Die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) gilt als besonderes Verfahren der in-vitro-Fertilisation17. Im Rahmen dieser Technik wird mit Hilfe einer besonders feinen Nadel eine Spermienzelle direkt in das Zytoplasma der Eizelle injiziert18.

III. Kryokonservierung Das Verfahren der Kryokonservierung beschreibt die Gefrierkonservierung von Eizellen, Samenzellen, imprägnierten19 Eizellen im Vorkernstadium und befruchteten Eizellen nach IVF- oder ICSI-Behandlungen bei –196°C in Flüssigstickstoff; durch sie wird eine weitere Zellteilung gestoppt20. Die Gründe für den Rekurs auf die Kryokonservierung sind vielfältig: Zum einen ergibt sich dadurch die Möglichkeit, die durch eine einzelne Hormonbehandlung gewonnenen Eizellen aufzubewahren, um sie der Frau in mehreren, verschiedenen Zyklen zuzuführen, wodurch sich die Chance für eine Schwangerschaft erhöht21. Außerdem ist eine Kryokonservierung auch in den Fällen sinnvoll, in welchen Eingriffe oder Behandlungen, beispielsweise eine Strahlen- bzw. Chemotherapie, bevorstehen, die die künftige Fertilität sicher ausschließen oder zumindest gefährden22. Zu dieser Gruppe von Motiven dürfte auch die Kryokonservierung aufgrund eines Berufes mit einem hohen Risiko zu verunfallen oder seine Fertilität (auch langfristig) zu gefährden, zählen. Schließlich empfiehlt sich die Kryokonservierung insbesondere bei heterologer künstlicher Befruchtung, um das Sperma eingehend auf Krankheiten, die auf die Frau übertragen werden könnten, zu untersuchen23.

16  Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 9; Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (731). 17  (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion, DÄBl 2006, A 1393 (A 1394); auch Neidert, MedR 1998, 347 (350). 18  Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 224; Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (731). 19  Imprägnierte Eizellen sind solche, bei welchen das Spermium bereits in die Eizelle eingedrungen ist, jedoch noch keine Verschmelzung der Zellkerne stattgefunden hat. 20  May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin (2003), S. 23. 21  May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin (2003), S. 23: „Embryonenreserve“; ähnlich Lange, in: Günther/Keller (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin (1991), 3 (7). 22  May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin (2003), S. 23. 23  Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, A IV Rn. 179; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 221.

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Kap. 1: Grundlagen

IV. Eizellspende und Embryotransfer Ebenso wie für den Rückgriff auf Drittsperma kann aus medizinischen Gründen gleichzeitig die Verwendung der Eizelle einer Spenderin, d. h. einer außerhalb der Paarbeziehung stehenden Frau, indiziert sein. Sie kommt in Betracht, wenn die Wunschmutter an Erbkrankheiten leidet oder keine befruchtungsfähigen Eizellen entwickeln kann24. Darüber hinaus ist schon heute möglich, bei der Eizellspende noch genauer nach einzelnen Zellbestandteilen zu differenzieren, sodass z. B. der Eizellkern von einer anderen Frau stammen kann als das Eizellplasma25.

V. Embryonenspende Wird auf die Frau ein Embryo übertragen, der aus einer Befruchtung der Eizelle einer Spenderin mit der Samenzelle eines Spenders stammt, handelt es sich um eine sog. Embryonenspende26. Zwar trägt die Wunschmutter das Kind aus, jedoch sind allein die beiden Spendepersonen genetisch auch mit ihm verwandt.

VI. Leihmutter- bzw. Ersatzmutterschaft Im Falle der sog. Leih- oder auch Ersatzmutterschaft stellt eine Frau den intendierten Eltern lediglich ihre körperliche Fähigkeit zur Entwicklung und Austragung eines Kindes zur Verfügung, ohne dabei selbst die Elternrolle einnehmen zu wollen. In der Regel verpflichtet sie sich dazu, das Kind auszutragen und nach der Geburt den intendierten Eltern zu überlassen. Mit Blick auf die genetische Verbindung zum Kind lassen sich im Wesentlichen folgende Konstellationen unterscheiden: Zum einen ist denkbar, dass die Leihmutter gleichzeitig auch die genetische Mutter des Kindes ist, und zwar dann, wenn eine Befruchtung ihrer eigenen Eizelle mit dem Samen des intendierten Vaters oder eines Spenders erfolgt27. In dieser Konstellation spricht man von Leihmutterschaft im engeren Sinn28. Wird der austragenden Frau hingegen ein Embryo übertragen, der aus einer fremden Eizelle entstanden ist, so wird sie nicht zugleich zur genetischen Mutter; dies beschreibt die Artifizielle Reproduktion (2009), S. 224 f. notar 2018, 163 (164). 26  Voigt, Abstammungsrecht 2.0 (2015), S. 16. 27  Diedrich/Ludwig/Griesinger/Depenbusch/Schulte-Mosgau, Reproduktionsmedizin, S. 298. 28  BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1592 BGB Rn. 161. 24  Müller-Götzmann, 25  Grziwotz,



C. Rechtliche Rahmengebung 33

Leihmutterschaft im weiteren Sinne29. Sie liegt vor, wenn der Leihmutter entweder die mit dem Samen des Partners oder eines Dritten befruchtete Eizelle der intendierten Mutter eingesetzt wird oder im Falle der Einsetzung der befruchteten Eizelle einer Spenderin (zusätzliche Eizellspende)30.

VII. Zwischenergebnis Die Methoden der modernen Fortpflanzungsmedizin beschränken sich schon heute nicht mehr allein auf Behandlungen, die lediglich die Verwendung von Spendersamen zum Gegenstand haben. In Abhängigkeit von der Herkunft der Gameten und ihrer Bestandteile, von der Person der austragenden Frau sowie rechtlichen und sozialen Eltern kann ein Kind aufgrund moderner reproduktionsmedizinischer Verfahren schon heute bis zu sechs verschiedene Elternteile haben. Hierzu zählen die Spenderin des Eizellplasmas, die Spenderin des Eizellkerns, der Spender der Samenzelle, die gebärende Frau (gleichzeitig rechtliche Mutter, § 1591 BGB), die soziale Mutter sowie der rechtliche (intendierte) Vater. Dies zieht im Tatsächlichen eine sog. dissoziierte bzw. fragmentierte Elternschaft31 nach sich, die nicht zuletzt das Abstammungsrecht vor große Herausforderungen stellt.

C. Rechtliche Rahmengebung In Deutschland existiert derzeit kein Gesetz, das die künstliche heterologe Befruchtung zentral und umfassend regelt, vielmehr sind die bestehenden Vorgaben auf verschiedene Rechtsgebiete und dort auf verschiedene Rechtsquellen verteilt.

I. Gesetzgebungszuständigkeit Die „medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens“ unterliegt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 26  GG32 der konkurrierenden Gesetzgebungskom29  Bzw. Ammenmutterschaft, Ersatzmutterschaft im weiteren Sinn oder auch Mietmutterschaft, vgl. BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1592 BGB Rn. 160; Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 8 f. 30  Diedrich/Ludwig/Griesinger/Depenbusch/Schulte-Mosgau, Reproduktionsmedizin, S. 298. 31  Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 13 f.; Grziwotz, notar 2018, 163 (164); vgl. auch Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (140). 32  Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG: „die medizinisch unterstützte Erzeugung mensch­ lichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen“.

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Kap. 1: Grundlagen

petenz des Bundes. Unter dem Subsidiaritätsvorbehalt von Art. 72 Abs. 2 GG darf der Bundesgesetzgeber von ihr Gebrauch machen, um den stetig wachsenden Möglichkeiten der Medizin auf diesem Gebiet hinreichend Rechnung tragen zu können. Auf Vorschlag der Verfassungskommission wurde der Kompetenztitel 1994 aufgenommen, damals noch mit der Ermächtigung zur Regelung der „medizinisch-technische[n] Behandlung ungewollter Kinder­ losigkeit“33. Mit der zum 01.09.2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform wurde die Formulierung geändert34 mit dem Ziel der Klarstellung, dass, wie ursprünglich beabsichtigt, sämtliche Bereiche der Fortpflanzungsmedizin durch den Bundesgesetzgeber einer Regelung unterstellt werden können35. Seither sind alle Formen der künstlichen Befruchtung beim Menschen erfasst, d. h. sowohl homologe und heterologe Konstellationen als auch intrakorporale und extrakorporale Befruchtungen einschließlich der in-vitro-Fertilisation (IVF), außerdem die medizinisch unterstützte natürliche Befruchtung (Hormonbehandlung), der Embryonentransfer (auch nach natürlicher Befruchtung) und mit ihm die Leihmutterschaft36. Da der Gesetzgeber auf Grundlage des Kompetenztitels aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG nicht nur die Zulässigkeit bestimmter Methoden, sondern auch deren Verbot regeln kann, lässt sich aus der Einführung der Vorschrift der Schluss ziehen, die Fortpflanzungsmedizin stehe der Menschenwürde aus Art. 1 GG nicht grundsätzlich entgegen; eine Verfassungsentscheidung für die Anwendung fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen lässt sich ihr jedoch gleichzeitig nicht zwingend entnehmen37.

II. §§ 1600 Abs. 4, 1600d Abs. 4  BGB Die künstliche Befruchtung mittels Samenspende ist im Bürgerlichen Gesetzbuch mit zwei Vorschriften im Recht der Abstammung, namentlich in § 1600 Abs. 4 BGB und § 1600d Abs. 4 BGB, berücksichtigt. § 1600 Abs. 4 BGB wurde im Rahmen des Kinderrechteverbesserungsgesetzes im Jah­ re 33  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994, BGBl 1994 I S. 3146; vgl. auch Unterrichtung durch die Bundesregierung, Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen, BT-Drs. 11/1856, 2. 34  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 28.8.2006, BGBl 2006 I S. 2034. 35  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drs. 16/813, 14; Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, Art.  74 GG Rn.  16; Dreier/Wittreck, GG, Art. 74 GG Rn. 126. 36  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drs. 16/813, 14; Sachs-GG/Degenhart, Art. 74 GG Rn. 109; Dreier/Wittreck, GG, Art. 74 GG Rn. 26; a. A. Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, Art. 74 GG Rn. 17. 37  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, Art.  74 GG Rn. 15, Dreier/Wittreck, GG, Art. 74 GG Rn. 126; ähnlich Sachs-GG/Degenhart, Art. 74 GG Rn. 111.



C. Rechtliche Rahmengebung 35

2004 (damals noch als Absatz 2) in das BGB eingefügt38 und legt seitdem fest, dass die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den nicht-genetischen, sozialen Vater und die biologische Kindesmutter ausgeschlossen ist, sofern das Kind mit der Einwilligung beider durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden ist. Hintergrund war die beabsichtigte materiell-rechtliche Gleichstellung von ehelichen mit nichtehelichen Kindern u. a. dadurch, dass letzteren im Falle einer künstlichen heterologen Befruchtung durch Gesetz zu einer nicht entziehbaren Rechtsposition verholfen werden sollte. Mit Wirkung zum 01.07.2018 ist außerdem das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen39 in Kraft getreten40. Es sieht im Rahmen von § 1600d BGB die Einfügung eines vierten Absatzes vor, kraft dessen der Samenspender nicht als rechtlicher Vater eines Kindes festgestellt werden können soll, wenn er seine Keimzellen in einer Spendeeinrichtung zur Verfügung gestellt hat und das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung i. S. d. TPG41 gezeugt wurde. Ausweislich der Begründung zielt das Gesetz darauf ab, aus Gründen des Kindeswohls die rechtliche Elternschaft dort anzusiedeln, wo die Bereitschaft zur tatsächlichen Übernahme von Verantwortung am ehesten vorzufinden ist, konkret bei dem intendierten Vater42. Dem Wortlaut der Vorschrift ist ferner keine Beschränkung dahingehend zu entnehmen, dass der Ausschluss nicht greifen soll, wenn die Befruchtung an einer alleinstehenden Frau durchgeführt wird; aus der Entwurfsbegründung geht dies ebenfalls nicht hervor, auch wenn dort in erster Linie auf ungewollt kinderlose Paare Bezug genommen wird43. Von dem Ausschluss ausgenommen sind Fälle privat durchgeführter künstlicher heterologer Befruchtungen44.

38  Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) v. 11.4.2002, BGBl 2002 I S. 1239. 39  BGBl 2017 I S. 2513. 40  Dazu sogleich Kap. 1 C. VI., S. 41. 41  Dazu sogleich Kap. 1 C. V., S. 38. 42  Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, BT-Drs. 18/11291, 35. Mit Bedenken im Falle einer Anwendung bei alleinstehenden Frauen Helms, FamRZ 2017, 1537 (1541 f.); dazu auch Löhnig/Runge-Rannow, FamRZ 2018, 10 (11); Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin (2019), S. 62 f. 43  Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, BT-Drs. 18/11291, 35. 44  Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, BT-Drs. 18/11291, 35.

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Kap. 1: Grundlagen

III. ESchG, AdVermG Das Gesetz zum Schutz von Embryonen (ESchG)45, welches am 01.01.1991 in Kraft getreten ist, soll die Würde und das Lebensrecht gezeugter Embryonen sowie eine angemessene Entwicklungsgrundlage sichern46. Zu diesem Zweck sieht § 1 ESchG, die zentrale Vorschrift des Gesetzes, eine Reihe von Verboten vor, die eine gespaltene Mutterschaft zu verhindern suchen47 und deshalb einzelne Verfahren der assistierten Reproduktionsmedizin unter Strafe stellen. Bestraft wird beispielsweise, wer auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) oder wer es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG). Hintergrund der Verhinderung gespaltener Mutterschaft ist die Annahme, dass das Kindeswohl durch seelische Konflikte und Identitätsprobleme gefährdet würde, wenn das Kind mehr als zwei Elternteile hätte48. Das ESchG wird flankiert durch die Vorschriften der §§ 13a–d des Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermG), welche die Ersatzmuttervermittlung verbieten. Daraus ergibt sich, dass ein Verbot von Spendersamenbehandlungen nur dann besteht, wenn gleichzeitig ein relevanter Tatbestand des ESchG verwirklicht wird.

IV. § 27a SGB V Durch das sog. KOV-Anpassungsgesetz aus dem Jahre 199049 wurde das Sozialgesetzbuch V zum 01.01.1989 rückwirkend um § 27a ergänzt. Diese Vorschrift dehnt den Leistungsanspruch Versicherter über die in § 27 Abs. 1 S. 2 SGB V genannten Fälle auf medizinische Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus. Sie begründet einen eigenen Versicherungsfall, der nicht von einem regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des betreffenden Versicherten abhängt, sondern bei ungewollter Kinderlosigkeit bzw. Unfruchtbarkeit eines ansonsten gesunden Ehepaares greift50.

45  BGBl 1990 I S. 2746. Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Justiz lag bereits Anfang 1986 vor, siehe Deutsch, ZRP 1986, 243. 46  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, § 1 ESchG Rn. 1. 47  Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (ESchG), BT-Drs. 11/5460, 6. 48  Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, C II § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 5 f. 49  Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz – KOVAnpG) v. 26.6.1990, BGBl 1990 I S. 1211. 50  Becker/Kingreen/Lang, SGB V, § 27a SGB V Rn. 3.



C. Rechtliche Rahmengebung 37

§ 27a SGB V klärt die Frage der Kostenerstattung im Zusammenhang mit Maßnahmen der künstlichen Befruchtung und bezieht sich dabei seinem expliziten Wortlaut nach nur auf miteinander verheiratete (verschiedengeschlechtliche) Ehepaare (§ 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V) und nur auf Befruchtungen im homologen System (§ 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V)51. Über die künstliche heterologe Befruchtung trifft die Vorschrift dagegen keine Aussagen. Ausweislich des BVerfG und des BSG besteht der Regelungszweck sogar vorrangig darin, die künstliche heterologe Befruchtung von der Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen auszuschließen52. Das BSG begründet seine Auffassung zum einen damit, dass eine reproduktionsmedizinische Maßnahme darauf abzielen müsse, die Unfruchtbarkeit zu beheben, und zwar durch eine Behandlung, welche die Zeugung eigener Nachkommen ermögliche53. In einer anderen Entscheidung, der jedoch die Verwendung einer fremden Eizelle zugrunde lag, heißt es, der Ausschluss der heterologen Befruchtung aus dem Leistungskatalog rechtfertige sich verfassungsrechtlich vor dem Hintergrund der Argumente, die bereits zum Verbot der Eizellspende im ESchG geführt haben54. Weil ein entsprechendes Verbot für die künstliche Befruchtung mittels Spendersamen nicht existiert, der Gesetzgeber beispielsweise durch § 1600 Abs. 4 BGB oder kürzlich durch das SaRegG fortlaufend weitere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und dadurch seine Billigung zum Ausdruck gebracht hat, mag die Einschränkung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V durchaus kritisch gesehen werden. Auf dieser Linie liegt es, dass schon 2014 ein Gesetzesentwurf vorgelegt wurde, der auf eine Erfassung auch nichtverheirateter Paare und gleichgeschlechtlicher, verpartnerter Paare unter der gleichzeitig notwendigen Erfassung der Keimzellspende hinwirkte55. Etwa vier Jahre später wurde ein entsprechender Entwurf noch

51  Begrenzung auf Ehepaare verfassungskonform, vgl. BVerfGE 117, 316, ebenso Begrenzung auf homologe Verfahren, vgl. BSG NJW 2002, 1517 und NJW 1990, 2959. Siehe auch erfolglose Initiativen BT-Drs. 18/3279 und BT-Drs. 19/1832. 52  BVerfGE 117, 316 (325); BSG NJW 2002, 1517; BSG NJW 1990, 2959. In der Entwurfsbegründung fehlt eine nähere Begründung, BT-Drs. 11/6760, 15. Zur Kostenfrage für die Verwirklichung des Kinderwunsches siehe Teller, DStR 2018, 2318 unter Skizzierung der Entwicklung der Rechtsprechung. 53  BSG NJW 1990, 2959. 54  BSG NJW 2002, 1517 (1518). Bis heute wird eine Debatte darüber geführt, ob es nicht einen Gleichlauf in der Regelung von Samenspenden und Eizellspenden geben sollte, vgl. Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S. 19. 55  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Gleichstellung verheirateter, verpartnerter und auf Dauer in einer Lebensgemeinschaft lebender Paare bei der Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenversicherung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, BT-Drs. 18/3279.

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Kap. 1: Grundlagen

einmal vorgelegt56. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber auf das Anliegen reagiert. Mit der aktuellen Regelung bewegt er sich jedenfalls wohl noch in dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum57. Der behandelnde Reproduktionsmediziner schuldet den Hinweis darauf, dass nach aktueller Rechtslage nicht mit einer Erstattung der Behandlungskosten für eine heterologe Befruchtung durch die gesetzliche Krankenversicherung gerechnet werden darf. Ausnahmen gelten aufgrund landesrechtlicher Richtlinien derzeit lediglich in Rheinland-Pfalz und in Berlin58. Im Rahmen der privaten Krankenversicherung (PKV) kommt eine Kostenübernahme nur in Betracht, wenn die Unfruchtbarkeit eines Paares medizinisch festgestellt wird und es einer entsprechenden medizinisch notwendigen Heilbehandlung bedarf (§ 1 Abs. 2 MB/KK59). Im Übrigen wird die Frage der Kostenübernahme sehr unterschiedlich behandelt; die Rechtsprechung hat zum Teil die heterologe Befruchtung als vom Leistungsumfang der PKV umfasst angesehen60. Da sich der Versicherte einfacher Kenntnis über seine Vereinbarung mit der Krankenversicherung verschaffen kann, ist vom Arzt im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärung nach § 630c Abs. 3 BGB wohl lediglich ein Hinweis bezüglich der Unsicherheit der Übernahme durch die PKV bzw. ein Hinweis auf die Möglichkeit der direkten Nachfrage bei der Versicherung durch den Versicherten zu erwarten61.

V. TPG, AMG Weil im Rahmen einer heterologen künstlichen Befruchtung (im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB) mindestens die männliche Samenzelle durch einen Dritten gespendet und auf den Körper der Frau übertragen wird, betrifft dieser Bereich auch das Transplantationsrecht. Das Gesetz über die Spende, Ent56  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und lesbischer Paare bei der Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, BT-Drs. 19/1832. 57  Becker/Kingreen/Lang, SGB V, § 27a SGB V Rn. 13. 58  Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion durch das Land Rheinland-Pfalz (Förderrichtlinie Assistierte Reproduktion) vom 25.01.2021, in Kraft seit 01.03.2021; Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion vom 31.05.2021, in Kraft seit 01.07.2021. 59  Musterbedingungen der Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung. 60  LG Dortmund NJW-RR 2008, 1414; LG Berlin r+s 2004, 203. 61  Für einen Überblick, unter welchen Voraussetzungen in der privaten Krankenversicherung mit einer Kostenerstattung gerechnet werden darf, vgl. Waldkirch, VersR 2020, 321 ff.



C. Rechtliche Rahmengebung 39

nahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz – TPG)62 vom 05.11.1997 ist am 01.12.1997 in Kraft getreten. Es regelt sowohl Spenden und Entnahmen menschlicher Organe und Gewebe, die in der Absicht einer Übertragung zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgen, als auch sämtliche andere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Übertragung von Organen und Geweben, beispielsweise die Vorbereitung und Vermittlung (§ 1 Abs. 2 S. 1 TPG)63. Das TPG hat aufgrund des Inkrafttretens des sog. Gewebegesetzes64 vom 01.08.2007 eine umfangreiche Neufassung65 erfahren und wurde so an die europarechtlichen Maßgaben angepasst66. Das Gewebegesetz ist Ergebnis der Umsetzung der am 31.03.2004 vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union erlassenen sog. Geweberichtlinie67. Diese legte zur Sicherung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit bestimmte Qualitäts- und Sicherheitsstandards fest, die für den Umgang mit menschlichen Geweben und Zellen gelten sollen68. Das Kernanliegen der Novellen bestand insbesondere in der Verhinderung der Übertragung von Krankheiten. Durch das Gewebegesetz wurde der Anwendungsbereich des TPG auf Knochenmark, embryonale und fötale Organe und Gewebe und menschliche Zellen ausgeweitet69. Während die alte Fassung des TPG Gewebe als Organe behandelte, machte die Umsetzung der Geweberichtlinie eine Unterscheidung von Organen und Geweben erforderlich, in deren Zuge durch die neu eingefügte Vorschrift des § 1a Nr. 4 TPG auch aus Zellen bestehende Bestandteile des menschlichen Körpers und einzelne Zellen als Gewebe gelten. Als solche unterfallen damit auch Keimzellen nunmehr dem Anwendungsbereich des 62  BGBl

1997 I S. 2631. eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz – TPG), BT-Drs. 13/4355, 16. 64  Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen v. 20.7.2007, BGBl 2007 I S. 1574; Entwurfsbegründung, BT-Drs. 16/3146, 21. 65  Bekanntmachung der Neufassung eines Transplantationsgesetzes v. 4.9.2007, BGBl 2007 I S. 2206. 66  Höfling-TPG/Roth, Einführung Rn. 2. 67  Richtline 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. EU Nr. L 102 S. 48; Kritik an der Umsetzung u. a. bei Tyczynski, Verfügungsbefugnisse an Körpergeweben (2016), S. 172 ff.; Hübner/Pühler, MedR 2017, 929 (930); Pühler/Hübner/Middel, MedR 2007, 16 (18, 20 f.). 68  ABl EU L 102, S. 51: Artikel 1. 69  Vgl. noch Ausnahme von Knochenmark und embryonale und fetale Organe und Gewebe in § 1 Abs. 2 TPG i. d. F. vom 5.11.1997. 63  Entwurf

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Kap. 1: Grundlagen

TPG70. Die geltenden Bestimmungen für eine Spende oder Entnahme und eine Übertragung gelten fortan somit auch für Keimzellen71. Um das Verbot der Eizellspende aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG nicht zu konterkarieren, bleibt der Anwendungsbereich jedoch ausdrücklich nur auf männliche Samenzellen beschränkt, § 8b Abs. 2 TPG72. Die Vorschrift des § 8b Abs. 2 TPG erklärt die Voraussetzungen, nach welchen gemäß § 8b Abs. 1 TPG die Übertragung von Organen oder Geweben, die einer lebenden Person im Rahmen ihrer eigenen medizinischen Behandlung – also beispielsweise als Operationsreste73 – entnommen wurden, für entsprechend anwendbar auf die Gewinnung menschlicher Samenzellen, die für eine medizinisch unterstützte Befruchtung bestimmt sind. Erforderlich sind daher vorhandene Einwilligungsfähigkeit des Materialgebers (§ 8b Abs. 1 S. 1 TPG), eine vorausgegangene Aufklärung nach den Modalitäten von § 8 Abs. 2 S. 1 und 2 TPG, die wirksame Einwilligung des Spenders (§ 8b Abs. 1 S. 1 TPG) und eine Niederschrift über den Inhalt der Aufklärung und über die Einwilligung, welche vom aufklärenden Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist (§ 8 Abs. 2 S. 4 TPG). Letzteres bedeutet den einfachgesetzlichen Ausschluss einer anonymen Samenspende74. Dem entspricht, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gemäß § 14 Abs. 3 TPG entgegen dem grundsätzlichen Verbot der Offenlegung der Spenderidentität, wie es im TPG angelegt ist, unberührt bleibt75. Die Spenderdaten sind zu dokumentieren und mindestens 30 Jahre aufzubewahren, vgl. §§ 15 Abs. 2, 8 Abs. 2 TPG. Nach § 8d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TPG ist die Gewebeeinrichtung außerdem verpflichtet zu gewährleisten, dass nur Gewebe von Spendern entnommen werden, bei denen eine ärztliche Beurteilung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik ergeben hat, dass der Spender medizinisch geeignet ist. Dies ist aufgrund körperlicher Untersuchungen und der Überprüfung auf Infektionsparameter festzustellen. Außerdem muss die Gewebeeinrichtung gewährleisten, dass die für Gewebespender nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik erforderlichen Laboruntersuchun70  Entwurf eines Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz), BT-Drs. 16/3146 21, 23. 71  Die Vorschriften des ESchG werden dabei nicht berührt, die Gewinnung bzw. Verwendung zur Übertragung von Keimzellen muss sich vielmehr innerhalb der Grenzen des ESchG bewegen, vgl. BT-Drs. 16/3146, 23. 72  Höfling-TPG/Schmidt-Recla, § 8b TPG Rn. 9. 73  Höfling-TPG/Schmidt-Recla, §  8b TPG Rn. 1; MünchKommStGB/Tag, § 8b TPG Rn. 1. 74  Höfling-TPG/Schmidt-Recla, § 8b TPG Rn. 14. 75  Höfling-TPG/Schmidt-Recla, § 14 TPG Rn. 148.



C. Rechtliche Rahmengebung 41

gen in einem Untersuchungslabor, das bestimmten Anforderungen genügt, durchgeführt werden, vgl. § 8d Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TPG. Bei der Untersuchung des Ejakulats müssen die gültigen WHO-Richtlinien beachtet werden76. Ergänzt werden die genannten Regelungen durch die sog. TPG-Gewebeverordnung77, die ebenfalls der Umsetzung von EU-Richtlinien dient78. Sie ist auf Grundlage der Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit gemäß § 16a TPG erlassen worden und enthält im Verhältnis zum TPG vor allem verfahrensrechtliche Detailregelungen. Neben den Vorgaben aus dem TPG und der dazugehörigen Rechtsver­ ordnung sind auch die für den Bereich der Reproduktionsmedizin relevanten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu beachten. Diese unterstellen Einrichtungen, die entweder Gewebe gewinnen und Laboruntersuchungen durchführen wollen, oder Gewebe oder Gewebezubereitungen be- oder verarbeiten, konservieren, prüfen, lagern oder in Verkehr bringen wollen, einer Erlaubnispflicht und regeln zugleich die Voraussetzungen für deren Erteilung bzw. von ihrer Befreiung (§§ 20b bis 20d AMG)79. Die Arzneimittelund Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) enthält wieder ergänzende (Son­ der-)Vorschriften für Entnahme- und Gewebeeinrichtungen bzw. die entsprechenden Labore sowie detaillierte Vorgaben für die Dokumentation (siehe §§  32 ff. AMWHV).

VI. SaRegG Mit Wirkung zum 01.07.2018 ist mit dem Samenspenderregistergesetz (SaRegG) eine weitere im Rahmen der Samenspende zu berücksichtigende 76  Aktuell: WHO Laborhandbuch zur Untersuchung und Aufarbeitung des menschlichen Ejakulates (2010). 77  Verordnung über die Anforderungen an Qualität und Sicherheit der Entnahme von Geweben und deren Übertragung nach dem Transplantationsgesetz (TPG-Gewebeverordnung – TPG-GewV) v. 26.3.2008, BGBl 2008 I S. 512. 78  Konkret in Umsetzung der sog. Geweberichtlinie 2004/23/EG vom 31.3.2004, der Richtlinie 2006/17/EG vom 8.2.2006 zur Durchführung der Geweberichtlinie hinsichtlich technischer Vorschriften für die Spende, Beschaffung und Testung von menschlichen Geweben und Zellen (Abl. EU Nr. L 38, S. 40) [dazu mittlerweile Änderungsrichtlinie 2012/39/EG] und außerdem der Richtlinie 2006/86/EG vom ­ 24.10.2006 zur Durchführung der Geweberichtlinie hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (Abl. EU Nr. L 294, S. 32). 79  Ausweislich § 13 Abs. 1 und 1a Nr. 1 AMG bedarf es für Samenzellen als Gewebe i. S. d. § 1a Nr. 4 TPG einer Erlaubnis nach § 20b oder § 20c AMG und nicht nach § 13 Abs. 1 AMG (Herstellungserlaubnis).

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Kap. 1: Grundlagen

Rechtsquelle hinzugetreten80. Ausweislich § 1 Abs. 2 S. 1 SaRegG soll durch die Schaffung eines zentralen Samenspenderregisters denjenigen Personen, die durch heterologe Verwendung von Samen bei einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung gezeugt worden sind, die Verwirklichung ihres Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung ermöglicht werden. Zu diesem Zweck schafft das Gesetz organisatorische und verfahrensrechtliche Voraussetzungen, die die faktische Durchsetzung des Rechts ermöglichen sollen (§ 1 Abs. 2 S. 2 SaRegG). Zu beachten ist indes, dass die Vorschriften des SaRegG keine Anwendung finden, wenn eine heterologe künstliche Befruchtung ohne ärztliche Assistenz durchgeführt wird. Damit sind aus dem Anwendungsbereich Fälle von Selbstinsemination, zumeist unter Hinzuziehung eines privaten, durch die intendierten Eltern eigens ausgesuchten Samenspenders aus dem Bekannten- oder Freundeskreis (Becherspenden)81, ausgenommen.

VII. Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung reproduktionsmedizinischer Verfahren hat sich die Ärzteschaft in Form von Richtlinien der Bundesärztekammer außerdem selbst Regeln im Umgang mit der assistierten Reproduktion gegeben. Auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats ist von dem Vorstand der Bundesärztekammer am 06.10.2017 die „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“ beschlossen worden82. Sie wurde im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut aufgestellt. Zusätzlich sah man mit Beschluss vom 20.04.2018 eine Anpassung an das im Juli 2018 in Kraft getretene SaRegG vor. Die Richtlinie befasst sich mit den Voraussetzungen für die Entnahme und Übertragung menschlicher Keimzellen und den Anforderungen an ihre Durchführung sowie an Einrichtungen, die mit menschlichen Keimzellen ar80  Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über den Spender nach heterologer Verwendung von Samen (Samenspenderregistergesetz – SaRegG), eingeführt durch das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017, BGBl 2017 I S. 2513. 81  Wegen § 3 Abs. 1 SaRegG darf explizit nur eine Einrichtung der medizinischen Versorgung nach § 1a Nr. 9 TPG den Samen, welchen eine Entnahmeeinrichtung gewonnen hat, entgegennehmen, nicht aber auch Privatpersonen. Der Begriff der Entnahmeeinrichtung wird im Rahmen dieser Bearbeitung im Verhältnis zum Begriff der Samenbank synonym gebraucht. 82  DÄBl 2018, A 1; Bekanntmachung: DÄBl 2018, A 1096.



C. Rechtliche Rahmengebung 43

beiten. Außerdem enthält die Richtlinie Vorschriften zur Qualitätssicherung, der Meldung von schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen oder schwerwiegenden Zwischenfällen sowie Detailregelungen zur Dokumentation. Die Richtlinie fußt auf § 16b Abs. 1 TPG als Rechtsgrundlage, kraft derer die Bundesärztekammer ermächtigt ist, den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Entnahme von Geweben und deren Übertragung im Einvernehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, festzulegen. Diese Richtlinienkompetenz dient einerseits der Ergänzung der Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit zum Erlass von Verordnungen gemäß § 16a TPG, auf welche bereits die TPG-Gewebeverordnung zurückgeht, andererseits zielt sie auf eine möglichst schnelle Umsetzung neuer medizinischer Erkenntnisse83. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen die Richtlinien geweberechtliche Vorgaben näher konkretisieren84. Der Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft betrifft dabei insbesondere die Anforderungen an die ärztliche Beurteilung der medizinischen Eignung als Spender, die Untersuchung der Spender und die Entnahme, Übertragung und Anwendung von menschlichen Geweben85. Die Regelwerke der Bundesärztekammer, welche in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins i. S. d. § 54 BGB organisiert ist86, entfalten aus sich heraus jedoch grundsätzlich keine rechtliche Verbindlichkeit87. Die (Muster-)Richtlinie aus dem Jahr 2006 bedurfte einer Transformation der Landesärztekammern in autonomes Satzungsrecht, d. h. in die jeweiligen Berufsordnungen der Länder88. In Betracht kam daher die Übernahme des Textes der (Muster-)Richtlinie als Bestandteil der jeweiligen Landesberufsordnung als auch eine (normergänzende) Verweisung der Berufsordnung auf die Richtlinie oder ein eigener Beschluss der Landesärztekammer in Form des Textes der Richtlinie mit entsprechendem selbstständigen Geltungsbefehl89. Das Er83  Spickhoff-Medizinrecht/Scholz/Middel,

§ 16b TPG Rn. 1. eines Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz), BT-Drs. 16/5443, 55. 85  Die neue Richtlinie aus dem Jahr 2017 ließ die „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“, welche am 17.02.2006 vom Vorstand der Bundesärztekammer beschlossen wurde, nunmehr gegenstandslos werden, siehe Bekanntmachung in DÄBl 2018, A 1096. 86  Uhl, Richtlinien der Bundesärztekammer (2008), S. 79 (str.). 87  Höfling-TPG/Augsberg, § 16b TPG Rn. 20; Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 20 mit Fn. 68; Berger, Bundesärztekammer (2004), S. 92. Siehe eingehend noch Kap. 3 D. III. 2. a) bb), S. 127. 88  Begleitartikel zur neuen Richtlinie DÄBl 2018, A 1050; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 292; Hübner/Pühl, MedR 2017, 929 (933). 89  Uhl, Richtlinien der Bundesärztekammer (2008), S. 123 ff.; vgl. auch Berger, Bundesärztekammer (2004), S. 93. 84  Entwurf

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Kap. 1: Grundlagen

fordernis der Rezeption führte dazu, dass eine Umsetzung in den Landesberufsordnungen entweder gar nicht durchgeführt wurde oder jedenfalls unter Änderung der Richtlinieninhalte90. Dadurch sind innerhalb des Bundesgebiets unterschiedliche Regelungen entstanden. Auch aus diesem Grund hat sich die Bundesärztekammer gegen eine Fortführung der (Muster-)Richtlinie und für die Erarbeitung eines neuen Regelwerkes entschieden. Aufgrund der Ermächtigung der Bundesärztekammer zum Erlass von Richtlinien nunmehr auf Grundlage von § 16b Abs. 1 TPG als Bundesrecht soll verhindert werden, dass die assistierte Reproduktion in Abhängigkeit vom jeweiligen Bundesland unterschiedlichen Anforderungen unterliegt. § 16b Abs. 2 TPG beinhaltet eine Regelvermutung, nach welcher die Einhaltung des Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft angenommen wird, wenn die Richtlinie der Bundesärztekammer beachtet worden ist. Insofern kann also von einer rechtlichen Verbindlichkeit gesprochen werden. Trotz dieser widerleglichen Vermutungsregel dürfte gleichzeitig schon die rein faktische Wirkung der Richtlinie uneingeschränkt sein, zumal die Vermutung im Einzelfall wohl nicht entkräftet werden kann91. Die „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“ wurde formell mittlerweile infolge der von der Bundesärztekammer am 14.01.2022 beschlossenen „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen oder Keimzellgewebe im Rahmen der assistierten Reproduktion, umschriebene Fortschreibung 2022“ ersetzt92. Diese gibt nunmehr zusätzlich den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft hinsichtlich der Kryokonservierung von Keimzellen und Keimzellgewebe im Zusammenhang mit fertilitätsgefährdenden Behandlungen wieder, ohne jedoch für den hiesigen Untersuchungsstand unmittelbar inhaltliche Neuerungen herbeizuführen. Die Anforderungen der TPG-GewV und der AMWHV genießen als zwingendes Recht im Verhältnis zu der Richtlinie Vorrang, sofern die Regelungen der Verordnungen von den Vorgaben der Richtlinie abweichen93. Sie müssen ungeachtet der Vorgaben der Richtlinie beachtet werden und unterliegen auch nicht der Vermutungsregel. Richtlinien der Bundesärztekammer gemäß § 16b TPG verdrängen wiederum die Empfehlungen der Fachgesellschaften, die ihrerseits den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wiedergeben.

MedR 2017, 929 (933). § 16b TPG Rn. 20. 92  Siehe DÄBl 2022, A1 ff. und die Bekanntmachung in DÄBl 2022, A 458. 93  Spickhoff-Medizinrecht/Scholz/Middel, § 16b TPG Rn. 1; MünchKommStGB/ Tag, § 16b TPG Rn. 2. 90  Hübner/Pühl,

91  Höfling-TPG/Augsberg,



C. Rechtliche Rahmengebung 45

VIII. Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat sich bis heute trotz zahlreicher Forderungen und punktueller Normierung einer umfassenden Regelung des Bereichs der Fortpflanzungsmedizin einschließlich der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen enthalten. Auch wenn der Rechtsrahmen in den vergangenen Jahren durch das neue Geweberecht, den Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung in § 1600 Abs. 4 BGB und das im Jahr 2018 in Kraft getretene SaRegG immer schärfere Konturen erhalten hat, bleiben vor allem abstammungsrechtliche Fragen nur rudimentär geregelt.

IX. Ursachen für den Flickenteppich an rechtlichen Regelungen Die Schwerfälligkeit des Gesetzgebers lässt sich historisch begründen94. Während die Diskussion um die Zulässigkeit von künstlicher Befruchtung95 beispielsweise in Frankreich schon Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt hat­ te96, rückten die Befruchtungstechnologien in Deutschland trotz einiger Berichte über erfolgreiche Versuche97 und trotz eines ersten geführten Rechtsstreits98 im Jahr 1907 erst später ins öffentliche Bewusstsein. In diese Zeit 94  Lesenswert zur Geschichte der Fortpflanzungsmedizin im Allgemeinen Eberbach, MedR 2020, 167. 95  Künstliche Befruchtung fand offenbar zunächst in der Pflanzen- und Tierzucht Anwendung, vgl. Heiss, Künstliche Insemination (1972), S. 6; Semke, Künstliche Befruchtung in wissenschafts- und sozialgeschichtlicher Sicht (1996), S. 27 f. Zur ersten künstlichen Befruchtung eines Hundes siehe Spallanzani, Versuche über die Erzeugung der Thiere und Pflanzen (1786), S. 248–250. Zur systematischen künst­ lichen Befruchtung in der Pferdezucht Ende des 19. Jahrhunderts vgl. Iwanoff, Die künstliche Befruchtung der Haustiere (1912), S. 21–43, 33, 50–61, 78. Einzelne Berichte von Versuchen am Menschen gab es offenbar seit dem 18. Jahrhundert, vgl. bei Bernard, Kinder machen (2014), S. 172; Guttmacher, in: Guttmacher u. a. (Hrsg.), Diskussionsbeiträge (1960), S. 1; Semke, Künstliche Befruchtung in wissenschaftsund sozialgeschichtlicher Sicht (1996), S. 32. Die heterologe Befruchtung wurde offenbar Ende des 19. Jahrhunderts erstmalig in den USA durchgeführt. Erste Anleitung zur praktischen Organisation bei Seymour/Koerner, JAMA 1936, 1531. Erster Gerichtsprozess in Kanada, siehe Orford vs. Orford, Ontario Law Reports 49 (1921), 15–24 (Frage der Ehelichkeit innerhalb einer Unterhaltsklage). 96  Detaillierte Darstellung der Literatur bei Rohleder, Die Zeugung beim Menschen (1911), S. 224–226; zu Versuchen in Frankreich ausführlich Semke, Künstliche Befruchtung in wissenschafts- und sozialgeschichtlicher Hinsicht (1996), S. 37–43. 97  Siehe Darstellungen bei Bernard, Kinder machen (2014), S. 172; Semke, Künstliche Befruchtung in wissenschafts- und sozialgeschichtlicher Sicht (1996), S. 32. 98  RG Leipzig JW 1908, 485: Zur Frage der Ehelichkeit eines Kindes, das durch das vaginale Einführen einer mit Sperma des Ehemannes versehenen Kerze gezeugt

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Kap. 1: Grundlagen

Anfang des 20. Jahrhunderts fiel gleichzeitig ein Geburtenrückgang, sodass künstliche Befruchtung erstmals als potentielle Therapie gegen Sterilität wahrgenommen wurde. Die Periode des Nationalsozialismus unterdrückte jedoch einen Diskurs. Die Vermutung, dass Anhänger der Ideologie angesichts der eugenischen und rassenhygienischen Strömungen dieser Zeit neue, durch Reproduktionsmedizin eröffnete Möglichkeiten befürworten würden, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen wurde die künstliche Befruchtung mehrheitlich abgelehnt, weil man vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Pflanzen- und Tierzucht das eigene Wissen um die Folgen als unzureichend erachtete und juristische Schwierigkeiten sah99. Die ablehnende Haltung während der Zeit des Nationalsozialismus blieb in Deutschland noch lange über diese Zeit hinaus bestehen100. Dies gilt auch für die künstliche Befruchtung mit Spendersamen. Noch auf dem 62. Deutschen Ärztetag im Jahr 1959 wurde die heterologe Befruchtung für standesunwürdig erklärt101. Anfang der 1960er Jahre sollte sie darüber hinaus strafrechtlich verboten werden102. Da ein solches Verbot zu einer Außenseiterrolle Deutschlands innerhalb der Staatengemeinschaft geführt hätte, trat es nie in Kraft. Stattdessen bedeutete das Abrücken vom Verbot einen Wendepunkt hin zu einer Diskussion mit einer immer weiteren Öffnung gegenüber den Möglich-

worden sein soll. Der vollständige Text ist wiedergegeben bei Wassermann, Archiv für Sexualforschung 1915 (Bd. 1), 353–356 (Fn. 1). In der Vorinstanz war das OLG Köln mit dem Fall befasst, siehe OLG Köln, Das Recht 1907, 1070. Zur Kritik an der Entscheidung des RG Leipzig etwa Rohleder, Die Zeugung beim Menschen (1911), S.  227 f. und Wassermann, Archiv für Sexualforschung 1915 (Bd. 1), 351–355. 99  Bernard, Kinder machen (2014), S. 233; siehe bei Mueller, in: Mackensen (Hrsg.), Bevölkerungslehre (2004), 241 (225, 248, 253, 260 und Anhang S. 1 f.). 100  Die Wissenschaft ließ sich im Tatsächlichen hiervon jedoch nicht bremsen: Im Jahr 1978 wurde in England mit Louise Brown das erste Kind nach einer IVF-Behandlung geboren, vgl. Bernard, Kinder machen (2014), S. 244. In Deutschland wurde das erste Kind nach einem IVF-Verfahren im Jahr 1981 geboren, vgl. Popo­ vici/Würfel, Assistierte Reproduktion (2007), R 99. Seit 1994 wurde außerdem die ICSI-Methode in deutschen Reproduktionskliniken erstmals häufiger durchgeführt als die klassische Methode der Insemination, vgl. Neidert, MedR 1998, 347 (350). 101  Wortbericht des 62. Deutschen Ärztetages, S. 36 ff. 102  Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962, BT-Drs. IV/650, zu den Gründen S. 357. Im Einzelnen lautete § 203 StGB-E (S. 45): (1) Wer eine künstliche Samenübertragung bei einer Frau vornimmt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. (2) Eine Frau, die eine künstliche Samenübertragung bei sich vornimmt oder zuläßt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Strafhaft bestraft. (3) Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn ein Arzt Samen des Ehemannes bei dessen Ehefrau mit Einwilligung beider Ehegatten oder eine Frau bei sich Samen ihres Ehemannes mit dessen Einwilligung überträgt.



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 47

keiten der künstlichen Befruchtung, einschließlich der Insemination mit Spen­dersamen103. Der Entwurf des Strafgesetzes ließ aber erkennen, welche Haltung der deutsche Gesetzgeber eingenommen hatte. Das Absehen vom Verbot musste deshalb im Wesentlichen als Reaktion auf äußere Impulse gedeutet werden mit der Folge, dass ein Umdenken einsetzte, dessen Ergebnis vorgegeben war und das den nötigen Raum und die Zeit für eine eigene Auseinandersetzung mit den Themen der Fortpflanzungsmedizin vor dem Hintergrund eigener rechtlicher und ethischer Prinzipien vermissen ließ. Insbesondere wurde versäumt, einen gesellschaftlichen Grundkonsens unter Einbeziehung der Medien in Form eines Aufklärungs- und Meinungsbildungsprozesses zu bilden104.

D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge I. Terminologie 1. Begriff der Abstammung Die Abstammung in einem naturwissenschaftlich genetisch-biologischen Sinn ist von der Abstammung im Rechtssinne zu unterscheiden. Abstammung im genetisch-biologischen Sinn bildet die Grundlage der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Personen und der Generationenfolge105. An diese „Blutsverwandtschaft“, die auch als Verwandtschaft im engeren Sinne bezeichnet wird, knüpft § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB mit der dort enthaltenen Legaldefinition des rechtlichen Verwandtschaftsbegriffs an106: „Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt.“ Daneben erfasst § 1589 BGB aber auch gesetzlich begründete Verwandtschaftsverhältnisse beispielsweise durch eine Annahme als Kind107. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil verwandtschaftsrechtliche Beziehungen den Anknüp103  Für äußerste Zurückhaltung und in Vorarbeit für das ESchG Benda-Kommission (1985), S. 21 ff.; 56. Deutscher Juristentag 1986: die heterologe Befruchtung verstoße nicht gegen Art. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG, sodass eine Unzulässigkeit bzw. ein Verbot nicht angenommen werden könne, siehe Beschlüsse 56. DJT, NJW 1986, 3069. 104  Giesen, in: FS Hegnauer (1986), 55 (56 f.). 105  MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 14. 106  NK-BGB/Gutzeit, § 1589 BGB Rn. 4; Staudinger2011/Rauscher, § 1589 BGB Rn.  1 f. 107  Staudinger2011/Rauscher, § 1589 BGB Rn. 1.

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Kap. 1: Grundlagen

fungspunkt für eine Vielzahl von Regelungen auf verschiedenen Rechtsgebieten bilden108. Abstammung im Rechtssinne (§§ 1591–1600d BGB) hingegen betrifft nur einen Teilausschnitt der rechtlichen Verwandtschaftsbeziehungen, nämlich das Verhältnis von Eltern und Kindern. Die Tatbestände der abstammungsrechtlichen Vorschriften ziehen die rechtliche Zuordnung des Kindes zu einer Mutter und einem Vater nach sich und begründen den Status des Kindes, von dessen Bestand die Rechtsordnung in verschiedenen Regelungszusammenhängen ausgeht, beispielsweise im Personenstandsrecht (§ 21 PStG109), im Namensrecht (§ 1617 BGB), im Sorge- und Umgangsrecht (§§ 1626, 1674 BGB), im Unterhaltsrecht (§§ 1601, 1589 BGB) oder im Erbrecht (§ 1924 BGB)110. Die bloße genetisch-biologische Abstammung, an welcher die rechtliche Zuordnung zwar maßgeblich ausgerichtet ist, ohne jedoch deckungsgleich mit ihr zu sein, genügt ohne die gleichzeitige Verwirklichung eines abstammungsrechtlichen Tatbestandes nicht zur Begründung einer statusrechtlichen Beziehung zwischen Kind und Elternteil. Neben der genetischbiologischen Verbindung sind für die Entstehung der rechtlichen Beziehung vielmehr weitere Begründungsmerkmale vorgesehen, die im Folgenden noch näher zu erläutern sind. 2. „Genetische“, „biologische“ und „leibliche“ Abstammung Die Begriffe „genetisch“, „biologisch“ und „leiblich“ werden im Kontext des Abstammungsrechts zum Teil synonym gebraucht. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Elternteils, auf den sie sich beziehen, der Keimzellenherkunft und des Vorgangs von Geburt und Zeugung muss allerdings differenziert werden. Genetische Mutter und genetischer Vater sind jeweils die Frau und der Mann, von denen die Ei- bzw. Samenzelle stammt. Als biologische, leibliche oder gebärende Mutter ist die Frau zu bezeichnen, die das Kind ausgetragen hat (Geburtsmutter oder auch gestationale Mutter). Bei natürlicher Zeugung ist sie mit der genetischen Mutter identisch, jedoch kann es durch Eizellspende, Embryospende oder Leihmutterschaft bei medizinisch unterstützter künstlicher Befruchtung zu einem Auseinanderfallen von genetischer und gestationaler Mutterschaft kommen111. Künftig wird angesichts neuer Mög108  Vgl.

Überblick bei MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1589 BGB Rn. 16 ff. v. 8.8.1957, BGBl 2007 I S. 1126. 110  Ernst, NZFam 2018, 443. Das durch Adoption begründete rechtliche ElternKind-Verhältnis zieht die gleichen Rechtwirkungen nach sich wie das abstammungsrechtliche Eltern-Kind-Verhältnis (§ 1754 BGB). 111  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1591 BGB Rn. 2. 109  Personenstandsgesetz



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 49

lichkeiten der Fortpflanzungsmedizin, beispielsweise der Geburt nach Transplantation einer Gebärmutter112, wahrscheinlich Bedarf für eine noch weitergehende Differenzierung bestehen113. Vor diesem Hintergrund erscheint die Bezeichnung der „leiblichen“ bzw. „biologischen“ Mutter schon jetzt als nicht präzise genug, da sie mehrdeutig ist und eine „leibliche“ bzw. „biologische“ Verbindung durch Schwangerschaft und Geburt ebenso vermittelt werden kann wie durch das Heranwachsen des Embryos in einer Gebärmutter, die nicht von der austragenden Frau stammt. Auch für die Vaterstelle ergibt sich bei natürlicher Zeugung eine Übereinstimmung von biologischer bzw. leiblicher mit genetischer Vaterschaft. Für die Abstammung vom Vater können dann alle drei Begriffe bedeutungsgleich verwendet werden (vgl. § 1686a BGB: „leiblicher Vater“). Bei künstlicher Befruchtung mittels Spendersamen entfällt hingegen der natürliche Zeugungsvorgang, sodass mit Blick auf den Spender als Erzeuger nach naturwissenschaftlichen Grundsätzen lediglich noch eine genetische Vaterschaft bleibt. Die Bezeichnungen genetischer, biologischer und leiblicher Vater werden hier synonym gebraucht, da die konkrete Rolle des betreffenden Mannes in aller Regel einer darüber hinausgehenden, noch präziseren Umschreibung bedarf. Für die rechtliche Zuordnung des Kindes zu einem Elternteil ist allein die Verwirklichung der abstammungsrechtlichen Tatbestände maßgeblich; in der Regel folgen diese bestimmten Wahrscheinlichkeitserwägungen und sind damit letztlich doch darauf ausgerichtet, eine Übereinstimmung mit der biologisch-genetischen Abstammung herbeizuführen114. Dies gilt für die Vaterschaft kraft Ehe mit der Mutter und die Vaterschaft kraft Anerkennung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in aller Regel der Ehemann der Mutter auch der biologische Vater des Kindes ist bzw. dass ein Mann, der die Vaterschaft anerkennt und dadurch seinen Willen zur Übernahme der Elternverantwortung ausdrückt, regelmäßig auch der biologische Vater des Kindes ist. Eine konkrete Überprüfung findet in diesen Fällen allerdings nicht statt. Lediglich im Rahmen einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung nach § 1592 Nr. 3 BGB i. V. m. § 1600d BGB darf allein der biologische Vater auf Grundlage von entsprechenden naturwissenschaftlichen Gutachten als rechtlicher Vater festgestellt werden.

112  Meldung

Tagesschau vom 23.5.2019. zu Fallgruppen gespaltener Elternschaft nach künstlicher Befruchtung siehe Schumann, in: Rosenau (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizingesetz (2012), 155 (163 ff.). 114  MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 17 f. 113  Ausführlich

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Kap. 1: Grundlagen

II. Zwecke und Leitprinzipien 1. Statusprinzip Dem deutschen Abstammungsrecht liegt das sog. Statusprinzip zugrunde. Das bedeutet, dass die Rechtswirkungen der Abstammung nicht direkt von einer etwaigen leiblichen Abstammung, sondern von einem bestimmten Status als Personenstand ausgehen; er beschreibt die möglichst frühzeitige, klare, verbindliche, dauerhafte, mit Wirkung für und gegen jedermann ver­ sehene rechtliche Zuordnung des Kindes zu seinen Eltern115. Insofern betrifft der Status einen besonderen Aspekt (rechtliche Elternschaft) eines familienrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen individuellen Personen (rechtliche Eltern-Kind-Beziehung)116. Dabei sind die abstammungsrechtlichen Tatbestände, die für die Stellung der rechtlichen Mutter und des rechtlichen Vaters vorgesehen sind (siehe § 1591 BGB und der Kanon des § 1592 BGB) abschließend117. Der Personenstand wird nach den Vorschriften des PStG in öffentlichen Büchern dokumentiert118. Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können erst dann geltend gemacht werden, wenn diese rechtlich etabliert ist; gleichzeitig müssen sie so lange akzeptiert werden, wie die rechtliche Vaterschaft besteht119. Das Statusprinzip entspricht deutscher Rechtstradition120 und dient im Wesentlichen zur Stabilisierung von Beziehungen zwischen Personen, welche naturgemäß gewissen Unwägbarkeiten unterliegen: „Die Stabilität des Status verstetigt die fließenden Sozialverhältnisse zu Dauerrechtsverhältnissen besonderer Art“121. Auf die Beständigkeit des Personenstands ist die gesamte Rechtsordnung angewiesen, da sie in verschiedenen Zusammenhängen auf familienrechtliche Statusverhältnisse verweist122. Nur unter bestimmten Voraussetzungen, zeitlich befristet und in einem förmlichen Verfahren kann

115  MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 15; Windel, in: Lipp/ Röthel/Windel (Hrsg.), Status und Solidarität (2008), 1 (6 mit 11). 116  Vgl. Windel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Status und Solidarität (2008), 1 (11). 117  Will, FPR 2005, 172 (173). 118  MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 15. 119  Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 2. 120  Frank, in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995), 71 (80). 121  Windel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Status und Solidarität (2008), 1 (11 mit 12). 122  Windel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Status und Solidarität (2008), 1 (13); Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 134 ff.



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 51

eine Abänderung des Personenstands erreicht werden123. Das Statusprinzip trägt deshalb maßgeblich zur Rechtssicherheit bei. Gleichzeitig ist in ihm aber auch ein Widerspruch angelegt: Einerseits akzeptiert das Statusprinzip „unrichtige“, d. h. der leiblichen Abstammung nicht entsprechende rechtliche Zuordnungen, während es andererseits grundsätzlich nach Kongruenz zwischen rechtlicher und leiblicher Abstammung strebt124. Dies macht Einschränkungen des Abstammungsprinzips erforderlich, die sich insbesondere im Recht der Vaterschaftsanfechtung zeigen125. 2. Zwei-Eltern-Prinzip Ausgehend von den historisch gewachsenen naturwissenschaftlichen Grundlagen, nach denen ein Kind von nur einem Elternpaar abstammen kann und auf welchen die Vorstellung des Verfassungsgebers von der Zuweisung des Elternrechts gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG an nur ein Elternpaar beruht126, sieht der Gesetzgeber für die Zuordnung der einfachgesetzlichen rechtlichen Elternschaft jeweils nur eine Frau als rechtliche Mutter und nur einen Mann als rechtlichen Vater vor127. Nach Auffassung des BVerfG beschränkt sich Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG aber nicht auf verschiedengeschlechtliche Eltern, sondern schützt vielmehr auch gleichgeschlechtliche Elternpaare128. Hierin wird deutlich, dass die rechtliche Zuordnung eines Kindes in erster Linie eine rechtliche Konstruktion ist, die auch von sozialen Erwägungen geprägt wird129. Das deutsche Abstammungsrecht ist darum bemüht, tatsächlich auf die Besetzung beider rechtlicher Elternstellen hinzuwirken. Dies äußert sich zum Beispiel an der Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung, die immer dann in Betracht kommt, wenn die rechtliche Vaterschaft nicht kraft Ehe oder Anerkennung begründet wurde. Ob vor dem Hintergrund des Zwei-Eltern-Dogmas die Zuordnung eines Kindes nur zu einer alleinstehenden Frau unter verfassungsrechtlichen Ge123  MünchKommBGB/Wellenhofer, 124  Frank,

(80).

Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 15. in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995), 71

125  Vgl. Frank, in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995), 71 (80). 126  Vgl. BVerfGE 108, 82 (101). 127  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 2: Beibehaltung des Zwei-Eltern-Prinzips. 128  BVerfGE 133, 59 (77) zur Zulässigkeit der Sukzessivadoption durch gleichgeschlechtliche Elternteile. 129  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 29.

52

Kap. 1: Grundlagen

sichtspunkten zulässig ist, nachdem nunmehr der offizielle Samenspender wegen § 1600d Abs. 4 BGB nicht mehr gerichtlich festgestellt werden kann und in solchen Konstellationen eine dritte Person zur Übernahme der recht­ lichen Vaterstellung in der Regel nicht bereit sein wird, ist fraglich130. Pro­ blematisch erscheint außerdem die bereits diskutierte Option der Einführung einer rechtlichen Mehrelternschaft de lege ferenda131. 3. Abstammungsprinzip und Prinzip der Statuswahrheit Ausgehend vom Statusprinzip und dem Grundsatz der Zuordnung des Kindes möglichst zu zwei Personen als rechtlichen Eltern stellt sich sodann die Frage, nach welchen Kriterien das deutsche Abstammungsrecht diese auswählt. In diesem Kontext kommt das Abstammungsprinzip bzw. das Prinzip der Statuswahrheit zum Tragen, welches das Rechtsgebiet maßgeblich prägt132. Das Prinzip der Statuswahrheit verlangt von der Rechtsordnung, die Position der rechtlichen Eltern in erster Linie durch die genetischen bzw. biologischen Eltern zu besetzen, um auf diese Weise eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft herbeizuführen133. Dies folgt aus dem in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verbürgten natürlichen Elternrecht, welches das Recht und gleichzeitig die Pflicht der Eltern enthält, die Pflege und Erziehung ihres Kindes zu übernehmen. Dem Elternrecht liegt die Erwägung zugrunde, dass diejenigen Personen, die einem Kind das Leben schenken, von Natur aus dazu bereit sind für Pflege und Erziehung die Verantwortung zu übernehmen134. Der Grundsatz der Statuswahrheit setzt dabei streng betrachtet die sichere Kenntnis des Umstands der leiblichen Elternschaft voraus, die aber – jedenfalls ohne betreffende naturwissenschaftliche Untersuchungen – nicht zweifelsfrei belegt werden kann. Überhaupt ist erst seit den 1980er Jahren zumindest der Ausschluss von Männern als genetische Väter auf Grundlage von DNA-Untersuchungen möglich. Heute kann die leibliche Abstammung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, jedoch sind die betreffenden Verfahren kostspielig, aufwendig und deshalb nicht im „Massengebrauch“ einsetzbar. Die standardisierte Überprüfung der genetischbiologischen Abstammung – in der Regel wird es um die Vaterschaft gehen – 130  Dazu

noch Kap. 4 B. VI. 4., S. 216 ff. noch Kap. 5 G. IV. 2. c), S. 358. 132  Muscheler, FamR, Rn. 517. 133  BVerfGE 79, 256 (267); BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1592 BGB Rn. 18; NK-BGB/Gutzeit, § 1592 BGB Rn. 3; Staudinger2011/Rauscher, § 1592 BGB Rn. 20; Muscheler, FamR, Rn. 517. 134  BVerfGE 108, 82 (100); BVerfGE 59, 360 (376); BVerfGE 24, 119 (150). 131  Dazu



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 53

ist darüber hinaus verfassungsrechtlich auch nicht erforderlich, da in bestimmten Konstellationen aufgrund tatsächlicher oder sozialer Umstände regelmäßig mit leiblicher Abstammung gerechnet werden kann. Der Gesetz­ geber darf also die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung an Vermutungen dieser Art ausrichten, sofern dies in aller Regel zu einer Übereinstimmung von rechtlicher und leiblicher Abstammung führt135. Dieser Gedanke wird dadurch aufgegriffen, dass die rechtliche Zuordnung an äußerlich leicht erkennbare Merkmale anknüpft, die ihrerseits eine günstige Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer biologisch richtigen Elternschaft nahelegen136. Gleichzeitig weicht der Gesetzgeber durch dieses Vorgehen den Grundsatz der Statuswahrheit auf und schafft Raum für Konstellationen, in denen rechtliche und genetisch-biologische Elternschaft auseinanderfallen können. Für die Stellung der rechtlichen Mutter sieht § 1591 BGB die Geburt als äußerlich leicht erkennbares Begründungsmerkmal der Elternstellung vor. Dabei – und hierin wird die Gefahr des Auseinanderfallens von genetischer, biologischer und rechtlicher Mutterschaft insbesondere bei Fällen der Eizellspende und Leihmutterschaft deutlich – kommt es für die rechtliche Mutterstellung unabhängig von genetischen Beziehungen allein auf den Umstand der Geburt als „Publizitätsakt“ an137. Der Gesetzgeber hat diese Regelung im Zuge des Kindschaftsrechtsreformgesetzes 1998 bewusst vor dem Hintergrund der Entwicklungen der modernen Fortpflanzungsmedizin geschaffen und damit den seit jeher im deutschen Recht verwurzelten Grundsatz „mater semper certa est“ bestätigt138. Ein Recht zur „Korrektur“ der rechtlichen Mutterstellung im Sinne einer Übereinstimmung mit der genetischen Abstammung ist (derzeit) für die rechtliche Mutterschaft nicht vorgesehen. Ein Anfechtungsrecht existiert nicht139. Für die Zuordnung des rechtlichen Vaters sieht der Gesetzgeber in § 1592 BGB ein abgestuftes System gleichwertiger Tatbestände vor, auf welche sich das Prinzip der Statuswahrheit in graduell unterschiedlichem Maße auswirkt140. Rechtlicher Vater eines Kindes ist zunächst der Mann, der im Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1). 135  BVerfGE

108, 82 (100).

136  MünchKommBGB/Wellenhofer, 137  Quantius,

Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 17. FamRZ 1998, 1145 (1150), der das Ergebnis auch als sachgerecht

empfindet. 138  Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG); BT-Drs. 13/4899, 82; Quantius, FamRZ 1998, 1145 (1150). 139  De lege ferenda für eine Möglichkeit, auch bei der rechtlichen Mutterposition eine Übereinstimmung mit der genetischen Mutterschaft herbeizuführen, schon Coester-Waltjen, Jura 1987, 629 (633). 140  BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1592 BGB Rn. 18.

54

Kap. 1: Grundlagen

Der Tatbestand der Vaterschaft kraft Ehe schreibt die sog. pater-est-Regel141 fest, welche aus dem römischen Recht übernommen wurde und eine Vaterschaftsvermutung zu Gunsten des Ehemannes der Mutter enthält142. Die Regel, die mittlerweile traditionell tief im deutschen Recht verwurzelt ist, stellt sich als sehr praktikabel dar, liefert sie doch ein objektiv leicht überprüfbares Kriterium, an welches die Abstammung geknüpft werden kann143. Gleichzeitig bewahrt sie vor dem Hintergrund, dass die rechtliche Zuordnung des Ehemannes in der Regel nur durch ein förmliches Anfechtungsverfahren wieder beseitigt werden kann, den Familienfrieden und dient dem Schutz des Kindesstatus144. Letzteres wird gerade auch dadurch erreicht, dass sie eine rechtliche Zuordnung des Kindes zum frühestmöglichen Zeitpunkt erlaubt, und zwar sehr wahrscheinlich in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Abstammung145. Der Gesetzgeber hat die erhebliche Bedeutung der paterest-Regel in der Begründung zum KindRG nochmals eindringlich betont: Im Sinne der Praktikabilität und der Rechtssicherheit im Statusrecht könnten weder die Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung in jedem Geburtsfall noch die Erwägung, die rechtliche Vaterschaft eines Kindes entsprechend an eine nichteheliche Lebenspartnerschaft der Mutter im Zeitpunkt der Geburt zu knüpfen, zu einer Abschaffung oder auch nur zu einer Modifikation der pater-est-Regel führen146. Dennoch bestehen zwei Einschränkungen: Zum einen wird ein Kind dann noch dem vormaligen Ehemann der Mutter zugeordnet, wenn die Ehe infolge dessen Todes aufgelöst wurde und die Zeugung des Kindes rechnerisch noch während des Bestehens der Ehe erfolgt sein kann (§ 1593 BGB). Zum anderen kann ein Kind trotz Geburt während einer Ehe einem anderen Mann rechtlich zugeordnet werden, wenn dieser während eines laufenden Scheidungsverfahrens mit Zustimmung der Mutter und des Ehemannes die Vaterschaft anerkennt (§ 1599 Abs. 2 BGB). Ist die Mutter des Kindes im Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet, kommt mit ihrer Zustimmung die Anerkennung der Vaterschaft in Betracht (§ 1592 Nr. 2 BGB). Wie die Vaterschaft kraft Ehe wahrt auch dieser Tatbe141  Pater

net.

est, quem nuptiae demonstrant = Vater ist, wen die Verheiratung bezeich-

JR 1999, 356. 13/4899, 52; Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (639); Muscheler/ Beisenherz, JR 1999, 356 (357); Mutschler, FamRZ 1994, 65 f.; Will, FPR 2005, 172 (173). 144  Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (631 mit 639). 145  Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (637  f.); Frank, in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995), 71 (72 f.): mit Einschränkung für Kinder nichtverheirateter Mütter. 146  Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG); BT-Drs. 13/4899, 52. 142  Muscheler/Beisenherz, 143  BT-Drs.



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 55

stand das Prinzip der Statuswahrheit dadurch, dass er auf der Vermutung der biologischen Vaterschaft des anerkennenden Mannes basiert147. Die Vermutung des anerkennenden Mannes als biologischer Vater gilt auch im Fall des sog. scheidungsakzessorischen Statuswechsels gemäß § 1599 Abs. 2 BGB, welcher durch die Kindschaftsrechtsreform 1998 Eingang in das BGB gefunden hat und seitdem die Vaterschaft des Ehemannes außer Kraft setzt, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren und ein Dritter binnen eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses die Vaterschaft anerkennt. Hintergrund ist, dass ein Kind, dessen Geburt in die Zeit nach Stellung eines Scheidungsantrages fällt, in den wenigsten Fällen von dem Ehemann abstammen wird. Weder im Fall einer Vaterschaft kraft Ehe noch einer solchen kraft Anerkennung bedarf es aus Sicht des BVerfG aus verfassungsrechtlichen Gründen stets einer Überprüfung der Abstammung, die mit Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden ist, vielmehr ist zum Schutz familiärer Beziehungen (Art. 6 Abs. 1 GG) und der Intimsphäre (Art. 2 Abs. 1 GG) ausreichend, die Abstammung auf Vermutungen aus sozialen Tatbeständen wie der Ehe zu stützen, wenn und weil dies in der Regel die Gewähr für die Kongruenz von rechtlicher und leiblicher Elternschaft bietet148. Kommt weder eine rechtliche Vaterschaft kraft Ehe noch die Vaterschaft durch Anerkennung in Betracht, so kann ein Mann gerichtlich als rechtlicher Vater festgestellt werden (§ 1592 Nr. 3 BGB), falls er tatsächlich biologischer Vater des Kindes ist, was im Verfahren geprüft wird (Untersuchungsgrundsatz, § 26 FamFG). Das Prinzip der Statuswahrheit kommt allein hier in vollem Umfang zum Tragen149. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Zuordnung infolge der gerichtlichen Feststellung im Gegensatz zu den beiden anderen Zuordnungstatbeständen nicht mehr korrigiert werden kann150, weil der Gesetzgeber rechtskräftigen Entscheidungen über die Feststellung einer Übereinstimmung der rechtlichen mit der tatsächlichen Abstammung eine höhere Richtigkeitsgewähr zuschreibt151. Während also die einzelnen Zuordnungstatbestände des § 1592 BGB mit der rechtlichen Vaterschaft die gleiche statusrechtliche Wirkung nach sich ziehen, ergeben sich hinsichtlich ihrer Bestandskraft Unterschiede. Weil die Position des rechtlichen Vaters zu jedem Zeitpunkt nur durch einen Mann besetzt werden soll (§ 1594 ­ 147  MünchKommBGB/Wellenhofer,

§ 1592 BGB Rn. 1. 117, 202 (231) mit Verweis auf BVerfGE 108, 82 (100), wiederum unter Bezugnahme auf BVerfGE 79, 256 (267); MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 21. 149  BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1592 BGB Rn. 18. 150  Mutschler, FamRZ 1994, 65 (67). Ausnahme § 185 FamFG: Wiederaufnahmeverfahren. 151  Mutschler, FamRZ 1994, 65 (67). 148  BVerfGE

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Kap. 1: Grundlagen

Abs. 2 BGB), schließen sich die Tatbestände des § 1592 BGB außerdem gegenseitig aus152. Trotz der erheblichen Bedeutung, welche dem Prinzip der Statuswahrheit mit Blick auf Rechtstradition und Verfassungsrecht zukommt, verdeutlicht der primäre Rückgriff des Gesetzgebers auf Vermutungen sowie die Tatsache, dass die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft im System des § 1592 BGB nur subsidiär Bedeutung erlangt, dass dem deutschen Abstammungsrecht nicht ein Streben nach Statuswahrheit um jeden Preis innewohnt153. Hierzu besteht, wie bereits aufgezeigt, auch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung154. Jedoch führt dies im Einzelfall zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Abstammung, was der Gesetzgeber bewusst in Kauf nimmt. In diesen Fällen kommt es oftmals zur Konkurrenz zwischen rechtlicher und leiblicher Vaterschaft, weshalb das Abstammungsrecht die Möglichkeit der Korrektur durch eine Vaterschaftsanfechtung vorsieht. Die grundsätzliche Relevanz leiblicher Abstammung kann im Ergebnis nicht geleugnet werden, jedoch ist ihr Stellenwert im Verhältnis zu den Prinzipien des Abstammungsrechts nicht fest vorgegeben155. Die Frage nach ihrer Bedeutung wird insbesondere dann vakant, wenn alle Personen, die als rechtliche Eltern in Betracht kommen, einvernehmlich eine andere rechtliche Zuordnung des Kindes wünschen, oder wenn neben den genetischen Eltern weitere Personen die Entstehung des Kindes maßgeblich zu verantworten haben156. 4. Trennung von Primär- und Sekundärzuordnung Dem Prinzip der Statuswahrheit in seiner jetzigen, insbesondere auf der Wahrscheinlichkeit tatsächlicher Abstammung fußenden Form ist das Risiko immanent, dass die Realität im konkreten Einzelfall nicht den Vermutungen des Gesetzgebers entspricht und es so zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft kommt. Deshalb geht das Abstammungsrecht von einer zweistufigen Betrachtung rechtlicher Zuordnung aus, sodass von einer Primär- und einer Sekundärzuordnung in der rechtlichen Elternstellung gesprochen werden kann. Während sich die Ebene der Primärzuordnung darauf bezieht, welche rechtlichen Eltern dem Kind erstmals, d. h. in der Regel mit oder kurz nach der Geburt auf Grundlage der geltenden Vorschrif152  Vgl.

dazu Will, FPR 2005, 172 (173). § 1592 BGB Rn. 20; Mutschler, FamRZ 1994, 65

153  Staudinger2011/Rauscher,

(67).

154  BVerfGE

108, 82 (100); siehe Kap. 1 D. II. 3., S. 52. Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 25. 156  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 25. 155  BMJV,



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 57

ten zugeordnet werden, zielt die Sekundärebene auf eine Korrektur dieser Erstzuordnung ab, in aller Regel durch förmliche Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes bei Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Abstammung157. Die Anfechtungsregeln finden sich in §§ 1600–1600c BGB. Die Anfechtung kann binnen einer Frist von zwei Jahren erfolgen (§ 1600b Abs. 1 S. 1 BGB). Das Anfechtungsrecht der rechtlichen Eltern und des Kindes unterliegt dabei keinerlei Beschränkungen, lediglich das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters ist vom Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater abhängig (§ 1600 Abs. 2, 3 BGB). Gänzlich ausgeschlossen ist das Anfechtungsrecht des Mannes, der in eine heterologe künstliche Befruchtung seiner Partnerin einwilligt (§ 1600 Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber ist dazu gehalten, die Primärzuordnung unter bestmöglicher Beachtung der Prinzipien des Abstammungsrechts derart typisierend auszugestalten, dass eine Korrektur auf Sekundärebene nur ausnahmsweise notwendig wird158. 5. Statusklarheit und Statussicherheit Der Grundsatz der Statuswahrheit wird durch das Prinzip der Statusklarheit flankiert. Dieses sieht vor, dass die rechtliche Zuordnung eines Kindes an offenkundige, leicht feststellbare Kriterien anknüpft; es bedarf mithin eines gewissen Maßes an Publizität159. Als Anknüpfungstatsachen gilt für die Mutterschaft der Geburtsvorgang (§ 1591 BGB), für die Vaterschaft primär die Ehe mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt (§ 1592 Nr. 1 BGB), die durch Urkunden des Standesamts dokumentiert ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PStG) und daher leicht nachvollzogen werden kann, und die Erklärung der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), welche ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Vaterschaft des Anerkennenden nahelegt und darüber hinaus öffentlich zu beurkunden ist (§ 1597 Abs. 1 BGB). Subsidiär ist außerdem die in ein gerichtliches Verfahren eingebettete Feststellung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 3 BGB) offenkundige Anknüpfungstatsache160. Eine besondere Situation ergibt sich im Fall des scheidungsakzessorischen Statuswechsels nach § 1599 Abs. 2 BGB: Dieser kann, weil er die Zuordnung kraft Ehe abbedingt, als Ausnahme vom Prinzip der Statusklarheit verstanden werden. 157  Vgl.

BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 24 f. Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 24. 159  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, §  1591 BGB Rn.  7; MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 17; Coester-Waltjen, Jura 1987, 629 (632 f.). 160  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, §  1591 BGB Rn.  7; MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 18. 158  BMJV,

58

Kap. 1: Grundlagen

Die Konzeption des Abstammungsrechts ist außerdem im Wesentlichen auf Statussicherheit, nicht zuletzt im Sinne des Rechtsverkehrs, ausgerichtet161. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Personenstand Anknüpfungspunkt für eine Vielzahl von Regelungen auf verschiedenen Rechtsgebieten ist. Insbesondere die Anfechtungsregeln dienen der Rechtssicherheit, weil der Status einer Person nicht beliebig, sondern nur bei Auseinanderfallen von tatsächlicher und rechtlicher Elternschaft, nur in einem formalisierten Verfahren und unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen (z. B. der Einhaltung von Fristen) neu festgelegt werden kann162. Das Verstreichenlassen der Anfechtungsfristen mit der Folge, dass die rechtliche Zuordnung von diesem Zeitpunkt an dauerhaft besteht und ggf. nicht der tatsächlichen Abstammung entspricht, dient ebenfalls der Rechtssicherheit163. Der Aspekt der Rechtssicherheit steht in engem Zusammenhang mit dem Statusprinzip, das auf die möglichst frühzeitige rechtliche Zuordnung des Kindes ausgerichtet ist164. Gleichzeitig schränkt die beabsichtigte Beständigkeit des Status das Prinzip der Statuswahrheit ein165. Weiter soll die rechtliche Zuordnung auch insofern verlässlich sein, als zum einen die Beteiligten davon ausgehen können sollen, dass allgemeine Erwartungen wie jene der Vaterschaft des Ehemannes der Mutter durch das Abstammungsrecht korrekt wiedergegeben, zum anderen sichere Bedingungen für die kindliche Entwicklung hergestellt werden166. Der Fall des scheidungsakzessorischen Statuswechsels nach § 1599 Abs. 2 BGB kann dabei ebenfalls als Bestätigung des Prinzips der Statussicherheit verstanden werden, da die Wahrscheinlichkeit der Abstammung von dem anerkennenden Dritten höher ist als jene des Ehemannes. 6. Voluntative Begründungsmerkmale von Elternschaft Unabhängig von der grundlegenden Ausrichtung an der biologisch-genetischen Abstammung eines Kindes enthält das Abstammungsrecht traditionell auch voluntative Elemente, die rechtliche Elternschaft begründen können. In den meisten Fällen stellen sie, wie im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung 161  MünchKommBGB/Wellenhofer, 162  Vgl.

Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 17. Frank, in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995),

71 (74). 163  Frank, in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995), 71 (75): „Das deutsche Recht gehört im internationalen Vergleich zu den Rechtsordnungen, die Statusverhältnissen um den Preis fehlerhafter Zuordnungen relativ hohe Bestandsfähigkeit verleihen.“ 164  Siehe Kap. 1 D. II. 1., S. 50. 165  BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1592 BGB Rn. 19. 166  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 24.



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 59

nach §§ 1594 ff. BGB oder des scheidungsakzessorischen Statuswechsels gemäß § 1599 Abs. 2 BGB, Erklärungen zur Bereitschaft der Verantwortungsübernahme oder Zustimmungen zu derartigen Erklärungen dar. Nichts anderes gilt für die Eingehung einer Ehe gemäß §§ 1303 ff. BGB, da auch sie in aller Regel die Zusage zur Übernahme von Elternverantwortung enthält. Die Erklärungen können auch in expliziter Kenntnis von der fehlenden tatsächlichen Vaterschaft abgegeben werden und bedienen in diesen Konstellationen vom Gesetzgeber vorgesehene Ausnahmen vom Grundsatz der Statuswahrheit. Willigt beispielsweise ein Paar in die heterologe Insemination mittels Spendersamen ein, so steht von Anfang an fest, dass der Mann nicht der biologisch-genetische Vater des zu zeugenden Kindes sein wird. In der Frage nach der Ausübung des Vaterschaftsanfechtungsrechts innerhalb der Frist oder dem Betreiben eines Feststellungsverfahrens befinden sich ebenfalls willentliche Entscheidungen von statusrechtlicher Bedeutung. Außerhalb des Abstammungsrechts wird der Wille zur Übernahme aller Folgen, die mit rechtlicher Elternschaft verbunden sind, und auch die Aufgabe der Elternstellung umfassen (§§ 1746 f. BGB), vor allem im Rahmen des Adoptionsrechts (§ 1752 BGB), relevant. Vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften und der Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin gewinnen voluntative Elemente im Abstammungsrecht immer weiter an Bedeutung167. Dadurch besteht die Gefahr weiterer Divergenzen zwischen dem „Abstammungssystem“ einerseits, das vorrangig auf biologisch-genetischer Abstammung fußt, und dem von Privatautonomie geprägten „Anerkennungssystem“ andererseits, welches den Willen zur Elternschaft in den Vordergrund rückt und nach der Intention des Gesetzgebers nachrangig sein soll168; letzteres zeigt sich an dessen Ablehnung hinsichtlich der Erwägung, auch die recht­ liche Vaterschaft des Ehemannes durch Vaterschaftsanerkennung herbeizuführen169. 7. Soziale Kriterien und Status Das Verhältnis von biologisch-genetischer und sozialer Elternschaft, d. h. solcher, die auf eine rein tatsächliche Verantwortungsübernahme ohne biologisch-genetische Verbindung abstellt, ist im Abstammungsrecht nicht abschließend geregelt.

Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 27. FamRZ 1994, 65 (66). 169  BT-Drs. 13/4899, 52; Mutschler, FamRZ 1994, 65 (66). 167  BMJV,

168  Mutschler,

60

Kap. 1: Grundlagen

Für einen Vorrang der leiblichen Abstammung für die Bestimmung des Status spricht zum einen ihr genealogischer Gehalt, zum anderen ihre Bedeutung für die persönliche Identitätsfindung170. Außerdem besteht heute aufgrund des naturwissenschaftlich sicher zu erbringenden Nachweises leiblicher Abstammung faktisch keine Notwendigkeit (mehr), auf soziale Kriterien zurückzugreifen, um eine statusrechtliche Beziehung zu begründen171. Andererseits hat rein soziale Elternschaft eine zunehmende gesellschaftliche Bedeutung. Seit den 1960er und 1970er Jahren wird immer wieder auf die große Bedeutung sozialer Elternschaft auch für die Kindesentwicklung verwiesen172, was grundsätzlich dafür spricht, diese im Rahmen der Begründung von statusrechtlichen Eltern-Kind-Beziehungen zu berücksichtigen. Das BVerfG geht davon aus, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Pflicht zur Ausgestaltung des Abstammungsrechts entsprechend des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG leibliche Abstammung und sozial-familiäre Kriterien abzuwägen und in Ausgleich zu bringen hat; aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG folgt jedenfalls keine starre Gewichtung, vielmehr kann der Gesetzgeber auch sozialen Tatbeständen Bedeutung zumessen173. Eine Umsetzung dieses Leitgedankens erfolgte dahingehend, dass leibliche Abstammung primär bei der Begründung des Status zum Tragen kommt, während soziale Elternschaft im Wesentlichen auf der Sekundärebene im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung berücksichtigt wird. Dies drückt sich etwa in § 1600 Abs. 2 BGB aus: Hiernach ist dem leiblichen Vater das Einrücken in die rechtliche Elternstellung dann verwehrt, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters zum Kind, also eine tatsächliche Übernahme von Verantwortung, gegeben ist. Die unmittelbare Berücksichtigung rein sozialer Merkmale bereits auf der Primärebene widerspricht nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers dem Statusprinzip, weil ihre Beständigkeit für die Zukunft unsicher scheint. 8. Abstrakte Berücksichtigung des Kindeswohls Dem Kindeswohl kommt im Rahmen der Vorschriften über die elterliche Sorge in §§ 1626 ff. BGB eine zentrale Bedeutung zu, konkret etwa bei der Übertragung der elterlichen Sorge durch das Familiengericht bei nicht miteinander verheirateten Eltern (§ 1626a Abs. 2 BGB), bei der Frage der Anwendung gerichtlicher Maßnahmen (§ 1666 BGB) oder beim Umgangsrecht des 170  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff,

Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 2. Vor §§  1591  ff. BGB Rn.  2; vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 23. 172  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 2 m. w. N. 173  BVerfGE 108, 82 (108 f.). 171  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff,



D. Abstammungsrecht: Zwecke, Leitprinzipien und Grundzüge 61

leiblichen, nicht rechtlichen Vaters (§ 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Gemäß § 1697a Abs. 1 BGB trifft das Gericht grundsätzlich diejenige Entscheidung über die elterliche Sorge, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Der Begriff des Kindeswohls ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Inhalt individuell bezogen auf den konkreten Einzelfall zu ermitteln ist, wobei sich das Verständnis des Gesetzgebers in den einzelnen Vorschriften ausdrückt174. Im Rahmen gerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls nennt der Gesetzgeber das „körperliche, geistige oder seelische Wohl“ des Kindes als Voraussetzungen, die das Familiengericht zum Einschreiten berechtigen (§ 1666 Abs. 1 BGB). Der BGH hat im Kontext von § 1666 BGB als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angesehen175. Die Leitgedanken des Abstammungsrechts lassen eine konkrete Kindeswohlprüfung im Einzelfall nicht zu, vielmehr kann das Kindeswohl nur abstrakt typisierend im Vorfeld, d. h. durch die Wertungen, die der Gesetzgeber den einzelnen Tatbeständen zugrunde gelegt hat, nicht aber im Sinne des Wohls eines konkreten Kindes im konkreten Fall, berücksichtigt werden176. Die abstrakte Beachtung des Kindeswohls kommt etwa in § 1591 BGB zum Ausdruck: Die Annahme, dass aufgrund der körperlichen Bindung während der Schwangerschaft eine höhere Gewähr für eine tatsächliche Übernahme von Verantwortung für das Kind besteht, rechtfertigt unabhängig von einer genetischen Abstammung die Zuordnung zur gebärenden Frau. Ebenso kommt die Berücksichtigung des Kindeswohls dadurch zum Ausdruck, dass eine rechtliche Vaterschaft durch Feststellung auch gegen den Willen des betroffenen Mannes erreicht werden kann (§ 1592 Nr. 3 BGB), um einem Kind zwei rechtliche Elternteile zuzuordnen, die der allgemeinen Erwartung nach auch tatsächlich Verantwortung übernehmen.

174  BeckOGK-BGB/Fuchs, Bearbeitungsstand 1.12.2022, § 1671 BGB Rn. 145; MünchKommBGB/Lugani, § 1696 BGB Rn. 26. 175  BGH NJW 2012, 151 (153). 176  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 28 f.; siehe eingehend Helms, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), 19; Heiderhoff, FF 2020, 225 (226).

62

Kap. 1: Grundlagen

E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit I. Rechtsquellen Die für die Mitwirkung des Notars an der Ausgestaltung privater Rechtsverhältnisse maßgeblichen Rechtsquellen umfassen im Wesentlichen drei Säulen: Die Vorgaben des materiellen Rechts, des notariellen Verfahrensrechts (BeurkG) sowie jene des notariellen Berufsrechts (BNotO). Dort, wo wegen ihrer wirtschaftlichen, persönlichen oder vermögensrechtlichen besonderen Tragweite zum einen zum Schutz der Beteiligten eine eingehende Aufklärung, Beratung, Willenserforschung und Fixierung durch den Notar, zum anderen im Sinne des Rechtsverkehrs Beweis, Streitvermeidung und letztlich Rechtssicherheit gewährleistet werden müssen, sieht der Gesetzgeber materiell-rechtlich die Mitwirkung eines Notars vor177. Diese ist dezen­ tral im jeweiligen Sachkontext geregelt178. Während sich bestimmte gesetzliche Anordnungen auf das „Ob“ notarieller Mitwirkung beziehen, regeln §§ 128, 129 BGB Teilelemente der notariellen Beurkundung bzw. der öffentlichen Beglaubigung179; sie gelten als Vorschriften des Allgemeinen Teils grundsätzlich für jeden Fall notarieller Beteiligung im Rahmen der gesetzlichen Sonderanordnungen. Das materielle Recht selbst enthält keine Definition der notariellen Beurkundung bzw. der öffentlichen Beglaubigung, es setzt vielmehr die Regelung dieser Verfahren durch das Beurkundungsgesetz voraus180. Das Beurkundungsgesetz enthält das maßgebliche Verfahrensrecht und verhilft dem mit den materiellen Vorschriften intendierten Sinn und Zweck notarieller Mitwirkung erst zu angemessener Geltung. Gleichzeitig setzt das materielle Recht und auch das Verfahrensrecht voraus, dass Beurkundungen und Beglaubigungen nur durch Amtspersonen durchgeführt werden, die bestimmten, strengen Anforderungen unterliegen181. Dieser Aspekt betrifft das notarielle Berufsrecht, welches maßgeblich durch die Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt wird. Das Berufsrecht wird zum Teil durch 177  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 8; Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 33: Annahme einer „situationsbedingten Schutzwürdigkeit aller Beteiligten“. 178  BeckOGK-BGB/Scheller, Bearbeitungsstand 1.2.2022, § 128 BGB Rn. 5. 179  BeckOGK-BGB/Scheller, Bearbeitungsstand 1.2.2022, § 128 BGB Rn. 2. § 128 BGB: auch die sukzessive Beurkundung von Angebot und Annahme wahrt die Form; § 129 BGB: die öffentliche Beglaubigung setzt eine schriftliche Abfassung der Erklärung und eine Unterschriftsbeglaubigung durch einen Notar voraus. Zum Unterschied zwischen Beurkundung und Beglaubigung, siehe Kap. 1 E. III. 5., S. 72. 180  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 9, 10. 181  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 10.



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 63

die Dienstordnung für Notare (DONotO) als Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen der Landesjustizverwaltungen ergänzt182. Regelungen der DONotO, die sich der Führung von Büchern und Verzeichnissen widmeten, sind mittlerweile in Vorgaben der Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnisse (NotAktVV) überführt worden, die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 13.10.2020 erlassen wurde183. Materielles Recht, Verfahrensrecht und Berufsrecht stehen somit in engem, untrennbarem Zusammenhang184.

II. Die Stellung des Notars vor dem Hintergrund von § 1 BNotO 1. Der Begriff der vorsorgenden Rechtspflege Der Notar ist gemäß § 1 BNotO Träger eines unabhängigen öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege. Weil eine Legaldefinition des Begriffes der vorsorgenden Rechtspflege nicht existiert, kann er nur vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung und einer Reihe von Negativabgrenzungen näher umrissen werden185: Vorsorgende Rechtspflege ist demnach weder Teilbereich der streitigen Gerichtsbarkeit186, noch ist sie der Verwaltung zugehörig187 oder identisch mit dem Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche besonders geregelte Gerichtsverfahren für bestimmte unstreitige Rechtsangelegenheiten betrifft188. Im Kern stellt vorsorgende Rechtspflege staatliche Rechtsbetreuung dar, in deren Rahmen durch rechtskundige Beteiligung bei der Gestaltung privater Rechtsverhältnisse einerseits rechtlich schützenswerte Individualinteressen gefördert und gesichert, mit Blick auf Allgemeininteressen andererseits auch Streitvermeidung und dadurch Rechtssicherheit und Rechtsfrieden erreicht werden sollen189. Eine 182  Ausführlich zu Rechtsquellen des Berufsrechts siehe Bohrer, Berufsrecht (1991), Rn.  153 ff. 183  BGBl 2020 I S. 2246. Hintergrund war das Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 1. Juni 2017, BGBl 2017 I S. 1376. 184  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 9, 10. 185  Eylmann/Vaasen/Hertel, BeurkG/BNotO, § 24 BNotO Rn. 2. 186  Diehn/Kilian, BNotO, § 24 BNotO Rn. 4. 187  Schippel/Görk/Sander, BNotO, § 24 BNotO Rn. 6. 188  Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 8. 189  Preuß, DNotZ 2008, 258 (262); vgl. auch Diehn/Kilian, BNotO, § 24 BNotO Rn. 4 und Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 11 unter Verweis auf den früheren § 1 RNotO, dort auch weitere Nachweise zu Definitionsbemühungen.

64

Kap. 1: Grundlagen

umfassende Aufzählung der zu vorsorgender Rechtspflege gehörenden Aufgaben ist nicht möglich. Beispielhaft können jedenfalls die Vertragsgestaltung im Rahmen der notariellen Urkundstätigkeit selbst bei fehlender gesetzlicher Formvorschrift für den betreffenden Sachgegenstand und Vollzugs­ tätigkeiten zur Umsetzung von Rechtsgeschäften genannt werden190. Allgemein handelt es sich um Aufgaben, die grundsätzlich dem Staat und dort der Justiz obliegen, wobei ihre Erfüllung nicht notwendigerweise von Funktionsträgern abhängt, die unmittelbar dem Staatsapparat angehören191. Vorsorgende Rechtspflege dient ausnahmslos der Streitvermeidung192. Die flexible Deutung des Begriffs der vorsorgenden Rechtspflege ermöglicht prospektiv eine Anpassung an neue rechtliche Entwicklungen193. 2. Notarielle Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege Die Haupttätigkeit des Notars auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege besteht in der Beurkundung von Rechtsvorgängen, d. h. im weitesten Sinne in der Beurkundung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, tatsächlicher Vorgänge und der Beglaubigung von Unterschriften und Handzeichen (§§ 10a Abs. 2 i. V. m. 20–22a BNotO)194. Neben der Urkundstätigkeit zählen als Amtstätigkeiten die sonstige Betreuung und Beratung, insbesondere die Ausfertigung von Urkundsentwürfen (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO), die Übersetzungsbescheinigung (§ 50 ­BeurkG), die Verwahrung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten (§ 23 BNotO), der Urkundenvollzug, das Stellen von Anträgen, das Einlegen von Beschwerden, die Einholung von Genehmigungen, die Einsichtnahme in öffentliche Register und die Vertretung vor Gericht oder Behörden (§ 24 Abs. 1 S. 2 BNotO) zu den Aufgaben von Notaren195. Weil der Begriff der vorsorgenden Rechtspflege nicht abschließend erfasst werden kann, existiert kein fixer Katalog notarieller Aufgaben, vielmehr bleibt auch er offen für neue Rechtsentwicklungen196.

190  Eylmann/Vaasen/Frenz,

BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 12 f. BNotO, § 24 BNotO Rn. 7. 192  Schippel/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 8. 193  Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 11. 194  Löwer, DNotZ 2011, 424 (431, 439). 195  Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 6. 196  Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 11. 191  Schippel/Bracker/Sander,



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 65

3. Träger eines öffentlichen Amtes a) Hoheitliche Tätigkeit infolge Aufgabenübertragung durch den Staat Um dem Einzelnen die Durchsetzung seiner Rechtspositionen zu ermöglichen, hat der Staat als Kehrseite seines Gewaltmonopols die Pflicht zur Zivilrechtspflege, d. h. zur Schaffung und Erhaltung entsprechender staatlicher Institutionen und Verfahren197. Die Durchführung dieser Verfahren übernehmen bestimmte Funktionsträger. In den meisten Fällen handelt es sich um sog. „interne“, dem staatlichen Justizapparat unmittelbar selbst angehörende Funktionsträger wie beispielsweise Richter, Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher, jedoch sind daneben ebenso Verfahren vorgesehen, die durch sog. „externe“ Funktionsträger durchgeführt werden, denen Aufgaben zur selbstständigen Erledigung anvertraut sind, ohne dass sie als Person oder Teil einer Institution in den staatlichen Justizapparat eingegliedert wären198. Notaren ist die Aufgabe zur vorsorgenden Rechtspflege, die originär dem Staat obliegt199, zusammen mit einem gewissen Maß an Hoheitsgewalt (Träger eines öffent­ lichen Amtes) zur selbstständigen Erledigung als externe Funktionsträger200 übertragen worden201; konkret geht es um umfassende Entscheidungs-, Belehrungs- und Betreuungsfunktionen202. Notare erfüllen damit die Justizgewährungspflicht des Staates203. Der Begriff des Amtes bezeichnet die Gesamtheit der übertragenen, hoheitlich ausgestalteten204 Zuständigkeiten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege205. Hätte der Staat diese Aufgaben nicht den Notaren übertragen, hätte er sie durch eigene Behörden erfüllen müssen206. Vorsorgende Rechtspflege und mit ihr die notarielle Mitwirkung, die der Gesetzgeber in der Regel bei Rechtsgeschäften mit besonderer persönlicher Zivilrechtspflege (2005), S. 2 f. Zivilrechtspflege (2005), S. 8. 199  BVerfGE 73, 280 (294 f.); Löwer, DNotZ 2011, 424 (432 f.). 200  Löwer, DNotZ 2011, 424 (435 f.); auch Preuß, DNotZ 2008, 258 (259); „ausgelagerter Arm der Justiz“, vgl. noch Willer/Krafka, DNotz 2006, 885 (886). 201  BVerfGE 131, 130 (139); 17, 371 (379); BGH DNotZ 2018, 930 (932). 202  Bormann/Böttcher, NJW 2011, 2758 (2760). 203  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 14; vgl. auch Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 35: „Justizersatzfunktion“ vorsorgender Rechtspflege und Notar als Funktionsträger der Justiz. 204  BVerfGE 73, 280 (294); 17, 371 (376 ff.); Meyer, DNotZ 2009, 713; Schippel/ Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 9, 13. 205  Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 18. 206  BVerfGE 17, 371 (379): „Der Staat könnte und müsste sie durch seine Behörden erfüllen, wenn er sie nicht den Notaren übertragen hätte“; vgl. auch BVerfGE 131, 130 (139). 197  Preuß, 198  Preuß,

66

Kap. 1: Grundlagen

oder vermögensrechtlicher Tragweite anordnet, bildet zusammen mit der streitigen Gerichtsbarkeit die zwei Säulen des deutschen Rechtspflegesystems207. Der Staat sieht mit der notariellen Beurkundung eine präventive Kontrolle von Rechtsgeschäften und damit eine zukunftsgerichtete Rechtsvorsorge vor, die privatrechtliche Streitigkeiten vor Gericht vermeiden soll208. Die notarielle Mitwirkung sichert und erleichtert den Rechtsverkehr, gleichzeitig verwirklicht und gewährleistet sie dadurch private Rechte Einzelner209. Dies kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass öffentliche Urkunden den vollen Beweis der beurkundeten Vorgänge erbringen (§ 415 ZPO) und in Form eines Vollstreckungstitels Grundlage der Zwangsvollstreckung sein können (§§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 796c ZPO)210. Die Stellung des Notars innerhalb des Systems der vorsorgenden Rechtspflege entspricht deshalb jener eines Richters211, und zwar im Vorfeld der streitigen Gerichtsbarkeit212. Für die Privatautonomie der Beteiligten bedeutet die notarielle Mitwirkung, jedenfalls bei zwingendem gesetzlichen Erfordernis, einerseits einen Eingriff, weil die Wirksamkeit des Vertrags von ihr abhängt, andererseits gewährleistet das Beurkundungsverfahren durch Beratung und Belehrung paritätische Verhältnisse, die im Idealfall gleichzeitig eine Gelegenheit zur größtmöglichen Entfaltung von Privatautonomie bietet213. b) Verhältnis zu beruflicher Tätigkeit Als hoheitliche Rechtspflegeorgane214 sind Notaren staatliche Aufgaben anvertraut, ohne dass sie dem Staatsapparat unmittelbar angehören; vielmehr sind Notare als Person auch Berufsträger, wodurch ein Spannungsverhältnis zwischen Amt und Beruf entsteht215. So tragen sie beispielsweise selbst das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit (§ 19 Abs. 1 S. 4 BNotO), müssen ihre 207  Diehn/Bormann,

BNotO, § 1 BNotO Rn. 13 m. w. N. BNotO, § 1 BNotO Rn. 13 mit 14: „echte Komplementärfunktion“ der vorsorgenden Rechtspflege; vgl. auch Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit (1983), S. 35 f.; Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 8. 209  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 13. 210  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 13. 211  BVerfGE 131, 130 (139); 17, 371 (377); BGH DNotZ 2018, 930 (932). 212  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 14; Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit (1983), S. 36. 213  Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 34. 214  BVerfGE 131, 130 (141); 73, 280 (294); 17, 371 (376); Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 8; Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 32; Bohrer, Berufsrecht (1991), Rn. 5; Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 178: Notar als Rechtspflegeeinrichtung, d. h. Institution und gleichzeitig Individuum. 215  Armbrüster/Preuß/Renner/Kruse, BeurkG/DONot, Einl Rn. 1. 208  Diehn/Bormann,



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 67

Geschäftsstelle aus ihren Gebühreneinnahmen führen und haben in gewissem Umfang Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Organisation ihrer Notarstelle, sodass Züge freiberuflicher bzw. selbstständiger Arbeit erkennbar sind216. Es handelt sich hierbei jedoch allenfalls um partiell freiberufliche Strukturen, in denen Notare tätig werden217. Die Pflicht zur unabhängigen, unparteilichen Amtsführung, die Pflicht, die Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund zu verweigern (§ 15 Abs. 1 S. 1 BNotO) und das Verbot der Gebührenvereinbarung (§ 125 GNotKG, Ausnahmen in § 126 Abs. 1 GNotKG) verdeutlichen nur exemplarisch, dass der Notarsberuf mit freien unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen einer gewinnorientierten Markwirtschaft nicht vereinbar ist218. Mit Blick auf die Trägerschaft eines öffentlichen Amtes und die zu erfüllenden hoheitlichen Aufgaben üben Notare daher nur eingeschränkt einen freien219, sondern vielmehr einen staatlich gebundenen Beruf aus220. Dies hat zur Folge, dass Notare in einem Näheverhältnis zum öffentlichen Dienst stehen221, wodurch in Anlehnung an Art. 33 Abs. 5 GG Sonderregelungen möglich sind, welche die Wirkung der verfassungsrechtlich in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgten Berufsfreiheit einschränken können222. 4. Pflicht zu Unabhängigkeit und Unparteilichkeit Um zu gewährleisten, dass Notare die ihnen übertragenen hoheitlichen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen und dadurch die Zwecke vorsorgender Rechtspflege wahren können, bedarf es entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen, zu deren wichtigsten Elementen die Pflichten zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zählen. a) Unabhängigkeit Die notarielle Unabhängigkeit ist das bedeutendste Wesensmerkmal des Notarberufs und eröffnet – ähnlich wie für den Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) – 216  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 32; Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 27; vgl. auch BGHZ 151, 252 (254). 217  Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 27; Bohrer, Berufsrecht (1991), Rn. 20; vgl. auch Löwer, MittRhNotK 1998, 310 (312): Amt mit ergänzenden freiberuflichen Zügen. 218  Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 25. 219  BVerGE 17, 371 (380 f.); Bohrer, Berufsrecht (1991), Rn. 18 ff. 220  BVerfGE 7, 377 (397 f.). 221  BVerfGE 47, 285 (319); 73, 280 (292); BGH DNotZ 2018, 930 (933); BGHZ 151, 252 (254). 222  BVerfGE 7, 377 (398); BGH DNotZ 2018, 930 (933).

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Kap. 1: Grundlagen

unter Beachtung seiner Bindung an das Gesetz223 rechtliche Entscheidungsfreiheit224. Sie findet zum einen in § 1 BNotO Erwähnung („unabhängiger“ Träger eines öffentlichen Amtes), betrifft in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit des Notars gegenüber dem Staat und beschreibt gleichzeitig den Status von Notaren225. Die Unabhängigkeit von Notaren wird u. a. dadurch gewährleistet, dass sich die Dienstaufsicht auf die Einhaltung von Amtspflichten (§§ 92 ff. BNotO) beschränkt226, das Erlöschen des Amtes von abschließenden Vorschriften abhängt (§ 47 BNotO), eine eigene Gebührenerhebung zur Sicherung des Einkommens und der Notarstelle vorgesehen ist (§ 17  BNotO)227, dass beschränkende Berufsausübungsregeln sowie das Verbot der Inhaberschaft eines besoldeten Amtes (§ 8 Abs. 1 S. 1 BNotO) oder weiterer Berufsausübung (§ 8 Abs. 3 S. 1 BNotO) existieren228. Auch gegenüber den Beteiligten und weiteren Dritten sind Notare zur unabhängigen Amtsführung verpflichtet229; es handelt sich hierbei um eine institutionelle Grundpflicht zur Amtsführung230, die einfachgesetzlich in § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO niedergelegt ist. Die Ausgestaltung als öffentliches Amt zur Ausübung hoheitlicher Aufgaben verhindert dabei etwaige Einflussnahme Privater231. b) Unparteilichkeit Neben der Pflicht zur Unabhängigkeit bildet die Pflicht zur Unparteilichkeit das Fundament des Notarberufs232 und findet ihren einfachgesetzlichen Ausfluss ebenfalls in § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO. Der Notar hat die Wahrung von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit seiner Amtsführung durch geeig223  Aber: Kein Recht und keine Pflicht zur (grundsätzlichen) Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, vgl. Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 32; Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 29. 224  Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 31 f.; eingehend zum Merkmal der Unabhängigkeit etwa Weirich, DNotZ 1962, 18. 225  Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 29; Bohrer, Berufsrecht (1991), Rn. 141; vgl. auch Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 179. 226  Wie für den Richter, siehe Bormann/Böttcher, NJW 2011, 2758 (2761). 227  Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 1 BNotO Rn. 28. 228  Schippel/Görk/Frisch, BNotO, § 8 BNotO Rn. 9 ff., 26 ff. m. w. N. 229  Schippel/Görk/Bracker, BNotO, § 1 BNotO Rn. 36. 230  Eylmann/Vaasen/Frenz, BeurkG/BNotO, § 14 BNotO Rn. 13; Preuß, ZNotP 2008, 98: die Abgrenzung zur Unabhängigkeit im Sinne des Status erfolgte erst im Rahmen der Novellierung der BNotO durch das Dritte Gesetz zur Änderung der BNotO und anderer Gesetze vom 31.8.1998. 231  Diehn/Bormann, BNotO, § 1 BNotO Rn. 26. 232  BGH DNotZ 2016, 311 (315); BGH NJW 2015, 2642 (2645); BGHZ 158, 310 (316 f.).



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 69

nete Vorkehrungen sicherzustellen (§ 28 S. 1 BNotO). Die Pflicht zur Unparteilichkeit verlangt grundsätzlich die sachliche, wertneutrale und unvoreingenommene Behandlung aller Beteiligten233. Auch bei gegenläufigen Interessen der Beteiligten müssen Notare eine professionelle Distanz und Objektivität wahren, gleichzeitig haben sie jedoch einen gerechten Ausgleich zu schaffen, was letztlich nur durch umfassende Beratung und Belehrung im Urkundsverfahren erfolgen kann234. Das Urkundsverfahren bedarf einer derartigen Gestaltung, dass insbesondere die mit der Beurkundung bezweckten Belehrungs- und Schutzfunktionen gewahrt werden und der Anschein von Abhängigkeit oder Parteilichkeit vermieden wird235. Die Einhaltung der Pflicht zur Unparteilichkeit steht dabei in einem Spannungsverhältnis zu den Schutzzwecken der Beurkundung: Zur Sicherstellung paritätischer Verhältnisse und damit einer optimalen Verwirklichung von Privatautonomie sind Notare nämlich im Rahmen von Beratung und Belehrung dazu verpflichtet, den Beteiligten gleichermaßen eine zutreffende Willensbildung zu ermöglichen. Dies umfasst den Ausgleich von Defiziten einzelner Beteiligter und die Verpflichtung, die Fähigkeiten zur umfassenden Einschätzung des Rechtsgeschäfts bzw. der Erklärungen auf ein vergleichbares Niveau zu heben236. Dem Notar steht ein Ermessensspielraum in der Beurteilung zu, ob die im Einzelfall erforderliche Beratung und Belehrung noch mit seiner Pflicht zur Unparteilichkeit vereinbar ist237. Er hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre (vgl. § 14 Abs. 2 ­BNotO). Aus der Pflicht zur Unparteilichkeit folgt außerdem auch die Pflicht, eine mit Blick auf mögliche Risiken ausgewogene Gestaltung vorzuschlagen, die nicht Sonderinteressen einer Partei berücksichtigt, sondern ebenfalls alle Beteiligten – und zwar unmittelbar sowie mittelbar Beteiligte und Personen, die zum Urkundsgeschäft in Beziehung stehen – gleichmäßig behandelt238. Notare haben zudem jeglichen bösen Schein zu meiden (§ 14 Abs. 3 S. 2 BNotO) und sind zur Wahrung ihrer Unparteilichkeit in bestimmten Konstellationen durch eine Reihe von Verboten und Ausschlussgründen an der Beurkundung bzw. der Ausübung ihres Amtes gehindert (§§ 3, 6, 7  ­BeurkG). 233  BGH

DNotZ 2016, 311 (312); vgl. auch Walz, NJW 2002, 3446. BNotO, § 14 BNotO Rn. 63 ff. 235  Richtlinienempfehlungen der BNotK, Abschnitt II Nr. 1 S. 1, siehe https:// www.bnotk.de/aufgaben-und-taetigkeiten/richtlinien/richtlinienempfehlungen (zuletzt abgerufen am 27.11.2022). 236  Schippel/Görk/Sander, BNotO, § 14 BNotO Rn. 65; Beck’sches NotHdb/Bremkamp, § 32 Rn. 36. 237  Beck’sches NotHdb/Bremkamp, §  32 Rn. 37; zur umfangreichen Kasuistik siehe Haug/Zimmermann/Zimmermann, Rn.  419 ff. 238  Schippel/Görk/Sander, BNotO, § 14 BNotO Rn. 65 f., 68. 234  Schippel/Görk/Sander,

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Kap. 1: Grundlagen

III. Öffentliche Urkunde und notarielle Urkunde 1. Begriff Der Begriff der Beurkundung meint die Herstellung eines Schriftstücks, welches die durch den Errichtenden gemachte Wahrnehmung von Tatsachen, d. h. Willenserklärungen, Erklärungen nicht rechtsgeschäftlichen Inhalts oder sonstige Vorgänge in der Außenwelt, bezeugt239. Genügt die Urkunde insofern qualifizierten Anforderungen, als sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen wird, handelt es sich um eine sog. öffentliche Urkunde i. S. v. § 415 Abs. 1 ZPO. Die von Notaren errichtete öffentliche Urkunde wird als notarielle Urkunde bezeichnet und stellt zugleich Sonderform und Leitbild der öffentlichen Urkunde dar240. 2. Zuständigkeiten Neben öffentlichen Behörden kommen als Urkundspersonen, die mit öffentlichem Glauben versehen sind, in erster Linie Notare, aber auch Standesbeamte, Urkundspersonen beim Jugendamt, Konsularbeamte sowie Gerichte in Betracht241. Für die öffentliche Beurkundung sind heute grundsätzlich ausschließlich Notare zuständig (§ 20 Abs. 1 S. 1 BNotO). Seit Schaffung des Beurkundungsgesetzes liegt die Zuständigkeit für Beurkundungstätigkeiten hauptsächlich bei den Notaren (vgl. auch §§ 63 Abs. 4, 1 Abs. 1 BeurkG)242. Insbesondere die zuvor bestehende, grundsätzliche Doppelzuständigkeit von Notaren und Gerichten ist nunmehr zu Gunsten eines weitgehenden Beurkundungsmonopols der Notare entfallen. Allerdings muss beachtet werden, dass bundes- und landesrechtliche Vorschriften auch weiterhin in einigen Fällen die alternative Beurkundungszuständigkeit anderer Urkundspersonen oder Urkundsstellen vorsehen. Um ein einheitliches Beurkundungsverfahren zu gewährleisten, ordnet § 1 Abs. 2 BeurkG die entsprechende Geltung des Beurkundungsgesetzes auch in diesen Fällen an, allerdings nur dann, wenn der Beurkundung gegenständlich eine ursprünglich notarielle Aufgabe zugrunde liegt, d. h. auch ein Notar die Urkunde hätte errichten können243. 239  Beck’sches

NotHdb/Kindler, § 31 Rn. 12. BeurkG/DONot, § 1 BeurkG Rn. 13. 241  BeckOK-GBO/Otto, § 29 GBO Rn. 152 ff. 242  Vgl. dazu Staudinger2017/Hertel, § 1 BeurkG Rn. 256. 243  Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, § 1 BeurkG Rn. 20; BeckOGKBeurkG/Gößl, Bearbeitungsstand 1.4.2022, § 1 BeurkG Rn. 25. 240  Armbrüster/Preuß/Renner,



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 71

3. Beweiskraft öffentlicher Urkunden Die Niederschrift, welche über die Erklärung errichtet wird, erbringt bei öffentlichen Urkunden gemäß § 415 Abs. 1 ZPO den vollen formellen Beweis des beurkundeten Vorgangs. Sie beweist, dass die beurkundete Erklärung vor der genannten Urkundsperson und wie in der Urkunde niedergelegt abgegeben wurde244. Ferner beweist sie die Abgabe zur angegeben Zeit am angegebenen Ort, wenn ein solcher in die Niederschrift aufgenommen wur­ de245. Ein Beweis der inhaltlichen, also materiellen, Richtigkeit der Erklärung geht mit der niedergelegten Erklärung jedoch nicht einher246, selbst wenn mit der Beurkundung eine Vermutung dahingehend verbunden ist, dass die niedergelegten Erklärungen jedenfalls vollständig sind247. 4. Beurkundungszwecke Die notarielle Beurkundung dient verschiedenen Zwecken, deren Erreichung die einzelnen Schritte des Beurkundungsablaufs sicherstellen sollen. Die Beratung und Belehrung der Beteiligten durch eine in besonderem Maße rechtskundige und gleichzeitig unabhängige, unparteiische Stelle dient dem Schutz der Beteiligten vor der übereilten Abgabe rechtserheblicher Erklärungen (Übereilungsschutz). Indem den Beteiligten die Bedeutung und Tragweite ihrer Erklärungen bzw. des Rechtsgeschäfts vor Augen geführt wird, erlangen sie die Möglichkeit, besonnene Überlegungen anzustellen und einen ernsthaften, umfassenden Willen zu bilden (Warnfunktion). Nur dies gewährleistet, dass die Urkunde inhaltlich den Willen der Beteiligten auch eindeutig wiedergibt (Gewährfunktion). Neben dem mit der Beurkundung verbundenen Aspekt der Rechtsfürsorge für die Beteiligten dient die Einhaltung der Form im Rechtsverkehr auch dem Nachweis einwandfrei vorgenommener Rechtsgeschäfte (Beweisfunktion)248.

244  BGH

NJW-RR 2007, 1006 (1007); BGH NJW 1994, 320 (321). Hamm NJW-RR 2000, 406 (407). 246  BGH NJW-RR 2007, 1006 (1007). 247  BGH DNotZ 1986, 78 f. 248  Zu den Beurkundungszwecken siehe aus der Rechtsprechung etwa BGHZ 87, 150 (153); 83, 395 (397); BGH NJW 2002, 2560 (2561). Aus der Literatur siehe MünchKommBGB/Ruhwinkel, § 311b BGB Rn. 2; Beck’sches NotHdb/Kindler, § 31 Rn. 19–27; eingehend und lesenswert außerdem Preuß, Zivilrechtspflege (2005), S. 33–35. 245  OLG

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Kap. 1: Grundlagen

5. Unterscheidung von Beurkundung und Beglaubigung § 20 Abs. 1 S. 1 BNotO begründet die Zuständigkeit der Notare für Beurkundungen jeder Art sowie für die Beglaubigung von Unterschriften, Handzeichen und Abschriften. Die Beurkundung stellt dabei die Hauptaufgabe des Notars dar und meint die Errichtung von Zeugnisurkunden, d. h. die Wiedergabe und Bezeugung von Tatsachenwahrnehmungen durch die Urkundsperson, in einem besonders geregelten Verfahren249. Dabei stellt die Beurkundung von Willenserklärungen den Hauptfall dar, möglich sind jedoch auch Beurkundungen von Versammlungsbeschlüssen sowie sonstiger Tatsachen (Beurkundung „jeder Art“)250. Auch die Beglaubigung ist eine Beurkundung von Tatsachen, nämlich – im Fall der Unterschriftenbeglaubigung – die Beurkundung der Tatsache, dass die Unterschrift von einer bestimmten Person stammt und dass der Aussteller persönlich sie im Beisein der Urkundsperson abgegeben oder anerkannt hat251. Sofern eine Unterschrift nicht geleistet werden kann, erfolgt eine Beglaubigung des Handzeichens des Ausstellers; daneben können auch Abschriften beglaubigt werden, vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 ­BNotO. Die Beglaubigung wird verfahrensrechtlich nicht als Beurkundung im engeren Sinne, sondern als sog. sonstige Beurkundung i. S. d. § 36 BeurkG behandelt, bei welcher auf die Aufnahme einer Niederschrift verzichtet werden kann und lediglich die Errichtung eines Vermerks gemäß § 39 BeurkG genügt, welcher belegt, dass die Unterschrift vor der Urkundsperson vollzogen oder anerkannt wurde252. Das hat zur Folge, dass eine Willenserforschung, Sachverhaltsklärung und Belehrung über die rechtliche Tragweite des Inhalts, bei einer notariellen Beglaubigung nicht vorgesehen sind253. Beurkundung und Beglaubigung unterscheiden sich somit im Umfang der notariellen Mitwirkung.

249  Siehe allein Diehn/Kilian, BNotO, § 20 BNotO Rn. 6; Eylmann/Vaasen/Limmer, BeurkG/BNotO, § 20 BNotO Rn. 3; Schippel/Görk/Sander, BNotO, § 20 BNotO Rn.  23 f. 250  Diehn/Kilian, BNotO, § 20 BNotO Rn. 7 ff.; Eylmann/Vaasen/Limmer, ­BeurkG/ BNotO, § 20 BNotO Rn. 10. 251  BGHZ 37, 79 (86); Eylmann/Vaasen/Limmer, BeurkG/BNotO, § 20 BNotO Rn. 13. 252  Diehn/Kilian, ­BNotO, § 20 ­BNotO Rn. 15. 253  Reithmann, DNotZ 1995, 360 (364). Zum Beurkundungsvorgang sogleich.



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 73

IV. Beurkundungsablauf Die notarielle Beurkundung unterliegt einem streng formalisierten Verfahren, dessen Anforderungen in §§ 6–35 BeurkG geregelt sind. Als für den Beurkundungsvorgang maßgebliche Vorschrift bestimmt § 17 Abs. 1 S. 1  ­­BeurkG, dass der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben soll. 1. Sachaufklärung und Willenserforschung Grundlage des Beurkundungsverfahrens ist die Pflicht des Notars zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 17 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ­BeurkG). Dies allein versetzt ihn in die Lage, den Willen der Beteiligten richtig zu erfassen, die Belehrung ordnungsgemäß durchzuführen und eine entsprechende Gestaltung vorzunehmen. Der Notar ist nicht zu eigenen Ermittlungen angehalten, sondern darf sich vielmehr in aller Regel auf die Richtigkeit der durch die Beteiligten beigebrachten Tatsachen verlassen254. Von besonderer Bedeutung ist deren Unterscheidung von rechtlichen Wertungen. Der Notar muss sich davon überzeugen, dass die Beteiligten sich über die normative Bedeutung bestimmter Begriffe bewusst sind und dass sie sie zutreffend verwenden255. Vor dem Hintergrund des von den Beteiligten beigebrachten Sachverhalts hat der Notar den Willen der Parteien zu erörtern und zu ermitteln. In diesem Stadium des Beurkundungsverfahrens gilt es indes noch nicht, einen bestimmten Willen abschließend festzustellen, denn letztlich soll erst die noch folgende Beratung und Belehrung die Beteiligten in die Lage versetzen, einen umfassenden Willen zu bilden256. 2. Belehrung über rechtliche Tragweite Der Notar ist im weiteren Verlauf dazu gehalten, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren (§ 17 Abs. 1 S. 1 Var. 3 ­BeurkG). Dazu muss er in erster Linie aufzeigen, welche Voraussetzungen zur Herbeiführung des beabsichtigten rechtlichen Erfolges erfüllt sein müs-

254  BGH DNotZ 2016, 311 (314); BGH NJW-RR 1999, 1214 (1215); BGH NJW 1996, 520 (521); BGH NJW 1987, 1266 (1267); außerdem BGH DNotZ 1961, 162 (163). 255  Armbrüster/Preuß/Renner, B ­ eurkG/DONot, § 17 ­BeurkG Rn. 20. 256  Münch, DNotZ 2004, 901 (909).

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Kap. 1: Grundlagen

sen257. Kann dieser von den Beteiligten aus Rechtsgründen durch eine bestimmte Regelung nicht erreicht werden, bedarf es der Erörterung alternativer Gestaltungen durch den Notar, um zu einer zuverlässigen rechtlichen Lösung zu gelangen258. Im Rahmen der Belehrung hat der Notar darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden und dass unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden (§ 17 Abs. 1 S. 2 ­BeurkG). Zweifelt der Notar daran, dass das Geschäft gesetzeskonform ist oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, so sollen die Bedenken mit ihnen erörtert werden (§ 17 Abs. 2 S. 1 ­BeurkG). Wird in der Erörterung ein Vorhaben festgestellt, das gegen Gesetze verstößt, muss der Notar die Beurkundung ablehnen (§ 4 ­BeurkG). Bestehen die Beteiligten auch nach einer Erörterung bei verbleibenden Zweifeln dennoch weiterhin auf die Beurkundung, muss der Notar hierüber vor der Beurkundung einen Vermerk in der Niederschrift aufnehmen (§ 17 Abs. 2 S. 2 ­BeurkG). Die Pflicht zur Belehrung durch den Notar ist entgegen der Formulierung („soll“) eine echte Amtspflicht, auf deren Einhaltung grundsätzlich keine Partei verzichten kann und die untrennbar mit jedem Beurkundungsvorgang verbunden ist259. Der Umfang der Belehrungspflicht richtet sich nach der Art des zu beurkundenden Geschäfts sowie der Sach- bzw. Rechtskunde der Beteiligten260. Auf einer gleitenden Skala kommen, ohne dass hier auf die vielfältige Kasuistik im Einzelnen eingegangen werden kann, gewisse Modifikationen in Betracht: Besitzt ein Beteiligter mit Blick auf das konkrete Geschäft eine entsprechende Sachkunde, kann die Belehrungspflicht im Einzelfall entfallen261. Umgekehrt unterliegt der Notar in bestimmten Fällen einer Belehrungspflicht, die höheren Anforderungen genügen muss, wenn etwa eine Partei ungesicherte Vorleistungen erbringen soll262. Die Pflicht zur Beratung und Belehrung durch den Notar überlagert vor dem Hintergrund ihrer Zweckrichtung somit die Pflicht zur Unparteilichkeit. Die Belehrungspflicht des Notars besteht gegenüber den formell am Urkundsverfahren Beteiligten (§ 6 Abs. 2 ­BeurkG), d. h. den Erschienenen, die auf eine Beurkundung ihrer Erklärung hinwirken; gegenüber bloß materiell 257  BGH

DNotZ 1989, 45 (46). DNotZ 2002, 768 (769); BGH DNotZ 1995, 494 (495). 259  Armbrüster/Preuß/Renner, B ­ eurkG/DONot, § 17 ­BeurkG Rn. 24; Reithmann, DNotZ 2003, 603 (604); vgl. auch OLG Schleswig DNotZ 2008, 151 (152 f.). 260  BeckOK-­BeurkG/Litzenburger, § 17 ­BeurkG Rn. 14. 261  OLG Köln BWNotZ 1997, 47; OLG Koblenz DNotZ 1996, 128 (129). 262  Beck’sches NotHdb/Kindler, § 31 Rn. 92 f.; zu Einschränkungen hinsichtlich der Pflicht zur Belehrung über Inhalt und Umfang vgl. Armbrüster/Preuß/Renner, ­BeurkG/DONot, § 17 ­BeurkG Rn. 29 ff. 258  BGH



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 75

Betroffenen, aber nicht formell Beteiligten, besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Belehrung263. Um sicherzustellen, dass die Pflichten des Notars gemäß § 17 Abs. 1 und 2 ­BeurkG eingehalten werden, soll der Notar eine entsprechende Gestaltung des Beurkundungsverfahrens vornehmen (§ 17 Abs. 2a S. 1 ­BeurkG)264. 3. Entwurf Dem Notar obliegt des Weiteren die Pflicht, Erklärungen der Beteiligten klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben (§ 17 Abs. 1 S. 1 Var. 4 ­BeurkG: sog. Formulierungspflicht). Dies meint die eindeutige, unmissverständliche Wiedergabe des auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichteten Parteiwillens265. Dabei soll der Notar darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden werden (§ 17 Abs. 1 S. 2 HS 1 ­BeurkG). Die Verwendung von fremden (aber dennoch dem Einzelfall gerecht werdenden) oder durch die Beteiligten vorgelegten Entwürfe ist grundsätzlich zulässig, führt aber nicht dazu, dass die Pflichten zu Sachaufklärung, Willenserforschung und Belehrung entfallen266 oder gar die Verantwortlichkeit des Notars für die Formulierung aufgehoben würde267. Ihm vorgelegte Entwürfe macht sich der Notar durch eine Verwendung zur Niederschrift vielmehr zu eigen268. Dass der Entwurfsinhalt den Willen der Beteiligten richtig wiedergibt, fällt jedoch stets in deren Verantwortungsbereich und nicht in jenen des Notars, sodass eine Prüfung des Entwurfs durch die Beteiligten unverzichtbar ist. 4. Niederschrift und Ausfertigung Bei der Beurkundung von Willenserklärungen muss schließlich eine Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen werden, § 8 ­ BeurkG. Der Begriff der Verhandlung meint dabei jedoch nicht etwa die Sachaufklärung, Willenserforschung und Belehrung oder eine Erörterung der Änderungswünsche der Beteiligten hinsichtlich der Entwurfsfassung, sondern vielmehr den geregelten Prozess, in welchem der Notar im Zuge der Niederschrift unter 263  Beck’sches

NotHdb/Kindler, § 31 Rn. 86. Streit darüber, ob dies bedeutet, dass auch den materiell Beteiligten eine Prüfung und Belehrung durch den Notar zukommen muss, siehe Armbrüster/Preuß/ Renner, B ­ eurkG/DONot, § 17 ­BeurkG Rn. 164 ff. 265  BGH NJW 2004, 69 (70); BGH DNotZ 1991, 753 (755). 266  Im Gegenteil kann sogar eine besonders intensive Belehrung der Beteiligten geboten sein, von denen der Entwurf nicht stammt, vgl. OLG Celle NZM 2004, 918 (919 f.). 267  BeckOK-­BeurkG/Litzenburger, § 17 ­BeurkG Rn. 16. 268  Winkler, B ­ eurkG, § 17 ­BeurkG Rn. 209. 264  Zum

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Kap. 1: Grundlagen

Beachtung der in §§ 9 ff. ­BeurkG bestimmten Verfahrensregeln die mit der notariellen Beurkundung verfolgten Zwecke erfüllt269. Zwingender Inhalt der Niederschrift sind die Bezeichnung des Notars und der Beteiligten sowie die Erklärungen der Beteiligten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ­BeurkG: „muss“). Hinsichtlich der Bezeichnung der Beteiligten ist dabei vorgesehen, dass sich der Notar Gewissheit über ihre Person verschafft und in der Niederschrift auch angibt, auf welchem Wege er dies getan hat (§ 10 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 ­BeurkG: „soll“). Ort und Tag der Verhandlung sind ebenfalls fakultativ aufzunehmen (§ 9 Abs. 2 ­BeurkG: „soll“); fehlende oder unrichtige Angaben berühren die Wirksamkeit der Urkunde somit wie im Falle eines fehlenden Vermerks über die Personenfeststellung nicht270. Feststellungen über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten, von welcher sich der Notar überzeugen muss, sind nicht aufzunehmen271. Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen aber dann, wenn sich Zweifel hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit ergeben, Erklärungen schwer kranker Personen beurkundet werden sollen oder eine Verfügung von Todes wegen zu beurkunden ist (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ­BeurkG, § 28 ­BeurkG). Weitgehend üblich dürfte außerdem sein, auch den Umstand der Belehrung über einzelne Fragen in der Niederschrift aufzunehmen. Darüber hinaus muss die Niederschrift den Beteiligten zwingend in Gegenwart des Notars vorgelesen, von ihnen genehmigt werden und mit einer eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten und jener des Notars schließen (§ 13 Abs. 1 S. 1 HS 1, Abs. 3 S. 1 ­BeurkG). Durch ihre Unterschrift bringen die Beteiligten abschließend zum Ausdruck, dass der Inhalt des schriftlich Erfassten tatsächlich ihrem Willen entspricht272. Die entstandene physische Urkunde findet Eingang in die (papiergeführte) Urkundensammlung sowie in die elektronische Urkundensammlung (§ 55 Abs. 3 ­BeurkG i. V. m. § 34 NotAktVV) des jeweiligen Notars, bei welchem sie grundsätzlich verbleibt (§ 45 Abs. 1 ­BeurkG). Notare sind verpflichtet, Urkunden über einen Zeitraum von 100 Jahren aufzubewahren (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 NotAktVV für Unterlagen, die bis zum 31.12.2021 erstellt wurden, und § 50 Abs. 1 Nr. 5 NotAktVV für ab dem 01.01.2022 erstellte, in der elektronischen Urkundensammlung geführte Unterlagen). Daneben erfolgt eine Registrierung durch Eintragung in das sog. Urkundenverzeichnis (§ 55 Abs. 1  BeurkG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 NotAktVV).

269  Armbrüster/Preuß/Renner/Piegsa, 270  Armbrüster/Preuß/Renner/Piegsa,

­BeurkG/DONot, § 8 ­BeurkG Rn. 4 bis 6. ­ BeurkG/DONot, § 9 ­ BeurkG Rn. 58 mit

§ 10 ­BeurkG Rn. 4. 271  Beck’sches NotHdb/Kindler, § 31 Rn. 230. 272  BGHZ 152, 256 (257 f.); OLG Stuttgart NJW 2002, 832; Münch, Die Reichweite der Unterschrift im Wechselrecht (1993), S. 71–75.



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 77

V. Amtsgewährpflicht und Ablehnungsrecht Ohne ausreichenden Grund darf der Notar seine Urkundstätigkeit, d. h. konkret die Gewährung eines Verfahrens der Urkundstätigkeit273, nicht verweigern (§ 15 Abs. 1 S. 1 ­ BNotO: Amtsgewährpflicht). Urkundstätigkeit meint dabei die Tätigkeit gemäß § 10a ­BNotO, d. h. Beurkundungen und Beglaubigungen, sonstige Bescheinigungen und die Abnahme bzw. die Aufnahme von Eiden und eidesstattlichen Versicherungen gemäß §§ 20–22 ­BNotO274. Sofern sich der Antragsteller mit dem Ansuchen auf Vornahme einer Urkundstätigkeit an den Notar wendet, entsteht zwischen dem Notar und ihm ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis275. Der Notar muss dann, um seiner Amtsgewährpflicht und dem Anspruch des Antragstellers auf Amtsausübung nachzukommen, das Verfahren eröffnen und insbesondere einen Termin bestimmen276. Die Generalklausel hinsichtlich der notariellen Amtspflichten stellt § 14 ­BNotO dar, auf welche sich die spezialgesetzlich geregelten Amtspflichten zurückführen lassen277. Diese bestehen unabhängig von dem einzelnen Amtsgeschäft278. Zu ihnen zählt die Pflicht, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren (§ 14 Abs. 1 S. 1 mit § 13 Abs. 1 ­BNotO), die notariellen Pflichten gewissenhaft, unabhängig und unparteiisch zu erfüllen (§ 14 Abs. 1 S. 1 und § 13 Abs. 1 ­BNotO) sowie die Würde des Notarstandes zu wahren (§ 14 Abs.  3 ­BNotO). Weil der Notar ein öffentliches Amt bekleidet, darf er dem Antragsteller die Erfüllung seiner Amtspflicht nicht willkürlich ohne „ausreichenden Grund“ verweigern, § 15 Abs. 1 S. 1 ­BNotO279. Die Gründe, auf welche eine Ablehnung des Notars gestützt werden kann, können dabei im Wesentlichen nach sog. zwingenden Versagungsgründen, Standesregeln und fakultativen Versagungsgründen klassifiziert werden280.

273  Schippel/Görk/Sander,

­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 4, 7. ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 7; zur Abgrenzung von Hilfstätigkeiten, die noch zur Beurkundung gehören, von darüberhinausgehenden Vollzugs- und Treuhandtätigkeiten, siehe Rn. 11 f. 275  Schippel/Görk/Sander, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 5. 276  Schippel/Görk/Sander, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 4. 277  Diehn/Seger, B ­ NotO, § 14 ­BNotO Rn. 2. 278  Schippel/Görk/Sander, ­BNotO, § 14 ­BNotO Rn. 8. 279  Eylmann/Vaasen/Frenz, ­ BeurkG/­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 24; Lerch, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 1. Zu Modalitäten der Amtsverweigerung ausführlich Winkler, MittBayNot 1998, 141. 280  Vgl. Arndt/Lerch/Sandkühler, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 53 ff. 274  Schippel/Görk/Sander,

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Kap. 1: Grundlagen

Liegt ein zwingender Versagungsgrund vor, so muss der Notar seine Amtspflicht verweigern. Dies ist dann der Fall, wenn die Urkundstätigkeit mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt würde, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden (vgl. § 14 Abs. 2 ­BNotO, § 4 ­BeurkG281). Mit den notariellen Amtspflichten nicht vereinbar ist eine Urkundstätigkeit dann, wenn das Urkundsgeschäft unwirksam wäre. Nichtigkeitsgründe stellen dabei u. a. Verstöße gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB), Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB), Geschäftsunfähigkeit eines Beteiligten und Willensmängel gemäß §§ 116 ff. BGB dar282. Bloße Zweifel an der Wirksamkeit berechtigen nicht zur Ablehnung283, es sei denn ein unerfahrener und un­ gewandter Beteiligter würde andernfalls benachteiligt (§ 17 Abs. 1 S. 2 ­BeurkG)284. Auch wenn erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden, muss der Notar seine Tätigkeit verweigern, weil er für die Rechtmäßigkeit der Zwecke seiner Amtshandlung ebenfalls verantwortlich ist285. Darüber hinaus besteht die Pflicht zur Ablehnung, wenn eine Fernbeglaubigung vorgenommen werden soll (§ 40 Abs. 1 ­BeurkG: „in Gegenwart des Notars“)286. Neben den in § 14 Abs. 2 ­BNotO bzw. § 4 ­BeurkG normierten zwingenden Versagungsgründen existieren sog. fakultative Versagungsgründe, die den Notar vor dem Hintergrund eines ihm eingeräumten eigenen Beurteilungsspielraumes287 zu der Verweigerung einer erbetenen Urkundstätigkeit berechtigen, nicht aber zwingend verpflichten288. Fakultative Versagungsgründe bewegen sich im Spannungsfeld der Urkundsgewährungspflicht einerseits und der Pflicht zur redlichen Amtsführung und zur Belehrung und Beratung nach § 17 ­BeurkG andererseits289. Bestimmte Fallgruppen sind heute allgemein anerkannt: Zu den fakultativen Versagungsgründen zählt zum einen die Befugnis, seine Amtstätigkeit wegen Befangenheit zu verweigern, § 16 Abs. 2 BNotO. Dies stellt eine Einschränkung der Urkundsgewährungspflicht dar290. Weiterhin kann der Notar seine Amtstätigkeit beispielsweise verwei281  § 14 ­BNotO gilt für alle notariellen Amtstätigkeiten, § 4 ­BeurkG hingegen nur für Beurkundungen, Nachreiner, MittBayNot 2001, 356 (358). 282  Siehe Eylmann/Vaasen/Frenz, ­ BeurkG/­BNotO, § 14 ­BNotO Rn. 29 f.; Lerch, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 6 ff. 283  Diehn/Seger, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 36. 284  Nachreiner, MittBayNot 2001, 356 (358). 285  Arndt/Lerch/Sandkühler, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 58. 286  Arndt/Lerch/Sandkühler, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 59 f. 287  OLG Köln MittRhNotK 1980, 115. 288  Arndt/Lerch/Sandkühler, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 67 ff. 289  Diehn/Seger, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 33. 290  Eylmann/Vaasen/Miermeister/de Buhr, ­BeurkG/­BNotO, § 16 ­BNotO Rn. 2.



E. Stellung des Notars und Grundlagen notarieller Tätigkeit 79

gern, wenn die Beurkundung in einer anderen Sprache (selbst wenn der Notar diese beherrscht) oder in einem Rechtsbereich erfolgen soll, welcher dem Notar nicht ausreichend vertraut ist (§ 15 Abs. 1 S. 2 ­BNotO)291. Darüber hinaus kann sich ein Ablehnungsrecht dann ergeben, wenn der Notar die Urkundstätigkeit mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann und dies nachvollziehbar geltend macht292 oder wenn der Notar hinsichtlich der Beurkundung ernsthafte Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Art hat293. Sowohl zwingende als auch fakultative Versagungsgründe sind gerichtlich voll überprüfbar294.

291  Eylmann/Vaasen/Frenz,

­BeurkG/­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 25 f. ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 71 (str.). 293  Arndt/Lerch/Sandkühler, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 72. Ergibt sich für den Notar, der entgegen einer Prüfpflicht einen fremdsprachigen Text betreut, dass mit der Urkunde verfolgte Zwecke dem deutschen Recht widersprechen, darf er nicht beglaubigen, Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3259). 294  Diehn/Seger, B ­ NotO, § 15 ­BNotO Rn. 49. 292  Arndt/Lerch/Sandkühler,

Kapitel 2

Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht und die Bedeutung notarieller Mitwirkung Die künstliche heterologe Befruchtung ist im deutschen Recht nicht umfassend geregelt1. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die abstammungsrechtlichen Vorgaben der §§ 1600 Abs. 4, 1600d Abs. 4 BGB. Bevor jedoch auf den Reformbedarf im Einzelnen sowie die Möglichkeiten und Grenzen eines Ausgleichs der defizitären Gesetzgebung durch notarielle Vertragsgestaltung eingegangen wird (Kapitel 4), widmen sich die folgenden Ausführungen einer näheren Untersuchung der in den gesetzlichen Tatbeständen des Statusrechts angelegten privatautonomen Elemente. Dabei soll aufgezeigt werden, wo und in welchen Ausprägungen bereits nach geltendem Recht der Wille der Beteiligten zur Elternschaft maßgebliche Voraussetzung für die rechtliche Zuordnung des Kindes ist. Gleichzeitig gilt es zu analysieren, mit welcher Begründung die privatautonomen Entscheidungen der Beteiligten innerhalb einzelner Rechtsinstitute durch die zwingende Mitwirkung einer Urkundsperson, etwa eines Notars, abgesichert sind.

A. Der Grundsatz von Privatautonomie und seine verfassungsrechtliche Dimension Privatautonomie bedeutet die Freiheit des Einzelnen, private Rechtsverhältnisse – auch gegenüber Dritten2 – seinem Willen entsprechend eigenverantwortlich3 zu gestalten4. Sie umfasst alle Handlungen, die durch ein Rechtsgeschäft vorgenommen werden5. Die Privatautonomie ist Kernstück einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung6, Kernstück der Privatrechtsordnung7 und 1  Siehe

Kap. 1 C., S. 33 ff. BGB-AT, § 10 Rn. 28. 3  Flume, BGB AT II, § 1 S. 6: „Selbstherrlichkeit“ des Einzelnen. 4  BVerfGE 89, 214 (231); Flume, BGB AT II, § 1 S. 1; Hönn, Jura 1984, 57; Stadler, BGB-AT, § 3 I Rn. 2; Busche, Privatautonomie (1999), S. 13; Petersen, Jura 2011, 184. 5  Wolf/Neuner, BGB-AT, § 10 Rn. 31. 6  BVerfGE 81, 242 (254). 2  Wolf/Neuner,



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht81

Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung8, welchem sie Ausdruck verleiht. Der privatautonome Rechtsakt erlangt allerdings erst durch die Rechtsordnung Geltung; sie gestaltet Rechtsgebilde nach Inhalt und Form und gibt damit einen Rahmen vor, in welchem sich der privatautonome Akt rechtmäßig bewegen darf9. Privatautonomie ist verfassungsrechtlich verankert im Rahmen von Spezialgrundrechten (Artt. 6, 9, 12, 14 GG) und jedenfalls auch in Art. 2 Abs. 1 GG – genauer: in dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit, die dem Grundrecht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1  GG Ausdruck verleiht10. Die Handlungsfreiheit findet im Begriff der Privatautonomie ihr zivilrechtliches Pendant11. Dem Verständnis von Freiheit als Abwesenheit von heteronomer, staatlicher Bestimmung12 entspricht die Funktion von Grundrechten in erster Linie als Abwehrrechte gegen den Staat13.

B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht I. Minderjährigenadoption, §§ 1741–1766 BGB Im Rahmen der Minderjährigenadoption sind privatautonome Gestaltungsspielräume maßgeblich von Bedeutung. Auch wenn Adoptionsrecht und Abstammungsrecht unterschiedlich ausgerichtet sind – zeitnahe, möglichst passgenaue Erstzuordnung durch das Abstammungsrecht einerseits, „Umverteilung“ bereits bestehender rechtlicher Elternpositionen für ein Kind durch staatliche Organe im Adoptionsrecht andererseits, vgl. § 1754 f. BGB –, so betreffen beide Materien das Statusrecht und damit die Ausgestaltung rechtlicher Eltern-Kind-Beziehungen.

7  Repgen, in: Isensee (Hrsg.), Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2007), 48; Petersen, Jura 2011, 184. 8  Flume, BGB AT II, § 1 S. 1; bei Wolf/Neuner, BGB-AT, § 10 Rn. 27 ist das der Privatautonomie übergeordnete Prinzip jenes der Freiheit der Privatrechtsakteure. 9  Flume, BGB AT II, § 1 S. 2 f.; vgl. auch Petersen, Jura 2011, 184: „im Rahmen des von der Rechtsordnung Zulässigen“. 10  BVerfGE 89, 214 (231); Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 4 Rn. 2; Wolf/ Neuner, BGB-AT, § 10 Rn. 29; Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (437). 11  Maunz/Dürig/Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 101. 12  Isensee, in: Isensee (Hrsg.) Vertragsfreiheit (2007), 239 (249). 13  Maunz/Dürig/Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 102.

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

Die Minderjährigenadoption (§§ 1741–1766 BGB) ist nach dem Willen des Gesetzgebers nur auf Antrag der Annehmenden14 möglich (§ 1752 Abs. 1 BGB) und an eine Vielzahl von Voraussetzungen geknüpft. So muss sie etwa dem Kindeswohl dienen und es muss die Erwartung bestehen, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 Abs. 1 S. 1 BGB). Um die Aussicht auf die Entwicklung einer sozialen ElternKind-Beziehung zu prüfen, soll die Annahme als Kind erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege hatte (§ 1744 BGB). Für den minderjährigen Angenommenen bewirkt die Adop­tion, dass er einerseits rechtlich vollumfänglich in die neue Familie eingegliedert, gleichzeitig aber auch rechtlich vollumfänglich aus der ursprünglichen Familie herausgelöst wird und dort bestehende statusrechtliche Beziehungen verliert (§§ 1754, 1755 BGB)15. Der Gesetzgeber sah dies als notwendig an, um eine ungestörte Entwicklung des minderjährigen Kindes zu gewährleisten16. Zur Wahrung der Grundrechte der durch die Adoption betroffenen Personen aus Artt. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG bedarf es einer Einwilligung des Kindes (§ 1746 BGB), der leiblichen Eltern als Inhaber des natürlichen Elternrechts (§ 1747 Abs. 1 S. 1 BGB)17 und des Ehegatten des Annehmenden bei alleiniger Annahme durch diesen (§ 1749 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Antrag der oder des Annehmenden weist nach allgemeiner Auffassung eine Doppelnatur auf: Zum einen stellt der Antrag eine verfahrensrechtliche Handlung dar, durch welche die Adoption erst angestoßen wird (formeller Rechtsakt)18. Zum anderen beinhaltet er wie bereits nach alter Rechtslage eine Willenserklärung; hierin wird das materiell-rechtliche Element des ­Antrags deutlich, welches der Gesetzgeber bei der Reform des Adoptionsrechts ausdrücklich betont hat19. Auch für die Einwilligungen des Kindes, seiner Eltern und des Ehegatten der annehmenden Person (§§ 1746, 1747, 14  Grundsatz der gemeinschaftlichen Adoption bei Ehepaaren (§§ 1741 Abs. 2 S. 1, 1743 S. 2 BGB), Adoption durch Einzelperson nur unter bestimmten Umständen (§§ 1741, 1743 BGB). Siehe außerdem jüngste Entscheidung des BVerfG, nach welcher der Ausschluss von Stiefkindadoptionen nur in nichtehelichen Familien gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot verstößt, BVerfG NJW 2019, 1793, entgegen früherer Rspr, siehe BVerfGE 117, 316 (327); BGH NJW 2017, 1672. 15  Sog. Volladoption, vgl. BT-Drs. 7/3061, 15 mit 19. Zuvor bloß „schwache Adoption“, vgl. §§ 1763, 1768–1772 a. F. BGB. 16  Entwurf eines Gesetzes über die Annahme als Kind, BT-Drs. 7/3061, 19. Anders bei der Volljährigenadoption: Verwandtschaftsstatus zu seinen bisherigen Verwandten bleibt (§ 1770 Abs. 2 BGB). Aber: Wirkungen der Minderjährigenannahme können herbeigeführt werden (§ 1772 BGB, aber: § 1770 Abs. 3 BGB). 17  MünchKommBGB/Maurer, § 1747 BGB Rn. 1. 18  Hierzu BVerwGE 108, 216. 19  BT-Drs. 7/3061, 41 f.: „Weil der Antrag auch die materiellrechtliche Einwilligung zur Begründung des neuen Eltern-Kindverhältnisses enthält …“; Annahme die-



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht83

1749 BGB) wird zum Teil diese Doppelnatur angenommen20. Sowohl Antrag als auch Einwilligungen stellen höchstpersönliche, bedingungsfeindliche und amtsempfangsbedürftige (§§ 1752 Abs. 2, 1750 Abs. 1  BGB) Willenserklärungen dar21, die keiner Stellvertretung zugänglich sind (§§ 1752 Abs. 2 S. 1, 1750 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BGB). Anders als der Antrag, der bis zum Wirksamwerden der Annahme zurückgenommen werden kann (§ 1750 Abs. 4 BGB), sind die Einwilligungserklärungen der Beteiligten unwiderruflich (§ 1750 Abs. 2 S. 2 BGB). Der Antrag bildet zusammen mit allen erforderlichen Einwilligungen und ggf. Zustimmungen rechtsdogmatisch keinen Vertrag, sondern kann allenfalls als (mehrseitiges) Rechtsgeschäft gewertet werden, das zugleich Verfahrenshandlung ist22. Die Bedeutung privatautonomer Elemente ist durch einen Wechsel vom Vertragsystem, d. h. einer wirksamen Adoption allein kraft Abgabe der erforderlichen Erklärungen durch die Beteiligten, zum sog. Dekretsystem, d. h. der wirksamen Kindesannahme erst durch zusätzlichen richterlichen Beschluss, infolge einer Adoptionsrechtsreform im Jahr 1976 eingeschränkt worden (§§ 1748, 1752, 1754 f. BGB)23. Der Gesetzgeber beabsichtigte, das Adoptionsrecht an das gewandelte gesellschaftliche Verständnis von der Adoption als Maßnahme zur Förderung des Kindeswohls und der Fürsorge für elternlose, uneheliche und solche Kinder, deren Eltern ihre elterlichen Pflichten nicht wahrnehmen wollten oder konnten, anzupassen24. Das Dekretsystem soll den Zweck der Adoption als Mittel der Fürsorge und die staatliche Verantwortung für die Annahme zum Ausdruck bringen und dem Vorbild anderer Rechtsordnungen folgen25. Daneben sind für den Systemwechsel ser Doppelnatur auch bei MünchKommBGB/Maurer, § 1752 BGB Rn. 6 f.; Erman/ Teklote, § 1752 BGB Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 32. 20  BGH NJW 1980, 1746 (1747); OLG Hamm NJW-RR 1987, 260 (261 f.); Staudinger2019/Helms, § 1750 BGB Rn. 3 f. m. w. N.; Beck-OGK-BGB/Löhnig, Bearbeitungsstand 1.4.2021, § 1746 BGB Rn. 6 f.; a. A. NK-BGB/Dahm, § 1750 BGB Rn. 1: Verfahrenshandlungen; ebenso Erman/Teklote, § 1750 BGB Rn. 1; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 42 mit 62: Rechtsgeschäft. 21  Siehe nur MünchKommBGB/Maurer, § 1750 BGB Rn. 25, 36. 22  Siehe bei Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 32, dass der Antrag „trotz aller isolierenden Tendenzen des Gesetzes“, „die Erklärung des Kindes (…) und der bisherigen Eltern als Folgeakt intendier[e] und erst mit diesen zusammen das richterliche Dekret rechtfertig[e]“. 23  Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz – AdoptG) vom 2.7.1976, BGBl 1976 I S. 1749. 24  BeckOGK-BGB/Löhnig, Bearbeitungsstand 1.12.2022, § 1752 BGB Rn. 2. Zuvor stand der Gedanke im Vordergrund, auch kinderlosen unverheirateten (wohlhabenden) Personen einen Kinderwunsch zu erfüllen, vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, S. 952; vgl. außerdem Muscheler, FamR, Rn. 706. 25  BT-Drs. 7/3061, 24; Staudinger2019/Helms, § 1752 BGB Rn. 1.

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

weitere Gründe ausschlaggebend gewesen. Zum einen ist das bis dato vorgesehene Verfahren als aufwendig und schwerfällig empfunden worden. Die vorgesehene mehrfache Befassung durch verschiedene Gerichte26 sollte vermieden werden. Außerdem sollte durch eine Änderung von § 14 Nr. 3 lit. f) RPflG künftig nicht mehr der Rechtspfleger, sondern ein Richter in allen mit der Annahme zusammenhängenden Akten befasst sein, weil „der Erlaß des Adoptionsdekrets (…) der schwerwiegendste gerichtliche Eingriff [sei], der auf dem Gebiet des Familienrechts überhaupt denkbar ist“27. Darüber hinaus erwies sich das Vertragssystem nicht als sachgerecht, da das Kind aufgrund seiner Minderjährigkeit ohnehin nur durch seinen gesetzlichen Vertreter (i. d. R. die Eltern) am Vertragsschluss beteiligt würde28. Außerdem gab es Bedenken, dass die Wirksamkeit des Adoptionsvertrags durch die Folgen der Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts – etwa die Möglichkeit der Anfechtung wegen Irrtums über die wesentlichen Eigenschaften des Kindes, die fehlende Vorlage der Vollmacht eines Vertreters, der Einwand von Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit oder Scheingeschäfts – mit Problemen einer ex-tunc Wirkung konfrontiert werden könnte29. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass das Dekretsystem besser geeignet sei, die Bestandskraft des Annahmeverhältnisses mit seinen auf Dauer ausgelegten statusrechtlichen Folgen zu sichern30. Ungeachtet des gerichtlichen Ausspruchs der Adoption und der damit verbundenen Mitwirkung des Staates, die der Wahrnehmung der ihm in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG auferlegten Wächteraufgabe dient31, betrifft die Annahme als Kind im Kern einen privatrechtlichen Sachverhalt. Innerer Grund für die Annahme ist die privatautonome Entscheidung zur Annahme an Kindes statt, nicht aber die staatliche Kontrolle der Entscheidung32. Die Adoption erfolgt 26  Vormundschaftsgericht als besondere Abteilung des Amtsgerichts: Ersetzung der elterlichen Einwilligung (§ 1747 BGB), Genehmigung des Annahmevertrages (§ 1751 BGB), Ersetzung der Zustimmung des Ehemannes zur Namensführung durch das Kind (§ 1758 Abs. 2 BGB), Genehmigung des Aufhebungsvertrages (§ 1770 BGB) sowie die Aufhebung des Annahmeverhältnisses (§§ 1770a, 1770b BGB); Amtsgericht als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GVG): Befreiung vom Erfordernis der Kinderlosigkeit und vom Mindestalter für Annehmende sowie von der Minderjährigkeit des Kindes (§ 1745 BGB), Bestätigung des Annahmevertrages (§ 1754 BGB) und die Bestätigung des Aufhebungsvertrages (§ 1770 BGB), vgl. BT-Drs. 7/3061, 41. 27  BT-Drs. 7/3061, 79. 28  BT-Drs. 7/3061, 24, 53. 29  BT-Drs. 7/3061, 24; Staudinger2019/Helms, § 1752 BGB Rn. 3; Bosch, FamRZ 1984, 829 (837). 30  BT-Drs. 7/3061, 24. 31  OLG Celle NZFam 2021, 352 (355). 32  Bosch, FamRZ 1984, 829 (838).



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht85

in erster Linie, weil die Beteiligten ihre Wirkungen wollen und mit der Abgabe der Erklärungen von ihrem Recht auf den Verzicht auf eine Rechtsposition Gebrauch gemacht haben, nicht aber weil der Staat sie ihnen auferlegt bzw. den Annehmenden gar ein Kind „zuspricht“33. Ähnliches gilt für die Eheschließung, die trotz der zwingenden Mitwirkung des Standesbeamten (Kontrolle und Beurkundung) nicht zum „Staatsakt“ bzw. einem öffentlichrechtlichen Tatbestand wird, sondern im Kern eine privatautonome Entscheidung bleibt34. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass auch im Rahmen der früheren Konzeption des Adoptionsrechts der Annahmevertrag durch ein Mitwirken des Gerichts in Form der Genehmigung flankiert wurde35. Insofern betrifft die Bezeichnung für die Struktur des Adoptionsrechts die Frage danach, wie die einzelnen Komponenten zu gewichten sind: Handelt es sich eher um eine Vertragslösung, die an eine staatliche Kontrolle gekoppelt ist, oder um einen staatlichen Hoheitsakt, der aber in privatrechtlichen Erklärungen der Beteiligten begründet liegt36? In jedem Fall gilt auch für die Adoption, dass privatautonome Gestaltungsfreiheit allein hinsichtlich des „Ob“ der Antragstellung sowie der Abgabe der notwendigen Erklärungen besteht. Ihr Inhalt („Wie“) ist privatautonomen Beschränkungen wie beispielsweise einer Auswahl erwünschter, gesetzlich nicht geregelter rechtlicher Wirkungen allerdings ebenso wie die Vaterschaftsanerkennung oder der Statuswechsel nicht zugänglich.

33  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 4; Bosch, FamRZ 1976, 401 (404, Fn. 49). 34  Bosch, FamRZ 1984, 829 (837 f.): Sachgerechter sei eine Vertragslösung mit Richtigkeitskontrolle durch das Gericht, dessen Beschluss sachliche Mängel heilt; Bosch, FamRZ 1976, 401 (404, Fn. 49). 35  Das Erfordernis einer gerichtlichen Bestätigung des Antrags (§ 1741 Abs. 2 BGB) wurde damit begründet, dass der Abschluss ungültiger Adoptionen aufgrund ihrer Wirkung auch im Verhältnis zu Dritten im öffentlichen Interesse zu verhindern sei. Eine gerichtliche Prüfung „des Wohles der Vertragschließenden“ und der vertraglichen Gestaltung sollte nach den Motiven explizit nicht bezweckt werden. Auch auf die Angemessenheit der Annahme an Kindesstatt sollte sich die Prüfung des Gerichtes nicht erstrecken“, vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, S. 973 (§ 1617) und S. 977 (§ 1619). 36  Staudinger2019/Helms, § 1752 BGB Rn. 2 unter Hinweis auf die praktische Bedeutung der Gewichtung im Zusammenhang mit der Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen: § 109 Abs. 1 FamFG für ausländische Dekretadoptionen, Art. 22 EGBGB für ausländische Vertragsadoptionen. Vgl. auch Gernhuber, Fami­ lienrecht, § 62, S. 970: „bloße Umschichtung von Elementen“ oder „Abstimmung auf das (…) juristische Formgefühl“.

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

II. Vaterschaftsanerkennung, §§ 1592 Nr. 2, 1594–1598 BGB 1. Ausgestaltung Mit der Vaterschaft kraft Anerkennung fand eine Rechtsfigur in den Kanon der Vaterschaftstatbestände des § 1592 BGB Eingang37, welche die Etablierung eines rechtlichen Vater-Kind-Verhältnisses durch die Abgabe von Willenserklärungen möglich macht. Ist im Zeitpunkt der Geburt eines Kindes dessen Mutter nicht verheiratet und gilt ihr Ehemann deshalb nicht kraft Ehe als rechtlicher Vater des Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB), so steht es einem Mann offen, im Wege einer Vaterschaftsanerkennung (§§ 1592 Nr. 2, 1594–1598 BGB) eine rechtliche Beziehung zum Kind zu etablieren38. Dazu bedarf es einer Erklärung des Anerkennenden dahingehend, dass er die rechtliche Vaterstellung einschließlich der an sie anknüpfenden Rechtsfolgen zu übernehmen bereit ist39. Ob das Kind tatsächlich vom Anerkennenden stammt, ist irrelevant und wird nicht überprüft40. Das Motiv des anerkennenden Mannes ist unerheblich: Die Anerkennung kann bewusst unrichtig sein oder aber in dem Glauben erfolgen, auch genetisch Vater des Kindes zu sein41. Neben der Anerkennungserklärung des Mannes ist auch die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) zentrales Element des Rechtsinstituts. Die Zustimmung der Mutter erfolgt nicht in Vertretung für das Kind, sondern in eigenem Namen. Nur in dem Ausnahmefall, dass der Mutter die elterliche Sorge nicht zusteht, wird ihre Zustimmung zusätzlich von der Zustimmung des Kindes flankiert (§ 1595 Abs. 2 BGB: „auch der Zustimmung des Kindes …“). Dogmatisch suggeriert die Ausgestaltung der Vaterschaftsanerkennung vertragsrechtliche Kategorien, obwohl rechtstechnisch kein Vertrag zustande

37  Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NEhelG) vom 19.8.1969, BGBl 1969 I S. 1243. 38  Die unterschiedlichen Vaterschaftstatbestände stehen sich gleichberechtigt gegenüber, wobei die Vaterschaftsanerkennung im Verhältnis zur gerichtlichen Feststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) rein praktisch von größerem Gewicht ist, vgl. Dethloff, FamR, § 10 Rn. 14 und Muscheler, FPR 2005, 177 unter Bezugnahme auf Daten des Statistischen Bundesamtes. 39  Der Wille oder das Wissen des Anerkennenden muss sich dabei nicht auf die einzelnen rechtlichen Folgen erstrecken, vgl. Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1594 BGB Rn. 1; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 5. 40  BVerfG NJW 2009, 423: Keine Pflicht des Gesetzgebers zur Überprüfung. 41  Dethloff, FamR, § 10 Rn. 14; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2007, 2098: keine Strafbarkeit nach § 169 StGB, keine Nichtigkeit wegen § 134 BGB. Nach § 44 Abs. 1 S. 3 PStG a. F. sollte der Standesbeamte jedoch von einer Beurkundung absehen, wenn die Anerkennung offenkundig nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 a. F. BGB durch eine Behörde anfechtbar wäre; beide Vorschriften sind weggefallen.



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht87

kommt42. Die Anerkennungserklärung ist nach allgemeiner Auffassung eine einseitige, nicht empfangsbedürftige, aber benachrichtigungsbedürftige (§ 1597 Abs. 2 BGB) Willenserklärung höchstpersönlicher Natur43. Die Zustimmungserklärung der Mutter stellt ebenfalls eine höchstpersönliche, aber parallel abgegebene Willenserklärung dar44; dass keine wechselseitigen Bindungen im Sinne eines Vertrages entstehen, belegt die Möglichkeit des Widerrufs nach § 1597 Abs. 3 BGB, die sich nur auf die Anerkennungserklärung bezieht. Dennoch kann die Vaterschaftsanerkennung als Kumulation von Anerkennungs- und Zustimmungserklärung und damit als familienrechtliches Rechtsgeschäft eingeordnet werden45. Die Begründung des Personenstands des Kindes unterliegt verschiedenen gesetzlichen Beschränkungen, die der Wahrung abstammungsrechtlicher Grundprinzipien dienen46. Diese Limitierungen äußern sich etwa darin, dass eine Unwirksamkeit der Anerkennungs- und Zustimmungserklärungen ausschließlich auf Grundlage der Bestimmungen in §§ 1594–1598 BGB beruhen kann (§ 1598 Abs. 1  BGB)47. Allgemeine Regeln über die Beachtlichkeit von Willensmängeln, etwa eines Irrtums i. S. v. § 119 Abs. 1 BGB, finden zu Gunsten der Stabilität der rechtlichen Zuordnung keine Anwendung. Beschränkungen ergeben sich auch hinsichtlich der Bindung: Obwohl mit der Statusbegründung im Ergebnis bei der Vaterschaftsanerkennung die gleiche Rechtswirkung herbeiführt wird, die auch einer gerichtlichen Entscheidung 42  Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 29: „So hat der Gesetzgeber einen Zustand geschaffen, der einem Vertrag ähnelt (weil die Zuordnung des Kindes für die Parteien disponibel ist), gleichzeitig aber kein Vertrag ist.“ 43  Erman/Hammermann, §  1594 BGB Rn.  3; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 8; Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 29; Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 21; Veit, FamRZ 1999, 902 (904); vgl. auch Rauscher, FPR 2002, 359 (360). Der BGH bezeichnete sie in einer älteren Entscheidung als einseitiges Rechtsgeschäft, BGHZ 64, 129 (130); vgl. auch Helms/Kieninger/ Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 19; Will, FPR 2005, 172 (174). Zum Teil wird vertreten, die Anerkennung besäße eine Doppelnatur, da sie auch eine Wissenserklärung enthalte, siehe Muscheler, FamR, Rn. 547; Billig, Statuswechsel (2000), S. 64. Dagegen Staudinger2011/Rauscher, § 1592 BGB Rn. 51; SpickhoffMedizinrecht/Spickhoff, § 1594 BGB Rn. 1; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 5; i. E. auch NK-BGB/Gutzeit, § 1594 BGB Rn. 1. 44  Soergel/Schmidt-Recla, § 1594 BGB Rn. 8; Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1595 BGB Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 29. 45  Vgl. auch Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 29. 46  Siehe Kap. 1 D. II., S. 50 ff. 47  Zum Beispiel § 1594 Abs. 2 BGB: Sperrwirkung anderweitiger rechtlicher Vaterschaft; § 1594 Abs. 3 BGB: Anerkennung unter Bedingung oder Zeitbestimmung; §§ 1595 Abs. 3, 1594 Abs. 3 BGB: Zustimmung unter Bedingung oder Zeitbestimmung; § 1596 BGB: Vertretung bei fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit, siehe insb. auch § 1596 Abs. 4 BGB: Keine Erklärung durch Bevollmächtigte.

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

im Rahmen eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zukommt48, ergeben sich für die Anerkennung Beschränkungen. Weil rechtliche und biologische Abstammung durch die rechtsgeschäftliche Statusbegründung der Anerkennung auseinanderfallen können, sieht der Gesetzgeber dort – anders als nach gerichtlicher Feststellung – die Möglichkeit der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft vor. Eine Vaterschaftsanfechtung ist erfolglos, wenn der Anerkennende leiblicher Vater ist, auch wenn er zuvor durch arglistige Täuschung zur Abgabe seiner Erklärung bewegt wurde und nach der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB in Betracht käme49. Schließlich muss beachtet werden, dass die Erklärung des Anerkennenden keinen anderen Inhalt aufweisen kann, als für sämtliche Rechtswirkungen aus dem Vater-Kind-Verhältnis einstehen zu wollen. Insofern unterliegen die personenstandsrechtlichen Folgen der Anerkennung nicht der Parteiherrschaft der Beteiligten50. Der Inhalt der Anerkennung („Wie“) unterliegt keiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit. Trotz der genannten Beschränkungen stellt die Vaterschaftsanerkennung hinsichtlich der Abgabe der erforderlichen Erklärungen („Ob“) einen privatautonomen Rechtsakt dar51. Unter dem gesetzgeberischen Leitbild der Freiwilligkeit der Anerkennung52 können die Mutter und der anerkennungsbereite Mann durch ihre Erklärungen über den Status des Kindes disponieren. Dies betrifft positiv den Entschluss zur deren Abgabe, gleichzeitig aber auch negativ den Entschluss zu einem Absehen von der Abgabe der Erklärungen sowie zu einem Absehen vom Betreiben eines Anfechtungs- und Vaterschaftsfeststellungsverfahrens, nachdem die Mutter als Ausdruck ihrer Privatautonomie ganz bewusst einer Anerkennungserklärung zustimmt, die nicht die biologische Wahrheit nachzeichnet53. Insofern können die Beteiligten innerhalb gesetzgeberisch abgesteckter Grenzen von der ihnen zugestandenen privatautonomen Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen. Dies belegt, dass auch im geltenden Abstammungsrecht bereits bestimmt umgrenzte Elemente von Privatautonomie angelegt sind.

48  Staudinger2011/Rauscher,

§ 1592 BGB Rn. 51. FPR 2002, 359 (363). 50  BGHZ 64, 129 (133): keine „Teilvaterschaft“; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 5; Billig, Statuswechsel (2000), S. 64; Veit, FamRZ 1999, 902 (904). 51  Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 29. Allgemeinere Ausführungen zu Privatautonomie im Abstammungsrecht bei Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 359 ff. 52  Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 29; Rauscher, FPR 2002, 359. 53  Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 31. 49  Rauscher,



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht89

2. Kritik Das vom Gesetzgeber im Zuge des KindRG etablierte Konzept einer Vaterschaftsanerkennung, welche die Zustimmung der Mutter als Wirksamkeitserfordernis vorsieht und einer Zustimmung des Kindes nicht bedarf, ist unter rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als problematisch bewertet worden. So wurde etwa darauf hingewiesen, das Kind könnte im Rahmen der konkreten Ausgestaltung zum „Objekt von Familienrechtsgeschäften“ werden54. Seit dem KindRG, in dessen Folge die Position der Mutter auch im Abstammungsrecht gestärkt werden sollte, bedarf die Vaterschaftsanerkennung nunmehr ihrer Zustimmung, und zwar nicht als gesetzliche Vertreterin des Kindes, sondern aus eigenem Recht (§ 1595 Abs. 1 BGB)55. Dies wurde damit begründet, dass durch die Anerkennung wegen etwaiger Umgangsrechte des Mannes auch die Rechtsstellung der Mutter berührt werde und sie deshalb bereits bei der rechtlichen Zuordnung mitwirken müsse56. Die Zustimmung des Kindes ist nur dann noch erforderlich, wenn der Mutter insoweit nicht die elterliche Sorge zusteht (§ 1595 Abs. 2 BGB), etwa bei Minderjährigkeit oder Geschäftsunfähigkeit der Mutter (§§ 1673 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB). Im Regelfall zusätzlich die Zustimmung des Kindes zu verlangen, welche seit Wegfall der Amtspflegschaft nicht mehr durch das Jugendamt, sondern durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin abzugeben wäre, stelle einen „sinnlose[n] Formalismus“ dar und sei deshalb entbehrlich57. Weil das Kind aber infolge der Zustimmung seiner Selbstbestimmung Ausdruck verleiht, wohnt dem Zustimmungserfordernis des Kindes auch ein materieller JZ 1996, 987 (992); vgl. auch Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 8 und Gaul, FamRZ 1997, 1449 (1450); in eine ähnliche Richtung weist auch Soergel/Schmidt-Recla, § 1594 BGB Rn. 6 und Rauscher, FPR 2002, 359 (363). 55  Der Gesetzgeber des NEhelG hatte noch das Erfordernis der Zustimmung des Kindes vorgesehen (§ 1600c Abs. 1 BGB a. F.), damit sich dieses keinen Mann aufdrängen lassen müsse, vgl. NK-BGB/Gutzeit, § 1595 BGB Rn. 2; Staudinger2011/ Rauscher, § 1595 BGB Rn. 8; Rn. 2; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 2. Gesetzlicher Vertreter war bei Kindern unter 14 Jahren und geschäftsunfähigen Kindern unter der sog. Amtspflegschaft das Jugendamt, vgl. BT-Drs. V/2370, 27. 56  BT-Drs. 13/4899, 54. Krit. Erman/Hammermann, § 1595 BGB Rn. 2 und Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 5b. Dieses Argument hätte ebenso für die Beibehaltung des kindlichen Zustimmungserfordernisses gesprochen, siehe Gaul, FamRZ 1997, 1449 (1450); vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 5 und Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (360). Außerdem erhoffte sich der Gesetzgeber eine Umgehung der Schwierigkeiten mit Blick auf Anerkennungen im Ausland, die die Zustimmung des Kindes nicht verlangen; sie wären nach deutschem Recht unwirksam (Art. 23 EGBGB), siehe BT-Drs. 13/4899, 85. 57  BT-Drs. 13/4899, 84. 54  Ramm,

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

Gehalt inne, den der Gesetzgeber möglicherweise verkannt hat58. Das gilt besonders deshalb, weil die Zustimmung des Kindes zur Anerkennung zum einen – sogar bei Volljährigkeit des Kindes – nur kumulativ neben jene der Mutter tritt („auch“)59, zum anderen die Mutter bei der Zustimmung im eigenen Namen die Interessen des Kindes nicht berücksichtigen muss60. Zur ausreichenden Wahrung der Kindesinteressen wird in der Literatur daher die Anordnung einer gerichtlichen Kontrolle gefordert61. Die Entscheidung über ein materielles Interesse des Kindes gehöre nach Auffassung einiger nicht in die Hand einer Mutter, die selbst betroffen ist und in eigenem Namen entscheiden darf62. Durch die derzeitige Regelung sei das Kind auf den Weg der Anfechtung mit anschließender Feststellungsklage angewiesen, wenn ihm der Vater aufgezwungen wird; dies schütze die Belange des Kindes nur ­unzureichend63. Dabei ist bemerkenswert, dass der Gesetzgeber für die An­ erkennung an der Entbehrlichkeit der Zustimmung des Kindes festhält, obwohl nach geltender Rechtslage sowohl im Namensrecht (§ 1617c Abs. 1 S. 2 BGB) als auch im Adoptionsrecht (§ 1746 Abs. 1 S. 3 BGB) seine Mitwirkung erforderlich ist. Ist ein Kind geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt, so kann es beispielsweise nur durch einen gesetzlichen Vertreter in die Adoption einwilligen; im Übrigen bedarf es einer Erklärung durch das Kind selbst unter Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 1746 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Eine diesem Muster ähnelnde Differenzierung liegt auch für das Recht der Anerkennung nahe64. Daneben werde durch die geltende Gestaltung auch die Position des leiblichen Vaters und des Anerkennenden

58  In diese Richtung auch BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1595 BGB Rn. 72. 59  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 3, 5; Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 8; Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (360). 60  Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 6, dort auch knapp zu anderen Lösungsmöglichkeiten; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 32. Es stehe zu befürchten, dass die Interessen der Mutter zu Lasten jener des Kindes verfolgt und durchgesetzt werden könnten, vgl. BVerfG NJW 2009, 423; Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 7; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 3. 61  Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 7 f. mit Hinweisen zu einer verfassungskonformen Auslegung zur Überwindung der Bedenken in Rn. 21 f. 62  Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 7. 63  Erman/Hammermann, §  1595 BGB Rn. 2; Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 8 mit der Anmerkung, dass das minderjährige Kind für die Anfechtung bzw. das Feststellungsverfahren wiederum auf die gesetzliche Vertretung durch die Mutter angewiesen ist; siehe außerdem Soergel/Schmidt-Recla, § 1594 BGB Rn. 5; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 32; a. A. OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 1578 (1579). 64  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1595 BGB Rn. 4.



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht91

verkürzt: Sie seien durch die Zustimmung der Mutter einer erhöhten Fremdbestimmung unterworfen65.

III. Scheidungsakzessorischer Statuswechsel, § 1599 Abs. 2 BGB 1. Ausgestaltung Mit dem sog. scheidungsakzessorischen Statuswechsel66 hat der Gesetzgeber das Abstammungsrecht um eine spezielle Form der Vaterschaftsanerkennung und damit um ein weiteres Rechtsinstitut mit privatautonomen Elementen erweitert67. Konkret sieht der Statuswechsel in § 1599 Abs. 2 BGB vor, die pater-est-Regel unter bestimmten Voraussetzungen zugunsten der rechtlichen Vaterschaft eines Dritten zu durchbrechen. Die Neuregelung beruhte im Wesentlichen auf der praktischen Erwägung, dass wegen der Auflösung einer Ehe erst mit Ablauf von in der Regel ein bis drei Jahren (§ 1566 BGB)68 der Ehemann meist nicht der leibliche Vater eines Kindes ist, das während eines laufenden Scheidungsverfahrens geboren wird69. Zu den Voraussetzungen des Statuswechsels zählen erstens die Geburt des Kindes nach Anhängigkeit70 eines Scheidungsantrags, zweitens die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Dritten innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses71, welcher dem Scheidungsantrag stattgegeben hat, drittens die Zustimmung des Ehemannes der Kindsmutter zur Änderung der rechtlichen Zuordnung (§ 1599 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB) und viertens die Rechtskraft des der Scheidung stattgebenden Beschlusses72. Der Gesetzgeber ermöglicht auf 65  Erman/Hammermann, § 1595 BGB Rn. 2.  Das BVerfG geht von der Verfassungsmäßigkeit

der Zustimmung der Mutter innerhalb der Vaterschaftsanerkennung aus, nimmt aber keine Abwägung der Interessen des Kindes oder des Anerkennenden mit jenen der Mutter vor, BVerfGE 108, 82 (100); NJW 2009, 423. Zust. OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 1578 (1579); krit. Staudinger2011/Rauscher, § 1595 BGB Rn. 5a. 66  Begriff erstmals bei Wagner, FamRZ 1999, 7; Will, FPR 2005, 172 (174): „fliegender Vaterwechsel“; kollisionsrechtliche Aspekte bei Breuers, FuR 2013, 125. 67  Will, FPR 2005, 172 (174): „qualifizierte Anerkennung“; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 46. 68  Faktisch kann die Frist durch wahrheitswidriges Vortragen umgangen und eine sofortige Scheidung erreicht werden, vgl. MünchKommBGB/Weber, § 1566 BGB Rn. 5. Das Scheidungsverfahren selbst beansprucht eine Dauer von etwa drei bis 12 Monaten, Rauscher, FPR 2002, 359 (367). 69  BT-Drs. 13/4899, 53. Zur Entstehungsgeschichte siehe auch Gauseweg, ­NZFam 2019, 147 (149 f.). 70  Nicht Rechtshängigkeit, bloßes Einreichen genügt. 71  Zur Vermeidung rechtlicher Vaterlosigkeit vgl. BT-Drs. 13/4899, 53. 72  Rauscher, FPR 2002, 359 (368): „mehrelementiger Tatbestand“.

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

diese Weise eine Neuordnung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung während (noch) bestehender Ehe auf Basis von willensgetragenen Erklärungen der Beteiligten und bedingt dadurch den Grundsatz ab, dass bei Bestehen einer anderweitigen rechtlichen Vaterschaft eine Vaterschaftsanerkennung nicht möglich ist (§ 1594 Abs. 2 BGB)73. Die Vaterschaftsanerkennung des Dritten wird allerdings frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam, sodass der Statuswechsel erst ab diesem Zeitpunkt als vollzogen gilt74. Die im Rahmen von § 1599 Abs. 2 BGB zusätzlich erforderliche Zustimmung des Ehemannes stellt wie die Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar75. Für die Beziehung von Anerkennungserklärung und Zustimmungserklärung im Rahmen von §§ 1594 ff. BGB einerseits und der Zustimmung des Ehepartners andererseits gilt außerdem entsprechend, dass keine wechselseitigen Bindungen im Sinne eines (dreiseitigen) Vertrages erzeugt werden76. Auch für den scheidungsakzessorischen Statuswechsel gilt, dass privatautonome Gestaltungsfreiheit lediglich hinsichtlich des „Ob“, nicht aber hinsichtlich des „Wie“ der rechtlichen Zuordnung besteht. Außerdem findet die Dispositionsfreiheit in der pater-est-Regel ihre Grenzen, denn das Erfordernis der Rechtskraft der Scheidung verhindert, dass ein Dritter trotz Bestehens der Ehe rechtlicher Vater des Kindes werden kann77. Dennoch stellt der Statuswechsel einen weiteren Beleg dafür dar, dass dem Abstammungsrecht privatautonome Gestaltungsfreiheit im Rahmen der (Um-)Zuordnung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung nicht fremd ist78: Der Status des Kindes hängt von der Ausübung bzw. Nichtausübung der privatautonomen Entschei73  Zur alten Rechtslage und der Vorgeschichte von § 1599 Abs. 2 BGB siehe Wagner, FamRZ 1999, 7 (8). Zu anderen, jedoch abgelehnten Reformvorschlägen, siehe Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 13/4899, 147; ausführlich dazu bei Billig, Statuswechsel (2000), S. 15 ff. 74  Den Beteiligten steht weiter frei, eine Statusänderung durch ein Anfechtungsverfahren herbeizuführen. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung entfällt nicht schon bei Vorliegen aller Voraussetzungen nach § 1599 Abs. 2 BGB, Soergel/ Schmidt-Recla, § 1599 BGB Rn. 6; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 68; vgl. auch Rauscher, FPR 2002, 359 (368); anders wohl OLG Naumburg FamRZ 2008, 432. 75  Staudinger2011/Rauscher, §  1599 BGB Rn. 97; Billig, Statuswechsel (2000), S. 88. Krit. hinsichtlich der Erklärung des Ehemannes Gauseweg, NZFam 2019, 147 (150). 76  Veit, FamRZ 1999, 902 (904). 77  BT-Drs. 13/4899, 53. 78  Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 47 f.



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht93

dungsbefugnis ab, die der Gesetzgeber den Eltern in diesem Zusammenhang eingeräumt hat. 2. Kritik Neben der Ausgestaltung der Vaterschaftsanerkennung ist auch der scheidungsakzessorische Statuswechsel in der Literatur in vielerlei Hinsicht auf Kritik gestoßen79. Bedenken wurden insbesondere dahingehend geäußert, dass das Institut eine Änderung des Personenstandes des Kindes im Wege einvernehmlicher Erklärungen der Mutter, ihres Ehemannes und eines Dritten ohne gerichtliche Mitwirkung ermögliche80. Der Gesetzgeber selbst hat diesen Einwand kommen sehen und wies schon in der Entwurfsbegründung darauf hin, dass der Kindesstatus auch im Rahmen einer Vaterschaftsanerkennung, bei welcher die tatsächliche Abstammung nicht geprüft werde, der Disposition der Mutter und des anerkennenden Mannes unterliege; kritikwürdig sei lediglich der Nachteil, der sich für das Kind durch einen Austausch des rechtlichen Vaters ergeben kann, der aber letztlich von den praktischen Vorteilen der Lösung überwogen würde81. Hiergegen wandte man zum Teil ein, dass beide Institute nicht vergleichbar seien, weil die Anerkennung eine positive Statusfolge, der scheidungsakzessorische Statuswechsel mit dem Verlust des Ehemannes als rechtlichem Vater aber auch eine negative Statusfolge nach sich ziehe82. Darüber hinaus erscheine die Konzeption des § 1599 Abs. 2 BGB systemwidrig, weil bereits für das Adoptionsrecht im Jahr 1976 die Abkehr vom Vertrags- zum Dekretsystem beschlossen wurde83. Gegen die genannten Argumente lässt sich einwenden, dass sich der Gesetzgeber lediglich der „Richtigkeitsgarantie (…) privatautonomen Handelns“ bedient84 und die Anwendung von § 1599 Abs. 2 BGB in den meisten Fällen im Ergebnis zu einer Kongruenz von rechtlicher und biologischer Vaterschaft führt, was grundsätzlich gewünscht ist85. Der Vergleich des scheidungsakzessorischen Statuswechsels mit der Vaterschaftsanerkennung geht nicht fehl, 79  Ausführlich

bei Billig, Statuswechsel (2000), S. 217–254. § 1599 BGB Rn. 65: „Gefahr eines einvernehmlich ausgehandelten Personenstandsgeschäfts“. 81  BT-Drs. 13/4899, 53. 82  Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1454); vgl. auch ders., in: FS Gernhuber (1993), 619 (647); ders., FamRZ 2000, 1461 (1464). 83  Gaul, FamRZ 1997, 1449 (1461, 1464). 84  Wagner, FamRZ 1999, 7 (9). 85  Soergel/Schmidt-Recla, § 1599 BGB Rn. 6; vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 65 f.; Dethloff, FamR, § 10 Rn. 13; Wagner, FamRZ 1999, 7 (9). 80  MünchKommBGB/Wellenhofer,

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

weil der Gesetzgeber im Rahmen von § 1599 Abs. 2 BGB zwingend eine Anerkennung durch den Dritten verlangt, sodass dem Kind überhaupt ein rechtlicher ein Vater zugeordnet wird; lediglich personell ergeben sich in der Vaterstelle Unterschiede, deren Nachteile durch die prozessualen Vorteile ggf. überwogen werden86. Dogmatisch kann im Rahmen von § 1599 Abs. 2 BGB ohnehin nicht von einem Vertrag gesprochen werden87. Selbst wenn man dies anders bewertete, muss sich die Kritik an der Dispositionsmöglichkeit an die im Statuswechsel eingebettete Ausgestaltung der Vaterschaftsanerkennung richten, die auf eine Zustimmung des Kindes verzichtet88. Wenn die Vaterschaftsanerkennung die Möglichkeit der Disposition über den Kindesstatus ohne staatlichen Kontrollakt bietet, kann dieser Aspekt im Rahmen von § 1599 Abs. 2 BGB nicht berechtigt kritisiert werden89. Darüber hinaus komme es, so die Gegner, durch die „Freigabe des Status an die rechtsgeschäftliche Privatautonomie“ zu einer Durchbrechung des Anfechtungsprinzips, nach welchem ein Statusverhältnis grundsätzlich nur durch ein von der Offizialmaxime beherrschtes Anfechtungsverfahren, d. h. nur in einem Prozess vor Gericht, beseitigt werden kann90. Überhaupt führe die Möglichkeit, per privatautonomen Akt über den Kindsstatus zu entscheiden, mit Blick auf die Prozessgrundsätze zu einem Widerspruch91. Rechtsgeschäftliche Privatautonomie hat im Prozess in der Regel den Beibringungsgrundsatz, d. h. die Herrschaft der Parteien über den Prozess und die Vorlage von Tatsachen zur Entscheidung, zur Folge. Bis heute gilt in AbstammungsJR 1999, 356 (359). FamRZ 1999, 7 (9). 88  BeckOGK/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1599 BGB Rn. 36; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 66; Rauscher, FPR 2002, 359 (368). 89  Dethloff, FamR, § 10 Rn. 13. 90  Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (648); ders., FamRZ 1997, 1441 (1448); vgl. auch Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder BT-Drs. V/2370, 26, 27. Eine Berufung auf die Rechtslage in skandinavischen Ländern bzw. die entsprechende Schweizer Regelung gehe fehl, weil dort die Anerkennung durch den Dritten unter staatlicher Mitwirkung erfolgt, bzw. dort weiterhin am Anfechtungsprinzip festgehalten werde, siehe Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1455); ders., FamRZ 2000, 1461 (1464 f.). Bemüht wurden außerdem die Kommissionsberatungen zum BGB: Schon einmal wurde abgelehnt, eine Erklärung über die fehlende Vaterschaft des Ehemannes einem Urteil im Anfechtungsprozess gleichzustellen; die Erklärung sollte von der Mutter und dem gesetzlich vertretenen Kind in öffentlich beurkundeter Form mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abgegeben werden, siehe Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 199 f.; vgl. auch Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (634, 638). 91  Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (648); ders., FamRZ 2000, 1461 (1463); ders., FamRZ 1997, 1441 (1455); vgl. auch Frank, in: Ramm/Grandtke (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung (1995), 71 (82); Mutschler, FamRZ 1994, 65 (68); Veit, FamRZ 1999, 902 (904 f.). 86  Muscheler/Beisenherz, 87  Wagner,



B. Privatautonome Gestaltungsspielräume im Statusrecht95

sachen (§ 111 Nr. 3, 169 Nr. 4 FamFG) jedoch der Amtsermittlungsgrundsatz92, sodass alle relevanten Tatsachen – für oder gegen eine Anfechtung – unabhängig vom Parteivorbringen vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Das Gericht, so die Gegner, müsste somit die relevanten Tatsachen unabhängig vom Parteivortrag von Amts wegen berücksichtigen93. Weiterhin ist wie schon im Rahmen der Anerkennung die fehlende Beteiligung des Kindes94 sowie die Zwangslage, die § 1599 Abs. 2 BGB unter Umständen für die Mutter schafft95, kritisiert worden. Angemerkt wurde außerdem, dass das Ziel der Vermeidung unnötiger Ehelichkeitsanfechtungsklagen womöglich nicht erreicht würde. Es sei unter zwei Gesichtspunkten nicht ausgeschlossen, dass es weiterhin zu (nunmehr sog.) Vaterschaftsanfechtungsprozessen kommt: Zum einen sei bei Einreichung des Scheidungsantrages nicht klar, ob oder wann der Scheidungsbeschluss ergehen wird, die Beteiligten zu einer Mitwirkung bereit sind und alle Voraussetzungen, insbesondere die Anerkennung des Dritten innerhalb der Jahresfrist, vorliegen. Um die Frist von zwei Jahren, innerhalb derer die Anfechtung möglich ist, nicht verstreichen zu lassen, könne es bei Unsicherheiten über das Erreichen aller Anforderungen aus § 1599 Abs. 2 BGB trotz allem zu einem Anfechtungsprozess kommen96. Weil bei erfolgreicher Anfechtung eine automatische „Rückzuordnung“ der rechtlichen Vaterstellung an den Ehemann aber ausscheide97, müsse zur Klärung der tatsächlichen Vaterschaft zusätzlich eine Vaterschaftsfeststellungsklage in Betracht gezogen werden, sodass es lediglich zu einer Verlagerung der Prozessproblematik komme98. Dass der Ehemann nicht der tatsächliche Vater des Kindes ist, könne durch entspre92  Das KindRG hatte in §§  640, 640d ZPO a.  F. daran festgehalten. Heute: § 26 FamFG. 93  Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1466). 94  Die „Objektstellung“ des Kindes werde auf die Spitze getrieben, siehe Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1463 f.); ders., FamRZ 1997, 1441 (1455); vgl. auch Billig, Statuswechsel (2000), S. 235; Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 und Ramm, JZ 1996, 987 (992). Einschränkend und unter Hinweis darauf, dass bei Kleinstkindern die höchstpersönliche Mitwirkung ohnehin ausscheide und auch die Mitwirkung eines Pflegers keine konkreten Vorteile brächte, MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1599 BGB Rn. 66. 95  Billig, Statuswechsel (2000), S. 235 f.; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1455); siehe aber auch Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (358). 96  Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1455); vgl. auch Billig, Statuswechsel (2000), S.  242 ff. 97  Str., dafür Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 49; unter Anwendung einer Analogie Veit, FamRZ 1999, 902 (905 ff.); dagegen Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1466). 98  Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (649); ders., FamRZ 1997, 1441 (1455, 1466).

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

chende, kostenangemessene Gutachten bewiesen werden99. Bemängelt wurde schließlich auch, dass nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses dem Dritten bis zu ein Jahr lang Zeit bleibt, sich die Anerkennung zu überlegen bzw. von ihr abzusehen, wodurch sich Unwägbarkeiten hinsichtlich Unterhaltszahlungen und staatlicher Leistungen ergeben könnten100. Außerdem stellt sich die Frage, ob innerhalb der Jahresfrist (§ 1599 Abs. 2 S. 1 BGB) allein die Anerkennung erklärt werden müsse oder ob alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einschließlich der Zustimmungserklärungen vorliegen müssen101. In einer jüngeren Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass die Zustimmungserklärung anders als die Anerkennungserklärung nicht der Jahresfrist des § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB unterliegt102. Darüber hinaus bleibt die Zustimmung wegen § 183 BGB bis zur Anerkennung aber frei widerruflich, die Anerkennung kann noch widerrufen werden, wenn sie ein Jahr nach der Beurkundung noch nicht wirksam geworden ist (§ 1597 Abs. 3 S. 1 BGB).

C. Die Stellung des Notars im Statusrecht I. Abstammungsrecht Sofern sich die Beteiligten dazu entschließen, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen von ihrer privatautonomen Gestaltungsfreiheit durch Erklärungen Gebrauch zu machen, sind diese Erklärungen zum Schutz der Betroffenen und des Rechtsverkehrs jeweils durch zwingende gesetzliche Formvorgaben abgesichert. So bedürfen die Anerkennungserklärung des Mannes (§ 1594 Abs. 1 BGB), die Zustimmungserklärung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB), in Fällen des § 1595 Abs. 2 BGB die Zustimmung des Kindes und alle Erklärungen, die von gesetzlichen Vertretern abgegeben werden müssen (§ 1596 Abs. 1 und 2 BGB) der öffentlichen Beurkundung103. Hier99  Gaul, in: FS Gernhuber (1993), 619 (622); ders., FamRZ 2000, 1461 (1465) unter Verweis auf BVerfGE 50, 32. 100  Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1455); zu etwaigen Vorwirkungen der Statusänderung siehe Rauscher, FPR 2002, 359 (369); sehr krit. zur Vermeidung der Regressproblematik und gegen Vorwirkungen siehe Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1465). Siehe aber auch Billig, Statuswechsel (2000), S. 252: Die genannten Unwägbarkeiten bestünden auch schon bei einer Vaterschaftsanfechtung mit anschließender Vaterschaftsanerkennung, sodass die Kritik im Rahmen von § 1599 Abs. 2 BGB nicht angebracht sei. 101  Für das Vorliegen aller Voraussetzungen Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1466 m. w. N.); a. A. BGH NJW-RR 2013, 705; OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 881 (883). 102  BGH NJW-RR 2013, 705. 103  Dies ergibt sich für die Anerkennungs- und Zustimmungserklärungen aus § 1597 Abs. 1 BGB unmittelbar, für die durch gesetzliche Vertreter abgegebenen Er-



C. Die Stellung des Notars im Statusrecht97

für sind Notare (§ 20 Abs. 1 ­ BNotO), Amtsgerichte (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 ­BeurkG, § 3 Nr. 1f RPflG), Standesbeamte (§ 44 Abs. 1 PStG) oder Urkundspersonen beim Jugendamt (§ 59 Abs. 1 SGB VIII) zuständig104. Zuvor war noch das Formerfordernis der „gerichtlichen oder notariellen Beurkundung“ für die Anerkennungserklärung und die Zustimmung vorgesehen (§ 1600e Abs. 1 S. 1 a. F. BGB) und wurde damit begründet, dass der Status des Kindes die öffentliche Ordnung betreffe und ihre Gültigkeit deshalb nachvollziehbar sein müsse. Außerdem bedürfe der Anerkennende einer Belehrung durch eine rechtskundige Person, welche ihn auch in die Lage versetzen solle, die Tragweite seiner Erklärung erkennen zu können. Mit dem KindRG ist der Gesetzgeber ohne ersichtliche Begründung zum Erfordernis der öffentlichen Beurkundung übergegangen, gleichzeitig wurde das Erfordernis öffentlicher Beurkundung auf die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, welche bis dato nur in öffentlich beglaubigter Form abzugeben war (§ 1600e Abs. 1 S. 2 a. F. BGB), erstreckt. Als Wirksamkeitsvoraussetzung seien „die Zustimmungen“ von derart weitreichender Bedeutung für die Anerkennung, dass auf den Schutz, den die öffentliche Beurkundung bietet, nicht verzichtet werden soll105. Aus diesem Grund muss auch die Zustimmung des Ehemannes der Mutter im Rahmen des scheidungsakzessorischen Statuswechsels öffentlich beurkundet werden (§ 1599 Abs. 2 S. 2 HS 2 BGB). Dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des KindRG unverändert auf die Tragweite der Erklärungen als Begründung für die öffentliche Beurkundung beruft, widerspricht dem Umstand, dass er von der strengeren Form der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung abgekehrt ist. Hierdurch ist eine Diskrepanz zu den Anforderungen im Adoptionsrecht geschaffen worden, das ausdrücklich die notarielle Beurkundung von Erklärungen erfordert. Weil die Vaterschaftsanerkennung lediglich darauf abzielt, eine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung zu begründen, ohne dass dadurch zwingend auch die Übereinstimmung mit der tatsächlichen Abstammung erforderlich wäre, darf der Notar auch bei positiver Kenntnis darüber, dass der Anerkennende nicht klärungen – ebenfalls als Wirksamkeitserfordernis für die Anerkennung – mittelbar aus § 1597 Abs. 2 S. 1 BGB, vgl. Staudinger2011/Rauscher, § 1597 BGB Rn. 6; vgl. auch die Begründung zum Entwurf des KindRG BT-Drs. 13/4899, 85. 104  In der Praxis wird die öffentliche Beurkundung in den meisten Fällen kostenfrei durch die gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 SBG VIII zuständigen Beamten und Angestellten des Jugendamtes vorgenommen; eine Beurkundung durch Standesbeamte (§ 29a Abs. 1 PStG) oder Notare (§ 1 ­BeurkG) kommt weniger häufig vor, Rauscher, FPR 2002, 359 (363). 105  BT-Drs. 13/4899, 85. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 47 gehen hingegen davon aus, dass Zustimmungen der gesetzlichen Vertreter weiterhin nur der Beglaubigung bedürfen (nur Beweisfunktion, nicht Warnfunktion); a. A. Staudinger2011/Rauscher, § 1596 BGB Rn. 26.

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

der leibliche Vater des Kindes ist, eine Beurkundung der Anerkennungs- und Zustimmungserklärung nicht nach § 4 ­BeurkG ablehnen106. Eine Ausnahme hiervon kann dann bestehen, wenn der Anerkennende Mutter und Kind zu einer Statusänderung verhelfen will, dafür eine Gegenleistung erhalten soll und ggf. auch der Notar einen zusätzlichen „Anerkennungsbetrag“ erhalten soll. Bei Erkennbarkeit einer solchen Lage muss der Notar die Beurkundung ablehnen, um dienstrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen zu verhindern107.

II. Adoptionsrecht Im Rahmen der Adoption sieht der Gesetzgeber als qualifiziertes Merkmal zwingend vor, dass die betreffenden Erklärungen ausdrücklich notariell zu beurkunden sind. Andere Urkundspersonen sind somit von ihrer Mitwirkung ausgeschlossen. Dies betrifft den Antrag des Annehmenden (§ 1752 Abs. 2 S. 2 BGB) und die Einwilligung des Kindes (§ 1746 BGB), jene der (leib­ lichen) Eltern des Kindes (§ 1747 BGB) sowie die Einwilligung des Ehegatten des Annehmenden (§ 1749 BGB), vgl. § 1750 Abs. 1 S. 2 BGB. Sowohl Antrag als auch Einwilligungen stellen aus Sicht des Gesetzgebers Erklärungen von erheblicher Tragweite dar, welche den Beteiligten vor Augen geführt werden muss, eines Schutzes vor Übereilung erfordert und deshalb eine eingehende Belehrung und Beratung durch einen neutralen Experten notwendig macht. Die Beurkundung garantiere den Bestand der Vereinbarung, die Ernstlichkeit und Überlegtheit des Entschlusses und die Übereinstimmung des Willens der Vertragsparteien108. Darüber hinaus dient die notarielle Beurkundung nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Rechtssicherheit im Verhältnis zum Gericht, welches insbesondere wegen der notariellen Pflichten aus § 17 Abs. 1 ­BeurkG davon ausgehen darf, dass eine fehlerfreie Erklärung vorgelegt wird109. Das Erfordernis der gerade notariellen Beurkundung ist sowohl für den Antrag als auch die Einwilligungen kritisiert worden. Zwar ermögliche die 106  Vgl. nur OLG Nürnberg FamRZ 2012, 1739 (Anerkennung trotz Kenntnis von Mehrverkehr der Partnerin); OLG Naumburg FamRZ 2008, 2146 (bewusst wahrheitswidrige Anerkennung); OLG Köln NJW 2002, 901 (bewusst wahrheitswidrige Anerkennung); Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 9; WürzburgerNotHdb/Müller-Engels, Teil 3 Kap. 4 Rn. 10; Grziwotz, notar 2018, 163 (169). 107  Lerch, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 16. 108  So schon die Begründung zum alten Adoptionsrecht, welches die bloße Schriftform des Annahmevertrages als ungenügend erachtete und die notarielle Beurkundung verlangte, vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, S. 972 (§ 1616). 109  BT-Drs. 7/3061, 40 mit 42; vgl. auch zum alten Recht Mugdan, Materialien zum BGB, S. 972 (§ 1616).



C. Die Stellung des Notars im Statusrecht99

notarielle Beurkundung des Antrags und der Einwilligungen ein gleiches Anforderungsniveau und entspreche auch der Form, welcher die Ehelicherklärung nach altem Recht unterlegen habe (§§ 1730, 1740a Abs. 2 a. F. BGB)110. Sie sei dennoch rechtspolitisch verfehlt bzw. überflüssig111. Ein vom Jugendamt öffentlich zu beglaubigender Antrag zur Niederschrift des Gerichts oder die öffentliche Beurkundung durch das Jugendamt seien insbesondere vor dem Hintergrund der niedrigeren Kostenintensität ausreichend gewesen112. Außerdem erscheine die Beurkundung durch einen Notar deshalb nicht angebracht, weil er im Vorfeld mit den oft langen Vorbereitungen der Adoption in aller Regel nicht befasst werde113. Das Kostenargument ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, wenn man beachtet, dass Beurkundungs­ tätigkeiten des Jugendamtes weitgehend gebührenfrei in Anspruch genommen werden können (§ 59 SGB VIII i. V. m. § 64 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X). Für die notarielle Beurkundung hingegen fallen bei der Annahme Minderjähriger für den Antrag mindestens 60 Euro114, für Einwilligungen nach §§ 1746, 1747 und 1749 BGB jeweils mindestens 30 Euro115 an. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, die Kosten durch Zusammenfassung mehrerer Erklärungen in einer Urkunde zu senken116: Wird demnach die Beurkundung des Antrags mit jener der Einwilligung eines Elternteils zusammengefasst, deckt die Gebühr von mindestens 60 Euro für den Antrag beide Erklärungen ab. Dies vorausgesetzt kann das Kostenargument allein nicht zur Kritik am Erfordernis notarieller Mitwirkung herangezogen werden. Dies gilt vor allem deshalb, weil sie eine Reihe wichtiger Funktionen erfüllt, die im Rahmen einer Beurkundung durch eine Urkundsperson beim Jugendamt nicht sichergestellt werden könnten. So gewährleistet allein die notarielle Beteiligung die umfassende Rechtsberatung und -belehrung117 durch einen zu Neutralität verpflichteten, unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 ­BNotO) als Experten, der als zusätzliche Kontrollinstanz in einem Vor-

NJW 1976, 1865 (1869). NJW 1976, 1865 (1869); krit. auch MünchKommBGB/Maurer, § 1750 BGB Rn. 12: im Grunde gehe es im Rahmen der Beratung eher um soziale und psychologische Aspekte. 112  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 33; aber siehe auch Staudinger2007/Frank, § 1750 BGB Rn. 4: „Nachdem der Gesetzgeber entschieden hat, sollte man die fruchtlose Diskussion darüber, ob eine öffentliche Beurkundung durch das [Jugendamt] die bessere Lösung wäre, einstellen.“ 113  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 Rn. 33. 114  Nach Nr. 21200 KV GNotGK eine 1,0 Gebühr. 115  Nach Nr. 21201 Nr. 8 KV GNotKG eine 0,5 Gebühr. 116  Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Pfeiffer, GNotKG, § 101 GNotKG Rn. 4. 117  Vor allem auch über die Unwiderruflichkeit der Einwilligungserklärung im Grundsatz, vgl. MünchKommBGB/Maurer, § 1750 BGB Rn. 32 ff. 110  Lüderitz, 111  Lüderitz,

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Kap. 2: Privatautonome Elemente im geltenden Statusrecht

gang von erheblicher Tragweite dient118. Sofern angeführt wird, es gehe im Rahmen der Belehrung über die Annahme als Kind vordergründig ohnehin nicht um rechtliche, sondern um soziale und psychologische Gesichtspunkte der Annahme als Kind119 mit der Folge, dass auf eine notarielle Form verzichtet werden könne120, so verkennt diese Auffassung, dass in der Regel gerade der separate Termin vor einem Notar den Beteiligten in jeglicher Hinsicht die Tragweite ihrer Entscheidung nochmals vor Augen führt121. Außerdem spricht für die notarielle Mitwirkung die von notariellen Urkunden ausgehende Richtigkeitsgewähr der abgegebenen Erklärungen. Gerade das Familiengericht ist für den Beschluss, welcher dem Antrag auf Annahme stattgibt, auf rechtlich einwandfreie Erklärungen angewiesen122. Nur auf diese Weise kann zur Rechtssicherheit beigetragen werden, welche wiederum essentiell ist für ein Statusrecht, das auf Beständigkeit rechtlicher ElternKind-Beziehungen ausgerichtet ist123.

D. Ergebnis Das Statusrecht bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen rechtlicher Ordnungsfunktion einerseits und Autonomiebedürfnis der Betroffenen andererseits. Der feststehende Kanon statusrechtlicher Tatbestände, innerhalb derer der Gesetzgeber den Betroffenen einzelne privatautonome Gestaltungsfreiheiten einräumt, stellt insofern einen Ausgleich der an sich widerstrebenden Interessen dar. Die Institute vereint die Tatsache, dass Möglichkeit und konkrete Gestaltung der Disposition über den kindlichen Status nach den Vorstellungen der Eltern stets auf rechtliche Bedenken gestoßen sind. Die öffentliche bzw. notarielle Beurkundung als obligatorisches Formerfordernis innerhalb der Statustatbestände stellt sich sowohl als Beschränkung von Pri118  BGB-RGRK/Dickescheid, § 1750 BGB Rn. 3; Staudinger2019/Helms, § 1750 BGB Rn. 9. 119  Eine Ergänzung der notariellen Beratung in psychosozialer Hinsicht bietet mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption (Adoptionshilfegesetz) am 01.04.2021 (BGBl 2021 I S. 226 ff.) für Stiefkindadoptionen die Vorschrift des § 9a AdVermiG, die eine verpflichtende Beratung durch die Adoptionsvermittlungsstelle vorsieht, vgl. hierzu Keuter, NZFam 2021, 49. Die Beratungspflicht nach § 9a AdVermiG umfasst nicht den offiziellen bzw. privaten Samenspender, da sie anders als die Einwilligung in die Adoption nicht mit dem Verlust eines Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verbunden ist, vgl. Bernauer, notar 2021, 79 (81). 120  MünchKommBGB/Maurer, § 1750 BGB Rn. 12: Verweis auf Art. 265a Abs. 2 ZGB (mündliche oder schriftliche Erklärung vor der Vormundschaftsbehörde). 121  Ähnlich Staudinger2019/Helms, § 1750 BGB Rn. 9. 122  Staudinger2019/Helms, § 1750 BGB Rn. 9. 123  Siehe Kap. 1 D. II. 5., S. 57.



D. Ergebnis101

vatautonomie als auch als Element zur Förderung von Statussicherheit dar. Die Beurkundung bezweckt, das Spannungsverhältnis dadurch aufzulösen, dass durch sie einerseits privatautonome Entscheidungen der Beteiligten abgesichert werden, die präventive Kontrolle durch den Notar andererseits aber gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zu Nachweisbarkeit und Beständigkeit der vorgenommenen Rechtshandlungen darstellt. Dies schafft ein hohes Maß an Rechtssicherheit.

Kapitel 3

Notarielle Vereinbarungen anlässlich einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen Die notarielle Mitwirkung an Vereinbarungen anlässlich von Kinderwunschbehandlungen besitzt eine rechtspraktische Bedeutung, die nicht zuletzt darauf zurückgeht, dass Ärzte wegen berufsrechtlicher Vorgaben in der Regel die notarielle Beurkundung entsprechender Vereinbarungen verlangen1. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Inhalte Kinderwunschvereinbarungen regelmäßig aufweisen, wie sie dogmatisch einzuordnen sind, welche materiell-rechtlichen Grenzen sich abzeichnen und wie sich die notarielle Mitwirkung an Kinderwunschvereinbarungen im Allgemeinen darstellt.

A. Inhalt von Kinderwunschvereinbarungen I. Allgemeine Angaben Kinderwunschvereinbarungen, die eine geplante Zeugung eines Kindes durch den Samen eines Spenders zum Gegenstand haben2, enthalten zunächst Angaben über die vertragsschließenden Personen; dies sind in der Regel ausschließlich die Personen einer heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Paarbeziehung3. In Konstellationen der privaten Samenspende kann auch der Samenspender an der Vereinbarung beteiligt werden4. Ferner sind Fälle denkbar, in welchen ein gleichgeschlechtliches Frauenpaar mit einem gleichgeschlechtlichen Männerpaar eine Kinderwunschverein­ barung schließt und deshalb mindestens vier Personen beteiligt sind. 1  Vgl. Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, §  92 Rn. 76; Raude, RNotZ 2019, 451 (455). Ist keine notarielle Mitwirkung vorgesehen, so ist wohl davon auszugehen, dass die Klinik neben dem Behandlungsvertrag die Kinderwunschvereinbarung mit den Beteiligten schließt. 2  Grundsätzlich sind auch Kinderwunschvereinbarungen denkbar, die beispielsweise eine Leihmutterschaft und damit eine gespaltene Mutterschaft betreffen; sie sollen im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert sein. 3  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 1). 4  Beck’sches Formularbuch-FamR/Grziwotz, Kap. O, Punkt II. 6. Rn. 1.



A. Inhalt von Kinderwunschvereinbarungen 103

Erforderlich sind Informationen über Tag und Ort der Eheschließung bei verheirateten Paaren und Zeitpunkt des Beginns einer Beziehung und ggf. des Führens eines gemeinsamen Haushalts bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. In beiden Fällen kann die Vereinbarung zusätzlich eine Versicherung dahingehend enthalten, dass eine gefestigte, intakte Paarbeziehung besteht und etwa ein Scheidungsantrag im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gestellt worden ist. Darüber hinaus empfiehlt sich, zur Klarstellung entsprechende Bezeichnungen der Personen festzulegen, etwa „sozialer Vater“ für den Mann, der die Paarbeziehung zur Mutter führt, wegen der Samenspende aber nicht biologisch-genetischer Vater sein wird. Kinderwunschvereinbarungen enthalten weiter Angaben zur (medizinischen) Kinderwunsch-Historie des Paares, etwa dem bisherigen Scheitern einer homologen Befruchtung, der medizinischen Indikation für eine heterologe Befruchtung, genaue Angaben zur gewünschten (medizinischen) Befruchtungsmethode und ggf. einer bereits erfolgten medizinisch-psychosozialen Beratung5.

II. Notarielle Belehrung Einen wesentlichen Bestandteil von Kinderwunschvereinbarungen stellt ferner die Belehrung durch den Notar dar, die in der Erklärung eigens festzuhalten ist. Sie betrifft den allgemeinen Hinweis darauf, dass eine solche Belehrung über Rechtsfolgen und mögliche rechtliche Probleme des Einsatzes von Spendersamen erfolgt ist. Darüber hinaus werden die wichtigsten Belehrungsinhalte ausdrücklich in die Vereinbarung aufgenommen6. Hierzu zählt etwa der erfolgte Hinweis des Notars auf den Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB bei heterologer Befruchtung eines heterosexuellen Paares, das verbleibende Anfechtungsrecht des gezeugten Kindes sowie der Ausschluss der gerichtlichen Feststellung des Samenspenders als rechtlichem Vater bei einer medizinisch assistierten Befruchtung, vgl. § 1600d Abs. 4 BGB, § 1a Nr. 9 TPG7. Darüber hinaus enthalten Kinderwunschvereinbarungen hinsichtlich der notariellen Beratung stets Hinweise darauf, welche rechtlichen Erfordernisse zur Herbeiführung einer rechtlichen Elternstellung bestehen: Handelt es sich um ein nichtverheiratetes heterosexuelles Paar, erfolgt die Dokumentation 5  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 1). 6  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M; vgl. auch Formular bei Beck’sches Formularbuch-FamR/Grziwotz, Kap. O, Punkt II. 5. 7  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 2).

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

der Belehrung darüber, dass und unter welchen Voraussetzungen die Vaterstellung durch eine Vaterschaftsanerkennung oder gerichtliche Vaterschaftsfeststellung begründet werden kann und dass hierdurch wechselseitige Unterhalts- und Erbrechte sowie -pflichten ausgelöst werden, solange die rechtliche Vaterschaft besteht. Gleichzeitig erfolgt eine Belehrung über rechtliche Unterschiede zwischen ehelichen Kindern und solchen, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, und über die Möglichkeit der Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge durch Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung oder durch Heirat (vgl. § 1626a BGB). Bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist aufzunehmen, dass die Begründung einer zweiten rechtlichen Elternschaft eine Stiefkindadoption (§§ 1741 Abs. 2 S. 2, 1766a BGB) erfordert, deren Voraussetzungen, Modalitäten und Folgen wie beispielsweise gesetzliche Unterhalts- und Erbrechte zu erörtern sind8. Darüber hinaus wird in der Regel unabhängig von der Paarkonstellation aufgenommen, dass der Notar das Paar über das Recht des medizinisch assistiert gezeugten Kindes auf Auskunft über die Identität des Spenders (§ 10 SaRegG) informiert hat und Anonymitätsvereinbarungen gegenüber dem Kind nicht möglich sind9.

III. Einwilligung in die heterologe Befruchtung Als Kernelement enthalten Kinderwunschvereinbarungen Klauseln dahingehend, dass sich die Vertragsschließenden mit einer konkret zu bezeichnenden Befruchtung einverstanden erklären und die Verantwortung für das daraus entstehende Kind übernehmen wollen. Heterosexuelle Paare erklären außerdem, dass sie sich darüber bewusst sind, dass eine spätere Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft nicht mehr durch sie, sondern nur noch durch das zu zeugende Kind möglich ist, vgl. § 1600 Abs. 4 BGB10. Weil die Einwilligungserklärungen wegen § 1600 Abs. 4 BGB eine statusrechtliche Wirkung entfalten, indem eine statusrechtliche Loslösung von dem gezeugten Kind erschwert wird, handelt es sich nach hiesigem Verständnis um eine Kinderwunschvereinbarung im engeren Sinne. Die Einwilligungserklärungen werden begleitet von der Klarstellung darüber, dass ein Widerruf der Erklärungen möglich ist. In der Regel wird zudem 8  Beck’sches Formularbuch-FamR/Grziwotz, Kap.  O, Punkt  II.  5. Rn.  1 und Punkt II. 6. Rn. 1; Grziwotz, notar 2018, 163 (173). 9  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 2); Grziwotz, notar 2018, 163 (173). 10  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 3).



A. Inhalt von Kinderwunschvereinbarungen 105

niedergelegt, bis zu welchem Zeitpunkt dies gelten soll, wem gegenüber ein Widerruf zu erfolgen hat und welche Form einzuhalten ist11. Daneben kann aufgenommen werden, dass die Abgabe der Einwilligungserklärung keine Verpflichtung der Frau beinhaltet, nach Ablauf der Widerrufsfrist die „Pille danach“ einzunehmen oder eine zulässige Abtreibung vornehmen zu lassen12. Schließlich werden die Einwilligungserklärungen flankiert von der aufgenommenen Verpflichtung der Paare, dem Kind wie einem leiblichen Fürsorge und Liebe entgegenzubringen und ihm eine gemeinsame Erziehung zukommen zu lassen13.

IV. Auskunftsansprüche Kinderwunschvereinbarungen enthalten in der Regel außerdem Regelungen über Auskunftsansprüche der von der Kinderwunscherfüllung betroffenen Personen. Wird das Kind durch Spendersamen im Rahmen einer Einrichtung nach dem TPG medizinisch assistiert gezeugt, dürfen wegen des gesetzlich normierten Auskunftsanspruchs des Kindes gemäß § 10 SaRegG Anonymitätsvereinbarungen zu Lasten des Kindes nicht getroffen werden. Denkbar erscheint, dass auch im Falle von privaten Samenspenden ein Auskunftsanspruch des Kindes ausdrücklich in die Vereinbarung aufgenommen wird. Darüber hinaus bedarf es einer Erörterung dahingehend, ob dem Samenspender vertragliche Auskunftsansprüche eingeräumt werden sollen und ob sich die Vertragsschließenden ggf. zur einer Verschwiegenheit Dritten gegenüber verpflichten möchten14.

V. Unterhaltsansprüche und Freistellungsvereinbarungen Als Kinderwunschvereinbarung im weiteren Sinne, weil nicht unmittelbar den Status betreffend, sind ferner vertraglich geregelte Unterhaltsansprüche und Freistellungsvereinbarungen einzustufen. In Bezug auf das zu zeugende Kind enthalten entsprechende Vereinbarungen regelmäßig die Klarstellung, dass wegen § 1601 BGB wechselseitiger Unterhalt geschuldet ist, sobald eine verwandtschaftsrechtliche Beziehung,

11  Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 95; Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 3); Grziwotz, notar 2018, 163 (173). 12  Formular bei Beck’sches Formularbuch-FamR/Grziwotz, Kap. O, Punkt II. 5. 13  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 4). 14  Beck’sches Formularbuch-FamR/Grziwotz, Kap. O, Punkt II. 5. Rn. 8.

106

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

z. B. durch Vaterschaftsanerkennung oder Stiefkindadoption, begründet worden ist und solange diese besteht15. Darüber hinaus umfasst die Vereinbarung üblicherweise einen echten Vertrag zu Gunsten des Kindes gemäß §§ 328 Abs. 1 und 2, 331 Abs. 2 BGB, kraft dessen der soziale Vater rechtsgeschäftlich eine Unterhaltspflicht begründet. Dies sichert beispielsweise die Situation ab, dass der soziale Vater von einer Vaterschaftsanerkennung entgegen vorheriger Versprechen nach der Zeugung Abstand nimmt. Andererseits kann durch Vereinbarung die Unterhaltspflicht für den Fall ausgeschlossen werden, dass der soziale Vater die rechtliche Vaterschaft erfolgreich mit der Behauptung anficht, das Kind stamme nicht aus der konsentierten heterologen Befruchtung16. Weiter wird in die Kinderwunschvereinbarung in der Regel die Freistellung des Samenspenders von Unterhaltsansprüchen (und ggf. Erbansprüchen) des Kindes, aber auch der Mutter (vgl. § 1615l BGB), aufgenommen17. Dies kann insbesondere dann gewünscht sein, wenn die Samenspende privat erfolgt18 und das Kind später die Vaterschaft des Spenders gerichtlich feststellen lässt (§ 1592 Nr. 3 BGB). Auch die Freistellung des behandelnden Arztes kann vereinbart werden19. Das verheiratete Paar kann außerdem ein Interesse daran haben, in die Vereinbarung auch wechselseitige Unterhaltsansprüche für den Fall der Geburt des Kindes und einer Ehescheidung aufzunehmen und auf diese Weise eine vertragliche Regelung, die Unterhaltsansprüche des erziehenden Elternteils gemäß §§ 1569 ff. BGB entspricht, abzubilden20.

VI. Sorge- und Umgangsrechte sowie erbrechtliche Ansprüche Sofern die Vertragsschließenden es wünschen, besteht ferner die Möglichkeit, auch sorge- und umgangsrechtliche Fragenstellungen in die Kinderwunschvereinbarungen aufzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass nichtverheiratete heterosexuelle Paare ein gemeinsames Sorgerecht erlangen können 15  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling

de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M

16  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling

de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M

(§ 5). (§ 5).

17  Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 95; Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 5); Grziwotz, notar 2018, 163 (173). 18  Vgl. Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 87. Zu dem Problem, ob der Notar in diesem Fall mitwirken darf, siehe Kap. 3 D. III. 2. c), S. 130 ff. 19  Beck’sches Formularbuch-FamR/Grziwotz, Kap. O, Punkt II. 5. Rn. 7 f. 20  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M (§ 6).



B. Dogmatische Einordnung von Kinderwunschvereinbarungen 107

(§  1626a BGB), während dies nichtverheirateten gleichgeschlechtlichen Paaren, die auch nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, nicht möglich ist21. Umgangsrechte spielen insbesondere in Konstellationen eine Rolle, in welchen gleichgeschlechtliche Frauenpaare mit gleichgeschlechtlichen Männerpaaren in die Zeugung eines Kindes einwilligen und dadurch vier Personen mit der Übernahme von Elternverantwortung in Betracht kommen22. Auch erbrechtliche Vereinbarungen zwischen den Vertragsschließenden zu Gunsten des Kindes können bei Bedarf vereinbart werden, um gesetzliche Ansprüche nachzuempfinden, wenn verwandtschaftsrechtliche Beziehungen absprachewidrig nicht begründet werden sollten23.

B. Dogmatische Einordnung von Kinderwunschvereinbarungen Die Einwilligung der Vertragsschließenden in eine heterologe Befruchtung mit Spendersamen kann allein die gewünschten statusrechtlichen Beziehungen des sozialen Elternteils zu dem Kind nicht begründen, vielmehr ist hierzu etwa zusätzlich eine Vaterschaftsanerkennung oder eine Stiefkindadoption erforderlich24. Kinderwunschvereinbarungen zielen also im Wesentlichen darauf ab, rechtsgeschäftlich den Zustand abzubilden, der bei Etablierung der gewünschten statusrechtlichen Beziehungen bestehen würde25. Vereinbarungen über die Abgabe einer statusrelevanten Erklärung wie die der Einwilligung in die Befruchtung betreffen dabei das Primärleistungsinteresse (Erschwerung einer Statusbeseitigung, vgl. § 1600 Abs. 4 BGB), während Abreden über die Zahlung von Unterhalt, über erbrechtliche Ansprüche oder die Freistellung von vermögensrechtlichen Ansprüchen das Sekundärleistungsinteresse widerspiegeln (Absicherung des wirtschaftlichen Interes­ ses)26. Ergänzend treten Regelungen über Auskunftsansprüche, Sorge- und Umgangsrechte hinzu. Es geht somit nicht zuletzt um die Absicherung des Risikos einer „Vorleistung“, die die Mutter durch die Zeugung erbringt, weil sie wegen § 1591 BGB 21  Beck’sches

NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 88. NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 88; Beck’sches Formularbuch-FamR/ Grziwotz, Kap. O, Punkt II. 6. Rn. 5 mit 8. 23  Grziwotz, notar 2018, 163 (173). 24  Näher S. 143 ff. 25  Vgl. Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (352); Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1555). 26  Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1557). 22  Beck’sches

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

durch die Geburt unabhängig von einer Willensänderung stets an die rechtliche Mutterschaft gebunden bleibt, mag sich beispielsweise ihr nichtehelicher Partner später auch gegen eine zunächst versprochene Vaterschaftsanerkennung entscheiden. Gleichzeitig dient die Einwilligung in die Befruchtung dem Interesse des Kindes an dem Bestehenbleiben einer statusrechtlichen Beziehung. Finanzielle Interessen werden durch Unterhaltsvereinbarungen und ggf. erbrechtliche Regelungen gesichert. Vor dem Hintergrund der Verschiedenartigkeit der typischen Regelungs­ inhalte innerhalb von Kinderwunschvereinbarungen sind diese als „hybrid schuld- und familienrechtliche“27 Vereinbarungen einzuordnen.

C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen I. Privatautonome Handlungsspielräume im Familienrecht Die Vertragsfreiheit stellt die bedeutendste Form der Privatautonomie dar28. Sie bedeutet die Freiheit des Einzelnen, durch Verträge private Rechtsverhältnisse seinem Willen entsprechend eigenverantwortlich zu gestalten29. Der privatrechtliche Vertrag als Rechtsgeschäft ist Instrument der Privatautonomie30. Er bietet durch die Kompromissbildung zwischen zwei entgegengesetzten Willen die Möglichkeit, einen sachgerechten Interessenausgleich zu erzielen31. Über die allgemeine Handlungsfreiheit ist im Rahmen der Gewährleistung von Privatautonomie auch das Prinzip der Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich verankert32. Während Vertragsfreiheit im Schuldrecht als unabdingbares Strukturprinzip gilt33, finden sich im Familienrecht gesetzliche Vorgaben, von denen durch privatautonomen Akt nicht abgewichen werden kann34. Dies betrifft etwa die Verwandtschaftsverhältnisse in §§ 1589 ff. BGB, aber auch die Ehe gemäß FamRZ 2018, 1553 (1554). JuS 2017, 949; Rittner, JZ 2011, 269. 29  Repgen, in: Isensee (Hrsg.), Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2007), 50. 30  Petersen, Jura 2011, 184. 31  Siehe nur BVerfGE 103, 89 (100). 32  BVerfGE 74, 129 (151 f.); 70, 115 (123); 12, 341 (347); 8, 274 (328); Isensee, in: Isensee (Hrsg.), Vertragsfreiheit (2007), 239 (248); Coester-Waltjen, Jura 2006, 436 (437). Wörtlich benannt wird die Vertragsfreiheit allein in den Landesverfassungen von Bayern (Art. 151 Abs. 2), Rheinland-Pfalz (Art. 52 Abs. 1) und des Saarlandes (Art. 44). 33  BeckOK-BGB/Sutschet, § 241 Rn. 12. 34  Flume, BGB AT II, § 1 S. 12, 14; Kaulbach, JuS 2011, 397 (398). 27  Lettmaier/Moes, 28  Musielak,



C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 109

§ 1353 Abs. 1 BGB. Nicht zuletzt Aspekte der Rechtssicherheit im Bereich von personenrechtlichen Sachverhalten35 verhindern beispielsweise eine privatautonome Vereinbarung einer Ehe zwischen drei Personen oder die Vereinbarung von verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Freunden. Im Wesentlichen gilt für das Abstammungsrecht als Teil des Familienrechts nichts anderes: Eine Vereinbarung beispielsweise darüber, dass eine andere Frau als die gebärende rechtliche Mutter sein soll, ist nicht möglich, weil § 1591 BGB unabdingbar ist. Insofern sind der Gestaltbarkeit Grenzen gesetzt, die zu einem numerus clausus der familienrechtlichen Rechtsverhältnisse führen36. Gleichwohl hat dies nicht die grundsätzliche Versagung von Privatautonomie und Vertragsfreiheit im Familienrecht zur Folge: Zum einen steht jeder Person frei, sich für oder gegen die Begründung eines familienrechtlichen Rechtsverhältnisses wie der Ehe oder einer statusrechtlichen Beziehung zu entscheiden37. Zum anderen bestehen auch inhaltlich Gestaltungsfreiräume. So betrifft der Aspekt der Familienplanung die Pflicht zur Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB38. Somit ist die Entscheidung darüber, ob und wann eine Ehe durch das Hinzutreten von Kindern zur Familie erweitert werden soll, von den Ehegatten nach entsprechender Absprache autonom zu treffen39. Eine Rechtspflicht zur bzw. ein Anspruch auf Zeugung von Nachkommen besteht nicht40, auch die kinderlose Ehe ist eine vollwertige Ehe41. In Anlehnung daran steht es auch Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft frei, ihr Zusammenleben nach ihrem Willen – auch umfassend42 – durch Partnerschaftsverträge oder BGB AT II, § 1 S. 12. FamR, Rn. 156. 37  Stadler, BGB-AT, § 3 I Rn. 2; Kaulbach, JuS 2011, 397 (398). 38  BGHZ 146, 391 (395 f.); BGHZ 129, 297 (306 f.); BGHZ 97, 372 (379); vgl. auch Looschelders, Jura 2000, 169 (170) für die Absprache über die Verwendung von Empfängnisverhütung. Denkbar sind außerdem Regelungen über Fragen der Erwerbstätigkeit, der Haushaltsführung, des Wohnsitzes und Lebensstandards und über Güterstände. Zu zahlreichen weiteren Themenbereichen siehe Gernhuber/Coester-Waltjen, § 20 Rn. 22 f. 39  BeckOGK-BGB/Erbarth, Bearbeitungsstand 1.6.2022, § 1353 BGB Rn. 563; BeckOK-BGB/Hahn, § 1353 BGB Rn. 11; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 Rn. 55; Streck, Generalklausel und unbestimmter Begriff im Recht der allgemeinen Ehewirkungen (1970), § 9 III S. 88; Kern, NJW 1994, 753 (757). 40  BeckOK-BGB/Hahn, § 1353 BGB Rn. 11; Gernhuber/Coester-Waltjen, Fami­ lienrecht, § 18 Rn. 56 f.; Hepting, Ehevereinbarungen (1984), S. 211; a. A. wohl Staudinger2018/Voppel, § 1353 BGB Rn. 38. 41  BGHZ 146, 391 (394 f.); Scholz/Kleffmann/Eckebrecht, Praxishandbuch FamR, Teil A Rn. 23. 42  Umfassende Vereinbarungen dürften indes in den meisten Fällen nicht den Bedürfnissen der Partner entsprechen. Überhaupt treffen lediglich 20 % der Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften Vereinbarungen, 2 % in notarieller Form. Der 35  Flume,

36  Muscheler,

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

Einzelabreden auszugestalten43. Auch ihre Familienplanung bedarf einer gemeinsamen autonomen Entscheidung44. Es besteht somit auch im Familienrecht kein allumfassender Typenzwang, der dazu führen würde, dass Vereinbarungen über eine heterologe künstliche Befruchtung per se deshalb nicht möglich wären, weil sie einen privatautonomen Rechtsakt erforderten, den das Familienrecht nicht kennt.

II. Gesetzliche Verbote und Sittenwidrigkeit als Grenzen 1. Gesetzliche Verbote, § 134 BGB Die künstliche Befruchtung unterliegt für bestimmte Modalitäten den Restriktionen verschiedener Gesetze, darunter insbesondere jenen des ESchG. Das ESchG zielt vor allem auf die Verhinderung einer gespaltenen Mutterschaft ab45. Während das ESchG zur Verhinderung gespaltener Mutterschaft detailliert ausgestaltete Verbote aufstellt, bleibt das Auseinanderfallen von sozialer und genetischer Vaterschaft sanktionslos. Gespaltene Vaterschaft für sich allein erfährt nur geringfügige Einschränkungen: § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG verlangt im Rahmen einer künstlichen Befruchtung die Einwilligungen der die Gameten bereitstellenden Frau und des Mannes46, § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG verbietet die Verwendung des Samens eines verstorbenen Mannes47.

Grund hierfür liegt wohl überwiegend in der großen Anzahl zusammenlebender und meist weitgehend vermögensloser junger Menschen, vgl. Grziwotz, MittBayNot 1989, 182 (185); Schreiber, NJW 1993, 624. 43  Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rn. 51; Roth-Stielow, JR 1978, 233 (234). Vgl. auch Fn. 38 zu Vereinbarungen in Ehen. 44  Vgl. Fn. 40; außerdem vgl. Kern, NJW 1994, 753 (757). 45  Während § 1591 BGB unabhängig von der genetischen Abstammung die gebärende Frau zur rechtlichen Mutter macht und so für personenrechtlich klare Verhältnisse sorgt (mater semper certa est), versucht das ESchG im Vorfeld schon im Tatsächlichen eine gespaltene Mutterschaft zu verhindern. Hierzu siehe Kap. 1 C. III., S. 36. 46  Die Einwilligung im Rahmen des § 4 ESchG ist nicht mit jener aus § 1600 Abs. 4 BGB gleichzusetzen (so aber offenbar Grziwotz, notar 2018, 163 (170)): Im letzteren Fall ist nicht der gametengebende Mann gemeint, sondern der intendierte Vater, der von Beginn an in Kenntnis aller Beteiligten niemals leiblicher Vater des Kindes sein kann. Insofern sind auch die Voraussetzungen zu unterscheiden. 47  Hierzu krit. Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1090; Ludyga, NZFam 2020, 185.



C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 111

Für sämtliche Fälle künstlicher Befruchtung, auch der heterologen, ist gemäß §§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG ein Arztvorbehalt vorgesehen48. Der Arztvorbehalt gilt ebenso für die Übertragung eines menschlichen Embryos auf eine Frau, § 11 Abs. 1 Nr. 3 ESchG. Ein persönlicher Strafausschließungsgrund findet sich in § 11 Abs. 2 ESchG für die Frau, die im Fall des § 9 Nr. 1 ESchG eine künstliche Insemination bei sich vornimmt, und den Mann, dessen Samen für eine künstliche Insemination verwendet wird. Der intendierte Vater hingegen unterliegt keinem persönlichen Strafausschließungsgrund. Sofern die künstliche Befruchtung ohne ärztliche Assistenz erfolgen soll und in diesem Zusammenhang eine Kinderwunschvereinbarung im engeren Sinne49, also eine statusrechtlich relevante Erklärung, abgegeben wird, verstößt diese gegen das Verbotsgesetz des § 9 Nr. 1 ESchG und ist dann grundsätzlich unwirksam, § 134 BGB. Sofern nämlich ein medizinisches Verfahren verboten ist, umfasst das Verbot auch Vereinbarungen, die auf die Umsetzung der entsprechenden Maßnahme gerichtet sind50. Der Schutzzweck des Verbots und letztlich auch des Strafausschließungsgrundes zielt darauf ab, künstliche Befruchtungen durch wissenschaftlich und praktisch unzureichend geschulte Personen zu verhindern51. Kinderwunschvereinbarungen im weiteren Sinne, also vermögens-, unterhalts-, sorge- und erbrechtliche Folgeregelungen, werden von der Unwirksamkeitsfolge des § 134 BGB hingegen nicht umfasst52. In Frage kommt allein Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB, wenn die weiteren Vereinbarungen auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würden. Zwar werden im Vorfeld einer Spendersamenbehandlung die genannten Folgeregelungen nur anlässlich der Vereinbarung über die künstliche Befruchtung selbst vorgenommen. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die intendierten Eltern eine rechtliche Absicherung des zu zeugenden Kindes in diesen Bereichen gerade auch dann gewollt hätten, wenn die statusrelevanten Abreden unwirksam sind und die gesetzlichen Rechtsfolgen (z. B. gesetzliche Unterhaltsansprüche) nicht auslösen53. 48  Dieser gilt auch explizit für den Embryotransfer, vgl. §§ 9 Nr. 3, 11 Abs. 1 Nr. 3 ESchG. Außerdem ist auch im TPG mit § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 3 TPG ein Arztvorbehalt mit Strafbewehrung vorgesehen. 49  Kap. 3 A. III. und B., S. 104 ff. 50  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (342). 51  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 9 ESchG Rn. 1. 52  Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1556). 53  Der Zusammenhang zwischen strafrechtlichem Verbot und Wirksamkeit entsprechender Vereinbarungen ist auch unter dem Aspekt eines möglichen Rechts zur Ablehnung der Beurkundung durch den Notar relevant, siehe Kap. 3 D. III. 2. c), S. 130 ff.

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

Im Übrigen wird zum Teil sogar von der Verfassungswidrigkeit der in § 11 Abs. 1 ESchG festgelegten Strafbarkeit der intendierten Eltern und des Spenders ausgegangen54. 2. Sittenwidrigkeit, § 138 Abs. 1 BGB Neben den aus Verbotsgesetzen i. S. v. § 134 BGB folgenden Vorgaben dienen auch die in § 138 Abs. 1 BGB über die guten Sitten zum Ausdruck kommenden rechtsimmanenten Wertvorstellungen und die in der Gesellschaft anerkannten Regeln des Zusammenlebens als Begrenzung von Privatautonomie und Vertragsfreiheit55. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände nach seinem Inhalt, nach Motiv und Zweck oder aus der Gesamtschau56 von Inhalt, Motiv und Zweck gegen fundamentale Werte der Rechts- und Sittenordnung verstößt57. Als Maßstab gelten dabei das moral-ethische Empfinden des Durchschnittsbürgers („Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken­den“)58 und rechtsimmanente Prinzipien und Wertvorstellungen, insbesondere die vom Grundgesetz vorgegebene Werteordnung59. Kinderwunschvereinbarungen und auch Verträge auf dem Markt reproduktionsmedizinischer Dienstleistungen sind insbesondere in der älteren Literatur oftmals aus verschiedenen Gründen grundsätzlich als sittenwidrig erachtet worden. Entsprechende Vereinbarungen würden etwa gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Menschenwürde verstoßen, weil der intendierte Vater in seiner Rolle als Elternteil, der Samenspender als austauschbarer Samenlieferant und das Kind als Wunschobjekt zum Gegenstand von Rechtsgeschäften degradiert würden60. Darüber hinaus wurde die Mitwirkung eines SamenNZFam 2014, 1065 (1067). § 138 BGB Rn. 1; Jauernig/Mansel, § 138 BGB Rn. 1. 56  BGHZ 141, 357 (361); 107, 92 (97). 57  Jauernig/Mansel, § 138 BGB Rn. 8 ff.; Stadler, BGB-AT, § 26 Rn. 31. 58  BGHZ 179, 213 (218); 141, 357 (361); 69, 295 (297); 10, 228 (232); ständige Rspr seit RGZ 120, 142 (148); 80, 221; 48, 124. 59  Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht, BVerfGE 42, 143 (148); 7, 206 (Lüth-Entscheidung). 60  Ausführliche Darstellung bei Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 63 ff.; siehe auch Soergel/Hefermehl, § 138 BGB Rn. 214; Balz, Samenübertragung (1980), S. 11; Giesen, Künstliche Insemination (1962), S. 174; Selb, Rechtsordnung und künstliche Reproduktion (1987), S. 61 f. mit 128. Zum Inhalt von Kinderwunschvereinbarungen vgl. Kap. 3 A., S. 102 ff. Zur Kritik an der Auswahl der Keimzellen siehe Balz, Samenübertragung (1980), S. 12: diskutiert werde die „Gefahr gelenkter Menschenzüchtung“; Giesen, Künstliche Insemination (1962), S. 174 f.: „In der Wurzel ist die schöne neue Welt schon mitten unter uns!“ und die heterologe Insemination als „Verlust der Mitte“. 54  Grziwotz,

55  Schulze-BGB/Dörner,



C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 113

spenders als außenstehendem Dritten als Bedrohung von Ehe und Familie wahrgenommen61. Ein Teil der älteren und der Großteil neuerer Literaturmeinungen geht hingegen davon aus, dass Vereinbarungen, die eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen zum Inhalt haben, nicht sittenwidrig sind. Zum einen beruhe die Entscheidung zu einer heterologen Befruchtung auf der Freiwilligkeit aller Beteiligten62. Zum anderen verbiete sich, den Schutz der Menschenwürde mit dem Schutz eines bestimmten Menschenbildes zu rechtfertigen63, beispielsweise dem Verständnis, nur ein auf natürlichem Wege gezeugter Mensch sei auch ein vollwertiger Mensch. Schon dem Grundgesetz sei keine „Biologisierung des Würdekonzepts“ zu entnehmen64. Allerdings erfordere die Konformität mit der Menschenwürde eine Einschränkung: Sie sei nur dann gewahrt, wenn das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung durch das Verbot einer anonymen Samenspende gesichert sei65, da dieses Recht eine Komponente der Menschenwürde des Kindes darstelle66. Auch die Samenauswahl durch den Arzt könne nicht als Menschenwürdeverstoß deklariert werden, weil er sowohl gesundheitspolitische als auch soziale Aspekte berücksichtigen müsse, ohne aber eine Manipulation am genetischen Material durchzuführen67. Zum verfassungsrechtlich in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Recht auf Selbstbestimmung, welches Ausfluss der in Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Menschenwürde ist68, zähle auch die Freiheit, einen Kinderwunsch unter Rückgriff auf Methoden 61  Vgl. Darstellung bei Balz, Samenübertragung (1980), S. 12; Giesen, Künstliche Insemination (1962), S. 171; Laufs, JZ 1986, 769 (771); vgl. Darstellung in Warnock Report (1978), Kap. 4.11. 62  Mögen auch berechtigte Zweifel an der Freiwilligkeit bestehen, so sei das Recht hier nicht in der Lage, die „Machtgewichtung“ zu erfassen, Benecke, Heterologe künstliche Insemination (1986), S. 90 f.; vgl. auch Weyrauch, Zulässigkeitsfragen und abstammungsrechtliche Folgeprobleme (2003), S. 99. 63  Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 100. 64  Weyrauch, Zulässigkeitsfragen und abstammungsrechtliche Folgeprobleme (2003), S. 101. 65  Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rn. 48. Vgl. Kap. 3 A. IV., S. 105. 66  BVerfGE 79, 256; i.  E. auch Merz, Problematik artifizieller Fortpflanzung (1991), S. 169 f.; a. A. und mit der Aufforderung an den Gesetzgeber zur Regelung Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 101: die Schwelle zur Würdeverletzung sei durch eine mögliche Anonymität nicht erreicht, weil der Vorgang insgesamt weiterhin nah am natürlichen Ablauf bleibe [möglicher geheimer Seitensprung der Mutter mit einem/mehreren fremden Mann/Männern oder Mehrverkehr?] und weil weder zur Mutter noch zum Kind selbst eine Beziehung mit dem Samenspender bestehe. 67  Benecke, Heterologe künstliche Insemination (1986), S. 91 f.; Giesen, Künstliche Insemination (1962), S. 174. 68  Maunz/Dürig/Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 2.

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

der Fortpflanzungsmedizin verwirklichen zu wollen69. Die freiwillige Entscheidung für das Verfahren stelle einen Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts dar, und zwar sowohl der (auch unverheirateten) Frau70 als auch des Paares71. Das Gebrauchmachen vom Recht auf Selbstbestimmung könne deshalb keinen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen. Für die Entscheidung des Samenspenders zur Mitwirkung an der künstlichen Befruchtung gelte Ähnliches. Schließlich lasse sich nie mit Sicherheit feststellen, ob die Entscheidung für eine künstliche Befruchtung langfristig positive oder negative Folgen für Ehe und Familie habe72; dies gelte schließlich genauso für die Entscheidung, auf natürlichem Wege Kinder zu bekommen und überhaupt für eine Reihe von Entscheidungen mit persönlichen Inhalten. Die Argumente der neueren Literaturmeinung sind vorzugswürdig. Gewichtige Gründe für eine Degradierung der Betroffenen zu Objekten sind nicht ersichtlich, vielmehr stellen sich Kinderwunschvereinbarungen als In­ strument zur Ausübung verfassungsrechtlich verbürgter Selbstbestimmungsrechte dar. Die Vertragsschließenden sind deshalb gerade Rechtssubjekte und nicht bloße Objekte. Dies gilt selbst für den Samenspender, der die Freiwilligkeit seiner Entscheidung etwa durch eine Vereinbarung mit der Spendeeinrichtung dokumentiert. Die in der Kinderwunschvereinbarung regelmäßig getroffenen Folgeregelungen zu Gunsten des Kindes, seien es Auskunftsrechte oder vermögens-, unterhalts- und erbrechtliche Abreden, belegen ferner, dass auch das Kind nicht zu einem bloßen Gegenstand von Vereinbarungen, sondern ausdrücklich mit Rechten ausgestattet wird, sodass Kinderwunschvereinbarungen auch mit Blick auf das Kind nicht als sittenwidrig einzustufen sind. Die Rechtsprechung hatte bis heute im Rahmen verschiedener Verfahren potentiell die Möglichkeit, die Frage der Wirksamkeit von Vereinbarungen über eine Samenspende aufzuwerfen und zu verneinen. Wenngleich der Gesetzgeber in der Begründung zum Kindschaftsrechtsreformgesetz, auf das die Vorschrift des § 1600 (heute) Abs. 4 BGB zurückgeht, klarstellte, dass „die Zulässigkeit der heterologen Insemination und auch sonstige zivilrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung beim Menschen 69  Maunz/Dürig/Herdegen,

GG, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 100. krit. Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 20: „sozialer Fertilitätsdruck“ und „kein Ausdruck emanzipatorisch mündiger Autonomie“. 71  Ausdruck der freien Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG, mit dem Hinweis, dass das Verbot für alleinstehende Frauen unterschiedlich bewertet wird, Merz, Problematik artifizieller Fortpflanzung (1991), S. 171 f.; Unklarheit hinsichtlich der Wirksamkeit bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft, vgl. auch BNotK, DNotZ 1998, 241 (244). 72  Starck, Gutachten A, 56. DJT, A 28. 70  Äußerst



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bisher nicht umfassend geklärt und gesetzlich geregelt“ seien73, wird heute aus der Existenz dieser Vorschrift auf die rechtliche Zulässigkeit bzw. mindestens aber die fehlende Sittenwidrigkeit von Vereinbarungen über eine Spendersamenbehandlung geschlossen74.

III. Höchstpersönlichkeit der Entscheidung als Grenze abseits von § 138 BGB Die Möglichkeit der freien Ausgestaltung der ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaft führte zu Bedenken darüber, ob tatsächlich sämtliche Lebensbereiche, insbesondere Angelegenheiten mit stark persönlichkeitsverwurzeltem, individuellem Wesensgehalt privatautonomen Regelungen überhaupt unterfallen. Wäre dies nicht der Fall, würde sich eine Bewertung der Vereinbarungen nach § 138 Abs. 1 BGB verbieten. Vereinbarungen über persönliche Angelegenheiten erfordern in hohem Maße, dass sie von einer freien, selbstbestimmten Entscheidung getragen werden und unterscheiden sich deshalb von Vereinbarungen rein vermögensrechtlicher Art75. Die Entscheidung zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen als Aspekt der Familienplanung stellt eine ebenso höchstpersönliche Angelegenheit dar wie die Abgabe von statusrechtlich relevanten Erklärungen; beide sind Gegenstände von Kinderwunschvereinbarungen. In der Ehe oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann in höchstpersönlichen Angelegenheiten die freie, selbstbestimmte Entscheidung des Einzelnen indes mit der Pflicht zur gemeinsamen einvernehmlichen Ausgestaltung der Gemeinschaft in Konflikt geraten. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Partner von der einst einvernehmlich getroffenen Entscheidung abrücken möchte mit der Folge, dass die betroffenen Interessen gerichtlich gewichtet werden müssen. Die rechtlichen Konsequenzen scheinen jedoch weitgehend unklar. Vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht der Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen hat die Rechtsprechung ihre Beden-

73  Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG), BT-Drs. 14/2096, 7. 74  Vgl. nur Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 23; Staudinger2021/Fischinger, § 138 BGB Rn. 708; NK-BGB/Looschelders, § 138 BGB Rn. 178, soweit die statusrechtlichen Folgen durch Abs. 4 geklärt sind und unter der Einschränkung, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung gewahrt bleibt; „begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken“, MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 45; Dethloff, FamR, § 10 Rn. 77; vorsichtig [„Indiz“] Roth, DNotZ 2003, 805 (806); ders., JZ 2002, 651 (653); grds. a. A. NK-BGB/Gutzeit, § 1600 BGB Rn. 4; Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 32 f.: „Überinterpretation“. 75  Hammer, Elternvereinbarungen (2004), S. 159.

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

ken hinsichtlich eines Eingriffs in höchstpersönliche Belange in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht76. So hat der BGH beispielsweise in einem Fall aus dem Jahr 1986, in welchem die Partnerin einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ihrem Partner gegenüber zunächst zugesagt hatte, empfängnisverhütende Mittel einzunehmen, diese dann jedoch abredewidrig ohne Information des Partners absetzte und ein Kind gebar, einen Schadensersatzanspruch verneint77. Selbst wenn die Zusage, was der BGH verneinte, mit Rechtsbindungswillen erteilt worden wäre, wäre die rechtsgeschäftliche Erklärung unwirksam, weil der erfasste engste persönliche Freiheitsbereich einer vertraglichen Regelung nicht zugänglich sei und entsprechend eine Schadensersatzpflicht nicht auslöse78. Im Umgang mit Vereinbarungen über höchstpersönliche Angelegenheiten haben sich im Vorfeld einer Beurteilung nach § 138 Abs. 1 BGB im Wesentlichen zwei Ansätze herausgebildet: Zum einen kommt eine Regulierung entsprechender Vereinbarungen über die Stärke der Bindungswirkung der Abreden in Betracht79; dieser Aspekt wird nachfolgend noch näher zu betrachten sein. Zum anderen hat sich in der Literatur ein Ansatz entwickelt, nach welchem höchstpersönliche Angelegenheiten aufgrund ihrer Eigenart schon gar nicht als Gegenstand einer Vereinbarung in Betracht kommen; dies hätte zur Folge, dass von ihnen keinerlei Bindungswirkung ausginge und abredewidriges Verhalten sanktionsfrei bliebe. Das mit der letzten Auffassung angesprochene sog. Modell vom „rechtsfreien Raum“80 entzieht höchstpersönliche Lebensbereiche einer rechtlichen Beurteilung und ordnet sie einer dem Recht vorgelagerten, außerrechtlichen Sphäre zu, auf welche der Grundsatz der Privatautonomie (noch) nicht anwendbar ist. Die Grundlage für die Zuordnung zum rechtsfreien Raum bildet dabei insbesondere eine Abwägung von Individual- mit Gemeinschaftsinteressen innerhalb der Ehe bzw. nichtehelichen Lebensgemeinschaft, darüber hinaus soll auch maßgeblich sein, ob und inwieweit der Gegenstand der 76  BGHZ 112, 122 (124 ff.) sowie BGH NJW-RR 2017, 1261 (Partnerschaftsvermittlungsdienstverträge); BGHZ 97, 372 (Abrede über empfängnisverhütende Mittel); BGHZ 57, 229 (232) und BGHZ 23, 215 (217 ff.) (Schadensersatz bei Ehebruch); RGZ 158, 294 (Verpflichtung zur Durchführung von Geschäftsreisen nur alleine); vgl. auch LG Bonn FamRZ 1984, 891; LG Essen NJW 1984, 178; AG Altötting FamRZ 1985, 699 (keine Begründung einer Verbindlichkeit bei sog. Partnerschaftsvermittlungsverträgen). 77  BGHZ 97, 372. 78  BGHZ 97, 372 (379). 79  Dies dürfte auch gemeint sein, wenn beispielsweise angeführt wird, entsprechende Vereinbarungen seien „nicht rechtsgeschäftlicher Natur“, siehe Soergel/Lipp, § 1353 BGB Rn. 42. 80  Comes, Der rechtsfreie Raum (1976), S. 17 ff.



C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 117

Vereinbarung Interessen Dritter betrifft81. Die Grenze zwischen Recht und rechtsfreiem Raum ziehen Normen des sog. „Schwellenrechts“82, die unter Zugrundelegung normativer Kriterien die Zuordnung zu einem Bereich leisten sollen83. Mangels der Möglichkeit zur eindeutigen Grenzziehung ist die Anwendung der Theorie vom rechtsfreien Raum indes mit erheblicher Rechtsunsicherheit behaftet. Vermutlich bestand darin der Hauptgrund dafür, dass sie sich nicht durchsetzen konnte. Den Bereich der Familienplanung betreffend war der BGH in seiner Entscheidung über das abredewidrige Absetzen von Kontrazeptiva zu dem Schluss gekommen, dass eine rechtswirksame Verpflichtung zur regelmäßigen Einnahme solcher Mittel bereits nicht verbindlich eingegangen werden könne84. Der BGH hat entsprechende Vereinbarungen somit dem rechtsfreien Raum zugeordnet. In der Literatur ist die Frage danach, ob Vereinbarungen über empfängnisverhütende Mittel dem rechtsfreien Raum zuzuordnen sind, strittig85. Für eine Einordnung in den Bereich, der rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zugänglich ist, wird etwa angeführt, dass sich eine Entscheidung für ein Kind auf die berufliche Zukunft jedes Partners auswirken könne, deshalb eines einvernehmlichen Beschlusses bedürfe und andernfalls als Il­ loyalität finanzielle Nachteile haben müsse86. Für eine Einordnung in den rechtsfreien Raum wird wiederum angeführt, dass allein Interessen der (Ehe-) Partner berührt seien und deren ausreichende Berücksichtigung von außen nicht objektiv beurteilt werden könne87. Für Kinderwunschvereinbarungen ergibt sich Folgendes: Die Durchführung einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen bedarf sowohl für die Mutter als auch den intendierten Vater eines gewissen Grades an Planungs­ 81  Hepting, Ehevereinbarungen (1984), S. 191 und S. 210 f.; Comes, Der rechtsfreie Raum (1976), S. 35 ff., 47 ff., 63, 77, 99 f., 114, 127; siehe auch Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft (1989), S. 86; Sandweg, BWNotZ 1991, 61 (63); krit. Windel, in: FS Schnapp (2008), 859 (862). Die Verweisung eines Sachverhalts in den rechtsfreien Raum erfolge ohne Rückgriff auf § 138 BGB, siehe Flume, BGB AT II, § 18, S. 368 f.; Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft (1989), S. 88. 82  Comes, Der rechtsfreie Raum (1976), S. 108. 83  Hepting, Ehevereinbarungen (1984), S.  192; Comes, Der rechtsfreie Raum (1976), S. 35, 48, 99 f. 84  BGHZ 97, 372 (379). 85  Dagegen Foerste, JZ 2001, 986 (988); Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1156); Koch, JR 2002, 102 (105 f.); dafür Comes, Der rechtsfreie Raum (1976), S. 84; Hepting, Ehevereinbarungen (1984), S. 211 ff. 86  Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1156); Foerste, JZ 2001, 986 (988). 87  Comes, Der rechtsfreie Raum (1976), S. 84; ähnlich Hepting, Ehevereinbarungen (1984), S. 213.

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

sicherheit88. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der intendierte Vater zu der Zeugung an sich – abgesehen von der Einwilligung in die Befruchtung – keinen tatsächlichen Beitrag leistet. Die Zuordnung von Kinderwunschvereinbarungen in den rechtsfreien Raum würde jegliche Planungssicherheit für die Zukunft verhindern. Hinzu kommt, dass eine heterologe Befruchtung nicht allein auch Belange des zu zeugenden Kindes, sondern mindestens auch des Samenspenders als biologischem Vater und bei einer assistierten Befruchtung sogar des medizinischen Personals betrifft. Somit sind neben den Interessen des jeweiligen Partners auch Drittinteressen von der Entscheidung für die Durchführung einer Spendersamenbehandlung berührt. Dies spiegelt sich im Rahmen der Vereinbarung beispielsweise in der Regelung von Unterhaltszahlungen wider. Die Aufnahme von Abreden über den Kindesunterhalt, wie sie Gegenstand üblicher Kinderwunschvereinbarungen sind, belegt, dass diese zum einen keine Vereinbarungen rein höchstpersönlicher Natur darstellen und zum anderen dort, wo doch höchstpersönliche Belange betroffen sind, zusätzlich in nicht unerheblichem Ausmaß Drittinteressen berührt sein können. Dies spricht gegen eine Verortung in einem rechtsfreien Raum. Gegen eine entsprechende Zuordnung von Kinderwunschvereinbarungen spricht aber vor allem die mit dem Modell verbundenen, das Selbstbestimmungsrecht betreffenden Wertungen. Auch wenn die Theorie vom rechtsfreien Raum den Schutz des Erklärenden bezwecken sollte, so bewirkt die Eröffnung eines rechtsfreien Raumes für höchstpersönliche Belange letztlich eine Abschwächung des Rechts auf die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit der Selbstbestimmung dadurch, dass einer in Ausübung dieses Rechts getroffenen Entscheidung ihre rechtliche Erheblichkeit und Anerkennung von Beginn an versagt wird89. Dies widerspricht der Vorstellung vom mündigen Individuum. Die bestehenden Grenzen der §§ 134, 138 Abs. 1 BGB sowie die Regulierung der rechtlichen Bindung (dazu sogleich) bedienen Aspekte des (Selbst-)Schutzes der Erklärenden und Fremdbetroffenen sowie der Rechtssicherheit in hinreichendem Maße90.

IV. Eingeschränkte Intensität rechtlicher Bindung als Grenze Im Falle eines Konfliktes der Interessen der Ehepartner bzw. Partnern e­iner nichtehelichen Lebensgemeinschaft untereinander und ggf. auch im Verhältnis zu den Kindesinteressen kann bei Angelegenheiten mit starkem Persönlichkeitsbezug eine Regulierung der Bindungswirkung zu einem Ausgleich führen. Es entspricht dem heutigen Verständnis vom offenen Inhalt 88  Vgl.

Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1156). auch Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft (2014), Teil 5 Rn. 15. 90  So auch Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft (2014), Teil 5 Rn. 15. 89  So



C. Grundlagen und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen 119

von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, dass die Verpflichtung zu einer bestimmten Familienplanung nicht besteht, sodass die Zeugung oder der Empfang von Kindern rechtlich nicht verlangt werden kann91. Zum anderen umfasst die verfassungsrechtliche Gewährleistung der personalen Würde und des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG die Möglichkeit, sich jederzeit erneut frei für oder gegen ein Kind zu entscheiden92. Jeder Ehegatte bzw. Lebenspartner hat das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre des anderen ebenso zu respektieren und zu achten wie beispielsweise die Freiheit der religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugung93. Eine einmal getroffene und dann für die Zukunft unabänderliche Entscheidung für ein Kind, beispielsweise im Rahmen einer Kinderwunschvereinbarung, würde beide genannten Aspekte unterlaufen und deshalb gegen elementare Grundsätze des Familien- und Verfassungsrechts verstoßen94. Weil im Bereich der Familienplanung regelmäßig neben den höchstpersönlichen Belangen des Erklärenden auch höchstpersönliche Angelegenheiten des Partners oder Dritter berührt sind, kann jedoch umgekehrt ebenso wenig angenommen werden, dass aus einer negierten unabänderlichen Bindung eine freie und gänzlich uneingeschränkte Bindungswirkung folgen müsse95. So belegt die Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennungserklärung durch den Mann in dem Fall, dass die Anerkennung ein Jahr nach Beurkundung noch nicht wirksam geworden ist (§ 1597 Abs. 3 S. 1 BGB), weil etwa die Mutter ihre Zustimmung noch nicht erteilt hat, den gesetzgeberischen Willen zum Schutz des Kindesstatus vor einem willkürlichen Meinungswechsel des Anerkennenden bei gleichzeitiger Berücksichtigung dessen Interessen an der Vermeidung eines für ihn unsicheren Zustandes96. Im Adoptionsrecht ist der Antrag des Annehmenden hingegen frei widerruflich ausgestaltet, und zwar sogar noch bis zur Zustellung des Adoptionsbeschlusses durch das Gericht, weil es dem Kindeswohl nicht entspricht, gegen den Willen der Beteiligten eine neue Eltern-Kind-Zuordnung zu etablieren97. Die Einwilligung der leiblichen Eltern kann dagegen grundsätzlich nicht zurückgenommen werden (§ 1750 Abs. 2 S. 2 BGB), um das neu entstehende Eltern-Kind-Verhältnis 91  BGHZ

146, 391 (394 f., 398); 129, 297 (307). 146, 391 (394 f.) für die homologe IVF; BGHZ 129, 297 (306 f.) für die heterologe Insemination. 93  MünchKommBGB/Roth, § 1353 BGB Rn. 30. 94  BGHZ 146, 391 (394 f.) für die homologe IVF; BGHZ 129, 397 (307) für die heterologe Insemination. Zust. BNotK, DNotZ 1998, 241 (246). 95  A. A. Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3256): Keine rechtliche Bindung. 96  Vgl. Hammer, Elternvereinbarungen (2004), S. 163. 97  Staudinger2007/Frank, § 1752 BGB Rn. 6 f. 92  BGHZ

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

nicht zu stören98. Sofern sich die Interessen der Eltern widersprechen und Belange des Kindes betroffen sind, können mit Blick auf die Intensität der Bindungswirkung nur letztere ausschlaggebend sein99. Aus den genannten Wertungen ergibt sich auch für die Bindungswirkung von Kinderwunschvereinbarungen, dass nur eine eingeschränkte Bindung die Interessen der Beteiligten angemessen und in ihrem Verhältnis zueinander ausgewogen berücksichtigen kann. Sie müssen daher grundsätzlich zunächst bindend sein, bis ein Teil sich in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts von ihr löst, ihr damit die Wirkung als Ergebnis der Ausgestaltungsbefugnis in der Ehe/Lebensgemeinschaft entzieht100. Die grundsätzliche Bindungswirkung von Anfang an trägt in erster Linie dem Vertrauen des Partners in die Vereinbarung Rechnung. Zur Wahrung der Interessen der Mutter und des Kindes, welches infolge der Kinderwunschvereinbarung erst entstehen soll, bedarf es eines festen Zeitpunktes, bis zu welchem ein Widerruf zulässig sein kann. Als spätestmöglicher Zeitpunkt kommt die Übertragung von Spendersamen bzw. einer befruchteten Eizelle auf den weiblichen Körper in Betracht101. In die Formel, sich „jederzeit“ frei für oder gegen ein Kind entscheiden zu können, müssen deshalb diese Einschränkungen hineingelesen werden. Darüber hinaus sollte der Widerruf mit der Pflicht zur Information des an der Vereinbarung festhaltenden Partners verknüpft sein; diese Pflicht wird zum Teil aus der Widerrufsmöglichkeit trotz Vertrauens des anderen Partners102, zum Teil aber auch schon aus dem der Ehe generell zugrundeliegenden Vertrauen, dem Rücksichtnahmegebot und der Achtung von Persönlichkeit und Persönlichkeitsrecht innerhalb der Ehe als solche hergeleitet103. Im Rahmen einer notariell beurkundeten Kinderwunschvereinbarung empfiehlt sich die Vereinbarung von Informationspflichten gegenüber dem Partner, sollte ein Teil von seiner zuvor getroffenen Entscheidung abrücken wollen104. 98  BT-Drs.

7/3061, 39; NK-BGB/Dahm, § 1750 BGB Rn. 16. Elternvereinbarungen (2004), S. 164 für Elternvereinbarungen. 100  Looschelders, Jura 2000, 169 (170) allgemein für Abreden über die Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft; Soergel/Lipp, § 1353 BGB Rn. 42 für die Familienplanung an sich einschließlich der heterologen Insemination; vgl. auch BeckOK-BGB/Hahn, § 1353 BGB Rn. 11 für Familienplanung in beide Richtungen einschließlich der Methoden der künstlichen Befruchtung; krit. Grziwotz, BWNotZ 1990, 49 (51), der unter diesen Umständen die Sinnhaftigkeit einer Vereinbarung in Frage stellt und deshalb die Gefahr eines Vorwurfs an den an der Vereinbarung mitwirkenden Notar sieht. 101  Zur Problematik der Bestimmung des spätestmöglichen Zeitpunkts siehe ausführlich noch S. 191 ff. 102  So wohl MünchKommBGB/Roth, § 1353 BGB Rn. 42; BeckOK-BGB/Hahn, § 1353 BGB Rn. 12. 103  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 18 Rn. 57. 104  Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3256). 99  Hammer,



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung121

D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung I. Vorlage der Dokumentation von Indikation und medizinischer und psychologischer Beratung bei ärztlich assistierter Befruchtung Sofern im Rahmen einer assistierten heterologen Befruchtung von den behandelnden Ärzten vor der Vornahme der Behandlung die Vorlage einer notariellen Vereinbarung gefordert wird, sollte sich der Notar von den intendierten Eltern eine Bescheinigung über die ärztliche Beurteilung der Indikation für die Maßnahme vorlegen lassen. Berufsrechtliche Vorgaben für Ärzte sehen nämlich vor, dass eine heterologe Befruchtung ausdrücklich indiziert sein muss, was dann der Fall ist, wenn nicht schon eine andere Maßnahme den gewünschten Erfolg herbeiführen könnte. Darüber hinaus muss den Beteiligten eine weiterführende psychosoziale Beratung durch qualifiziertes Personal zumindest empfohlen werden, um sich ein Bild über alle möglichen, auch langfristigen, Auswirkungen der Spendersamenbehandlung machen zu können105. Wird diese Beratung in Anspruch genommen, sollte sich der Notar auch die Bescheinigung hierüber vorlegen lassen106.

II. Sachaufklärung und Willenserforschung Wird die notarielle Mitwirkung im Rahmen einer Kinderwunscherfüllung durch heterologe künstliche Befruchtung gewünscht, hat der Notar zunächst den Sachverhalt aufzuklären und den Willen der Beteiligten zu erforschen. Sofern diese eine ärztliche Bescheinigung über die Indikation der Befruchtung und eine psychosoziale Beratung vorlegen, ist dies ein hinreichender Beleg für die ernstliche Absicht, durch künstliche Befruchtung mit Spendersamen ein Kind zeugen zu wollen. Darüber hinaus gilt es zu erörtern, welche Rolle den Beteiligten nach ihrer Vorstellung innerhalb der künftigen Familie zukommen soll, ob sie etwa bereit und gewillt sind, das Kind auf Dauer als ihr Kind anzusehen, aufzuziehen und in die Familie miteinzubeziehen. Hiervon ausgehend ist sinnvollerweise zu erforschen, ob und welche Vorstellungen sich die Beteiligten hinsichtlich des Bedarfs einer rechtlichen Absicherung ihres Willens gemacht haben. Ausgehend von dem Grundsatz, dass in 105  Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion, DÄBl 2018, A1, A8 mit A12 (Indikation) und A7 (psychosoziale Beratung). 106  Vgl. Beck’sches Formularbuch/Bernauer, Kap. 5 Punkt 27, Anm. 2; Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (353 f.); Empfehlung BNotK, DNotZ 1998, 241 (250).

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Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

diesem Stadium der notariellen Tätigkeit keine abschließende Willensbildung der Beteiligten erwartet werden soll, dient die Sachaufklärung und Willenserforschung als Grundlegung für die spätere Beratung und Belehrung durch den Notar. Regelmäßig sind dabei Fragen der Absicherung der Elternschaft intendierter Elternteile von größter Bedeutung; sie können im Einzelnen flankiert werden durch Unterhaltsvereinbarungen, Vereinbarungen über Sorgeund Umgangsfragen107 sowie Abreden, die das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung berühren.

III. Ungeklärte Zulässigkeitsfragen und Ablehnungsrecht des Notars Bevor auf einzelne Inhalte der notariellen Beratung und Gestaltung einzugehen sein wird, bedarf es einer Klärung der Frage, inwieweit sich die geltende Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit einzelner reproduktionsmedizinischer Verfahren auf den Umgang des Notars mit Kinderwunschvereinbarungen auswirkt. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei ein etwaiges Ablehnungsrecht des Notars, sofern an diesen die Bitte um die Beurkundung einer Kinderwunschvereinbarung herangetragen wird108. Ein Ablehnungsrecht kann zum einen mit Blick auf den strafbewehrten Arztvorbehalt des ESchG (§§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 ESchG, unter Punkt 1.), zum anderen wegen fehlender Vorgaben der heterologen Befruchtung für die Inanspruchnahme durch einzelne Personenkonstellationen (unter Punkt 2.) virulent werden. 1. Strafbewehrter Arztvorbehalt des ESchG a) Das Verbot des ESchG Der Gesetzgeber hat in §§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG vorgesehen, dass eine künstliche Befruchtung nur durch einen Arzt vorgenommen werden darf und andernfalls eine Strafe droht, wobei für die Frau, welche die Befruchtung bei sich vornimmt, und für den Mann, dessen Samen verwendet wird, persönliche Strafausschließungsgründe bestehen (§ 11 Abs. 2 ESchG). Sofern an den Notar die Bitte um die Beurkundung einer Kinderwunschvereinbarung herangetragen wird, welcher eine privat durchgeführte künst­ liche Befruchtung mit Spendersamen zugrunde liegt, erfasst das Verbot des ESchG grundsätzlich auch die entsprechende Kinderwunschvereinbarung 107  Sorge- und Umgangsregelungen bleiben im Rahmen dieser Arbeit unberücksichtigt. 108  Siehe Kap. 3 D. III. 2. c), S. 130 ff.



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung123

mit der Folge, dass diese gegen ein gesetzliches Verbot verstieße und damit nichtig wäre109. Der Notar ist grundsätzlich verpflichtet, seine Urkundstätigkeit zu versagen, wenn diese mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre (§ 14 Abs. 2 ­BNotO, § 4 ­BeurkG), wozu die Beurkundung eines unwirksamen Rechtsgeschäfts zählt110. Die Vorgaben des ESchG könnten somit unter Umständen dazu führen, dass die Mitwirkung des Notars lediglich im Rahmen medizinisch organisierter Befruchtungen in Betracht kommt. Angesichts bestehender Unwägbarkeiten gerade im Bereich privat organisierter Befruchtungen erscheint diese Konsequenz wenig befriedigend. b) Verfassungsmäßigkeit des Verbots Zweifel hinsichtlich eines Ablehnungsrechts des Notars könnte der Umstand nach sich ziehen, dass dem Verbot privater künstlicher Befruchtung verfassungsrechtliche Bedenken entgegengebracht werden111. Zwar erscheint es zunächst sinnvoll, dass künstliche Befruchtungen allein durch Ärzte vorgenommen werden sollen, um hinreichende medizinische Fachkunde zu gewährleisten112. Dies führt gleichzeitig aber auch zu dem Ergebnis, dass beispielsweise ein Augenarzt die künstliche Befruchtung vornehmen dürfte, nicht aber ein erfahrener Mikrobiologe, der im Zweifel eher über das notwendige Fachwissen verfügt113. Bedenkt man, dass eine privat durchgeführte Insemination technisch im Wesentlichen dem natürlichen Zeugungsvorgang entspricht, bestehen ohnehin keine vergleichbaren Risiken114. Außerdem steht der Normzweck nicht in angemessenem Verhältnis zu dem Umstand, dass infolge der Vornahme einer privaten Insemination zunächst grundsätzlich ein Straftatbestand erfüllt wird, was mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Fortpflanzungsfreiheit kollidiert115. Der Strafausschließungsgrund führt dabei lediglich dazu, dass von einer Bestrafung abgesehen wird116. in: FS Schippel (1996), 341 (342). Kap. 1 E. V., S. 77. 111  So wohl Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1067). 112  Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, § 9 ESchG Rn. 2: umfassende Diagnostik, Aufklärung, Vorbehandlungen nur durch Ärzte; Bergmann/Pauge/Kahlert, Gesamtes Medizinrecht, § 9 ESchG Rn. 1; vgl. auch Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 9 ESchG Rn. 1. 113  Bergmann/Pauge/Kahlert, Gesamtes Medizinrecht, § 11 ESchG Rn. 2. 114  Raude, RNotZ 2019, 451 (455). 115  Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1067). Zum Recht auf Fortpflanzungsfreiheit siehe noch Kap. 4 B. V. 2. d) cc), S. 170 ff. 116  Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1067); für ordnungsrechtliches Verbot „kommerzieller Samenangebote ohne ärztliche Aufsicht“ Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55). 109  Zimmermann, 110  Siehe

124

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

Wie der Notar allerdings mit einer Beurkundung umzugehen hat, für welche ein Gesetz maßgeblich ist, das er unter Umständen selbst für nicht verfassungskonform hält, ist offenbar nicht abschließend geklärt. Zum Teil wird vertreten, der Notar dürfe nach sorgfältiger Prüfung, zu der er infolge seiner Amtspflichten durch den Schwur auf die Treue zur Verfassung (§ 13 Abs. 1 ­BNotO) befugt ist117, ein aus seiner Sicht verfassungswidriges Gesetz nicht anwenden118. Dieser Auffassung zufolge müsste der Notar den strafbewehrten Arztvorbehalt, sofern er ihn für verfassungswidrig hält, ignorieren und die Kinderwunschvereinbarung, die eine privat durchgeführte künstliche Befruchtung zum Gegenstand hat, beurkunden119. Ein anderer Teil der Literatur vertritt die Meinung, dass der Notar seine Zweifel unbeachtet lassen und das Gesetz anwenden müsse, bis die Verfassungswidrigkeit etwa infolge der Vorlage eines Gerichts nach Art. 100 GG festgestellt ist120. Dabei sei wegen der Letztentscheidungskompetenz allerdings nur das Gericht, nicht aber der Notar, berechtigt das Verfahren auszusetzen121. Ein Verweis auf das Beschwerdeverfahren gegen den Notar nach § 15 Abs. 2 ­BNotO bei Verweigerung der Urkundstätigkeit gehe fehl, weil eine Verfassungswidrigkeit nach Art. 100 GG im Rahmen der bloß summarischen Prüfung des § 15 Abs. 2 ­BNotO nicht geprüft werden könne122. Dieser Auffassung zufolge müsste der Notar den strafbewehrten Arztvorbehalt beachten und die Beurkundung ablehnen, da er andernfalls ein nichtiges Rechtsgeschäft beurkunden und dadurch gegen seine Amtspflichten verstoßen würde (§ 14 Abs. 2 ­BNotO, § 4 ­BeurkG)123. Aufgrund der geschilderten Situation dürfte unter Notaren derzeit somit eine Unsicherheit darüber bestehen, ob Beurkundungen anlässlich einer privat durchzuführenden Befruchtung zulässig sind124. Überzeugender erscheint, von einer Pflicht des Notars zu einer Ablehnung einer entsprechenden Beurkundung auszugehen. Hierfür spricht zum einen, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 51. ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 59. 119  Für Zulässigkeit von Kinderwunschvereinbarungen bei privater Insemination Raude, RNotZ 2019, 451 (455). 120  Lerch, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 18; siehe auch Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (342): Vereinbarungen seien gemäß § 134 BGB nur in dem Bereich der Fortpflanzungsmedizin denkbar, der nicht einem gesetzlichen Verbot unterliegt; Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3259). Widersprüchlich indes Winkler, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn.  52 f. 121  Lerch, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 18 f. 122  Lerch, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 19. 123  Muster eines Bescheides über die Ablehnung bei Grziwotz, notar 2018, 163 (172). 124  Raude, RNotZ 2019, 451. 117  Winkler,

118  Arndt/Lerch/Sandkühler,



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung125

dass die Vereinbarung über eine private Samenspende bzw. Befruchtung auch im Falle einer Beurkundung wegen § 134 BGB unwirksam wäre. Die Beurkundung hätte somit keinen Mehrwert. Zum anderen besteht die Pflicht des Notars zur Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung gegenüber dem Staat und stellt keine Amtspflicht des Notars i. S. d. § 19 ­BNotO gegenüber den Beteiligten dar125. Durch die Schaffung von §§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG hat der Gesetzgeber dokumentiert, dass er das Verbot für verfassungsgemäß hält, sodass kein Raum bleibt für die Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung durch den Notar, indem dieser die Beurkundung entgegen der Vorgaben des ESchG vornimmt. c) Teilunwirksamkeit der Vereinbarung Beurkundet ein Notar eine Vereinbarung anlässlich einer privat durchzuführenden Befruchtung, stellt sich außerdem die Frage, inwiefern sich dies auf die einzelnen Inhalte der Kinderwunschvereinbarung, d. h. auch auf vermögensrechtliche Vereinbarungen oder solche mit erbrechtlichem oder sorgeund umgangsrechtlichem Inhalt, auswirken könnte. Dies hängt letztlich wohl davon ab, ob im betreffenden Einzelfall die restlichen Abreden allein sinnvoll bestehen bleiben (§ 139 BGB) und die Parteien deren Beurkundung wünschen (Urkundsgewährungsanspruch)126. Sofern an die Stelle der fehlenden Abrede eine gesetzliche Regelung tritt und auf diese Weise die Lücke geschlossen wird, kann der Notar die Beurkundung nicht versagen; wenn indes die Gesamtvereinbarung durch das Entfallen der nichtigen Abrede lückenhaft bliebe, wäre der Notar zur Ablehnung der Beurkundung insgesamt berechtigt127. Lehnte der Notar die Beurkundung der Einwilligungserklärungen mit Blick auf das Verbot des ESchG ab, wenn eine private Insemination durchgeführt werden soll, so wären die Folgevereinbarungen insofern weiterhin sinnvoll, als sie der Absicherung des zu zeugenden Kindes dienten. Dies gilt jedenfalls für Unterhaltspflichten und erbrechtliche Verfügungen zu Gunsten des Kindes128. Hiergegen lässt sich auch nur schwerlich der Gedanke vorbringen, dass infolge der Teilbeurkundung ein gesetzliches Verbot umgangen werde und dies nicht gewollt sein könne. Denn § 1600 Abs. 4 BGB ist auf sämtliche Fälle künstlicher Befruchtung anwendbar129 mit der Folge, dass die abstammungsrechtlichen Rechtsfolgen von den Verboten des ESchG bereits nach dem Willen des Gesetzge125  Beck’sches

NotHdb/Kindler, § 31 Rn. 74. B ­ eurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 25. 127  Grziwotz/Heinemann, B ­ eurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 25. 128  Grziwotz, notar 2018, 163 (172). 129  Dazu siehe noch Kap. 4 B. V. 5., S. 181. 126  Grziwotz/Heinemann,

126

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

bers unabhängig sind. Darüber hinaus führte eine fehlende Beurkundung in diesem Zusammenhang nicht dazu, dass beabsichtigte gesetzliche Rechtsfolgen nicht ausgelöst würden, denn der Anfechtungsausschluss infolge der Einwilligung in eine heterologe Befruchtung kommt mangels Formvorgabe auch bei fehlender notarieller Beurkundung zum Tragen; Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Mutter und der intendierte Vater überhaupt Einwilligungserklärungen i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB abgeben130. 2. Fehlende Vorgaben für einzelne Personenkreise und Ablehnungsrecht Ein Ablehnungsrecht des Notars hinsichtlich der Beurkundung von Kinderwunschvereinbarungen mit ärztlich assistierter künstlicher Befruchtung mit Spendersamen kann sich weiterhin daraus ergeben, dass bis heute keine einheitlichen gesetzlichen Vorgaben dahingehend existieren, welchen Personenkonstellationen die künstliche Befruchtung mit Spendersamen bei ärzt­ licher Assistenz überhaupt zugänglich sein soll. Es finden sich weder Vorgaben in Form einer expliziten Zulässigkeitsregel noch ausdrückliche Verbote. a) Vorgaben der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 aa) Inhalt Für die Ärzteschaft galten als Richtschnur lange Zeit die Empfehlungen der Bundesärztekammer in Form der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006. In der Präambel der (Muster-)Richtlinie hieß es, dass die „öffentliche Debatte über Chancen, Legitimität und ethische Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, den gesellschaftlichen Wertewandel zu Familie, Ehe und Partnerschaft und die Kriterien der Medizinethik [berücksichtige]“131. Ausdruck dessen waren unter anderem die Ausführungen zu statusrechtlichen Voraussetzungen im Rahmen der allgemeinen Zulassungsbedingungen von assistierter Reproduktion. Ihre Methoden sollten unter Beachtung des Kindeswohls grundsätzlich nur bei verheirateten Paaren angewendet werden und ohne zusätzliche Begründung auch nur mit dem Samen des Ehemannes der Frau. Bei nicht verheirateten Frauen sollte sie nur dann zulässig sein, wenn sie in fester Partnerschaft mit einem Mann lebt und die130  Zum

Anfechtungsausschluss ausführlich noch unter Kap. 4 B. V., S. 160 ff. zur Durchführung der assistierten Reproduktion, DÄBl 2006, A 1393. 131  (Muster-)Richtlinie



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung127

ser die Vaterschaft des gezeugten Kindes anerkennen wird132. In einem der (Muster-)Richtlinie angefügten Kommentar, der als Interpretationshilfe gedacht war, werden diese Vorgaben unter Betonung der Schutzwürdigkeit des gezeugten Kindes näher begründet133. Dem Kind soll eine stabile Beziehung zu beiden Elternteilen ermöglicht werden, weshalb bei nichtverheirateten heterosexuellen Paaren Zurückhaltung geboten sei und die Tragfähigkeit der Beziehung überprüft werden müsse134; diese soll sich mit Blick auf mögliche medizinische und psychologische Probleme als hinreichend tragfähig erweisen. Sofern hingegen konkrete Anhaltspunkte vorliegen sollten, die auf medizinische, soziale oder psychologische Probleme hindeuten und aufgrund dessen ein dauerhaftes, stabiles Umfeld gefährdet scheint, könne der Wille und die Möglichkeit zur Bewältigung der Probleme eine Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen nicht rechtfertigen. Sie müssen dann unterbleiben. Hieraus folgt auch die Empfehlung, die heterologe Befruchtung bei Frauen auszuschließen, die in keiner Partnerschaft oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben135. bb) Rechtliche Verbindlichkeit Fraglich ist allerdings, inwiefern die Vorgaben rechtlich verbindlich sind. Die Rezeption der Richtlinie der Bundesärztekammer erfolgte regelmäßig im Rahmen der Berufsordnung der Landesärztekammern136. Die Berufsordnungen konkretisieren als Satzungsregelungen137, was sich in dem betreffenden Berufsbereich auf sachkundiger Grundlage als „selbstverständliche“ berufliche Pflicht darstellt138. Sie stehen ihrem Rang nach unterhalb parlamentarischer Gesetze139. Die Ärztekammern handeln bei Festlegung von Berufspflichten im Rahmen von Berufsordnungen in Ausübung ihrer Berechtigung zur funktionalen Selbstverwaltung der Ärzteschaft und als Teil der öffent­ lichen Gewalt, als welcher sie höherrangiges Recht zu beachten haben140. Problematisch ist, dass die Berufsordnungen größtenteils darauf verweisen, dass Empfehlungen oder Richtlinien der Ärztekammer zu beachten sind, 132  DÄBl

2006, A 1392 (A 1395). 2006, A 1392 (A 1398 mit 1400). 134  Dass allerdings der Arzt dies ernsthaft überprüfen kann, ist zweifelhaft. 135  DÄBl 2006, A 1392 (A 1398 mit 1400). 136  Siehe Kap. 1 C. VII., S. 42 f. 137  Grziwotz, NZFam 2014, 1064 (1068). 138  BVerfGE 45, 346 (353). 139  Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (46). 140  Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 7 mit 26. 133  DÄBl

128

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

ohne dass diese selbst Bestandteil der Berufsordnung würden; streng genommen müssten die Empfehlungen und Richtlinien in diesen Fällen ebenfalls in Satzungsform erlassen werden141. Ungeachtet dessen sieht das BVerfG in der Selbstverwaltung der Ärzteschaft aber jedenfalls keinen Widerspruch zum Demokratieprinzip142. Gleichzeitig muss jedoch beachtet werden, dass das verfassungsrechtlich verbürgte Recht zur reproduktiven Selbstbestimmung143 gewahrt sein muss und die weitreichende Entscheidung über die Zulassung bestimmter Personenkreise zu reproduktionsmedizinischen Verfahren dem demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten ist144. Denn nur dieser soll nach der Rechtsprechung des BVerfG alle wesentlichen Fragen des Gemeinwesens selbst entscheiden können145. b) Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion von 2017 aa) Inhalt Diese Ansicht spiegelt sich nun in der neuen Richtlinie wider. Im Gegensatz zur (Muster-)Richtlinie von 2006, die in Ermangelung gesetzlicher Regelungen als Orientierungshilfe für Ärzte dienen sollte146, verfolgt die Bundesärztekammer mit der neuen Richtlinie das Ziel, gesetzliche Regelungen zu konkretisieren, praktikable und einheitliche Rahmenbedingungen sowie Rechts- und Behandlungssicherheit zu schaffen147. Vor allem durch das Gewebegesetz hat das Gebiet der assistierten Reproduktion einschließlich der heterologen künstlichen Befruchtung im Jahr 2007 erstmals konkretere medizinrechtliche Rahmenbedingungen erhalten148. Zuvor galt es im Wesentlichen 141  Laufs/Katzenmeier/Lipp, 142  Laufs/Katzenmeier/Lipp,

Arztrecht, Kap. II Rn. 27. Arztrecht, Kap. II Rn. 7 unter Verweis auf BVerfGE

107, 59 (92). 143  Siehe noch unter Kap. 4 B. V. 2. d) cc), S. 170 ff. 144  Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (48) m. w. N.; ders., in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (49); Laufs/Kern/Rehborn, HdB ArztR, § 130 Rn. 15; Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 79 f., insb. 81 f.; Grziwotz, NZFam 2014, 1064 (1068); Pauli, NZFam 2016, 57. Zur Frage der Normsetzungskompetenz von berufsständischen Kammern siehe Krekeler, MedR 2017, 867 ff. und ausführlich auch Müller, GesR 2008, 573. 145  BVerfGE 88, 103 (116). Zur Problematik arztstandesrechtlicher Zugangsregelungen siehe Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms (Hrsg.), Ehe, Familie, Abstammung (2010), 49 (51 ff.). 146  DÄBl 2006, A 1392. 147  DÄBl 2018, A 1. 148  Siehe Kap. 1 C. V., S. 38 ff.



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung129

nur die Vorschriften des ESchG zu beachten. Wie gezeigt stellt sich aber das seitdem entstandene Normgeflecht als komplex dar149, weshalb sich die Bundesärztekammer dazu veranlasst sah, die (Muster-)Richtlinie nicht fortzuführen und stattdessen die Richtlinie vor dem Hintergrund der geschaffenen Regelungen neu zu erarbeiten150. Ausweislich des Vorwortes wurde bewusst versucht, den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft festzustellen und gerade keine Interpretation rechtlich nicht eindeutig beantworteter Fragen vorzunehmen; kurzum sah die Bundesärztekammer vor, die medizinisch-wissenschaftlichen von den gesellschaftlichen Fragestellungen, für deren Klärung nach wie vor der Gesetzgeber in der Verantwortung gesehen wird, zu trennen151. Konsequenterweise äußert sich die aktualisierte Musterrichtlinie daher nicht mehr zu der erforderlichen Art der statusrechtlichen Verbundenheit der intendierten Eltern als Zulässigkeitsvoraussetzung, um diese von ihrer Bedeutung her so grundsätzliche Frage dem Gesetzgeber zur Beantwortung vorzubehalten. Es bleibt die Frage nach der Wirkung dieser Neuregelung im Verhältnis zu den Vorgaben der Richtlinie von 2006, die in den Berufsordnungen der Länder rezipiert wurden. bb) Wirkung Für die Frage danach, bei welchen Personenkonstellationen eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen in Betracht kommt, herrschen weiterhin, insbesondere auch für die betreffenden Mediziner, erhebliche Unwägbarkeiten. Die Richtlinie von 2006 wurde nur teilweise von den Landesärztekammern rezipiert mit der Folge, dass die in ihr enthaltenen Restriktionen mit Blick auf Personengruppen auch nur teilweise in die Berufsordnungen der Länder übernommen wurden. Es entstand auf diese Weise ein nach Bundesländern zersplittertes Recht. Obwohl die neue Richtlinie sich von rechtlichen Restriktionen verabschiedet hat, haben diese in jenen Bundesländern, die die Richtlinie rezipieren, aber bis dato keine Anpassung ihrer Berufsordnungen vorgenommen haben, weiterhin wohl eine zumindest faktische Wirkung auf die praktizierenden Reproduktionsmediziner.

149  Siehe

Kap. 1 C., S. 33 ff. 2018, A 1. 151  Begleitartikel DÄBl 2018, A 1050. 150  DÄBl

130

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

c) Konsequenzen für notarielle Vereinbarungen anlässlich einer heterologen Insemination Vor dem Hintergrund fehlender gesetzlicher Vorgaben bei gleichzeitigem Bestehen standesrechtlicher Empfehlungen ist zu prüfen, ob und ggf. auf welcher Grundlage für den Notar die Pflicht bzw. ein Recht zur Ablehnung seiner Urkundstätigkeit besteht, wenn an ihn die Bitte zur Mitwirkung an einer Kinderwunschvereinbarung herangetragen wird. aa) Ablehnung wegen Unvereinbarkeit mit notariellen Amtspflichten Eine Pflicht zur Ablehnung aus § 14 Abs. 2 ­BNotO wegen Unvereinbarkeit mit notariellen Amtspflichten, etwa der Pflicht zur Herstellung allein rechtswirksamer Urkunden, kommt mangels gesetzlichen Verbots der Vornahme ärztlich assistierter heterologer Befruchtungen weder bei verheirateten noch bei unverheirateten heterosexuellen Paaren in Betracht152. Dies gilt grundsätzlich ebenfalls für gleichgeschlechtliche Frauenpaare und alleinstehende Frauen, da auch für diese Konstellationen keine expliziten gesetzlichen Restriktionen bestehen153. Auch alleinstehende Frauen können vor dem Notar dokumentieren lassen, dass sie mit der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen einverstanden sind, und ggf. Folgevereinbarungen mit Personen schließen, die ihnen z. B. verwandtschaftlich nahestehen und bereit sind, zu Gunsten des Kindes rechtsgeschäftliche vermögensrechtliche Pflichten einzugehen. Vor dem Hintergrund der Befriedigung des Kinderwunsches als Motivation für die Vornahme der Behandlung kann darüber hinaus nicht von einem unerlaubten oder unredlichen Zweck der notariellen Mitwirkung gesprochen werden154. Bestätigt wird dies dadurch, dass der Gesetzgeber mit § 1600 Abs. 4 BGB selbst zur weiteren Angleichung ehelicher und nichtehelicher Kinder beitragen wollte155 und durch das SaRegG gleichzeitig die heterologe Befruchtung weiter gebilligt hat. Private heterologe Befruchtungen sind nicht verboten, stehen aber unter einem Arztvorbehalt (§ 9 Nr. 1 ESchG). Es be152  Für alle heterosexuellen Paare so schon vor Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB BNotK, DNotZ 1998, 241 (249); a. A. Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (343): es müsse beachtet werden, dass die medizinische Ethik die Vornahme nur bei verheirateten [heterosexuellen] Paaren erlaube. 153  Die aktuelle Unzulässigkeit der Samenspende an eine alleinstehende Frau nimmt aber an v. Münch/Kunig/Heiderhoff, GG, Art. 6 GG Rn. 152. Für eine gesetzliche Klarstellung BeckOGK-SaRegG/S. Lange, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1  SaRegG Rn. 16. 154  Volmer, BWNotZ 1998, 156. 155  Auf dieser Linie auch der Hinweis auf die seit dem KindRG für nichtverheiratete Paare bestehende Möglichkeit durch übereinstimmende Erklärungen ein gemeinsames Sorgerecht zu begründen, BNotK, DNotZ 1998, 241 (249).



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung131

steht hinsichtlich der Modalitäten der Befruchtung seitens des Arztes zwar keine Pflicht zur Nachfrage, jedoch muss die Beurkundung einer Vereinbarung, die ausdrücklich die Hilfeleistung anderer Personen bei der Befruchtung vorsieht, abgelehnt werden156. bb) Ablehnung wegen ernsthafter Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Art Über den zwingenden Versagungsgrund aus § 14 Abs. 2 ­ BNotO hinaus kommt eine fakultative Versagung der Urkundstätigkeit durch den Notar in Betracht, wenn dieser ernsthafte Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Art hinsichtlich seiner Mitwirkung anführt. Der Notar muss hiernach bei der Beurkundung eine Zweifelhaftigkeit der Sach- und Rechtslage besonders berücksichtigen und kann vor dem Hintergrund von § 4 ­BeurkG die Beurkundung ablehnen, falls er die Lage den Beteiligten durch die Belehrung nach § 17 Abs. 2 ­BeurkG nicht hinreichend deutlich machen kann157. Weil der Notar grundsätzlich verpflichtet ist, sich für seine Amtstätigkeiten von der Sach- und Rechtslage Kenntnis zu verschaffen, kann ein Verweigerungsrecht wegen Zweifel der geschilderten Art nur in besonders schwierig gelagerten Fällen angenommen werden158. Im Rahmen der heterologen Befruchtung dürfte in der Regel im Tatsächlichen Einigkeit unter den Beteiligten über die Vornahme der Befruchtung und die Absicht bestehen, das zu zeugende Kind wie ein eigenes leibliches Kind aufzuziehen. Zweifel könnten sich aber im rechtlichen Bereich ergeben: Derzeit ist allein die private heterologe künstliche Befruchtung durch das ESchG untersagt. Insofern ist grundsätzlich zunächst davon auszugehen, dass künstliche Befruchtungen abseits der privaten Insemination zulässig sind. Weil indes nicht absehbar ist, ob und mit welchen rechtlichen Konsequenzen zu rechnen sein muss, wenn beispielsweise bei gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren oder alleinstehenden Frauen eine heterologe Befruchtung erfolgen soll, kann ein Ablehnungsrecht des Notars wegen ernsthafter Zweifel rechtlicher Art in Betracht kommen159. Hiervon sollte der Notar allerdings nur dann Gebrauch machen, wenn er die rechtlichen Bedenken im Rahmen der Belehrung nicht hinreichend mit den NJW 2022, 3255 (3259). B ­ eurkG/DONot, § 4 ­BeurkG Rn. 23; Arndt/Lerch/ Sandkühler, B ­ NotO, § 15 ­BNotO Rn. 73. 158  Arndt/Lerch/Sandkühler, ­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 77. 159  I. E. für nicht verheiratete Paare auch schon Empfehlungen BNotK, DNotZ 1998, 241 (249), bei verheirateten Paaren soll hingegen ein Belehrungsvermerk nach § 17 Abs. 2 ­BeurkG genügen. Möglicherweise in diese Richtung unter der Rechtslage vor dem KindRVerbG auch Volmer, BWNotZ 1998, 158, der von einer heterologen Befruchtung bei nichtehelichen Paaren abriet. 156  Grziwotz,

157  Armbrüster/Preuß/Renner,

132

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

Beteiligten erörtern kann. Die nicht abschließende Klärung einer Rechtslage – es bleibt schon dahingestellt, wie dies überhaupt zu definieren wäre – sollte angesichts des Urkundsgewährungsanspruchs jedenfalls nicht ohne weiteres zur Ablehnung berechtigen. cc) Ablehnung aufgrund von Gewissensgründen (1) Rechtsgrundlage Schließlich kommt die Verweigerung der notariellen Mitwirkung dann in Betracht, wenn der Notar nachvollziehbar geltend machen kann, dass er eine ihm angetragene Beurkundung nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne160. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass dieser Versagungsgrund auf § 16 Abs. 2 ­BNotO (Ablehnung wegen Befangenheit) gründet161. Von der Rechtsprechung anerkannt ist beispielsweise die Ablehnung der Beurkundung einer sog. Patientenverfügung, die eine verbindliche Regelung für die Phase zwischen Leben und Tod anstrebt162, oder eines Behindertentestaments163. In der Literatur wird berechtigt darauf hingewiesen, dass eine Ablehnung aus Gewissensgründen problematisch erscheint164. Zum einen kann die Gewissensfreiheit als Begrenzung der notariellen Amtsausübungspflicht verstanden werden165, zum anderen muss gleichzeitig jedoch beachtet werden, dass wegen § 15 Abs. 1 ­BeurkG grundsätzlich ein Urkundsgewährungsanspruch besteht166, in welchem sich die Bedeutung der notariellen Tätigkeit im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege ausdrückt. Eine Verweigerung aus Gewissensgründen liegt damit stets auf der schmalen Schwelle zur unberechtigten Amtsverweigerung167. Sofern man daher vor dem Hintergrund, dass dem Notar letztlich keine Kompetenz zur abschließenden Beurteilung der Rechtslage – womöglich noch entgegen gesetzlicher Vorgaben – zusteht, nicht bereits das Ablehnungsrecht wegen Gewissensgründen verneinen

160  Arndt/Lerch/Sandkühler,

­BNotO, § 15 ­BNotO Rn. 71. DNotZ 1998, 241 (248 f.). 162  Winkler, ­BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 60 m. w. N. 163  Siehe bei Grziwotz/Heinemann, B ­ eurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 45 f. m. w. N. 164  Grziwotz/Heinemann, B ­eurkG, § 4 ­ BeurkG Rn. 45  f.; Lerch, ­ BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn.  21; Volmer, BWNotZ 1998, 156 (158). 165  Winkler, ­ BeurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 60 unter Verweis auf LG Potsdam NotBZ 2004, 162; vgl. auch BNotK, DNotZ 1998, 241 (249): Schutz des Notars (Anwendung bei Unterschriftsbeglaubigung). 166  Nachreiner, MittBayNot 2001, 356 (358); Volmer, BWNotZ 1998, 156 (158). 167  Grziwotz/Heinemann, B ­ eurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 45 f. 161  BNotK,



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung133

möchte168, so sollte ein solches jedenfalls auf sehr eng begrenzte Ausnahmesituationen beschränkt sein, in welchen ethische Schwierigkeiten bestehen169. (2) Heterosexuelle Paare Für die heterologe Befruchtung mit Spendersamen kann angesichts der heute bestehenden Vorgaben jedenfalls für heterosexuelle Paare, ob verheiratet oder nicht170, eine Ablehnung aus Gewissensgründen kaum ernsthaft in Betracht gezogen werden. Schon in den 1990er Jahren sind vertragliche Vereinbarungen über eine heterologe Insemination von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zivilrechtlich anerkannt worden171. Spätestens seit Einführung des SaRegG kann außerdem angenommen werden, dass auch der Gesetzgeber die heterologe künstliche Befruchtung billigt. Der Gesetzgeber hat die künstliche Befruchtung bei nichtverheirateten Paaren durch Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB zudem als zulässig erachtet. Auch hat das BVerfG mit Beschluss vom 26.03.2019 festgestellt, dass das allgemeine Gleichbehandlungsgebot verletzt ist, wenn eine Stiefkindadoption172 vom Bestehen einer Ehe zwischen Eltern- und Stiefelternteil abhängt173. Mittlerweile hat der Gesetzgeber reagiert und die Stiefkindadoption auch in nicht­ ehelichen Lebensgemeinschaften zugelassen, vgl. § 1766a BGB174. Diese Entscheidung führt zu einer weiteren Angleichung ehelicher und nichtehe­ licher Paare. Die Einführung eines ausdrücklichen Verbots der heterologen Befruchtung kam angesichts einer breiten Akzeptanz des Verfahrens im Ausland schon vor Jahrzehnten nicht mehr ernsthaft in Betracht175.

168  So

Volmer, BWNotZ 1998, 156 (158). Grziwotz/Heinemann, B ­ eurkG, § 4 ­BeurkG Rn. 45 f. 170  Für ein Ablehnungsrecht wegen fehlender medizinethischer und rechtlicher Anerkennung für die nichteheliche Lebensgemeinschaft aber noch Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (353); außerdem für ein Ablehnungsrecht bei verheirateten und nicht verheirateten Paaren (und für die Unterschriftsbeglaubigung) Empfehlungen BNotK, DNotZ 1998, 241 (249). 171  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (342). 172  Adoption eines leiblichen Kindes des Partners. 173  BVerfG NJW 2019, 1793. 174  Eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nicht­ ehelichen Familien vom 19.03.2020 (BGBl 2020 I S. 541), in Kraft getreten am 31.03.2020. 175  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (350). 169  So

134

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

(3) Gleichgeschlechtliche Frauenpaare und alleinstehende Frauen Schwieriger erweist sich die Einschätzung hinsichtlich gleichgeschlecht­ licher Frauenpaare und alleinstehender Frauen. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass sich auch unter Reproduktionsmedizinern in dieser Hinsicht noch keine einheitliche Praxis gebildet hat176: Die in der Richtlinie aus dem Jahr 2006 geäußerten Bedenken und die empfohlene Zurückhaltung sind zum Teil durch Rezeption der Landesärztekammern weiterhin Teil der Berufsordnungen, obwohl die Richtlinie mittlerweile überholt ist177. Ohne Anpassung drohen Ärzten, welche entgegen der Berufsordnung agieren, unter Umständen berufsrechtliche Konsequenzen. Gleichzeitig besteht beispielsweise in Berlin und Bayern die Situation, dass mangels Erlasses einer Richtlinie durch die Landesärztekammern keine standesrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Personenkreises existieren. Schon heute bieten einzelne Reproduktionseinrichtungen nach eigenen Angaben Samenspenderbehandlungen auch für lesbische Paare und sogar alleinstehende Frauen an, wobei zum Teil versucht wird, die zweite rechtliche Elternstelle durch Einbringung einer sog. Garantieperson zu kompensieren178. Dies dient auch der Vermeidung der Haftung durch die Kliniken für den Fall, dass beispielsweise der alleinstehenden Geburtsmutter etwas zustößt. Es ist zu erwarten, dass angesichts der Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare künftig eine weitere Liberalisierung innerhalb der Ärzteschaft eintritt und sich die Bereitschaft zur Vornahme der Befruchtung erhöht. In diese Richtung weist die Streichung statusrechtlicher Vorgaben in der überarbeiteten Richtlinie zur assistierten Reproduktion. Wenn in den Berufsordnungen der Landesärztekammern weiterhin die Vorgaben der Musterrichtlinie aus 2006 enthalten sind, verstößt ein Arzt jedenfalls nicht gegen Berufsrecht, wenn er die Vornahme der heterologen Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren oder alleinstehenden Frauen ablehnt. Allerdings bleibt es wegen heterogener Vorgaben bei Unsicherheiten innerhalb der Ärzteschaft179. Es stellen sich auch die Fragen, ob zum einen Ärzte, für welche die Vorgaben aus der Richtlinie von 2006 nicht verbindlich gelten, ihre Mitwirkung 176  Exemplarisch dazu Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (46). 177  Kap. 3 D. III. 2., S. 126 ff. 178  Cryobank München (https://www.cryobank-muenchen.de/donogene-insemina tion/im-besonderen/singles-und-kinderwunsch; zuletzt abgerufen am 27.11.2022). 179  Eine parallele Problematik ergibt sich für das Gebiet der Sterbehilfe. Seit 2011 stellt die Musterberufsordnung für in Deutschland tätige Ärzte klar, dass Hilfe zur Selbsttötung nicht geleistet werden darf (§ 16 MBO), siehe DÄBl 2019, A 1 ff. Auch hier besteht aber eine uneinheitliche Rechtslage.



D. Notarielle Mitwirkung bei heterologer Befruchtung135

bei gleichgeschlechtlichen Paaren und alleinstehenden Frauen ebenfalls aus Gewissensgründen verweigern dürfen, und zum anderen, ob und inwiefern die arztstandesrechtlichen Vorgaben Auswirkungen auf die Amtstätigkeit der Notare haben. Wenn auch die uneinheitliche Rechtslage ein Produkt der Rezeptionstechnik ist und sie bereits vor der Novellierung der arztstandesrechtlichen Vorgaben auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin bestand, muss beachtet werden, dass die Streichung des genannten berufsrechtlichen Aspekts im Rahmen der neuen Richtlinie nicht unbedingt aus der Motivation heraus erfolgte, Ärzten das Recht zur Ablehnung ihrer Tätigkeit aus Gewissensgründen zu versagen. Vielmehr sollte ausweislich der Begründung der Gesetzgeber dazu angeregt werden, sich dieses Themenkomplexes anzunehmen und nunmehr für alle Ärzte verbindliche gesetzliche Vorgaben zu schaffen180. Vor eben diesem Hintergrund erscheint es widersprüchlich, wenn sich trotz des Erlasses einer neuen Richtlinie grundsätzlich nur ein Teil der Ärzteschaft auf ihr Gewissen berufen und die Vornahme ablehnen können soll. In diese Richtung weisen auch die bundesrechtlichen Vorschriften der § 10 ESchG i. V. m. § 9 Nr. 1 ESchG: Hiernach ist allgemein kein Arzt verpflichtet, eine künstliche Befruchtung vorzunehmen oder an ihr mitzuwirken. Sofern man davon ausgeht, dass ein Arzt gegen sein Gewissen nicht verpflichtet werden kann, eine reproduktionsmedizinische Maßnahme durchzuführen, muss dies ebenso für die Mitwirkung des Notars gelten181. Während Ärzte ihre Mitwirkung an medizinischen Behandlungen gleichgeschlechtlicher Frauenpaare verweigern, würden Notare ihre Mitwirkung an entsprechenden zivilrechtlichen Vereinbarungen versagen. Mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgaben besteht keine Pflicht zur Beurkundung einer Vereinbarung, wenn sie auf eine Kinderwunschbehandlung bei gleichgeschlechtlichen oder alleinstehenden Frauen gerichtet ist. Besonders für den Fall von alleinstehenden Frauen ist fraglich, ob der Notar die Beurkundung ablehnen kann, wenn er selbst der Überzeugung ist, dass einem Kind immer zwei rechtliche Elternteile zuzuordnen sind und dies in solchen Konstellationen nicht gewährleistet wird182. Weil de lege lata die Abstammungsregeln nicht auf die 180  Begleitartikel

DÄBl 2018, A 1051. Empfehlungen BNotK, DNotZ 1998, 241 (249). Eine andere Beurteilung wäre aber möglicherweise vor dem Hintergrund der Bedeutung des Urkundsgewährungsanspruchs denkbar. 182  Zur Problematik noch näher Kap. 3 D. III., S. 122 ff. Für die Zulässigkeit der Inanspruchnahme auch durch alleinstehende Frauen Raude, RNotZ 2019, 451 (453) unter Verweis auf die Möglichkeit der Einzeladoption und die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit eines Ausschlusses alleinstehender Frauen. Nach hier vertretener Auffassung hinkt der Vergleich mit der Einzeladoption, denn sie stellt eine besondere 181  Schon

136

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

gleichgeschlechtliche Partnerin der Mutter angewendet werden können183 und wegen § 1600d Abs. 4 BGB jedenfalls bei der assistierten Befruchtung der Samenspender als rechtlicher Elternteil ausscheidet, kann auch die Beurkundung von Vereinbarungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren notarseitig Zweifel hervorrufen. Aufgrund der genannten Unwägbarkeiten sprechen die besseren Gründe dafür, ein Recht zur Ablehnung der Beurkundung durch den Notar aus Gewissensgründen anzunehmen184. Für Klarheit kann nur der Gesetzgeber sorgen. 3. Ergebnis Die mangelnde Tatkraft des Gesetzgebers auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung zieht Folgen nach sich. Das mittlerweile knapp 30 Jahre alte Verbot der privat durchgeführten Befruchtung im Rahmen des ESchG bewirkt zusammen mit fehlenden gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Zugänglichkeit einzelner Maßnahmen für bestimmte Personengruppen, dass Rechtsunsicherheit für Notare besteht. Dadurch kann die defizitäre Gesetzeslage in der Rechtspraxis kaum ausgeglichen werden185. Eine einheitliche Rechtslage und Rechtsausübung ist nicht gegeben. Daneben bestehen auch für Reproduktionsmediziner große Unsicherheiten; sie sind darauf angewiesen, ihr eigenes Verständnis der Berufsethik zu praktizieren186. Der in der Neufassung der Richtlinien zur assistierten Reproduktion zum Ausdruck kommende Appell an den Gesetzgeber hat diesen bis heute nicht erreicht. Mag auch die Reform des Abstammungsrechts heute im Fokus stehen: An einer gesetzlichen Klärung der Zulässigkeitsfragen führt langfristig kein Weg vorbei187. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfte ein Recht des Notars zur Ablehnung seiner Mitwirkung wegen Unvereinbarkeit mit Amtspflichten gemäß § 14 Abs. 2 ­BNotO, § 4 ­BeurkG mangels ausdrücklichen gesetzlichen Verbots, bestimmte Personengruppen von der Beurkundung von Kinderwunschvereinbarungen auszuschließen, ebenso wenig greifen wie das Recht zur Ablehnung wegen ernstlicher Zweifel tatsächlicher oder rechtlicher Art geSituation dar, in welcher für jeden Einzelfall eine konkrete (!) Kindeswohlprüfung erfolgt. 183  Dazu Kap. 4 B. II. 4., S. 150 ff. 184  Für Amtsverweigerung unter Berufung auf die – heute nicht mehr gültige – Musterrichtlinie von 2006 siehe Koch, NotBZ 2019, 20 (24). 185  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (350). 186  Pauli, NZFam 2016, 57. 187  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (350); vgl. auch Helms, in: Duttge/ Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (47).



E. Ergebnis137

mäß § 4 ­BeurkG, da sich der Notar über die Rechtslage grundsätzlich Klarheit verschaffen muss. In Betracht kommt aber die Ablehnung aus Gewissensgründen gemäß § 16 Abs. 2 ­BNotO im Rahmen der Beurkundung von Kinderwunschvereinbarungen betreffend alleinstehende Frauen, wenn der Notar der Auffassung ist, ein Kind dürfe nicht von Beginn an erkennbar und beabsichtigt ohne zweiten rechtlichen Elternteil verbleiben.

E. Ergebnis Kinderwunschvereinbarungen enthalten eine Reihe von Regelungen, welche die Interessen der Beteiligten sichern sollen. Dabei sind solche Vereinbarungen, die eine statusrechtliche Wirkung nach sich ziehen, wie etwa die Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung gemäß §  1600 Abs. 4 BGB, als Kinderwunschvereinbarungen im engeren Sinne von solchen Vereinbarungen zu unterscheiden, die keine statusrechtliche Wirkung aufweisen, sondern Folgefragen wie etwa Unterhaltsansprüche oder Auskunftsansprüche betreffen. Die unterschiedlichen Regelungen führen dazu, dass Kinderwunschvereinbarungen als schuld- und familienrechtliche Vereinbarungen gleichermaßen zu qualifizieren sind. Vereinbarungen über die Familienplanung erfordern einen privatautonomen Rechtsakt, den das geltende Familienrecht trotz eines in gewissen Grenzen bestehenden Typenzwangs zulässt. Die künstliche Befruchtung mittels Spendersamen unterliegt einigen wenigen gesetzlichen Restriktionen gemäß § 4 Abs. 1 ESchG. Für sämtliche künstliche Befruchtungen sieht außerdem §§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG einen Arztvorbehalt vor, sodass – obgleich die Verfassungsmäßigkeit von § 11 Abs. 1 ESchG in Frage gestellt wird – Kinderwunschvereinbarungen im engeren Sinne unwirksam sind, wenn kein Arzt an der Befruchtung mitwirken soll. Kinderwunschvereinbarungen im weiteren Sinne bleiben hiervon unberührt. Zudem sind Kinderwunschvereinbarungen nicht sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB, weil durch die Ausgestaltung der Vereinbarungen eine Degradierung der Beteiligten zu bloßen Objekten nicht zu befürchten ist, sich in den Vereinbarungen die Ausübung des verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrechts widerspiegelt und der Gesetzgeber mit der Schaffung von § 1600 Abs. 4 BGB die künstliche Befruchtung mit Spendersamen gebilligt hat. Obwohl Kinderwunschvereinbarungen einen höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen, sind sie nicht dem rechtsfreien Raum zuzuordnen, sondern einer rechtlichen Beurteilung zugänglich. Dies gebietet die mit den Vereinbarungen erzeugte Planungssicherheit für die Beteiligten, die Betroffenheit des Spenders als außenstehendem Dritten und die Ausübung der Selbstbestimmungsfreiheit, die mit solchen Vereinbarungen verbunden ist, und eine recht-

138

Kap. 3: Vereinbarungen anlässlich künstlicher Befruchtung

liche Anerkennung fordert. Dem Umstand, dass die Selbstbestimmungsrechte der Wunscheltern möglicherweise kollidieren können, trägt eine eingeschränkte rechtliche Bindung Rechnung. Diese wird durch die Möglichkeit eines Widerrufs der Zustimmungen zur Befruchtung erreicht, welche an eine Pflicht zur Information des Partners, der an der Vereinbarung festhält, geknüpft sein sollte. Die notarielle Mitwirkung an Kinderwunschvereinbarungen anlässlich einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen umfasst im Fall einer Beurkundung neben der Sachverhaltsaufklärung und der Erforschung des Willens der Beteiligten die Vereinbarung verschiedener Regelungsgegenstände. Sie findet ihre Grenzen in einer Pflicht zur Ablehnung der Beurkundung, wenn keine ärztlich assistierte Befruchtung mit Spendersamen beabsichtigt ist (§§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) und einer möglichen Ablehnung des Notars aus Gewissensgründen (§ 16 Abs. 2 ­ BNotO), wenn alleinstehende Frauen eine Beurkundung wünschen.

Kapitel 4

Analyse – Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen Im Folgenden sollen einzelne Kinderwunschvereinbarungen näher betrachtet werden. Dafür bedarf es zunächst der Ermittlung des Regelungsbedarfs in der jeweiligen Personenkonstellation (dazu Punkt A.). Anschließend werden Vereinbarungen betreffend die zweite rechtliche Elternstelle (Punkt B.) sowie Folgevereinbarungen (Punkt C.) analysiert.

A. Regelungsbedarf I. Verheiratete heterosexuelle Paare Entscheidet sich ein heterosexuelles, verheiratetes Paar für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen, wird der Ehemann der Mutter im Zeitpunkt der Geburt rechtlicher Vater des Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB). Aufgrund der gegenseitigen Einwilligungen, die der Ehemann und die Ehefrau im Vorfeld der Befruchtung erklären, ist eine spätere Anfechtung der Vaterschaft wegen Auseinanderfallens von rechtlicher und biologischer Vaterschaft durch beide nicht mehr möglich (§ 1600 Abs. 4 BGB). Das Anfechtungsrecht des Kindes (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) bleibt von dieser Regelung indes unberührt1. Darüber hat der Notar die verheirateten intendierten Eltern zu belehren. Das Anfechtungsrecht ist mit Blick auf die sich anschließende Möglichkeit einer neuen rechtlichen Zuordnung des Kindes bedeutsam. Jedenfalls für die Fälle ärztlich assistierter künstlicher Befruchtungen, bei denen der Samen aus einer sog. offiziellen Spende stammt, ist künftig die Feststellung des Samenspenders als rechtlichem Vater (§ 1592 Nr. 3 BGB) nicht mehr möglich (§ 1600d Abs. 4 BGB). Von diesem gesetzlichen Feststellungsausschluss bleiben Fälle der sog. Becherspende eines privaten Spenders ausgenommen2. Der private Spender kann weiterhin grundsätzlich per gerichtlicher Entscheidung rechtlicher Vater des Kindes werden. § 1600d Abs. 4 BGB führt de lege lata insbesondere in zwei Kon­ 1  MünchKommBGB/Wellenhofer, 2  MünchKommBGB/Wellenhofer,

§ 1600 BGB Rn. 59. § 1600d BGB Rn. 100.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

stellationen zu Schwierigkeiten. Zum einen birgt er die Gefahr, dass das Kind, wenn es von seinem Recht zur Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes Gebrauch macht, ohne rechtlichen Vater bleibt, weil der Samenspender nicht festgestellt werden kann. Hier ist das Verhältnis von Anfechtungszu Feststellungsrecht gestört. Zum anderen kann es passieren, dass das gezeugte Kind auch dann endgültig keinen rechtlichen Vater hat, wenn einerseits der Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB nicht greift, andererseits aber der Feststellungsausschluss aus § 1600d Abs. 4 BGB zum Tragen kommt. Zu denken ist etwa an die Situation, dass die Frau die Befruchtung entgegen des wirksamen Widerrufs der Einwilligung des Mannes dennoch durchführen lässt. Die Möglichkeit der Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft des Ehemannes steht dann sowohl dem Ehemann als auch der Mutter (und dem Kind ohnehin) offen, ohne dass gleichzeitig zumindest eine auf der biologischen Abstammung basierende rechtliche Zuordnung in Aussicht gestellt ist. Hinsichtlich der Gefahr der rechtlichen Vaterlosigkeit des Kindes kommen Folgevereinbarungen insbesondere über den Kindesunterhalt eine gesteigerte Bedeutung zu. Wichtig ist ferner, die Einwilligung in die heterologe Befruchtung umfassend zu regeln, um den Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB tatsächlich herbeizuführen. Erfolgt die Anfechtung gegen den Willen des intendierten Vaters durch das Kind und kann ein privater Samenspender gerichtlich als rechtlicher Vater festgestellt werden (§  1593 Nr. 3 BGB), stellt sich ferner die Frage nach der Möglichkeit des Verzichts des Spenders auf dessen rechtliche Vaterschaft und ggf. der Möglichkeit eines Verzichts der Eltern auf das Anfechtungsrecht des Kindes.

II. Nichtverheiratete heterosexuelle Paare Die Probleme, die im Zusammenhang mit verheirateten Paaren bestehen, verstärken sich noch für den Fall von nichtverheirateten Paaren. Weil der Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB erst dann greift, wenn bereits eine rechtliche Zuordnung des Kindes erfolgt ist, profitiert das künstlich gezeugte Kind von Eltern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht von der statuserhaltenden Funktion, die mit der Regelung durch den Gesetzgeber beabsichtigt war3. Der einwilligende Mann muss nämlich zunächst die Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen, ehe die hiermit etablierte Zuordnung durch den Anfechtungsausschluss gemäß § 1600 Abs. 4 BGB geschützt wird; erst dann ist die Anfechtung durch den Mann nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr möglich. § 1600 Abs. 4 BGB greift bei nicht3  Vgl.

Palandt/Siede, § 1600 BGB Rn. 11.



A. Regelungsbedarf141

verheirateten Paaren insofern zu kurz. Ändert der Partner der Mutter nach der Zeugung bzw. der Geburt des Kindes seinen Entschluss, für das Kind auch rechtlich Verantwortung übernehmen zu wollen, und sieht deshalb von einer Vaterschaftsanerkennung ab, bleibt das Kind auch hier wegen § 1600d Abs. 4 BGB jedenfalls in Fällen offizieller Samenspende mit ärztlich assistierter Befruchtung endgültig ohne rechtlichen Vater. Hat der in die Befruchtung einwilligende Mann die Vaterschaft vor der Zeugung anerkannt4, besteht gleichwohl die Gefahr der rechtlichen Vaterlosigkeit des Kindes wegen dessen weiterhin bestehenden Anfechtungsrechts in Kombination mit den Wirkungen von § 1600d Abs. 4 BGB genauso, wie für verheiratete intendierte Eltern. Widerruft der Mann seine Einwilligung in die heterologe Befruchtung wirksam und lässt die Frau dennoch die Maßnahme durchführen, wirkt sich dies im Zeitpunkt der Geburt nicht auf den Status des Kindes aus: Selbst, wenn der Partner die Anerkennung später erklärt, greift der Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB nicht, weil infolge des Widerrufs keine wirksame Einwilligung vorgelegen hat5. Der Regelungsbedarf für die heterologe Befruchtung bei nichtverheirateten heterosexuellen Paaren entspricht jenem für verheiratete heterosexuelle Paare6. Hinzu kommt, dass der Anfechtungsausschluss nach Einwilligung in die heterologe Befruchtung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB voraussetzt, dass zuvor eine rechtliche Vaterschaft begründet worden ist. Mangels Ehe käme hierfür allein die Vaterschaftsanerkennung (§§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB) in Betracht. Es stellt sich in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bereits vor der Zeugung eine sog. präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung möglich ist. Zu prüfen ist außerdem, ob eine Verpflichtung des intendierten Vaters zu einer Vaterschaftsanerkennung nach Zeugung oder Geburt möglich ist.

III. Gleichgeschlechtliche Frauenpaare Im Rahmen gleichgeschlechtlicher Ehen zwischen Frauen besteht für die Partnerin der Mutter des mit Spendersamen gezeugten Kindes nach geltendem Recht lediglich die Möglichkeit der Stiefkindadoption (§ 1741 Abs. 2 S. 2 BGB) als Instrument zur Herstellung einer rechtlichen Zuordnung. §§ 1592 ff., 1600d BGB sind auf die Ehefrau der Kindesmutter ihrem Wortlaut nach nicht zugeschnitten. Die Einwilligung der Mutter in die Adoption durch ihre Ehefrau kann wegen § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB erst 8 Wochen nach 4  Zum Problem einer solchen sog. präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkennung siehe Kap. 4 B. II., S. 144 ff. 5  Näher Kap. 4 B. V. 10., S. 190 ff. 6  Kap. 4 A. I., S. 139.

142

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

der Geburt erfolgen7. Der Antrag der Ehefrau auf Annahme als Kind (§ 1752 Abs. 1 BGB) ist wiederum bis zur Beschlussfassung des Gerichts frei widerruflich (vgl. § 1750 Abs. 4 S. 1 BGB). Für den Samenspender bleibt deshalb wegen der Konzeption des Adoptionsrechts das Risiko, dass die Adoption nicht wirksam vollzogen und er als leiblicher Vater auch rechtlich gemäß § 1592 Nr. 3 BGB festgestellt werden kann. Das gilt jedenfalls für die Fälle, in denen der Feststellungsausschluss des § 1600d Abs. 4 BGB nicht greift, in erster Linie also bei sog. privaten Becherspenden mit privater künstlicher Befruchtung. Daneben besteht zum einen für die leibliche Mutter die Gefahr, dass ihre Ehefrau als ursprünglich intendierte Mutter davon absieht das Adoptionsverfahren zu betreiben. Zum anderen kann umgekehrt die intendierte Mutter durch die leibliche Mutter und deren nicht erteilte Adoptionseinwilligung abredewidrig an der Adoption gehindert werden. Für gleichgeschlechtliche Paare ergibt sich insoweit ein Regelungsbedarf, als dass möglicherweise die Stiefkindadoption nicht betrieben und gleichzeitig der offizielle Spender wegen § 1600d Abs. 4 BGB als rechtlicher Vater ausscheidet. Von besonderer Bedeutung sind deshalb Folgevereinbarungen und allen voran Unterhaltsregelungen zu Gunsten des Kindes. Auch Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten eines privaten Spenders können erwogen werden. Gleichzeitig stellt sich ähnlich wie für die Konstellation nichtverheirateter heterosexueller Paare die Frage danach, ob eine Verpflichtung zur Adoption vereinbart werden kann. Dies wäre auch für den Fall bedeutsam, in welchem eine Ehefrau ihre Mitwirkung im Rahmen der Adoption verweigert.

IV. Alleinstehende Frauen Wünschen sich alleinstehende Frauen eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen, so ist in der Regel keine zweite Person vorhanden, die bereit ist, elterliche Verantwortung zu übernehmen und in die rechtliche Elternstellung einzutreten. Unter der Anwendung von § 1600d Abs. 4 BGB auch auf solche Konstellationen ergibt sich im Rahmen der Befruchtung alleinstehender Frauen schon im Regelfall die Situation, dass das gezeugte Kind endgültig ohne rechtlichen Vater bleibt, sofern jedenfalls nicht von einer Becherspende Gebrauch gemacht wurde, weil in diesem Fall der private Spender gerichtlich als Vater festgestellt werden kann (§ 1593 Nr. 3 BGB). Es stellt sich die Frage, ob ein solches Ergebnis kindeswohlkonform sein kann. Gleichzeitig besteht für den privaten Spender mangels Besetzung der zweiten Elternstelle die Gefahr, entgegen seinem Willen als rechtlicher Vater gerichtlich festgestellt zu werden (§ 1592 Nr. 3 BGB). Die Gefahr dieser Feststel7  Krit. zu fehlenden Möglichkeiten im Adoptionsrecht, vor der Zeugung rechtliche Bindungen zu erzeugen, Moes, NJW 2021, 3359 (3363).



B. Zweite rechtliche Elternstellung143

lung dürfte jedenfalls bei unbesetzter zweiter Elternstelle nicht unerheblich sein. Sofern auch alleinstehenden Frauen die Verwendung von Spendersamen offenstehen soll, kommen Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten des Spenders bzw. ggf. der Reproduktionsklinik eine besondere Bedeutung zu. Ein Regelungsbedarf hinsichtlich Unterhaltsvereinbarungen zu Gunsten des Kindes kann schließlich ebenfalls bestehen, wenn sich eine der Mutter nahestehende Person bereit erklärt, insoweit Verantwortung übernehmen zu wollen.

B. Zweite rechtliche Elternstellung Nachdem Inhalt und dogmatische Fragen von Kinderwunschvereinbarungen, ihre materiell-rechtlichen Grenzen sowie ausgewählte Aspekte der notariellen Mitwirkung beleuchtet wurden, widmen sich die folgenden Ausführungen nunmehr den Möglichkeiten und Grenzen konkreter rechtsgestalterischer Versuche, die Interessen der Beteiligten im Rahmen von Vertragsgestaltung dort abzusichern, wo das geltende Abstammungsrecht nur lückenhafte oder keine Lösungen anbietet. Dazu werden einzelne, mögliche Rechtsgestaltungen näher beleuchtet, welche die zweite rechtliche Elternstellung betreffen8.

I. Privatautonome Erklärung zur Begründung des Kindesstatus Privatautonome Erklärungen der Art und Weise, dass die intendierten Eltern vereinbaren, das zu zeugende oder gezeugte Kind solle den intendierten, aber nicht genetischen Vater als rechtlichen Vater erhalten, sind ohne Erfüllung der Voraussetzungen der einschlägigen gesetzlichen Tatbestände ohne statusrechtliche Wirkung. Das Abstammungsrecht lässt privatautonome Willensäußerungen insbesondere zur Wahrung der Statusklarheit und Statussicherheit nur im gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu9. Auch im Übrigen sind die Vorschriften des Abstammungsrecht nicht disponibel: So kann die Empfängniszeit nicht per Vereinbarung abweichend bestimmt werden und auch Abstammungsvermutungen können weder ausgeschlossen noch neu begründet werden10. Soweit an den Notar der Wunsch herangetragen wird, den Kindesstatus durch privatautonome Erklärungen frei nach Belieben zu vereinbaren, muss dieser die Beteiligten über die Unzulässigkeit einer solchen Vorgehensweise informieren und die gewünschte Beurkundung ablehnen. 8  Weiterführende Literatur zu entsprechenden Musterformulierungen sind – da­rauf soll bereits jetzt hingewiesen sein – dem Anhang zu entnehmen, siehe S. 375. 9  Siehe Kap. 2 B., S. 81 ff. 10  Grziwotz, notar 2018, 163 (167).

144

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

II. Präkonzeptionelle Anerkennung Als Option zur Absicherung der Interessen der Beteiligten kommt eine Anknüpfung an den bestehenden gesetzlichen Tatbestand der Vaterschaftsanerkennung in Betracht. Konkret stellt sich die Frage, ob eine Vereinbarung über eine Vaterschaftsanerkennung (§§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB) noch vor der Zeugung möglich sein kann. 1. De lege lata: Pränatale Vaterschaftsanerkennung (§ 1594 Abs. 4  BGB) De lege lata ist die Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1594 Abs. 4 BGB schon „vor der Geburt“ des Kindes möglich. Die vorgeburtliche (sog. pränatale) Anerkennung ist im Zuge des Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder aus dem Jahr 1969 (NEhelG)11 in das BGB aufgenommen worden (§ 1600b Abs. 2 a. F. BGB). Zuvor war lediglich die Anerkennung nach der Geburt möglich12. Die durch das NEhelG eingeführte Form der Vaterschaftsanerkennung soll frühzeitig eine rechtliche Beziehung zwischen Kind und Vater etablieren und auch bei Mehrverkehr der Mutter die Anfechtung der Vaterschaft möglich halten, sofern ein anderer als der anerkennende Mann biologischer Vater des Kindes ist13. Für die Möglichkeit der Anerkennung noch vor der Geburt, wie sie in zahlreichen anderen Rechtsordnungen bereits vorgesehen war, wurden Auswanderungspläne oder lebensgefährliche Erkrankungen des Vaters angeführt, darüber hinaus die psychische Entlastung der Mutter durch das frühzeitige Bekenntnis, eine Vermeidung der Ermittlung der Vaterschaft durch das Jugendamt und das Absehen von einer (damals noch möglichen) Beistandschaft des Jugendamtes mit der Folge der uneingeschränkten elterlichen Gewalt der Mutter im Zeitpunkt der Geburt. Außerdem könnten auf diese Weise der Personenstand und die unterhaltsrechtlichen Beziehungen schnell geklärt werden14.

11  BGBl

1969 I S. 1243. sollte dem Anerkennenden anhand des Geburtszeitpunkts die Errechnung der Empfängniszeit und gleichzeitig die Überprüfung möglich machen, ob er allein oder ggf. auch andere Männer als leiblicher Vater in Betracht zu ziehen sind. Erklärte der Mann hiernach das Anerkenntnis, so konnte er künftig die Einrede des Mehrverkehrs nicht mehr erheben. 13  BT-Drs. V/2370, 27. 14  BT-Drs. V/2370, 27. 12  Dies



B. Zweite rechtliche Elternstellung145

2. Vaterschaftsanerkennung bereits vor der Zeugung a) Bezugspunkt der Erklärung Vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 1594 Abs. 4 BGB („vor der Geburt“) ist nicht eindeutig, ob nach geltender Rechtslage neben der vorgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung auch eine Anerkennung noch vor der Zeugung des Kindes, d. h. präkonzeptionell, möglich ist15 oder ob sie jedenfalls de lege ferenda (ggf. nach Klarstellung durch den Gesetzgeber) möglich sein sollte16. Diese Frage, mit der sich die Rechtsprechung bisher – soweit ersichtlich – kaum befasst hat17, ist für die abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes nach künstlicher Befruchtung mit Spendersamen deshalb von Bedeutung, weil insbesondere nicht verheiratete intendierte Eltern die rechtliche Elternschaft oftmals bereits so früh wie möglich sichern wollen. Ein Teil der Literatur lehnt die Zulässigkeit der präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkennung ab18. In erster Linie wird die Ablehnung damit begründet, dass es mangels Zeugung an einem Rechtssubjekt fehle, auf welches sich die Anerkennungserklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe beziehen könn­ te19. Ohne Bezugspunkt laufe die statusrechtliche Erklärung ins Leere20. 15  Gegen Zulässigkeit de lege lata VGH Mannheim NJW 2012, 3254 (3258); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 40 f.; Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 25; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (262); für Zulässigkeit schon nach geltender Rechtslage Spickhoff-Medizinrecht/ Spickhoff, § 1594 BGB Rn. 6. 16  Parallele Problematik: vorkonzeptionelle Sorgeerklärung §§  1626a Abs.  1 Nr. 1, 1626b BGB, vgl. Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (40); Wegmann, MittBayNot 1998, 308 (309). Nach h. M. ist die Abgabe einer Sorgeerklärung vor der Zeugung aus den gleichen Gründen wie die Anerkennung nicht möglich, siehe Staudinger2020/Coester, § 1626b BGB Rn. 9; NKBGB/Rakete-Dombek/Berning, § 1626b BGB Rn. 5; BeckOK-BGB/Veit, § 1626b BGB Rn. 3; Schwab, DNotZ 1998, 437 (450); Zimmermann, DNotZ 1998, 404 (417). 17  VGH Mannheim NJW 2012, 3254 (3258) geht aktuell von der Unzulässigkeit aus, erkennt aber das Bedürfnis für die präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung an. 18  Staudinger2011/Rauscher, § 1594 BGB Rn. 50; Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms (Hrsg.), Ehe, Familie, Abstammung (2010), 49 (57); Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113). 19  Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 30; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 40; Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 25; Muscheler, FamR, Rn. 548; vgl. auch Wellenhofer, FamRZ 2013, 825 (829). Differenziert BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1594 BGB Rn. 83, 85, 87 f.: fehlender Bezugspunkt jedenfalls bei natürlicher Zeugung und einer Befruchtung in-vivo, nicht aber bei Befruchtung außerhalb des Körpers; dort allerdings problematisch, dass die Geburtsmutter und damit rechtliche Mutter noch nicht feststeht (ggf. Auseinanderfallen von rechtlicher Mutterschaft und Zustimmung

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Außerdem müsse davon ausgegangen werden, dass der Partner der Mutter insofern keine „Blanko-Vaterschaftsanerkennung“ abgeben wolle, als diese auch die rechtliche Vaterschaft zu einem Kind begründen würde, das beispielsweise aus einem Seitensprung der Frau und gerade nicht aus der einvernehmlichen künstlichen Befruchtung resultiert21. Nach Auffassung der Kritiker könne Rechtssicherheit nur durch die wiederholte Abgabe der Anerkennungserklärung nach der Empfängnis des Kindes herbeigeführt werden22. Der wohl überwiegende Teil der Literatur geht im Ergebnis jedoch davon aus, dass der Zulässigkeit einer präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkennung nichts entgegenstehe und sie jedenfalls de lege ferenda möglich sein sollte23. Rechtspolitisch spreche hierfür das Bedürfnis nach frühzeitiger Rechtssicherheit gerade auch im Interesse des Kindes und die Vermeidung psychischer Belastungen der Mutter24. Darüber hinaus sei eine Entpflichtung des Samen­ spenders anders nicht zu rechtfertigen25. Wenn § 1594 Abs. 4 BGB außerdem von einer Vaterschaftsanerkennung „vor der Geburt“ ausgehe, so müsse sie bereits vor dem Hintergrund des Wortlauts der Norm, der keine Einschränkungen macht, schon heute zulässig sein26. zur Anerkennung); krit. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 55, 333: lebensfremder Fall, da die Einwilligung regelmäßig vor der Durchführung der Befruchtung in-vitro erteilt werde. 20  Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30). 21  Staudinger2011/Rauscher, §  1594 BGB Rn. 50: keine „Vorratsanerkennung“; Helms, in: Röthel/Löhnig/Helms (Hrsg.), Ehe, Familie, Abstammung (2010), 49 (57); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113). Falls das Kind bzw. die Kinder tatsächlich aus einer natürlichen Zeugung mit einem Dritten stammen, würde § 1600 Abs. 4 BGB nicht greifen, sodass der in die Befruchtung einwilligende Mann seine rechtliche Vaterschaft weiter anfechten könnte, vgl. Staudinger2011/Rauscher, § 1594 BGB Rn. 50; Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (39). 22  DIJuF Rechtsgutachten, JAmt 2007, 419. Daneben wird oftmals empfohlen eine Erklärung mit aufzunehmen, kraft derer sich der einwilligende Mann zu einer Vaterschaftsanerkennung unmittelbar nach der Befruchtung verpflichtet, vgl. Taupitz/ Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (596); Wilms, RNotZ 2012, 141 (152). Zum Problem der Zulässigkeit solcher Verpflichtungen siehe Kap. 4 B. III., S. 155 ff. 23  DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2007, 419; Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (595); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113); ähnlich auch Erman/Hammermann, § 1594  BGB Rn. 14; Spickhoff, in: Spickhoff/Gottwald/Henrich/Schwab (Hrsg.), Streit um die Abstammung (2007), 13 (57); Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55). I. E. für die heterologe Befruchtung auch NK-BGB/Gutzeit, § 1594 BGB Rn. 14; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (942); MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 43 und § 1600 BGB Rn. 50; Dethloff/Timmermann, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S. 36 und Grziwotz, FF 2013, 233 (234). 24  Roth, DNotZ 2003, 805 (808); Wilms, RNotZ 2012, 141 (147). 25  Moes, NJW 2021, 3359 (3363); Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55). 26  Van de Loo, FamRB 2015, 230 f.; Wilms, RNotZ 2012, 141 (145).



B. Zweite rechtliche Elternstellung147

Auch unter dogmatischen Gesichtspunkten sei die Zulässigkeit der präkonzeptionellen Anerkennung haltbar. Zwar werde nicht bestritten, dass die Anerkennungserklärung einen Bezugspunkt voraussetzt27. Dabei müsse man allerdings beachten, dass nach allgemeiner Auffassung auch bereits das noch nicht gezeugte Kind („nondum conceptum“) Rechtssubjekt sein könne28. Dies gilt etwa bei der Einsetzung als Nacherbe oder Vermächtnisnehmer (§§ 2101 Abs. 1, 2106 Abs. 2, 2178 BGB) oder im Rahmen eines Vertrages zu Gunsten Dritter (§§ 328, 331 Abs. 2 BGB), in dessen Rahmen die Person des Dritten lediglich nach sachlichen und persönlichen Kriterien bestimmbar sein muss29. b) Bedingungsfeindlichkeit der Erklärung (§ 1594 Abs. 3 BGB) Gegen die Zulässigkeit wird weiter eingewandt, dass eine Anerkennung nicht unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Zeugung erklärt werden könne, weil eine Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1594 Abs. 3 BGB unwirksam ist, wenn sie an eine Bedingung (§ 158 BGB) oder eine Zeitbestimmung (§ 163 BGB) anknüpft30. Der Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit steht der präkonzeptionellen Anerkennung bei genauerer Betrachtung aber ebenfalls nicht entgegen: Zum einen wird in der Literatur eingewandt, es sei ein Widerspruch, wenn allein die Empfängnis des Kindes als aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung gewertet werde, obwohl auch die Geburt des Kindes Wirksamkeitsvoraussetzung ist, ohne dass diese jedoch als Bedingung im Sinne des § 1594 Abs. 3 BGB diskutiert würde31. Selbst wenn man dies anders sähe, müsste § 1594 Abs. 3 BGB teleologisch reduziert32 werden, weil sich die Schutzwürdigkeit der Beteiligten in der Phase vor der Zeugung nicht wesentlich von jener vor der Geburt unterscheide33 und § 1594 Abs. 3 BGB die Unwirksamkeit der Anerkennung gerade zur VermeiRNotZ 2012, 141 (145). RNotZ 2012, 141 (146); zur Stellung des sog. „nondum conceptus“ im Privatrecht siehe Neuner, JuS 2019, 1; für Erforderlichkeit eines Nasziturus BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1594 BGB Rn. 83. 29  BGH NJW-RR 2008, 683 (684). 30  Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (262). 31  Wilms, RNotZ 2012, 141 (146); vgl. auch Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (425 mit 427); Roth, DNotZ 2003, 805 (808); MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 43. 32  Dethloff, FamR, § 10 Rn. 85. 33  Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 108; Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (426 f.); Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (595). 27  Wilms, 28  Wilms,

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

dung von Rechtsunsicherheit anordnet; diese bestünde allerdings vor der Zeugung ohnehin nicht34. Zum anderen werde der Anerkennende gerade für den Fall der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen zwar seine Erklärung in erster Linie rein tatsächlich aus der Motivation heraus abgeben, dass das betreffende Kind mit seiner Einwilligung gezeugt werde, jedoch könne man diese Motivation nicht mit einer Bedingung im Rechtssinne gleichsetzen35. Das zeige die Überlegung, dass auch bei der Vaterschaftsanerkennung für ein Kind, das auf natürlichem Wege gezeugt wurde, der Anerkennende seine Erklärung oftmals unter der Annahme eigener tatsächlicher Vaterschaft abgebe. Weil allerdings auch in diesen Fällen ohne entsprechende Gentests die Zeugung durch einen Dritten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, müsste man auch hier eine Anerkennung unter der Bedingung, dass das Kind durch den Anerkennenden gezeugt wurde, unterstellen. Dies sei nicht sachgerecht36. c) Fazit Die Diskussion um eine bereits vor der Zeugung mögliche Vaterschaftsanerkennung entstammt in erster Linie dem Bedürfnis der reproduktionsmedizinischen Praxis, gerade bei nichtverheirateten Frauen möglichst zu einem frühen Zeitpunkt die Zuordnung eines rechtlichen Vaters zu ermöglichen. Die besseren Argumente sprechen dafür, von der Zulässigkeit einer präkonzep­ tionellen Vaterschaftsanerkennung – ggf. nach gesetzgeberischer Klarstellung des Wortlauts – auszugehen oder sie jedenfalls de lege ferenda zuzulassen37. Durch eine möglichst exakte vertragliche Fixierung der Einwilligungserklärungen ließe sich ein hinreichender Bezugspunkt für die Anerkennung herstellen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum das zu zeugende Kind im Kontext der Vaterschaftsanerkennung anders zu behandeln ist als in anderen Bereichen der Rechtsordnung, in welchen es Rechtssubjekt sein kann. Auch das Argument, der intendierte Vater beabsichtige nicht die Abgabe einer „Blanko-Vaterschaftsanerkennung“, greift nicht durch. Selbst wenn sich für die künstliche Befruchtung herausstellt, dass das Kind auf natürliche Weise durch einen Dritten gezeugt wurde, kann sich der Anerkennende von seiner rechtlichen („Blanko“-)Vaterschaft durch Anfechtung lösen, weil die Zeugung des Kindes nicht von der Einwilligung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB ge-

34  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff,

§ 1594 BGB Rn. 6. RNotZ 2012, 141 (147). 36  Wilms, RNotZ 2012, 141 (147). 37  Für die Möglichkeit, im Rahmen des Adoptionsrechts präkonzeptionell recht­ liche Bindung zu erreichen, Moes, NJW 2021, 3359 (3363). 35  Wilms,



B. Zweite rechtliche Elternstellung149

deckt war38. Das Problem des ggf. fehlenden Gleichlaufs von Einwilligung und Vaterschaftsanerkennung unter dem Gesichtspunkt der Widerruflichkeit stellt sich außerdem nicht, denn die Anerkennung läuft regelmäßig ins Leere, wenn die Einwilligung widerrufen wird und es dadurch erst gar nicht zu einer Schwangerschaft kommt39. Auch der Einwand der Bedingungsfeindlichkeit ist nicht von gewichtigen Argumenten getragen. Der Annahme von der Zeugung als Rechtsbedingung steht entgegen, dass auch andere Umstände wie die Geburt des Kindes oder die Vaterschaftsanerkennung in dem Glauben, es handele sich um das biologische Kind des Anerkennenden, bereits nicht als Rechtsbedingung angesehen werden. Außerdem besteht mangels Beeinträchtigung der Rechtssicherheit einer präkonzeptionellen Anerkennung auch kein rechtliches Bedürfnis, die Zeugung als Rechtsbedingung anzusehen. 3. Notarielle Beratung und Gestaltung Diejenigen, die sich (de lege ferenda) für die Zulässigkeit der präkonzeptionellen Anerkennung aussprechen, schlagen aus Gründen der Praktikabilität vor, in Kinderwunschvereinbarungen neben der Einwilligung der Eltern in die heterologe Befruchtung (§ 1600 Abs. 4 BGB) auch bereits eine präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung durch den intendierten Vater „uno actu“, zu erklären40. Weil nicht klar ist, ob derartige Vereinbarungen vor Gericht Bestand haben, wird empfohlen, die Vaterschaftsanerkennungserklärung nach Eintritt der Schwangerschaft oder nach Geburt des Kindes zu wiederholen41.

RNotZ 2012, 141 (147). DNotZ 2003, 805 (808). 40  BGHZ 87, 169: Eine schriftliche Erklärung, die der Kläger der Mutter des Beklagten aushändigte: „Hierdurch erkläre ich mich damit einverstanden, daß bei meiner Frau … eine künstliche Fremd-Insemination durchgeführt wird und ich hiermit die Verwandtschaft anerkenne.“; vgl. auch BVerfGE 117, 316 (319): „Vorab-Vaterschaftsanerkenntnis in notarieller Form“; vgl. ferner Soergel/Schmidt-Recla, § 1594 BGB Rn. 33; Spickhoff, in: Spickhoff/Gottwald/Henrich/Schwab (Hrsg.), Streit um die Abstammung (2007), 13 (57); MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1594 BGB Rn. 43; Rütz, Rechtliche Stellung des Samenspenders (2008), S. 105 ff.; Roth, DNotZ 2003, 805 (808); Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55). 41  Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3258); Schwarz, RNotZ 2022, 421 (434); Wilms, RNotZ 2012, 141 (152); vgl. auch Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 8a für die homologe Insemination. 38  Wilms, 39  Roth,

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Die Einwilligung in die heterologe Befruchtung selbst kann nicht als Vaterschaftsanerkennung verstanden werden42, weil beide Institute unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit des Widerrufs, die Form sowie Fragen der Übermittlung an das Standesamt. Hinsichtlich der Einwilligung selbst wird gefordert, dass die Urkunde bereits sehr konkrete Angaben hinsichtlich der ärztlichen Beratungs- und Behandlungstermine, der Namen der medizinischen Einrichtung und der behandelnden Mediziner sowie der konkret geplanten Maßnahme und der Behandlungsdauer enthält mit der Folge, dass das zu zeugende Kind dadurch bestimmbar wird43. Neben dem Willen des Anerkennenden, für die sich aus der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung ergebenden Folgen einzustehen, sollte die Kinderwunschvereinbarung stets auch eine Abrede dahingehend enthalten, dass die intendierten Eltern bereit sind, das Kind auf Dauer als ihr eigenes Kind anzusehen, zu erziehen und in die Familie miteinzubeziehen44. 4. Frage der Anwendbarkeit abstammungsrechtlicher Regeln auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare An den Problemkreis der präkonzeptionellen Anerkennung schließt sich die Frage an, ob die Vorschriften des Abstammungsrechts auch auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare Anwendung finden. Wäre dies der Fall, könnte auch die intendierte (Mit-)Mutter eine präkonzeptionelle Anerkennungserklärung abgeben, um frühzeitig ein Statusverhältnis zu dem zu zeugenden Kind zu etablieren. a) Eherechtsänderungsgesetz: Gleichstellung gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher Ehen Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (EheRÄndG)45 am 01.10.2017 haben gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland das Recht auf Eheschließung 42  Staudinger2011/Rauscher, § 1594 BGB, Rn. 50; Soergel/Schmidt-Recla, § 1592 BGB Rn. 30. 43  BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1594 BGB Rn. 83, 85, 87 f.: Differenzierung zwischen Befruchtung in-vivo und Befruchtung in-vitro; Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (28); Van de Loo, FamRB 2015, 230 f.; Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (595); Wilms, RNotZ 2012, 141 (146); krit. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 55, 333. 44  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (354); BNotK, DNotZ 1998, 241 (252). 45  Gesetz v. 20.7.2017, BGBl 2017 I S. 2787.



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erworben. § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB sieht seitdem vor, dass „(D)ie Ehe (…) von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen [wird].“ Gleichgeschlechtliche Paare konnten zuvor lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, die im Wesentlichen zwar der Ehe angeglichen, aber nicht mit den gleichen Rechten ausgestattet ist. Dies betrifft vor allem kindschaftsrechtliche Fragen. Gemäß § 9 Abs. 6 und 7 LPartG kann ein fremdes Kind nur von einem Lebenspartner allein angenommen werden. Ein leibliches bzw. – nunmehr durch das Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des BVerfG zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner46 – auch ein adoptiertes Kind eines Lebenspartners kann sodann der andere Partner durch Adoption annehmen47. Seit dem 01.10.2017 ist die Neubegründung eingetragener Lebenspartnerschaften nicht mehr möglich (Art. 3 Abs. 3 EheRÄndG), bestehende Partnerschaften bleiben jedoch unberührt bzw. können unter bestimmten Voraussetzungen mit Rückwirkung in eine Ehe umgewandelt werden (§ 20a LPartG)48. Entscheiden sich die Lebenspartner für eine Umwandlung in eine Ehe, können sie wie Ehepaare i. S. d. § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB ein Kind lediglich gemeinsam annehmen. Sieht das Paar jedoch von einer Umwandlung ab und hält die eingetragene Lebenspartnerschaft weiter aufrecht, kommt vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die Umwandlung nur optional vorgesehen und § 9 Abs. 7 S. 1 BGB nicht aufgehoben hat, allein die Adoption des Kindes des Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner in Betracht49. b) Auswirkungen der Reform auf die Vorschriften des Abstammungsrechts Es stellt sich die Frage, ob die in § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB vorgenommene Anpassung der Terminologie auch auf die abstammungsrechtlichen Vorschriften übertragen werden muss mit der Folge, dass § 1592 BGB bereits de lege lata analog auf eingetragene Lebenspartnerschaften oder Ehen zwischen zwei Frauen angewandt werden muss. aa) Regelungslücke In der Literatur ist zum Teil davon ausgegangen worden, dass bei der Geburt eines Kindes durch eine Frau deren Ehefrau nach § 1592 Nr. 1 BGB 46  Gesetz

v. 20.6.2014, BGBl 2014 I S. 786. § 9 LPartG Rn. 13. 48  Hierzu eingehend Löhnig, NZFam 2017, 977. 49  BeckOK-BGB/Pöcker, § 1741 BGB Rn. 32; Zschiebsch, notar 2017, 363. 47  BeckOK-BGB/Hahn,

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

ebenfalls Mutter im rechtlichen Sinne wird, so wie auch der Mann, der im Zeitpunkt der Geburt eines Kindes innerhalb einer Ehe nach dieser Vorschrift rechtlicher Vater des Kindes ist50. Das EheRÄndG habe die Ungleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren in jeder Hinsicht beenden wollen, der Gesetzgeber habe es aber versäumt, im Zuge der Reform auch die abstammungsrechtlichen Vorschriften neu zu fassen51. Weil bereits vor der Reform eine Möglichkeit zur rechtlich abgesicherten Lebenspartnerschaft bestand, hätte der Gesetzgeber noch tiefergreifende Absichten verfolgt52. Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung die entsprechende bzw. analoge Anwendung der Vorschriften des Abstammungsrechts auf die Co-Mutter verneint53 und ist damit im Ergebnis dem Großteil der Stimmen in der Literatur54 gefolgt. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare beenden wollte, kann aus Sicht des BGH nicht die versehentliche Säumnis des Gesetzgebers und damit eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich einer Anpassung des Abstammungsrechts geschlossen werden, weil dieses als selbstständiges Rechtsgebiet – nicht als bloße Wirkung der Ehe – von der Reform nicht erfasst sein sollte55. Dies belege auch der Umstand, dass der Arbeitskreis Abstammungsrecht seinen Abschlussbericht bereits wenige Tage vor Erlass des Gesetzes vorgelegt hatte, dieser aber offensichtlich nicht berücksichtigt wurde56. bb) Vergleichbare Interessenlage Der BGH hat jüngst auch eine vergleichbare Interessenlage verneint, die für eine Analogie erforderlich gewesen wäre: Die Zuordnungstatbestände des notar 2017, 363. NZFam 2017, 742 (743); Löhnig, NJW 2019, 122 (123); ders., NZFam 2017, 643 (644); vgl. auch Engelhardt, NZFam 2017, 1042 (1047); Zschiebsch, notar 2017, 363; a. A. Kaiser, FamRZ 2017, 1889 (1896). 52  Engelhardt, NZFam 2017, 1042 (1046). 53  BGHZ 220, 58. 54  Wellenhofer, NZFam 2018, 719 (723); mit Hinweisen auf kollisionsrechtliche Probleme der geltenden Rechtslage Tometten, ZRP 2019, 133; a. A. Chebout/Xylander, NJW 2021, 2472 ff.; Kiehnle, JA 2019, 563 ff. 55  BGHZ 220, 58 (63); 210, 59; vgl. Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2018, 19 (20); Kaiser, FamRZ 2017, 1889 (1895); Reuß, FamRZ 2021, 824; Wellenhofer, NZFam 2018, 719 (723) unter Verweis auf den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, BTDrs. 18/6665; krit. Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768 (769 f.). 56  BGHZ 220, 58 (64); vgl. für § 1592 BGB auch OLG Celle NZFam 2021, 352 (355–357). 50  Zschiebsch,

51  Binder/Kiehnle,



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§ 1592 BGB knüpften, ausgehend von dem Gedanken, dass ein Kind zwei verschiedengeschlechtliche Elternteile hat, an die Annahme an, dass derjenige Mann als rechtlicher Vater gelten soll, von dem das Kind biologisch bzw. genetisch abstamme; diese Vermutung lasse sich für die mit der Mutter verheiratete Frau hingegen nicht begründen, sodass eine Analogie wegen Überschreitung der Grenzen der Rechtsfortbildung nicht möglich sei57. cc) Regelungsbedürftige Folgefragen Es ergäben sich außerdem weitere regelungsbedürftige Folgefragen, etwa zur Anfechtbarkeit der Elternschaft zweier Frauen und der Berücksichtigung der Position des leiblichen Vaters außerhalb der Konstellationen des Fest­ stellungsausschlusses nach § 1600d Abs. 4 BGB58. Außerdem, so der BGH, bedürfte es einer Klärung, wie bei zwei männlichen Ehegatten vergleichbare Eltern-Kind-Verhältnisse begründet werden können, die ebenfalls an die Geburt des Kindes knüpfen59. Bei Zuhilfenahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen könnte die Zeugung eines Kindes in diesen Fällen aktuell nur über eine nach deutschem Recht verbotene Leihmutterschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) erreicht werden60. dd) Fazit Abstammungsrechtliche Vorschriften einschließlich der Regelungen um die Vaterschaftsanerkennung gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB sind auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare weder unmittelbar noch analog anwendbar. Entsprechend stellt sich für diese Paarkonstellationen auch nicht die Frage nach der Zulässigkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung zur frühzeitigen Begründung statusrechtlicher Verhältnisse zur intendierten (Mit-) Mutter. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Eherechtsänderungsgesetzes bewusst von einer Anpassung auch der abstammungsrechtlichen Vorgaben an gleichgeschlechtliche Frauenpaare abgesehen.

57  BGHZ 220, 58 (62); siehe auch BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1591 BGB Rn. 49; Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2018, 19 (20); Kaiser, FamRZ 2017, 1889 (1896); Schmidt, NZFam 2017, 832 (833); a. A. Kaulbach/Pickenhahn/von Scheliha, FamRZ 2019, 768 (770 ff.) m. w. N. 58  BGHZ 220, 58 (65 f.); vgl. auch Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2018, 19 (20). 59  BGHZ 220, 58 (65 f.). 60  Kaiser, FamRZ 2017, 1889 (1896); Schmidt, NZFam 2017, 832 (833).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

c) Notarielle Beratung und Gestaltung Tritt ein gleichgeschlechtliches Frauenpaar mit der Bitte um die Beurkundung einer Kinderwunschvereinbarung an einen Notar heran, hat dieser darüber aufzuklären und zu beraten, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Anwendung der abstammungsrechtlichen Vorschriften auf gleichgeschlechtliche Paare aktuell nicht vorgesehen ist, entsprechende Vereinbarungen unwirksam sein würden und daher der Weg der Stiefkindadoption (§§ 1741 Abs. 2 S. 2, 1766a BGB) beschritten werden müsste. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Risiken sowohl für die leibliche Mutter als auch ihre Partnerin könnten auch durch eine vertragliche, aber möglicherweise wohl unwirksame oder nicht durchsetzbare, Verpflichtung zur Abgabe bzw. der Unterlassung der Abgabe der notwendigen Erklärungen nicht abgeholfen werden61. Der Antrag kann weiterhin bis zur Wirksamkeit des Adoptionsbeschlusses jederzeit zurückgenommen werden (§ 1750 Abs. 4 S. 1 BGB)62, weil nach allgemeiner Auffassung der Sinn der Adoption verfehlt werde, sofern sie gegen den aktuellen Willen der annehmenden Person erfolgt63. d) Zwischenergebnis Die geltenden abstammungsrechtlichen Bestimmungen sind auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare unabhängig davon, ob sie in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, einer Ehe oder einer nichtehelichen Beziehung leben, nicht anwendbar. Zur Begründung einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zur Partnerin der Mutter sind Frauenpaare deshalb weiterhin auf die Durchführung einer Stiefkindadoption angewiesen. 5. Ergebnis Die Diskussion um die präkonzeptionelle Anerkennung belegt das in der Praxis bestehende Bedürfnis nach möglichst frühzeitiger Rechtssicherheit hinsichtlich des Kindesstatus. Es sprechen gute Argumente für eine Zulässigkeit dieser Möglichkeit (Anerkennungslösung), allerdings nach Klarstellung durch den Gesetzgeber de lege ferenda. Einer ausdrücklichen Klarstellung NZFam 2016, 57 (58). Düsseldorf FamRZ 1997, 117; BT-Drs. 7/3061, 74, 85; Staudinger2019/ Helms, § 1752 BGB Rn. 10 f. 63  Staudinger2019/Helms, § 1752 BGB Rn. 11; BeckOK-BGB/Pöcker, § 1752 BGB Rn. 3. Für pränatale abzugebende, verbindliche Erklärungen im Rahmen der Adoption, Moes, NJW 2021, 3359 (3363). 61  Pauli, 62  OLG



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bedarf außerdem die Frage, ob die abstammungsrechtlichen Vorgaben auch auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare anwendbar sind. Eine notarielle Vertragsgestaltung, die präkonzeptionelle Anerkennungs- sowie Zustimmungserklärungen enthält, kann die Interessen der Beteiligten nur eingeschränkt absichern, sofern die Frage der Zulässigkeit in diesem Punkt nicht abschließend geklärt ist.

III. Verpflichtung des intendierten Vaters zur Vaterschaftsanerkennung nach Zeugung Weil die Frage nach der Zulässigkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung streitig ist, empfiehlt die notarrechtliche Literatur und behilft sich die Praxis oftmals damit, im Rahmen einer notariellen Kinderwunschvereinbarung zusätzlich die Verpflichtung – insbesondere des intendierten Vaters64 – zur Abgabe aller Erklärungen aufzunehmen, die für eine Vaterschaftsanerkennung unmittelbar nach der Zeugung erforderlich sind. Problematisch ist allerdings, ob eine solche Verpflichtung wirksam abgegeben und letztlich auch vollstreckt werden kann65. Soweit ersichtlich hat sich die Rechtsprechung mit dieser Thematik bisher nicht befasst. 1. Wirksamkeit der Erklärung Schon gegen die Wirksamkeit einer derartigen Verpflichtungsklausel könnte sprechen, dass der BGH wiederholt das Recht jedes Einzelnen betont hat, sich im Rahmen seines verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrechts (Artt. 2 Abs. 1 mit 1 Abs. 1 GG) jederzeit frei für oder gegen ein Kind und die Übernahme elterlicher Verantwortung entscheiden zu können66. Für die parallele Problematik von Vereinbarungen über Sorgeerklärungen weisen einige Stimmen aus der Literatur ebenfalls in diese Richtung67. Auch eine Verpflichtung zur Stellung eines Adoptionsantrags (§ 1752 Abs. 1 BGB) kommt nicht in Frage, weil der Antrag bis zur Zustellung des Annahmebeschlusses an den Antragssteller jederzeit zurückgenommen werden kann in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30). die Zulässigkeit derartiger Verpflichtungen Helms, in: Coester-Waltjen/ Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (52); Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (40); BNotK, DNotZ 1998, 241 (250); Grziwotz, notar 2918, 163 (170). 66  BGHZ 146, 391 (395); 129, 297 (306 f.); vgl. auch Grziwotz, NZFam 2021, 410 (413); Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30); Koch, NotBZ 2019, 20 (23). 67  Staudinger2020/Coester, § 1626a BGB Rn. 74; NK-BGB/Rakete-Dombek/Berning, § 1626a BGB Rn. 15; Muscheler, FPR 2005, 177 (181). 64  Koch,

65  Gegen

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

(§ 1750 Abs. 4 S. 1 BGB)68. Außerdem müssten schon die Gründe, die gegen die Zulässigkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung sprechen – allen voran die Tatsache, dass sich die Erklärung mangels Subjekts „blanko“ auf jedes Kind beziehen und so dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht Genüge getan würde –, auch gegen eine derartige Verpflichtung angeführt werden69. Falls die Entscheidung gegen die Möglichkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung de le lata bewusst vom Gesetzgeber getroffen wurde, ist nicht einzusehen, warum sie durch eine präkonzeptionelle, gerichtlich sogar durchsetzbare Verpflichtung zur Anerkennung umgangen werden können soll70. Es lassen sich aber ebenso gute Gründe für eine Wirksamkeit der Verpflichtungsklauseln anführen. So ist nämlich erstaunlich, dass hinsichtlich der Übernahme der Elternverantwortung die Bedeutung des jeweils aktuellen Willens als maßgeblich erachtet wird, aufgrund der Umstände der Spende gleichzeitig aber von einem präkonzeptionell und danach stets noch aktuellen und wirksamen Verzicht des sog. offiziellen Samenspenders auf die Wahrnehmung seiner Elternposition ausgegangen wird71. Insofern legt man hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts der intendierten Eltern und des Spenders offenbar unterschiedliche Maßstäbe an. Der Verzicht des offiziellen Samenspenders hat dabei zur Folge, dass er nicht zu einer Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes berechtigt ist, mag er selbst auch der leibliche Vater des Kindes sein72. Wegen § 1600d Abs. 4  BGB scheidet darüber hinaus die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft nach § 1592 Nr. 3 BGB aus, sodass für den Spender lediglich die Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung bleibt, sofern nicht bereits mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Darüber hinaus leuchtet nicht unbedingt ein, dass ganz bewusst die Planung und Durchführung der Zeugung eines Kindes betrieben wird, ohne dass später die zuvor zum Ausdruck gekommene Bereitschaft zur Übernahme von Elternverantwortung tatsächlich realisiert werden soll73. Dieser Gedanke liegt bereits § 1600 Abs. 4 BGB zugrunde. Er gewinnt an Gewicht, seitdem wegen § 1600d Abs. 4 BGB der offizielle Samenspender als leiblicher Vater nicht mehr gerichtlich festgestellt werden kann und das Kind dadurch Gefahr läuft, dauerhaft ohne zweiten rechtlichen Elternteil zu verbleiben. Die Annahme 68  OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 117; Staudinger2019/Helms, § 1750 BGB Rn. 10 f.; BT-Drs. 7/3061, 74, 85. 69  Wilms, RNotZ 2012, 141 (152). 70  Wilms, RNotZ 2012, 141 (152). 71  BGH FamRZ 2015, 828 (830); OLG Bamberg NJW-RR 2017, 840 (841). 72  Dazu noch ausführlich Kap. 4 B. VI., S. 204 ff. und Kap. 5 D. III., S. 292 ff. 73  Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113): Möglichkeit der Abgabe rechtsverbindlicher Erklärungen.



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der Wirksamkeit einer Verpflichtung zur Anerkennung könnte damit dem vorherigen Ausdruck der Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme Rechnung tragen und gleichzeitig die Interessen des Kindes wahren. Diese Kon­ struktion würde außerdem die Interessen des leiblichen Vaters sichern74, dessen rechtliche Vaterschaft nicht mehr von der Zustimmung der Mutter zur Anerkennung des intendierten Vaters abhinge. Dem Argument mangelnder Bestimmtheit der Verpflichtung könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass bereits vor der Befruchtung konkrete Angaben hinsichtlich der ärzt­ lichen Beratungs- und Behandlungstermine, der Namen der medizinischen Einrichtung und der behandelnden Mediziner sowie der konkret geplanten Maßnahme gemacht werden mit der Folge, dass das zu zeugende Kind dadurch identifizierbar würde75. 2. Durchsetzung der Verpflichtung An die Frage der Wirksamkeit derartiger Klauseln knüpft die Frage der Durchsetzbarkeit der Verpflichtung an76. Weil sich die Verpflichtung auf die Abgabe der Anerkennungserklärung und damit eine Willenserklärung bezieht, wäre für eine Zwangsvollstreckung § 894 ZPO als lex specialis gegenüber § 888 ZPO77 maßgeblich. § 894 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass die Erklärung dann als abgegeben gilt, wenn der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt ist und das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Zwar könnte einer Anwendung der Vorschrift auf den ersten Blick entgegenstehen, dass sie auf notarielle Urkunden i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht anwendbar ist78. Die Vorschrift erfasst indes nur Urkunden über einen Anspruch, der nicht auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, und wegen dessen der Schuldner sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Ansprüche auf Abgabe einer Willenserklärung sind grundsätzlich nicht unterwerfungsfähig und können deshalb im Umkehrschluss nicht nach § 888 ZPO, sondern nur nach § 894 ZPO vollstreckt werden79. Das Verbot der Unterwerfung wegen solcher Ansprüche liefe andernfalls leer, denn Ansprüche auf Abgabe einer Willenserklärung können auch als unvertretbare Handlung 74  Vgl.

auch Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113); siehe Kap. 4 B. II., S. 144 ff. AcP 205 (2005), 591 (595); Van de Loo, FamRB 2015, 230 f.; Wilms, RNotZ 2012, 141 (146); a.  A. BeckOGK-BGB/Balzer, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1594 BGB Rn. 83: Keine Anerkennung „auf Vorrat“; krit. ebenso Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 55, 333. Siehe schon Kap. 4 B. II. 3., S. 149. 76  Krit. Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113); Wilms, RNotZ 2012, 141 (152). 77  Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, § 894 ZPO Rn. 1. 78  Saenger/Kießling, ZPO, § 894 ZPO Rn. 2. 79  BT-Drs. 13/341, S. 21; Münch, ZNotP 1998, 474. 75  Taupitz/Schlüter,

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

nach der allgemeineren Vorschrift des § 888 ZPO vollstreckt werden. Würde man eine Unterwerfung für Ansprüche auf Abgabe einer Willenserklärung zulassen, wenn eine Vollstreckung nach § 888 ZPO angestrebt wird, so ergäben sich unterschiedliche Vollstreckungsvoraussetzungen in Abhängigkeit davon, ob der Schuldner eine Unterwerfungserklärung abgegeben hat (§ 888 ZPO) oder nicht (§ 894 ZPO). Dies ist unsachgemäß. Die intendierte Mutter erhielte durch die notarielle Urkunde anlässlich der Befruchtung, sofern man von der Wirksamkeit der Verpflichtung ausgeht, einen Anspruch auf Abgabe der Vaterschaftsanerkennung und damit einen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung, sodass § 894 ZPO maßgeblich wäre. Weigert sich der intendierte Vater, der vorher in die Behandlung eingewilligt hat, später die Vaterschaft anzuerkennen, müsste er auf Abgabe der Erklärung verklagt werden. Würde er sodann zur Abgabe dieser Willenserklärung verurteilt, fingierte das Urteil die Willenserklärung des Mannes, sobald es in Rechtskraft erwächst. Die Erklärung würde auch als in der vorgeschriebenen Form abgegeben gelten80. Die Fiktion erfasst aber nicht weitere für die Wirksamkeit der Rechtshandlung erforderliche Voraussetzungen. Deshalb müsste die Mutter als Gläubigerin unter Vorlage des Urteils beispielsweise ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung erklären. Die rechtliche Würdigung des Inhalts der Urkunde obliegt trotz notarieller Beurkundung dem Gericht. Dieses kann schon die Eingehung einer Verpflichtung zur späteren Anerkennung der Vaterschaft aus den genannten Gründen81 für unwirksam erklären oder jedenfalls die Vollstreckbarkeit durch die Verurteilung auf Abgabe der Erklärung versagen. Auch wenn eine Vollstreckung der Verpflichtung des intendierten Vaters nach § 888 ZPO ausscheidet, so kommt der dort in Abs. 3 verortete Gedanke wohl auch im Rahmen der Entscheidung über die Verurteilung bei § 894 ZPO zum Tragen. § 888 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass die Durchsetzung nichtvertretbarer Handlungen durch Zwangsgeld oder Zwangshaft im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung kommt. Grund hierfür ist die Rücksichtnahme auf verfassungsrechtliche Interessen des Schuldners insbesondere aus Artt. 1 und 2 GG82. Auch in anderen Fällen, in denen der Verstoß gegen ein Grundrecht droht, greift der in § 888 Abs. 3 ZPO niedergelegte Grundgedanke83. So unterliegt beispielsweise die Verpflichtung zur Eingehung der Ehe und zur Herstellung des ehelichen Lebens nicht der Vollstreckung, § 120 Abs. 3 FamFG. 80  MünchKommZPO/Gruber,

§ 894 ZPO Rn. 15. S. 155. 82  BLHAG/Schmidt, ZPO, § 888 ZPO Rn. 21; vgl. auch MünchKommZPO/Gruber, § 888 ZPO Rn. 22. 83  BGH NJW 2008, 2919 (2920); BLHAG/Schmidt, ZPO, § 888 ZPO Rn. 23. 81  Siehe



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In einem Beschluss aus dem Jahr 2008 hat der BGH indes festgestellt, dass ein Anspruch des Scheinvaters gegen die Mutter auf Nennung des Namens des biologischen Vaters eines nichtehelichen Kindes nach § 888 ­ ZPO vollstreckbar ist84. Sofern das Gericht nämlich bereits im Erkenntnisverfahren eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Belange der Beteiligten vorgenommen und die Beklagte verurteilt hat den Namen zu nennen, würde durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte nicht über den Eingriff infolge des Urteils hinaus vertieft85. Ob hinsichtlich der Abgabe von Erklärungen, die auf eine dauerhafte rechtliche Zuordnung eines Kindes zielen, Vergleichbares gelten kann, erscheint aber zweifelhaft. Weil die Zulässigkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung umstritten ist und die Vollstreckung das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht des Mannes aus Artt. 2 Abs. 1 mit 1 Abs. 1 GG berühren würde, kann von einer Vollstreckbarkeit der Verpflichtungsklausel derzeit nicht ausgegangen werden. 3. Notarielle Beratung und Gestaltung Vor dem Hintergrund der beschriebenen Unwägbarkeiten der geltenden Rechtslage sollte aus notarieller Sicht bei Aufnahme einer Verpflichtungsklausel auf ihre mögliche Unwirksamkeit hingewiesen werden. Sofern bereits in der notariellen Urkunde eine Erklärung darüber, die Vaterschaft für das Kind präkonzeptionell anzuerkennen, enthalten ist, sollte darüber hinaus empfohlen werden, die Vaterschaftsanerkennungserklärung nach Eintritt der Schwangerschaft oder nach Geburt des Kindes zu wiederholen86. Der Aufnahme einer solchen Verpflichtung in der notariellen Urkunde kann jedenfalls eine Appellfunktion zukommen mit der Folge, dass sie möglicherweise den psychologischen Druck auf den intendierten Vater erhört, die Vaterschaftsanerkennung zu verfolgen87. Dies dürfte bei gleichgeschlechtlichen Paaren entsprechend für die Verpflichtung zur Stiefkindadoption gelten88.

84  BGH NJW 2008, 2919; OLG Hamm NJW 2001, 1870; OLG Bremen NJW 2000, 963; a. A. LG Münster NJW 1999, 3787. 85  BGH NJW 2008, 2919 (2920 f.). 86  Schwarz, RNotZ 2022, 421 (435); Wilms, RNotZ 2012, 141 (152). 87  Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (30); Koch, NotBZ 2019, 20 (23); Wilms, RNotZ 2012, 141 (152). 88  Beck’sches Formularbuch/Bernauer, Kap. 5 Punkt 27, Anm. 6.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

IV. Verzicht auf Rechte des Kindes Als in jedem Fall unzulässig stellt sich die vertragliche Vereinbarung der Erwachsenen über einen Verzicht auf Rechte des zu zeugenden Kindes dar. Denkbar wäre etwa ein Verzicht auf das Recht des Kindes zur Vaterschaftsanfechtung, welches auch infolge von § 1600 Abs. 4 BGB nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen wird, oder das Recht, außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1600d Abs. 4 BGB ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu betreiben. Vereinbarungen dieser Art würden die Grenzen des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG überschreiten, da das Elternrecht nicht der Selbstbestimmung der Eltern im eigenen Interesse dient, sondern vielmehr die Freiheit beinhaltet, zum Schutz des Kindes unter Berücksichtigung dessen Wohles die Pflege und Erziehung zu gestalten. Es handelt sich daher um ein fremdnütziges Recht, das die Eltern im Sinne einer Treuhand innehaben89. Es besteht aber kein Bedürfnis seitens der Eltern dafür, zum Schutz des Kindes dessen Anfechtungsrecht oder das Recht zum Betreiben eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu kürzen, wenn der Gesetzgeber im Rahmen einer abstrakten Berücksichtigung des Kindeswohls zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Rechte zur Wahrung der Interessen des Kindes bestehen bleiben sollten. In Vereinbarungen, die die Rechte des Kindes ausschließen, wäre daher ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter zu sehen90.

V. Anfechtungsausschluss infolge Einwilligung gemäß § 1600 Abs. 4  BGB Seit Einführung des Anfechtungsausschlusses nach Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB stellen die Einwilligungserklärungen der intendierten Eltern die zentralen Elemente im Rahmen notarieller Kinderwunschvereinbarungen dar. Die folgenden Ausführungen widmen sich daher eingehend dem Hintergrund der Regelung, ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen sowie jeweils relevanten Aspekten der notariellen Beratung und Gestaltung.

89  BVerfGE

121, 69 (93); 59, 360 (376 f.); 24, 119 (144). Hamm NJW 2013, 1167 (1168); Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (356); vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 67 m. w. N. 90  OLG



B. Zweite rechtliche Elternstellung161

1. Hintergrund der Regelung a) Entwicklung Für den Fall der Divergenz von biologischer und rechtlicher Vaterschaft, wie sie sich nach Spendersamenbehandlungen ergibt, sieht das Abstammungsrecht in §§ 1600 ff. BGB spezielle Anfechtungsvorschriften vor, nach denen eine rechtliche, aber biologisch falsche Vaterschaft beseitigt werden kann. Der BGH hielt zunächst im Grundsatz an der uneingeschränkten Anwendbarkeit dieser Regeln auch auf Konstellationen der Zeugung durch heterologe künstliche Befruchtung fest. Ein wirksamer rechtsgeschäftlicher Verzicht bzw. der Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit konnte der Einwilligung nach früherer allgemeiner Auffassung nicht entnommen werden91. Auch der einwilligende Mann müsse vor übereilten Entscheidungen geschützt werden, sodass eine Anfechtung jedenfalls innerhalb der Anfechtungsfrist möglich sei92. Dem folgten einige Instanzgerichte93. Nur ausnahmsweise und nur in besonders gelagerten und begründeten Fällen liege, so der BGH, in der Anfechtung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, das ein Berufen auf die Unwirksamkeit eines Verzichts treuwidrig erscheinen lässt94. Der Umstand, dass eine Frau und ein Mann infolge der Abgabe von Erklärungen einerseits die Entstehung eines Menschenlebens veranlassen, sich andererseits aber rechtlich ihrer Verantwortung dafür entziehen können sollen, ist seit den 1980er Jahren stark kritisiert worden. Die Ausübung des Anfechtungsrechts widerspreche der zuvor erteilten Zustimmung zur künstlichen Befruchtung, mit der die Absicht zur Verantwortungsübernahme verbunden war95, verstoße daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig96. Möglicherweise waren ein91  BGHZ 146, 391 (397  f.); 129, 297 (301); BGH NJW 1995, 2921 (2922 f.); BGHZ 87, 169 (174 f.); 2, 130 (137 f.). Aus der Literatur siehe etwa Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (408). 92  BGHZ 87, 169 (176). 93  OLG Celle NJW 2001, 3419; NJW 1992, 1516; OLG Köln NJW 1997, 2458; AG Wesel FamRZ 1986, 493. Zweifel indes bei LG Duisburg FamRZ 1987, 197 (198). 94  BGHZ 87, 169 (179  f.): Gegen Rechtsmissbrauch spreche die nicht hinreichende Beratung hinsichtlich psychischer Beeinträchtigungen, „Auswirkungen auf die eheliche Gesinnung [der] Frau“ sowie die Abgabe der Erklärung in einer Ehekrise, die zur Scheidung führte. 95  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  52 Rn. 15, 17: Grundsatz der Verantwortungskonstanz. 96  Aus der Rechtsprechung OLG Hamm NJW 1994, 2424 (2425); OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 762; AG Lüdenscheid NJW 1986, 784 (785); AG Norderstedt DAVorm 1991, 419; AG Dienburg NJW 1987, 713 (714).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

zelne Instanzgerichte gerade vor diesem Hintergrund dazu motiviert, von der nur ausnahmsweise vorgesehenen Annahme des Anfechtungsausschlusses bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten regelhaft Gebrauch zu machen97. Eine Vaterschaftsanfechtung kann potentiell mit dem Verlust persönlicher Beziehungen einhergehen, in jedem Fall ist mit ihr aber der Verlust wechselseitiger gesetzlicher Unterhalts- und Erbansprüche verbunden. Ein Ausgleich der finanziellen Nachteile wurde trotz Anfechtungsmöglichkeit dadurch erreicht, dass in der Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung regelmäßig ein von familienrechtlichen Besonderheiten geprägter Vertrag gesehen wurde, der Unterhaltspflichten des einwilligenden Mannes gegenüber dem Kind enthielt98. Auf diese Weise ist dem Kind daher schon früher bereits in gewissem Umfang vermögensrechtlicher Schutz zugutegekommen99. War die Ehe der Einwilligenden gescheitert und ist die Anfechtung der Vaterschaft jedenfalls durch das Kind betrieben worden, konnte die vertragliche Unterhaltsverpflichtung angepasst werden, weil in derartigen Fällen nach Auffassung der Rechtsprechung die Geschäftsgrundlage, die in der Vorstellung bestand, dass das Kind in ehelicher Familiengemeinschaft und einem wechselseitigen Verhältnis von Rechten und Pflichten aufwächst, entfallen war100. Forderungen zur Einführung eines Anfechtungsausschlusses oder einer Einschränkung des Anfechtungsrechts101 konnten zu diesem Zeitpunkt nicht verwirklicht werden. Der schon im Regierungsentwurf zum Kindschaftsrechtsreformgesetz vom Bundesrat gemachte Vorschlag102 zur Einführung eines Anfechtungsausschlusses wurde durch die Bundesregierung abgelehnt mit der Begründung, es bedürfe zunächst einer Klärung der Zulässigkeit der Samenspende sowie der Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung Aus der Literatur Giesen, Künstliche Insemination (1962), S. 188; Dethloff, NJW 1992, 2200 (2207); Kollhosser, JA 1985, 553 (555, 559); Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (417 ff.); Zimmermann, FamRZ 1981, 929 (931); zweifelnd Quantius, FamRZ 1998, 1145 (1149). Dem BGH zust. etwa Laufs, JZ 1986, 769 (776). 97  Siehe Überblick bei Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 59. 98  BGHZ 207, 134 (138, 142); 129, 297; LG Zwickau NJW 1995, 787; ähnlich zuvor schon LG Duisburg FamRZ 1987, 197 m. Anm. Coester-Waltjen; außerdem Coester-Waltjen, Gutachten B, 56. DJT, B 56 f.; a. A. OLG Hamm NJW 1994, 2424 (2425); Holzhauer, FamRZ 1986, 1162 (1164). 99  Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 46. Zurecht allerdings der Hinweis bei Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 7: Bei Ableben des „Zahl­vaters“ endet die finanzielle Absicherung des Kindes. 100  BGH NJW 1995, 2031; vgl. Überblick bei Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn.  62 f. 101  Siehe nur Kirchmeier, FamRZ 1998, 1281 (1283); Roth, FamRZ 1996, 769 (770). 102  BT-Drs. 13/4899, 148; vgl. auch Ramm, JZ 1996, 987 (993).



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durch den Gesetzgeber, sodass die gesamtheitliche Lösung einem Vorgreifen bzw. einer Teilregelung für die Samenspende vorzugswürdig sei103. Erst durch das Kinderrechteverbesserungsgesetz (KindRVerbG), das am 12.04.2002 in Kraft trat104, fand der Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung durch die Einwilligenden im Falle einer heterologen künstlichen Befruchtung in Form von § 1600 (damals) Abs. 2 BGB Eingang in das BGB. Durch verschiedene Änderungen der Vorschrift ist der Anfechtungsausschluss heute ohne inhaltliche Änderung in Absatz 4 geregelt105. In der Gesetzesinitiative des Bundesrates zum KindRVerbG, die auf Eingaben der Länder SachsenAnhalt und Hamburg zurückgeht106, wurde die Regelung damit gerechtfertigt, dass Kindern aus einer heterologen Befruchtung zum einen die Rechtsstellung eines minderjährigen adoptierten Kindes eingeräumt werden müsse. Zum anderen solle die Regelung dazu beitragen, die rechtlichen Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern aufzuheben und die Absicht zur Verantwortungsübernahme zu verfestigen107. Entgegen früherer Beurteilung begrüßte dieses Mal auch die Bundesregierung den Gesetzesentwurf108. b) Normzweck Mit der Einführung des Anfechtungsausschlusses sollte eine Gleichstellung nichtehelich und ehelich geborener Kinder sowie eine sichere Rechtsstellung derjenigen Kinder gewährleistet werden, die durch eine heterologe künstliche Befruchtung gezeugt wurden109. Der Gesetzgeber hat hiermit die bis zu die103  BT-Drs. 13/4899, 166, vgl. auch schon die Entwurfsbegründung S. 52. Krit. Zimmermann, DNotZ 1998, 404 (414): „Die Begründung geht an der Rechtswirklichkeit vorbei (…)“. Der Rechtsausschuss schloss sich dieser Auffassung ausdrücklich an, BT-Drs. 13/8511, 69. 104  Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) v. 11.4.2002, BGBl 2002 I S. 1239; zur Entstehungsgeschichte vgl. auch Roth, JZ 2002, 651. 105  Mit Wirkung v. 30.4.2004 nunmehr Absatz 4 (Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, BGBl 2004 I S. 598), mit Wirkung v. 1.6.2008 dann Absatz 5 (Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft, BGBl 2008 I S. 313), mit Wirkung v. 29.7.2017 und fortan durch eine Aufhebung wieder Absatz 4 (Gesetz zur besseren Durchsetzung der Reisepflicht, BGBl 2017 I S. 2780). 106  Gesetzesantrag der Länder Sachsen-Anhalt und Hamburg, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG), BR-Drs. 369/99. 107  BT-Drs. 14/2096, 7; vgl. auch Roth, JZ 2002, 651. 108  BT-Drs. 14/2096, 10. 109  BT-Drs. 14/2096, 7: „Wenn sich Eheleute und nicht miteinander verheiratete Paare bewusst für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertra-

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

sem Zeitpunkt in der Literatur stark kritisierte Möglichkeit der Lossagung von der rechtlichen Verantwortung für ein bewusst herbeigeführtes mensch­ liches Leben für die Zukunft versagt. Das Festhalten am einmal bekundeten Willen beinhaltet nicht allein die Sicherung verwandtschaftlicher Positionen110, sondern auch die Sicherung personaler und sozialer Beziehungen111 sowie die Gewährleistung von Unterhalts- und Erbansprüchen, wobei finanzielle Nachteile bereits in großem Umfang durch die konkludente vertrag­ liche Zusage von dauernden Unterhaltspflichten aufgefangen werden konnten112. 2. Rechtsnatur der Einwilligung a) Überblick Dogmatisch handelt es sich bei der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung um einen nunmehr gesetzlich geregelten Fall des Einwandes rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB)113. Fraglich ist, wie sie rechtlich zu qualifizieren ist. Die Relevanz der dogmatischen Einordnung zeigt sich mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen des jeweiligen Ansatzes: Nur auf Willenserklärungen bzw. rechtsgeschäftliche Erklärungen finden die Regeln der §§ 104 ff. BGB (direkte bzw. entsprechende) Anwendung, grundsätzlich hingegen nicht auf Realakte114. Die dogmatische Einordnung der Einwilligung entscheidet sich dabei im Kern an der Frage, worauf die Einwilligung konkret gerichtet ist. b) Einwilligung in heterologe Insemination als Realakt Nach einer Literaturansicht ist die Einwilligung in die heterologe Insemination nach § 1600 Abs. 4 BGB als Realakt zu qualifizieren115. Realakte sind Handlungen, die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind, an welchen die gung entscheiden, kann im Hinblick auf die Verantwortung der beteiligten Eltern für das auf diese Weise gezeugte Kind eine Aufkündigung der hierdurch rechtlich begründeten Vaterschaft durch nachträgliche Anfechtung nicht zugelassen werden“. 110  Palandt/Siede, § 1600 BGB Rn. 11. 111  NK-BGB/Gutzeit, § 1600 BGB Rn. 24. 112  Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 46; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 46; vgl. Kap. 4 B. V. 2. d) bb), S. 170 und Kap. 4 C. II. 1., S. 249 ff. 113  Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 45. 114  MünchKommBGB/Armbrüster, Vor §§ 116 ff. BGB Rn. 15. 115  Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 318  ff., insb. 328 ff.; Dutta, JZ 2016, 845 (848); Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (733); i. E. wohl auch Soergel/SchmidtRecla, § 1600 BGB Rn. 51; Grziwotz, notar 2018, 163 (170).



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Rechtsordnung ungeachtet des Willens der Handelnden Rechtswirkungen knüpft116. Handlungen in diesem Sinne sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Willensbetätigungen, die zwar einen auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichteten Willen erkennen lassen können, jedoch ohne dass ihnen ein Mitteilungs- bzw. Kundgabezweck und damit Empfangsbedürftigkeit zugrunde liegt, ohne dass sie also Erklärungen sind117. Als klassische Beispiele für Realakte gelten u. a. die Übergabe einer Sache, die Verarbeitung einer Sache mit der Folge des Eigentumserwerbs (§ 950 BGB) sowie der Fund (§ 965 BGB)118. Die Annahme eines Realaktes wird mit der Zielrichtung der Einwilligung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB begründet. Die Einwilligung habe keine unmittelbar statusrechtliche Wirkung, da im Falle der heterologen Insemination allein Ehe oder Vaterschaftsanerkennung die rechtliche Zuordnung des Kindes herbeiführen könnten. Primär sei die Einwilligung daher nicht auf Rechtsgestaltung gerichtet, sondern auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolges, nämlich die Entstehung des Kindes119. Der in der Zustimmung enthaltene Wille zur Vaterschaft sei Begründungsmerkmal von Vaterschaft und entspreche deshalb funktional dem natürlichen Zeugungshandeln120. Weil die Handlung in Form der Zustimmung final auf die Erfolgsherbeiführung gerichtet sei, könne die Einwilligung auch als willensgetragener Realakt qualifiziert werden. Im Vergleich mit der natürlichen Zeugung, die nicht zwingend einen solchen finalen Zusammenhang zwischen Zeugungsakt und Erfolg voraussetzt, sei die heterologe Insemination angesichts der Umstände ihrer Durchführung nur als willensgetragener Realakt denkbar121. Zutreffend ist hieran jedenfalls, dass die heterologe Insemination, anders als der natürliche Zeugungsakt, ohne den entsprechenden, mindestens auf die Zeugung des Kindes gerichteten Willen der Beteiligten nicht möglich ist. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die dargestellte Ansicht den Charakter der Einwilligung in Gänze zu erfassen vermag. Zwar stellt die Einwilligung einerseits in rein tatsächlicher Hinsicht den entscheidenden Beitrag zur Durchführung der Befruchtung dar, andererseits vermag sie aber nicht eigenständig die statusrechtliche Zuordnung des entstehenden Kindes herbeizuführen. 116  MünchKommBGB/Armbrüster, Vor §§ 116 ff. BGB Rn. 14; Soergel-BGB/Hefermehl, Vor §§ 104 ff. BGB Rn. 18; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 22 Rn. 22. 117  Larenz/Wolf, BGB-AT, § 22 Rn. 20. 118  Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 104 BGB 9. 119  Scheliha, Familiäre Autonomie und autonome Familie (2019), S. 167 ff.; Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (733). 120  Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S. 319 f. 121  Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S.  328  f.; Löhnig/Runge-Ranow, FamRZ 2018, 10 (12); Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (733).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Dass Letzteres aber genügen soll, ihr sämtliche rechtliche Wirkung abzusprechen und sie daher als Realakt einzustufen, muss mindestens vor dem Hintergrund des nunmehr vorgesehen Anfechtungsausschlusses und dessen Wirkung kritisch hinterfragt werden. Die Frage nach der Zielrichtung der Einwilligung bedarf daher eingehenderer Erörterung. c) Einwilligung in die heterologe Insemination als geschäftsähnliche Handlung im Sinne einer Einwilligung in eine ärztliche Behandlung Zum Teil wird die Einwilligung in die heterologe Insemination nach § 1600 Abs. 4 BGB mit der Einwilligung in eine ärztliche Behandlung gleich­gesetzt122. Letztere ist nach herrschender Meinung keine Willenserklärung, deren wirksame Abgabe von der Geschäftsfähigkeit des Einwilligenden (§§ 104–106 BGB) abhinge123. Sie ist vielmehr eine geschäftsähnliche Handlung, die zur Vornahme einer tatsächlichen Handlung ermächtigt, die in den Rechtskreis des Betroffenen eingreift124. Die Rechtfertigung eines Eingriffs in die körperliche Integrität eines Patienten bedarf der Einwilligungsfähigkeit, d. h. einer natürlichen Willensfähigkeit, die vom Behandler als gegeben vorausgesetzt werden kann, wenn der Patient nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag125. Die Parallele zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff liegt auf den ersten Blick bereits deshalb nahe, weil in einer Vielzahl von Fällen die intendierten Eltern auf eine ärztlich assistierte künstliche Befruchtung zurückgreifen und hiermit ein ärztlicher Eingriff verbunden ist. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Vergleich indes als zu kurz gegriffen. Zum einen bedeutete das Genügenlassen natürlicher Willensfähigkeit, dass selbst die Zustimmung eines geschäftsunfähigen minderjährigen Einwilligenden (§ 104 Nr. 1 BGB) für die Zeugung eines Kindes und die rechtliche Bindung des Einwilligenden als ursächlich angesehen werden müsste, obwohl rein biologisch schon die natürliche Zeugung ein gewisses Mindestalter erfordert126. Weil immer häufiger auf private Befruchtungen zurückgegriffen wird, könnte

122  Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 51; a.  A. OLG Hamburg NJW-RR 2012, 1286. 123  Siehe nur BGHZ 90, 96 (101); Jauernig/Mansel, § 630d BGB Rn. 3; Soergel/ Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 51; MünchKommBGB/Wagner, § 630d BGB Rn. 9. 124  BGHZ 105, 45 (47 f.). 125  BGHZ 29, 33 (36); MünchKommBGB/Wagner, § 630d BGB Rn. 9 m. w. N. 126  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 12.



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auch eine ärztliche Standesregel, kraft derer die Einwilligung eines Geschäftsunfähigen unzureichend wäre, das Problem nicht lösen127. Darüber hinaus ist die Konzeption von der Einwilligung in die heterologe Insemination als Einwilligung im Sinne natürlicher Willensfähigkeit und damit Rechtfertigung eines Eingriffs in die körperliche Integrität fehlerhaft, mag grundsätzlich auch eine hinreichende Aufklärung oder Belehrung als Wirksamkeitserfordernis rechtspolitisch befürwortet werden128. Gemäß § 1600 Abs. 4 BGB bedarf es nämlich der Zustimmung der Frau und des Mannes (ihres Partners), was – wollte man die Erklärung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB als Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme verstehen – bedeuten würde, dass es dem Mann zustünde, mit seiner Einwilligung über den Körper der Frau (jedenfalls mit-)zu verfügen. Die verfassungsrechtlich in Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Menschenwürde der Frau stünde dem entgegen. Zweifelsfrei bedarf es im Falle von assistierter Befruchtung der entsprechenden, nach arztrechtlichen Grundsätzen zu bewertenden Einwilligung der Frau. Diese Einwilligung muss jedoch dogmatisch von jener nach § 1600 Abs. 4 BGB unterschieden werden. Die Berufung auf eine Parallele zur Einwilligung im Rahmen einer ärztlichen Behandlung geht damit fehl. d) Einwilligung in heterologe Insemination als Willenserklärung bzw. rechtsgeschäftliche Erklärung Zielt die Einwilligung in die heterologe Insemination nach § 1600 Abs. 4 BGB auch auf einen rechtlichen Erfolg ab, könnte sie dogmatisch als Willenserklärung129 oder geschäftsähnliche Handlung130 zu qualifizieren sein131. in: FS Schwab (2005), 932 (933 f.). MedR, Kap. XIX Rn. 1092; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 932 (933 f.). 129  BGHZ 207, 135 (138); OLG Oldenburg FamRZ 2015, 67; OLG Karslruhe FamRZ 2012, 1150; Palandt/Siede, § 1600 BGB Rn. 11; wohl auch NK-BGB/Gutzeit, § 1600 BGB Rn. 26; BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 109; Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1092; MünchKommBGB/ Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 53; Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), S. 63; wohl auch Muscheler, FamR, Rn. 562; ausführlich Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (262 ff.). 130  So bei Wanitzek, Rechtliche Elternschaft (2002), S.  320  ff. Allgemein als rechtsgeschäftliche Erklärung eingestuft von Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 27, trotz der Formulierung „rechtsgeschäftliche Handlung“; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 80. 131  Ohne Festlegung OLG Hamburg FamRZ 2013, 228. Ohne Festlegung, jedoch die mindestens entsprechende Anwendung der Vorschriften über Willenserklärung befürwortend Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 12; ders., in: FS Schwab (2005), 923 (933). 127  Spickhoff,

128  Deutsch/Spickhoff,

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Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges, d. h. auf eine Rechtsfolge gerichtet ist, die eintritt, weil sie gewollt ist und von der Rechtsordnung gebilligt wird132. Geschäftsähnliche Handlungen hingegen enthalten – im Unterschied zu Realakten – Willensäußerungen bzw. Mitteilungen, die – wiederum im Gegensatz zu Willenserklärungen – nicht aufgrund des Willens des Erklärenden bestimmte Rechtsfolgen nach sich ziehen, sondern weil das Gesetz diese an die Erklärung knüpft133. Sowohl die Willenserklärung als auch die geschäftsähnliche Handlung zielen auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges ab. Die Regeln über die Willenserklärungen (§§ 104 ff. BGB) sind deshalb, direkt oder entsprechend, in allen drei Fällen anwendbar. Es bedarf der Prüfung, ob die Einwilligung in die heterologe Insemination auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet ist. Die Mehrheit der Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur vertreten diese Auffassung mit durchaus differierenden Begründungen, denen in letzter Konsequenz häufig allerdings ein exakter Bezugspunkt nicht entnommen werden kann. Es bleibt deshalb unklar, aus welchem Grund die Einwilligung auf welche konkrete rechtliche Folge gerichtet sein soll. Exemplarisch verdeutlicht dies der mehrfach verwendete Ausdruck, dass infolge der Einwilligungen zumindest mittelbar die „Rechtswirkungen der Vaterschaft“ herbeigeführt werden könnten134. Mit den Rechtswirkungen der Vaterschaft können grundsätzlich sowohl die Rechtsfolgen des Anfechtungsausschlusses als auch der nach der Rechtsprechung in der Einwilligung liegende, von familienrechtlichen Besonderheiten geprägte Vertrag zugunsten des Kindes gemeint sein. Darüber hinaus käme der Einwilligung eine Rechtswirkung zu, wenn sie als teilweise Preisgabe des Persönlichkeitsrechts der Einwilligenden verstanden würde. aa) Ausschluss der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft Seit Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB (vormals Absatz 2) durch das KindRVerbG stützen sich die Befürworter der Ansicht von der Einwilligung als Erklärung unter anderem auf den dort vorgesehenen Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung im Falle der Einwilligung in die heterologe Insemination. Teilweise heißt es vorsichtig, der Anfechtungsausschluss sei weiterhin 132  BGHZ 145, 343 (346); MünchKommBGB/Armbrüster, Vor §§  116 BGB Rn.  3 ff.; Jauernig/Mansel, Vor §§ 104  ff. BGB Rn. 1; Staudinger2021/Singer, Vor §§ 116–144 BGB Rn. 1. 133  MünchKommBGB/Busche, § 133 BGB Rn. 56. 134  OLG Oldenburg FamRZ 2015, 67; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151); Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 12; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (933).



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Ausdruck der dem Mann und der Frau (auch schon zu Zeiten der unterhaltsrechtlichen Lösung vor Einführung der Vorschrift) zugerechneten rechtlichen Verantwortung135, an anderer Stelle hingegen deutlicher, die Einwilligung sei seitdem in Form des Ausschlusses auch auf eine rechtliche Folge gerichtet136. Unter Verneinung der These, die Einwilligung sei ein Äquivalent des natürlichen Zeugungsakts, ist betont worden, dass nur im Falle künstlicher Befruchtung mit Spendersamen zwingend ein Wille des Mannes erforderlich sei und dieser gerade wegen der fehlenden Möglichkeit biologischer Vaterschaft auf die rechtliche Vaterschaft und damit auf den Anfechtungsausschluss und eine konkrete Rechtsfolge gerichtet sein müsse137. Bei genauerer Betrachtung der Rechtswirkungen des Anfechtungsausschlusses gelangt man schnell zu den bereits geschilderten Problemen der Regelung. Aus sich heraus begründet die Einwilligung mit dem ihr folgenden Anfechtungsausschluss – darin ist den Vertretern der Auffassung vom Realakt zuzustimmen – nämlich nicht die rechtliche Zuordnung des aus der Befruchtung hervorgehenden Kindes. Hierzu bedarf es einer bestehenden Ehe im Zeitpunkt der Geburt (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB)138. Durch den Anfechtungsausschluss festigt die Einwilligung lediglich einen zuvor begründeten Status, setzt also eine rechtliche Zuordnung voraus, um zu voller Rechtswirkung zu gelangen. Bei verheirateten Wunschpaaren ist dies regelmäßig der Fall, nicht aber bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Zurückhaltung hinsichtlich der Einordnung der Einwilligung ist wohl nicht zuletzt auf diese fehlende statusbegründende Funktion zurückzuführen139. Neben der fehlenden statusbegründenden Funktion muss jedoch auch die durch den Anfechtungsausschluss beabsichtigte statuserhaltende Funktion der Einwilligungserklärung berücksichtigt werden. Besteht die Rechtswirkung der Erklärung auch in dem Erhalt einer rechtlichen Zuordnung, so kann sie im Falle eines verheirateten intendierten Elternpaares bejaht, im Falle eines nichtverheirateten intendierten Elternpaares verneint werden. In dieser Beziehung wären mit der Einwilligung bzw. dem Anfechtungsausschluss deshalb nur partiell Rechtsfolgen verbunden140. 135  Staudinger2011/Rauscher,

§ 1600 BGB Rn. 80. § 1600 BGB Rn. 27. 137  OLG Oldenburg FamRZ 2015, 67; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151); Roth, DNotZ 2003, 805 (809). Es könnte indes auch der Wille mit Blick auf die soziale Vaterschaft gemeint sein. 138  Mangels biologischer Vaterschaft des einwilligenden Mannes scheidet die gerichtliche Feststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) hingegen von vornherein aus. 139  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 12. 140  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 12 spricht von „mittelbaren“ Rechtsfolgen. 136  Erman/Hammermann,

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

bb) Konkludenter Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes Um zu verhindern, dass sich der in die künstliche heterologe Befruchtung einwilligende Mann nach der Geburt des Kindes seiner zuvor zugesagten Verantwortungsübernahme entzieht, hat die Rechtsprechung vor Einführung des Anfechtungsausschlusses in § 1600 Abs. 4 BGB angenommen, in der Einwilligung liege regelmäßig ein konkludenter, von familienrechtlichen Besonderheiten geprägter Vertrag zugunsten des aus der Befruchtung hervorgegangenen Kindes (§ 331 Abs. 2 BGB). Durch diesen verpflichtet sich der einwilligende Mann, für den Unterhalt des Kindes wie ein leiblicher Vater zu sorgen141. Dieser Unterhaltsvertrag selbst ist jedenfalls ein Rechtsgeschäft142. Sofern von der mittelbaren Herbeiführung der „Rechtswirkungen der Vaterschaft“ die Rede ist, könnte deshalb die Einwilligung auch unter diesem Aspekt auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sein. In diese Richtung sind möglicherweise Ausführungen des OLG Oldenburg sowie des OLG Karlsruhe zu deuten: Dort heißt es, der Wille des einwilligenden Mannes könne nur auf die rechtliche Vaterschaft gerichtet sein, sodass die Einwilligung, auch wenn sie nicht unmittelbar statusrechtliche Folgen nach sich ziehe, jedenfalls mittelbar auf die Rechtswirkungen der Vaterschaft abziele. „Darüber hinaus [führe] sie als weitere Rechtsfolge nach § 1600 Abs. 5 [heute Abs. 4] zum Ausschluss der Anfechtbarkeit der Vaterschaft“ (Herv. durch Verf.)143. Offenbar gehen die Gerichte somit davon aus, dass die Einwilligung infolge des Anfechtungsausschlusses auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist, sich ihre Rechtswirkungen aber nicht bereits hierin erschöpfen. Dies ist konsequent, da der Anfechtungsausschluss allein nicht zu einer rechtlich verbesserten Stellung von Kindern führt, deren Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben und keine rechtliche Vaterschaft begründet haben, an der sich der Mann hätte festhalten lassen müssen. cc) Einwilligung als Preisgabe des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit Die Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung könnte darüber hinaus in Form der partiellen Preisgabe des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit des Einwilligenden eine rechtliche Wirkung entfalten. Dies kommt in Betracht, weil in der Einwilligungserklärung regelmäßig die Absicht der Einwilligenden liegt, für das aus der Befruchtung hervorgegangene Kind unab141  BGHZ

207, 135; 129, 297 (302). Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151); Roth, DNotZ 2003, 805 (810). Darüber hinaus handelt es sich um eine Vereinbarung eigener Art, vgl. BGHZ 207, 135 (140). 143  OLG Oldenburg FamRZ 2015, 67; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151). 142  OLG



B. Zweite rechtliche Elternstellung171

hängig von der Bedeutung der rechtlichen Zuordnung wie ein genetisch eigenes zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen. In Rechtsprechung und Literatur ist diese Dimension der Einwilligung bisher, soweit ersichtlich, kaum ausdrücklich thematisiert worden144. (1) Recht auf Fortpflanzungsfreiheit und verfassungsrechtliche Herleitung Das Recht auf Fortpflanzung beschreibt die Freiheit der selbstbestimmten Entscheidung darüber, ob überhaupt (d. h. insofern sowohl positive als auch negative Dimension), zu welchem Zeitpunkt, in welcher Zahl und zusätzlich auf welche Art und Weise Nachwuchs gewünscht ist145. Das Bestehen eines Rechts auf Fortpflanzung, auch als Recht auf reproduktive Selbstbestimmung146, reproduktive Autonomie147 oder Freiheit zur Familiengründung148 bezeichnet, wird von einem weit überwiegenden Teil der Literatur grundsätzlich anerkannt149. In der Rechtsprechung ist es hingegen nur sehr vereinzelt thematisiert150 und – soweit ersichtlich – in einem einzigen Fall durch das OLG Frankfurt a. M. explizit abgelehnt worden151. Gleichzeitig lässt sich aber feststellen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls mittelbar die selbstbestimmte, eigenverantwortliche Fortpflanzung zu schützen

144  Möglicherweise aber ein Hinweis in diese Richtung bei OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151) und Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 12: Der Anfechtungsausschluss bzw. die Einwilligung griffen in das Persönlichkeitsrecht des Konsentierenden ein. 145  Dreier/Brosius-Gersdorf, GG, Art.  6 GG Rn. 115; Spickhoff-Medizinrecht/ Müller-Terpitz, Art. 6 GG Rn. 2; v. Mangoldt/Klein/Starck/Robbers, GG, Art. 6 GG Rn. 92; Gutmann, in: Weilert (Hrsg.), Spätabbruch oder Spätabtreibung (2011), 55 (68); Gassner u. a., AME-FMedG (2013), S. 31; Lehmann, In-vitro-Fertilisation (2007), S. 65; Hufen, MedR 2001, 440 (443); Neuner, AcP 214 (2014), 459 (461). 146  Gassner, ZRP 2015, 126. 147  Gutmann, in: Weilert (Hrsg.), Spätabbruch oder Spätabtreibung (2011), 55 (68); Neuner, AcP 214 (2014), 459 (461). 148  Hufen, MedR 2001, 440 (442); zur vielfältigen Titulierung vgl. Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 268. 149  A. A. Soergel/Schmidt-Recla, § 1591 BGB Rn. 1: „nur vermeintlich bestehend (…)“. Aus einem europäischen Blickwinkel Dethloff, NJW 2018, 23 (26 f.). 150  Mit alleinigem Hinweis darauf, dass eine Geldentschädigung für die Verletzung eines „Rechts auf Familienplanung“ [Herv. dort] als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht gewährt werden könne, BGHZ 86, 240 (249) und OLG Düsseldorf NJW 1992, 1566 (1567); vgl. auch BGHZ 76, 259; aber auch BVerfGE 96, 375 (403): „Selbstbestimmungsrecht [der Eltern] im Rahmen einer geplanten Elternschaft“. Explizit bejahend LG Bonn FamRZ 2017, 447. 151  Vorinstanz von BGHZ 124, 52: OLG Frankfurt AZ 15 U 68/91 (ohne Fundstelle).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

bereit ist, indem sie etwa in Fällen der ungewollten Geburt eines Kindes den Ersatz des Unterhaltsaufwandes zuspricht152. Verfassungsrechtlich lässt sich das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit aus dem Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG herleiten153. In seiner Funktion als Grundrecht enthält Art. 6 Abs. 1 GG ein Abwehrrecht des Bürgers gegen ungerechtfertigte Eingriffe des Staates in den Schutzbereich von Ehe und Familie, die den Bürger daran hindern, sich in der von ihm gewünschten Art und Weise fortzupflanzen154. Darüber hinaus ist Art. 6 Abs. 1 GG wertentscheidende Grundsatznorm für die Institutionen der Ehe und Familie und individuelles Grundrecht155. Weil Familie dort ist, wo Kinder sind156, und Fortpflanzung gerade diesen Zustand herbeiführen soll, zielt sie auf eine besondere Form der Persönlichkeitsentfaltung, nämlich die Entfaltung innerhalb einer Familiengemeinschaft ab157, sodass Art. 6 Abs. 1 GG für den Aspekt der Fortpflanzungsfreiheit als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstanden werden kann158. Auch wenn Art. 6 Abs. 1 GG wörtlich Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, 152  Siehe

nur BGHZ 124, 128: „Kind-als-Schaden“-Thematik. Art. 6 GG Rn. 2; Koppernock, Bioethische Selbstbestimmung (1997), S. 141; Lehmann, In-vitro-Fertilisation (2007), S. 65; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit (2008), S. 135 f.; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 201; Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 274; Hufen, MedR 2001, 440; Kloepfer, JZ 2002, 417 (424). A. A. Ausfluss des APR aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG v. Münch/Kunig/ Heiderhoff, GG, Art. 6 GG Rn. 228; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 283; Gassner u. a., AME-FMedG (2013), S. 31; Gassner, ZRP 2015, 126. Ausfluss einer Kombination aus APR und dem Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG Gutmann, in: Weilert (Hrsg.), Spätabbruch oder Spätabtreibung (2011), 55 (68); Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 21 ff. In der Konsequenz auch Knoop, Recht auf Fortpflanzung (2005), S. 252; Herdegen, JZ 2001, 773 (777); Krekeler, MedR 2017, 867 mit Fn. 4; Neuner, AcP 214 (2014), 459 (461). Darüber hinaus wird das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit als von der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt angesehen, vgl. Sachs-GG/von Coelln, Art. 6  GG Rn. 54, Fn. 449; Raschen, Schutzpflichten (1994), S. 44 und Ramm, JZ 1989, 861 (870), oder auch als unmittelbarer Ausfluss der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. Rothärmel, MedR 2006, 274 (280). 154  Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 283; Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 22; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit (2008), S. 134 f.; Hufen, MedR 2001, 440 (442); vgl. auch v. Münch/Kunig/Heiderhoff, GG, Art. 6 GG Rn. 228 und v. Mangoldt/Klein/Starck/Robbers, GG, Art. 6 GG Rn. 92. 155  Reinke, Fortpflanzungsfreiheit (2008), S. 134; Hufen, MedR 2001, 440 (442). 156  Sachs-GG/von Coelln, Art. 6 GG Rn. 14. 157  Vgl. Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 25. 158  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6 GG Rn. 2; Koppernock, Bioethische Selbstbestimmung (1997), S. 141; Lehmann, In-vitro-Fertilisation (2007), S. 65; ähnlich auch Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 272. 153  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz,



B. Zweite rechtliche Elternstellung173

insofern also in erster Linie die bestehende Familie gemeint ist, muss sich der Schutz auch auf die Phase der Familiengründung erstrecken159. Die Familiengründung bildet zum einen die Grundlage einer Entwicklung der eigenen Identität innerhalb des Familienverbunds, zum anderen stellt die Erstreckung auch auf sie sicher, dass die Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG nicht ausgehöhlt werden kann160. Die Fortpflanzungsfreiheit kann nur unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugunsten überwiegender Grundrechte Dritter oder Rechtsgüter von Verfassungsrang eingeschränkt werden161. (2) Erstreckung auf medizinisch assistierte Reproduktion Der überwiegende Teil der Literatur sieht Methoden medizinisch assistierter Reproduktion als vom Recht auf Fortpflanzungsfreiheit umfasst an162 und stützt dies mitunter auf die Entscheidung des Gesetzgebers, reproduktionsmedizinische Methoden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen (§§ 27a und 121a SGB V)163. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein Leistungsanspruch auf unterstützte Elternschaft nicht existiert und der Gesetzgeber deshalb nicht zur Förderung von Maßnahmen medizinisch assistierter Reproduktion durch die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet ist164. Darüber hinaus ist im Rahmen von Grundrechtsauslegung derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, kraft derer eine Grundrechtsvor159  Siehe nur Dreier/Brosius-Gersdorf, GG, Art. 6 GG Rn. 115; Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6  GG Rn. 2; Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S.  24 f.; Koppernock, Bioethische Selbstbestimmung (1997), S. 141; Reinke, Fortpflanzungsfreiheit (2008), S. 135 f.; Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 272 mit Argumentation zur Bedeutung der Familie aus historischer Sicht. 160  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6 GG Rn. 2; Sinn und Zweck von Art. 6 Abs. 1 GG gebiete auch den Schutz der Familiengründung, Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 274. 161  Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 24; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 284. 162  Isensee/Kirchhof/Badura, HdB StaatsR (1987), § 20 Rn. 87, sofern „der nasciturus als menschliches Leben und das geborene Kind in seiner personalen Würde ausreichend geschützt werden“; Dreier/Brosius-Gersdorf, GG, Art. 6 GG Rn. 117 explizit auch für Samenspende; außerdem Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6  GG Rn. 5; Müller-Götzmann, Artifizielle Reproduktion (2009), S. 284; Gassner u. a., AME-FMedG (2013), S. 32; Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 29; Gassner, ZRP 2015, 126; Krekeler, MedR 2017, 867 mit Fn. 4; Ramm, JZ 1989, 861 (874); Rüsken, NJW 1998, 1745 (1749). 163  BVerfGE 117, 316 (329); Hufen, MedR 2001, 440 (442); Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin (2019), S. 35 f. 164  BeckOK-GG/Uhle, Art. 6 GG Rn. 26 unter Verweis auf BVerfGE 117, 316 (325).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

schrift ihre maximale Wirkkraft entfaltet (Prinzip extensiver Grundrechts­ auslegung)165. Um größtmögliche Wirkung entfalten zu können, beinhaltet das Recht auf Fortpflanzung als Freiheitsrecht gleichzeitig eine abwehrrechtliche Dimension. Dementsprechend stellt Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat die Abwehr ungerechtfertigter Beeinträchtigungen sicher, die die Fortpflanzung in der gewünschten Form behindern oder gar unmöglich machen würde166. Umgekehrt bedeutet dies, dass aus Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich weder ein Teilhaberecht an einem Kind167, noch ein Leistungsrecht gegenüber dem Staat mit dem Inhalt abgeleitet werden kann, dass er finanzielle Förderung gewähren oder entsprechende reproduktionsmedizinische Zentren einrichten muss168. Die Leistung des Staates liegt deshalb in dem Unterlassen eines Verbots169. Auch wenn wegen fehlender unmittelbarer Wirkung von Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber Privaten ferner auch kein Anspruch gegen etwaige Keimzellenspender oder andere mitwirkende Dritte besteht170, bedeutet das Abwehrrecht gegenüber dem Staat ebenso, eine freiwillig erfolgte Spende annehmen zu dürfen171. (3) Bedeutung genetischer Verwandtschaft und Familienbegriff Während in Teilen vertreten wird, jede nach dem Stand der Wissenschaft mögliche Maßnahme sei umfasst172, sehen andere in § 1591 BGB und den Vorschriften des ESchG Grenzen173 bzw. möchten unter Berufung auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung die über einen Heileingriff bei sterilen Personen zur Wiederherstellung von Zeugungsfähigkeit hinausgehenden Maßnahmen als nicht mehr vom Schutzbereich umfasst verstanden wissen174. JA 2016, 641 (645). Fn. 154. 167  Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 22; Hufen, MedR 2001, 440 (442). Beachte aber Gruber, ZfPW 2016, 68 (77). 168  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6 GG Rn. 4. 169  Lehmann, In-vitro-Fertilisation (2007), S. 67. 170  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6 GG Rn. 4. 171  Gassner u. a., AME-FMedG (2013), S. 33. 172  Gassner u. a., AME-FMedG (2013), S. 32; Gassner, ZRP 2015, 126; Hufen, MedR 2001, 440 (442); Kloepfer, JZ 2002, 417 (424): jedenfalls IVF; offen gelassen Gruber, ZfPW 2016, 68 (78) unter Hinweis darauf, dass die Methoden bezahlbar sein müssen. 173  Sachs-GG/von Coelln, Art. 6 GG Rn. 30. 174  Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 280. Diese Auffassung zielt offenbar darauf ab, dem Einzelnen lediglich zur Wiedererlangung der naturgegebenen Fähigkeiten zu verhelfen, darüber hinausgehende Möglichkeiten der modernen Medizin aber zu versagen. Wo indes die Grenze gezogen werden kann, ist schwierig zu beurteilen, da 165  Schröder, 166  Vgl.



B. Zweite rechtliche Elternstellung175

Für den hiesigen Kontext von größerem Interesse ist indes die Frage, inwiefern die genetische Verwandtschaft des gezeugten Kindes mit den intendierten Eltern von Bedeutung ist. So wird zum Teil vertreten, unter Zugrundelegung von Fortpflanzung als Weitergabe eigener genetischer Veranlagung beziehe sich das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit nur auf die genetische Elternschaft, nicht aber auch auf die soziale mit der Folge, dass sämtliche Verfahren, die eine Keimzellspende zum Gegenstand haben, vom Recht auf Fortpflanzung ausgeschlossen seien175. Dies würde auch für die Samenspende gelten. Letztlich betrifft diese Frage die personelle Dimension von Art. 6 Abs. 1 GG. Mit Blick auf den vom BVerfG weiterentwickelten Familienbegriff lässt sich die genannte Einschränkung nicht halten176. Familie i. S. d. Art.  6 Abs.  1 GG ist die umfassende, tatsächliche Lebensgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern. Dazu zählt sowohl das Leitbild des Grundgesetzes in Form der durch Ehe verbundenen Familie vor allem als bürgerliche Kleinfamilie, gleichzeitig aber auch die dazugehörige Großfamilie, die Gemeinschaft nichtverheirateter Eltern mit ihren Kindern genauso wie die Gemeinschaft eines nichtverheirateten Elternteils mit seinem Kind. Darüber hinaus ist genetische Verwandtschaft kein Erfordernis des verfassungsrechtlichen Familienbegriffs, sodass auch die elterliche Gemeinschaft mit Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern und mit Kindern aus künstlicher heterologer Befruchtung vom Familienbegriff erfasst ist177. Die Diskrepanz mit dem Familienbegriff lässt sich auch nicht durch den Vorschlag überwinden, den Schutz des Bestands einer Familie in jedem Fall Art. 6 Abs. 1 GG zu unterstellen, jenen der Gründungsphase aber nur unter der Prämisse genetischer Verwandtschaft178. Ein solches Vorgehen würde eine einheitliche Gewährleistung in unnatürlicher Weise auseinanderreißen und die Gefahr der Aushöhlung des Schutzes der Familie mit sich bringen. Gleichzeitig lässt sich an der Möglichkeit der ­Adoption besonders deutlich zeigen, dass eine Familiengründung in Kenntnis fehlender genetischer Verwandtschaft sogar zu beiden sozialen Elternteilen dem grundgesetzlichen Familienbegriff nicht zuwiderläuft. Warum dies bei der Verwendung von Samenspenden Fremder anders bewertet werden soll, leuchtet nicht ein.

auch ICSI und IVF einen erheblichen Anteil menschlicher Einwirkung auf den Entstehungsprozess neuen Lebens beinhalten. 175  Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 280. 176  Zum verfassungsrechtlichen Familienbegriff siehe Britz, NZFam 2018, 289 ff. 177  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6 GG Rn. 7. Zum Familienbegriff BVerfGE 80, 81 (90); 10, 59 (66). Siehe außerdem Reinke, Fortpflanzungsfreiheit (2008), S. 138–150. 178  Voss, Leihmutterschaft (2015), S. 281.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Dies gilt umso mehr dann, wenn das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit die Persönlichkeitsentfaltung innerhalb einer familiären Gemeinschaft betrifft. Zentraler Bestandteil der Persönlichkeitsentfaltung ist der Wunsch, das entstehende Kind als eigenes aufziehen und behandeln zu wollen, und zwar auch unabhängig von genetischer oder biologischer Verwandtschaft179. Diese Überlegung dürfte auch dort eine Rolle gespielt haben, wo der Familienbegriff durch das BVerfG auf elterliche Gemeinschaften mit Stief-, Adoptivund Pflegekindern ausgeweitet wurde180. Kommt es auf genetische und/oder biologische Verwandtschaft aber nicht an, sind auch Fälle der Samenspende vom Recht auf Fortpflanzung umfasst181. Dieses Ergebnis lässt sich anhand von Überlegungen dazu, ob sich auch Samenspender auf das Recht auf Fortpflanzung aus Art. 6 Abs. 1 GG berufen können, kontrollieren. Samenspendern soll lediglich der Rückgriff auf den Schutz durch die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG gewährt sein, da sie aus altruistischen oder kommerziellen Gründen nur an der Umsetzung eines fremden Kinderwunsches mitwirkten, ohne das Kind als eigenes aufziehen und mit ihm zusammen eine familiäre Gemeinschaft gründen zu wollen182. Dieser Bewertung ist zuzustimmen, sofern man mit der hier vertretenen Meinung den Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung durch Aufund Erziehen eines Kindes in familiärer Gemeinschaft als Grund für den besonderen Schutz durch Art. 6 Abs. 1 GG auffasst, nicht jedoch die genetische Verwandtschaft. Es ist widersprüchlich, den Samenspender trotz genetischer Verwandtschaft, aber wegen fehlenden Willens zur Familiengründung aus dem Schutzbereich ausnehmen zu wollen, gleichzeitig aber für Personen, die auf Methoden der Reproduktionsmedizin zurückgreifen, diese Gewichtung in ihr genaues Gegenteil zu verkehren, also den Willen zur sozialen Elternschaft zugunsten einer genetischen gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Angesichts der Ausklammerung der Frage der Eizellspende und Leihmutterschaft gilt dies jedenfalls für die Konstellationen der Samenspende bei Austragung des Kindes durch die genetische Mutter. Im Ergebnis folgt aus der höheren Gewichtung des Wunsches, für ein Kind wie ein eigenes zu sorgen, dass sich unter dem Aspekt der Repro­ duktionsmedizin jeder, der dieses Bedürfnis hat, auf das Recht der Fort179  Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 30 und 31 (vertritt selbst die Herleitung aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG). 180  BVerfGE 108, 117 ff.; 79, 267; 68, 187; 18, 106. 181  Rüsken, NJW 1998, 1745 (1749); i. E. auch Fechner, JZ 1986, 653 (659). 182  Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6  GG Rn. 2; Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 31 f.; a. A. wohl Reinke, Fortpflanzungsfreiheit (2008), S. 138 für die Eizellspenderin, die im Falle altruistischer Spende ihr Fortpflanzungsrecht „aktualisiere“.



B. Zweite rechtliche Elternstellung177

pflanzungsfreiheit berufen kann, d. h. sowohl Ehepartner als auch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft183, gleichgeschlechtlich Orientierte (Paare) und Alleinstehende mit Kind bzw. Kinderwunsch184. (4) Rechtsausübung Das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit ist nicht von gesetzlicher Kodifikation abhängig185. Innerhalb einer Paarbeziehung steht das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit eines Partners dem inhaltsgleichen Recht des anderen Partners gegenüber, die Entscheidung für oder gegen Kinder wird somit schon als individueller Entschluss einer Einzelperson geschützt186. Gleichzeitig besteht ein Partnerbezug in der Form, dass ein Teil seine Freiheit nicht ohne Berücksichtigung des Interesses des anderen umsetzen kann187. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen trifft das Recht auf Fortpflanzung der Frau und späteren Mutter mit jenem Recht ihres Partners bzw. ihrer Partnerin als intendiertem Elternteil zusammen. Obwohl dessen genetische Vaterschaft ausgeschlossen ist, kann er sich nach dem zuvor Gesagten ebenfalls auf sein Freiheitsrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG berufen, sich für oder gegen Kinder zu entscheiden, weil es auf die Persönlichkeitsentfaltung innerhalb einer Gemeinschaft auch mit genetisch nicht-verwandten Kindern ankommt. Diese Freiheit drückt sich in § 1600 Abs. 4 BGB aus, indem der Anfechtungsausschluss nach künstlicher heterologer Befruchtung nur dann zum Tragen kommt, wenn sowohl der intendierte Elternteil als auch die Mutter in den Vorgang eingewilligt haben. Im Ergebnis ist daher zweifelhaft, ob ein individuelles Recht auf Fortpflanzung auch außerhalb einer bestehenden Gemeinschaft isoliert ausgeübt werden kann188. Dies gilt jedenfalls für die Person, die entgegen der Wünsche der anderen Person vom positiven Recht auf Fortpflanzungsfreiheit Gebrauch machen möchte. Das bedeutet umgekehrt aber, dass bei gleichlaufendem Wunsch nach einem Kind eine gemeinschaftliche Ausübung des Rechts der Regelfall ist.

183  BVerfGE 133, 59 (82  ff.); Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6  GG Rn.  7 m. w. N.; Lehmann, in-vitro-Fertilisation (2007), S. 66. 184  BVerfGE 133, 59 (82  ff.); Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, Art. 6  GG Rn.  7 m. w. N.; Krekeler, MedR 2017, 867 mit Fn. 4. 185  Dreier/Brosius-Gersdorf, GG, Art. 6 GG Rn. 126. 186  Lehmann, In-vitro-Fertilisation (2007), S. 66. 187  Ramm, JZ 1989, 861 (874), indes krit. hinsichtlich des fehlenden Partnerbezuges, sofern eine Frau ein „vaterloses“ (Herv. dort) Kind haben möchte. 188  Dafür Sina, FamRZ 1997, 862 (866); dagegen Hieb, Gespaltene Mutterschaft (2005), S. 23.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

(5) Zwischenergebnis In der Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung liegt die teilweise Preisgabe des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit, das sich auch auf die Inanspruchnahme medizinisch assistierter Befruchtung und die Verwendung von Spendersamen erstreckt. In der Rechtsausübung dieser Freiheit gilt es zu beachten, dass sich in einer Paarbeziehung jeweils die Rechte auf Fortpflanzungsfreiheit gegenüberstehen und in angemessen Ausgleich zu bringen sind. e) Ergebnis Die Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung ist als Willenserklärung, mindestens aber als rechtsgeschäftliche Erklärung und nicht als bloßer Realakt zu qualifizieren. Sie ist nicht allein im Tatsächlichen auf die Existenz des Kindes gerichtet, sondern bezieht sich daneben auf die recht­ lichen Folgen des Anfechtungsausschlusses und eines konkludenten Unterhaltsvertrages zu Gunsten des Kindes. Dies gilt umso mehr, als der Notar im Rahmen des Beurkundungstermins explizit auf diese Rechtswirkungen hinweisen muss, die Beteiligten ihre Erklärungen also im Wissen hierüber abgeben. Darüber hinaus drückt sich in der Einwilligung eine Preisgabe des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit aus. 3. Einwilligungsberechtigte Personen Seinem Wortlaut nach erfordert § 1600 Abs. 4 BGB die Einwilligung des Mannes und der Mutter. Mutter im Sinne der Vorschrift ist die rechtliche Mutter (§ 1591 BGB), d. h. die Frau, die ein genetisch eigenes Kind geboren oder ein genetisch fremdes Kind nach Vornahme einer Eizell- oder Embryonenspende im Ausland ausgetragen hat oder die Wunschmutter, die nach Leihmutterschaft im Ausland rechtlich als Mutter im Sinne des § 1591 BGB in Deutschland anerkannt wurde189. Gleichzeitig ist auch die Tragemutter, die ein genetisch von den intendierten Eltern stammendes Kind austrägt, Mutter i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB, wenn sie das Kind nach der Geburt nicht zur Adoption freigibt190. Mutter ist außerdem auch die Frau, die in gleichge189  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 99. Probleme können sich jedoch ergeben, wenn im Rahmen einer Leihmutterschaft die Tragemutter, die nach § 1591 BGB rechtliche Mutter ist, das geborene Kind abredewidrig nicht zur Adoption freigibt, der Wunschvater aber an die pränatale Vaterschaftsanerkennung gebunden bleibt, dazu vgl. Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 73. 190  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 73.



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schlechtlicher Ehe oder Partnerschaft verbunden oder alleinstehend ist, sofern sie das Kind geboren hat. Der Mann, der die Rechtsfolgen des § 1600 Abs. 4 BGB auslösen kann, ist der intendierte Vater des Kindes. Dies betrifft zum einen den Mann, der im Zeitpunkt der Geburt (noch) mit der Mutter verheiratet und damit rechtlicher Vater gemäß § 1592 Nr. 1 BGB ist. Der Ehemann wird von § 1600 Abs. 4 BGB hingegen nicht erfasst, wenn nach Trennung der neue Partner der Mutter in die Befruchtung einwilligt191. Bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen die Rechtswirkungen der Vorschrift erst dann zum Tragen, wenn über eine Vaterschaftsanerkennung die rechtliche Vaterstellung etabliert wird, vgl. § 1592 Nr. 2 BGB. Nicht von § 1600 Abs. 4 BGB erfasst ist der Samenspender, was bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift abzuleiten ist („mittels Samenspende eines Dritten gezeugt“)192. 4. Vorliegen eines Rechtsbindungswillens Aus der Sicht des Mannes hat die Einwilligung eine weitreichende Bedeutung. In ihren Rechtswirkungen ähnelt sie einer Adoption193. Gleichzeitig erfordert die Einwilligung in die heterologe Befruchtung nach der gegenwärtigen Rechtslage weder eine bestimmte Form (notarielle Beurkundung oder jedenfalls schriftliche Abfassung der Vereinbarung194) noch eine eingehende Aufklärung über medizinische, rechtliche oder wirtschaftliche Risiken. Es besteht daher die Gefahr, dass sich der betreffende Mann vorschnell zu einer Einwilligungserklärung hinreißen lässt bzw. ihr Vorliegen voreilig angenommen wird. Um das zu verhindern, müssen an den erforderlichen Rechtsbindungswillen hohe Anforderungen gestellt werden195. Dementsprechend sind nur explizite und reflektierte Erklärungen als Einwilli191  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 74; MünchKommBGB/Wellen­hofer, § 1600 BGB Rn. 50. Nicht vom Normzweck erfasst ist hingegen bei Rückgriff auf eine Leihmutter, die mit dem Samen eines Dritten befruchtet wurde, deren Ehemann, welcher regelmäßig an der Übernahme der Vaterrolle für das Kind kein Inte­resse haben wird, vgl. MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 50. 192  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 100 mit gedanklichem Anstoß dahingehend, dass über eine analoge Anwendung von § 1600 Abs. 4 BGB auch der Samenspender erfasst werden könnte. 193  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (934). 194  Eine zumindest schriftliche Abfassung empfiehlt sich schon allein aus Beweisgründen, vgl. Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). Die Beweislast für die wirksame Abgabe der Erklärung trägt die Partei, die sich auf sie beruft, SpickhoffMedizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 13. 195  Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1092; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (934).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

gung anzusehen196, nicht hingegen konkludent, spontan, nebenbei, leichtfertig oder auf Druck anwesender Familienmitglieder abgegebene Erklärungen197. Dies gilt umso mehr, als hier ein höchstpersönlicher Bereich in Rede steht und deshalb das Vorliegen einer Einwilligungserklärung besonders sorgsam zu prüfen ist198. Es kommt entscheidend darauf an, ob vom Standpunkt eines objektiven Betrachters der Erklärungsempfänger dem Handeln des Erklärenden unter entsprechenden Umständen im Zeitpunkt des Zugangs nach Treu und Glauben einen Rechtsbindungswillen entnehmen konnte199. Der BGH geht in einer jüngeren Entscheidung davon aus, dass der Rechtsbindungswille im Zweifel gegeben ist, wenn die Frau die Vornahme der Befruchtung von der Mitwirkung des Mannes abhängig gemacht hat200. Das dürfte allerdings nicht ausschließlich dann der Fall sein, wenn der Mann bei der Behandlung anwesend ist oder gar mitwirkt, wenn auch laut Rechtsprechung die Anwesenheit des Mannes unter Umständen auf das Vorliegen des Rechtsbindungswillens hindeuten kann201. Vielmehr hat die Frau ihre Entscheidung wohl auch dann vom Mann abhängig gemacht, wenn die Durchführung der Befruchtung mit der Zustimmung des Mannes gewissermaßen stehen und fallen sollte. Die Beschaffung und Zurverfügungstellung des Spendersamens durch den einwilligenden Mann selbst, der außerdem erklärt, für alle Folgen einer etwaigen Schwangerschaft einzustehen, kann als Indiz für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens gewertet werden202. Die Anerkennung der Vaterschaft oder die Erklärung, soziale Verantwortung übernehmen zu wollen, begründen noch keine vertragliche Unterhaltspflicht203. Ebenso wenig genügt die bloße Kenntnis darüber, dass die Frau eine heterologe künstliche Befruchtung durchführen lassen möchte, für die Annahme einer Einwilligung204. So hat das OLG Karlsruhe im Jahr 2012 entschieden, dass von dem Vorliegen einer Einwilligung nicht ausgegangen werden kann, wenn die Frau den Mann lediglich über die Vornahme einer künstlichen heterologen Befruchtung in196  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (934); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). 197  So Roth, DNotZ 2003, 805 (813) unter Verweis auf den bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf eine Formvorschrift. 198  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 78; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151). 199  OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151). 200  BGHZ 207, 135 (139). 201  OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151). 202  OLG Stuttgart FamRZ 2015, 514 (515). 203  OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314). 204  BGHZ 207, 135 (139); OLG Stuttgart FamRZ 2015, 514 (515); OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314).



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formiert, sich beide zu diesem Zeitpunkt erst wenige Wochen kennen, eine häusliche Gemeinschaft nicht bestand, die Frau schon zuvor alleine eine Hormonbehandlung begonnen hat und ihre Entscheidung nicht von dem Mann, der außerdem von eigener Zeugungsunfähigkeit ausging, abhängig machte205. Die hier genannten Kriterien können im Rahmen einer Abwägung über das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens Aufschluss geben. Im Beurkundungstermin hat der Notar die genannten Punkte im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung und Willenserforschung zu berücksichtigen und zu prüfen, ob bei den Beteiligten ein Wille zur Rechtsbindung gegeben ist. Ist dies nicht der Fall, muss er die Beurkundung versagen. 5. Gegenstand der Einwilligung Ausweislich des Wortlauts von § 1600 Abs. 4 BGB kann sich die Einwilligung nur auf eine künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten beziehen. Als künstlich gilt eine Befruchtung, wenn sie ohne den Vollzug des natürlichen Geschlechtsakts unter Einsatz technischer Hilfsmittel erfolgt206. Weil es vor dem Hintergrund des Normzwecks, den aus einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen stammenden Kindern die Rechtsstellung adoptierter minderjähriger Kinder einzuräumen207, für die Schutzbedürftigkeit der gezeugten Kinder nicht auf die Einzelheiten der konkreten Maßnahme ankommt, umfasst der Begriff sämtliche Modalitäten und Methoden künst­ licher Befruchtung mittels Spendersamen208. Dies bedeutet zunächst, dass § 1600 Abs. 4 BGB ungeachtet dessen anwendbar ist, ob die Befruchtung unter Hinzuziehung eines Arztes oder in Selbstvornahme erfolgt209. Ein Verstoß gegen den Arztvorbehalt aus § 9 ESchG wird vom Schutzzweck des § 1600 Abs. 4  BGB überlagert210. Belanglos ist deshalb ebenfalls die Frage 205  OLG

Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1152). Einleitung Fn. 4. Keine, auch keine entsprechende, Anwendung bei einvernehmlicher natürlicher Zeugung durch einen dritten Mann, der dadurch ggf. eine vertragliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind eingeht, Spickhoff-Medizinrecht/ Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 9; zu diesem Ausschluss Grziwotz, notar 2018, 163 (172). 207  BT-Drs. 14/2096, 7. 208  Die In-vitro-Fertilisation steht dabei der Befruchtung in-vivo, der herkömmlichen Insemination gleich, vgl. Roth, DNotZ 2003, 805 (810). 209  OLG Hamburg FamRZ 2013, 228; OLG Hamm NJW 2007, 3733: Spritze aus dem Kinderarztkoffer; NK-BGB/Gutzeit, § 1600 BGB Rn. 24; BeckOK-BGB/Hahn, § 1600 BGB Rn. 6; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77; Palandt/Siede, § 1600  BGB Rn. 11; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (932); Grziwotz, notar 2018, 163 (171); Muscheler, FamR, Rn. 562. 210  OLG Hamburg FamRZ 2013, 228; OLG Hamm NJW 2007, 3733; BT-Drs. 14/ 2096, 7; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77; Grziwotz, notar 2018, 163 (172). 206  Siehe

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

danach, ob das betreffende Befruchtungsverfahren dem arztrechtlichen Standesrecht entspricht bzw. verboten ist211. Deshalb wirken sich Verstöße gegen das Standesrecht allenfalls auf die Wirksamkeit der Einwilligung aus, nicht aber auf den Anwendungsbereich der Vorschrift212. Wenn aber die Regeln des Standesrechts nicht zu berücksichtigen sind, bezieht sich §  1600 Abs. 4 BGB nach der Intention des Gesetzgebers letztlich auch auf im Ausland vorgenommene künstliche Befruchtungen mittels Samenspende213. Mit Blick auf den Gesetzeswortlaut ist für die Herkunft der Samenzellen von Bedeutung, dass diese von einem Spender, d. h. nicht dem Partner der Mutter, stammen214. Unerheblich ist, ob der Spendersamen aus einer offiziellen Spendeeinrichtung stammt oder privat zur Verfügung gestellt wurde215. Die zu befruchtende Eizelle muss nicht zwingend von der Mutter, d. h. der Frau, die das Kind austrägt, stammen216. Trotz des weiten Verständnisses des Anwendungsbereichs von § 1600 Abs. 4 BGB gibt es auch eine Reihe von Einschränkungen. So treten die mit der Einwilligung verbundenen Rechtsfolgen nicht ein, wenn das Kind (nach Klärung der genetischen Abstammung) tatsächlich nicht aus der heterologen Insemination stammt, sondern beispielsweise aus einem natürlichen Geschlechtsakt der Frau mit einem anderen Mann. Die Anfechtung der Vaterschaft bleibt dem einwilligenden Ehemann bzw. Partner dann unter diesem Einwand weiterhin möglich217. Dies gilt ausweislich des eindeutigen Wortlauts sowohl im Fall eines „ehebrecherischen“ Kontaktes (Seitensprung) als 211  Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 24; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77; Muscheler, FamR, Rn. 562; a. A. Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (732). 212  BT-Drs. 14/2096, 7; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77; vgl. auch Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 48. 213  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (932). 214  Neben der Verwendung von Drittsperma darf aber zusätzlich auch auf fremde weibliche Keimzellen zurückgegriffen werden, sodass bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen § 1600 Abs. 4 BGB nicht unanwendbar wird, OLG Hamburg FamRZ 2013, 228. Darüber hinaus muss der einwilligende Mann auch wissen, dass das Sperma eines Dritten verwendet wird; die Einwilligung in bloß (irgend-)eine künstliche Befruchtung genügt nicht, vgl. o. A., JAmt 2004, 71. 215  OLG Oldenburg FamRZ 2015, 67: Die Frau ist in einem Samenspendeportal im Internet mit dem Spender in Kontakt getreten und hat bei einem Treffen die Spende in einem Behältnis entgegengenommen. Offenbar aus Kostengründen verzichteten die Betroffenen auf eine offizielle Samenspende. Vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 52. 216  OLG Hamburg FamRZ 2013, 228; Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 48; Muscheler, FamR, Rn. 562. 217  Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 25; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 51; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (931).



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auch bei Zustimmung des einwilligenden Mannes218. Darüber hinaus ist erforderlich, dass es sich um eine konsentierte heterologe Insemination handelt219. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn ein Paar eine homologe Befruchtung geplant und in diese eingewilligt hat, es dann aber irrtümlicherweise zur Verwendung des Samens eines Dritten kommt220. Dem steht die Konstellation nahe, dass der Mann seine Einwilligung z. B. durch die Fest­ legung auf einen bestimmten Spender näher konkretisiert hatte, dies aber in der Durchführung nicht berücksichtigt wurde. Die Maßnahme ist dann nicht von seiner Erklärung erfasst221. Schließlich ist die Befruchtung nicht konsentiert und damit die Anfechtung auch weiter möglich, wenn eine verheiratete Frau mit einem neuen Partner eine heterologe künstliche Befruchtung durchführen lässt und wegen § 1592 Nr. 1 BGB der Ehemann, der jedoch nie eingewilligt hat, mit der Geburt rechtlicher Vater wird222. 6. Umfang der Einwilligung und Zeitpunkt der Abgabe Dem zustimmenden Mann steht es offen, seine Einwilligungserklärung ungeachtet der weiten Fassung des Gegenstandes von § 1600 Abs. 4 BGB auf einzelne Modalitäten zu beschränken. Dies kann beispielsweise die Auswahl des Spendermaterials (bestimmte Haarfarbe oder Herkunft des Mate­ rials)223, ein bestimmtes Verfahren der künstlichen Befruchtung, die Frage der Einschaltung eines Mediziners oder die Anzahl der Befruchtungsversuche betreffen224. Vor allem erscheint es sinnvoll, die Vereinbarung auf die Behandlung in einem fest definierten Zeitraum und auf einen konkreten behan218  Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 49; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600  BGB Rn. 51; Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 64; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (931). Krit. Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 77a: Auch in Fällen eines „konsentierten Seitensprungs“ trage der Partner der Frau eine Verantwortung für die Entstehung des Kindes. Außerdem sei dieser Weg oftmals preiswerter und erfolgsversprechender, der Geschlechtsverkehr könne unter bestimmten Umständen auch als technischer Akt verstanden werden. Es sei unklar, wie der Wertungsunterschied zwischen einem konsentierten Geschlechtsverkehr und einer Selbstvornahme in „TV-soapQualität“ zustande komme. Ebenso Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 415. 219  BGHZ 197, 242 (247); Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 76. 220  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 76; Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 49; Coester-Waltjen, Gutachten B, 56. DJT, B 48 mit 54. 221  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (932). 222  Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 49. 223  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (939). 224  OLG Hamburg FamRZ 2013, 228 (229); vgl. auch Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 33.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

delnden Arzt zu begrenzen, um Rechtssicherheit mit Blick auf das Recht zum Widerruf der Vereinbarung zu gewährleisten225. Ist eine Einschränkung vorgenommen worden, treffen den Einwilligenden die Folgen aus der heterologen Insemination nur dann, wenn die entsprechenden Vorbehalte tatsächlich berücksichtigt worden sind. Andernfalls deckt die Erklärung die durchgeführte Maßnahme nicht, der Zurechnungszusammenhang zwischen Einwilligung und Zeugung ist unterbrochen226. Hierbei ergibt sich allerdings die Problematik, dass nicht klar ist, was als noch tolerierbare Abweichung von der Einwilligung gilt und welche Abweichung so bedeutsam sein soll, dass ein Vorliegen der Einwilligungserklärung verneint werden muss. Weil die Rechtsfolgen weitreichend sind, kann dies erhebliche Rechtsunsicherheit bedeuten. Auch aus diesem Grund ist dringend zu empfehlen, in der notariellen Kinderwunschvereinbarung sämtliche bekannte Parameter schriftlich festzuhalten, um nachträgliche Unstimmigkeiten zu vermeiden227. Die Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB meint außerdem nur die vorherige, nicht aber auch die nachträgliche Zustimmung. Dies geht aus der Gesetzessystematik hervor, vgl. § 183 S. 1 BGB. Mangels Vorliegens einer Einwilligung muss in solchen Fällen die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft möglich bleiben. Wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers ist ein anderes Ergebnis auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht möglich228. 7. Erklärungsempfänger Die Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung ist eine empfangsbedürftige Erklärung, ihre Wirksamkeit bedarf somit des Zugangs beim Empfänger229. Nach allgemeiner Auffassung ist die Einwilligungserklärung gegenüber dem jeweils anderen zur Einwilligung berufenen Partner abzugeben; die Einwilligung des Mannes muss also gegenüber der Frau als künftiger Mutter erklärt werden230. Der Arzt ist indes aus verschiedenen Gründen 225  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (355); Formulierungsvorschläge bei Schwarz, RNotZ 2022, 421 (426 f.); vgl. außerdem Raude, RNotZ 2019, 451 (453); zum Widerruf siehe Kap. 4 B. V. 10., S. 190 ff. 226  So auch Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (939). 227  Vgl. auch Kap. 4 B. II. 3., S. 149. 228  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (940). 229  Muscheler, FamR, Rn. 562. 230  BGHZ 207, 135 (139); Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 28; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 83; Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 415; Muscheler, FamR, Rn. 562; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Raude, RNotZ 2019, 451 (456); Roth, DNotZ 2003, 805 (810); BGHZ 129, 297 (308) lässt die Frage hingegen unbeantwortet.



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nicht Adressat der Erklärung. Würde man dies nämlich voraussetzen, könnte auf diese Weise der weite Anwendungsbereich von § 1600 Abs. 4 BGB, der sich auch auf die künstliche Befruchtung in Selbstvornahme bezieht, eingeschränkt werden231. Darüber hinaus sind auch im Ausland durchgeführte Befruchtungen von der Vorschrift erfasst. Es darf nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Abgabe der Einwilligungserklärung nach ausländischem ärztlichen Standesrecht auch gegenüber dem Arzt erfolgen muss232. Andernfalls würde auch hier der Anwendungsbereich beschränkt. Der wohl wichtigste Grund für die Frau als Adressatin liegt jedoch im Sinn und Zweck von § 1600 Abs. 4 BGB, dem durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende gezeugten Kind eine gesicherte Rechtsposition einzuräumen, und zwar im Verhältnis zu denjenigen Personen, die gemeinsame Verantwortung für das Kind übernehmen wollen233. Diese gemeinsame Verantwortungsübernahme findet Ausdruck in der gegenseitigen Erklärung der Einwilligung234. Außerdem weist auch der Wortlaut (die Einwilligung „des Mannes und der Mutter“) in diese Richtung235. Schließlich muss noch berücksichtigt werden, dass mit der Einwilligung das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit ausgeübt wird, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt die Einwilligung nur als Abgabe gegenseitiger Erklärungen zwischen Mann und Frau denkbar ist. Zwar erfolgt die Abgabe der Einwilligungserklärungen bei assistierter Befruchtung in der Praxis in Deutschland oftmals mit dem Arzt im Rahmen der Behandlungsvereinbarung über die geplante Maßnahme236. Dies ändert jedoch nichts daran, dass allein die Frau Adressatin im Rechtssinne ist. Die Einwilligung wird ihr gegenüber nämlich auch dann abgegeben, wenn die Erklärung auf Veranlassung des Arztes, d. h. infolge der Beachtung der standesrechtlichen Richtlinien, erfolgt, sie dokumentiert und unterzeichnet wird und auch der Frau zur Kenntnis gebracht werden soll237. Der Arzt fungiert insofern als Bote238. Unter der Prämisse, dass die intendierten Eltern zur Beurkundung der Kinderwunschvereinbarung in einem gemeinsamen Termin vor dem Notar erscheinen, ist die Voraussetzung der Abgabe der 231  Erman/Hammermann,

§ 1600 BGB Rn. 28. § 1600 BGB Rn. 83; Eckersberger, MittBayNot 2002,

232  Staudinger2011/Rauscher,

261 (263). 233  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 65. 234  Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); ähnlich Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 83 und Roth, DNotZ 2003, 805 (810). 235  Roth, DNotZ 2003, 805 (810). 236  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 83; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). 237  BGHZ 207, 135 (139). 238  BGHZ 207, 135 (139 f.); MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 54. Außerdem Verkehrsschutzgesichtspunkte, Raude, RNotZ 2019, 451 (456).

186

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Einwilligungen gegenüber dem richtigen Erklärungsempfänger in der Regel gewahrt. 8. Geschäftsfähigkeit bzw. Altersgrenze für die Abgabe der Einwilligungserklärungen Da die Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung als Willenserklärung oder zumindest rechtsgeschäftliche Erklärung zu klassifizieren ist239, bedarf die Erklärung zu ihrer Wirksamkeit der Geschäftsfähigkeit des Einwilligenden im Zeitpunkt der Abgabe. Würde man vom Erfordernis der Geschäftsfähigkeit absehen und beispielsweise lediglich einen natürlichen Willen voraussetzen, so führte dies zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass im Rahmen einer Anfechtungsklage nachträglich für jeden Einzelfall geprüft werden müsste, ob der Einwilligende nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite seines Handelns begreift240. Geschäfts­ fähigkeit bedeutet die Fähigkeit, durch tatsächliches Verhalten bestimmte Rechtswirkungen herbeizuführen241. Das BGB geht davon aus, dass grundsätzlich jede (erwachsene) Person geschäftsfähig ist, sofern keine Ausnahme i. S. d. §§ 104 ff. BGB gegeben ist. Fehlende Geschäftsfähigkeit führt zur Nichtigkeit einer Erklärung, § 105 Abs. 1 BGB. Eine Willenserklärung ist darüber hinaus auch dann nichtig, wenn sie im Zustand vorübergehender Geschäftsunfähigkeit abgegeben wird, § 105 Abs. 2 BGB. Der Einwilligungsberechtigte sollte stets das 18. Lebensjahr vollendet haben242. Zwar kann es infolge der Einwilligung eines Geschäftsunfähigen oder nur beschränkt Geschäftsfähigen zur Geburt eines Kindes kommen, welches ungeachtet der Unwirksamkeit der Erklärung grundsätzlich des Schutzes durch das Abstammungsrecht bedarf; allerdings kann von einem Mindestmaß an Wille und Bewusstsein über die Rechtswirkungen nicht abgesehen werden243. Würde man auch beschränkte Geschäftsfähigkeit genügen lassen, könnte – mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters – zum einen ein 8-Jähriger einwilligen, der in aller Regel das rein biologische Mindestalter zur Fortpflanzung noch nicht erreicht hat. Zum anderen wäre auch die Einwilligung durch einen 17-Jährigen in Todesgefahr mit Zustimmung des gesetz­ lichen Vertreters möglich, wobei die rechtspolitischen Gründe für einen solch 239  Siehe

Kap. 4 B. V. 2., S. 164 ff. in: FS Schwab (2005), 923 (933). 241  MünchKommBGB/Spickhoff, § 104 BGB Rn. 34. 242  Ebenso Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, §  1600 BGB Rn.  14; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 55; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (933, 937). 243  Roth, DNotZ 2003, 805 (811): Keine Vaterschaftszurechnung um jeden Preis. 240  Spickhoff,



B. Zweite rechtliche Elternstellung187

weiten Anwendungsbereich von § 1600 Abs. 4 BGB fraglich sind244. Zu beachten ist auch der Charakter der Einwilligung als höchstpersönlicher Erklärung245. Sie betrifft das Recht des Einwilligenden auf Fortpflanzungsfreiheit und seine Stellung als rechtlichem Vater; beides sind Teilausschnitte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts246. Aus diesem Grund kann die Erklärung nur vom Einwilligungsberechtigten selbst abgegeben werden mit der Folge, dass gesetzliche Stellvertretung im Rahmen der Einwilligung in eine künstliche heterologe Befruchtung ausgeschlossen ist247. Deshalb genügt auch die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Einwilligung eines beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen (§ 107 BGB) nicht, um der Höchstpersönlichkeit der Einwilligung bestmöglich Rechnung zu tragen und zu verhindern, dass eine rechtliche Vater-Kind-Beziehung ohne hinreichend qualifizierten Willen des Betroffenen begründet werden kann248. Im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung kann de lege lata über die Geschäftsunfähigkeit des Anerkennenden hinweggeholfen werden, indem ein gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts bzw. – falls der gesetzliche Vertreter ein Betreuer ist – mit Genehmigung des Betreuungsgerichts anerkennt, vgl. § 1596 Abs. 1 S. 3 BGB. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese Norm analog auf den Fall der Einwilligung des Geschäfts­ unfähigen in eine heterologe Insemination angewendet werden kann. Zwar muss einerseits bedacht werden, dass dem Geschäftsunfähigen auf diese Weise eine weitreichende Entscheidung aufgedrängt werden könnte249. Gleichzeitig bietet sich eine Anlehnung an die Vorgaben des Instituts der Vaterschaftsanerkennung an, um einen Gleichlauf zu erreichen; dies wäre vor dem Hintergrund legitim, dass auch mit der Vaterschaftsanerkennung die weitreichenden Folgen des Statusverhältnisses verbunden sind. De lege ferenda wäre trotz allem eine explizite Klarstellung durch den Gesetzgeber in: FS Schwab (2005), 923 (933, 937). annehmend ebenso Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (933, 936); Roth, DNotZ 2003, 805 (812); ders., JZ 2002, 651 (653). 246  Vgl. dazu Kap. 4 B. V. 2. d) bb), S. 170 f. 247  Roth, DNotZ 2003, 805 (811): Verneinung einer planwidrigen Regelungslücke bei § 1600 Abs. 4 BGB unter Verweis auf Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennungserklärung (§ 1596 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 BGB) sowie die Vaterschaftsanfechtung (§ 1600a Abs. 2 S. 3 BGB); vgl. auch Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 31; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 55; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (933, 936); Roth, JZ 2002, 651 (653). 248  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, §  1600 BGB Rn. 14; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (933, 936); Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (365); a. A. Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 32; Roth, DNotZ 2003, 805 (812); ders., JZ 2002, 651 (653). 249  Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 81. 244  Spickhoff,

245  Höchstpersönlichkeit

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

wünschenswert. Bis dahin dürfte es dem fakultativ betrauten Notar vorbehalten bleiben, die Beurkundung abzulehnen. 9. Keine wirksame Anfechtung der Einwilligungserklärung Die Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung dürfte außerdem nicht wirksam angefochten worden sein. Dogmatisch ist die Anfechtung der Einwilligungserklärung strikt von der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft zu unterscheiden. Weil sie als Willenserklärung einzuordnen ist, finden grundsätzlich auch die allgemeinen Regeln über Willensmängel (§§ 119 ff. BGB) Anwendung250. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl im Schrifttum als auch im Gesetzgebungsverfahren in Anlehnung an das Ehe- und Adoptionsrecht verschiedene Vorschläge zur Modifikation der Vorgaben über Willensmängel unterbreitet worden sind, um der besonderen Materie des § 1600 Abs. 4 BGB Rechnung zu tragen und durch die Einschränkung der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB ein hinreichendes Niveau an Rechtssicherheit zu schaffen251. Diese Vorschläge sind vom Gesetzgeber letztlich nicht umgesetzt worden. Wird ein Notar im Rahmen einer Kinderwunschvereinbarung mit der Beurkundung der Einwilligungserklärungen betraut, greift wegen der Beratung und Belehrung der mögliche nachträgliche Einwand der einwilligungsberechtigten Personen, sie hätten die Aufklärung und Folgen nicht hinreichend verstanden, im Zweifel nicht. Die Anwendbarkeit der §§ 119 ff. BGB über die Anfechtung wegen Willensmängeln führt dazu, dass auch die Anfechtung auf Grundlage eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person oder Sache möglich ist, vgl. § 119 Abs. 2 BGB. Es wäre denkbar, dass der einwilligende Mann nachträglich die Anfechtung seiner Einwilligungserklärung etwa mit der Begründung betreibt, das gezeugte Kind weise eine nicht gewollte Haarfarbe oder Behinderung auf bzw. ihm fehle ein gewünschtes Merkmal wie Musikalität oder künstlerische Veranlagung. Zwar kann sich die verkehrswesentliche Eigenschaft neben dem Vertragspartner auch auf Dritte und sogar auf erst künftig bestehende Eigenschaften (des später geborenen Kindes) beziehen252. Allerdings scheidet die Anwendbarkeit von § 119 Abs. 2 BGB schon wegen Unvereinbarkeit mit dem Schutz der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsrecht des Kindes (Art. 1 Abs. 1 GG und Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 250  So auch Roth, DNotZ 2003, 805 (814); ders., JZ 2002, 651 (653); Deutsch/ Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1092; Muscheler, FamR, Rn. 562. 251  Vgl. BR-Drs. 369/99, Anlage 9; siehe auch Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (938) und Roth, DNotZ 2003, 805 (814 f.). 252  Roth, DNotZ 2003, 805 (815).



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1 Abs. 1 GG) aus253. Dass das zu zeugende Kind nicht nach vorherigen Wünschen und Vorstellungen gerät, entspricht dem vorher eingegangenen, allgemeinen Lebensrisiko werdender Eltern254; daran ändert auch die Zeugung durch Spendersamen – selbst bei bewusster und umsichtiger Spenderauswahl – nichts. Eine Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB ist im Übrigen weiterhin möglich255. Möglich bleibt eine Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Fraglich ist, ob allein diejenige Person, deren Erklärung unwirksam (geworden) ist, zur Anfechtung der eigenen Erklärung berechtigt ist, oder ob beide intendierten Elternteile jeweils ihre eigene Erklärung anfechten können, auch wenn nur eine Erklärung rechtlich fehlerhaft ist. Vor dem Hintergrund, dass der Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB seine Wirkung nur bei Vorliegen zweier wirksamer Einwilligungserklärungen entfaltet, muss grundsätzlich beiden intendierten Elternteilen die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft möglich sein, und zwar unabhängig davon, ob die eigene Erklärung wirksam war. Liegt nur eine wirksame Einwilligungserklärung vor, greift der Ausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB im Gesamten nicht, sodass die Anfechtung für keinen der Beteiligten ausgeschlossen ist256. Dass die Mutter an ihre rechtliche Mutterposition (§ 1591 BGB) gebunden bleibt, auch wenn das Kind auf Grundlage einer unwirksamen Einwilligung gezeugt wurde, liegt in der Entscheidung des Gesetzgebers über die Unanfechtbarkeit der Mutterstellung. Insofern kann bei gemeinsamem Irrtum oder gemeinsamer Täuschung der intendierten Eltern die Anfechtung des Mannes nicht als treuwidrig i. S. d. § 242 BGB gewertet werden, nur weil andernfalls die Mutter wegen § 1591 BGB die Elternverantwortung allein tragen müsste257. Als Empfänger der Einwilligung ist der jeweils andere intendierte Elternteil Anfechtungsgegner258. Weil die Befruchtung für den Fall einer erfolgreichen Anfechtung wegen eines Willensmangels ohne wirksame Einwilligungen erfolgt ist, greift der Anfechtungsausschluss des § 1600 Abs. 4 BGB nicht. Die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft ist dann weiterhin möglich.

253  Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap.  XIX Rn. 1092; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (938); Roth, DNotZ 2003, 805 (815). 254  Roth, DNotZ 2003, 805 (815); Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (938). 255  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 113. 256  Roth, DNotZ 2003, 805 (817): kein „halbseitiger“ Anfechtungsausschluss. 257  So vorgeschlagen von Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (939). 258  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 113.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

10. Kein wirksamer Widerruf Eine Einwilligung in eine heterologe künstliche Befruchtung ist unwirksam, sofern ein Recht zum Widerruf besteht und von diesem rechtzeitig Gebrauch gemacht wird. Die Frage nach dem Widerrufsrecht ist insbesondere dann relevant, wenn der einwilligende Mann an der Ehe bzw. Beziehung kein Interesse mehr hat und/oder die Behandlung seiner Frau nicht weiter unterstützt. a) Widerrufsrecht als Ausdruck des individuellen Selbstbestimmungsrechts im reproduktiven Bereich Nach den Grundsätzen des Allgemeinen Teils kann eine empfangsbedürftige Willenserklärung nach ihrem Zugang beim Empfangsberechtigten nicht mehr widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Einwilligung in eine heterologe Befruchtung ist indes entgegen dieser Regel widerruflich. Die Mutter kann schon bei Abgabe der Einwilligungserklärungen nicht damit rechnen, dass der Mann sich ohne Rücksicht auf veränderte künftige Umstände uneingeschränkt binden lassen will259. Eine solche Entscheidung stellt für jeden Partner eine höchstpersönliche Angelegenheit dar und betrifft das grundrechtlich verbürgte Recht auf Fortpflanzungsfreiheit260. Dieses besondere Selbstbestimmungsrecht umfasst wiederum die Freiheit, sich jederzeit erneut frei für oder gegen ein Kind entscheiden zu können, weshalb aus einem Einvernehmen über die Familienplanung keine dauerhafte, uneingeschränkte Bindung erwachsen kann261. Die freie Entscheidung steht dabei Männern und Frauen gleichermaßen zu262. Das Recht zum Widerruf der Einwilligung folgt aus den Grundsätzen des Familienrechts und des Verfassungsrechts, ist also nicht davon abhängig, dass § 1600 Abs. 4 BGB eine Widerrufsmöglichkeit anordnet bzw. eine ausdrückliche Widerrufsklausel in den Vertrag aufgenommen worden ist. Ohne Bedeutung ist, aus welchen Gründen ein intendierter Elternteil seine Einwilligung revidieren möchte: Aufgrund der höchstpersönlichen Natur der Entscheidung verbietet sich eine 259  BGHZ

129, 297 (307). Kap. 4 B. V. 2. d) cc), S. 170 ff. 261  So BGHZ 146, 391 (395) für die Konstellation der homologen Befruchtung innerhalb einer Ehe; angedeutet bereits durch BGHZ 129, 297 (307) für den Fall der heterologen Insemination innerhalb einer Ehe; vgl. außerdem Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 33; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 56; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (937); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Grziwotz, FF 2013, 233 (236); Roth, DNotZ 2003, 805 (813). 262  BGHZ 146, 391 (395). 260  Siehe



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Bewertung durch die Rechtsprechung, sodass auch ein Widerruf, der etwa auf eine Beziehung mit einer anderen Frau zurückzuführen ist, Beachtung finden muss263. b) Bestimmung des letztmöglichen Zeitpunkts der Ausübung des Widerrufsrechts § 1600 Abs. 4 BGB beinhaltet weder eine (einfachgesetzliche) Regelung des Widerrufs noch einzelner Modalitäten. Nach allgemeiner Auffassung ist diesbezüglich auf die von der Rechtsprechung im Rahmen von unterhaltsrechtlichen Entscheidungen entwickelten Grundsätze zurückzugreifen264. Danach kann der einwilligende Mann sein Einverständnis zur künstlichen Befruchtung mit Spendersamen bis zur Durchführung der Befruchtung widerrufen265. Ein Widerruf kommt nach der Rechtsprechung dann nicht mehr in Betracht, wenn durch die Befruchtung unumkehrbare Tatsachen geschaffen worden sind266. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten künstlicher Befruchtung ist allerdings fraglich, was konkret unter dem Begriff der „Durchführung“ zu verstehen ist bzw. ab welchem Zeitpunkt unumkehrbare Tatsachen geschaffen worden sind. aa) Zeugung in-vivo Bei einer Zeugung in-vivo ist allein das Verbringen der Samenzellen in den weiblichen Körper maßgeblich, weil der Zeugungsvorgang ab diesem Zeitpunkt naturgemäß nicht mehr gesteuert werden kann, sodass eine unum263  BGHZ 146, 391 (398). Zur Bindungswirkung von Abreden bei medizinisch assistierter Fortpflanzung siehe Luh, ZKJ 2007, 351 ff. 264  So Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 87; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); vgl. auch Janzen, FamRZ 2002, 785 (786). 265  BGHZ 129, 297 (306) für verheiratete Paare; BGHZ 207, 135 (137) für unverheiratete Paare. Zust. aus der Literatur Palandt/Siede, Einf. v. § 1591 BGB Rn. 17; Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 87; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 56. Für die Situation einer homologen Insemination innerhalb einer Ehe siehe BGHZ 146, 391 (395). Zust. aus der Literatur Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 87; Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 51; Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 63; Grziwotz, FF 2013, 233 (236); Janzen, FamRZ 2002, 785 (786); Muscheler, FamR, Rn. 562. Auf den Inseminationserfolg bzw. eine erfolgreiche Befruchtung stellen ab BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 114; Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (114); BNotK, DNotZ 1998, 241 (246). 266  BGHZ 146, 391 (398); 129, 297 (307 ff.); BGH NJW 1995, 2921 (2922); vgl. ebenso Roth, DNotZ 2003, 805 (813) und ders., DNotZ 2002, 651 (653).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

kehrbare Entwicklung in Gang gesetzt wird. Es kommt nicht darauf an, dass die Eizelle tatsächlich befruchtet wird267. bb) Problem: Zeugung in-vitro Bei einer Befruchtung in-vitro kommen als Zeitpunkte dagegen sowohl die Vereinigung von Ei- und Samenzelle in der Petrischale als auch die Übertragung des dadurch entstehenden Embryos auf die Frau in Betracht. Welches ist somit der letztmögliche Zeitpunkt für die Ausübung des Widerrufsrechts und wann erlischt dieses? Das LG Bonn hat vor einiger Zeit entschieden, dass die Einwilligung in eine homologe Insemination zumindest (!) bis zum Zeitpunkt der Befruchtung widerrufen werden kann268. Geklagt hatte eine Frau, die sich mit ihrem damaligen Lebensgefährten auf eine homologe Insemination im ICSI-Verfahren verständigt hatte. Zu diesem Zwecke wurden ihr Eizellen entnommen und in-vitro mit dem Samen ihres Partners zusammengeführt. Der Transfer einiger befruchteter Eizellen führte zunächst nicht zu einer erfolgreichen Schwangerschaft. Ein weiterer Teil der Eizellen, in die bereits Samenzellen verbracht worden waren, wurde für einen späteren Versuch kryokonserviert. Zu diesem zweiten Transfer ist es allerdings nicht mehr gekommen, weil der Lebenspartner zwischenzeitlich seine Einwilligung269 in die Befruchtung widerrufen hatte. Die Klägerin begehrte daraufhin die Zustimmung des Mannes zu Weiterkultivierung und Transfer sowie die Herausgabe der krykonservierten Eizellen270. Das Gericht lehnte das Begehren der Frau ab und stützte seine Begründung im Wesentlichen auf Vorschriften des ESchG. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG bedarf auch eine homologe Befruchtung der Einwilligung von Mann und Frau als Gametengeber. Wenn nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG für die Einwilligungen die Befruchtung maßgeblich ist, so sei ein Widerruf jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Befruchtung möglich. Die Befruchtung erfolge nach der medizinischen, biologischen und juristischen Begriffsbestimmung allerFF 2013, 233 (236). Bonn FamRZ 2017, 447. 269  Auch im Fall einer homologen Insemination ist die Einwilligung des Mannes erforderlich, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG. Dogmatisch handelt es sich allerdings nicht um eine Einwilligung i. S. v. § 1600 Abs. 4 BGB. Die Schutzrichtung der Vorschrift aus dem ESchG ist aber die gleiche: Das reproduktive Selbstbestimmungsrecht (hier des Gametengebers) soll gewahrt werden. 270  Vgl. auch Verneinung von Herausgabeansprüchen nach dem Tod eines Partners OLG München NZFam 2017, 957; OLG Karslruhe FamRZ 2016, 1790; LG Darmstadt BeckRS 2019, 20419; anders OLG Rostock FamRZ 2010, 1117 und jüngst OLG Hamburg NZFam 2022, 20. 267  Grziwotz, 268  LG



B. Zweite rechtliche Elternstellung193

dings nicht bereits mit dem alleinigen Eindringen des Spermiums in die Eizelle (Imprägnation), durch welche sog. 2-PN-Zellen entstehen271, sondern erst mit der Vereinigung der Vorkerne, der sog. Kernverschmelzung. Diese Unterscheidung sei auch im ESchG angelegt, welches unbefruchtete (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) und befruchtete Eizellen differenziert und in diesem Zusammenhang die Kernverschmelzung nennt (§ 8 ESchG)272. 2-PN-Zellen seien dagegen nur „im Befruchtungsvorgang befindliche Eizellen“ und keiner der genannten Kategorie zuzuordnen, d. h. auch nicht jener der befruchteten Eizellen273. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es der gängigen Praxis entspreche, dass imprägnierte Eizellen zunächst kryokonserviert werden, d. h. der natürliche Befruchtungsvorgang bewusst und gewollt unterbrochen und die Kernverschmelzung erst durch das Auftauen als zusätzliche Handlung zur bloßen Zusammenführung der Keimzellen möglich wird274. Für eine separate rechtliche Behandlung spricht nach Auffassung des Gerichts außerdem die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ESchG, welche ausdrücklich auf die Imprägnation abstellt275. Obwohl der von dem LG Bonn entschiedene Fall die Konstellation einer homologen Insemination und den Widerruf einer darauf gerichteten Einwilligung betrifft, können hieraus Rückschlüsse auf den Widerruf der Einwilligung nach § 1600 Abs. 4 BGB und damit die heterologe Befruchtung gezogen werden. Sowohl die Einwilligung nach § 4 ESchG als auch jene gemäß § 1600 Abs. 4 BGB sind nämlich Ausdruck der grundrechtlich verbürgten Reproduktionsfreiheit276. Für einen Widerruf, der im Rahmen beider Vorschriften das Selbstbestimmungsrecht in diesem höchstpersönlichen Bereich wahrt, gilt dies gleichermaßen. Weil das Recht auf Freiheit der Fortpflanzung nicht von der Herkunft der Samenzelle, aber auch dem Status der Eltern und der reproduktionsmedizinischen Maßnahme abhängt, bleibt der Widerruf für die Einwilligung nach § 1600 Abs. 4 BGB sowohl für verheiratete als auch 271  So

LG Augsburg MedR 2019, 483 (486). Bonn FamRZ 2017, 447 (449); jüngst bestätigt durch BayObLG München MedR 2021, 460 (463). 273  LG Bonn FamRZ 2017, 447 (449). 274  LG Bonn FamRZ 2017, 447 (449). Ein solches Vorgehen ermöglicht, bei gleichbleibender Belastung für die Frau in Form der einmaligen Eizellentnahme durch die Vornahme mehrere Versuche die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen. 275  LG Bonn FamRZ 2017, 447 (449). 276  Für § 1600 Abs. 4 BGB siehe Kap. 4 B. V. 2. d) cc), S. 170. Für § 4 ESchG siehe nur Spickhoff-Medizinrecht/Müller-Terpitz, § 4 ESchG Rn. 1. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift zusätzlich Missbrauch durch Reproduktionsmediziner vorbeugen und dem Kindeswohl dienen, weil die kindliche Entwicklung unter Umständen in Gefahr sei, wenn die Zeugung nicht dem Willen der Gametengeber entspreche, BT-Drs. 11/5460, 10. 272  LG

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

nicht verheiratete Paare bei einer in-vitro-Fertilisation zumindest bis zum Zeitpunkt der Befruchtung möglich. Dies gilt für Mann und Frau gleichermaßen, ein Überwiegen des Rechts auf Reproduktionsfreiheit einer Partei zu Lasten der anderen stünde nicht im Einklang mit § 4 ESchG277. Das gilt auch für den Widerruf der Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB. Das LG Bonn ging schließlich noch einen Schritt weiter und erklärte (ohne nähere Begründung), dass für beide Elternteile bis zu Verschmelzung der Zellkerne „und dem anschließenden Transfer“ die Möglichkeit bestehe, sich noch gegen die Entstehung des Kindes zu entscheiden278. In diese Richtung wies bereits eine unterhaltsrechtliche Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2001: Das Gericht hatte einen Widerruf des Ehemannes in einem Fall bejaht, in dem eine extrakorporale Befruchtung der Eizellen der Ehefrau mit dem Samen des Ehemannes vorgenommen wurde. Der Widerruf erfolgte dabei nach der Befruchtung, jedoch noch vor der Übertragung des Embryos auf die Frau279. Insofern ging der BGH offenbar ebenso davon aus, dass der Widerruf bis zur Übertragung des Embryos auf die Frau möglich ist. Es erscheint sachgerecht, den Widerruf der Einwilligung in eine heterologe Befruchtung bei einer künstlichen Befruchtung in-vivo bis zur Durchführung der entsprechenden Maßnahme, bei einer in-vitro-Befruchtung dagegen auch noch nach der Vereinigung der Zellkerne (eigentliche Befruchtung) bis zur Vornahme des Transfers auf den Körper der Frau zuzulassen280. Dabei ist die dauerhafte Einnistung bzw. eine erfolgreiche Schwangerschaft ebenso wenig von Bedeutung wie die tatsächliche Befruchtung im Rahmen der Zeugung in-vivo. Unabhängig von der Methode der künstlichen Befruchtung ist auf den Zeitpunkt abzustellen, ab welchem der Vorgang unumkehrbar ist und im Wesentlichen den Fähigkeiten des weiblichen Körpers überlassen wird, eine Schwangerschaft zu erhalten. Der für § 1600 Abs. 4 BGB maßgebliche Zeitpunkt ist der Transfer auf den Körper der Frau. Dass die strafrechtliche Verantwortung von Reproduktionsmedizinern etwa im Fall der Befruchtung zu dem Zweck der Übertragung einer Eizelle auf eine andere Frau (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG) mit dem Verschmelzen der Zellkerne, d. h. der Befruchtung im eigentlichen Sinne, beginnt, dürfte auf kriminalpolitische Erwägungen zurückgehen281 und kann auf den für § 1600 Abs. 4 BGB maßgeblichen Zeitpunkt keinen Einfluss haben.

277  LG

Bonn FamRZ 2017, 447 (450). Bonn FamRZ 2017, 447 (449 f.). 279  BGHZ 146, 391. 280  I. E. auch Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3257); für Zulässigkeit bis zur Vereinigung der Zellkerne Schwarz, RNotZ 2022, 421 (428). 281  BayObLG München MedR 2021, 460 (463). 278  LG



B. Zweite rechtliche Elternstellung195

Im Zusammenhang mit der in-vitro-Befruchtung wird oft unzureichend berücksichtigt, dass außerhalb des Mutterleibes und ggf. nach dem Auftauen aus der Kryokonservierung ein bzw. ggf. mehrere menschliche Embryonen entstehen, deren Schicksal bei einem Widerruf unmittelbar vor der Übertragung auf die Frau oder im Fall schlicht überzähliger Embryonen nicht gesetzlich geregelt und damit weitgehend unklar ist282. c) Erklärungsempfänger Wenn durch die Abgabe der Einwilligungserklärung gegenüber dem (Ehe-) Partner die Bereitschaft zur gemeinsamen Verantwortungsübernahme für das Kind zum Ausdruck gebracht wird, kann das dadurch geschaffene Vertrauen auch nur durch eine Erklärung des Widerrufs gegenüber diesem Partner revidiert werden283. Dies entspricht den Grundsätzen des Allgemeinen Teils des BGB, nach welchen der Widerruf einer Erklärung gegenüber ihrem Empfänger erfolgen muss284. Die Einwilligung des Mannes kann damit nur gegenüber der Frau, an welcher die Befruchtung durchgeführt werden soll, widerrufen werden. Problematisch ist, dass in medizinisch assistierten Konstellationen in der Regel die Einwilligung im Rahmen der Behandlungsvereinbarung vor einem Arzt erklärt wird und somit eine dritte Person beteiligt ist. Die Mitwirkung des Arztes ändert grundsätzlich nichts an der Tatsache, dass als Adressatin der Widerrufserklärung des Mannes zunächst die Frau anzusehen ist; ein Widerruf gegenüber dem behandelnden Arzt allein genügt deshalb nicht285. Zu beachten ist allerdings, dass er auch als Erklärungsbote eingesetzt, d. h. mit der Übermittlung der Widerrufserklärung an die Frau betraut werden kann286. Wird die Einwilligungserklärung in Anwesenheit eines Arztes abgegeben, darf jeder Partner davon ausgehen, dass ihm ein Widerruf des anderen 282  Hierzu

auch BayObLG München MedR 2021, 460 (464). 207, 135 (142); Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 33; SpickhoffMedizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 15; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 56; Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1094; Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 63; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (937); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263 f.) und Roth, DNotZ 2003, 805 (813): „actus contrarius“ zur Einwilligung; offengelassen Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 15. 284  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 109, 114. Insofern möglicherweise etwas unklar, wenn die Abgabe an die Frau oder den behandelnden Arzt als ausreichend erachtet wird, Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (355); Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1069). 285  So Staudinger2011/Rauscher, § 1600 BGB Rn. 87. 286  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, §  1600 BGB Rn. 15; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (937). 283  BGHZ

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Partners durch den Arzt mitgeteilt wird287. Unterlässt der Arzt eine solche Mitteilung, kommt eine Pflicht zum Schadensersatz in Betracht288. Weil der behandelnde Reproduktionsmediziner die heterologe Befruchtung im Tatsächlichen umsetzt, kann es dann zu Schwierigkeiten kommen, wenn beispielsweise die Frau den Widerruf der Erklärung ihres Partners ignoriert und der Arzt im Unwissen über den Widerruf die Behandlung fortsetzt289. Sofern deshalb die Einwilligungen der intendierten Eltern bereits einem Arzt zugeleitet und dadurch die Vornahme der Befruchtung im weitesten Sinne eingeleitet wurde, bedarf es aus Gründen der Rechtssicherheit im Interesse aller Beteiligten zusätzlich der Erklärung des Widerrufs auch gegenüber dem behandelnden Arzt290, worauf in einer notariellen Vereinbarung hingewiesen werden kann291. d) Beweislast und Form Nach den allgemeinen Regeln zur Beweislastverteilung muss die Partei, die sich auf für sie günstige Tatsachen beruft, diese beweisen292. Im Rahmen von Anträgen der aus der Befruchtung hervorgegangenen Kinder auf Unterhalt oder auch in Prozessen um die Anfechtbarkeit der rechtlichen Vaterschaft trägt daher der einwilligende Mann die Beweislast für den rechtzeitigen, wirksamen Widerruf293. Wie auch die Einwilligung ist der Widerruf de lege lata formlos möglich294. Vor dem Hintergrund von Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Abgabe, des Zeitpunkts der Abgabe und der Frage, wem gegenüber der Widerruf erklärt wurde, ist die Formfreiheit problematisch, sodass die notarielle Form oder zumindest die Einhaltung der Schriftform zu empfehlen ist295. 287  Staudinger2011/Rauscher,

§ 1600 BGB Rn. 87. § 1600 BGB Rn. 87. 289  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (937, 938). 290  Vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 762 (764); Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3257). 291  Schwarz, RNotZ 2022, 421 (428). 292  BGHZ 116, 278 (288); 113, 222 (224). 293  BGHZ 129, 297 (308 f.); MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 56; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). Dagegen hat der BGH die Kinder als Träger der Beweislast angesehen in einer Konstellation, in der der Mann Ehelichkeitsanfechtungsklage erhoben hatte, vgl. BGH NJW-RR 1993, 643. 294  Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 33; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 56; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Roth, DNotZ 2003, 805 (813). 295  Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1094; Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (355); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). Krit. daher die Über288  Staudinger2011/Rauscher,



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e) Folgen des Wegfalls des Widerrufsrechts Ist der letztmögliche Zeitpunkt für den Widerruf verstrichen, entfaltet die Einwilligung mit der Geburt des Kindes ihre Rechtswirkungen; dies gilt jedenfalls unmittelbar für verheiratete Paare. Eine Anfechtung der Vaterschaft ist dann – unter dem Vorbehalt, dass die Einwilligung nicht aus anderen Gründen unwirksam ist – nicht mehr möglich296. Die Mutter und der einwilligende Mann können dem auch nicht durch einseitige Erklärung oder eine einvernehmliche Aufhebung der Rechtswirkungen der Einwilligung durch Vereinbarung entgegensteuern297. Der Mann hat nach diesem Zeitpunkt weder den Anspruch auf einen (straffreien) Schwangerschaftsabbruch298, noch auf die Einnahme der „Pille danach“ durch die Frau299. Letzteres gilt auch bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. f) Folgen eines wirksamen Widerrufs Widerruft der Mann die Einwilligung hingegen rechtzeitig und wirksam, kommt eine Anfechtung der Vaterschaft für das aus der heterologen Insemination entstandene Kind weiter in Betracht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Frau den Widerruf des Mannes, von welchem möglicherweise der behandelnde Arzt nicht erfährt, ignoriert und nach Fortsetzung der Behandlung ein Kind zur Welt kommt300. In einer solchen Konstellation ist außerdem davon auszugehen, dass auch der in der Einwilligung liegende Unterhaltsvertrag301 zu Gunsten des Kindes infolge des Widerrufs der Einwilligungserklärung unwirksam wird. Der Mann bringt durch seine revidierte Entscheidung nämlich gerade zum Ausdruck, nicht die Verantwortung für das legung bei Roth, DNotZ 2003, 805 (819), in der Trennung eines nichtehelichen Paares vor der Befruchtung liege ein konkludenter Widerruf. 296  Vgl. OLG Hamburg FamRZ 2013, 228. 297  BGHZ 307, 135 (142); 129, 297 (307); BGH NJW 1995, 2921; SpickhoffMedizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 15; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (937); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Roth, DNotZ 2003, 805 (813). Grundsätzlich ist zwar möglich, einen Vertrag zu Gunsten Dritter durch Vertrag aufzuheben bzw. abzuändern, wenn sich schon aus dem Vertrag zu Gunsten Dritter ein entsprechender Änderungsvorbehalt ergibt. Der BGH hat allerdings schon im Jahr 1995 entschieden, dass „ein solcher (…) bei Verträgen wie diesen wegen der besonderen familienrechtlichen Prägung für die Zeit nach der Durchführung der (…) Insemination nicht in Betracht [kommt]“, siehe BGHZ 129, 297 (308). 298  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 56. 299  Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3256); ders., FF 2013, 233 (236). 300  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 15; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). 301  Näher dazu Kap. 4 C. II. 1., S. 249 ff.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Kind tragen zu wollen, was sich auch auf die unterhaltsrechtliche Ebene auswirkt302. Er muss aber unter Umständen dennoch für bis dahin entstandene Kosten (z. B. Klinikkosten) (mit-)aufkommen303. g) Zwischenergebnis Das Recht zum Widerruf der Einwilligungserklärungen ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts der Beteiligten und besteht daher auch ohne ausdrückliche einfachgesetzliche Regelung. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich aber die Aufnahme des Widerrufsrechts in die notarielle Kinderwunschvereinbarung. In diesem Zusammenhang sollten auch einzelne Modalitäten festgelegt sein, etwa bis zu welchem Zeitpunkt der Widerruf möglich ist sowie die Person des Erklärungsempfängers. Im Rahmen seiner Pflicht zur Belehrung und Beratung hat der Notar die Beteiligten über die genannten Punkte aufzuklären und dies zu dokumentieren. 11. Keine Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 134 BGB Ist das Kind im Wege einer in Deutschland unzulässigen Methode der Reproduktionsmedizin gezeugt worden (z. B. durch einen Embryonentrans­ fer)304, kann sich der Mann, der zuvor in die Befruchtung eingewilligt hat, nicht darauf berufen die Einwilligung sei wegen eines Gesetzesverstoßes (§ 134 BGB) unwirksam305. Zum Schutz des gezeugten Kindes hat der Gesetzgeber im Rahmen des KindRVerbG nämlich in Kenntnis dieser Thematik darauf verzichtet, die Zulässigkeit einzelner reproduktionsmedizinischer Verfahren zu regeln und stattdessen beabsichtigt, den Status des Kindes im Wege des Anfechtungsausschlusses abzusichern306. 12. Beweislast und Form Die Beweislast für die wirksame Abgabe einer Einwilligungserklärung trägt in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regeln die Person, die sich auf das Vorliegen der Einwilligung beruft307. De lege lata unterliegen Einwilligungen i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB außerdem keinen Formvorgaben. Al302  So

wohl auch Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (937). 129, 297 (307). 304  Siehe dazu Kap. 3 C. II. 1., S. 110. 305  OLG Hamburg FamRZ 2013, 228 (229). 306  OLG Hamburg FamRZ 2013, 228 (229); BT-Drs. 14/2096, 7. 307  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 13. 303  BGHZ



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lerdings wird dieser Aspekt in der jüngsten Vergangenheit wiederholt diskutiert und ist inzwischen in den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Diskussionsteilentwurfs zur Reform des Abstammungsrechts eingeflossen308. Weil nach geltendem Recht nur eine fakultative notarielle Mitwirkung an entsprechenden Kinderwunschvereinbarungen in Betracht kommt, soll eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Formfrage erst im folgenden Kapitel im Zusammenhang mit konkreten Reformvorschlägen erfolgen. De lege lata empfiehlt sich jedoch, die Einwilligungserklärungen einschließlich sämtlicher Details der künstlichen Befruchtung notariell beurkunden zu lassen, um für die Betroffenen ein Höchstmaß an Klarheit und Rechtssicherheit zu erreichen. 13. Rechtsfolgen a) Ausschluss der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft Sofern die Voraussetzungen von § 1600 Abs. 4 BGB vorliegen, ist die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft des einwilligenden Mannes ausgeschlossen. Weiterhin bleibt aber (der Mutter und dem Mann) eine Vaterschaftsanfechtung mit der Begründung möglich, das Kind stamme gar nicht aus der vereinbarten künstlichen Befruchtung, sondern beispielsweise aus einem Seitensprung mit einem Dritten309. § 1600 Abs. 4 BGB greift außerdem selbst dann nicht, wenn der Partner der Mutter damit einverstanden ist, dass die Befruchtung durch Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann erfolgt310. b) Adressaten des Anfechtungsausschlusses Personell richtet sich der Ausschluss an die einwilligende Frau und künftige Mutter sowie den einwilligenden Mann. Kein Zweifel besteht ferner daran, dass das aus der künstlichen Befruchtung hervorgegangene Kind (u. U. durch den gesetzlichen Vertreter) auch weiterhin berechtigt ist, die Vater308  Näher

dazu unter Kap. 5 D. IV. 6., S. 302 ff. §  1600 BGB Rn.  49; Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1093; Muscheler, FamR, Rn. 562; Roth, DNotZ 2002, 651 (653); Peschel-Gutzeit, FPR 2002, 285 (287). 310  In diesem Fall bietet sich allerdings möglicherweise die Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrags an, durch welchen der Partner verpflichtet wird, den Unterhalt für das gezeugte Kind mitzutragen. Dies kommt ebenso dann in Betracht, wenn eigentlich eine homologe Befruchtung gewünscht war, in der Befruchtungseinrichtung aber versehentlich der Samen eines Dritten verwendet wird, vgl. Helms/ Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 64 m. w. N. 309  Soergel/Schmidt-Recla,

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schaft des einwilligenden Mannes anzufechten311. Ist das Kind minderjährig, kommt eine Anfechtung des Kindes durch dessen gesetzlichen Vertreter in Betracht. Gesetzlicher Vertreter ist, wem hinsichtlich des Kindes die Sorge obliegt, d. h. die Eltern eines minderjährigen Kindes (§§ 1626, 1629 BGB), ein Ergänzungspfleger (§§ 1630, 1909 BGB) oder ein Vormund (§ 1773 BGB)312. Vertritt die Mutter das Kind, besteht die Gefahr einer Umgehung von § 1600 Abs. 4 BGB, der durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers abgeholfen werden kann (§§ 1795, 1796 BGB). Allerdings ist die Anfechtung durch einen gesetzlichen Vertreter nur dann zulässig, wenn sie dem Wohl des vertretenen Kindes dient (§ 1600a Abs. 4 BGB)313. Die Anfechtung dient regelmäßig nicht dem Wohl des Kindes, wenn dieses durch die Anfechtung seinen rechtlichen Vater verlieren würde und die Feststellung des leiblichen Vaters nicht möglich wäre, weil dieser etwa tatsächlich nicht ausfindig gemacht werden kann314, die Vaterschaft des Spenders nicht gewünscht ist315 oder seine Feststellung wegen § 1600d Abs. 4 BGB sogar ausgeschlossen ist. Unklarheiten bestehen allerdings hinsichtlich eines Anfechtungsausschlusses des Samenspenders. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu § 1600 (heute) Abs. 4 BGB hatte der Bundesrat vorgeschlagen, eine explizite gesetzliche Klarstellung dahingehend vorzunehmen, dass auch der Samenspender zur Anfechtung nicht berechtigt sein soll316. Angesichts der zuvor ergangenen Entscheidung des BVerfG, in welcher das Gericht eine Verletzung des Rechts des biologischen, aber nicht rechtlichen Vaters wegen eines ausnahmslosen Ausschlusses von der Vaterschaftsanfechtung angenommen hatte, auch wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung entstehen konnte, hatte der Gesetzgeber allerdings hiervon Abstand genommen. Das BVerfG betonte, dass der leibliche, nicht rechtliche Vater – 311  Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 65; Hager, in: FS Schwab (2005), 773 (780); Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (943); Roth, DNotZ 2003, 805 (816); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (114); für Ausschluss de lege ferenda auch Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 414, 418 f.; Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55 f.). 312  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600a BGB Rn. 8. 313  Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn.  65; Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1093; Hager, in: FS Schwab (2005), 773 (780); Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (944); Roth, DNotZ 2003, 805 (816). 314  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (934). 315  Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn. 65. 316  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, BT-Drs. 15/2253, 15: „Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann, den Dritten oder die Mutter ausgeschlossen“ (Herv. d. Verf.).



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damit grundsätzlich auch der Samenspender – im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG in seinem Interesse geschützt werde, die rechtliche Vaterposition einnehmen zu können. Deshalb hatte das Gericht dem Gesetzgeber aufgetragen, bis zum 30.04.2004 ein Verfahren zu etablieren, durch welches die rechtliche Vaterposition erlangt werden kann, wenn dem der Schutz einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht317. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage ist § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt worden318. Nach dieser Vorschrift ist der Mann zur Anfechtung berechtigt, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Ein aus § 1600 Abs. 4 BGB folgender Anfechtungsausschluss auch für den Samenspender wird heute deshalb entweder durch eine strenge Auslegung des Begriffs der Beiwohnung erreicht319 oder aber durch die Annahme eines konkludenten Verzichts des Spenders begründet, wenn die Zeugung auf einer Vereinbarung der intendierten Eltern nach § 1600 Abs. 4 BGB beruht und die Verantwortungsübernahme durch den intendierten Vater von Anfang an durch die intendierten Eltern gewollt war320. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht des Spenders auf sein Anfechtungsrecht und damit die rechtliche Vaterschaft in Betracht kommt, wird noch eingehender zu betrachten sein321. Nach dem vorstehend Gesagten muss für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anfechtungsrechts des Samenspenders allein § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB maßgeblich sein, nicht aber § 1600 Abs. 4 BGB. c) Konkludenter Unterhaltsvertrag zu Gunsten des gezeugten Kindes Die Rechtsprechung sieht in der Einverständniserklärung des Mannes gleichzeitig einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten berechtigenden Vertrag zu Gunsten des gezeugten Kindes (§ 331 Abs. 2 BGB), durch welchen sich der Einwilligende verpflichtet, für den Unterhalt des Kindes wie ein leiblicher Vater zu sorgen322. Durch den Willensakt gibt der 317  BVerfGE

108, 82. zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 17.10.2003, BGBl 2004 I S. 598. 319  Höfelmann, FamRZ 2004, 745 (749); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (114); gegen ein streng wortlautorientiertes Verständnis Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (942 f.). 320  BGHZ 197, 242 (245 f.). 321  Siehe Kap. 4 B. VI., S. 204 ff. und Kap. 5 D. III., S. 292 ff. 322  BGHZ 207, 135; 129, 297 (302). Siehe Kap. 4 B. V. 2. d) bb), S. 170 und Kap. 4 C. II. 1., S. 249 ff. 318  Gesetz

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Einwilligende zu erkennen, dass er „für das Kind wie ein ehelicher Vater sorgen will“323. Da die gesetzliche Unterhaltspflicht an die rechtliche Vaterschaft, diese wiederum nach Möglichkeit an die biologische Vaterschaft anknüpft (arg.: § 1592 Nr. 1 BGB, Vermutung der biologischen Vaterschaft des Ehemannes), der Einwilligende jedoch von Anfang an feststehend niemals biologischer Vater sein wird, beschränke sich die Wirkung der Erklärung nicht allein auf die rechtliche Vaterstellung und die mit ihr verknüpfte gesetzliche Unterhaltspflicht; die Erklärung müsse aus Sicht der Frau vielmehr dahingehend verstanden werden, dass der Mann eine vom (Fort-)Bestand der gesetzlichen Unterhaltspflicht unabhängige Unterhaltspflicht übernehmen wolle324. d) Zeitlicher Geltungsbereich § 1600 Abs. 4 BGB gilt jedenfalls für alle Einwilligungen in Befruchtungen, die seit Inkrafttreten der Vorschrift am 12.04.2002 abgegeben wurden. Der BGH hat darüber hinaus entschieden, dass die Regelung auch dann anwendbar ist, wenn vor dem genannten Termin die Einwilligung erklärt und bereits bei Inkrafttreten ein entscheidungsreifer Anfechtungsantrag eingereicht wurde oder ein Anfechtungsverfahren anhängig war (unechte Rück­ wirkung)325. Mittlerweile dürfte die Problematik der Rückwirkung an Relevanz verloren haben326. 14. Kritik an der Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB Die Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB ist unter verschiedenen Aspekten kritikwürdig. So ist im Schrifttum vielfach bedauert worden, dass der Gesetzgeber trotz mehrfacher Aufforderung kein konsistentes fortpflanzungsmedizinrechtliches Gesamtkonzept einschließlich der abstammungsrechtlichen Konsequenzen entwickelt und stattdessen lediglich eine „Insellösung“ geschaffen hat327. Die Schwierigkeiten, die § 1600 Abs. 4 BGB mit sich bringt, gehen dabei im Wesentlichen darauf zurück, dass es der Gesetzgeber schon zuvor unterlassen hat, unter Berücksichtigung verschiedener Personenkon­ 323  BGHZ

129, 297 (302). 129, 297 (303). 325  BGH NJW 2005, 1428; vgl. auch OLG Hamm NJW 2007, 3733; zust. Soergel/ Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 46; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 58; krit. Deutsch/Spickhoff, MedR, Kap. XIX Rn. 1097. 326  So auch Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 46. 327  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (945) („unkoordinierte Einzelregelung“); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (264) („isolierte Teilregelung“); vgl. auch von Sachsen-Gesaphe, NJW 2002, 1853 (1854). 324  BGHZ



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stellationen, der Herkunft des Spendersamens, der Modalitäten und unterschiedlicher Arten der künstlichen Befruchtung Aussagen zur Zulässigkeit einzelner reproduktionsmedizinischer Verfahren zu treffen328. Die Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB erreicht jedenfalls ihr Ziel, den einwilligenden Mann an der Verantwortungsübernahme festzuhalten, für nicht verheiratete Paare nicht329. Im Kern liegt das Problem aber auch darin, dass der Gesetzgeber durch die pater-est-Regel selbst weiterhin einen Unterschied zwischen Kindern verheirateter Eltern und Kindern nichtverheirateter Eltern aufrechterhält, indem für nichtverheiratete Paare der zusätzliche Schritt der Anerkennung erforderlich ist. Kritisch muss ferner gesehen werden, dass die Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB dem Kind weiterhin ein Anfechtungsrecht einräumt, wodurch einerseits der einwilligende Mann dem Risiko ausgesetzt ist, seine rechtliche Vaterstellung zu verlieren, während nach einer Stiefkindadoption mangels Anfechtungsrechts des Kindes für die Eltern eine größere Sicherheit besteht330. Andererseits ergibt sich für den Samenspender die Gefahr, als rechtlicher Vater festgestellt und in die Verantwortung genommen zu werden331. Wegen des Feststellungsausschlusses für den sog. offiziellen Samenspender in § 1600d Abs. 4 BGB gilt dies allerdings seit dem 01.07.2018 nur noch für private Spenden und privat durchgeführte Befruchtungen. Darüber hinaus verzichtet der Gesetzgeber beispielsweise darauf, den Erklärungsempfänger eindeutig zu bestimmen, den Umfang der Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln (Geschäftsfähigkeit, Anfechtung wegen Willensmängeln) festzulegen und Fragen des Widerrufs gesetzlich zu fixieren332. Unklar ist auch, welche Abweichung vom Konsens noch gegeben sein darf, dass eine wirksame Einwilligung vorliegt, und welche Abweichung bereits derart schwerwiegend ist, dass die Einwilligung in die konkrete Befruchtung verneint werden muss. Gerade diese Frage ist essentiell für die Rechtsfolgen der Vorschrift. Außerdem nimmt die Behandlung in der Regel mehrere Wochen in Anspruch, sodass von Bedeutung ist, wie lange eine Einwilligung wirksam bleibt bzw. bleiben soll. Es stellen sich weiterhin schwierige Abgrenzungsfragen: Wenn der Anfechtungsausschluss für die einvernehmliche heterologe Befruchtung gelten soll, muss überlegt werden, die Anfechtung auf Fälle etwa der wissentlich falschen Anerkennung, der Heirat einer anderweitig 328  Zu

einer möglichen historischen Begründung siehe Kap. 1 C. IX., S. 45. Ausführungen Kap. 4 A. II., S. 140; Gernhuber/Coester-Waltjen, Fami­ lienrecht, § 52 Rn. 15; Muscheler, FamR, Rn. 562. 330  Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (115). 331  Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis (2010), Rn.  65; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (943 f.); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (114). 332  Vgl. Roth, DNotZ 2002, 651 (652 f.). 329  Vgl.

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schwangeren Frau, den konsentierten Seitensprung oder den einvernehmlich unterlassenen Schwangerschaftsabbruch zu erstrecken333. Die Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB wirft im Ergebnis, auch im Zusammenhang mit anderen gesetzlichen Vorgaben, letztlich vermutlich mehr Fragen auf als sie zu beantworten im Stande ist. Die durch sie erhoffte erhöhte Rechtssicherheit wird außerdem nur für einen sehr begrenzten Konstellationenkreis erreicht. De lege ferenda besteht seitens des Gesetzgebers somit weiter Handlungsbedarf.

VI. Verzicht des Spenders auf seine Elternposition Als weiteres Element zur Steuerung von rechtlicher Elternschaft kommt schließlich ein Verzicht des Samenspenders in Betracht. Dieser Verzicht ist in erster Linie ein Verzicht auf das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, d. h. das Recht und die Pflicht zur Übernahme von Verantwortung bei der Pflege und Erziehung des Kindes, dessen Schutz auch der Spender als leiblicher Vater unterfällt334. Gleichzeitig kann der Verzicht auch als Ausübung des Selbstbestimmungsrechts335 und Ausübung der negativen Fortpflanzungsfreiheit des Spenders i. S. v. Art. 6 Abs. 1 GG interpretiert werden, wenn man die Erklärung als einen Verzicht auf das Aufziehen des Kindes in familiärer Gemeinschaft begreift336. Die Aufnahme des Verzichts des Spenders in die Kinderwunschvereinbarung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn im Falle einer offiziellen Spende die Samenbank eine Beurkundung der Spendeerklärung bei einem Notar fordert. Dies dürfte heute in der Praxis allerdings kaum vorkommen. Gleichzeitig ist denkbar, dass die intendierten Eltern zusammen mit einem privat ermittelten Samenspender im Beurkundungstermin erscheinen337. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Frage nach Möglichkeiten und Grenzen eines Verzichts des Spenders auf seine Elternposition – genauer noch den Verzicht auf das Recht zur Anfechtung einer anderweitig bestehenden Vaterschaft bzw. den Verzicht auf das Recht zur gerichtlichen Feststellung als leiblichem Vater. Im Folgenden soll zunächst das Bestehen eines Anfechtungsrechts des Spenders vor dem Hintergrund der Regelung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB beleuchtet werden (unter Punkt 1.). Sodann wird 333  Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1069); Ramm, JZ 1996, 987 (993); Raude, RNotZ 2019, 451 (456). 334  v. Münch/Kunig/Heiderhoff, GG, Art. 6 GG Rn. 115. 335  Arnold, JR 2015, 235 (243). 336  Siehe Kap. 4 B. V. 2. d) cc), S. 170 ff. 337  Hier kann jedoch mit einer Ablehnung durch den Notar gerechnet werden, wenn die Befruchtung ebenfalls privat durchgeführt werden soll, siehe Kap. 3 D. III. 2. c), S. 130 ff.



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ein Ausschluss durch Verzicht geprüft (unter Punkt 2.), bevor der Verzicht auf die Elternstellung de lege lata (unter Punkt 3.), Folgen eines Verzichts (unter Punkt 4.), Ungleichheiten (unter Punkt 5.) und Forderungen de lege ferenda (unter Punkt 6.) erörtert werden. 1. Anfechtungsrecht a) Wortlaut Nach dem Wortlaut von § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB soll der Mann zur Anfechtung berechtigt sein, der an Eides statt versichert, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Das Erfordernis der eidesstattlichen Versicherung dient aus Sicht des Rechtsausschusses des Bundestags als formelle Hürde im Anfechtungsverfahren, durch welche zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Kindes, der Mutter und des rechtlichen Vaters Anfechtungen „ins Blaue“ hinein, die die Integrität der Familien stören können, verhindert werden sollen338. Weil sich die Versicherung auf die Beiwohnung bezieht, werde der samenspendende Dritte, welcher der Mutter nicht beigewohnt hat, nach der Gesetzesbegründung schon auf Grundlage des Wortlauts von der Anfechtung ausgeschlossen339. Gegen einen solchen Ausschluss bestanden nach Auffassung des Rechtsausschusses auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil jedenfalls (d. h. auch bei Annahme einer weniger strengen Wortlautgrenze) in der erklärten Bereitschaft zur Teilnahme an einer Spende ein konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und ein entsprechendes Anfechtungsrecht liege340. Eines eigenständigen Ausschlusses bedürfe es nicht, da dieser auf die beschriebene Weise bereits über die Anforderungen an die Anfechtung reguliert werde341. In der neueren Rechtsprechung und Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass sich der Begriff der Beiwohnung über sexuelle Handlungen hinaus, die eine Schwangerschaft herbeiführen können, auch auf die Übergabe einer Samenspende erstreckt, da nicht die Beiwohnung selbst Voraussetzung der Anfechtung sei, sondern der Fokus auf der eidesstattlichen Ver­ 338  BT-Drs. 15/2253, 10 (hier war ursprünglich noch allgemein die Glaubhaftmachung vorgesehen); Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzesentwurf BT-Drs. 15/2253, siehe auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/2492, 9. 339  BT-Drs. 15/2492, 9; zur Auslegung des Wortlauts Arnold, JR 2015, 235 (240 f.). 340  BT-Drs. 15/2492, 9. 341  BT-Drs. 15/2492, 9.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

sicherung als formeller Hürde liege342. Es erscheint sachgerecht, eine Ausweitung über sexuelle, zu einer Schwangerschaft führende Handlungen ebenfalls dem Begriff der Beiwohnung unterfallen zu lassen, um Maßnahmen der Reproduktionsmedizin ebenfalls erfassen zu können, wenn diese – auch in homologen Paargemeinschaften – erforderlich sind, um einen Kinderwunsch zu erfüllen. b) Systematik, Sinn und Zweck Der BGH stellte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 fest, dass grundsätzlich auch der Samenspender gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Anfechtung berechtigt ist, weil Sinn und Zweck sowie Stellung der Regelung im System des Abstammungsrechts die Anwendung auch auf eine ohne Geschlechtsverkehr mögliche genetische Vaterschaft des Anfechtenden gebieten. Dies gilt nach Auffassung des BGH jedenfalls, wenn die Zeugung des Kindes nicht auf einer Vereinbarung i. S. d. § 1600 (heute) Abs. 4 BGB beruht, die auf die Vaterschaft eines Dritten als intendiertem Vater gerichtet ist (sog. konsentierte heterologe Befruchtung)343. Die konsentierte heterologe Befruchtung zeichne sich im Gegensatz zur Vaterschaftsanerkennung dadurch aus, dass bereits die Kindeszeugung auf einer entsprechenden Abrede der Beteiligten beruht344. Der Entscheidung lag im Tatsächlichen die Becherspende eines homosexuellen Mannes an die ebenfalls in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft lebende Mutter zugrunde, wobei die spätere Rolle des leiblichen Vaters unter den Beteiligten von Beginn an unklar war. Der BGH betonte, dass von einem konkludenten Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und das Anfechtungsrecht nur dann ausgegangen werden könne, wenn sich die Rolle des Spenders darauf beschränkt, lediglich den Samen „zu liefern“, und außerdem eine einvernehmliche Befruchtung im Sinne von § 1600 (heute) Abs. 4 BGB vorliegt345. Die Entscheidung ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und in der Literatur zu Recht kritisiert worden346. Zum einen betrifft der Sachverhalt, über 342  BGHZ 197, 242 (246 f.); BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600  BGB Rn. 72; Arnold, JR 2015, 235 (241 ff.). Für jedenfalls eine Gleichstellung Erman/Hammermann, § 1600d BGB Rn 22; Palandt/Siede, § 1600d BGB Rn. 12; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 85; krit. NK-BGB/Gutzeit, § 1600 BGB Rn. 28. 343  BGHZ 197, 242 (247). 344  BGHZ 197, 242 (249). 345  BGHZ 197, 242 (249 f.). 346  NK-BGB/Gutzeit, § 1600 BGB Rn. 28 („reichlich konstruiert“); Wellenhofer, JuS 1038, 1039 („etwas bemüht“); zust. dagegen, allerdings ausschließlich unter Berücksichtigung privater Spenden, Arnold, JR 2015, 235 (243).



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den zu entscheiden war, die Konstellation einer privat übergebenen Spende (sog. Becherspende) durch einen Spender, welcher der Mutter persönlich bekannt war. Weder eine Samenbank noch ein Reproduktionsmediziner war in diesem Fall involviert. Insofern hatte der BGH dem Sachverhalt Maßstäbe zugrunde gelegt, die vom Gesetzgeber nur für die Konstellation der institu­ tionalisierten, sog. offiziellen Spende entwickelt worden waren347. Er stellt dabei außerdem nicht etwa auf den Wortlaut der Beiwohnung348, sondern den konkludenten Verzicht des Spenders ab und bettet diesen in den Kontext der konsentierten heterologen Befruchtung ein. Dass eine konsentierte heterologe Befruchtung i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB Grundlage des konkludenten Verzichts des Spenders sein soll, überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht, auch wenn darin die Bemühungen sichtbar werden, dem Kind in jedem Fall einen zweiten rechtlichen Elternteil zuzuordnen. Es wird übersehen, dass der Anfechtungsausschluss infolge Einwilligung in die heterologe Befruchtung materiell-rechtlich allein der Erklärungen der Mutter und des einwilligenden Mannes, ihres Partners, nicht aber auch einer Erklärung des Samenspenders bedarf349. Dies spiegelt sich im Tatsächlichen wider, denn jedenfalls bei der institutionalisierten Spende wird der Samen ohne Rücksicht auf konkrete Empfänger im Vorfeld eines Befruchtungsversuchs an die Samenbank übergeben. Der Spender ist deshalb nicht nur rechtlich und tatsächlich nicht an der Vereinbarung der intendierten Eltern beteiligt, sondern kann (und soll) bei Abgabe seiner Spende gar nicht wissen, wer künftig von seiner Spende profitieren und ob später ein Fall der (wirksamen) konsentierten heterologen Befruchtung vorliegen wird350. Er trifft vielmehr eine eigene Vereinbarung mit der Samenbank, die aufgrund der tatsächlichen Organisation in keiner unmittelbaren Verbindung zur Einwilligung der intendierten Eltern nach § 1600 Abs. 4 BGB steht. Zwar ist davon auszugehen, dass der Samen tatsächlich nur dann durch die Reproduktionsklinik verwendet wird, wenn die intendierten Eltern die Befruchtung einvernehmlich wünschen. Jedoch müsste der vorher abgegebene Verzicht des Spenders streng dogmatisch als durch den Konsens der intendierten Eltern aufschiebend bedingter Verzicht aufgefasst werden; dies wiederum 347  BGHZ 197, 242 (249): „… wie es bei der medizinisch assistierten heterologen Insemination aufgrund der medizinrechtlichen Vorschriften besonders deutlich wird …“. Auf diese Unstimmigkeiten weisen Remus/Liebscher, NJW 2013, 2558 (2559) hin. 348  Einige wollen den Samenspender schon aufgrund des Wortlauts von der Anfechtung ausschließen, vgl. etwa Höfelmann, FamRZ 2004, 745 (749). Andere für eine analoge Anwendung für Fälle sog. „vertrauter Samenspenden“, vgl. Löhnig, JA 2014, 69 (70). 349  Vgl. auch Hilbig-Lugani, LMK 2013, 349336. 350  Vgl. Löhnig/Runge-Ranow, FamRZ 2018, 10 (11).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

dürfte mit dem Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit im Abstammungsrecht nicht vereinbar sein (siehe z. B. §§ 1594 Abs. 3, 1595 Abs. 3, 1597 Abs. 3 BGB). Sofern hinsichtlich der präkonzeptionellen Anerkennung Bedenken erhoben werden, sie würde gegen den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit verstoßen, muss dieser Einwand konsequenterweise auch hier erhoben werden. Unklar ist außerdem, wie das Modell des BGH auf Befruchtungen alleinstehender Frauen angewandt werden soll, wenn dort mangels Partners schon kein Konsens i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB möglich ist. Ein Verzicht des Spenders durch Abgabe des Samens bei der Samenbank wäre für diese Konstellation gar nicht erst möglich. Außerdem kann die Motivation von Spendern hinsichtlich der Abgabe ihres Samens durchaus differenziert sein351. Der Konsens nach § 1600 Abs. 4 BGB als Voraussetzung für einen Verzicht auf bzw. den Ausschluss des Rechts von einer Vaterschaftsanfechtung ist demnach, folgt man der Auffassung des BGH, eher in Fällen privater Samenspende denkbar, in deren Rahmen eine Vereinbarung zwischen intendierten Eltern und Spender getroffen werden kann352, die ggf. auch eine unterhaltsund erbrechtliche Freistellung des Spenders beinhaltet. Nicht ausgeschlossen ist dann allerdings wiederum eine Kollision mit der Vermutung, die Vorstellungen des Gesetzgebers von der Anwendbarkeit der Vorschriften bezögen sich allein auf den Fall der offiziellen Samenspende. Die Rechtsprechung des BGH wirft daher im Ergebnis zahlreiche neue Fragen auf. c) Genese Die Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB geht auf eine Entscheidung des BVerfG vom 09.04.2003 zurück, in welcher das Gericht eine Verletzung des Rechts des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters in verfassungswidriger Weise durch einen ausnahmslosen Ausschluss von der Vaterschaftsanfechtung angenommen hatte, auch wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung entstanden war. Das BVerfG betonte, dass der leibliche, nicht rechtliche Vater im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG in seinem Interesse geschützt wird, die rechtliche Vaterposition ein351  So mag er an der Geldzahlung, die in Aussicht gestellt wird, interessiert sein und damit wirtschaftliche Absichten verfolgen, ebenso können aber auch altruistische Gründe zur Spende veranlassen oder gar Gleichgültigkeit. Nicht selten ergibt sich auch eine Kombination aus verschiedenartigen Motiven, vgl. Ärztezeitung, Meldung vom 2.10.2014. 352  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 27 mit 99: Mutter und genetischer Vater sollen vor der Zeugung in öffentlicher Urkunde erklären, dass dem genetischen Vater keine Elternposition zukommen soll. Eine Zuordnung des Spenders kommt nur dann noch in Betracht, wenn das Kind ansonsten ohne zweiten rechtlichen Elternteil bleibt.



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nehmen zu können. Deshalb trug es dem Gesetzgeber auf, bis zum 30.04.2004 eine verfassungskonforme Rechtslage zu schaffen und ein Verfahren zu eta­ blieren, durch welches die rechtliche Vaterposition erlangt werden kann, wenn dem der Schutz einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht353. Im Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung eines entsprechenden Gesetzes hatte der Bundesrat vorgeschlagen, im Rahmen von § 1600 (heute) Abs. 4 BGB eine Klarstellung dahingehend aufzunehmen, dass auch der samenspendende Dritte nicht zur Anfechtung berechtigt ist354. Ein Bedürfnis ergab sich aus der Sicht des Bundesrates deshalb, weil mit der Neufassung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB der biologische Vater grundsätzlich anfechten können sollte355. Die Bundesregierung äußerte hingegen Bedenken: Der vollumfängliche Ausschluss des Anfechtungsrechts für den Samenspender stehe einerseits zwar im Einklang mit dem Ziel des KindRVerbG, dem Kind seinen sozialen Vater einschließlich der mit dieser Position verbundenen Rechte zu erhalten, andererseits erscheine er problematisch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG, welches gerade die Rechte nur leiblicher Väter stärken wollte356. Rein faktisch dürfte, so der Bundesrat, die Anfechtung durch den Spender wegen der sozial-familiären Beziehung, die im Regelfall zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht, ohnehin nicht durchgreifen357. Im Gesetzgebungsverfahren ist die verfassungsrechtliche Dimension eines vollumfänglichen gesetzlichen Ausschlusses des Anfechtungsrechts für den Spender als leiblichem Vater demnach erkannt worden. Der Gesetzgeber hat allerdings versucht, die Problematik auf verschiedensten Umwegen, nämlich einer Betonung faktischer Unerheblichkeit wegen sozial-familiärer Beziehung, durch die Wortlautgrenze oder nunmehr der Annahme eines konkludenten, gesetzlich nicht geregelten Verzichts zu umgehen. Offen bleibt jedoch, welche konkreten Anforderungen an einen konkludenten Verzicht zu stellen sind358. Dies betrifft bereits die Frage, ob er allein in Fällen der institutionalisierten Samenspende mit ärztlich assistierter Befruchtung anwendbar ist; zum Teil wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren ausschließlich an diese Konstellationen gedacht habe359. 353  BVerfGE

108, 82. BT-Drs. 15/2253, 15. 355  Bundesrat BT-Drs. 15/2253, 15. 356  Bundesrat BT-Drs. 15/2253, 20. 357  Bundesrat BT-Drs. 15/2253, 20. 358  Treffend daher Soergel/Schmidt-Recla, § 1600 BGB Rn. 16: es werde „nur vordergründige Klarheit“ geschaffen. 359  Löhnig/Preisner, FamFR 2013, 340 (341); zur verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 167a FamFG Hilbig-Lugani, LMK 2013, 349336. 354  Bundesrat

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

d) Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der Genese von § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB und dem angestrebten Ziel, die Position des biologischen Vaters zu stärken, ist dem Samenspender grundsätzlich ein Anfechtungsrecht einzuräumen, sofern die erforderlichen Voraussetzungen der § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 4 BGB vorliegen (keine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters zu dem Kind und Versicherung an Eides statt durch den Samenspender). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Einwilligung der intendierten Eltern in eine Befruchtung mit Spendersamen gemäß § 1600 Abs. 4 BGB vorliegt oder nicht, da weder dogmatische Gründe noch tatsächliche Umstände für eine solche Einschränkung sprechen, sodass das Anfechtungsrecht für den offiziellen und den privaten Samenspender besteht. 2. Ausschluss des Anfechtungsrechts durch Verzicht Es stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht des Samenspenders auf sein Anfechtungsrecht überhaupt wirksam ist. Dazu nehmen weder Gesetzgeber noch der BGH ausdrücklich Stellung. a) Rechtsgeschäftliche Vereinbarung Aufschluss über die Möglichkeiten des Samenspenders, auf seine recht­ liche Elternstellung zu verzichten, bietet unter Umständen ein Blick auf die vor dem KindRVerbG, d. h. die vor Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB, bestehende Rechtslage. Der BGH hatte die Wirksamkeit eines vertraglichen Verzichts auf das Anfechtungsrecht abgelehnt360 und ist so dem Bedürfnis danach, den einwilligenden Ehemann an seine zum Ausdruck gekommene Verantwortung zu binden, aus dogmatischen Gründen nicht nachkommen. Weil nach damaligem Recht nämlich für einen Verlust des Anfechtungsrechts allein der Ablauf einer zweijährigen Frist ausschlaggebend sein sollte (§ 1594 Abs. 1 a. F. BGB), schieden laut BGH eine Anerkennung der Ehelichkeit des Kindes, ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf das Anfechtungsrecht und eine 360  BGHZ 129, 297; 87, 169; 2, 130; BGH NJW 1995, 2921. Zust. aus der Literatur statt einiger Gernhuber, Familienrecht, § 45, S. 652: keine rechtsgeschäftliche Disposition; Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (402); a. A. Heiss, Künstliche Insemination (1972), S. 360. Die betreffenden Entscheidungen sind vor dem KindRG von 1998 ergangen und beziehen sich deshalb auf die Ehelichkeit des Kindes als Bezugspunkt des Anfechtungsrechts. Heute hingegen ist Bezugspunkt eine fehlende Übereinstimmung mit den tatsächlichen Abstammungsverhältnissen.



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vertragliche Verpflichtung, die Anfechtung nicht zu betreiben, aus361. Der BGH verwies außerdem auf die Abschaffung der Regelung des § 1598 Abs. 1 a. F. BGB in der bis zum 27.04.1983 geltenden Fassung362, in der vorgesehen war, dass die Anfechtung der Ehelichkeit ausgeschlossen ist, wenn der Mann das Kind nach der Geburt als das seinige anerkennt. Ein vertraglicher Verzicht auf das Anfechtungsrecht, so der BGH, würde die Wirkung des abgeschafften § 1598 a. F. BGB und damit die unwiderrufliche Anerkennung doch wieder einführen363. Insbesondere seien stillschweigende Verzichte problematisch und hätten wegen ihrer „tiefgreifende(n) Bedeutung“ eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfordert364. Die dargestellten Grundsätze galten nach Auffassung des BGH auch bei der heterologen Befruchtung, denn die Anfechtungsfrist sollte auch in diesen Fällen vor unüberlegten Entscheidungen schützen365. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 stellte der BGH außerdem fest, dass einem Kind aus der Verantwortungsübernahme kein Anspruch auf Beibehaltung eines bestimmten Status zustehe366; das Interesse am Statuserhalt bei Kindern aus heterologer Befruchtung und solchen aus natürlicher Zeugung unterscheide sich nicht367. Anders als im Adoptionsrecht, für welches der Gesetzgeber in Form der Probezeit oder der notariellen Beurkundung Vorkehrungen getroffen habe, um einer Übereilung und ungewollt sehr langen Bindung vorzubeugen, bestünden für die heterologe Befruchtung keine entsprechenden Regeln, insbesondere keine Pflicht zur Belehrung über die weitreichenden Folgen einer Verzichtserklärung368. Daher könnte eine formlose Verzichtserklärung nicht die Folgen auslösen, die ein gerichtlicher Beschluss mit Probezeit und notariellem Antrag im Vorfeld nach sich zöge369. Der BGH betonte schließlich, dass es dem Gesetzgeber vorbehalten bleibe zu entscheiden, ob und welche Möglichkeiten sowohl des 361  BGHZ 87, 169 (171, 174 f.); siehe auch OLG Stuttgart FamRZ 2001, 246 (249); vgl. Gernhuber, Familienrecht, § 45 S. 652. 362  1. Januar 1900: Erstes Gesetz vom 18. August 1896, Art. 1 des Zweiten Gesetzes vom 18. August 1896. Abschaffung durch RGBl I 380. Auch die Aufhebung des Gesetzes vom 12.4.1938 setze § 1598 a. F. BGB nicht wieder in Kraft, so BGHZ 87, 87 (169, 175). In der Zwischenzeit hatte sich das OLG Köln unter Berufung auf ein vorgegebenes Naturrecht für die Verzichtbarkeit des Anfechtungsrechts ausgesprochen, OLG Köln NJW 1967, 2312. Heute ist dies nicht mehr diskutabel. Ausführlich zu Rechtshistorischem Marian, Rechtsstellung des Samenspenders (1998), S. 37 ff. 363  BGHZ 87, 169 (175); 2, 130 (137). 364  BGHZ 2, 130 (137). 365  BGHZ 87, 169 (175 f.); vgl. auch BGHZ 129, 297 (305); BGH NJW 1995, 2921 (2922). 366  Anders wohl Heiss, Künstliche Insemination (1972), S. 360. 367  BGH NJW 1995, 2921 (2922). 368  BGH NJW 1995, 2921 (2923). 369  BGH NJW 1995, 2921 (2923).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Übereilungsschutzes als auch der Gewährleistung der Interessen des Kindes bestünden und dementsprechend neue Regeln zu schaffen370. Lägen keine besonderen Umstände wie beispielsweise eine unzureichende Unterrichtung bzw. Beratung über mögliche Probleme der Befruchtung vor, könne einem unwirksamen Verzicht jedenfalls auch nicht auf dem Umweg des Rechtsmissbrauches zu Geltung verholfen werden371. Die Unwirksamkeit der Verpflichtungsklausel führe jedenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der vertrag­ lichen Abrede372. Auch nach Einführung des gesetzlichen Anfechtungsausschlusses des § 1600 Abs. 4 BGB sieht zum Teil die Literatur das Anfechtungsrecht weiterhin als unverzichtbares, höchstpersönliches Recht an373. Es ist davon auszugehen, dass auch ein vertraglicher Verzicht des Spenders auf dessen Anfechtungsrecht entsprechenden Bedenken begegnet374. b) § 1600 Abs. 4  BGB Einer vor der Zeugung liegenden Erklärung der intendierten Eltern dahingehend, dass sie auf ihr Anfechtungsrecht verzichten bzw. sich verpflichten, es nicht auszuüben, bedarf es nach geltender Rechtslage wegen § 1600 Abs. 4 BGB nicht mehr. Der Gesetzgeber hat sich für einen gesetzlichen Anfechtungsausschluss entschieden, sodass sich vertragliche Anfechtungsausschlüsse der intendierten Eltern verbieten. Der Samenspender wird von der Vorschrift nicht erfasst375. Für ihn besteht das Anfechtungsrecht weiterhin. c) Zwischenergebnis Ein rechtsgeschäftlicher Anfechtungsausschluss des Samenspenders scheidet aus, weil das Anfechtungsrecht als höchstpersönliches, unverzichtbares Recht verstanden wird. Aus § 1600 Abs. 4 BGB ergibt sich für den Samen370  BGHZ

87, 169 (175). 87, 169 (177, 179); die bloße Einwilligung in die Befruchtung führe nicht zu Treuwidrigkeit, BGHZ 129, 297 (301); vgl. auch BGH NJW 1995, 2921 (2923). 372  BGHZ 129, 297 (305): § 6 Abs. 1 AGBG a. F., heute § 306 Abs. 1 BGB (Formularvereinbarung). 373  Erman/Hammermann, § 1600 BGB Rn. 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Fami­ lienrecht, § 54 Rn. 90 f.; Staudinger2011/Rauscher, § 1600b BGB Rn. 71. 374  So auch Frie, NZFam 2018, 817 (822). 375  Gedanklicher Anstoß in eine mögliche andere Richtung BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600 BGB Rn. 100. 371  BGHZ



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spender anders als für die intendierten Eltern, die in eine Spendersamenbehandlung einwilligen, ebenfalls kein Anfechtungsausschluss. 3. Verzicht auf die Elternstellung de lege lata Fraglich ist, ob vor dem Hintergrund der Änderung der Rechtslage im Jahr 2018 durch Einführung des SaRegG nunmehr auch ein gesetzlicher Anfechtungsausschluss für den Samenspender vorgesehen gibt. Nach § 1600d Abs. 4 BGB kann der Samenspender trotz leiblicher Vaterschaft dann nicht als rechtlicher Vater des Kindes festgestellt werden, wenn das Kind erstens durch eine ärztlich assistierte künstliche Befruchtung, zweitens in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung gemäß § 1a ­ Nr. 9 TPG (Kinderwunschzentren und -kliniken376), drittens unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden ist, welcher viertens in einer Entnahmeeinrichtung i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 SaRegG zur Verfügung gestellt wurde377. Entgegen der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2013378 hat der Gesetzgeber somit nicht auf das Vorliegen eines Konsenses i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB, sondern auf die assistierte Befruchtung nach sog. institutionalisierter Spende379 abgestellt. Der Gesetzgeber beabsichtigte hierdurch die in anderen Ländern bereits etablierte gesetzliche Freistellung des Samenspenders von den Pflichten, die mit einer rechtlichen Vaterschaft verbunden sind380. Laut Entwurfsbegründung könne unter Berücksichtigung objektiver Umstände allein unter den in § 1600d BGB genannten Voraussetzungen im Rahmen eines organisierten Ablaufs davon ausgegangen werden, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung durch Erfassung der Spenderidentität im Register gewahrt sei, der Spender künftig keine Verantwortung für das Kind übernehmen wolle und er über die rechtlichen Folgen der Spende aufgeklärt worden sei381. Der sachliche Anwendungsbereich des Feststellungsausschlusses für den Samenspender fällt deutlich enger aus als jener des Anfechtungsausschlusses notar 2018, 163 (169). die Ausweitung auf alle Fälle der klassischen Spende von Gameten, Mitochondrien oder Embryonen auf den Bereich der privaten Spende Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 366. 378  BGHZ 197, 242 (247). 379  Auch „qualifizierte“ Spende, Begriff bei BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600d BGB Rn. 56.2. 380  Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, BT-Drs. 18/11291, 35. 381  BT-Drs. 18/11291, 35, vgl. auch BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600d BGB Rn. 56.2. 376  Grziwotz, 377  Für

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

der intendierten Eltern nach § 1600 Abs. 4 BGB: Er erfasst ausschließlich Konstellationen der ärztlich assistierten, nicht aber der privat durchgeführten Befruchtung, und zwar weiter nur dann, wenn der Samen bei einer Samenbank gespendet und nicht als sog. Becherspende privat zur Verfügung gestellt wurde. Der Gesetzgeber begründet das Erfordernis der ärztlichen Mitwirkung und anonymen Spende damit, dass andernfalls der Becherspender, zu dem die Empfängerin typischerweise einen Sozialkontakt pflegt oder gepflegt hat, oftmals auch Verantwortung für das Kind übernehmen wolle und er daher von der Freistellung nicht erfasst sein soll382. In persönlicher Hinsicht ist der Feststellungsausschluss umfassend, d. h. ein Betreiben des entsprechenden Verfahrens trotz weiter bestehenden Anfechtungsrechts des Kindes auch für dieses nicht möglich. Das gilt sogar dann, wenn das Kind seinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Register erfolgreich geltend gemacht und Kenntnis von der Identität des Spenders hat. Sollten das Kind und der Samenspender eine Bindung zueinander aufbauen, verbleibt diesem allerdings die Option, mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anzuerkennen, sofern keine anderweitige rechtliche Vaterschaft besteht383. In dem Feststellungsausschluss gemäß § 1600d Abs. 4 BGB könnte gleichzeitig auch ein gesetzlicher Anfechtungsausschluss liegen. Zwar lässt sich dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ableiten. Weil aber das BVerfG im Jahr 2003 durch das Hinwirken auf ein Anfechtungsrecht des nur biologischen Vaters diesem die Erlangung der rechtlichen Elternstellung ermöglichen wollte, der Ausschluss der Feststellung i. S. d. § 1600d Abs. 4 BGB die Erlangung der rechtlichen Vaterstellung für den Samenspender aus eigenen Stücken gerade unmöglich macht384, wird bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift faktisch die Situation geschaffen, die bestehen würde, wenn der Samenspender die Vaterschaft eines anderen Mannes nicht anfechten könnte, um selbst rechtlicher Vater zu werden385. Insoweit könnte in der Abgabe der Spende bei einer Samenbank gleichzeitig ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB gesehen werden. In eine ähnliche Richtung wies bereits vor Einführung des 382  BT-Drs.

18/11291, 35. so BeckOGK-SaRegG/S. Lange, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1 ­SaRegG Rn. 20; im Sinne eines umfassenden und auch die Vaterschaftsanerkennung einschließenden Verzichts auf die Vaterrolle wohl BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 37, S. 58. 384  Zwar bleibt eine Vaterschaftsanerkennung durch den Spender gemäß § 1594 BGB möglich. Jedoch hängt diese insb. von der Mitwirkung der rechtlichen Mutter des Kindes ab, vgl. § 1595 Abs. 1 BGB. 385  A. A. Frie, NZFam 2018, 817 (822). 383  Str.,



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Feststellungsausschlusses eine Entscheidung des BGH aus dem Adoptionsrecht: Danach ist grundsätzlich auch die Einwilligung eines Samenspenders als leiblichem Vater gemäß § 1747 Abs. 1 S. 2 BGB in die Adoption erforderlich, es sei denn, es könne zuverlässig davon ausgegangen werden, dass der mögliche leibliche Vater die rechtliche Vaterstellung von Beginn an nicht einnehmen möchte. Dies, so der BGH, sei regelmäßig bei der anonymen Samenspende der Fall; hier ergebe sich bereits aus den Umständen der medizinisch assistierten Zeugung, dass der leibliche Vater seine Grundrechtsposition nicht wahrnehmen möchte386. Dass der Spender faktisch per konkludenter Abrede mit einem Dritten, nämlich der Samenbank, auf sein gesetzliches Anfechtungsrecht verzichten können soll, erscheint allerdings zweifelhaft387. Verzichte, die in der Praxis wiederholt (und naheliegend in Form von AGB) vorgenommen werden, könnten grundsätzlich unwirksam sein388. Zu beachten ist nämlich, dass die Position des nur leiblichen, nicht rechtlichen Vaters spätestens mit der Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahr 2003 und der daraufhin erfolgten Anpassung der Regeln über die Anfechtung aufgewertet worden ist. Vor diesem Hintergrund ist ein konkludenter, aber dauerhafter Grundrechtsverzicht Grundlage von bloß objektiven Umständen (Voraussetzungen des § 1600d Abs. 4 BGB) schwer vorstellbar389. Erforderlich dürfte daher jedenfalls eine ausdrückliche Erklärung des Samenspenders sein, die gegenüber der Spendeeinrichtung abzugeben ist. Adressat des Verzichts sind die potentiellen intendierten Eltern. Aus Klarstellungsgründen und zur Gewährleistung einer Belehrung über die rechtlichen Konsequenzen der Samenspende empfiehlt sich, die ausdrücklich erklärte Verzichtserklärung des Spenders in einer freiwillig notariell beurkundeten Spendevereinbarung festzuhalten390.

386  BGHZ 204, 54; BGH NJW 2015, 1820 (1821); BGHZ 197, 242; vgl. auch NK-BGB/Dahm, § 1747 BGB Rn. 27; siehe noch Kap. 5 D. III., S. 292 ff. 387  Vgl. Frie, NZFam 2018, 817 (823). 388  Unter alter Rechtslage noch zweifelnd Löhnig/Preisner, FamFR 2013, 340 (341). 389  Runge-Ranow, ZRP 2017, 43 (46); vgl. auch Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (144); a. A. LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 9; i. E. auch a. A. Wehrstedt, in: Spickhoff/Gottwald/Henrich/Schwab (Hrsg.), Streit um die Abstammung (2007), 73 (76): „Überspitzung eines möglichen verfassungsrechtlichen Rechts eines Samenspenders“, ihm ähnliche Rechte einzuräumen wie anderen biologischen Vätern; es gäbe kein absolutes Recht auf eine auch rechtliche Durchsetzung der biologischen Elternschaft. 390  Für die notarielle Form de lege ferenda auch Arnold, JR 2015, 235 (244).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

4. Folgen eines Verzichts Die Regelung des § 1600d Abs. 4 BGB belegt, dass der Gesetzgeber nunmehr die Möglichkeit eines Verzichts auf eine rechtliche Elternposition im Abstammungsrecht grundsätzlich zulassen wollte. Ob die Vorschrift hingegen mit Verfassungsrecht vereinbar ist, bedarf einer Prüfung. Dies gilt insbesondere mit Blick auf schützenswerte Belange des Kindes, des Spenders selbst und vor dem Hintergrund von Aspekten der Gleichbehandlung die Spenden außerhalb der von § 1600d Abs. 4 erfassten Konstellationen. a) Verlust der Elternposition Liegen die Voraussetzungen von § 1600d Abs. 4 BGB vor, kann es dazu kommen, dass der Samenspender wegen der Sperrwirkung nicht als recht­ licher Vater zur Verfügung steht, gleichzeitig aber auch keine andere Person als zweiter rechtlicher Elternteil neben der Mutter in Betracht kommt. Dies steht etwa zu befürchten, wenn der rechtliche Vater verstirbt oder der nichteheliche Partner der Mutter zunächst in die Befruchtung einwilligt, später aber von einer Vaterschaftsanerkennung absieht; mangels biologischer Abstammung scheidet eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung für diese Situation nämlich aus. Gleiches gilt, wenn die Einwilligung aus irgendeinem Grund unwirksam war, sodass der intendierte Vater seine rechtliche Vaterschaft, die kraft Ehe oder Anerkennung begründet worden sein kann, später weiterhin anfechten darf. Denkbar ist außerdem eine Anfechtung durch das Kind, die in jedem Fall möglich bleibt. Der Gesetzgeber hat im Ergebnis zwar durch Anfechtungs- und Feststellungsausschlüsse einen Erhalt bestehender rechtlicher Eltern-Kind-Zuordnungen angestrebt, dabei allerdings verpasst, sicherzustellen, dass nach Einwilligung in eine heterologe künstliche Befruchtung neben der Geburtsmutter der weitere intendierte Elternteil auch als recht­ licher Elternteil Verantwortung übernimmt. Der Grundsatz, dass einem Kind möglichst zwei rechtliche Eltern zuzuordnen sind, geht auf gewachsene naturwissenschaftliche Grundlagen zurück, die im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich berücksichtigt sind. Das Zwei-Eltern-Prinzip stellt eine wesentliche Wertung innerhalb des deutschen Abstammungsrechts dar, die sich in verschiedenen Regelungen ausdrückt391. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob der Gesetzgeber tatsächlich bewusst Situationen gewollt haben kann, in denen die Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle nicht erreicht wird392. Der Gesetzgeber hat die Reichweite der Einwilligung i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB verkannt, indem 391  Siehe

S. 51 f. MittBayNot 2019, 122 (126).

392  Wehrstedt,



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er fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass sie in allen Fällen der heterologen künstlichen Befruchtung eine rechtliche Vaterschaft des einwilligenden Mannes sichert393. Weil die rechtliche Vaterschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten, etwa auf sorgerechtlicher, unterhaltsrechtlicher und erbrechtlicher Ebene394 mit sich bringt (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG), muss die Entlassung einer Person aus dieser Stellung allein unter der Voraussetzung möglich sein, dass eine andere Person diesen Part übernimmt395. Angesichts der drohenden Vaterlosigkeit hatte der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren bereits angeregt, § 1600d Abs. 4 BGB auf die Möglichkeit gerichtlich überprüfbarer Ausnahmen vom Feststellungsausschluss zu überprüfen396. Die Problematik war demnach bekannt. Der umfassende, ausnahmslose Ausschluss des Spenders lässt zum einen ein etwaiges aus Art. 2 Abs. 1 GG folgendes Interesse des Kindes, seinen leiblichen Vater auch als rechtlichen Vater zu erhalten397, zum anderen das Recht des leiblichen Vaters auf eine Möglichkeit, in die rechtliche Vaterstellung einrücken zu können398, unberücksichtigt399. Der Feststellungsausschluss hat für das Kind mit der Adoption vergleichbare Konsequenzen, wobei im Adoptionsrecht nach Aufhebung der Adoption durch das Wiederaufleben der Verwandtschaftsverhältnisse zu den leiblichen Verwandten eine Elternlosigkeit ausscheidet (§ 1764 Abs. 3 BGB). § 1600d Abs. 4 BGB widerspricht damit in gewissem Umfang Wertungen des Adoptionsrechts. Die Bedenken betreffen Frauenpaare mit der Besonderheit, dass für innerhalb dieser Paarkonstellationen geborene Kinder die Gefahr der rechtlichen Ein-Elternschaft noch akuter besteht, weil die Partnerin der Mutter de lege lata eine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung nicht durch das Abstammungs-, sondern nur durch das Adoptionsrecht und damit auf einem aufwendigeren Weg etablieren kann. 393  A. A. Moes bei Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1561): bewusste gesetzgeberische Entscheidung. 394  Insb. zu erbrechtlichen Fragen Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600d BGB Rn. 22. 395  Löhnig, NZFam 2017, 643 (644) (mit Blick auf die Co-Mutterschaft); vgl. auch Runge-Ranow, ZRP 2017, 43 (46). 396  BT-Drs. 18/11291, 41. Für die private Spende siehe Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 99: Feststellung des privaten Spenders nur, wenn ansonsten kein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet werden kann. 397  BVerfGE 108, 82 (108); dagegen aber Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2632): Das Kindeswohl gebietet nicht, dass das Kind den Spender als rechtlichen Vater feststellen können lassen muss. 398  BGHZ 197, 242 (246). 399  Taupitz/Theodoridis, MedR 2018, 457 (463); BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG, S. 9 f. Krit. auch Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (283).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Darüber hinaus führt § 1600d Abs. 4 BGB gerade bei alleinstehenden Frauen, die eine Befruchtung mit Spendersamen durchführen lassen, dazu, dass von Beginn an für alle erkennbar eine dauerhafte Ein-Elternschaft für das zu zeugende Kind etabliert wird. Für § 1600d Abs. 4 BGB ist daher eine Einschränkung dahingehend dringend geboten, dass die Rechtswirkungen der Vorschrift bei der Befruchtung alleinstehender Frauen keine Anwendung finden, um eine dauerhaft drohende Vaterlosigkeit zu vermeiden. Unabhängig davon ist anzuregen, die Rechtsfolge in bestimmten Einzelfällen flexibler zu gestalten, etwa wenn später zwischen dem Kind und dem Spender eine soziale Beziehung entsteht und beide wünschen, dass der Spender auch die rechtliche Vaterstellung einnimmt400. Der Gesetzgeber ist insoweit angehalten zu handeln401. Die Befürchtungen von Reproduktionskliniken und -medizinern, die künstliche Befruchtung einer alleinstehenden Frau könnte eine Haftung auf Unterhalt nach sich ziehen, erscheinen hingegen unbegründet, sofern keine Pflichtverletzung im Rahmen von Aufklärung und/oder Be­ handlung begangen worden ist402. b) Fehlen einer zweiten Elternstellung aa) Verfassungsrechtliche Anforderungen § 1600d Abs. 4 BGB ist mit Blick auf die Interessen des Kindes problematisch. Die Regelung erweckt den Eindruck, dass Interessen der erwachsenen Beteiligten bei der heterologen Befruchtung im Vordergrund stünden403. Rechtspolitisch erhoffte man sich durch die mit § 1600d Abs. 4 BGB verbundene gesetzliche Freistellung des Samenspenders von sämtlichen Vaterpflichten wohl auch eine Erhöhung der Spendebereitschaft404. Weiterhin ist zweifelhaft, ob nicht die Abrede des Spenders mit der Samenbank bereits als Vertrag zu Lasten des Kindes gewertet werden muss. Zwar folgt aus dem Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung der elterlichen Pflege und Erziehung aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 6 Abs. 2 S. 1 GG kein Recht auf die 400  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600d BGB Rn. 20; für einen uneingeschränkten Feststellungsausschluss auch de lege ferenda siehe Hartmann, Von der Mutterschaft zur Elternschaft (2020), S. 290–295. 401  LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 8; ausdrücklich für Zulässigkeit Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1070). Unter Hinweis auf große Verantwortung der Kliniken und Ärzte und für ein Abraten der Mediziner von der Behandlung einer alleinstehenden Frau oder lesbischer Paare bis zur gesetzlichen Klarstellung Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 (126). 402  Taupitz, NJW 2021, 1430 (1433). 403  Vgl. BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG, S. 9 f. 404  Vgl. DIJuF, Hinweise zum RefE zum SaRegG, S. 1.



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Zuordnung zum genetischen Elternteil405, jedoch kann das Kind nach der Rechtsprechung des BVerfG durchaus ein Interesse daran haben, den genetischen Vater auch als rechtlichen Vater zu erhalten406, wobei das Anfechtungsrecht des Kindes diesem Interesse dient407. bb) Zwei-Eltern-Prinzip nach einfachem Recht Zum Teil wird argumentiert, dass sich das BVerfG lediglich gegen eine rechtliche Mehrelternschaft, d. h. der Zuordnung eines Kindes zu mehr als drei rechtlichen Eltern ausgesprochen habe, nicht jedoch auch gegen eine Ein-Elternschaft408. In der betreffenden Entscheidung stellte das BVerfG fest, dass ausgehend von der Zuweisung des in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG enthaltenen Elternrechts an ein Elternpaar unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Kind faktisch nur von einem Elternpaar abstammen kann, das Nebeneinander von zwei Vätern der im Grundgesetz angelegten Vorstellung von elterlicher Verantwortung nicht entspricht409. Das hier zum Ausdruck kommende Zwei-Eltern-Prinzip ist für das deutsche Abstammungsrecht grundlegend410. Das Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft, so das BVerfG, sei nicht neu und dem Abstammungsrecht bereits dadurch immanent, dass die rechtliche Vaterschaft nur durch Vermutungen, nicht aber durch Beweise mit der leiblichen Vaterschaft verknüpft ist. Die Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten gewahrt seien, wenn die Eltern die Verantwortung für das Kind tragen, treffe nicht zu, wenn die Verantwortung von einer Mutter und zwei Vätern getragen werden soll, weil derartige Konstella405  Coester-Waltjen, FF 2017, 224 (232 ff.); vgl. auch Reuß, FamRZ 2021, 824 (827 m. w. N.) und Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (114) unter Verweis auf die parallele Situation bei Leihmutterschaftsfällen. 406  BVerfGE 108, 82 (108); Verein Spenderkinder e. V., Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 6: ein etwaiges Interesse, die wahre Abstammung in öffentlichen Dokumenten zum Ausdruck zu bringen; dagegen BeckOK-BGB/Hahn, § 1600d BGB Rn. 12. 407  BVerfGE 108, 82 (108); Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, §  1600d BGB Rn.  20; a. A. LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 9: Die Verbindung zwischen Kindern und Eltern sei unabhängig von der Art der Befruchtung schicksalhaft und nicht wählbar. 408  So Lettmaier bei Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1561) im Zusammenhang mit der Frage nach vertragsgestalterischen Möglichkeiten zur Absicherung einer Ein-Elternschaft im Falle von Befruchtungen mit Samenspende bei alleinstehenden Frauen unter der Voraussetzung, dass § 1600d Abs. 4 BGB nicht greift und so die Feststellung des Samenspenders weiterhin möglich bleibt. I. E. aber wohl Anerkennung eines Anspruchs des Kindes auf möglichst zwei rechtliche Elternteile. 409  BVerfGE 108, 82 (102). 410  Runge-Ranow, ZRP 2017, 43 (46); siehe Kap. 1 D. II. 2., S. 51.

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tionen ein zu hohes Konfliktpotential hinsichtlich Rollen und Kompetenzen beinhalteten411. Wenn das Gericht in dieser Entscheidung von „Eltern“ spricht, sind die rechtlichen Eltern, d. h. die Eltern im einfachgesetzlichen Sinne gemeint. Auf verfassungsrechtlicher Ebene besteht durch die Einbeziehung sowohl leiblicher als auch rechtlicher Eltern in den Kreis der Träger oder jedenfalls in den Schutzbereich des Elterngrundrechts bereits eine Situation der Mehrelternschaft412. Es ist Aufgabe des einfachrechtlichen Gesetzgebers, diese Konkurrenzsituation in verfassungskonformer Weise aufzulösen, indem er aus dem Kreis der Personen, wie ihn der Verfassungsgeber vorgezeichnet hat, im Interesse des Kindes bestimmten Personen einfachgesetzlich die rechtliche Elternstellung und mit dieser konkrete Rechte und Pflichten im Verhältnis zum Kind zuschreibt413. Der Gesetzgeber hat sich für die rechtliche Zuordnung eines Kindes jeweils zu einer Frau und einem Mann entschlossen. Einfachgesetzlich kommt die Ablehnung einer Viel-Elternschaft insbesondere durch das in § 1594 Abs. 2 BGB normierte Verbot der Doppelvaterschaft zum Ausdruck. Weitere Ausprägung ist auch § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG: Dort steht die Befruchtung mit dem Samen eines bereits verstorbenen Mannes (selbst des Ehemannes) unter einem strafbewehrten Verbot, um zu vermeiden, dass das Kind von Geburt an ohne Vater aufwachsen muss. § 1600d Abs. 4 BGB lässt diese Situation aber nunmehr gerade zu und setzt sich damit nicht nur in Widerspruch zu Wertungen des Abstammungsrechts, sondern auch zu Vorgaben des ESchG414. Weil Kindern, die aus einer natürlichen Befruchtung stammen, ungeachtet der Tatsache, dass rein faktisch der leibliche Vater nicht immer zur Verfügung steht, jedenfalls die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung des biologischen Vaters auch gegen dessen Willen verbleibt, ergibt sich für Kinder aus einer heterologen Befruchtung im Rahmen des Anwendungsbereichs 411  BVerfGE 108, 82 (103): „Der Gehalt des Elternrechts setzt damit seiner Trägerschaft Grenzen“. 412  Wer Träger des Elternrechts ist, ist für den nur leiblichen Elternteil im Einzelnen umstritten. Das BVerfG sieht den nur leiblichen Vater nicht als Träger des Grundrechts, aber in seiner Position geschützt, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einnehmen zu können, BVerfGE 108, 82 (99); ähnlich Dreier/Brosius-Gersdorf, GG, Art. 6 GG Rn. 147; BeckOK-GG/Uhle, Art. 6 GG Rn. 58c. Ohne eine solche Unterscheidung für leibliche und rechtliche Eltern als Grundrechtsträger Maunz/Dürig/Badura, GG, Art. 6 GG Rn. 99 und wohl auch v. Mangoldt/Klein/Starck/Robbers, GG, Art. 6 GG Rn. 163 ff., insb. Rn. 174, und v. Münch/Kunig/Heiderhoff, GG, Art. 6 GG Rn.  110 ff. 413  Siehe Kap. 1 D. II. 2., S. 51; vgl. auch v. Münch/Kunig/Heiderhoff, GG, Art. 6 GG Rn. 112; Maunz/Dürig/Badura, GG, Art. 6 GG Rn. 99; Löhnig, ZRP 2015, 76; ders., FamRZ 2010, 338 (340). 414  Vgl. Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600d BGB Rn. 22.



B. Zweite rechtliche Elternstellung221

von § 1600d Abs. 4 BGB eine Benachteiligung. Dies gilt auch im Vergleich etwa zu Kindern, die aus einer sog. Becherspende hervorgehen415. cc) Möglichkeit der Einzeladoption Die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der Einzeladoption, d. h. die Annahme eines Kindes durch nur eine Person, könnte vor dem Hintergrund vergleichbarer Rechtsfolgen als Argument für die Zulässigkeit der Besetzung nur einer rechtlichen Elternposition dienen416. Die Einzeladoption durch eine verheiratete Person als Annehmender kommt nur dann in Betracht, wenn es um die Adoption des Kindes des Ehegatten geht oder wenn der Ehegatte nicht annahmefähig ist (§ 1741 Abs. 2 S. 2–4 BGB). In der Gesetzesbegründung heißt es, die Einzeladoption durch eine nichtverheiratete Person „kann ihren guten Sinn haben“, wenn „[sie] in der Lage ist, zu dem Kind eine Eltern-Kind-Beziehung herzustellen“417. Gleichzeitig soll sie nur möglich sein, wenn eine gemeinsame Annahme wegen Auflösung einer Ehe durch Scheidung oder Tod des Ehegatten ausscheidet418. Insofern ist die Einzeladoption im Verhältnis zur gemeinschaftlichen Adoption eine Ausnahme und subsidiär. Für sie bestehen strenge Voraussetzungen. Nach den BAGLJÄ419 Empfehlungen Nr. 7.4.2.6 muss das Kindeswohl besonders eingehend berücksichtigt werden. Gemäß dieser Empfehlungen ist die Annahme durch eine Einzelperson denkbar, wenn eine bereits länger währende, für das Kind bedeutsame Beziehung besteht, die einem Eltern-Kind-Verhältnis entspricht, wenn es um die Annahme eines verwandten Kindes oder von Kindern geht, für die aufgrund persönlicher Vorerfahrungen die Vermittlung zu einem Paar nicht förderlich ist und schließlich, wenn das Kind von den leiblichen Eltern nur zur Adoption durch diese alleinstehende Person frei­ gegeben wird, sofern dies keinen Rechtsmissbrauch darstellt. Weiter soll der Annehmende zum einen in der ersten gemeinsamen Zeit in der Lage sein, vollumfänglich für das Kind da zu sein, um einen gesicherten Beziehungs-

415  Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG, siehe BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG, S. 9 f.; für Prüfung einer Möglichkeit der Erstreckung des Ausschlusses auch auf diese Fälle Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Entwurf eines SaRegG, S. 2; vgl. auch DGGG, Stellungnahme zur Richtlinie zur assistierten Reproduktion, S. 6. 416  Raude, RNotZ 2019, 451 (453) vor diesem Hintergrund für die Zulässigkeit alleinstehender Frauen zur heterologen Samenspende; vgl. auch Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1066). 417  BT-Drs. 7/3061, 30. 418  BT-Drs. 7/3061, 30. 419  Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

aufbau zu ermöglichen, zum anderen soll er über ein stabiles Umfeld mit möglichst Personen beiden Geschlechts verfügen420. Vor diesem Hintergrund streitet die Möglichkeit der Adoption nicht zwingend dafür, im Einzelfall eine rechtliche Ein-Elternschaft zur Anwendung gelangen zu lassen. Die hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, machen deutlich, dass die gemeinschaftliche Annahme durch Ehepaare als Regelfall gewollt war. Darüber hinaus ist eine Einzeladoption nur nach besonders eingehender, konkreter Kindeswohlprüfung im Einzelfall möglich; eine solche Prüfung kennt das Abstammungsrecht hingegen nicht421, vielmehr sind die dort getroffenen Wertungen Ergebnis einer abstrakten Kindeswohlprüfung, d. h. einer vom Einzelfall losgelösten Berücksichtigung kind­ licher Belange, deren Gewichtung im Gesetz Ausdruck findet. Die Situationen sind deshalb nicht unmittelbar vergleichbar und Rückschlüsse für das Abstammungsrecht nicht möglich. dd) Wertungen des Abstammungsrechts (1) Vaterschaftsfeststellung, § 1592 Nr. 3 BGB Zum Teil wird vertreten, dass jedes Kind einen aus der Verfassung herrührenden Anspruch darauf hat, dass eine einfachgesetzliche Rechtslage hergestellt wird, die ihm zwei Verantwortung tragende Elternteile an die Seite stellt422. Das geltende Abstammungsrecht bildet dies ab und etabliert eine Struktur der Zwei-Elternschaft423, welche sich insbesondere in der abgestuften Besetzung der rechtlichen Vaterstellung zeigt (§ 1592 BGB). Die Feststellung des biologischen Vaters als rechtlichem Vater (§§ 1592 Nr. 3, 1600d Abs. 1 BGB) liegt weder im Ermessen der Antragberechtigten (Mutter, Kind, potentieller Vater) noch im Ermessen des Gerichts424. Problematisch könnte jedoch sein, dass heute keine Verpflichtung zur Betreibung des Feststellungsverfahrens besteht, wenn eine rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) nicht gegeben ist. Mit dem KindRG aus dem Jahr 1998 ist die bis dato bestehende geEmpfehlungen zur Adoptionsvermittlung Nr. 7.4.2.6, S. 53 f. hilft der Hinweis von Lettmaier bei Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1561) nicht, dass das Fehlen einer konkreten Prüfung dadurch gerechtfertigt werde, dass im Falle der Insemination einer alleinstehenden Frau diese die leibliche Mutter des Kindes ist. 422  Löhnig, ZRP 2015, 76; ders., FamRZ 2010, 338 (340). 423  So auch Moes bei Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1561). 424  § 1600d Abs. 1 BGB: „… so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen“, vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 6. 420  BAGLJÄ, 421  Insofern



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setzliche Amtspflegschaft (§§ 1709 ff. a. F. BGB) abgeschafft worden, kraft derer das Jugendamt von Amts wegen für die Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten von Kindern, die nicht in eine Ehe geboren wurden, verantwortlich war, darunter u. a. das Hinwirken auf eine Vaterschaftsfeststellung. Dadurch wurde sichergestellt, dass tatsächlich jedes Kind einem rechtlichen Vater zugeordnet werden konnte. Seitdem soll die Hilfe des Jugendamtes nur noch freiwillig in Anspruch genommen werden können425. Dadurch besteht die Gefahr, dass es unter bestimmten Umständen zu einer dauerhaften rechtlichen Vaterlosigkeit des Kindes kommen kann, wenn insbesondere die Mutter ihre Mitwirkung bei der Antragstellung versagt. Dies betrifft die eigene Antragstellung und jene im Namen des Kindes, solange dieses noch nicht volljährig und verfahrensfähig ist426. Die Gründe und Motive für das Untätigbleiben der Mutter können dabei sehr vielfältig sein. Sie kann aus Rücksicht auf den Erzeuger und seine Familie handeln, den Wunsch hegen, das Kind ohne den Einfluss eines Mannes allein aufzuziehen oder den Namen des potentiellen Vaters nicht preisgeben wollen oder können, weil sie bedroht wird, eine Beeinträchtigung ihres Stolzes befürchtet oder aufgrund Mehrverkehrs verschiedene Männer in Betracht kommen427. Vor dem Hintergrund des Interesses des Kindes an einem rechtlichen Vater, das mit den Interessen der Mutter kollidieren kann, kann das Unterbleiben einer Vaterschaftsfeststellung infolge der neuen Konzeption kritisch gesehen werden428. Es zeigt, dass das Abstammungsrecht nicht in jedem Einzelfall zwei rechtliche Eltern garantiert, vermag aber die Systematik des Abstammungsrechts mit Blick auf das Zwei-Eltern-Dogma nicht in Zweifel zu ziehen. (2) S  cheidungsakzessorischer Statuswechsel, § 1599 Abs. 2 BGB: ­Anerkennung durch Dritten Das Festhalten des Gesetzgebers am Zwei-Eltern-Prinzip zeigt sich weiter im Rahmen des scheidungsakzessorischen Statuswechsels gemäß § 1599 Abs. 2 BGB. Hier ist der Gesetzgeber einem Vorschlag des Bundesrates, der die übereinstimmenden öffentlich beurkundeten Erklärungen der Mutter und des Ehemanns zur Überwindung der Vaterschaft kraft Ehe genügen lassen 425  Vgl. BT-Drs. 13/4899, 30 und Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und Neuordnung des Rechts der Beistandschaft (Beistandschaftsgesetz), BT-Drs. 13/892. 426  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 18. 427  MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 19; Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1472). 428  Vgl. insb. MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600d BGB Rn. 19 f. unter Einbeziehung der Frage, ob im Einzelfall ein Entzug der Vertretungsmacht der Mutter zugunsten des Kindeswohls in Betracht kommt.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

wollte429, nicht gefolgt. Die Bundesregierung vertrat die Auffassung, dass ein Abweichen von dem Grundsatz der Vaterschaft kraft Ehe nur dann zu legitimieren sei, wenn gleichzeitig ein anderer Mann durch Anerkennung die rechtliche Vaterposition einnimmt430. Dieses Erfordernis dokumentiert, dass der Gesetzgeber eine mögliche dauerhafte Vaterlosigkeit des Kindes, beispielsweise infolge eines Sinneswandels des Dritten, zu vermeiden sucht. Zwar basiert die Regelung des § 1599 Abs. 2 BGB maßgeblich auf der Vermutung, dass das betreffende Kind wahrscheinlich ohnehin nicht vom Ehemann der Mutter, sondern von einem neuen Partner abstammt. Dieser könnte dann auch ohne Anerkennung gerichtlich festgestellt werden (§  1592 Nr. 3 BGB). Allerdings bliebe es bei der Vaterlosigkeit des Kindes, wenn der nichtanerkennende Dritte (auch) nicht genetischer Vater des Kindes ist. Das Konzept des § 1599 Abs. 2 BGB lässt demnach zum einen grundsätzlich das Festhalten am Zwei-Eltern-Dogma erkennen, geht zum anderen aber noch einen Schritt weiter, indem es anders als im Rahmen von § 1592 Nr. 3 BGB nicht auf die biologische Vaterschaft, sondern entsprechend § 1592 Nr. 1 BGB auf eine vermutete rechtliche Vaterschaft abstellt. ee) Zwischenergebnis Aus dem Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung der elterlichen Pflege und Erziehung aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 6 Abs. 2 S. 1 GG folgt kein Recht des Kindes darauf, seinen leiblichen Eltern als rechtlichen Eltern zugeordnet zu werden. Gleichwohl erkennt das BVerfG ein entsprechendes Interesse des Kindes hieran an. Aus den Wertungen des Abstammungsrechts ergibt sich ein Festhalten am Zwei-Eltern-Prinzip, welches insbesondere in der Ausgestaltung von § 1592 Nr. 3 BGB und § 1599 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt. Dass einem Kind tatsächlich nicht in jedem Einzelfall zwei rechtliche Eltern zugeordnet werden können, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Die Möglichkeit der Einzeladoption weist ebenfalls nicht in eine andere Richtung, da diese lediglich als Ausnahme unter strengen Voraussetzungen vorgesehen ist. 5. Ungleichheiten a) Ungleichbehandlung von offiziellen und privaten Spendern Dass § 1600d Abs. 4 BGB allein auf Fälle institutionalisierter Samenspende und assistierter künstlicher Befruchtung anwendbar ist, führt zu Ab429  BT-Drs. 430  BT-Drs.

13/4899, 147 (Stellungnahme des Bundesrates). 13/4899, 166 (Äußerung der Bundesregierung).



B. Zweite rechtliche Elternstellung225

grenzungsschwierigkeiten. Dass auch ein privater Spender wirksam auf seine Vaterrechte verzichten kann, wird aktuell in der Literatur eher abgelehnt431. Dabei müsste bei Wirksamkeit eines konkludenten Verzichts auf Grundlage objektiver Umstände erst recht auch ein ausdrücklicher Verzicht auf die Vaterposition möglich sein. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso einem ausdrücklichen Verzicht geringere Bedeutung zukommen soll. Unter Zugrundelegung dieses Gedankens lässt sich wiederum nur schwer begründen, warum ein ausdrücklicher Verzicht etwa im Vorfeld einer privaten Spende, in deren Rahmen sich die Beteiligten dazu noch persönlich kennen, oder gar im Vorfeld von natürlichem Geschlechtsverkehr nicht ebenso möglich sein kann432. Sowohl der offizielle als auch der private Samenspender tragen durch ihren Beitrag Zeugungsverantwortung und unterscheiden sich aus Sicht des Gesetzgebers lediglich mit Blick auf ihre Willensrichtung: Typisierend wird nämlich allein im Rahmen der offiziellen Spende angenommen, dass der Samenspender auf seine Rechte verzichten möchte. Bei privaten Spendern kann wohl durch die graduelle Beziehung zur Mutter nicht ausgeschlossen werden, dass der Spender später eine Rolle im Leben des Kindes spielen möchte; dementsprechend hat der BGH die private Spende dem natürlichen Zeugungsvorgang gleichgestellt433. Dabei wird übersehen, dass auch im Rahmen der Spende an eine Samenbank die Motivation des Spenders höchst ambivalent sein kann434 und außerdem die Willensrichtung bei Zeugung und Verantwortung grundsätzlich, d. h. auch bei der natürlichen Befruchtung, keine Rolle spielt435. Dies wirft weiter auch die Frage auf, inwiefern zwischen einem privaten Becherspender und einem Mann, der sich bereit erklärt, einer Frau auf natürlichem Weg zu einem Kind zu verhelfen, unterschieden werden soll436.

431  Grziwotz, notar 2018, 163 (171): Eine freiwillige Registrierung beim BfArM sei außerdem auch nicht möglich. 432  Dethloff, Abstammung und Verantwortung (2017), S. 12; Löhnig/Runge-Ranow, FamRZ 2018, 10 (13); Runge-Ranow, ZRP 2017, 43 (46). 433  BGHZ 197, 242. 434  Siehe Fn. 351. 435  Pauli, NZFam 2016, 57 (60). 436  Zu Recht daher Pauli, NZFam 2016, 57 (60): „die Büchse der Pandora“; vgl. auch Giesen, in: FS Hegnauer (1986), 55 (68 f.). Zur Frage der Gleichstellung der künstlichen heterologen Befruchtung mit Fällen konsentierten Ehebruchs siehe ­Grziwotz, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 103 (114) und schon Schumacher, FamRZ 1987, 313.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

b) Alleinstehende Mutter Eine Ungleichbehandlung alleinstehender Mütter durch § 1600d BGB könnte sich dadurch ergeben, dass sie die Elternrechte und -pflichten, die sich aus der rechtlichen Elternposition ergeben, dauerhaft allein wahrnehmen muss. Allerdings ist nicht ersichtlich, woraus sich ein Recht der Mutter auf die rechtliche Vaterschaft des Spenders ergeben kann. Das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG enthält zunächst ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat und kann nicht etwa dem jeweils anderen Elternteil entgegengehalten werden437. Darüber hinaus ist es auf das Kindeswohl gerichtet und nicht auf die Interessen des jeweils anderen Elternteils438, auch wenn sich die Mutter insbesondere gesetzliche Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Spender als leiblichem Vater wünschen mag. Vor diesem Hintergrund kann die zweite rechtliche Elternstelle nur durch die Heirat der Mutter vor der Geburt (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder durch eine Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB; ggf. auch durch den Spender439) besetzt werden. c) Lesbische Paare Soll der Kinderwunsch eines gleichgeschlechtlichen Frauenpaares erfüllt werden, besteht für die Beteiligten hinsichtlich ihrer Rolle größere Sicherheit. Ein Seitensprung der Mutter kommt anders als bei heterosexuellen Paaren in der Regel nicht in Betracht; dadurch weiß der Spender, dass er lediglich als „Samenlieferant“ fungiert440. Dies gilt allerdings nur dann, wenn nicht gleichzeitig auch der Kinderwunsch eines heterosexuellen Männerpaares erfüllt werden soll, welches an der Erziehung und Pflege des Kindes beteiligt werden möchte. 6. Forderungen de lege ferenda De lege ferenda sollte der Gesetzgeber die Möglichkeit vorsehen, dass in Zukunft allein ein ausdrücklicher, öffentlich oder notariell beurkundeter Verzicht des Spenders zu einem dauerhaften Verlust seiner Elternstellung führen kann441. Ein bloß konkludenter Verzicht, der sich auf den Konsens der inten437  v. Münch/Kunig/Heiderhoff,

GG, Art. 6 GG Rn. 102. GG, Art. 6 GG Rn. 103. 439  Vgl. Kap. 4 B. VI. 3., S. 213 ff. 440  Löhnig, NZFam 2017, 643 (644). 441  Vgl. Kap. 4 B. VI. 3., S. 213. A. A. für private Samenspende Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 367: Die Risiken des privaten Spenders seien hinzunehmen, weil ihm schließlich auch der Weg der offiziellen Spende offenstand. 438  v. Münch/Kunig/Heiderhoff,



B. Zweite rechtliche Elternstellung227

dierten Eltern nach § 1600 Abs. 4 BGB stützt, trägt der Bedeutung und Tragweite der Entscheidung nicht hinreichend Rechnung. Die Annahme, dass ein Mann durch seine Spendebereitschaft bereits das fehlende Interesse an der künftigen Elternstellung signalisiere, missachtet die Vielfalt unterschiedlicher Gründe, die zu einer Spende motivieren. Sie setzt aber vielmehr noch dort auf Niederschwelligkeit, wo es angesichts der Tatsache, dass in aller Regel der Spender mit der Samenbank ohnehin auch eine schriftliche Samenspendevereinbarung abschließt, gar nicht notwendig wäre. Die Samenbank ist nämlich mindestens zur schriftlichen Einholung der Einwilligung des Spenders (§§ 8b Abs. 1, 8 Abs. 2 TPG) sowie der schriftlichen Bestätigung der Aufklärung nach den Vorgaben des SaRegG verpflichtet442. Darüber hinaus bedarf es rechtlicher Schutzmechanismen, die dem Spender die Bedeutung seiner Entscheidung vor Augen führen und ihn vor nicht hinreichend überlegtem Handeln schützen443. Auf diesen Aspekt hat der BGH schon Mitte der 1990er Jahre unter Hinweis auf die Absicherung der Beteiligten im Rahmen der Adoption hingewiesen444. Weil die Spende unter den Voraussetzungen von § 1600d Abs. 4 BGB adoptionsähnliche Rechtswirkungen auslöst, empfiehlt sich eine eingehende und umfassende Beratung und Belehrung durch einen Notar und damit die Beurkundung der Erklärung. Im Rahmen der notariellen Beurkundung ist der Notar zur Belehrung über die rechtliche Tragweite verpflichtet. Zwar bestehen auch seitens der Entnahmeeinrichtung Aufklärungspflichten, und zwar sowohl nach Vorgaben des TPG (§§ 8b Abs. 1, 8 Abs. 2 TPG) als auch jenen des SaRegG (§ 2 SaRegG). Jedoch ist fraglich, ob die Information durch die Einrichtung der Bedeutung der Rechtsposition, auf die der Spender zu verzichten bereit ist, überhaupt angemessen Rechnung tragen kann. Die Einhaltung der Form sollte jedenfalls künftig auch obligatorisch sein, sodass die Freistellung bei Nichteinhaltung nicht wirkt. De lege lata greift der Ausschluss der Feststellung nach § 1600d Abs. 4 BGB auch dann, wenn die Entnahmeeinrichtung ihren Aufklärungspflichten nicht nachkommt; dies ist nämlich gerade nicht Voraussetzung von § 1600d Abs. 4 BGB445. Die Gefahr, dass die Erklärung des Spenders rechtlich fehlerhaft sein könnte, wird durch die Prüfpflichten, welche den Notar für die notarielle Beurkundung treffen, auf ein Minimum begrenzt. Darüber hinaus treffen den Notar Pflichten zur Aufbewahrung der beurkundeten Erklärung, sodass eine rechtssichere Aufbewahrung für die Zukunft gewährleis442  Zu

Vorgaben des SaRegG im Einzelnen siehe Kap. 4 C. I. 2. c), S. 238. Kap. 4 B. VI. 3., S. 213. 444  BGH NJW 1995, 2921 (2923). 445  BeckOGK-BGB/Reuß, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1600d BGB Rn. 56.2. Für eine Beibehaltung hatte sich schon der Arbeitskreis Abstammungsrecht ausgesprochen, siehe BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 36 und 37, S. 58: Bei fehlender Schriftform soll die Freistellung nicht in Frage gestellt werden. 443  Vgl.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

tet wäre446. Dazu benötigt es keiner zusätzlichen Infrastruktur, wie dies etwa bei der Aufbewahrung durch Kliniken der Fall wäre. Die schriftliche Einwilligung sowie die Bestätigung der Aufklärung nach Vorgaben des SaRegG könnten zusammen mit der Verzichtserklärung des Spenders in einem Termin notariell beurkundet werden. Neben der Berücksichtigung der Rechte des Spenders würde dies außerdem auch für die Reproduktionseinrichtung Rechtssicherheit schaffen. Es bietet sich an, die Beurkundung vor der ersten Probenabgabe durchzuführen. Für den Fall, dass eine Samenbank schon heute – entgegen der aktuellen Praxis – einen ausdrücklichen und notariell beurkundeten Verzicht des Spenders als Voraussetzung für die Spende verlangt, ist der Notar – sofern er von der Verfassungswidrigkeit von § 1600d Abs. 4 BGB ausgeht – nach einer Auffassung zur Ablehnung der Beurkundung verpflichtet. Nach einer anderen Auffassung hätte er die Zweifel zu ignorieren und das Gesetz anzuwenden, bis die Verfassungswidrigkeit festgestellt ist447. Es stellt sich außerdem die Folgefrage, ob, in welchen Konstellationen und unter welchen Voraussetzungen künftig auch ein privater Spender, der von § 1600d Abs. 4 BGB nicht erfasst wird, bei nicht ärztlicher Insemination auf sein Elternrecht verzichten können soll448. Gerade für den privaten Spender kommt die Beurkundung eines entsprechenden Verzichts bei privater Durchführung ohne ärztliche Assistenz aktuell nicht sicher in Betracht449. Ein Verzicht des privaten Spenders sollte ferner nur dann möglich sein, wenn dem Kind gleichzeitig der intendierte Elternteil zugeordnet würde450. Bei der privaten Befruchtung mit privat gespendetem Samen läge, die Abschaffung des betreffenden Verbots im ESchG vorausgesetzt, ein gemeinsamer Beurkun446  Zu Aufbewahrungspflichten im Rahmen des SaRegG noch Kap. 4 C. I. 2. f), S. 241. 447  Siehe Kap. 3 D. III. 1. b), S. 123 ff. 448  Helms, in: FS Prütting (2018), S. 41 (48); ders., in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 26 mit 99: öffentlich beurkundete Verzichtserklärung, wobei der Verzicht von der Zuordnung eines zweiten Elternteils abhängen soll; Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S. 35: ausdrückliche Regelung erforderlich, wobei für den Verzicht aus Gründen der Rechtssicherheit ein Formerfordernis statuiert werden sollte; Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2634): notarielle Beurkundung der Feststellung des Spenders muss bei alleinstehenden Frauen möglich sein. Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 362 mit 454 ist ganz generell dafür, dass der Gesetzgeber eine Möglichkeit schaffen soll, unter Einhaltung einer Form auf eine sonst zustehende Elternschaft verzichten zu können. Die Frage entzündete sich jüngst wieder an einem Fall, in welchem der private Samenspender entgegen dem Willen der mit der Mutter verheirateten Frau seine Vaterschaft hat gerichtlich feststellen lassen, siehe OLG Stuttgart NJW 2022, 2050. 449  Siehe Kap. 3 D. III. 2. c), S. 130 ff. 450  Dazu noch im fünften Kapitel.



B. Zweite rechtliche Elternstellung229

dungstermin der intendierten Eltern und des Spenders vor einem Notar nahe, da sich die Beteiligten in der Regel kennen451. Darüber hinaus bedarf es einer Diskussion, ob nicht auch unter Lockerung von § 1591 BGB de lege ferenda eine Disposition über die (Mit-)Mutterstellung in Fällen der Leihmutterschaft im Wege von Erklärungen möglich sein kann. Auch wenn § 1600d Abs. 4 BGB seinem Wortlaut nach als Feststellungsausschluss ausgestaltet ist, bedeutet die Vorschrift eine weitere gesetzgeberische Stärkung des voluntativen, privatautonomen Elements im Rahmen rechtlicher Elternschaft. Der Anwendungsbereich des Feststellungsausschlusses könnte insofern künftig ausgeweitet werden452. 7. Zwischenergebnis Nach Einführung von § 1600d Abs. 4 BGB kann von einer gesetzgeberischen Entscheidung über die Verzichtbarkeit des Spenders auf seine Elternposition ausgegangen werden. Dies gilt jedenfalls für Konstellationen der offiziellen Samenspende. Die Bedenken, die bereits vor der Reform des Vaterschaftsanfechtungsrechts bestanden, bleiben dabei im Wesentlichen erhalten. Dies betrifft die Gefahr, dass das Kind dauerhaft mit nur einem rechtlichen Elternteil aufwächst. Gleichzeitig hätten auch die Rechte des Spenders als leiblichem Vater besser abgesichert werden müssen. Im Rahmen der Adoption, welche von ihren Rechtswirkungen vergleichbar ist, hat der Gesetzgeber entsprechende Vorkehrungen getroffen. Das Argument, dass vor allem der offizielle Samenspender ohnehin nicht mit einem leiblichen Vater vergleichbar sei, der künftig auch Elternverantwortung tragen wolle, trägt nicht uneingeschränkt. Denn letztlich unterscheidet sich der Spender vom klassischen leiblichen Vater erst im Moment des Verzichts auf seine Elternposition. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er potentiell ein leiblicher Vater wie jeder andere und auch wenn die Entscheidung der intendierten Eltern als für die Existenz des Kindes maßgeblich erachtet wird, so entsteht das Kind letztlich aus einer Verschmelzung von Ei- und Samenzelle des Spen451  Eine ausdrückliche Erklärung des privaten Spenders, die Möglichkeit zur Detailregelung bietet, erscheint auch deshalb sinnvoll, weil der BGH in einer jüngeren Entscheidung angenommen hat, dass die Einwilligung des privaten Spenders in die Adoption eines mit seinem Samen gezeugten Kindes durch die Partnerin der Mutter nicht gleichzeitig einen Verzicht auf sein Umgangsrecht aus § 1686a BGB darstelle. Hintergrund war, dass der persönliche Umgang des Spenders mit dem Kind durch die Beteiligten vorgesehen wurde und der Spender unter dieser Voraussetzung mit der Zeugung einverstanden war, vgl. BGHZ 230, 174. 452  Siehe etwa LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 9; für Ausweitung auch Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 366.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

ders453. Deshalb muss auch dessen Rechtsposition berücksichtigt werden. Es kommt damit grundlegend auf die Ausgestaltung und Absicherung der Entscheidung für die Spende an.

VII. Ergebnis Die Möglichkeiten der notariellen Absicherung von rechtlicher Elternschaft im Rahmen von Kinderwunschvereinbarungen sind begrenzt. Gesetzlich nicht geregelte, inhaltlich gänzlich privatautonome Erklärungen zur Statusbegründung scheiden aus, ebenso der Verzicht auf Rechte des Kindes. Sieht der intendierte Vater entgegen früherer Bekundungen nach der Zeugung des Kindes von der Abgabe einer Vaterschaftsanerkennung ab, kann er im Vorfeld hierzu auch nicht wirksam verpflichtet werden. Die präkonzeptionelle Anerkennung böte trotz Einschränkung des Abstammungsprinzips die Möglichkeit, das Problem der rechtlichen Zuordnung ohne größere Reformbemühungen zu lösen, kommt aber nach wohl herrschender Auffassung de lege lata nicht in Betracht454. Eine wesentliche Komponente stellt für alle Konstellationen intendierter Elternschaft der Verzicht des Spenders auf sein Anfechtungs- bzw. Feststellungsrecht dar. Ein solcher Verzicht ist grundsätzlich seit Einführung von § 1600d Abs. 4 BGB möglich, bedarf allerdings einer hinreichenden Absicherung der Rechte des Spenders sowie jener des Kindes, welches wegen des Feststellungsausschlusses in § 1600d Abs. 4 BGB aktuell Gefahr läuft, dauerhaft ohne zweiten rechtlichen Elternteil zu verbleiben. Dies entspricht nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen. De lege ferenda bedarf es deshalb einer gesetzlichen Klarstellung über die Verzichtsmöglichkeit mit dem Erfordernis der notariellen oder zumindest öffentlichen Beurkundung. Dadurch würde eine ausreichende Belehrung und Dokumentation gesichert sowie die Frage der Aufbewahrung beantwortet. Darüber hinaus muss de lege ferenda ein Weg vorgesehen werden, die zweite rechtliche Elternposition neben der Geburtsmutter frühzeitig und verbindlich zu klären455. § 1600 Abs. 4 BGB trägt hierzu nicht hinreichend bei. Die Vorschrift bedarf außerdem der gesetzlichen Klärung einzelner Detailfragen. Um diese wesentlichen Punkte zu erörtern und in der Urkunde festzuhalten, empfiehlt sich schon nach geltender Rechtslage die fakultative notarielle Beurkundung der Einwilligungserklärungen.

453  Pauli, NZFam 2016, 57 (60): „(…) deren [der intendierten Eltern] Wort allein wäre ohne den gespendeten Samen nie zu Fleisch geworden“. 454  Zu Überlegungen de lege ferenda noch Kap. 5, S. 263 ff. 455  Moes, NJW 2021, 3359 (3363).



C. Folgevereinbarungen231

C. Folgevereinbarungen Neben Vereinbarungen, die sich in statusrechtlicher Hinsicht auswirken, enthalten Kinderwunschvereinbarungen Regelungen, die das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG) absichern (unter Punkt I.) und sich unterhaltsrechtlichen Fragen widmen (unter Punkt II.). Darüber hinaus enthalten sie auch Folgevereinbarungen, die beispielsweise erbrechtliche, sorge- und umgangsrechtliche Fragen betreffen; aus Gründen des Umfangs müssen diese ausgeklammert bleiben.

I. Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung 1. Grundlagen und Rechtsentwicklung a) Inhalt und Umfang des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung In einer Reihe von Entscheidungen seit Ende der 1980er Jahre, welchen Vorschriften des Ehelichkeitsanfechtungsrechts zugrunde lagen, hat das BVerfG das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung als Ausprägung des in Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG verbürgten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) endgültig anerkannt: Die Abstammung stelle ein entscheidendes Merkmal für die Entwicklung und die Wahrung der Individualität innerhalb des autonomen Bereichs privater Lebensführung dar, den das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Menschenwürde im Rahmen des APR jedem Einzelnen gewähre. Die Kenntnis der eigenen Herkunft könne über das Wissen um die genetische Ausstattung hinaus im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für Individualitätsfindung und das Selbstverständnis, das Verständnis familiärer Zusammenhänge und letztlich die eigene Position in der Gemeinschaft einnehmen, sodass der Bezug zu den Vorfahren für die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen von großer Bedeutung sei456. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung besteht unabhängig von der Art der Zeugung eines Kindes457. Es beinhaltet lediglich ein Abwehrrecht gegen die Vorenthaltung erlangbarer Informationen, nicht aber ein Leistungsrecht, das auf ihre Verschaffung gerichtet wäre458. Es ist 456  Maßgeblich BVerfGE 79, 256; vgl. auch BVerfGE 90, 263. Später bestätigt in BVerfGE 96, 56; 117, 202; BVerfG NJW 2010, 3772; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1990, 1244; OLG Köln FamRZ 1994, 1197; LG Münster NJW 1999, 726; LG Bremen NJW 1999, 729. Im Grundsatz bereits angeklungen bei BVerfGE 38, 241 und BVerfG NJW 1988, 3010 sowie in BGHZ 82, 173. 457  Coester-Waltjen, FF 2017, 224 (228). 458  BVerfGE 117, 202 (226); 79, 256 (269); bestätigt durch BVerfG NJW 2019, 848 (849); siehe außerdem OLG Hamm NJW 2013, 1167 (1170).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

auch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern kann vielmehr unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt werden459. b) Anpassung der Vaterschaftsanfechtungsvorschriften und Einführung isolierter Vaterschaftsfeststellung Das BVerfG sah in der Ausgestaltung des Ehelichkeitsanfechtungsrechts eine Missachtung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung des Kindes und trug dem Gesetzgeber auf, dem Kind eine gerichtliche Klärung seiner Abstammung zu ermöglichen und auf diese Weise die Rechtslage mit den Vorgaben der Verfassung in Einklang zu bringen460. Gemäß §§ 1593, 1598 und § 1596 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. war dem volljährigen Kind im Wesentlichen nur möglich, seine Abstammung zu klären, wenn die Ehe seiner Mutter geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt worden war oder wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt gelebt hatten und nicht zu erwarten gewesen war, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen461. Das Gericht betonte schon zu diesem Zeitpunkt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und wies auf die zur Erreichung dieses Zieles grundlegenden Optionen hin: In Betracht kam aus seiner Sicht einerseits eine Erweiterung der Anfechtungsregeln für das Kind, andererseits die Eröffnung einer Möglichkeit zur rechtsfolgenlosen gerichtlichen Vaterschaftsklärung462. Im Zuge des Kindschaftsrechtsreformgesetzes von 1998 hat der Gesetzgeber die Anfechtungsvorschriften schließlich reformiert: Seitdem bestehen für eheliche und nichteheliche Kinder einheitliche Vorgaben für die Vaterschaftsanfechtung, außerdem setzt diese keinen besonderen Grund mehr voraus463. Innerhalb des Anfechtungsverfahrens wird inzident die leibliche Abstammung überprüft. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs sollte eine rechtsfolgenlose Vaterschaftsklärung wegen schwieriger, noch klärungsbedürftiger rechtlicher Fragen zunächst jedoch ausdrücklich nicht ermöglicht werden464. Durch das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren465 wurde mit Wirkung zum 01.04.2008 die Vorschrift des § 1598a BGB eingeführt. Auf ihrer Grundlage können einerseits die Eltern 459  BVerfGE

79, 256 (269 f.); 65, 1 (44); BVerfG NJW 1994, 2475. 79, 256 (274). 461  BVerfGE 79, 256 (268). 462  BVerfGE 79, 256 (274). 463  BT-Drs. 13/4899, 55. 464  BT-Drs. 13/4899, 56–57. 465  Gesetz vom 26.3.2008, BGBl 2008 I S. 441. 460  BVerfGE



C. Folgevereinbarungen233

voneinander und von dem Kind, andererseits das Kind von den Eltern die Einwilligung in die genetische Abstammungsuntersuchung sowie die Duldung einer Probenentnahme verlangen (Absatz 1); im Ergebnis begründet die Vorschrift daher einen Anspruch auf eine außergerichtliche Abstammungsuntersuchung. Der Neuregelung war eine Entscheidung des BGH vorausgegangen, in welcher das Gericht eine heimlich veranlasste DNA-Vaterschaftsanalyse als im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar einstufte, da ein solches Vorgehen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG) verletze466. Das BVerfG bestätigte diese Einschätzung kurze Zeit später und trug dem Gesetzgeber auf, bis zum 31.03.2008 ein geeignetes Verfahren zur alleinigen rechtsfolgenlosen Feststellung der Vaterschaft zu etablieren, um dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung einfach­ gesetzlich Rechnung zu tragen467. Spiegelbildlich zum Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung betonte das BVerfG das Recht des präsumtiven Vaters, zu wissen, ob das betreffende Kind tatsächlich von ihm abstammt468. Sowohl im Rahmen eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens als auch bei der isolierten, rechtsfolgenlosen Vaterschaftsfeststellung wird allerdings allein die tatsächliche Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater geprüft. Für das Anfechtungsverfahren ergibt sich dies bereits aus deren Zielrichtung, d. h. der Beseitigung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft für das Kind. Im Rahmen der rechtsfolgenlosen Feststellung ist der nur leibliche Vater nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers de lege lata nicht erfasst, um mit seinem bloßen Klärungsinteresse die Integrität der Familie nicht zu gefährden. Stattdessen soll ihm nur der Weg der Anfechtung offenstehen. Er soll die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur dann angreifen können, wenn er selbst zur Übernahme von Verantwortung bereit ist469. Nach Auffassung des BVerfG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass eine isolierte Klärung gegenüber dem mutmaßlichen Vater nicht möglich ist, vielmehr bewege sich dies noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers470. Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben sind dennoch unzureichend, wenn sich herausstellt, dass der rechtliche Vater nicht auch der leibliche Vater des Kindes ist. In diesen Fällen bleibt weiterhin unklar, wer der Erzeuger des Kindes ist.

466  BGHZ

162, 1. 117, 202. 468  BVerfGE 117, 202. 469  BT-Drs. 16/6561, 12; vgl. zur Frage der Klärung der genetischen Vaterschaft Heiderhoff, NJW 2016, 1918. 470  BVerfG NJW 2016, 1939. 467  BVerfGE

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

c) Höchstrichterliche Anerkennung von Auskunftsansprüchen des Kindes Aus diesem Grund ist bereits vor der Kindschaftsrechtsreform in Konsequenz der höchstrichterlichen Anerkennung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung dem Kind – allerdings nur im Einzelfall bei Überwiegen von dessen Interessen – ein Anspruch gegen die Mutter zugestanden worden, kraft dessen es von ihr die Nennung der Identität des leiblichen Vaters verlangen kann471. Nach der Reform des Anfechtungsrechts und der Einführung der rechtsfolgenlosen Vaterschaftsfeststellung ist in Fällen der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung des Kindes außerdem durch das OLG Hamm eine Auskunftspflicht des Arztes hinsichtlich der Identität des Spenders aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bejaht worden472. Nach Auffassung des Gerichts besteht ein Anspruch aus § 242 BGB dann, wenn das Kind im Wege eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) in den Geltungsbereich des Behandlungsvertrages zwischen den Eltern und der Reproduktionseinrichtung einbezogen ist (Sonderbeziehung), in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Arzt als Verpflichteter die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann473. Die grundrechtlich besonders geschützten Belange des Kindes überwiegen das Interesse des Spenders, nicht mit den Folgen der Spende konfrontiert zu werden und anonym zu bleiben, ebenso wie die Interessen des Arztes an der Freiheit seiner Berufsausübung474. Der BGH bestätigte die Rechtsprechung des OLG Hamm im Jahr 2015 und machte außerdem deutlich, dass weder der Anspruch auf Auskunftserteilung noch dessen Geltendmachung von einem Mindestalter des Kindes abhängen475.

471  BVerfGE 96, 56; schon BVerfG NJW 1988, 3010 (Nichtannahmebeschluss). Aus jüngerer Zeit BGHZ 232, 236 (Anspruch des adoptierten Kindes gegen die leibliche Mutter auf Auskunft über genetischen Vater); OLG Frankfurt a. M. NZFam 2021, 897 (Auskunftsanspruch gegen die Mutter auch bei Bestehen rechtlicher Vaterschaft). 472  OLG Hamm NJW 2013, 1167. 473  OLG Hamm NJW 2013, 1167 (1169); eingehend zu dogmatischen Fragen Gruber, ZfPW 2016, 68. 474  OLG Hamm NJW 2013, 1167 (1169). Zu kollidierenden Verfassungsrechten bzw. entgegenstehenden Interessen der anderen Beteiligten eingehend Spilker, FF 2017, 92 (94); dies., JuS 2016, 988 (989 f.); Wehrstedt, GuP 2015, 85 (86–89). Zu praktischen Schwierigkeiten der Auskunftserteilung aus Sicht des Arztes Wehrstedt, GuP 2015, 85 (90 f.). 475  BGHZ 204, 54; vgl. auch AG Wedding ZD 2017, 394.



C. Folgevereinbarungen235

d) Die Rolle des Notars Die Anerkennung von Auskunftsansprüchen hinsichtlich der Identität des Erzeugers stellt zwar einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung dar. Im Einzelfall kann der Anspruch aber untergegangen sein, wenn sich der behandelnde Arzt mit Erfolg darauf beruft, die Auskunftserteilung sei ihm nicht möglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil etwa eine Dokumentation der Spenderidentität schon nicht vorgenommen wurde oder die Unterlagen nachträglich vernichtet worden sind476. Unabhängig von etwaigen Schadensersatzansprüchen kann das Kind in diesen Situationen die Identität des Spenders nicht erfahren. Dem versuchte etwa das sog. „Erlanger Notarmodell“ der Erlanger Samenbank dadurch zu begegnen, dass einem mit der Einrichtung eng zusammenarbeitenden Notar regelmäßig die Namen aller Beteiligter, d. h. des Spenders, der Eltern sowie bei Lebendgeburt auch des Kindes mitgeteilt wurden, woraufhin der Notar den Paaren eine notarielle Urkunde ausstellte, welche sämtliche Namen enthielt mit Ausnahme des Namens des Spenders, der durch den Codierungscode ersetzt wurde. Über die Abfrage des Codes konnte das Kind zu gegebener Zeit die Identität des Spenders erfahren. Durch gleichzeitige Aufbewahrung der Urkunde und der entsprechenden Daten über 100 Jahre beim Notar sollte das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung hinreichend gewährleistet werden477. Dieses Modell wurde im Zuge der Einführung des Samenspenderregisters im Jahr 2018 als zentrales Register zur Speicherung der Spenderinformationen obsolet. Das Gesetz beinhaltet nämlich nunmehr einen gesetzlich geregelten Auskunftsanspruch des Kindes auf Mitteilung der dort hinterlegten Informationen. e) Zwischenergebnis Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG angesehen und ist höchstrichterlich anerkannt. Es dient in einem hohen Maße der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und Individualität und dem Selbstverständnis der betroffenen Person. Die im Rahmen von § 1598a BGB mögliche, isolierte Abstammungsklärung ist zur Wahrung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung unzureichend, da die Klärung der Abstammung vom nur mutmaßlich leiblichen Vater nicht 476  Vgl. Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 478 f.; Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55). 477  Zum Erlanger Modell siehe https://www.erlanger-samenbank.de/01-07-2018das-erlanger-notarmodell-geht-in-rente/ (zuletzt abgerufen am 27.11.2022).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

möglich ist. Auf notarieller Seite ist mit dem „Erlanger-Notarmodell“ der Versuch unternommen worden, die Chance einer Durchsetzung von Auskunftsansprüchen des Kindes aus § 242 BGB durch die notarielle Dokumentation von Daten zu erhöhen. 2. Samenspenderregistergesetz a) Zweckbestimmung und Anwendungsbereich Mit Wirkung zum 01.07.2018 ist das SaRegG in Kraft getreten478. Ausweislich § 1 Abs. 2 S. 1 SaRegG soll durch die Schaffung eines zentralen Registers denjenigen Personen, die durch heterologe Verwendung von Samen bei einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung gezeugt worden sind, die tatsächliche Verwirklichung ihres Rechts auf Kenntnis der eigenen ­Abstammung künftig erleichtert werden. Zu diesem Zweck schafft das Gesetz strenge organisatorische und verfahrensrechtliche Voraussetzungen (§ 1 Abs. 2 S. 2 SaRegG). Zu beachten ist, dass die Vorschriften des SaRegG keine Anwendung finden, wenn eine heterologe künstliche Befruchtung ohne ärztliche Assistenz durchgeführt wurde. Damit sind aus dem Anwendungsbereich Fälle von Selbstbefruchtung, zumeist unter Hinzuziehung eines privaten Becherspenders, ausgenommen. b) Kernstück: Auskunftsanspruch des Samenspenderkindes Im Zentrum der neuen gesetzlichen Regelung steht der Anspruch auf Mitteilung der im Register gespeicherten spenderbezogenen Daten, den eine Person, die vermutet, durch ärztlich assistierte Befruchtung mittels Samenspende gezeugt worden zu sein ([Verdachts-]Samenspenderkind479), gegenüber dem BfArM480 durch Antrag481 geltend machen kann (§ 10 Abs. 1, 478  Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über den Spender nach heterologer Verwendung von Samen (Samenspenderregistergesetz – SaRegG), eingeführt durch das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017, BGBl 2017 I, S. 2513. Zu den Inhalten des SaRegG siehe ausführlich auch Frie, NZFam 2018, 817 ff.; Löhnig, StAZ 2017, 353; Taupitz/Theodoridis, MedR 2018, 457 ff.; Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 ff. 479  Terminologie bei Grziwotz, notar 2018, 163 (166). 480  Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Sitz in Bonn. 481  Bei Nichtvollendung des 16. Lebensjahres darf der Anspruch auch durch gesetzliche Vertreter geltend gemacht werden, vgl. § 10 Abs. 3 S. 2 und 3 SaRegG.



C. Folgevereinbarungen237

Abs. 2, Abs. 3 S. 1  SaRegG)482. Mit dem Anspruch auf Auskunftserteilung korrespondiert eine entsprechende Pflicht des BfArM zur Auskunftserteilung (§ 10 Abs. 4 S. 1 SaRegG). Da die Auskunftserteilung sowohl für die Auskunft suchende Person als auch den Spender in der Regel mit psychosozialen Auswirkungen von einigem Gewicht einhergeht483, müssen beide in angemessener Weise auf sie vorbereitet werden. Die Auskunft suchende Person ist auf die Möglichkeit spezifischer Beratung und konkret bestehender Angebote hinzuweisen (§ 10 Abs. 4 S. 2 SaRegG)484, dem Spender wird Gelegenheit geboten, sich auf die Auskunftserteilung einzustellen, indem er über das Begehren vier Wochen im Voraus durch das seine Meldeadresse abfragende BfArM informiert wird (§ 10 Abs. 4 S. 1 und 2 SaRegG). Auch wenn die Information des Samenspenders erfolglos verläuft, erteilt das BfArM Auskunft (§ 10 Abs. 5 S. 4 SaRegG). Der Anspruch auf Auskunftserteilung für ein Kind, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann durch die Eltern als gesetzliche Vertreter geltend gemacht werden (§ 10 Abs. 3 S. 2 SaRegG), was mit Blick auf eine altersangemessene Aufklärung des Kindes über seine Herkunft sinnvoll erscheint485. Danach kann der Anspruch nur durch das Kind selbst geltend gemacht werden (§ 10 Abs. 1 S. 2 SaRegG). Aus welchen Gründen die anspruchsberechtigte Person Auskunft erlangen möchte, ist unerheblich. In Betracht kommt auch eine Beschränkung der Geltendmachung dahingehend, dass sich etwa wegen eines konkreten Verdachts oder anlässlich einer Eheschließung oder Schwangerschaft das Auskunftsbegehren nur auf die Frage der Abstammung oder Nichtabstammung von einem bestimmten Spender bezieht486. Der Auskunftsanspruch besteht für die Dauer der Speicherung fort (§ 10 Abs. 1 S. 3 SaRegG) und kann mehrfach geltend gemacht werden487. Kindern und Enkelkindern steht vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlautes (die „Person, die vermutet durch heterologe Verwendung von Samen bei einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung gezeugt worden zu

482  Krit. DAV, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zum SaRegG, S. 6: Dem Recht auf Kenntnis der Abstammung sei es nicht förderlich, wenn es zu Gunsten des Rechtslaien nicht auch zentral im Abstammungsrecht verankert würde. 483  So schon BT-Drs. 18/11291, 32. 484  BT-Drs. 18/11291, 32. Das bestehende Beratungsangebot wird unmittelbar durch das SaRegG jedoch nicht erweitert. 485  BGHZ 204, 54 (60); Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (64) hatte einen Anspruch des gesetzlichen Vertreters auf Auskunft ab dem 6. Lebensjahr des Kindes vorgeschlagen; siehe auch ders., FamRZ 2017, 1537 (1538). 486  Grziwotz, notar 2018, 163 (166). 487  Grziwotz, notar 2018, 163 (166).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

sein“) kein Auskunftsanspruch zu, auch nicht hinsichtlich weiterer Kinder des Samenspenders als etwaige Halbgeschwister488. Die Gewährleistung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung, von welchem auf freiwilliger Basis Gebrauch gemacht werden kann, entspricht konzeptionell einer gesetzlichen „pull-Lösung“, die im Gegensatz zur „push-Lösung“ steht, welche die Betreffenden im Zusammenhang mit einem Ereignis, beispielsweise einer Eheschließung, mit einer Information konfrontieren würde489. Es darf bezweifelt werden, ob Kinder, die aus einer heterologen Insemination mit Spendersamen stammen, von den intendierten Eltern überhaupt über die Umstände ihrer Entstehung aufgeklärt werden490, zumal der Samenspender häufig nach seiner Ähnlichkeit zum intendierten Vater ausgewählt wird491. Hierin drückt sich der Wunsch nach Integrität der entstehenden Familie aus. Hat das Kind keine Kenntnis von den Umständen seiner Zeugung, wird es von seinem Auskunftsanspruch keinen Gebrauch machen können492. Bestreitet der Samenspender nach einer Kontaktaufnahme, jemals Samen gespendet zu haben, und sind seine Daten auch nicht hinterlegt, steht dem Kind aufgrund des SaRegG kein Anspruch auf Überprüfung der Auskunft im Wege eines DNA-Gutachtens zu493. c) Aufklärung des Spenders, Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten und Übermittlung der Samenproben Die Entnahmeeinrichtung muss bei Gewinnung der Samenproben sicherstellen, dass der Samenspender aufgeklärt worden ist über den Auskunftsanspruch eines Kindes, die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung für die Entwicklung eines Menschen sowie die Möglichkeit einer Beratung über die Folgen einer Samenspende (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SaRegG). Zu dem Hinweis auf die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung zählt ebenso 488  Wellenhofer, MedR 2022, 788 (789); Grziwotz, notar 2018, 163 (166); a.  A. wohl Löhnig, StAZ 2017, 353 (356). 489  Grziwotz, notar 2018, 163 (167). 490  Zur Bedeutung einer frühen Aufklärung vgl. Straub, FamRZ 2023, 12; Jud, NZFam 2020, 369 (371). Das OLG Frankfurt am Main hatte einen Elternteil im Rahmen von § 1666 Abs. 3 BGB zur Aufklärung des Kindes über dessen Abstammung verpflichtet, OLG Frankfurt a. M. FamRZ 2021, 756. 491  Grziwotz, notar 2018, 163 (167). 492  Gleichzeitig könnte eine Aufklärung, die aus entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten sicher sinnvoll ist, ein etwaiges Recht auf Nichtwissen tangieren. Auf diesen Aspekt kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingegangen werden. 493  Schwarz, RNotZ 2022, 421 (440).



C. Folgevereinbarungen239

der Hinweis darauf, dass das Kind frühzeitig und altersangemessen über seinen biologischen Vater aufgeklärt werden sollte494. Weiter ist der Samenspender darüber aufzuklären, dass einerseits die Entnahmeeinrichtung personenbezogene Daten erhebt, speichert, verarbeitet und an das BfArM übermitteln muss (§§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3b i. V. m. 6 Abs. 1 SaRegG) und dass andererseits auch das BfArM seine Daten speichert, wenn der Spendersamen zum Einsatz gekommen ist und ein Kind geboren wird oder wurde, und zur Auskunftserteilung unter Abfrage bei den Meldebehörden und vorheriger Benachrichtigung des Spenders verpflichtet ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a, Nr. 4–6, § 7 Abs. 4 S. 1  SaRegG)495. Schließlich ist der Samenspender über den Ablauf der Auskunftserteilung zu informieren und über die Tatsache, dass er gemäß § 1600d Abs. 4 BGB zu keiner Zeit rechtlicher Vater eines durch seinen Samen gezeugten Kindes werden kann (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und 7 SaRegG). Der Samenspender soll sodann schriftlich die Aufklärung bestätigen (§ 2 Abs. 1 S. 2 SaRegG). Hinsichtlich der personenbezogenen Informationen des Spenders wird zwischen sog. Pflichtangaben (§ 2 Abs. 2 SaRegG), zu denen auch die Spendenkennungssequenz bzw. eindeutige Spendennummer zählt, und zusätzlichen, freiwilligen Angaben (§ 2 Abs. 3 SaRegG) unterschieden, die auf Grundlage einer schriftlichen, jederzeit widerrufbaren Einwilligung gespeichert werden. Die Pflichtangaben sind unverzüglich zu löschen, sofern der Samenspender vor Verwendung widersprochen hat (§ 2 Abs. 4 S. 2 SaRegG). Freiwillige Angaben sind unverzüglich zu löschen, sobald der Spender seine Einwilligung gegenüber der Entnahmeeinrichtung widerrufen hat (§ 2 Abs. 4 S. 3 SaRegG). Zwar besteht offenbar kein Zweifel darüber, dass der Spender freiwillige Angaben auch noch nach der Spende machen kann, etwa nach eigener Familiengründung oder dem Tod seines einzigen weiteren Kindes496. Unklar ist allerdings, ob auch der Wunsch bzw. die Bitte an das Kind, von einer Kontaktaufnahme abzusehen, eintragungsfähig ist; ein Sperrvermerk oder Widerspruch gegen die Kontaktaufnahme kann jedenfalls nicht Eingang in das Register finden, weil die Regelungen des SaRegG zwingendes Recht darstellen und andernfalls das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung beeinträchtigt würde497. Die Entnahmeeinrichtung hat die Daten des Spenders sowie die Information über einen etwaigen Widerruf der Einwilligung an das BfArM zu übermitteln, jedoch erst auf Anfrage des BfArM und 494  Vgl.

Grziwotz, notar 2018, 163 (165). zur Verfassungsmäßigkeit der Benachrichtigung des Spenders gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 SaRegG darüber, dass durch seinen Spendersamen ein Kind gezeugt wurde, Lindner, MedR 2021, 109. 496  Grziwotz, notar 2018, 163 (165) unter Verweis auf BGHZ 204, 54; krit. Helms, FamRZ 2017, 1537 (1538). 497  Grziwotz, notar 2018, 163 (165 f.); auch Helms, FamRZ 2017, 1537 (1539). 495  Krit.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

nach Erhalt der Daten der Befruchtungseinrichtung (§ 6 Abs. 4 i. V. m. § 7 Abs. 2 SaRegG). Dies dient der Vermeidung einer überflüssig großen Datensammlung, ohne dass die entsprechenden Spenderproben zum Einsatz kommen bzw. zur Geburt eines Kindes geführt haben. Die gewonnenen Samenproben dürfen allein an Einrichtungen der medizinischen Versorgung nach § 1a Nr. 9 TPG und nur dann abgegeben werden, wenn der Spender die Aufklärung schriftlich bestätigt hat. d) Aufklärung der Empfängerin und Erhebung sowie Speicherung personenbezogener Daten Die Aufklärung der Empfängerin der Samenspende durch die Befruchtungseinrichtung umfasst im Wesentlichen die gleichen Inhalte wie jene des Samenspenders (§ 4 S. 1 Nr. 1 mit Nr. 4 SaRegG). Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass in diesen Kontext auch der Hinweis darauf gehört, dass das Kind unter Berücksichtigung seines Alters und seiner Entwicklung über die Art der Zeugung informiert werden sollte498. Dies kann unterstützt durch die Inanspruchnahme eines professionellen Beratungsangebotes erfolgen, welches bereits von verschiedenen Einrichtungen und Organisationen angeboten wird und eine Auseinandersetzung mit psychosozialen Aspekten einer heterologen Befruchtung bietet. Auf die Möglichkeit, eine derartige Beratung in Anspruch zu nehmen, muss die Empfängerin der Spende ebenfalls hingewiesen werden (§ 4 S. 1 Nr. 1 SaRegG)499. Von einer gesetzlichen Pflicht zur Aufklärung des Kindes über die Umstände seiner Zeugung hat der Gesetzgeber aber bewusst abgesehen, sodass die Kenntniserlangung maßgeblich vom Willen der intendierten Eltern abhängt500. Die Befruchtungseinrichtung hat vor der Verwendung die personenbezogenen Daten der Empfängerin (Namen, Geburtsdaten, Anschrift) zu erheben und zu speichern (§ 5 Abs. 2 und 3 SaRegG). Darüber hinaus müssen auch die übermittelte eindeutige Spendennummer bzw. Spendenkennungssequenz sowie Namen und Anschrift der liefernden Entnahmeeinrichtung von ihr erhoben und gespeichert werden (§ 5 Abs. 3 SaRegG)501. Die Empfängerin muss über die Datenerhebung und -speicherung, den Umfang der Verarbei498  BT-Drs.

18/11291, 26. auch BT-Drs. 18/11291, 26 f. 500  Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 (124). 501  Werden Samenproben nicht aus Deutschland bezogen, muss die Befruchtungseinrichtung darüber hinaus sicherstellen, dass die liefernde ausländische Entnahmeeinrichtung dem BfArM auf Verlangen die personenbezogenen Daten des Spenders übermitteln wird (§ 5 Abs. 1 S. 2 SaRegG). Krit. hierzu LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 5. 499  Siehe



C. Folgevereinbarungen241

tung der Daten und die Pflicht der Befruchtungseinrichtung zur Übermittlung an das BfArM (§ 4 S. 1 Nr. 2 und 3 SaRegG), sowie über das Verfahren der Auskunftserteilung und den Ausschluss der Feststellung des Spenders nach § 1600d Abs. 4 BGB informiert werden (§ 4 S. 1 Nr. 5 und 6 SaRegG). Auch die Empfängerin muss schriftlich bestätigen, dass sie aufgeklärt wurde und die Inhalte verstanden hat (§ 4 S. 1 und 2 SaRegG). Um die spätere Zuordnung eines Kindes zu einem Spender und damit die Auskunftserteilung sicherzustellen, tritt für die Empfängerin einer Samenspende als Besonderheit eine schriftlich zu versichernde Verpflichtung hinzu, die Befruchtungseinrichtung spätestens drei Monate nach Geburt unter Angabe des Geburts­ datums über die Geburt des Kindes bzw. der Kinder zu unterrichten (§ 4 S. 3 SaRegG). e) Datenerhebung und Informationsübermittlung für den Geburtsfall Um die Auskunftserteilung sicherzustellen, muss die Befruchtungseinrichtung zusätzlich Daten zum Zeitpunkt der Verwendung, dem Eintritt der dadurch herbeigeführten Schwangerschaft und dem errechneten Geburtstermin erheben und speichern (§ 5 Abs. 3 SaRegG). Erhält die Befruchtungseinrichtung Kenntnis von der Geburt des Kindes/der Kinder, hat sie unverzüglich das Geburtsdatum zu speichern (§ 5 Abs. 4 SaRegG) und es zusammen mit der Anzahl der Kinder und den personenbezogenen Daten der Empfängerin an das BfArM zu übermitteln (§ 6 Abs. 1 SaRegG). Bei fehlender Mitteilung muss die Einrichtung zunächst die Information über eine etwaige Geburt bei der Empfängerin erfragen (§ 5 Abs. 5 SaRegG). Erteilt diese auch dann keine Auskunft, hat die Einrichtung die Daten der Empfängerin zusammen mit dem errechneten Geburtstermin spätestens vier Monate nach diesem dem BfArM zu übermitteln, es sei denn, sie hat positive Kenntnis vom fehlenden Erfolg der Befruchtung (§ 6 Abs. 2 und 3 SaRegG). f) Zweckbindung der erhobenen Daten und Aufbewahrungspflicht Sowohl die personenbezogenen Daten von Spender und Empfängerin als auch Daten zur Verwendung des Samens, der Schwangerschaft und der Geburt dürfen nur zum Zwecke der Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung verwendet werden (§ 9 Abs. 1 SaRegG). Die an das BfArM übermittelten Daten werden für einen Zeitraum von 110 Jahren502 im Samenspenderregister gespeichert, sofern es nicht Kenntnis vom Nichteintritt einer 502  Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (64) hatte 80 Jahre vorgeschlagen; Antrag Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und einzelner Abgeordneter, Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Geburt oder dem Widerruf der Einwilligung in die Speicherung der freiwilligen Angaben hat; in diesen Fällen sind die Daten unverzüglich zu löschen (§ 8 SaRegG). g) Ansprüche des Spenders und der Empfängerin Schließlich enthält das Gesetz Berichtigungs- und Auskunftsansprüche des Spenders und der Empfängerin, die jedoch ausschließlich ihre eigenen Daten betreffen (§ 11 SaRegG); der Samenspender hat keinen Anspruch auf Information über ein durch seinen Samen gezeugtes Kind, und zwar auch nicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen503. Umgekehrt steht auch der Mutter kein Anspruch auf Auskunft über die Identität des Samenspenders zu504. Das BfArM muss die Daten des Spenders im Register speichern und ihn über die Speicherung informieren (§ 7 Abs. 4 S. 1 SaRegG). Dies gilt allerdings nur dann, wenn sein Samen zum Einsatz gekommen und zur Geburt eines Kindes geführt hat oder führen wird, da andernfalls eine Eintragung in das Register nicht erforderlich wäre. Insoweit besteht ein Recht des Spenders, über die Speicherung und damit gleichzeitig darüber informiert zu werden, dass durch seinen Samen ein Kind gezeugt wurde. h) Übergangsvorschriften Neben spezifischen Bußgeldvorschriften (§ 12 SaRegG) sind Übergangsvorschriften vorgesehen für Samen, der vor Inkrafttreten des Gesetzes gewonnen, abgegeben oder verwendet worden ist (§ 13 SaRegG). Stichtag ist der 01.07.2018. Die Übergangsvorschriften unterstellen solche Altfälle im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, wie sie für Fälle nach Inkrafttreten des SaRegG gelten sollen. Das bedeutet für die Entnahmeeinrichtung konkret, dass Samen, der vor dem Stichtag gewonnen wurde, danach nur weitergegeben werden darf, wenn – mit Ausnahme der Übermittlung von Daten an das BfArM – sowohl Aufklärung als auch schriftliche Bestätigung über die Kenntnisnahme des Spenders, die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten nachgeholt werden (§ 13 Abs. 1 SaRegG). Für Spenden, die vor dem Stichtag weitergegeben wurden, besteht rückwirkend (gerechnet nach dem Datum der und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung, BT-Drs. 18/7655, 4: mindestens 100 Jahre. 503  Grziwotz, notar 2018, 163 (167). 504  Grziwotz, notar 2018, 163 (167).



C. Folgevereinbarungen243

Gewinnung) eine Pflicht zur Aufbewahrung der Daten für 110 Jahre, sofern diese vorhanden sind (§ 13 Abs. 3 SaRegG). Die Einrichtung der medizinischen Versorgung bedarf hingegen für eine Spende, die vor dem Stichtag gewonnen, aber nach diesem verwendet werden soll, eines eindeutigen Spendercodes und einer schriftlichen Bestätigung der Entnahmeeinrichtung über die Erfüllung der Pflichten aus § 13 Abs. 1 ­SaRegG (§ 13 Abs. 2 SaRegG). Wurden Spenden vor dem Stichtag verwendet, muss auch die Einrichtung der medizinischen Versorgung die Daten der Empfängerin und der Spende rückwirkend 110 Jahre (gerechnet nach dem Datum der Verwendung) aufbewahren (§ 13 Abs. 4 SaRegG)505. Die langen Zeitspannen zur Speicherung der Daten dürften mit einem beachtlichen Aufwand verbunden sein506. Da vor Inkrafttreten des SaRegG keine allgemeinen Vorgaben dahingehend bestanden, wie lange die Daten zur Identität des Spenders von den behandelnden Ärzten aufzubewahren sind, können sich Probleme für die Fälle ergeben, in denen Samen vor Inkrafttreten des SaRegG gewonnen, abgegeben oder verwendet werden soll. Zwar werden sowohl der Entnahmeeinrichtung als auch der Einrichtung der medizinischen Versorgung für die Abgabe und Verwendung von Samen, welcher vor Inkrafttreten des Gesetzes gewonnen oder weitergegeben wurde, strenge Vorgaben hinsichtlich der Nachholung bestimmter Handlungen gemacht, die gewährleisten sollen, dass auch für Altfälle das gleiche Schutzniveau besteht. Allerdings gilt die Vorgabe zur Speicherung der relevanten Daten, darunter auch der Spenderidentität, für beide Einrichtungen nur unter der Prämisse, dass „solche Angaben zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vorhanden sind“ (§ 13 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 a. E. SaRegG). Dies ist nicht gesichert, wenn sich Ärzte beispielsweise auf die in einigen Berufsordnungen vorgegebene Dauer von 10 Jahren507 oder auf die sich aus § 15 Abs. 2 TPG ergebende Dauer von 30 Jahren berufen und nach Ablauf dieser Frist einwenden, die Daten seien nicht (mehr) vorhanden. Gleichzeitig kann der behandelnde Arzt ggf. auf Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts und wegen des Verlusts erbrechtlicher Positionen, aber auch auf Ersatz des imma505  Zu den Übergangsvorschriften vgl. Frie, NZFam 2018, 817 (819); Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 (123). 506  BRZ, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung, S. 2 sieht bereits die Frist von 30 Jahren, die das TPG vorgibt und die bisher für diesen Gegenstand maßgeblich waren, als praktisch problematisch. Die 110 Jahre müssten de facto auch eingehalten werden können, dafür brauche es gesetzgeberische Vorkehrungen. 507  Vgl. nur Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachen, § 10 Abs. 3 mit Geltung allerdings für „ärztliche Aufzeichnungen“. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks gehören Angaben zum Spender wohl nicht dazu, vgl. Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (42).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

teriellen Schadens wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts haften, wenn er seine Dokumentationspflicht verletzt508. Denn trotz bis dato fehlender, ausdrücklicher gesetzlicher Regelung dürfte in Deutschland seit langem Einigkeit darüber herrschen, dass die Identität des Spenders vor dem Hintergrund der Bedeutung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung immer dokumentiert werden muss509. Das SaRegG sichert das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft, aber auch die Rechte des Spenders und der Empfängerin durch Bußgelder in Höhe von bis zu 30.000 Euro ab (§ 12 ­SaRegG). i) Kritik Obwohl die Regelungen des neuen Gesetzes in großen Teilen als begrüßenswert erachtet wurden510, sind verschiedene Aspekte des SaRegG kritikwürdig. Das SaRegG ist insbesondere hinsichtlich seines Anwendungsbereichs auf Kritik gestoßen, da dieser auf ärztlich assistierte Befruchtungen unter Verwendung von in Entnahmeeinrichtungen gewonnenem Spendersamen beschränkt ist. Damit bleiben Fälle der Selbstdurchführung der Befruchtung, die insbesondere bei Frauen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen von Bedeutung sind, ebenso ausgeschlossen wie Befruchtungen mit privat gespendetem Samen eines den intendierten Eltern bekannten Mannes511. Das Gesetz fördert die Ungleichbehandlung von Kindern, die aus den letztgenannten Konstellationen hervorgehen, weil ihnen ein Anspruch auf Auskunftserteilung nach dem SaRegG nicht zusteht mit der Folge, dass ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht ebenso gesichert wird512. 508  Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (42). 509  Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (50) m. w. N. 510  Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (284): Erhöhung des Anreizes, die Samenspende in Deutschland ärztlich assistiert durchzuführen und das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung durch das Register auch faktisch zu sichern. 511  Für eine freiwillige Meldung der Spenderdaten in diesen Fällen Schumann, in: Beier/Brügge/Thorn/Wiesemann (Hrsg.), Assistierte Reproduktion (2020), 69 (92); Straub, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (2019), S.  248 f.; Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (144); Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin (2019), S. 65. A. A. Grziwotz, NJW 2022, 3255 (3258) mit Verweis auf Unzulässigkeit. 512  BeckOGK-SaRegG/S. Lange, Bearbeitungsstand 1.11.2022, § 1 SaRegG Rn. 21; Taupitz/Theodoridis, MedR 2018, 457 (463 f.); BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG, S. 4; DAV, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zum SaRegG, S. 7; LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 5. Vgl. auch Coester-Waltjen, FF 2017, 224 (230).



C. Folgevereinbarungen245

Das SaRegG schafft somit entgegen der Intention des Gesetzgebers neue Ungereimtheiten513. Seine Einführung verschleiert die weiterhin bestehende dringende Notwendigkeit einer umfassenden gesellschaftspolitischen Debatte und Meinungsbildung über die künstliche Befruchtung, auf deren Grundlage in einem parlamentarisch legitimierten Prozess eine gesetzgeberische Entscheidung getroffen werden kann514. Dies gilt insbesondere für Fragen der Zulässigkeit bestimmter reproduktionsmedizinischer Modalitäten wie der Frage der Behandlung lesbischer Paare515. Infolge des SaRegG wird ein zweigleisiges System etabliert mit der Folge unterschiedlicher Schutzniveaus für die betreffenden Kinder516. Die im SaRegG etablierte Differenzierung steht dabei im Widerspruch zu den Vorschriften des § 1600 Abs. 4 BGB und § 1 Abs. 2 TPG, in denen eine solche Unterscheidung (ärztlich/nicht ärztlich und offizielle/private Samenspende) nicht angelegt ist517. Einen Lichtblick stellen die Vorhaben der aktuellen Bundesregierung dar, die (ohne dass nähere Details der Ausgestaltung bekannt sind) in ihrem Koalitionsvertrag für die Jahre 2021–2025 vorsieht, das Samenspenderregister auf Fälle privater Samenspenden und auf Embryonenspenden aufzuweiten518. Für die Kritik an dem Feststellungsausschluss des offiziellen Samenspenders (§ 1600d Abs. 4 BGB), welcher ebenfalls im Zuge des SaRegG Eingang in das BGB gefunden hat, wird im Wesentlichen auf die Ausführungen im Rahmen eines etwaigen Verzichts des Spenders auf sein Elternrecht verwiesen519. Das bloße Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung des Kindes ist durch § 1600d Abs. 4 BGB indes nicht gefährdet, weil die vom Feststellungsausschluss betroffenen Spender ihre Daten hinterlegen lassen520.

513  Frie,

S. 2.

514  Vgl.

NZFam 2018, 817 (823); BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG,

auch BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG, S. 5. LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG, S. 6 f. Siehe dazu Kap. 3 D. III. 2., S. 126 ff. 516  A. A. DAV, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zum SaRegG, S. 3: angemessene Beschränkung, weil eine Ausweitung auf sog. Becherspende nicht praktikabel sei. 517  BÄK, Stellungnahme zum RegE zum SaRegG, S. 2. 518  „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 101 f., siehe https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/199081 2/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). 519  Dazu siehe Kap. 4 B. VI. 4., S. 216. 520  Vgl. BT-Drs. 18/11291, 35. 515  Dafür

246

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

3. Auswirkungen auf notarielle Vereinbarungen a) Aufklärung und Dokumentation nach SaRegG durch einen Notar Neben den bisher genannten Inhalten der notariellen Beratung und Gestaltung im Rahmen von Kinderwunschverträgen, die in erster Linie Aspekte rechtlicher Elternschaft betreffen, ist seit Inkrafttreten des SaRegG am 01.07.2018 grundsätzlich auch die Aufklärung und deren Dokumentation durch einen Notar denkbar. Dies betrifft sowohl die Aufklärung des Spenders als auch jene der Empfängerin, d. h. (Leihmutterschaftsfälle ausgeklammert) der intendierten Mutter. Der Gesetzgeber betont im Rahmen der Entwurfsbegründung, dass die Aufklärung des Spenders (§ 2 Abs. 1 SaRegG) bzw. der Empfängerin (§ 5 Abs. 1 SaRegG) entweder in der Entnahmeeinrichtung bzw. der Einrichtung der medizinischen Versorgungen selbst durch geeignetes Personal oder aber auch extern durch Rechtsanwälte oder Notare erfolgen kann521. Dies bietet sich gerade deshalb an, weil sowohl der Spender (§ 2 Abs. 1 S. 2 SaRegG), als auch die Empfängerin (§ 4 S. 2 SaRegG) schriftlich zu bestätigen haben, dass sie aufgeklärt wurden und die Aufklärungsinhalte verstanden haben. Die Empfängerin muss darüber hinaus versichern, dass sie ihrer Verpflichtung, die Einrichtung unter Angabe des Geburtsdatums des oder der Kinder spätestens 3 Monate nach der Geburt zu unterrichten, nachkommen wird (§ 4 S. 3 SaRegG)522. Im Rahmen des notariellen Termins könnte außerdem bereits der nach dem SaRegG vorgesehene Ablauf erörtert werden523. Eine durch einen Notar vorgenommene Aufklärung über die Inhalte des SaRegG widerspräche auch nicht behandlungsrechtlichen Grundsätzen, nach welchen eine Aufklärung durch einen Arzt oder jedenfalls eine Person erfolgen muss, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt (§ 630e Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Vorgaben des SaRegG sind nicht auf den Behandlungsvertrag, sondern in erster Linie auf die Bedeutung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung, auf den Auskunftsanspruch und das Verfahren der Auskunftserteilung, auf Aspekte der Datenerhebung, -verarbeitung und -speicherung und auf den abstammungsrechtlichen Feststellungsausschluss für den Spender nach § 1600d Abs. 4 BGB ausgerichtet. Es schafft darüber hinaus auch keine neuen medizinrechtlichen Vorschriften, sodass in dieser Hinsicht weiterhin das TPG, die TPG-GewV sowie sonstige geweberechtliche Vorgaben maßgeblich sind524. 521  BT-Drs.

18/11291, 23 mit 26. eine Aufklärung jedenfalls der Empfängerin siehe Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 (125). 523  Koch, NotBZ 2019, 20 (22), siehe auch DNotI, Gutachten Abruf-Nr. 165782: jedenfalls schriftliche Dokumentation der Beratung. 524  BT-Drs. 18/11291, 23. 522  Für



C. Folgevereinbarungen247

b) Unzulässigkeit von Klauseln zur Sicherung der Spenderanonymität Aufgrund des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG dürfen Klauseln, die dieses Recht missachten oder seine faktische Durchsetzung verhindern, nicht Gegenstand notarieller Kinderwunschvereinbarungen sein. Dies betrifft in erster Linie Vereinbarungen der intendierten Eltern untereinander, aber auch Verträge mit dem behandelnden Arzt und dem Samenspender über die Zusicherung dessen Anonymität525. Gleichzeitig sind Vereinbarungen der intendierten Eltern unzulässig, die gegenüber dem Kind auf eine Geheimhaltung der Tatsache, dass die Kinderwunscherfüllung durch den Einsatz von Spendersamen erfolgte, gerichtet sind526. Für Konstellationen privater Spenden kann im Ergebnis trotz fehlenden gesetzlich geregelten Auskunftsanspruchs nach dem Vorbild von § 10 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 SaRegG nicht anderes gelten. Von besonderer Bedeutung sind in diesen Fällen Auskunftsansprüche gegenüber den intendierten Eltern auf Nennung der Identität des Spenders, wie sie bereits in Fällen natürlicher Zeugung bejaht worden sind527. 4. Ergebnis Der nunmehr im SaRegG geregelte Anspruch des Kindes gegenüber dem Spenderregister auf Information über die Identität des Spenders erhöht die Durchsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Für Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs des SaRegG, d. h. insbesondere private Spenden, bleiben hingegen Auskunftsansprüche gegen die intendierten Eltern relevant, zumal eine rechtsfolgenlose Feststellung gegenüber einem mutmaßlichen leiblichen Vater nach geltender Rechtslage nicht in Betracht kommt. Unabhängig davon sind Kinder, deren Existenz auf eine Samenspende zurückgeht, allerdings weiterhin in jedem Fall davon abhängig, dass ihnen die intendierten Eltern die Umstände der Zeugung überhaupt erst offenlegen. Auf Grundlage der im SaRegG geregelten Pflichten zur Aufklä525  OLG Hamm NJW 2013, 1167 (1168); Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 85; ders., NJW 2022, 3255 (3258); Schwarz, RNotZ 2022, 421 (429); Dethloff/ Gerhardt, ZRP 2013, 91 (92); Volmer, BWNotZ 1998, 156; durchaus krit. Enders, NJW 1989, 881 (884). 526  Grziwotz, notar 2018, 163 (168); ders., FF 2013, 233 (236, 238), aber: kein Anspruch auf Information über Einzelheiten des Befruchtungsvorgangs; Raude, RNotZ 2019, 451 (454). 527  BVerfGE 96, 56; schon BVerfG NJW 1988, 3010 (Nichtannahmebeschluss). Zur Problematik der einfachrechtlichen Anspruchsgrundlagen siehe Köppen, Samenspende und Register (2020), S. 373–379; Coester-Waltjen, FF 2017, 224 (229 f.); Schmidt, NZFam 2017, 881 (884).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

rung von Spender und Empfängerin sowie der schriftlichen Bestätigung dieser Aufklärung kommt eine notarielle Mitwirkung im Rahmen der Samenspendevereinbarung in Betracht. Nach hier vertretener Auffassung ist eine Beurkundung des Verzichts des Spenders vorzugswürdig528. Die Aufklärung der intendierten Mutter ließe sich wiederum in einem Termin mit der Beurkundung der Einwilligung in die heterologe Befruchtung vor dem Notar vornehmen. Vereinbarungen unter Erwachsenen, welche das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung vereiteln sollen, sind für jegliche Form der Befruchtung unzulässig. Entsprechende Abreden darf der Notar daher nicht beurkunden. Außerdem muss beachtet werden, dass die Inanspruchnahme von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen im Ausland oder der Bezug von Spendersamen aus dem Ausland, etwa aus Dänemark, wo für den Spender weiterhin die Möglichkeit besteht, gegenüber dem Kind anonym zu bleiben, weiterhin eine Gefahr der Umgehung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung darstellen529. Dem kann allein durch eine verstärkte Sensibilisierung in der Gesellschaft für die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Herkunft abgeholfen werden.

II. Kindesunterhalt Neben Fragen der Elternzuordnung und der Wahrung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung kommt auch unterhaltsrechtlichen Aspekten in der notariellen Beratung und Gestaltung eine wesentliche Bedeutung zu. Grundsätzlich sind geradlinig miteinander verwandte Personen einander zu Unterhalt verpflichtet (§ 1601 BGB). Dabei ist die rechtliche, nicht die biologische oder soziale Verwandtschaft ausschlaggebend530. Klassischerweise wünschen die Beteiligten in Konstellationen einer Samenspende, dass zum einen der intendierte Vater auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Verantwortung für das Kind übernimmt (dazu unter Punkt 1.). Zum anderen soll der private Samenspender von der Unterhaltspflicht, die ihn bei gerichtlicher Feststellung seiner rechtlichen Vaterschaft treffen würde, freigestellt werden (dazu unter Punkt 2.). Kein Gegenstand der folgenden Ausführungen sind sämtliche (Unterhalts-)Vereinbarungen des intendierten Vaters zu Gunsten der Mutter (Grund: kein Fall von Kindesunterhalt), etwa wegen der Betreuung des Kindes oder im Falle einer Trennung.

528  Siehe

Kap. 4 B. VI. 3. und 6., S. 213, 226. ZfPW 2017, 257 (271 f.). 530  Staudinger2018/Klinkhammer, § 1601 BGB Rn. 7. 529  Spickhoff,



C. Folgevereinbarungen249

1. Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrags zu Gunsten des Kindes infolge der Abgabe der Einwilligung nach § 1600 Abs. 4  BGB Um zu vermeiden, dass sich der in die heterologe Insemination einwilligende Mann nach der Geburt des Kindes seiner zuvor zugesagten Verant­ wortungsübernahme entzieht, hat die Rechtsprechung bereits vor Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB angenommen, in seiner Einwilligung liege regelmäßig ein konkludenter, von familienrechtlichen Besonderheiten geprägter Vertrag zugunsten des Kindes, aus welchen vertragliche Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind abzuleiten sind531. a) Wirksame Einwilligung bei späterer Ehelichkeitsanfechtung vor Schaffung von § 1600 Abs. 4 BGB Die Grundsätze vom durch die Zustimmung zur heterologen Insemination begründeten Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes gehen auf ein Urteil des BGH vom 03.05.1995 zurück532. Diesem lag eine Klage von Kindern auf vertraglichen Unterhalt gegen den Ehemann der Kindesmutter zugrunde. Zuvor hatte das frühere Ehepaar im Rahmen eines Vordrucks, welcher von der betreffenden Klinik bereitgestellt wurde, in eine ärztlich assistierte heterologe Insemination eingewilligt. Das Paar verpflichtete sich, das Kind in jeglicher Hinsicht als eheliches anzusehen. Darüber hinaus verpflichtete sich der Mann, die Ehelichkeit des Kindes später nicht anzufechten. Etwa drei Monate nach Eintritt einer Schwangerschaft erklärte der Mann gegenüber der Klinik, dass er mit weiteren Befruchtungsversuchen an seiner Frau nicht einverstanden sei; ob der Mann seine Einwilligung schon vor diesem Zeitpunkt wirksam widerrufen hatte, blieb zwischen den Beteiligten streitig. Nach Geburt der Kinder wurde die Ehe geschieden. Im Vorfeld dieser Unterhaltsklage hatte der Ehemann eine Ehelichkeitsanfechtungsklage betrieben, in deren Rahmen die Nichtehelichkeit der Kinder rechtskräftig festgestellt wurde. Das Gericht hat dem Unterhaltsbegehren der Kinder stattgegeben. Es bestätigte die Ausführungen des Berufungsgerichts, welches annahm, in dem Einverständnis des Mannes liege zugleich ein von familienrechtlichen Besonderheiten geprägter, berechtigender Vertrag zu Gunsten der aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kinder (Vertrag zu Gunsten des nondum conceptus, vgl. § 331 Abs. 2 BGB), mit welchem sich der beklagte Mann verpflichte, für den Unterhalt dieser Kinder wie ein leiblicher ehelicher 531  Vgl.

dazu Kap. 4 B. V. 2. d) bb), S. 170. DNotZ 2005, 707 (708); BGHZ 129, 297; BGH NJW 1995, 2031.

532  BGH

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Vater zu sorgen533. Vom Umfang entspricht die vertragliche Unterhaltspflicht der gesetzlichen gemäß §§ 1601 ff. BGB. Die Annahme eines Vertrages zu Gunsten des Kindes sollte verhindern, dass das Kind infolge der zum damaligen Zeitpunkt noch möglichen Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch sämtlichen finanziellen Rückhalt durch den einwilligenden Mann verliert534. b) Wirksame Einwilligung bei fehlender späterer Vaterschaftsanerkennung nach Schaffung von § 1600 Abs. 4 BGB Etwa zwei Jahrzehnte nach Entwicklung der Grundsätze über den konkludenten Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes bestätigte der BGH seine Rechtsprechung. Einem Urteil vom 23.09.2015535 lag erneut eine Unterhaltsklage von Kindern zugrunde, die im Rahmen einer künstlichen heterologen Befruchtung gezeugt worden waren. Der beklagte Mann und die Mutter lebten zum Zeitpunkt der Zeugung in einer intimen Beziehung, jedoch ohne ehelichen Trauschein oder häusliche Gemeinschaft. Aufgrund eigener Zeugungsunfähigkeit willigte der Beklagte in eine heterologe Insemination ein und erklärte, er werde für alle aus der Schwangerschaft resultierenden Folgen einstehen. Die Befruchtung wurde vom Hausarzt durchgeführt und hatte im dritten Versuch Erfolg. Den Spendersamen beschaffte der Beklagte selbst. Von einer Vaterschaftsanerkennung nahm der Beklagte nach der Zeugung hingegen Abstand. Bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt handelt es sich um den spiegelbildlichen Fall zur Situation der vorangegangenen Entscheidung aus dem Jahr 1995. Während damals die Beendigung einer kraft Ehe etablierten rechtlichen Vaterschaftszuordnung angestrebt wurde, ging es nun um die Nichtbegründung einer rechtlichen Vaterschaft in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, obwohl zuvor die Partner in beiden Fällen in die heterologe Insemination eingewilligt und ihre Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme erklärt hatten. Die Kinder sind in beiden Fällen in gleichem Umfang schutzwürdig. Der Senat gab der Klage statt und bestätigte die zum Vertrag zu Gunsten des Kindes entwickelten Grundsätze536. Sie sind insbesondere dann von großer Bedeutung für die finanzielle Absicherung des Kindes, wenn eine frühzeitige rechtliche Vaterschaft einschließlich gesetzlicher Unterhaltspflichten nicht etabliert werden kann.

533  BGHZ

129, 297 (302). dazu Kap. 4 B. V. 1. a), S. 161. 535  BGHZ 207, 135. 536  BGHZ 207, 135 (138). 534  Siehe



C. Folgevereinbarungen251

Darüber hinaus sind die Ausführungen der Entscheidung unter weiteren Aspekten von Bedeutung. Zum einen muss die Rechtsprechung für ehelich geborene Kinder auf die von nicht verheirateten intendierten Eltern vereinbarte künstliche heterologe Zeugung übertragen werden537. Außerdem sei § 1600 (jetzt) Abs. 4 BGB, so der Senat, nicht dahingehend zu verstehen, dass sich im Falle eines nicht verheirateten Paares nur bei Vorliegen der Einwilligung und einer zusätzlichen Vaterschaftsanerkennung für den Mann Rechtsfolgen ergäben. Zwar bezwecke § 1600 Abs. 4 BGB die Sicherung eines bereits erworbenen rechtlichen Status (wohingegen der Vertrag zu Gunsten Dritter auf wirtschaftliche Sicherung abzielt). Da das KindRVerbG jedoch die Rechtstellung des Kindes ausschließlich verbessern sollte, könne aus der Zweckrichtung nicht gefolgert werden, dass ein Kind aus einer heterologen Insemination, das keinen zu sichernden Status erlangt hat, weniger schutzwürdig sei und ihm keine vertraglichen Unterhaltsansprüche zustünden538. Das OLG Brandenburg hat die Grundsätze über den konkludenten Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes jüngst auch für den Fall bestätigt, dass ein Kind, welches anlässlich einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen geboren wurde, der nichtehelichen Partnerin der Mutter gegenüber, welche ihre Einwilligung erteilt, die Stiefkindadoption aber nicht betrieben hatte, Unterhaltsansprüche geltend gemacht hat539. c) Fehlende bzw. unwirksame Einwilligung Daran anschließend stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze des Unterhaltsvertrags zu Gunsten Dritter im Falle einer fehlenden bzw. unwirksamen Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung. aa) Nicht abgegebene Einwilligung und fehlende Geschäftsfähigkeit Von einer fehlenden Einwilligung ist die Rede, wenn der Mann schon in tatsächlicher Hinsicht keine Zustimmungserklärung abgegeben hat oder seine Erklärung nicht den gestellten Anforderungen genügt. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass die Einwilligung eine Willens- oder 537  BGHZ 207, 135 (142). Vgl. aus der Literatur auch Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (264). Letztlich auch relevant für Kinder, die nach Ehescheidung geboren werden, Roth, DNotZ 2003, 805 (817). 538  BGHZ 207, 135 (143). 539  OLG Brandenburg NJW 2021, 1889.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

jedenfalls eine rechtsgeschäftliche Erklärung ist540, läge sie nicht vor, wenn wesentliche Merkmale des Tatbestands wie der Rechtsbindungswille fehlten oder wenn der Einwilligende gar geschäftsunfähig wäre. So hat das OLG Karlsruhe eine Unterhaltspflicht des Mannes aus Vertrag abgelehnt, und zwar in einem Fall, in welchem der Lebenspartner der Mutter das aus einer heterologen Insemination stammende Kind nach § 1592 Nr. 2 BGB zwar anerkannt, zuvor aber unstreitig nicht sein Einverständnis in die Befruchtung erteilt und auch seine spätere Verantwortungsübernahme nicht versichert hatte. Die Anerkennung allein, so das Gericht, begründe noch keinen Unterhaltsvertrag541. In einem anderen Verfahren vor dem OLG Karlsruhe542, dem die Frage zugrunde lag, ob die Mutter aufgrund wirksamer Einwilligungen nach § 1600 Abs. 4 BGB von der Anfechtung der Vaterschaft ausgeschlossen ist, wurde das Vorliegen einer Einwilligung ebenfalls verneint. Zwischen der Frau und dem Mann war streitig, ob der Mann eine dem Einverständnis entsprechende Erklärung abgegeben hat. Das Gericht war aufgrund der Umstände (die Bekanntschaft war erst wenige Wochen alt, eine häusliche Gemeinschaft bestand nicht, die Frau hatte bereits zuvor auf eigene Initiative eine Hormonbehandlung begonnen) zu der Überzeugung gelangt, dass die Mitteilung der Frau über die Befruchtung eine reine Information gewesen ist und der Mann aus der Sicht eines objektiven Betrachters nicht beabsichtigte, rechtlicher Vater zu werden. Es fehle an einem Rechtsbindungswillen bzw. an einem finalen Zusammenhang zwischen Zustimmung und der Vornahme der Befruchtung543. Entsprechend liegt auch ein Rechtsbindungswille, der auf einen Vertrag zu Gunsten des Kindes gerichtet sein könnte, nicht vor. Ist der einwilligende Mann geschäftsunfähig, muss auch die Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrags zu Gunsten des Kindes abgelehnt werden. Stellt sich das Fehlen der Geschäftsunfähigkeit erst nachträglich heraus, sollte es dem Mann möglich bleiben, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen544. bb) Unwirksame Einwilligung Weiter ist fraglich, ob auch im Falle einer unwirksamen Einwilligung ein Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes anzunehmen ist. Unwirksam ist eine Einwilligung, wenn sie wirksam angefochten oder widerrufen worden 540  Siehe

S. 164 ff., insb. S. 178. Karlsruhe FamRZ 2014, 313. 542  OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150. 543  OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150 (1151 f.). 544  Zur Anpassung infolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage siehe sogleich Kap. 4 C. II. 1. d), S. 254. 541  OLG



C. Folgevereinbarungen253

ist. Soweit ersichtlich hat sich die Rechtsprechung bisher nicht dazu geäußert, ob in diesen Fällen von einem Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes auszugehen ist. Wenn die Einwilligung in die heterologe Insemination aber auf dem Gedanken fußt, die Mitwirkung des Mannes in eine rechtliche und finanzielle Verantwortungsübernahme zu überführen, besteht in Fällen, in denen sich der Einwilligende in von der Rechtsordnung gebilligter Weise von einer solchen Verantwortungsübernahme lossagen kann, keine Grundlage, auf welcher er durch die Annahme eines Unterhaltsvertrags weiter an seine Erklärung gebunden werden könnte. cc) Nachträgliche Zustimmung Denkbar ist schließlich noch der Fall, dass der Mann eine erfolgreich durchgeführte heterologe Befruchtung nachträglich billigt, die Frau deshalb einen zulässigen Schwangerschaftsabbruch unterlässt, der Mann aber letztlich nicht die Verantwortung für das Kind übernehmen möchte, d. h. konkret eine Vaterschaft kraft Ehe anficht oder von einer Anerkennung absieht545. Weil Einwilligung im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB nur die vorherige, nicht aber auch die nachträgliche Zustimmung meint (arg. § 183 S. 1 BGB), bleibt bei nachträglicher Zustimmung mangels Einwilligung im Sinne der Vorschrift die Anfechtung der Vaterschaft nach aktueller Rechtslage möglich. Recht­ liche Bindungen entfallen. Fraglich ist, ob in dieser Konstellation ein vertraglicher Unterhaltsanspruch zu Gunsten des Kindes angenommen werden muss. Es ergibt sich im geschilderten Fall auf den ersten Blick nämlich eine ähnliche Interessenlage, wie sie vor der Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB bestanden hat: Trotz Abgabe einer Einwilligungserklärung konnte der Einwilligende die Vaterschaft anfechten und sich so von seiner zuvor bekundeten Verantwortungsübernahme lösen. Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1995 betont, dass die besonderen Zeugungsumstände in Kombination mit der Tatsache, dass der Einwilligende sein Einverständnis in dem Wissen erteilt, niemals biologischer Vater des Kindes sein zu können, die Annahme eines Vertrags zu Gunsten des Kindes rechtfertigen. Es sei aus Sicht des Mannes eine Vaterschaft kraft Willensakt, wobei erst durch die Erklärung das Kind entstehe. Auf diese Weise gebe er der Frau gegenüber zu erkennen, dass er – weil eine biologische Vaterschaft ausscheidet – in jeder anderen Hinsicht die Verantwortung übernehmen wolle, einschließlich in Form einer vertraglichen Unterhaltspflicht546. 545  Vgl.

546  Vgl.

Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (930). Kap. 4 B. V. 2. d) bb), S. 170 und Kap. 4 C. II. 1., S. 249 ff.

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Genehmigt der Mann eine bereits erfolgreich durchgeführte Insemination und kommt es dann zur Geburt des Kindes, weil die Mutter aufgrund des Einverständnisses des Mannes einen rechtlich erlaubten Schwangerschaftsabbruch unterlassen hat, besteht aber kein Zusammenhang zwischen seiner Genehmigung und der Entstehung des Kindes, weil dieses im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits gezeugt war. Es fehlt damit an einer grundlegenden Voraussetzung für die Annahme des Unterhaltsvertrags. Durch die Erklärung des Mannes wird die Existenz des Kindes vielmehr „nur“ aufrechterhalten. Die Zeugung selbst hingegen geht auf einen vorherigen, alleinigen Entschluss der Frau zurück, die deshalb auch nicht davon ausgehen durfte, ihr Partner werde die Verantwortung für das mit Spendersamen gezeugte Kind übernehmen. Hierin unterscheidet sich die geschilderte Beispielskonstellation von den Fällen vor Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB, über die die Rechtsprechung zu entscheiden hatte und in denen stets die vor der Befruchtung liegende Zustimmung in Rede stand. Somit sind das Maß der durch den Mann beabsichtigten Verantwortungsübernahme und deren Erkennbarkeit für die Frau in den geschilderten Situationen nicht vergleichbar. Deshalb ist bei nachträglicher Billigung und Lossagung von übernommener Verantwortung nicht zwingend allein schon deshalb ein Unterhaltsvertrag anzunehmen, weil die Rechtsprechung dies für Fälle von vorheriger Zustimmung mit späterer Anfechtung getan hat. Die Bedeutung des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen vorheriger Zustimmungserklärung und Zeugung zeigt sich darüber hinaus darin, dass eine Vaterschaftsanerkennung als nach der Zeugung liegende Erklärung die Annahme eines Unterhaltsvertrags nicht legitimiert547, mag sie auch ebenso ein Ausdruck von Verantwortungsübernahme sein und gesetzliche Unterhaltsansprüche begründen. Die nachträgliche Zustimmung des Mannes, der zum Unterlassen eines rechtlich möglichen Schwangerschaftsabbruchs führt, rechtfertigt aus den genannten Gründen die Annahme eines Unterhaltsvertrags nicht548. d) Anpassung der Unterhaltspflicht infolge eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage Ein Paar, das in eine heterologe Insemination einwilligt, geht in der Regel davon aus, dass sich die Herkunft des Samens und die Umstände der Zeugung nicht auf die Beziehung zu dem Kind nach dessen Geburt auswirken, sie also jenen zwischen Eltern und ihren biologischen Kindern entspricht. Dies betrifft die sog. Geschäftsgrundlage. Nach ständiger Rechtsprechung 547  OLG

Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314). Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 17; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (940). 548  A. A.



C. Folgevereinbarungen255

bilden die bei Vertragsschluss bestehenden, gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut, die Geschäftsgrundlage549. Es geht um Vorstellungen, die nicht schon Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden sind550. Entfällt die Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss oder ergibt sich, dass sie von Anfang an fehlte, kommt eine Anpassung oder gar Aufhebung des Vertrages in Betracht, um bei Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit dem Interesse der dadurch begünstigten Partei an dem Bestand des Vertrags Rechnung zu tragen, gleichzeitig aber der benachteiligten Partei, der ein Festhalten unter den geänderten Umständen nicht zumutbar ist, eine Änderung oder gar Beendigung des Vertragsverhältnisses zu ermöglichen551. Dies gilt insbesondere bei Unterhaltsverträgen552. Bis zur gesetzlichen Fixierung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage in §§ 313, 314 BGB in Folge der Schuldrechtsreform im Jahr 2002553 war das Institut gewohnheitsrechtlich anerkannt und dogmatisch in § 242 BGB verortet554. Die aus dem Unterhaltsvertrag für den einwilligenden Mann resultierende Verpflichtung für das Kind entfällt nicht bereits bei Scheitern der Ehe oder der nichtehelichen Beziehung des intendierten Elternpaares, einer fehlenden Hausgemeinschaft; sie entfiel früher auch nicht pauschal und in jedem Fall mit der Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes durch rechtskräftiges Statusurteil555. Anderes ergibt sich aber, wenn neben der Beendigung der Statusbeziehung auch die persönliche Bindung zwischen Kind und Mann auf die Unterhaltspflicht reduziert wird und der Mann fortan nur noch als anonymer Zahlvater fungieren würde. Dies ist ihm nicht zuzumuten556. Dies gilt jedenfalls, sofern nicht der Mann selbst die Anfechtung betrieben und so die Störung der Geschäftsgrundlage verursacht hat557. Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass derjenige, der selbst die Änderung der Ver549  Aus der jüngeren Rechtsprechung BGH NJW 2017, 2191 (2192) m.  w. N.; BGHZ 182, 218 (224 f.); 121, 378 (391) m. w. N.; schon RGZ 103, 328 (332). 550  MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 BGB Rn. 57. 551  Siehe nur MünchKommBGB/Finkenauer, § 313 BGB Rn. 1 f. 552  BGHZ 129, 297 (309). 553  Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001, BGBl 2001 I, S. 3138. 554  Erman/Böttcher, § 313 BGB Rn. 2. 555  BGHZ 129, 297 (310). 556  BGHZ 129, 297 (309); BGH NJW 1995, 2031 (2032); OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (315). 557  BGHZ 129, 297 (310).

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Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

hältnisse bewirkt hat, aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Rechte herleiten können soll558. Die Anfechtung ist nach aktueller Rechtslage für den Mann aber nach § 1600 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. Hat dagegen die Mutter oder das Kind (vertreten durch die Mutter), möglicherweise sogar trotz erkennbarer Bemühungen des Mannes, die rechtlichen und persönlichen Beziehungen zu dem Kind aufrechtzuerhalten, die Anfechtung betrieben, so kann sich der Mann erfolgreich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen559. Dies muss wohl genauso für den spiegelbildlichen Fall gelten, dass eine Vaterschaftsanerkennung durch den Mann an der nicht erteilten Zustimmung der Mutter scheitert560 oder ein Dritter mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennt561. e) Notarielle Beratung und Gestaltung Der Notar hat die Beteiligten in jedem Fall darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung schon der Abgabe der Einwilligung eine konkludente Unterhaltsverpflichtung entnimmt. Auch wenn der BGH betont, dass die Unterhaltsvereinbarung wie schon die Einwilligung in die Insemination keiner Form unterliegen soll562, empfiehlt es sich, diese Pflicht in der Kinderwunschvereinbarung eindeutig vertraglich zu fixieren, um den Beteiligten die Reichweite ihrer Entscheidung und auch die finanzielle Dimension vor Augen zu führen563. Die Empfehlung zur Fixierung des vertraglichen Unterhaltsanspruchs im Rahmen der notariellen Kinderwunschvereinbarung gilt in besonderem Maß für gleichgeschlechtliche Frauenpaare, weil § 1600 Abs. 4 BGB auf sie nicht anwendbar ist564. Dadurch kann nicht von einem konkludenten Unterhaltsvertrag der Partnerin der Mutter zu Gunsten des Kindes ausgegangen werden. Vielmehr sollte eine Unterhaltsverpflichtung zugunsten des Kindes ausdrücklich aufgenommen werden. Allerdings kann dem Notar mangels gesetzlicher Regelung über die Zulässigkeit der ärztlich assistierten heterologen Befruch558  BGH NJW 2011, 989 (991 f.); BGHZ 129, 297 (310); BGH NJW-RR 1993, 880 (881 f.). 559  BGH NJW 1995, 2031 (2032); bei unterstelltem Unterhaltsvertrag so auch OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 313 (314). 560  Side, FamRB 2015, 448 (449). Außerdem fraglich, ob der Unterhaltsanspruch ganz entfällt, wenn die Mutter im eigenen Namen die Vaterschaftsanfechtung betreibt, BNotK, DNotZ 1998, 241 (246). 561  Roth, DNotZ 2003, 805 (818). 562  BGHZ 207, 135 (140 f.): keine höheren Hürden als für die noch weitreichendere Erklärung des § 1600 Abs. 5 [heute 4] BGB. 563  Koch, NotBZ 2019, 20 (23); Raude, RNotZ 2019, 451 (458). 564  Schwarz, RNotZ 2022, 421 (438); dazu siehe auch Kap. 4 B. II. 4., S. 150 ff.



C. Folgevereinbarungen257

tung bei Frauenpaaren ein Ablehnungsrecht hinsichtlich der Beurkundung zukommen565. Sollte der Notar die Beurkundung vornehmen, so wird die Unterhaltsvereinbarung trotz etwaiger Unwirksamkeit anderer Abreden wohl rechtlich Bestand haben, weil sie dem Kind letztlich ausschließlich zugutekommt (§ 139 BGB). Dies dürfte selbst dann gelten, wenn der Notar gegen Berufsrecht verstößt und im Falle einer privat durchgeführten künstlichen Befruchtung beurkundet566. Einige Einrichtungen bieten auch alleinstehenden Frauen die Möglichkeit der Spendersamenbehandlung an, wobei zum Teil eine sog. Garantieperson vorausgesetzt wird, welche zusammen mit der Mutter die Klinik und Ärzte von etwaigen Unterhaltsansprüchen des Kindes freistellen soll567. Grundsätzlich ist dann ebenso denkbar, dass sich diese Garantieperson vertraglich verpflichtet, für den Unterhalt des Kindes aufzukommen568. Im Wesentlichen bestehen aber hier seitens des Notars die gleichen Bedenken wie für die Befruchtung gleichgeschlechtlicher Frauenpaare569. f) Zwischenergebnis Die Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrags zu Gunsten des Kindes, das aus der heterologen Insemination hervorgeht, stellt eine Hilfskonstruktion der Rechtsprechung dar, welche nach alter Rechtslage zu Gunsten des Kindes jedenfalls die wirtschaftlichen Folgen eines Statusverlusts mildern sollte570. Auch unter der geltenden Rechtslage behält die Annahme des konkludenten Unterhaltsvertrags ihre Berechtigung. Schutzlücken bleiben allerdings auch hier bestehen, wenn etwa die Einwilligung fehlerbehaftet ist oder der einwilligende Mann verstirbt; außerdem deckt der konkludente Vertrag allein Unterhaltsansprüche, nicht aber auch Erbansprüche und andere Ansprüche des Kindes ab571. Insofern bleiben Defizite und Unsicherheiten im Verhältnis zu den Rechtswirkungen einer rechtlichen Eltern-Kind-Bezie565  Siehe

schon Kap. 3 D. III., S. 122 ff. notar 2018, 163 (172): denkbar allenfalls Unterhaltsverpflichtungen und erbrechtliche Abreden zu Gunsten des Kindes. 567  Cryobank München (https://www.cryobank-muenchen.de/donogene-insemina tion/im-besonderen/singles-und-kinderwunsch; zuletzt abgerufen am 27.11.2022). 568  Krit. Raude, RNotZ 2019, 451 (459) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zur Angehörigenbürgschaft und der Gefahr einer Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). 569  Es dürfte aber grundsätzlich nicht der Regel entsprechen, dass eine zweite Person, die nicht rechtlicher Elternteil werden soll, sich neben der alleinstehenden Frau als Unterhaltsschuldner zur Verfügung stellt. 570  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (925). 571  Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1600 BGB Rn. 7. 566  Grziwotz,

258

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

hung. Dies gilt auch für Konstellationen gleichgeschlechtlicher Frauenpaare und alleinstehender Frauen. 2. Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten des Samenspenders Die Einwilligung der intendierten Eltern in die Befruchtung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB begründet neben dem unterhaltsrechtlichen Vertrag zu Gunsten des Kindes nicht gleichzeitig auch eine Freistellung des Samenspenders. Soll dieser vor unterhaltsrechtlichen Ansprüchen des Kindes geschützt werden, was regelmäßig gewünscht sein wird, wenn der Spender an einer Verantwortungsübernahme für das Kind kein Interesse hat, kommt nur eine explizite Vereinbarung hierüber in Betracht572. a) Reichweite der Vertragsautonomie Die Freistellung kann zwischen den intendierten Eltern selbst oder zwischen dem Elternpaar und der reproduktionsmedizinischen Einrichtung bzw. dem Reproduktionsmediziner vereinbart werden. Mit ihr verpflichten sich die Eltern, den Samenspender im Wege eines Vertrages zu Gunsten Dritter (§ 328  BGB)573 von den Unterhaltsansprüchen (und ggf. Pflichtteilsansprüchen) des Kindes freizustellen. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um einen echten, dann nämlich unzulässigen, Ausschluss der Unterhaltsansprüche des Kindes, sondern um die Eröffnung der Möglichkeit für den Spender, sich im Innenverhältnis zu den Eltern bei diesen schadlos zu halten (Regress), sollte das Kind tatsächlich den Spender in Anspruch nehmen574. Zum zusätzlichen Schutz des Spenders kann darüber hinaus vereinbart werden, dass eine Aufhebung oder Änderung der Freistellung nur möglich sein soll, wenn sich aus der Vereinbarung ein Änderungsvorbehalt ergibt, der etwa die Zustimmung des Spenders erforderlich macht575. Eine Beschränkung der Freistellung kann außerdem dann sinnvoll sein, wenn der Spender selbst die gerichtliche Feststellung erwirkt oder die rechtliche Vaterschaft durch eine MittBayNot 2002, 261 (264); Roth, DNotZ 2003, 805 (820). in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (33); Volmer, BWNotZ 1998, 156 (157). Andere Auffassung: Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Spenders, siehe etwa Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (354); BNotK, DNotZ 1998, 241 (251). 574  Palandt/Siede, Einf. v. § 1591 BGB Rn. 18; Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (41); Dethloff/Gerhardt, ZRP 2013, 91 (92); Meier, NZFam 2014, 337 (341). 575  Koch, in: Amend-Traut (Hrsg.), Familie und Recht (2018), 25 (33); BNotK, DNotZ 1998, 241 (246); Volmer, BWNotZ 1998, 156 (157). 572  Eckersberger, 573  Koch,



C. Folgevereinbarungen259

Anerkennung mit Zustimmung der Mutter begründet hat576. Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn ein offizieller Samenspender von dem bei der Spende gefassten Entschluss, keine Elternverantwortung übernehmen zu wollen, abrückt, eine Beziehung zu dem Kind aufbaut und die Mutter mit einer Vaterschaftsanerkennung einverstanden ist577. Die Anfechtung der Vaterschaft des intendierten Vaters durch das Kind, welche die konkludente Unterhaltspflicht des Vaters im Rahmen der Einwilligung nach § 1600 Abs. 4 BGB entfallen lassen kann578, sollte sich auf die Freistellung des Spenders zu dessen Schutz nur im Wege eines Änderungsvertrages auswirken können579. Für den Spender bleibt allerdings insofern ein nicht unerhebliches Restrisiko bestehen, als die Durchsetzung seines Regressanspruchs letztlich von der Leistungsfähigkeit der intendierten Eltern bzw. des intendierten Vaters abhängt580. Dabei ist nicht allein an Fälle des Unvermögen der intendierten Eltern zu denken, sondern auch an die Möglichkeit, dass das Kind gegenüber einem vergleichsweise vermögenderen Spender einen höheren Pflichtteilsanspruch hätte, dem die intendierten Eltern finanziell nicht nachkommen könnten581. b) Auswirkungen des SaRegG Für Kinder, die seit dem 01.07.2018 gezeugt werden, kann der Samenspender nicht mehr als rechtlicher Vater festgestellt und damit auch nicht i. S. d. §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtig werden. Wenn das Kind durch eine ärztlich unterstützte Befruchtung mit Samen gezeugt wurde, der einer Samenbank gespendet wurde, ist eine Freistellungvereinbarung zu Gunsten dieses Spenders seit dem Stichtag deshalb unzulässig582. Bereits getroffene 576  Beck’sches

Formularbuch/Bernauer, Kap. 5 Punkt 27, Anm. 9 und 10. Kap. 4 B. VI. 3., S. 213 ff. 578  Siehe Kap. 4 C. II. 1. d), S. 254. 579  Volmer, BWNotZ 1998, 156 (157). 580  Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (41) mit dem Hinweis darauf, dass sich der Spender möglicherweise wiederum bei der Samenbank schadlos halten könnte, wenn ihn diese nicht über derartige Unwägbarkeiten aufgeklärt hat. Eine unterhaltsrechtliche Aufklärung kann von einer medizinischen Einrichtung en detail jedoch nicht verlangt werden, sodass auch dieser Aspekt letztlich dafür spricht, schon für den Verzicht des Spenders die notarielle Form an­ zuordnen (siehe Kap. 5 D. IV. 6. f) bb), S. 310 ff.); siehe außerdem Meier, NZFam 2014, 337 (341). 581  Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1069); Volmer, BWNotZ 1998, 156 (157). Auch etwaige Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten von medizinischen Einrichtungen oder Ärzten, auf die im Rahmen dieses Untersuchungsgegenstandes nicht näher eingegangen werden kann, wären diesem Einwand ausgesetzt, Beck’sches Formularbuch/ Bernauer, Kap. 5 Punkt 27, Anm. 11; Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1069). 582  Koch, NotBZ 2019, 20 (23). 577  Siehe

260

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten des Spenders sind dann noch relevant, wenn das Kind vor dem Stichtag gezeugt und geboren wurde oder aber außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1600d Abs. 4 BGB gezeugt wur­ de583, d. h. beispielsweise ärztlich assistiert, jedoch mit privat gespendetem Samen584. Auch für Fälle privater Befruchtung sind Freistellungsvereinbarungen zu Gunsten des Spenders von Bedeutung, weil gerade in diesen Fällen nicht kraft Gesetzes verhindert werden kann, dass der Spender gerichtlich als Vater festgestellt wird. Entschließt sich ein gleichgeschlechtliches Frauenpaar zur Inanspruchnahme einer Spendersamenbehandlung, greift § 1600 Abs. 4 BGB de lege lata zwar nicht. Ein Ausschluss des Samenspenders nach § 1600d Abs. 4 BGB hingegen kommt in Betracht, sodass der Spender gerichtlich nicht festgestellt werden kann. Dazu muss das gleichgeschlechtliche Frauenpaar allerdings eine reproduktionsmedizinische Einrichtung finden, welche die Behandlung entgegen aktueller rechtlicher Unsicherheiten585 durchzuführen bereit ist. Für diesen Fall empfiehlt sich neben der vertraglichen Verpflichtung der intendierten Mutter zum Kindesunterhalt nach gesetzlichen Maßstäben ggf. auch die vertragliche Freistellung des Samenspenders von der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch das Kind. c) Fragen notarieller Beratung und Gestaltung Es ist dringend anzuraten, die Unterhaltspflicht ausdrücklich in der notariellen Kinderwunschvereinbarung niederzulegen, um die Tragweite der Entscheidung in finanzieller Hinsicht aufzuzeigen. Die Freistellungsvereinbarung könnte organisatorisch zusammen mit der Beurkundung der Einwilligungserklärung erfolgen. Auch wenn Freistellungsvereinbarungen für Fälle privater Befruchtung bedeutend sind, weil der Feststellungsausschluss gemäß § 1600d Abs. 4 BGB nicht greift, ist zu beachten, dass das ESchG die privat durchgeführte Insemination unter Strafe stellt. An ihr darf ein Notar deshalb ggf. nicht mitwirken und kann gehalten sein, die Beurkundung zu versagen586. Auch bei gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren kann der Notar die Mitwirkung an NZFam 2017, 832 (834). gesundheitliche Risiken für die Beteiligten ausgeschlossen würden, könnte einer solchen Vorgehensweise arztstandesrechtlich kaum etwas entgegengesetzt werden. 585  Siehe Kap. 3 D. III. 2., S. 122 ff. 586  Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (342); Grziwotz, notar 2018, 163 (172): denkbar allenfalls Unterhaltsverpflichtungen und erbrechtliche Abreden zu Gunsten des Kindes; Koch, NotBZ 2019, 20 (23). 583  Schmidt, 584  Sofern



C. Folgevereinbarungen261

Freistellungsvereinbarungen ablehnen, weil die Zulässigkeit bestimmter Personengruppen zur heterologen künstlichen Befruchtung aktuell gesetzlich nicht abschließend geklärt ist; entsprechendes gilt für die Spendersamenbehandlung bei alleinstehenden Frauen mit Garantieperson587. 3. Ergebnis Die Bemühungen der Rechtsprechung, jedenfalls die wirtschaftlichen Folgen einer abstammungsrechtlich nur unzureichend ausgestalteten Situation abzumildern, sind auch unter der geltenden Rechtslage weiterhin von Bedeutung. Der Schutz ist allerdings nicht lückenlos gewährleistet, weil unter bestimmten Umständen eine Anpassung der vertraglichen Unterhaltsverpflichtung in Betracht kommt und sie maßgeblich von der Leistungsfähigkeit des einwilligenden Elternteils abhängt. Es ist dringend anzuraten, die Unterhaltspflicht ausdrücklich in der notariellen Kinderwunschvereinbarung niederzulegen, um auch die enorme Tragweite der Entscheidung in finanzieller Hinsicht aufzuzeigen. Sie könnte organisatorisch zusammen mit der Beurkundung der Einwilligungserklärung erfolgen. Für eine ausdrückliche notarielle Vereinbarung spricht außerdem, dass auch in Konstellationen gleichgeschlechtlicher Frauenpaare oder alleinstehender Frauen mit Garantieperson ein entsprechendes Bedürfnis bestehen kann, dem nicht durch die Rechtswirkungen des § 1600 Abs. 4 BGB entsprochen wird. Gerade für diese Personengruppen erschweren allerdings fehlende gesetzliche Zulässigkeitsregeln eine vertragliche unterhaltsrechtliche Absicherung der Beteiligten unter notarieller Mitwirkung, da der Notar von einem ihm zustehenden Ablehnungsrecht Gebrauch machen kann.

III. Ergebnis Kinderwunschvereinbarungen stellen „hybrid schuld- und familienrecht­ liche“588 Vereinbarungen eigener Art dar, deren Grenzen im Spannungsfeld stehen zwischen Vorgaben des ESchG sowie einem hohen Persönlichkeitsbezug, welcher durch die Entscheidung für die Zeugung eines Kindes auf eine bestimmte Art und Weise zum Ausdruck kommt und eine eingeschränkte Bindungswirkung nach sich zieht. Für die notarielle Mitwirkung an Kinderwunschvereinbarungen bestehen de lege lata erhebliche Rechtsunsicherheiten, weil Zulässigkeitsfragen insbesondere mit Blick auf privat durchgeführte Befruchtungen und auf die Frage, welchen Personenkreisen Spendersamen 587  Cryobank München (https://www.cryobank-muenchen.de/donogene-insemination /im-besonderen/singles-und-kinderwunsch; zuletzt abgerufen am 27.11.2022). 588  Lettmaier/Moes, FamRZ 2018, 1553 (1554).

262

Kap. 4: Inhalt und Grenzen von Kinderwunschvereinbarungen

zugänglich sein soll, nicht abschließend geklärt sind. Gleichzeitig sichern die Vorschriften des Abstammungsrechts die Bedürfnisse der Beteiligten nicht hinreichend ab. Für die rechtliche Elternschaft bleiben Lücken, die auch durch notarielle Vereinbarungen nicht geschlossen werden können, sofern nicht zusätzlich der Gesetzgeber tätig wird589. So sind etwa die Möglichkeit der präkonzeptionellen Anerkennung oder der Verpflichtung zur späteren Begründung der rechtlichen Elternschaft von der höchstrichterlichen Rechtsprechung weder bejaht noch verneint worden. Die notarielle Vertragsgestaltung bietet allerdings gerade wegen der genannten Unwägbarkeiten die Chance, ein höchstmögliches Maß an Rechtssicherheit zu erreichen, indem der Notar den Willen der Beteiligten ermittelt und festhält, außerdem alle Einzelheiten der geplanten Befruchtung in der Urkunde fixiert und die Notwendigkeit flankierender Abreden zum Kindesunterhalt, dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und ggf. Fragen des Sorge- und Umgangsrechts erörtert. Seine Mitwirkung ist auch ohne bestehenden gesetzlichen Formzwang dringend zu empfehlen590.

NZFam 2014, 1065 (1070). auch Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (353 mit 357).

589  Grziwotz, 590  Vgl.

Kapitel 5

Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle nach Samenspende de lege ferenda unter Berücksichtigung der Bedeutung notarieller Mitwirkung Auf die Notwendigkeit einer umfassenden gesetzlichen Rahmengebung vor dem Hintergrund neuer sozialer und insbesondere reproduktionsmedizinischer Entwicklungen wird seit Ende der 1990er Jahre wiederholt eindringlich hingewiesen1. Seitdem sind in der juristischen Literatur zahlreiche Reformvorschläge unterbreitet worden, deren Spektrum von umfassenden Abstammungsrechtsentwürfen bis hin zu Vorschlägen reicht, die einzelne Sachgegenstände betreffen. Das BMJV rief Anfang 2015 den Arbeitskreis Abstammungsrecht ins Leben, dessen Experten rund 2 Jahre später in einem Abschlussbericht Empfehlungen zur Etablierung eines neuen abstammungsrechtlichen Gesamtkonzepts vorlegten. Auf dieser Grundlage veröffentlichte das Ministerium am 12.03.2019 den Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts2. Mittlerweile zeigt sich auch die neue Bundesregierung bemüht, den Weg in Richtung einer Anpassung abstammungsrechtlicher Vorschriften zu ebnen: Ohne auf nähere Details einzugehen sieht der Koalitionsvertrag für die Jahre 2021–2025 u. a. die automatische rechtliche Zuordnung eines Kindes zu einer sog. Mit-Mutter, die Möglichkeit vor der Empfängnis liegender Vereinbarungen zu Elternschaft, die Etablierung eines statusunabhängigen Abstammungsklärungsverfahrens und die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Samenspenderregistergesetzes vor; in Aussicht gestellt wird ferner die Prüfung der Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft3. 1  Insb. Forderungen nach „Fortpflanzungsmedizingesetz“ MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 76; Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S. 18; Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (285); Dethloff/Gerhardt, ZRP 2013, 91 (92); Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin (2019), S. 5 f., 43. Im Jahr 2013 ist der sog. Augsburger-Münchener-Entwurf (AME-FMedG) als Vorschlag für ein Fortpflanzungsmedizingesetz vorgelegt worden, siehe Gassner u. a., AME-FMedG (2013). Siehe Analyse dazu bei Dorneck, Das Recht der Reproduk­ tionsmedizin (2018). 2  Überblick bei Schwonberg, FamRZ 2019, 1303 ff. 3  „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten

264

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Der Diskussionsteilentwurf des BMJV zur Reform des Abstammungsrechts soll im Folgenden als erster umfassender Vorschlag von staatlicher Seite hinsichtlich seiner Tragfähigkeit analysiert werden. Die Untersuchung beschränkt sich dabei auf Sachgegenstände, die mit der rechtlichen Zuordnung nach künstlicher heterologer Befruchtung im Zusammenhang stehen. Zur besseren Übersicht befindet sich im Anhang eine Synopse, welche die wichtigsten geltenden Vorschriften den vorgeschlagenen Regelungen vergleichend gegenüberstellt4. An die Analyse und Bewertung der Reformansätze im Einzelnen schließt eine bewertende Gesamtbetrachtung des Entwurfs. Sie beinhaltet gleichzeitig eine Bewertung der Bedeutung der notariellen Mitwirkung im Rahmen der künstlichen heterologen Befruchtung de lege ferenda. Das BMJV strebt durch die Umsetzung des Diskussionsteilentwurfes eine „moderate Fortentwicklung des geltenden Rechts unter Beibehaltung bewährter Elemente“5 an. Zwar bleibt weiterhin die genetisch-biologische Verwandtschaft zentraler Anknüpfungspunkt für die rechtliche Eltern-Kind-Beziehung, weil sie ein eindeutiges, dauerhaftes und stabiles Band zwischen Eltern und Kind knüpft und sich die rechtliche Zuordnung an ihr deshalb am besten orientiert6. Jedoch sollen daneben soziale und voluntative Elemente künftig gestärkt bzw. „maßvoll ausgeweitet“7 werden8. Für die abstammungsrechtliche Behandlung von Eltern-Kind-Konstellationen nach künstlicher Befruchtung bedeutet dies, dass künftig entsprechend einschlägiger Forderungen ein Festhalten der einwilligenden Person an ihrem Verursachungsbeitrag und ihrem Willen zur rechtlichen Elternschaft beabsichtigt wird9. Intendierte Elternschaft im Falle von künstlicher Befruchtung mit Spendersamen soll der natürlichen Zeugung unabhängig vom Geschlecht und Status der Beziehung der Erwachsenen gleichgesetzt werden, sodass sich diese von ihrer Verantwortung für das gezeugte Kind, dessen Existenz sie durch ihre (FDP), S. 101 ff. und S. 116, siehe https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974 430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf? download=1 (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). Teilweise jüngst wiederholt in „Queer leben“, Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (vom 18.11.2022), S. 4, siehe https://www.bmfsfj.de/re source/blob/205126/857cb513dde6ed0dca6759ab1283f95b/aktionsplan-queer-lebendata.pdf (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). Einen Überblick über jüngere Entwicklungen gibt Straub, FamRZ 2023, 12 f. 4  Siehe S. 376. 5  Ähnlich im Wortlaut bereits BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 14. 6  So auch BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 7 und 8, S. 41. 7  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 19. 8  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 2 mit 19; ebenso BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 7 und 8, S. 41: Einvernehmliche Erklärungen können Ausdruck der Bereitschaft zur Übernahme von Elternverantwortung sein. 9  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 19.



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft265

Entscheidung herbeiführen, ebenso wenig lösen können sollen wie natürliche Eltern10.

A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft I. Mutterschaft, § 1591 BGB 1. Beibehaltung des Status quo Die Entwurfsbegründung stellt klar, dass die Position der rechtlichen Mutter weiterhin gemäß § 1591 BGB der Geburtsmutter zukommen soll, um im Interesse des Neugeborenen eine frühzeitige und sichere Zuordnung zu derjenigen Person herzustellen, zu welcher bereits infolge der Schwangerschaft und Geburt eine biologische und psychosoziale Beziehung entstanden ist11. Die rechtliche Mutterschaft soll auch weiterhin, anders als die Vaterschaft, nicht zur Disposition stehen, insbesondere nicht verzichtbar (etwa im Fall vertauschter Embryonen)12 und nicht anfechtbar sein. Damit liegt der Entwurf auf einer Linie mit der Auffassung des 71. DJT und dem Arbeitskreis Abstammungsrecht13 und bestätigt den gesetzgeberischen Willen, eine gespaltene Mutterschaft zum Schutz des Kindes zu verhindern14. Der Arbeitskreis hatte einstimmig entschieden, dass § 1591 BGB beibehalten und es keine Sonderregelungen für Eizell- oder Embryonenspenden geben solle15, auch wenn die Geburtsmutter nicht die genetische Mutter ist16. Vereinbarungen über die rechtliche Mutterposition, etwa bei einem Vertauschen eines einzusetzenden Embryos, kämen wegen des Ausnahmecharakters dieser 10  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 19  f. Weil aber Konstellationen bestehen, in welche mehr als zwei Personen zur Verantwortungsübernahme bereit sind, wird angeregt, intensiv zu diskutieren, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen eine weitere Position rechtlich gestärkt werden soll und inwiefern auf Ebene von Teilrechten (Sorge) diese Konstellation abgesichert werden können, DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6. Eine Veröffentlichung weitergehender Überlegungen ist zu erwarten auch durch den Deutschen Juristinnenbund, vgl. djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 1. Gegen eine Gleichsetzung Fami­ lienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 11  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 2 f.; i. E. zust. DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3. 12  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 3. 13  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 34 ff.; Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 51 ff. 14  BT-Drs. 13/4899, 82 f. 15  Eine legale Durchführung ist derzeit nur im Ausland möglich, vgl. Kap. 3 C. II. 1., S. 110. 16  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 34 f.

266

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Konstellation nicht in Betracht; vielmehr sei eine Lösung über das Adop­ tionsrecht zu erreichen17. Der Arbeitskreis legte offen, dass eine andere Bewertung in dieser Frage die einvernehmliche Zuordnung auch bei der Leihmutterschaft sowie der Zuordnung zu einem Mann als Mutter ermöglichen würde; dies fand aber unter den Experten keine Zustimmung18. 2. Folgen bei Kinderwunschrealisierung im Ausland Weil in Deutschland ein Verbot der Leihmutterschaft besteht (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG), nehmen Paare, die ihren Kinderwunsch dennoch auf diese Weise erfüllen möchten, zunehmend Behandlungsoptionen im Ausland wahr19. Die Kinderwunschrealisierung im Ausland wirft die Frage danach auf, wie das geltende Abstammungsrecht auf diese Fälle reagieren kann20. Sofern in Fällen mit Auslandsbezug aufgrund deutscher kollisionsrechtlicher Regeln (Art. 19 Abs. 1 EGBGB) das deutsche Abstammungsrecht und damit § 1591 BGB maßgeblich ist, etwa weil das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vornahmeland begründet hat, wird entgegen der Wünsche der Beteiligten stets die Leihmutter rechtliche Mutter des Kindes sein21. Dies gilt auch dann, wenn sie wegen einer zusätzlichen Eizellspende nicht die genetische Mutter ist22. Die intendierte Mutter ist dann auf eine Adoption angewiesen, und zwar selbst in Fällen, in denen ihre eigenen Eizellen verwendet werden, während der intendierte Vater entweder die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkennen oder aber, falls die Leihmutter verheiratet ist, die rechtliche Vaterschaft ihres Ehemannes (§ 1592 Nr. 1 BGB) anfechten kann, um später selbst die rechtliche Zuordnung anzustreben23.

17  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 35, wobei die Abstimmung mit 5:4:2 knapp ausgefallen war. Krit. Oldenburger, NZFam 2020, 985 (988, 991); Coester-Waltjen, ZfPW 2021, 129 (141). 18  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 35 f. Für die Möglichkeit voluntativer und genetischer Mutterschaft in einem neu zu fassenden § 1591 Abs. 2 BGB Oldenburger, NZFam 2021, 853 (856 ff., insb. 860). 19  Zum Teil wird bereits von einem sich ausbreitenden Reproduktionstourismus gesprochen, auch wenn konkrete Zahlen fehlen, siehe Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 54; Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (55); Dutta, JZ 2016, 845 (852); Schumann, MedR 2014, 736 (737); Döhmen/König, Frauenarzt 2008, 684 ff. 20  Zum Thema aus der jüngeren Literatur etwa Grünenwald/Behrentin, NJW 2019, 2057; Wagner, NZFam 2019, 513. 21  Ist sie verheiratet, so wird ihr Ehemann wegen § 1592 Nr. 1 BGB zum rechtlichen Vater. Trifft dies nicht zu, kann der Wunschvater mit der Zustimmung der Leihmutter die Vaterschaft anerkennen. 22  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 37.



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft267

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn nach deutschem Kollisionsrecht das ausländische Abstammungsrecht maßgeblich ist oder eine ausländische Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde über die rechtliche Eltern-KindZuordnung zu einem (intendierten oder anderen) genetisch nicht verwandten Elternteil vorliegt, über deren verfahrensrechtliche Anerkennung im Inland entschieden werden soll (§ 108 FamFG)24. In diesen Fällen muss geprüft werden, ob die Zuordnung gegen den deutschen ordre public verstößt (Art. 6 EGBGB bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Beschluss des BGH aus dem Jahr 201425. Ihm lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein homosexuelles, in eingetragener Partnerschaft lebendes Männerpaar in Kalifornien eine Leihmutter beauftragte, ein Kind auszutragen, welches mit Hilfe einer anonymen Eizellspende und dem Samen eines der Lebenspartner gezeugt wurde. Ein kalifornisches Gericht entschied (noch vor der Geburt des Kindes), dass die Lebenspartner, nicht aber die Leihmutter, als rechtliche Eltern des Kindes gelten sollen. Der BGH stellte fest, dass ein Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht schon allein deswegen vorliegt, weil nach einer ausländischen Entscheidung den intendierten Eltern die rechtliche Elternschaft für das durch eine Leihmutter ausgetragene Kind zukommt, wenn (anders als die Leihmutter) jedenfalls ein Wunschelternteil genetisch mit dem Kind verwandt ist26. Weil die Leihmutter das Kind freiwillig übergeben hat und an einer sozialen Elternstellung nicht interessiert war, ist die Situation nach Auffassung des Gerichts mit e­iner Adoption vergleichbar27. Eine Adoption wahre aber das Kindeswohl, welches an erster Stelle zu berücksichtigen sei, nicht ebenso effektiv wie eine unmittelbare rechtliche Zuordnung des Kindes28. Zusammen mit dem Umstand, dass das teilweise mit dem Kind genetisch verwandte intendierte Elternpaar bereit sei, auch dauerhaft Verantwortung für das Kind zu übernehmen, ergebe sich durch die Anerkennung der Entscheidung kein Verstoß gegen den deut-

23  Siehe Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 52; siehe auch ders., in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (58). 24  Vgl. BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 37; Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 55. 25  BGHZ 203, 350. Diesem Beschluss waren zwei Entscheidungen des EGMR gegen Frankreich vorangegangen: EGMR v. 26.6.2014 – Rs. 65192/11 – Mennesson/ Frankreich; EGMR v. 26.6.2014 – Rs. 65941/11 – Labassée/Frankreich. 26  BGHZ 203, 350 (359). Bis dato ist von der wohl h. M. für die ausländische rechtliche Zuordnung bei Leihmutterschaften stets ein Verstoß gegen den deutschen ordre public angenommen worden, siehe z. B. Engel, ZEuP 2014, 538 (557 ff.); Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1476); anders aber z. B. AG Neuss FamRZ 2014, 1127; Dethloff, JZ 2014, 922 (926) oder Heiderhoff, NJW 2014, 2673 (2674 f.). 27  BGHZ 203, 350 (365 f.). 28  BGHZ 203, 350 (369 f.).

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

schen ordre public29. Die Interessen des schutzbedürftigen Kindes seien höher zu bewerten als die unbedingte Durchsetzung des Verbots der Leihmutterschaft30. Wenn die Leihmutterschaft nicht in Deutschland durchgeführt wird, entstehen für den Status des betroffenen Kindes zufällige Ergebnisse in Abhängigkeit von der Frage, welches Recht anwendbar ist31. Weiter ist unter Anwendung des deutschen Rechts fraglich, inwiefern es mit den Interessen des Kindes vereinbar sein kann, die rechtliche Zuordnung zu einer Leihmutter vorzusehen, welche weder genetisch mit dem Kind verwandt noch von Anfang an bereit ist, später Verantwortung für das Kind zu übernehmen32. Gleichzeitig wird die genetische (intendierte) Mutter auf eine Adoption verwiesen, obwohl sich nach deutschem Abstammungsrecht genetische Elternschaft grundsätzlich nicht bewähren muss33. Insofern ergeben sich Wertungswidersprüche. Solange das Verbot der Leihmutterschaft im ESchG besteht, scheitern hieran alle Versuche der Lockerung von § 1591 BGB beispielsweise durch privatrechtliche, notarielle Erklärungen oder gerichtliche bzw. behördliche Akte34. Ein politischer Wille zur Lockerung oder gar Legalisierung von Leihmutterschaften scheint in Deutschland aktuell nicht vorhanden35. Die gespaltene Vaterschaft erscheint vertrauter, ihrer wird sich sogar in einem ganzen Reformvorhaben angenommen, während die gespaltene Mutterschaft, welche mittlerweile eine gewisse Praxisrelevanz aufweist, weiterhin unverrückbar scheint36. Möglich wäre die Entwicklung von Voraussetzungen, unter welchen die im Ausland rechtmäßig begründete rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung nach deutschem Recht akzeptiert werden kann37. Der Arbeitskreis Abstammungsrecht hat sich für die Notwendigkeit dieses Vorgehens ausgesprochen, aller29  BGHZ

203, 350 (368). 203, 350 (360 ff.). 31  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 56; DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 16. 32  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 53; krit. auch ders., in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (59). 33  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 53; eine Ausnahme dürfte die Hürde der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater darstellen. 34  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 53 f. m. w. N. Für eine Debatte über die Zulassung der Leihmutterschaft ebenfalls Schumann, in: Rosenau (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizingesetz (2012), 155 (197); Voigt, Abstammungsrecht 2.0 (2015), S. 230 f.; Wellenhofer, GuP 2014, 128 (135). 35  Schon vor Jahren Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (56). 36  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 51. 37  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 56. 30  BGHZ



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft269

dings kein abschließendes Meinungsbild erarbeitet38. Zwar erscheint es denkbar, dass entsprechend mit (prä- oder postnatalen) Einwilligungserklärungen der Leihmutter und der intendierten Eltern bzw. mit notariellen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten oder der Einräumung von Widerrufsrechten innerhalb bestimmter Fristen gearbeitet werden kann. Jedoch scheitern diese Möglichkeiten ebenfalls an dem bestehenden gesetzlichen Verbot der Leihmutterschaft39. Die genannte Entscheidung des BGH stellt sicherlich einen ersten Schritt zur Schwächung des Verbots der Leihmutterschaft im deutschen Recht dar, weil sie eine Möglichkeit zu dessen Umgehung aufzeigt. Unklar bleibt allerdings weiterhin, ob deutsche Gerichte ebenso entschieden hätten, wenn die Zuordnung auf einem ausländischen Gesetz beruht hätte oder wenn keiner der intendierten Väter genetisch mit dem Kind verwandt wäre40. Wenn trotz gänzlich fehlender genetischer Anknüpfung die im Ausland begründete Elternschaft auch in Deutschland Bestand hätte, wäre dies möglicherweise ein Schritt dahingehend, künftig auch homosexuellen Männerpaaren eine Möglichkeit zur Erfüllung ihres Kinderwunsches zu eröffnen. Bestrebungen in diesem Bereich sind jedoch in naher Zukunft nach realistischer Einschätzung nicht zu erwarten41.

II. Einführung einer rechtlichen Mit-Mutterschaft, § 1592 Abs. 2  BGB-E 1. Inhalt des Entwurfs Neben der Beibehaltung der Geburtsmutterschaft in § 1591 BGB sieht der Diskussionsteilentwurf die Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle nicht mehr allein durch einen Mann, sondern auch durch eine Frau, in der Regel die (ehemalige) Ehefrau oder (eingetragene Lebens-)Partnerin der Ge38  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 38: Abstimmung 9:0:1. Auch der 71. DJT 2016 hat sich mehrheitlich (28:7:3) dafür ausgesprochen, die im Ausland etablierte Eltern-Kind-Beziehung im Allgemeinen im Inland zu übernehmen und deshalb Anpassungen im deutschen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht oder im deutschen Sachrecht vorzunehmen, siehe Beschlüsse des 71. DJT, C.13, S. 44 f. Ähnlicher Appell zur Entwicklung von Regeln im IPR auch bei DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 16. 39  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 38; siehe Vorschlag von Helms, in: Duttge/Engel/Lipp/Zoll (Hrsg.), Heterologe Insemination (2010), 37 (64). 40  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 37. 41  Vgl. DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3: Keine Überfrachtung des Reformvorhabens. Für den Einschluss von Reformüberlegungen hinsichtlich einer Öffnung von § 1591 BGB für eine voluntative bzw. genetische Mutterschaft siehe Oldenburger, NZFam 2021, 853 (856 ff.).

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

burtsmutter, vor. Die Partnerin der Mutter soll als „Mit-Mutter“42 bezeichnet werden, wodurch insbesondere in den Vorschriften zur Anfechtung und gerichtlichen Feststellung einerseits die Unterscheidung zur Geburtsmutter nach § 1591 BGB, andererseits jene zum leiblichen Vater deutlich wird, dessen Anteil an der Zeugung eines Kindes sich im Gegensatz zur Mit-Mutter naturgemäß nicht allein in der bloß willentlichen Entscheidung für die Zeugung eines Kindes erschöpft43. Der Entwurf plant eine rechtstechnische Umsetzung dergestalt, dass die Regeln über die rechtliche Zuordnung zur Partnerin der Mutter in Anlehnung an die Vaterschaftstatbestände in einem in § 1592 BGB neu einzufügenden Absatz 2 erfolgen soll44. § 1592 BGB-E enthält nicht allein eine Legaldefinition der Mit-Mutterschaft, sondern sieht eine Parallelregelung im Verhältnis zu den Vorschriften über die rechtliche Vaterschaft vor45. Das bedeutet, dass die mit der Geburtsmutter verheiratete (oder in eingetragener Lebenspartnerschaft verbundene46) Frau im Zeitpunkt der Geburt rechtliche Mit-Mutter des Kindes wird (Abs. 2 Nr. 1) bzw. die nicht mit der Mutter verheiratete Partnerin die Mit-Mutterschaft für das Kind anerkennen kann (Abs. 2 Nr. 2). Es sei nämlich zu vermuten, dass sowohl die Ehepartnerin als auch die anerkennende 42  Zum Teil findet sich anderswo auch die Bezeichnung „Co-Mutter“, siehe z. B. BT-Drs. 18/7655 und Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S. 28. Reuß schlägt eine Regelung vor, die inhaltlich derjenigen des Entwurfs entspricht, jedoch den Begriff „Elternteil“ verwendet, um eine geschlechtsneutrale Formulierung zu erreichen und eine Parallelregelung zu vermeiden, siehe Reuß, FamRZ 2021, 823 (829). In diese Richtung auch Hartmann, Von der Mutterschaft zur Elternschaft (2020), S. 234. 43  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 24; Begriff auch bei BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 70. 44  Ebenso Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 317; anders Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts von einzelnen Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BTDrs. 19/2665, 3 mit 8: Ebenfalls Bezeichnung als „Mutter“ und Eingliederung in § 1591 BGB; für eine Eingliederung in § 1591 BGB auch NRV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2 und ein Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abstammungs-, Kindschafts- und Kindesunterhaltsrechts des BMJV von August 2020, abrufbar unter https://freifam.de/2020/09/01/wir-veroeffentlichen-die-kabinetts vorlage-zur-sorgerechtsreform-des-bmjv/ (jedoch ohne Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung der Co-Mutter auf Basis der Einwilligung in die Befruchtung) (zuletzt abgerufen am 27.11.2022). 45  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 23; so schon im Wesentlichen ein Vorschlag von Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (55). 46  § 21 LPartG i. d. F. aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018 (BGBl 2018 I, S. 2639), in Kraft getreten am 22.12.2018.



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft271

Frau bereit ist, dauerhaft Elternverantwortung zu übernehmen, wenn sie wie der leibliche Vater trotz fehlender genetischer Verwandtschaft maßgeblich für die Zeugung eines Kindes durch einvernehmliche ärztlich assistierte heterologe Insemination mitverantwortlich ist47. Auf diese Weise werde eine schnelle, unkomplizierte und klare rechtliche Zuordnung auch im Interesse des Kindes erreicht48. Weil naturgemäß die Zeugung eines Kindes durch zwei Frauen nicht möglich ist, basiert die Feststellung der Mit-Mutterschaft nicht auf leiblicher Elternschaft, sondern auf einer Einwilligung in die heterologe Befruchtung bei gleichzeitigem Verzicht des Samenspenders auf seine Elternrolle (§§ 1592 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. 1598a, 1598c BGB-E). Sofern eine einvernehmliche Spendersamenbehandlung nicht stattgefunden hat, soll die rechtliche Mit-Mutter ihre Elternschaft wie ein rechtlicher Vater durch Anfechtung beseitigen können, § 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E49. Obwohl die Regelung für die Mit-Mutter in erster Linie mit der Mitverantwortlichkeit für die Entstehung des Kindes nach assistierter künstlicher Befruchtung mit Spendersamen begründet wird, stellt der Entwurfsverfasser ausdrücklich klar, dass die Vorschriften zur Mit-Mutterschaft auch im Fall von natürlicher Befruchtung gelten sollen50. Sofern also die Geburtsmutter beispielsweise innerhalb einer früheren heterosexuellen Beziehung infolge eines einmaligen sexuellen Kontakts mit einem Mann oder durch eine private Becherspende schwanger wird und später eine Frau heiratet bzw. diese die Mit-Mutterschaft anerkennt, kann der leibliche Vater seine rechtliche Elternstellung nur dann erreichen, wenn er zuvor ein Anfechtungsverfahren betreibt. Insofern bedarf es in jedem Fall einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen des leiblichen Vaters auf der Sekundärebene51. 47  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 24 f.; Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 35. Krit. hinsichtlich der Mit-Mutterschaft kraft Ehe Verein Spenderkinder, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9. 48  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 24. 49  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 24. 50  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 23; BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 50, S. 70: „Erweiterung von § 1592 Nummer 1 BGB“; Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 37. Zust. Chebout/Sanders/Valentiner, NJW 2022, 3694 (3700) unter Verweis auf den VfGH Österreich, der in einer Entscheidung vom 30.06.2022 – G 230/2021-20, Rn. 33 festgestellt hat, dass eine Bestimmung des ABGB verfassungswidrig ist, wenn sie die Co-Mutterschaft nur in Konstellationen ärztlich assistierter Fortpflanzung vorsieht; zust. auch Wellenhofer, MedR 2022, 788 (792). Krit. Schumann, in: Beier/Brügge/Thorn/Wiesemann (Hrsg.), Assistierte Reproduktion (2020), 69 (83 f.): Durch die Gleichstellung werde abstrakt zu jedem Zeitpunkt eine Konkurrenzsituation zwischen der Mit-Mutter und dem genetischen Vater erreicht. 51  Vgl. Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 37. Dazu noch Kap. 5 D. III., S. 292 ff. und Kap. 5 E., S. 332 ff.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Die im Diskussionsteilentwurf vorgesehene Erstreckung der abstammungsrechtlichen Vorschriften auf die Partnerin der Mutter entspricht im Grundsatz verschiedenen Reformvorschlägen52 und ist ganz überwiegend auf positive Resonanz gestoßen: Sie sei die wichtigste Neuerung, die unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Verhältnisse, der Interessen der Beteiligten sowie der Reproduktionsmedizin in einer schlüssigen Gesamtlösung in das Abstammungsrecht integriert werde53. 2. Aktuelle Vorlagebeschlüsse Die vorgeschlagene Neuregelung würde aus Sicht des OLG Celle und des KG Berlin eine verfassungskonforme Rechtslage zur Etablierung von rechtlicher Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren herbeiführen. Beide Gerichte haben im März 2021 laufende Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 80 ff. BVerfGG i. V. m. § 21 FamFG ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 1592 BGB in seiner geltenden Fassung mit den Grundrechten der Beteiligten vereinbar ist54. Im Fall des OLG Celle beabsichtigt ein gleichgeschlechtliches verheiratetes Frauenpaar, auf Grundlage von § 1592 BGB die rechtliche Elternschaft für die Ehefrau der gebärenden Kindesmutter zu begründen. Das Kind war aus einer Embryonenspende hervorgegangen und in die bestehende Ehe hineingeboren worden. Im Vorfeld hatte die Ehefrau der Geburtsmutter vor Geburt eine Erklärung über die Anerkennung der Mutterschaft abgegeben. Das zuständige Standesamt Hannover lehnte es unter Verweis auf die Gesetzeslage ab, eine Erklärung über die Mit-Mutterschaft zu beurkunden, woraufhin die Beteiligten beantragten, feststellen zu lassen, dass eine rechtliche ElternKind-Beziehung bestehe55. Die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Kindern innerhalb von gleichgeschlechtlichen Beziehungen unterfällt dem sog. Familien-

52  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 68 ff.; Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, BT-Drs. 19/2665; siehe auch Antrag einzelner Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 18/7655 jedenfalls für die Fälle der Samenspende; Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 35 f. 53  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  2; DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 1; djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 1; DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 54  OLG Celle NZFam 2021, 352 ff.; KG Berlin FamRZ 2021, 854 ff. Ebenso AG München FamRZ 2022, 122 unter Berufung auf die genannten Entscheidungen. 55  OLG Celle NZFam 2021, 352 (352 f.).



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft273

grundrecht aus Art. 6 Abs. 1  GG56 und ist durch die Ausgestaltung von § 1592 BGB nicht berührt57. Das OLG Celle hält allerdings § 1592 BGB insoweit für mit Artt. 6 Abs. 2 S. 1 i. V. m. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, als ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Ehe zwischen zwei Frauen geboren wird58. Der Gesetzgeber unterliege einem grundrechtlichen Schutzauftrag dergestalt, für den betroffenen Personenkreis eine Rechtslage zu schaffen, welche die Begründung einer Elternstellung erlaube59. Das OLG Celle sieht das Elternrecht der Ehefrau der Mutter aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als verletzt an. Die Vermutung, dass leibliche Eltern von Natur aus bereit und berufen sind, Verantwortung für die Pflege und Erziehung von Kindern zu übernehmen, wodurch sie Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG würden, lasse sich auf gleichgeschlechtliche Paare, die ein Kind mit Hilfe der Reproduktionsmedizin zeugen lassen, übertragen. In diesen Fällen entstehe das Leben durch die Veranlassung der entsprechenden Maßnahmen auf Grundlage von Erklärungen, die dem natürlichen Zeugungsakt entsprächen. Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG umfasse auch diese Eltern, weil und wenn durch die Zustimmung zur Zeugung eine dauerhafte Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme zu erwarten und gewollt ist60. Im Ergebnis spricht für ein solches Verständnis auch, dass sich Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unspezifisch auf „Eltern“ bezieht, woraus keine Festlegung auf verschiedengeschlechtliche Eltern gefolgert werden kann61. Außerdem schließt das in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG genannte „natürliche Recht“ der Eltern nur rechtlich mit dem Kind verbundene Eltern nicht per se aus dem Schutzbereich aus. Verfassungsrechtliche Elternschaft bezieht sich nämlich auch auf Adoptiveltern62 und auch den Mann, der die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe oder Vaterschaftsanerkennung erlangt und entgegen der typisierenden Annahme einer Übereinstimmung von rechtlicher und leiblicher Abstammung nicht auch leiblicher Vater des Kindes ist63.

56  BVerfGE

133, 59 (82); BGHZ 220, 58 (66). NZFam 2021, 352 (367). 58  OLG NZFam 2021, 352 (353); vgl. zur Unanwendbarkeit abstammungsrechtlicher Vorschriften auf Frauenpaare de lege lata Kap. 4 B. II. 4., S. 150 ff. 59  OLG Celle NZFam 2021, 352 (366). 60  OLG Celle NZFam 2021, 352 (359–363); Chebout/Sanders/Valentiner, NJW 2022, 3694 (3696); Reuß, FamRZ 2021, 824 (826). 61  BVerfGE 133, 59 (78). 62  BVerfGE 24, 119 (150). 63  BVerfGE 133, 59 (78 f.). 57  OLG

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Auch das Recht des Kindes aus Artt. 2 Abs. 1 GG i. V. m. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern64 sieht das OLG Celle als verletzt an, weil eine Wechselwirkung zu dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht der Ehefrau der Geburtsmutter aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bestehe, welches einfachgesetzlich derzeit nicht ausgestaltet ist65. Nach Auffassung des OLG Celle liege ferner hinsichtlich aller Beteiligten ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie hinsichtlich der Ehefrau der Geburtsmutter unmittelbar ein Verstoß gegen Artt. 3 Abs. 1 GG i. V. m. 6 Abs. 2 S. 1 GG vor, weil Sachgründe für eine gesetzliche Ungleichbehandlung im Rahmen von § 1592 BGB nicht gegeben seien und eine Rechtfertigung somit ausscheide66. Der Beschluss des KG Berlin liegt im Ergebnis auf einer Linie mit jenem des OLG Celle, stützt sich jedoch allein auf eine Unvereinbarkeit von § 1592 BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG. Der Entscheidung lag die Konstellation eines verheirateten gleichgeschlechtlichen Frauenpaares zugrunde, welches seinen Kinderwunsch mittels einer aus Dänemark bezogenen anonymen Samenspende unter ärztlicher Assistenz verwirklichte. Einen Antrag auf Feststellung einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zur Ehefrau der Geburtsmutter wies das zuvor befasste Familiengericht zurück, sodass die Beteiligten Beschwerde einlegten67. Das KG Berlin sieht in der gesetzlichen Ausgestaltung von § 1592 BGB eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG der Beteiligten insoweit, als das Gesetz in Situa­ tionen, in denen der Spender wegen § 1600d Abs. 4 BGB nicht als rechtlicher Vater festgestellt werden kann, eine rechtliche Elternschaft auf Grundlage einer Ehe gemäß § 1592 Nr. 1 BGB nur für verschiedengeschlechtliche Paare zulässt68. Das Grundrecht des Kindes aus Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil sach­ liche Gründe für eine Ungleichbehandlung nicht vorlägen. Der Gesetzgeber habe durch Schaffung des Feststellungsausschlusses in § 1600d Abs. 4 BGB zum Ausdruck gebracht, dass er von einer biologisch richtigen Zuordnung zu Gunsten sozialer Elternschaft abzurücken bereit sei. Dadurch sei der hinter § 1592 Nr. 1 BGB stehende Gedanke, dass sich die Vaterschaft kraft Ehe aufgrund der biologisch richtigen Zuordnung rechtfertige, jedenfalls für 64  BVerfGE

133, 59 (73 f.). Celle NZFam 2021, 352 (367 f.); ausführlich hierzu Chebout/Sanders/ Valentiner, NJW 2022, 3694 (3695 ff.). 66  OLG Celle NZFam 2021, 352 (368 f.). 67  KG Berlin FamRZ 2021, 854 (855). 68  KG Berlin FamRZ 2021, 854 (859). 65  OLG



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft275

Fälle, in denen § 1600d Abs. 4 BGB greift, nicht mehr haltbar69. Hinsichtlich der Ehefrau der Geburtsmutter liege zudem ebenfalls eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil die Ungleichbehandlung die sexuelle Identität betreffe70. Die Entscheidungen des OLG Celle und des KG Berlin weichen von der Linie des BGH ab, welcher im Jahr 2018 keine verfassungsrechtlichen Bedenken der Ausgestaltung der Vorschrift gesehen hat. Er hat das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als nicht verletzt angesehen, weil hiervon nur die leiblichen und rechtlichen Eltern erfasst seien, nicht aber die Ehefrau der Kindesmutter. Eine Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG liege ebenfalls nicht vor, weil die Ehefrau aus biologischen Gründen nicht leibliche Mutter des Kindes sein könne; aus diesem Grund sei auch der Verweis auf eine Stiefkindadoption verfassungsrechtlich legitim71. Es bleibt die Entscheidung des BVerfG abzuwarten, die sich möglicherweise als Beschleuniger für eine gesetzgeberische Neuregelung erweisen könnte72. 3. Verhältnis zur Adoption a) Langwierigkeit des Adoptionsverfahrens De lege lata besteht für gleichgeschlechtliche Paare nur die Möglichkeit, eine rechtliche Beziehung zu beiden Elternteilen entweder durch eine gemeinsame Annahme als Kind (§ 1741 Abs. 2 S. 1 BGB) oder, bei Nichtbestehen einer Ehe, durch Adoption des Kindes des Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner zu etablieren. Mit § 1766a BGB hat der Gesetzgeber ferner die Möglichkeit einer Stiefkindadoption innerhalb von nichtehelichen, aber sog. verfestigten Lebensgemeinschaften (Legaldefinition: § 1766a Abs. 2 BGB) geschaffen. Häufig wird darauf hingewiesen, dass die Adoption eines Kindes in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft zwischen Frauen 69  KG Berlin FamRZ 2021, 854 (860 f.); vgl. Chebout/Sanders/Valentiner, NJW 2022, 3694 (3697 ff.). 70  KG Berlin FamRZ 2021, 854 (862); vgl. auch Reuß, FamRZ 2021, 824 (827) entsprechend unter zusätzlichem Verweis auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 1 GG. 71  BGHZ 220, 58 (67 f.); vgl. Kap. 4 B. II. 4. b) bb), S. 152. A. A. Reuß, FamRZ 2021, 824 (825). 72  Löhnig, NZFam 2021, 352 (370); Reuß, FamRZ 2021, 824. Die Länder Berlin und Thüringen drängen mit einer Bundesratsinitiative von März 2021 zur einer baldigen Anpassung des Abstammungsrechts, vgl. BR-Drs. 223/21. Mit Hinweisen für die Praxis bis zum Vorliegen einer Entscheidung Side, FamRB 2021, 247 (248).

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

kostenintensiv, aufwendig und langwierig sei73. Der Zeitfaktor könne zur Folge haben, dass das Kind – beispielsweise bei Trennung der Frauen, bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft74, bei Tod oder Verweigerung der Einwilligung der Geburtsmutter (§ 1747 Abs. 1 S. 1 BGB), bei Tod der Partnerin vor Antragstellung (§ 1752 Abs. 2 BGB) oder bei willentlichem Absehen der Partnerin von der Adoption – möglicherweise nur einen rechtlichen Elternteil hat75. Das gilt vor allem in Situationen einer offiziellen Samenspende mit anschließender ärztlich assistierter Befruchtung, weil der Spender seit Inkrafttreten des SaRegG als rechtlicher Vater nicht festgestellt werden kann (§ 1600d Abs. 4 BGB)76. Dabei entspricht es dem Wohl des Kindes am besten, wenn es von Geburt an zwei rechtlichen Elternteilen zugeordnet werden kann. Darüber hinaus sei die Kindeswohlprüfung im Rahmen des Adoptionsverfahrens ohne praktischen Nutzen, weil die Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften faktisch ohnehin kaum verweigert werde77. Schließlich kann der Adoptionsantrag grundsätzlich und trotz der konsen­ tierten Elternschaft i. S. d. § 1600 Abs. 4 BGB bis zum Wirksamwerden des Annahmebeschlusses (§ 197 Abs. 2 FamFG) zurückgenommen werden (§ 1752 BGB); die dadurch entstehenden Unsicherheiten können mangels Zulässigkeit auch nicht durch eine bindende Verpflichtung zur Adoption kompensiert werden78.

73  BT-Drs. 19/2665, 2; i. E. auch Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (54); Dethloff, Abstammung und Verantwortung (2017), S. 8 f.; dies., Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S.  29 f.; Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1070); vgl. auch djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 1; a. A. Schmidt, NZFam 2022, 90 (912): In der Praxis zügige Durchführung mit Möglichkeit eines Verzichts auf die Probezeit gemäß § 1744 BGB. 74  OLG Hamburg FamRZ 2017, 1234 (1235). 75  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 33; Pauli, NZFam 2016, 57 (58); Reuß, FamRZ 2021, 824 (825); Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 (126); i. E. auch Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 1 f. 76  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 34; Löhnig, NJW 2019, 122 (123). 77  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 34 unter Verweis auf eine Studie, laut welcher von 636 Kindern lediglich acht nicht adoptiert werden konnten, wobei zu diesen acht auch Kinder zählten, die aus einer früheren heterosexuellen Beziehung stammten und für deren Adoption die Einwilligung des anderen leiblichen Elternteils nicht erteilt wurde. A. A. Schmidt, NZFam 2022, 909 (912): Konkrete Kindeswohlprüfung wegen fehlender Abstammung im Adoptionsrecht von grundlegender Bedeutung. 78  Grziwotz, notar 2018, 163 (170). Ähnliche Problematik schon bei der Frage einer Verpflichtung zur Vaterschaftsanerkennung, siehe Kap. 4 B. III., S. 155 ff.



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft277

b) Schutz der Interessen des leiblichen Vaters Ob dies als Legitimation zum Absehen von der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare ausreicht, sollte allerdings nicht zu vorschnell bejaht werden, weil das Absehen dann auch für andere Fälle der Adoption diskutabel wäre. Die Problematik, dass das Kind ohne eine gesetzliche Neuregelung Gefahr läuft, ohne einen zweiten rechtlichen Elternteil zu verbleiben, betrifft für Konstellationen der Samenspende im Kern den in § 1600d Abs. 4 BGB normierten Feststellungsausschluss, der eine rechtliche Elternschaft des Erzeugers verhindert79. Das Adoptionsverfahren kann daneben als Wahrnehmung staatlicher Verantwortung verstanden werden, in dessen Rahmen das Kindeswohl berücksichtigt wird80. Gleichzeitig können durch das Erfordernis der Einwilligung in die Adoption nach § 1747 Abs. 1 S. 1 BGB insbesondere auch grundrechtlich geschützte Belange des Samenspenders gewahrt werden81. Dieser Umstand kann die genannten Unwägbarkeiten des Adoptionsverfahrens rechtfertigen und die aktuelle gesetzgeberische Ausgestaltung der Vorschriften zur Begründung rechtlicher Elternschaft als eine sich (noch) innerhalb des Gestaltungsspielraums bewegende Ausgestaltung erscheinen lassen82. Nach der Rechtsprechung des BGH muss unter bestimmten Umständen auch der Samenspender in die Adoption des Kindes einwilligen. § 1747 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert die Einwilligung der Eltern, nach Absatz 1 Satz 2 betrifft dies den rechtlichen Vater und (falls ein solcher nicht vorhanden ist) den Mann, der die Voraussetzung nach § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB, d. h. die Beiwohnung der Mutter während der Empfängniszeit, glaubhaft macht. Von § 1747 Abs. 1 S. 2 und § 1600d Abs. 2 S. 1 ist der Samenspender wegen der besonderen Zweckrichtung der Vorschriften, nämlich den als Vater in Betracht kommenden Mann zu bezeichnen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich am Adoptionsverfahren zu beteiligen, grundsätzlich ebenfalls umfasst83. Die Glaubhaftmachung setzt eine aktive Beteiligung am Verfahren und diese wiederum eine Kenntnis des Verfahrens voraus, die eine Unterrichtung des Samenspenders notwendig machen kann84. Hiervon darf nach der Rechtsprechung abgesehen werden, wenn zuverlässig davon ausgegangen werden kann, dass der mutmaßliche leibliche Vater von Anfang an nicht die Rechtsstellung einnehmen will, wie dies etwa regelmäßig bei der anonymen Samen­ 79  Siehe

Bedenken bei Kap. 4 B. VI. 4., S. 216 ff. NZFam 2017, 832 (833). 81  Schmidt, NZFam 2017, 832 (833). 82  So auch Kaiser, FamRZ 2017, 1889 (1896). 83  BGH FamRZ 2015, 828 (829). 84  BGH FamRZ 2015, 828 (830). 80  Schmidt,

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

spende angenommen wird, bei welcher sich aus den Umständen der medizinisch assistierten Zeugung ergebe, dass der leibliche Vater seine Grundrechtsposition nicht wahrnehmen möchte85. Dass der Samenspender nicht die Stellung des rechtlichen Vaters einnehmen möchte, ist nach der Rechtsprechung auch dann anzunehmen, wenn der private Spender über die Geburt des Kindes informiert ist, sich gegenüber der Mutter mündlich mit der Stiefkindadoption einverstanden erklärt und bereit ist, nach der Adoption seine persönlichen Daten bei einem Notar zu hinterlegen, damit das Kind später sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung verwirklichen kann86. Für alle anderen Konstellationen des Rekurses auf eine Samenspende, sei es in Form der Becherspende aus dem Bekanntenkreis oder eines Internetkontakts, bedarf es der Einwilligung des Spenders, weil seine Posi­tionierung hinsichtlich seiner Elternstellung im Vorfeld nicht hinreichend klar ist. In der Praxis wird gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren vor dem Hintergrund des Gesagten offenbar gerade in Fällen privater Samenspenden dazu geraten, die Einwilligung des Spenders in die Adoption noch vor der Geburt einzuholen (§ 1747 Abs. 2 S. 2 BGB)87. c) Folgerungen für die Einführung einer rechtlichen Mit-Mutter außerhalb der Adoption Sollte infolge einer Reform gleichgeschlechtlichen Frauenpaaren von Gesetzes wegen die gemeinsame Elternschaft möglich sein, wäre gleichzeitig erforderlich, auch die Interessen des Spenders als leiblichem Vater etwa in Form eines beurkundungsbedürftigen Verzichts hinreichend abzusichern. 4. Ungleichbehandlung im Verhältnis zu gleichgeschlechtlichen Männerpaaren Die Einführung der rechtlichen Mit-Mutterschaft ermöglicht, eine gelebte gesellschaftliche Realität auch rechtlich abzubilden: Die Zahl gleichge85  BGH FamRZ 2015, 828 (830); OLG Bamberg NJW-RR 2017, 840 (841). Siehe dazu noch Kap. 5 D. III., S. 292. Krit. hinsichtlich der Verzichtbarkeit des Elternrechts Pauli, NZFam 2016, 57 (58). 86  OLG Nürnberg NJW-RR 2019, 1154. 87  Siehe Pauli, NZFam 2016, 57 (58) mit der Forderung de lege ferenda, den biologischen Vater obligatorisch zu beteiligen. Auch nach Adoption eines Kindes, das durch einen private Samenspender gezeugt wurde, durch die Partnerin der rechtlichen Mutter bleibt das Risiko der Geltendmachung von Umgangsrechten des Spenders gemäß § 1686a BGB, wenn vor der Zeugung verabredet wurde, dass der Spender einen persönlichen Kontakt zum Kind pflegen soll, vgl. BGHZ 230, 174.



A. Anpassung der rechtlichen Mutterschaft279

schlechtlicher Partnerschaften hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen und mit ihr auch die Zahl der in die Partnerschaften hineingeborenen Kinder, welche ganz überwiegend durch eine private Samenspende gezeugt wurden88. Im Zuge einer Reform nach dem Vorbild des Diskussionsteilentwurfes würde jedoch nur ein Teilausschnitt der gelebten Wirklichkeit rechtlich widergespiegelt. Weil nur eine Erstreckung auf die Mit-Mutter, nicht aber auch auf einen Mit-Vater im Rahmen von gleichgeschlechtlichen Männerpartnerschaften vorgesehen ist, könnte es zu einer Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG kommen, deren Abschaffung weiteren Reformvorhaben vorbehalten bliebe. Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung zum Verbot der Sukzessivadoption aus dem Jahr 2013 geschlechtsunabhängig betont, „dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe“89. Insofern könnte durch die Einbeziehung lediglich lesbischer Frauenpaare unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung eine Diskriminierung homosexueller Männerpaare erfolgen90. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass das Problem an § 1591 BGB als Vorschrift zur Festlegung der rechtlichen Mutterschaft anknüpft: Hiernach ist die rechtliche Mutter eines Kindes stets die austragende Frau. Sowohl Gesetzgeber als auch Akteure innerhalb von Reformbemühungen halten an diesem Grundsatz im Wesentlichen uneingeschränkt fest, obwohl in Anlehnung an gespaltene Vaterschaft mittlerweile auch reproduktionsmedizinische Verfahren möglich sind, die eine gespaltene Mutterschaft nach sich ziehen (Eizell- und Embryonenspende, Leihmutterschaft). Die Reformbestrebungen um das Abstammungsrecht hätten Gelegenheit dazu gegeben, die Zulässigkeit dieser Methoden einem breiten gesellschaftlichen Diskurs als Grundlage für eine gesetzgeberische (Neu-)Bewertung zu unterziehen und in diesem Zusammenhang die Rolle der rechtlichen Mutter neu zu gewichten. Wird durch Rückgriff auf eine Leihmutter im Ausland ein Kind mit dem Samen eines homosexuellen Mannes gezeugt, dessen Partner vorher eingewilligt hat, so ist auch in diesen Fällen wie nach einer bloßen Samenspende ein Elternteil genetisch mit dem Kind verwandt, während der andere Part nur sozialer Elternteil sein kann. Wegen § 1591 BGB würde entgegen der Intentionen aller Beteiligten jedoch auch die Leihmutter rechtlicher Elternteil mit der Folge, dass für eine rechtliche Vaterschaft des nur sozialen Vaters kein Raum bestünde. Das enorme Gewicht von § 1591 BGB provoziert somit weiterhin bestehende Unterschiede zwischen homosexuellen

Bundesamt, Datenreport 2021, S. 52. 133, 59 (89); 131, 239 (264) und BGHZ 203, 350 (363 f.). 90  Vgl. auch Schmidt, NZFam 2022, 909 (913). 88  Statistisches 89  BVerfGE

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Frauenpaaren und Männerpaaren91. Bis auf weiteres bleibt die (unmittelbare) Begründung rechtlicher Elternschaft durch zwei Männer daher von einer ­Adoption abhängig92. 5. Zwischenergebnis Gegen die Ausweitung der abstammungsrechtlichen Vorschriften auf die Partnerin der austragenden Frau bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, der Gesetzgeber würde vielmehr in zulässiger Weise von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum Gebrauch machen. Sofern außerdem der Samenspender dauerhaft aus seiner rechtlichen Elternposition entlassen werden soll, erscheint die Möglichkeit einer unmittelbaren Etablierung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung durch gleichgeschlechtliche Paare zur Wahrung der Kindesinteressen alternativlos93. Durch eine für die Zukunft beabsichtigte Mit-Mutterschaft würde eine Einschränkung des Abstammungsprinzips erreicht, weil eine gemeinsame Elternschaft bei grundsätzlich fehlendem Fortpflanzungspotential etabliert würde94. Im Ergebnis liefe die Ausweitung daher trotz Anknüpfung an die Tatbestände der rechtlichen Vaterschaft auf eine starke Betonung des Willens zur Elternschaft hinaus. Es sollten aber gleichzeitig auch die Interessen des Spenders als leiblichem Vater hinreichend abgesichert werden, weil auch er in den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einbezogen ist. Hierfür kommt in erster Linie ein formgebundener Verzicht in Betracht95. Vorstellbar und deshalb klärungsbedürftig wäre in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, welche Lösung für Situationen möglich ist, in denen ein Elternrecht der Mit-Mutter aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG mit jenem des privaten Spenders als leiblichem Vater konkurriert, weil dieser einen Verzicht nicht ausdrücklich erklärt hat. Perspektivisch bedarf es schließlich auch einer Klärung der Frage, ob aus Gründen der Gleichbehandlung nicht auch die Erstreckung der abstammungsrechtlichen Vorschriften auf gleichgeschlechtliche Männerpaare erforderlich ist96. Dies würde jedoch eine Modifikation des Grundsatzes der Geburtsmut91  Vgl.

Kaiser, FamRZ 2017, 1889 (1896). NZFam 2020, 320 (325); vgl. DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3: Die Diskussion über die Leihmutterschaft würde ethisch komplexe und vielschichtige Fragen aufwerfen, mit denen das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben überfrachtet werden könnte. 93  Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (55). 94  Vgl. Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3. 95  Siehe dazu Kap. 4 B. VI. 3., 6., S. 226. 92  Heiderhoff,



B. Anpassung der Anerkennung der Elternschaft281

terschaft (§ 1591 BGB) für Fälle der Leihmutterschaft und damit eine weitere Stärkung voluntativer Elemente im Abstammungsrecht voraussetzen. Der Koalitionsvertrag der sog. Ampelkoalition kündigt an, in der laufenden Legislaturperiode eine Kommission mit der Prüfung der Frage zu betrauen, ob Möglichkeiten zur Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft und zur Legalisierung der Eizellspende bestehen97.

B. Anpassung der Anerkennung der Elternschaft Das Instrument der Vaterschaftsanerkennung soll im Grundsatz beibehalten werden und um die Mit-Mutter erweitert werden. Ein Nachweis über die leibliche Abstammung ist weiterhin nicht vorgesehen und im Fall der MitMutterschaft ohne entsprechende medizinische Verfahren auch nicht möglich.

I. Keine Anerkennung vor der Zeugung, § 1594 Abs. 4 BGB-E Unter Verweis auf die h. M. in Literatur und Rechtsprechung, die eine präkonzeptionelle Anerkennung schon de lege lata ablehnt98, soll nach dem Diskussionsteilentwurf künftig eine Anerkennung vor der Zeugung ausdrücklich ausgeschlossen sein (§ 1594 Abs. 4 BGB-E)99. Diese Klarstellung ist notwendig vor dem Hintergrund, dass sich der Diskussionsteilentwurf für eine andere Konzeption der Besetzung der zweiten Elternstelle entschieden hat (nämlich einen Gleichlauf mit § 1592 BGB einschließlich der Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellung des zweiten Elternteils als rechtlichem Elternteil), sofern eine Elternschaft kraft Ehe oder kraft Anerkennung nach den geltenden Regeln nicht in Betracht kommt. Das ist konsequent100, lässt 96  IG-JMV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf vom 29.4.2019, abrufbar unter https://ig-jmv.de/wp-content/uploads/ig-jmv-neuregelung-abstammungsrecht27-04-2019.pdf (zuletzt abgerufen am 27.11.2022). 97  „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 116, siehe https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/ 04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). Krit. hinsichtlich des Rekurses auf das Kindeswohl zur Begründung einer verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit Müller-Terpitz, MedR 2022, 794 (797 f.). 98  Siehe Kap. 4 B. II. 1., 2., S. 144 ff. 99  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 27. 100  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5: entbehrlich wegen rechtlicher Zuordnung auf Grundlage der Einwilligungen nach § 1598c BGB-E. Vgl. auch DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 12: zufriedenstellende Lösung des Problems durch § 1598c BGB-E.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

aber unberücksichtigt, dass die Möglichkeit der präkonzeptionellen Anerkennung in der Literatur gerade in Fällen der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen als Lösung diskutiert wird101. Insofern wäre hier eine ausführliche Auseinandersetzung des Entwurfs mit dem alternativen Konzept der präkonzeptionellen Anerkennung wünschenswert gewesen, insbesondere mit der dadurch verbundenen Möglichkeit, die abstammungsrechtlichen Vorschriften auch auf privat durchgeführte Befruchtungen mit Spendersamen zu erstrecken. Für diese Konstellationen trägt die Lösung des Diskussionsteilentwurfs nicht zu weiterer Rechtssicherheit bei102.

II. Veränderungssperre, § 1594 Abs. 2 S. 2  BGB-E Der Diskussionsteilentwurf sieht in Umsetzung des Gesetzes zur Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare vor, dass künftig nicht mehr allein die Vaterschaft, sondern auch die Mit-Mutterschaft eine Sperrwirkung für spätere Anerkennungen entfaltet (§ 1594 Abs. 2 S. 1 BGB-E). Darüber hi­ naus soll in § 1594 Abs. 2 S. 2 BGB-E eine sog. Veränderungssperre103 geregelt werden, die einer Anerkennung der Elternschaft die Wirksamkeit versagt, solange ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft bzw. Mit-Mutterschaft anhängig ist. Eine Feststellung aufgrund von leiblicher Abstammung bliebe auch weiterhin nur für den leiblichen Vater möglich (§ 1598b BGB-E). Darüber hinaus sieht der Diskussionsteilentwurf vor, auch eine Feststellung der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft auf Grundlage einer Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung zu ermöglichen (§ 1598c BGB-E)104. Diese Neuregelung geht auf einen Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 2018 zurück, in welchem das Gericht entschied, dass dem leiblichen Vater die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft nicht dadurch versperrt werden dürfe, dass ein anderer Mann während des laufenden Vaterschaftsfeststellungsverfahrens die Vaterschaft anerkennt105. § 1594 Abs. 2 S. 2  BGB-E dient nicht allein der Umsetzung dieser Entscheidung, sondern erstreckt die Veränderungssperre auch auf die gerichtliche Feststellung intendierter Eltern, die zuvor in eine künstliche heterologe Befruchtung eingewilligt haben. Die Vorschrift soll die rechtliche Zuordnung zu dem leiblichen Vater oder dem intendierten Elternteil sichern, weil in beiden Fällen die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme erwartet werden könne und diese durch das Stel101  Siehe

Kap. 4 B. II., S. 144 ff. auch djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 4. 103  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 26. 104  Einzelheiten dazu noch bei Kap. 5 D., S. 289 ff. 105  BVerfG NJW 2018, 3773. 102  So



B. Anpassung der Anerkennung der Elternschaft283

len des Feststellungsantrags (bei der intendierten Elternschaft zusätzlich außerdem durch die Einwilligung) bereits signalisiert wurde106. Durch die Veränderungssperre des § 1594 Abs. 2 S. 2 BGB-E werde verhindert, dass ein Wettlauf entstehe und der leibliche Vater bzw. der intendierte Elternteil durch Zustimmung der Mutter zur Anerkennung eines Dritten von der Elternschaft ausgeschlossen wird107. Eine Verlagerung der Problematik auf die Sekundärebene genüge nicht, da eine Anfechtung an der Sperrwirkung der sozial-familiären Beziehung zur anerkennenden dritten Person scheitern könne108. Die Veränderungssperre soll durch Beendigung des Feststellungsverfahrens aufgehoben werden, etwa wenn die Mutter doch noch die anfangs verweigerte Zustimmung zur Anerkennung erteilt. Irrelevant ist sie außerdem in Fällen, in denen die Mutter bzw. das Kind den Feststellungsantrag stellt und sich für die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters bzw. des intendierten Elternteils entscheidet; in diesen Konstellationen würde die Anerkennung eines Dritten ohnehin an fehlender Zustimmung scheitern109. Zu beachten ist, dass wegen der ebenfalls durch das BMJV vorgeschlagenen Modifikation der Anfechtungsregeln vorgesehen ist, dass sich der leib­ liche Vater bzw. der intendierte Vater oder die intendierte Mit-Mutter in den ersten sechs Monaten nach der Geburt stets durchsetzt, d. h. bei seiner Anfechtung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft eines Dritten auch dann, wenn zwischen diesem und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600a Abs. 2 BGB-E)110. Insofern würde die Position des leiblichen Vaters durch Einführung der Veränderungssperre über den Zeitraum von sechs Monaten nach der Geburt hinaus gestärkt111. Weil allerdings die Ein­ leitung des Feststellungsverfahrens kurz vor oder kurz nach einer Vaterschaftsanerkennung erfolgen kann, sind hinsichtlich des Eingreifens der Veränderungssperre Zufallsergebnisse nicht gänzlich auszuschließen112. Da­ rüber hinaus lässt der Entwurf ungeklärt, auf welche Art und Weise überhaupt gewährleistet sein soll, dass die an der Vaterschaftsanerkennung beteiligten Personen vom gerichtlichen Feststellungsverfahren Kenntnis erlangen113. Um zu vermeiden, dass die beurkundende Stelle nicht von einer wirksamen Anerkennung ausgeht, könnte durch eine ergänzende Regelung in den Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) vorgesehen werden, dass das zuständige GeburDiskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 26 f. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 26 f. 108  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 26. 109  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 27. 110  Zu den Anfechtungsregeln siehe noch Kap. 5 E., S. 332 ff. 111  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 12. 112  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 12. 113  DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9. 106  BMJV, 107  BMJV,

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

tenregister bei Einleitung eines Feststellungsverfahrens eine Mitteilung erhält, durch welche die Eintragung der anerkennenden Person in das Register bis zum rechtskräftigen Abschluss des Feststellungsverfahrens verhindert wird114. Sofern dies nicht in Betracht kommt, wäre etwa zu klären, wie sich eine falsche Information hinsichtlich der Einleitung des Feststellungsverfahrens auswirken würde115. Es bedarf somit einer Ergänzung von § 1594 Abs. 2 BGB-E um Regeln, die eine praktische Durchführung der Veränderungssper­re ermöglichen.

III. Anpassung der Regeln über die Zustimmung des Kindes, § 1596 Abs. 2 Nr. 1  BGB-E Künftig soll neben die aktuelle Regelung des § 1595 Abs. 2 BGB, die eine zusätzliche Zustimmung des Kindes erfordert, wenn der Mutter insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht, das grundsätzliche Erfordernis der Zustimmung des Kindes ab Vollendung des 14. Lebensjahres treten (§ 1596 Abs. 2 Nr. 1 BGB-E). In der Begründung heißt es, „es [vertrage] sich nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes, dass die Zustimmung des Kindes für die Frage der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung auch bei älteren Kindern unerheblich sein soll, zumal die Frage der Anerkennung über den zweiten Elternteil entscheide und damit über eine Rechtsbeziehung, die für das Kind von maßgeblicher Bedeutung [sei]“116. Das Selbstbestimmungsrecht des beschränkt geschäftsfähigen Kindes soll zudem auch dadurch gestärkt werden, dass die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters künftig nicht mehr notwendig sein soll117. Darauf, auch von einem unter 14-jährigen Kind grundsätzlich die Zustimmung einzuholen, wird aber mit der Begründung verzichtet, dass sie in der Regel durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin abgegeben werden müsste, diese aber kaum anders entscheiden könnte als im Rahmen ihrer Zustimmung aus eigenem Recht, sodass es zu einem doppelten Zustimmungserfordernis als bloßer Förmelei käme118.

Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3. DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9. 116  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 29. 117  Fehlender Verweis auf die Vorschrift des § 1595 Abs. 1 S. 2 BGB-E, die § 1596 Abs. 1 S. 2 BGB in der geltenden Fassung entspricht. Vgl. BMJV, Diskus­sions­ teilentwurf AbstR (2019), S. 29: Ausreichende Fähigkeit zur Willensbildung. Zust. DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5. 118  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 29 unter Verweis auf BTDrs. 13/4899, 54. 114  djb,

115  Vgl.



B. Anpassung der Anerkennung der Elternschaft285

Der Gesetzgeber greift nunmehr zwar die Kritik auf, die an der Ausgestaltung der Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung geäußert wurde119. Jedoch dürfte der Vorschlag hinter den Erwartungen der Kritiker zurückbleiben, weil die Zustimmung des Kindes auch weiterhin nur kumulativ neben die Zustimmung der Mutter („bedarf auch der Zustimmung des Kindes“ [Herv. d. Verf.]) tritt und diese weiterhin aus eigenem Recht und nicht in Vertretung des Kindes zustimmen kann. Der Entwurf folgt dabei offenbar bewusst nicht einem Vorschlag, der durch den Arbeitskreis Abstammungsrecht des BMJV gemacht wurde und welcher die Zustimmung der Mutter gänzlich abschaffen wollte120. Nur dies würde das Selbstbestimmungsrecht des Kindes tatsächlich stärken. Der Vorschlag sah ein abgestuftes System vor, in welchem für minderjährige Kinder der gesetzliche Vertreter, ab Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind selbst mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und ab Vollendung des 18. Lebensjahres das Kind allein zustimmen können soll­ te121. Der Arbeitskreis sprach sich mit knapper Mehrheit ebenso dafür aus, dass bei Verweigerung der Zustimmung durch das Kind oder den gesetzlichen Vertreter für minderjährige Kinder von Amts wegen ein Feststellungsverfahren eingeleitet werden soll, in dessen Rahmen über die Vaterschaft des Anerkennenden zu entscheiden sei122. Eine rechtliche Vaterlosigkeit solle im Interesse des Kindes (und wohl auch des Fiskus) vermieden werden, gleichzeitig äußerten die Mitglieder des Arbeitskreises Bedenken, ein Einschreiten von Amts wegen könnte zu paternalistisch sein123. Der Diskussionsteilentwurf sieht von einem Feststellungsverfahren von Amts wegen und einer Ersetzung der Zustimmung der Mutter ab, weil diese nur erfolgen könne, wenn die Voraussetzungen für eine Feststellung vorliegen. In diesem Fall könne die anerkennungsbereite Person allerdings selbst die gerichtliche Feststellung der Elternschaft betreiben, ohne dass es eines Verfahrens zur Ersetzung der Zustimmung bedürfe124.

119  Siehe

Kap. 2 B. II. 2., S. 89. einem deutlichen Abstimmungsergebnis von 9:1:1, BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 12, S. 42. 121  Mit einem Abstimmungsergebnis von 10:0:1, BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 13, S. 42 f. 122  Mit einem Abstimmungsergebnis von 6:5:0, BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 14, S. 43. 123  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 43. 124  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 30 unter Verweis auf die Begründung des KindRG BT-Drs. 13/4899, 54. 120  Mit

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

IV. Ergebnis Das BMJV hat einer viel diskutierten Option zur Sicherung des Personenstandes des Kindes nach einer Samenspende durch die ausdrückliche Klarstellung dahingehend, dass eine vor der Zeugung liegende Anerkennung künftig nicht möglich sein soll, eine deutliche Absage erteilt. Eine nähere Auseinandersetzung bleibt der Entwurf bedauerlicherweise schuldig. Die vorgesehene Einführung der Veränderungssperre führt zu einer Stärkung der Rechtsposition nicht nur des leiblichen Vaters, sondern auch intendierter Eltern, die die Feststellung ihrer Elternschaft nach ärztlich assistierter künst­ licher Befruchtung mit Spendersamen anstreben, weil eine anderweitige Anerkennung nicht mehr wirksam vorgenommen werden kann. Im Rahmen der Modifikation der Anerkennungsregeln ist gleichzeitig aber nicht gelungen, neben Erwachseneninteressen auch jene des Kindes im Rahmen des Zustimmungserfordernisses hinreichend abzusichern. Entgegen der seit Jahrzehnten geäußerten Kritik sieht der Entwurf zwar künftig die Zustimmung des Kindes ab dem 14. Lebensjahr vor, allerdings weiterhin nur neben der Zustimmung der Mutter aus eigenem Recht. Angesichts des anderslautenden Vorschlags des Arbeitskreises Abstammungsrecht handelt es sich hierbei um eine bewusste Entscheidung, welche unter dem Anschein der Verbesserung der Situation verschleiert, dass das Selbstbestimmungsrecht des Kindes weiterhin nicht angemessen berücksichtigt werden soll.

C. Ausweitung des scheidungsakzessorischen Statuswechsels I. Inhalt des Reformvorschlags 1. Arbeitskreis Abstammungsrecht Schon im Rahmen des Abschlussberichts des Arbeitskreises Abstammungsrecht ist vorgesehen worden, das Institut des scheidungsakzessorischen Statuswechsels (§ 1599 Abs. 2 BGB) zu erweitern. Konkret sollte die Möglichkeit eröffnet werden, dass bei bestehender Ehe der Mutter ein Dritter die Vaterschaft für ein Kind schon vorgeburtlich oder innerhalb von 8 Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennen kann, ohne dass es auf den Ausgang eines anhängigen Scheidungsverfahrens ankäme. Das Kind könnte auf diesem Weg ohne aufwendiges Anfechtungsverfahren und ohne die Rechtskraft der Scheidung abwarten zu müssen möglichst schnell dem Anerkennenden, dessen leibliche Vaterschaft bzw. Übernahme der Elternverantwortung als wahrscheinlich gilt, zugeordnet werden125. Die Zustimmung der Mutter so-



C. Ausweitung des scheidungsakzessorischen Statuswechsels 287

wie des Ehemannes blieben weiterhin erforderlich. Uneinig waren sich die Experten allerdings darüber, ob die Anerkennung des Dritten nach den genannten Modalitäten auch dann in Betracht kommt, wenn sich die Vaterschaft des Partners der Mutter nicht aus einer Ehe, sondern ebenfalls aus einer (vorgeburtlichen) Anerkennung ergibt126. Die geltende Vorschrift solle daneben erhalten bleiben, aber neu formuliert werden. Auf die Rechtskraft des der Scheidung stattgebenden Beschlusses kommt es künftig nicht an, vielmehr sieht der Arbeitskreis vor, die Rechtsfolgen der Anerkennung unmittelbar nach Abgabe der erforderlichen Erklärungen eintreten zu lassen127. Auf diese Weise könnte auch für die Zeit ab der achten Woche nach der Geburt des Kindes ein erleichterter Statuswechsel gewährleistet werden128. An diesen Grundsätzen soll auch im Falle der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen festgehalten werden. Sofern also etwa die Ehefrau wegen Getrenntlebens von ihrem Ehepartner mit einem Dritten einvernehmlich in die künstliche Befruchtung mit Spendersamen einwilligt und mit der Geburt der (Noch-)Ehemann der Mutter rechtlicher Vater des Kindes wird (§ 1592 Nr. 1 BGB), soll der einwilligende Mann vor der Geburt oder innerhalb von 8 Wochen nach der Geburt (oder auch später ohne Berücksichtigung der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses) die Vaterschaft für das Kind mit Zustimmung der Mutter und des Ehemannes anerkennen können129. 2. Diskussionsteilentwurf Der Vorschlag des Diskussionsteilentwurfes entspricht im Wesentlichen jenem des Arbeitskreises Abstammungsrechts, geht allerdings über diesen hinaus. So ist vorgesehen, dass die Vorschrift auf eine Anerkennung durch eine Frau als dritter Person erstreckt wird. Dies soll entsprechend § 21 LPartG i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts130 auch für Lebenspartner der Mutter in eingetragener Lebenspartnerschaft gelten131. Insgesamt wird beabsichtigt, die Primärzuordnung noch passgenauer auszu-

125  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 16 bis 18, S. 45: „Ist die Mutter bei Geburt des Kindes verheiratet, ist Vater des Kindes, wer die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter und des Ehemannes bis zur Geburt bzw. bis 8 Wochen nach der Geburt anerkannt hat.“ 126  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 16 bis 18, S. 45. 127  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 19 und 20, S. 46. 128  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 19 und 20, S. 46. 129  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 40, S. 60. 130  BGBl 2018 I, S. 2639. 131  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 39.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

gestalten132. Für die Wirksamkeit der Anerkennung des Dritten soll es auf die Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses nicht mehr ankommen; es genügt, wenn die Anerkennung bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft erfolgt und der Scheidungsantrag im Zeitpunkt der Geburt des Kindes anhängig war (§ 1599 Abs. 2 Nr. 2 BGB-E). Dies entspricht dem Vorschlag des Arbeitskreises Abstammungsrecht. Sollte der Scheidungsantrag zurückgenommen werden, kann die Elternschaft des leiblichen Vaters oder intendierten Elternteils hingegen nicht angefochten werden133. Daneben tritt die Option, unabhängig von einem Scheidungsverfahren vor der Geburt des Kindes oder innerhalb von 8 Wochen nach der Geburt einvernehmlich die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft für das Kind anzuerkennen (§ 1599 Abs. 2 Nr. 1 BGB-E). Die Neuregelung zielt darauf ab, einvernehmlich, schnell und ohne gerichtliche Anfechtungs- und ggf. Feststellungsverfahren dem Kind entweder den leiblichen Vater oder den intendierten Elternteil zuzuordnen, weil in beiden Fällen erwartet werden könne, dass diese Personen die elterliche Verantwortung eher übernehmen wollen als der Ehemann bzw. die Ehefrau der Geburtsmutter134. Das kurze Zeitfenster von bis zu 8 Wochen nach der Geburt ermögliche Rechtssicherheit und -klarheit135. Hinsichtlich § 1599 Abs. 2 Nr. 1 BGB-E hat der Entwurf offenbar Fälle vor Augen gehabt, in denen ein Seitensprung der Mutter durch den Ehepartner verziehen und deshalb kein Scheidungsantrag gestellt wird, wobei aber einvernehmlich der Seitensprungpartner die rechtliche Vaterstellung einnehmen soll136. Zu denken wäre gleichzeitig auch an Konstellationen, in denen Paare langfristig zwar getrennt leben, von einer Scheidung jedoch absehen, etwa wegen drohender Ausweisung eines Elternteils, gemeinsamer Kinder, hohen Alters oder im Falle eines gemeinsamen Unternehmens137.

II. Bewertung Die vorgesehene Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1599 Abs. 2 BGB ist in erster Linie auf Ausnahmesituationen zugeschnitten138. Faktisch würde sie die pater-est-Regel aufheben, denn durch die unmittelbare WirDiskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 19. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 41. 134  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 40. 135  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 41. 136  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 41; krit. hinsichtlich ausreichender Berücksichtigung des sozialen Elternteils (Ehemann oder Ehefrau der Mutter) siehe DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 13. 137  djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 138  djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 132  BMJV, 133  BMJV,



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils289

kung der Anerkennung des Dritten unabhängig von der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses wird das Kind trotz bestehender Ehe zum Kind eines Dritten. Dies erstaunt, denn zum einen hatte der Gesetzgeber ein solches Ergebnis bei Schaffung von § 1599 Abs. 2 BGB noch ausdrücklich verhindern wollen139. Entgegen der schon damals bestehenden Bedenken stellt die geplante Modifikation des scheidungsakzessorischen Statuswechsels zum anderen eine weitere Stärkung privatautonomer Elemente dar. Dabei wird der ursprüngliche Sinn und Zweck der Vorschrift, die Zuordnung entsprechend der leiblichen Abstammung zu gestalten und dadurch das Abstammungsprinzip zu wahren, allerdings ad absurdum geführt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Erstreckung der Regelung auf die anerkennende Mit-Mutter als dritter Person, wodurch – bei aller Logik und Stringenz der Erweiterung – ein beliebiger Statuswechsel nach den Wünschen der Erwachsenen möglich wird140. Der Diskussionsteilentwurf zielt nicht darauf ab, die Rechtsstellung des Kindes durch ein entsprechendes Zustimmungserfordernis zu verbessern. Hierdurch wäre die bestehende Kritik am geltenden § 1599 Abs. 2 BGB, deren Wurzeln in der Ausgestaltung der Zustimmungsregeln bei der Vaterschaftsanerkennung begründet liegen141, in einer Neuregelung weiterhin ein­ schlägig.

D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand von zentraler Bedeutung ist der Vorschlag des Entwurfs zur Etablierung einer rechtlichen Eltern-KindBeziehung nach einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen. Der Diskussionsteilentwurf sieht vor, dass die Person, d. h. ein Mann oder eine Frau, die in eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung der Geburtsmutter eingewilligt hat, künftig gerichtlich als Elternteil festgestellt werden können soll. Dieser Vorschlag basiert auf der Grundannahme, dass die Einwilligungen der intendierten Eltern zusammen mit dem Verzicht des Spenders jedenfalls bei ärztlich unterstützten heterologen Befruchtungen an die Stelle des natürlichen Zeugungsakts treten142.

139  Siehe

Kap. 2 B. III., S. 91 ff. NRV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 4. 141  Vgl. dazu Kap. 2 B. III., S. 91 ff. 142  Siehe schon BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 34, S. 57. 140  Ebenso

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

I. Gesetzessystematik 1. Anpassung von § 1592 BGB Den Ausgangspunkt für die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung der intendierten Eltern bildet die aktuelle Regelung für die Vaterschaftstatbestände in § 1592 BGB. Der Diskussionsteilentwurf sieht zum einen vor, dass sich die gerichtliche Feststellung in Nr. 3 künftig nicht mehr nur auf die genetische Abstammung beziehen soll, sondern dass auch der Mann, der gemäß § 1598c BGB-E in die Befruchtung eingewilligt hat, als rechtlicher Vater festgestellt werden kann. Zum anderen soll in § 1592 BGB ein Absatz 2 eingefügt werden, welcher die geltenden Vaterschaftstatbestände einschließlich der genannten Neuerung auch auf die Mit-Mutter erstreckt. Sie kann dann ebenfalls kraft Ehe, Anerkennung oder gerichtlicher Feststellung rechtlicher Elternteil werden. Diese Eingliederung in das Konzept des § 1592 BGB entspricht dem Vorschlag des Arbeitskreises Abstammungsrecht143. 2. Systematik und Regelungsgehalt der §§ 1598a bis 1598c BGB-E Die neu einzufügenden §§ 1598a ff. BGB-E übernehmen im Wesentlichen den Inhalt des geltenden § 1600d BGB, gehen aber in einigen Punkten über diese Vorschrift hinaus. § 1598a BGB-E regelt grundsätzlich die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft und hält daran fest, dass sie obligatorisch bleibt („ist … festzustellen“), während § 1598b BGB-E materiell-rechtliche Regeln über die gerichtliche Feststellung des leiblichen Vaters und § 1598c BGB-E jene über die gerichtliche Feststellung intendierter Eltern bei künstlicher Befruchtung enthalten soll. § 1598a Abs. 1 BGB-E entspricht § 1600d Abs. 1 BGB, wobei als Folgeänderung die Aufnahme der Mit-Mutterschaft in den Wortlaut erfolgt. Darüber hinaus dient Absatz 2 Satz 2-E der Klarstellung, dass die rechtliche Elternstellung nicht ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellungsentscheidung eingenommen wird, sondern die Gerichtsentscheidung auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurückwirkt144. Die nach § 1600d Abs. 3 und Abs. 4 BGB geltenden Regeln zu Empfängniszeit und Feststellungsausschluss des sog. offiziellen Samenspenders sollen künftig in § 1598b BGB-E und § 1598c BGB-E verortet werden. Sofern es um die gerichtliche Feststellung aufgrund leiblicher Abstammung geht, soll es bei der Feststellung allein des leiblichen Vaters bleiben (§ 1598b BGB-E); 143  BMJV, 144  BMJV,

Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 39, S. 59 f. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 32.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils291

die Feststellung der Frau, von der die Eizelle stammt, als leibliche Mutter kommt laut Entwurfsbegründung nicht in Betracht, weil die Eizellspende in Deutschland nach dem ESchG verboten bleiben soll und die rechtliche Elternschaft einer dritten Person neben Geburtsmutter und rechtlichem Vater wegen des Zwei-Eltern-Prinzips nicht möglich ist145. Wegen § 1598 Abs. 1 HS 2 BGB-E soll § 1598c BGB-E unberührt bleiben, sodass für den offiziellen Samenspender als leiblichem Vater die dortigen Regeln hinsichtlich eines Feststellungsausschlusses greifen146. Die für den Untersuchungsgegenstand maßgeblichen Regelungen befinden sich in § 1598c BGB-E. Die Vorschrift regelt die gerichtliche Feststellung bei künstlicher Befruchtung, wobei sowohl die Position des offiziellen Samenspenders als auch jene des intendierten Elternteils neben der Geburtsmutter erfasst sein soll. Während Absatz 1 die Modalitäten betrifft, unter welchen der Samenspender von einer gerichtlichen Feststellung ausgeschlossen ist, enthält Absatz 2 die Voraussetzungen, unter denen die Person, die in die Befruchtung eingewilligt hat, als rechtlicher Elternteil gerichtlich festzustellen ist (Feststellungslösung). Die Absätze 3 und 4 betreffen Formfragen, Fragen des Widerrufs sowie weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen für die betreffenden Erklärungen.

II. Ärztlich assistierte Befruchtung Ausweislich der Entwurfsbegründung soll die Möglichkeit der gericht­ lichen Feststellung nur dann bestehen, wenn die künstliche Befruchtung in einem organisierten Rahmen stattfindet. Die Feststellung soll nur „in den Fällen des Absatzes 1“ möglich sein (§ 1598c Abs. 2 S. 1 HS 1 BGB-E), d. h. nur dann, wenn die künstliche Befruchtung ärztlich unterstützt in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung nach dem TPG stattfindet (§ 1598c Abs. 1 S. 1 BGB-E). In allen anderen Fällen kommt die gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils nicht in Betracht; dies betrifft insbesondere rein privat durchgeführte Befruchtungen und Samenspenden, aber auch den einvernehmlichen Seitensprung147. 145  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 32. Siehe aber djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5: Parallel für die Feststellung des leiblichen Vaters als rechtlichem Vater muss jedoch für die seltenen Fälle der genetischen Elternschaft einer anderen Frau als der Gebärenden (im Ausland vorgenommene Eizellspende; Mann-zu-Frau-transsexuelle Person; Embryonenspende) ein entsprechendes Verfahren zur Feststellung der Mit-Mutterschaft aufgrund leiblicher Abstammung vorgesehen werden. Der djb regt an, die Regelung um die Mit-Mutterschaft zu ergänzen. 146  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 33. 147  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S.  36; krit. LSVD, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5; ebenso Reuß, Theorie eines Elternschafts-

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

III. Verzicht des Samenspenders auf seine Elternstellung, § 1598c Abs. 1  BGB-E Die Möglichkeit zur gerichtlichen Feststellung eines intendierten Elternteils soll ausschließlich dann bestehen, wenn eine gerichtliche Feststellung des Spenders als Vater des Kindes ausgeschlossen ist (§ 1598c Abs. 2 S. 1 BGB-E: „in den Fällen des Absatzes 1“). Der Entwurf geht davon aus, es entspreche dem Kindeswohl besser, wenn statt des Samenspenders der intendierte Elternteil rechtlicher Elternteil wird, weil davon ausgegangen werden könne, der Spender wolle die Elternverantwortung im Gegensatz zum intendierten Elternteil nicht übernehmen148. Gleichzeitig soll die Person, die kraft ihrer Erklärung die Entstehung menschlichen Lebens zu verantworten hat, genauso zu behandeln sein und an ihrer Verantwortung festgehalten werden wie ein Mann, der auf natürliche Weise ein Kind zeugt149. Die Einwilligungen der intendierten Eltern treten nach der Konzeption des Entwurfs zusammen mit dem Ausschluss des Spenders von der Feststellung an die Stelle eines natürlichen Zeugungsaktes150. Der Spender wäre von der Feststellung ausgeschlossen, wenn er auf seine Elternstellung verzichtet. Dies ist der Fall, wenn er seine Samenspende einer Entnahmeeinrichtung i. S. d. ­SaRegG zur Verfügung stellt (§ 1598c Abs. 1 Nr. 1 BGB-E), wobei diese Option im Wesentlichen dem geltenden Feststellungsausschluss in § 1600d Abs. 4 BGB entspricht (dazu unter 1.). Neu hinzutreten soll darüber hinaus der Ausschluss auch des privaten Spenders, wenn dieser ausdrücklich auf die Elternschaft verzichtet und sein Einverständnis mit der Speicherung seiner Daten im Register erklärt (§ 1598c Abs. 1 Nr. 2 BGB-E, dazu unter 2.). 1. Feststellungsausschluss bei Spende an Entnahmeeinrichtung (offizielle Samenspende, § 1598c Abs. 1 Nr. 1 BGB-E) Unverändert sieht der Diskussionsteilentwurf vor, den Samenspender von der gerichtlichen Feststellung auszuschließen, wenn das Kind unter ärztlicher Assistenz in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung mit dem Samen des Spenders gezeugt wurde und dieser ihn zuvor einer Entnahmeeinrichtung nach dem SaRegG zur Verfügung gestellt hat (§ 1598c Abs. 1 Nr. 1 BGB-E). rechts (2018), S. 363 f., allerdings ohne Förmlichkeiten zu verlangen mit bloßem Hinweis auf die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nach § 26 FamFG zur Ausräumung von Beweisschwierigkeiten. 148  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 33 unter Verweis auf Begründung zum SaRegG 18/11291, S. 35; ebenso BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 34 und 35, S. 58. 149  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 33. 150  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 3.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils293

Die Gefahr, dass dem gezeugten Kind nach seiner Geburt nur ein rechtlicher Elternteil zugeordnet werden kann, mindert sich allerdings nach der Konzeption des Diskussionsteilentwurfs, weil der zweite intendierte Elternteil nach der Befruchtung nicht mehr von der Übernahme der rechtlichen Verantwortung Abstand nehmen, sondern auch gegen seinen Willen gerichtlich als Vater oder Mit-Mutter festgestellt werden können soll. Die hinsichtlich der geltenden, inhaltsgleichen Vorschrift des § 1600d Abs. 4 BGB entgegengebrachten Bedenken bleiben im Übrigen aber bestehen. Das gilt vor allem mit Blick auf die Frage, ob den Rechten des Spenders als leiblichem Vater hinreichend Rechnung getragen wird und ob eine ausdrückliche, sogar notarielle Beurkundung der Verzichtserklärung zu fordern ist. Die Annahme eines bloß konkludenten Verzichts des offiziellen Spenders wahrt dessen Rechte nicht151. Dies gilt umso mehr, wenn künftig für den privaten Spender sogar eine ausdrückliche Verzichtserklärung erforderlich sein soll152. Organisatorisch ließe sich ein Formerfordernis dadurch einhalten, dass die Verzichtserklärung des Spenders einmalig notariell beurkundet und später bei jedem Spendetermin (in beglaubigter Abschrift) vorgelegt werden soll153. 2. Feststellungsausschluss bei privater Spende, § 1598c Abs. 1 Nr. 2  BGB-E Ein Feststellungsausschluss des Spenders soll auch dann in Betracht kommen, wenn der Spender ausdrücklich den Verzicht auf seine Elternrolle und ein Einverständnis in die Aufnahme seiner Daten in das Spenderregister erklärt (§ 1598c Abs. 1 Nr. 2 BGB-E). a) Verzichtserklärung und Rechtsnatur Der private Samenspender soll bei Vorliegen eines schriftlichen Verzichts sowie eines Einverständnisses in die Datenaufnahme und -speicherung dem offiziellen Spender gleichgestellt werden154. Anders als bei der Spende an eine Entnahmeeinrichtung bedarf es jedoch nach der Vorstellung des ­Entwurfs eines ausdrücklichen Verzichts in Schriftform (§ 1598c Abs. 3 HS 1 BGB-E), welcher dann zweifelsfrei die fehlende Absicht hinsichtlich der rechtlichen Vaterstellung dokumentiere und auf diese Weise zum einen der statusrecht­ lichen Tragweite der Erklärung Rechnung trage, zum anderen für die inten151  Siehe

schon Kap. 4 B. VI. 3., 4., 6., S. 213 ff., 226. sogleich. 153  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7. 154  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 35. 152  Dazu

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

dierten Eltern Rechtssicherheit schaffe155. Von der tatsächlichen Aufnahme der Daten in das Spenderregister soll der Feststellungsausschluss jedoch im Interesse der Beteiligten, insbesondere des Kindes, nicht abhängen, weil sie nach Abgabe der erforderlichen Erklärungen nicht in ihrem Einflussbereich liegt156. Außerdem wird grundsätzlich auch der Mann von der Feststellung ausgeschlossen, dessen Samen zur Entstehung eines Embryos bei einer Embryospende beigetragen hat (§ 1598c Abs. 1 S. 2 ­BGB-E)157. b) Erklärungsempfänger Der Diskussionsteilentwurf lässt offen, wem gegenüber der Verzicht des Spenders erklärt werden muss. Es erscheint sachgerecht, in erster Linie die intendierten Eltern, daneben aber auch die Befruchtungseinrichtung bzw. den behandelnden Arzt als Erklärungsempfänger anzusehen. Sofern nämlich Kliniken die Befruchtung mit dem Samen eines privaten Spenders anbieten, wird dieser regelmäßig einen gemeinsamen Termin mit den intendierten Eltern wahrnehmen und die Erklärung in Anwesenheit der Eltern und des behandelnden Arztes abgeben. Der Verzicht auf die Elternposition des Spenders ist für die intendierten Eltern deshalb von großer Bedeutung, weil er unmittelbare Voraussetzung für die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung des intendierten, genetisch nicht mit dem Kind verwandten Elternteils ist. Umgekehrt wird auch die Reproduktionseinrichtung an der Abgabe des Verzichts ein Interesse haben, weil ein Regress des Spenders gegenüber der Klinik denkbar ist, wenn diese seine Verzichtserklärung nicht eingeholt hat und der Spender etwa auf Initiative des Kindes doch per Gerichtsbeschluss zum rechtlichen Vater wird158. c) Form Die Verzichtserklärung des privaten Spenders soll nach dem Diskussionsteilentwurf der einfachen Schriftform unterliegen (§ 1598c Abs. 3 HS 1 BGB-E). Weil mit der Erklärung aber der dauerhafte Verzicht auf das Eltern-

Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 35. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 35. 157  Krit. djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6. 158  Nach dem neuen Anfechtungsrecht funktioniert dies aber wohl nur, wenn der intendierte Elternteil nicht bereits die rechtliche Elternstellung eingenommen hat; denn nach den vorgeschlagenen neuen Anfechtungsregeln soll auch das Kind die ­Elternschaft des intendierten Elternteils nicht beseitigen können. Dazu noch Kap. 5 E. IV., S. 338 ff. 155  BMJV, 156  BMJV,



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils295

recht einhergeht, bedarf es mindestens einer öffentlich beurkundeten Erklärung des Spenders, unabhängig von den Umständen der Spende159. d) Altersvoraussetzungen Anders als für die Einwilligungserklärungen (§ 1598c Abs. 2 BGB-E) ist die Verzichtserklärung des Samenspenders sowie die Erklärung zur Aufnahme der Spenderdaten in das Samenspenderregister nicht an das Erreichen der Volljährigkeit geknüpft. Der Entwurfsverfasser geht wohl davon aus, dass minderjährige Personen tatsächlich kaum als Samenspender in Betracht kommen werden160. Für die Verzichts- und Einverständniserklärung des Spenders soll außerdem § 1595 BGB-E entsprechend gelten (§ 1598c Abs. 3 S. 2 BGB-E): Sofern der Spender nicht geschäftsunfähig ist, muss er die Erklärungen daher selbst abgeben (ggf. mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bei beschränkter Geschäftsfähigkeit, § 1595 Abs. 1 S. 1 mit Abs. 2 BGB-E). Bei Geschäftsunfähigkeit bedarf es der Abgabe durch den gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts bzw. durch den Betreuer mit Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1595 Abs. 1 S. 2 ­BGB-E). Sowohl die Entscheidung, durch eine Samenspende der leibliche Vater eines Kindes werden zu wollen, als auch die Entscheidung, auf Dauer auf sein Elternrecht zu verzichten, ist von erheblicher Tragweite. Deshalb sollte die Beschränkung der Erklärungen des Spenders auf ausschließlich volljährige Spender gefordert werden. Zum einen dürfte dies der ohnehin bereits bestehenden ärztlichen Praxis im Rahmen der institutionalisierten Spende nach Nr. 1 entsprechen161. Zum anderen würde dadurch ein Gleichlauf mit den Voraussetzungen für die intendierte Elternschaft erreicht (§ 1598c Abs. 2 S. 1 HS  2 BGB-E); warum der Spender weniger schutzwürdig sein soll, ist nicht einleuchtend.

159  Zu den Argumenten siehe bereits die Anmerkungen zu § 1600d Abs. 4 BGB, Kap. 4 B. VI. 3., 6., S. 213 ff., 226. Für die Möglichkeit eines Verzichtsrechts in notarieller Form spricht sich eine Bundesratsinitiative der Länder Berlin und Thüringen aus, siehe BR-Drs. 223/21. 160  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 38: „auch wenn dies in der Praxis kaum eine Rolle spielen dürfte“. 161  Vgl. etwa die Vorgaben der Erlanger Samenbank: 20–50 Jahre (https://www. erlanger-samenbank.de/samenspende/; zuletzt abgerufen am 07.01.2023) und der Cryobank München: 20–45 Jahre (https://www.cryobank-muenchen.de/samenspender/ anforderungen; zuletzt abgerufen am 07.01.2023).

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

e) Widerruf Die Erklärungen des Samenspenders sollen nach der Intention des Entwurfs nicht widerruflich sein, um seinen Einfluss auf das weitere Geschehen, insbesondere auf die Etablierung der zweiten rechtlichen Elternstelle, auszuschließen162. Dadurch kann allerdings die Situation entstehen, dass der Spender wegen des Feststellungsausschlusses als rechtlicher Vater endgültig ausscheidet (vgl. § 1598c Abs. 1 Nr. 2 BGB-E), während der intendierte Elternteil gleichzeitig die abgegebene Einwilligung in die Befruchtung wegen einer Willensänderung mit Erfolg widerruft und somit nicht mehr festgestellt werden kann (§ 1598c Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB-E). Das Kind würde daher unter Umständen keinen zweiten rechtlichen Elternteil erhalten163. Wegen des Feststellungsausschlusses des § 1600d Abs. 4 BGB kann diese Situation bereits de lege lata eintreten, wenn es sich um eine offizielle Samenspende handelt. Vor diesem Hintergrund erscheint denkbar, für Fälle der privaten Spende nach Nr. 2 selektiv bedingte Verzichts- bzw. Einwilligungserklärungen zu normieren. Das würde bedeuten, dass ein Verzicht des Spenders unter die Bedingung der Einwilligung des Wunschelternteils gestellt werden könnte. Möglicherweise ist ein privater Spender nämlich unter Umständen bereit, die rechtliche Elternstellung einzunehmen, wenn der intendierte Elternteil die Einwilligung widerruft164. Denkbar erscheint umgekehrt auch die Abgabe einer Einwilligung unter dem Vorbehalt des Spenderverzichts. Die ausnahmslos fehlende Möglichkeit zum Widerruf ist problematisch, weil sie dem privaten Spender auch dann, wenn die Befruchtung noch nicht vorgenommen worden ist, die leibliche Vaterschaft aufdrängen kann, während der offizielle Spender nach den Vorgaben von § 8 Abs. 2 S. 6 TPG zum Widerruf seiner Einwilligung berechtigt ist (Schriftform). In Anlehnung an das Widerrufsrecht des offiziellen Spenders und jenes der intendierten Eltern (§ 1598c Abs. 4 BGB-E) sollte ein Widerruf auch des privaten Spenders spätestens bis zur Durchführung der Behandlung, mindestens in Schriftform, möglich sein. Dies gilt umso mehr, als der private Spender regelmäßig in einer Sonderbeziehung zu den Wunscheltern steht. f) Zwischenergebnis Die vorgeschlagene Regelung des § 1598c Abs. 1 Nr. 2 BGB-E erstreckt abstammungsrechtliche Vorschriften erstmals explizit auch auf den privaten Samenspender. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, berücksichtigt dieser VorDiskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 38. Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 164  djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 162  BMJV, 163  djb,



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils297

schlag doch gerade in jüngerer Zeit immer wieder an den Gesetzgeber gestellte entsprechende Forderungen. Nichtsdestotrotz müssten Einzelfragen im Gesetzgebungsverfahren noch näher erörtert werden. Dies betrifft etwa die Klarstellung hinsichtlich des Erklärungsempfängers. Darüber hinaus bedarf es auch einer Überprüfung, ob nicht auch für den Spender eine Altersanhebung auf mindestens 18 Jahre erfolgen sollte. Für die Form des Verzichts bietet sich aufgrund seiner Tragweite nicht die bloß schriftliche Dokumentation, sondern eine öffentliche Beurkundung an165. Diese könnte für den offiziellen Spender vor Abgabe der ersten Probe, für einem privaten Spender im Rahmen eines gemeinsamen Termins mit den intendierten Eltern beim Notar erfolgen166. Der Widerruf der Verzichtserklärung sollte möglich sein und aus Beweisgründen mindestens der Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) unterliegen. Offenbar ist in dem Entwurf hingegen nicht bedacht, dass der Ausschluss des privaten Spenders – jedenfalls ohne die gleichzeitige Begründung einer anderweitigen rechtlichen Elternschaft – zu Missbrauchsfällen zu Lasten des Fiskus führen kann, wenn der Spender entgegen seines Verzichts faktisch doch die Elternrolle einnehmen möchte, ohne gleichzeitig auch die finanziellen Pflichten zu erfüllen167. 3. Feststellungsausschluss bei Befruchtung einer alleinstehenden Frau Der Diskussionsteilentwurf sieht den Feststellungsausschluss für den Samenspender künftig auch dann vor, wenn der Spendersamen einer alleinstehenden Frau zugeführt werden soll und keine Erwartung dahingehend besteht, dass ein zweiter Elternteil die Elternverantwortung übernehmen wird. Dies entspricht bereits geltendem Recht (§ 1600d Abs. 4 BGB)168. Die Begründung weist darauf hin, dass es willkürlich wäre, den Feststellungsausschluss von der Möglichkeit der rechtlichen Elternschaft eines intendierten Elternteils abhängig zu machen169, zumal der Samenspender die Verwendung seines Genmaterials bei alleinstehenden Frauen nicht verhindern kön­ 165  Anders DNotI, Gutachten Abruf-Nr. 165782: Schriftliche Dokumentation der Beratung genüge, wobei hier wohl lediglich die Aufklärungspflichten des SaRegG berücksichtigt werden, ohne die Dimension des Verzichts zu bedenken. 166  Zur Formfrage für die Einwilligung siehe noch Kap. 5 D. IV. 6., S. 302 ff. 167  Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2634): Durch die Möglichkeit der Feststellung werde auch die Gefahr des Missbrauchs ausgeschlossen, dass nämlich bei „echten“ Paaren der Vater verzichtet, ohne dass eine andere Person rechtlicher zweiter Elternteil wird und dadurch womöglich die öffentliche Hand belastet wird. Dazu auch Verein Spenderkinder, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8 f. 168  Vgl. Kap. 1 C. II., S. 34. 169  Die Möglichkeit der Anfechtung durch den Spender ist vom BGH allerdings noch vom Konsens über die rechtliche Elternschaft des einwilligenden Mannes abhängig gemacht worden, vgl. Kap. 4 B. VI. 1. b), S. 206.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

ne170. Dem ist allerdings nicht zu folgen. Der Entwurf zielt darauf ab, entgegen des aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG abgeleiteten und für das Abstammungsrecht grundlegenden Zwei-Eltern-Prinzips eine Situation zu schaffen, in welcher einem Kind von Beginn an die Vater- bzw. Mit-Mutterlosigkeit einschließlich aller Konsequenzen droht. Diese Lösung stellt eine Überbetonung von Erwachseneninteressen gegenüber Kindesinteressen dar. Die in der Begründung geäußerten organisatorischen Bedenken171 tragen im Übrigen nicht: Es wäre durchaus möglich und den Beteiligten faktisch zumutbar, die Einwilligung des Spenders in die Verwendung seiner Spenden explizit auch auf die Verwendung Alleinstehender (oder gleichgeschlechtlicher Frauenpaare) zu erstrecken172. Diese Information könnte zusammen mit anderen Angaben des Spenders und der Spende durch die Entnahmeeinrichtung innerhalb ihrer Pflichten aus dem SaRegG an die Einrichtung der medizinischen Versorgung weitergeleitet werden. Erklärt sich der Spender einverstanden, könnte dies eine Einschränkung des ausnahmslosen Feststellungsausschlusses dahingehend begründen, dass der Feststellungsausschluss bei Befruchtung einer alleinstehenden Frau nicht greift. Auf diese Weise könnte der Spender dem Kind künftig bei Bedarf als rechtlicher Vater zugeordnet werden173. Andernfalls käme die Verwendung seines Samens nur in Paarkonstellationen in Betracht. Insgesamt stellt sich die Frage, ob ein Ausschluss alleinstehender Frauen von dem Zugang zu betreffenden Behandlungen möglicherweise sinnvoll wäre; unter Verweis auf ein auch für sie bestehendes Recht auf Fortpflanzung muss dies aber wohl verneint werden174. Jedenfalls aber hätte es einer Prüfung dahingehend bedurft, ob der Feststellungsausschluss nicht begründeten Ausnahmen wie der künstlichen Befruchtung Alleinstehender unterliegen solle175.

170  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 34 unter Verweis auf Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 21; i. E. auch Raude, RNotZ 2019, 451 (453). 171  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 34. 172  Vgl. Schumann, in: Beier/Brügge/Thorn/Wiesemann (Hrsg.), Assistierte Reproduktion (2020), 69 (81). 173  Die Alternative läge in der Nichtzulassung bestimmter Gruppen zu den Methoden. 174  Bornhofen, Rechtliche Einelternschaft (2019), S. 159 f.; Heiderhoff, FF 2020, 225 (234) mit dem Hinweis darauf, dass das Recht der alleinstehenden Frau aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG vorrangig sei, weil das Interesse des Kindes an einem Aufwachsen mit zwei Elternteilen nicht überwiegen würde. 175  Grundsätzlich für die Aufnahme von Ausnahmeregelungen in §  1600d Abs. 4 BGB auch Straub, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (2019), S. 325 f.; unter Verweis auf die Folgen einer hierdurch sinkenden Spendebereitschaft ablehnend Bornhofen, Rechtliche Einelternschaft (2019), S. 160 f.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils299

4. Zwischenergebnis Die im Diskussionsteilentwurf vorgesehene Einbeziehung des privaten Spenders in das Abstammungsrecht ist trotz weiterhin vorgesehener Beschränkung der Vorschriften auf ärztlich assistierte Konstellationen grundsätzlich zu begrüßen. Sie schafft einen Anreiz, auch für Kinder privater Spender das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung durch die Hinterlegung der Daten im Spenderregister zu sichern176. Gleichzeitig stellt sich jedoch auch hier die Frage nach möglichen Ausnahmen. Grundsätzlich stellt die gesetzlich normierte Möglichkeit des privaten Spenders, auf seine Elternposition zu verzichten, einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Öffnung des Abstammungsrechts auch für andere Konstellationen intendierter Elternschaft dar. Der vorgesehenen Anwendbarkeit des Verzichts auch auf Fälle, in denen eine alleinstehende Frau eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen wünscht, ist aber abzulehnen.

IV. Einwilligung der intendierten Eltern in die künstliche heterologe Befruchtung, § 1598c Abs. 2  BGB-E Wesentliche Voraussetzung für eine gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils ist neben der ärztlichen Assistenz und dem Verzicht des Spenders die Einwilligung der intendierten Eltern in die künstliche Befruchtung mit Spendersamen. Die folgenden Ausführungen widmen sich einzelnen Aspekten der Einwilligungserklärung, wobei vor dem Hintergrund des Untersuchungsgegenstandes der Frage nach der Formbedürftigkeit de lege ferenda besonderes Gewicht zukommt (siehe Punkt 6.). 1. Rechtscharakter der Einwilligung in die künstliche Befruchtung, § 1598c Abs. 2  BGB-E Anders als im Rahmen des geltenden § 1600 Abs. 4 BGB bezieht sich die Einwilligung in die künstliche Befruchtung gemäß § 1598c Abs. 2 BGB-E nicht auf die Herbeiführung eines Anfechtungsausschlusses als Rechtsfolge. Die Erklärung soll lediglich eine Voraussetzung für eine spätere gerichtliche Feststellung darstellen („ist festzustellen“). Damit gehen von der Einwilligung selbst zunächst keine Rechtswirkungen aus, vielmehr muss das Feststellungsverfahren später, sofern die Elternschaft nicht auf andere Weise begründet wird, eigens eingeleitet werden. 176  DFGT,

Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 12.

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Gleichzeitig ist zu beachten, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 1598c Abs. 2 BGB-E stets auch die Vorgaben des § 1600b BGB-E erfüllt werden; umgekehrt ist das nicht der Fall177. Es liegt somit ein lex-specialisVerhältnis vor. § 1600b BGB-E regelt den Ausschluss der Anfechtung nach künstlicher Befruchtung und stimmt im Wesentlichen mit der geltenden Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB überein. Kindern, deren Zeugung den Anforderungen von § 1598c BGB-E entspricht, kommt daher auch der Ausschluss der Anfechtung der rechtlichen Elternschaft durch die Eltern zugute. Vor diesem Hintergrund spaltet eine streng isolierte Betrachtung der Erklärungen von § 1598c Abs. 2 BGB-E einerseits und § 1600b BGB-E andererseits einen einheitlichen Vorgang künstlich auf. Dies gilt darüber hinaus vor dem Hintergrund der Frage, ob nunmehr auch im Rahmen von § 1598c Abs. 2 BGB-E ein konkludenter Unterhaltsvertrag des zweiten, nicht-leiblichen intendierten Elternteils zu Gunsten des Kindes angenommen werden kann. Letztlich ist dies bereits wegen der Rechtswirkung des stets miterfüllten § 1600b BGB-E zu bejahen und im Übrigen auch sinnvoll, wenn man bedenkt, dass bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung des intendierten Elternteils eine gewisse Zeit vergehen kann. Deshalb sprechen gute Gründe dafür, dass in der Einwilligungserklärung i. S. v. § 1598c Abs. 2 BGB-E ebenfalls ein konkludenter Vertrag zu Gunsten des Kindes liegt. Außerdem dürfte auch hinsichtlich des Gedankens der Ausübung des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit im Rahmen der Regelung des § 1598c Abs. 2 BGB-E nichts anderes gelten als für § 1600b BGB-E178. Im Ergebnis sollte daher die Einwilligungserklärung im Rahmen von § 1598c Abs. 2 BGB-E rechtsdogmatisch ebenfalls als Willenserklärung eingeordnet werden. 2. Einwilligungsberechtigte Personen und Erklärungsempfänger Als Personen, die einvernehmlich mit der Mutter in die künstliche Befruchtung mit Spendersamen einwilligen können, sollen künftig sowohl der männliche Partner der Mutter als auch ihre weibliche Partnerin (Mit-Mutter) in Betracht kommen. Unerheblich ist dabei, ob die einwilligende Person mit der Mutter verheiratet, verpartnert oder in nichtehelicher Lebensgemeinschaft verbunden ist. Eine Klarstellung hinsichtlich der Person des Erklärungsempfängers sieht der Entwurf nicht vor. Daher ist in Anlehnung an die Grundsätze des § 1600 Abs. 4 BGB davon auszugehen, dass der andere intendierte Elternteil Erklärungsempfänger ist, wobei der behandelnde Arzt als Bote ebenfalls einge177  Dazu 178  Vgl.

noch Kap. 5 E. IV. 2., S. 338. dazu für § 1600 Abs. 4 BGB Kap. 4 B. V. 2. d) cc), S. 170 ff.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils301

schaltet werden kann179. Aus rein praktischen Erwägungen und aus Gründen des Verkehrsschutzes sollte der Arzt über das Vorliegen der Einwilligungserklärungen in Kenntnis gesetzt werden. 3. Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit, §§ 1598c Abs. 2 S. 1 HS 2, 1595 BGB-E Der Entwurf plant eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung dahingehend, dass eine Einwilligung in die künstliche Befruchtung mit Spendersamen grundsätzlich nur bei Volljährigkeit abgegeben werden können soll (§ 1598c Abs. 2 S. 1 HS 2 BGB-E). Dies dient dem Schutz der Erklärenden vor dem Hintergrund der Tragweite ihrer Entscheidung sowie letztlich auch dem Kindeswohl180. Für die Situation der Geschäftsunfähigkeit der einwilligenden Person ist § 1595 BGB-E entsprechend anzuwenden (§ 1598c Abs. 3 S. 2 BGB-E). In § 1595 BGB-E sind Regeln für die Anerkennung der Vaterschaft oder MitMutterschaft bei Geschäftsunfähigkeit oder beschränkter Geschäftsfähigkeit der anerkennenden Person enthalten. Aus § 1595 Abs. 1 S. 2 BGB-E folgt, dass eine geschäftsunfähige einwilligende Person ihre Erklärung durch den gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts bzw. durch den Betreuer mit Genehmigung des Betreuungsgerichts abgeben kann. Weil nur Volljährige einwilligen können sollen, müssen die Regeln von § 1595 BGBE für beschränkt geschäftsfähige oder geschäftsunfähige Minderjährige außer Betracht bleiben181. 4. Maßgeblichkeit der letzten Einwilligung bei mehreren einwilligungsbereiten Personen, § 1598c Abs. 2 S. 2  BGB-E In § 1598c Abs. 2 S. 2 BGB-E soll klargestellt werden, dass bei Vorliegen mehrerer, nacheinander und gemeinsam mit der Mutter abgegebener Einwilligungen, die weder widerrufen worden sind noch zur tatsächlichen Durchführung einer Behandlung geführt haben, die letzte abgegebene Einwilligungserklärung maßgeblich sein soll. Die Mutter dürfe nämlich nicht auf Grundlage der abgegebenen Erklärungen aus verschiedenen Vätern oder Mit-Müttern den künftigen zweiten rechtlichen Elternteil selbst „auswählen“. Bei der Person, die zuletzt eingewilligt hat, sei die Bereitschaft zur Über179  Siehe

dazu auch schon Kap. 4 B. V. 7., S. 184. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 36. 181  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 38. 180  BMJV,

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nahme der Elternverantwortung am ehesten zu vermuten182. Um gleichzeitig die Mutter davor zu schützen, dass sich eine Person gegen ihren Willen als rechtlicher Elternteil aufdrängt, könnte künftig zudem eine Wiederholung der Einwilligung der Mutter in Erwägung gezogen werden183. 5. Umfang der Einwilligungserklärungen Bedauerlicherweise finden sich im Entwurf keine Vorgaben zum Umfang der Einwilligungserklärungen. Daher wird auch künftig die Schwierigkeit bestehen, zu unterscheiden, welche Abweichungen im tatsächlichen Ablauf noch vom Konsens getragen sind. Nur in Fällen, in denen die Abweichungen noch von der Einwilligungserklärung gedeckt sind, bleibt nämlich eine gerichtliche Feststellung gemäß § 1598c Abs. 2 S. 1 BGB-E möglich und ist eine Anfechtung nach § 1600b BGB-E ausgeschlossen. Diese Rechtsfolgen treten hingegen nicht ein, wenn die tatsächlich durchgeführte Maßnahme so weit von der Einwilligungserklärung entfernt ist, dass sie als gänzlich andere Maßnahme gewertet werden müsste, auf welche sich die Zustimmung nicht erstreckt. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre eine Klarstellung zur Reichweite der Einwilligung sowie dazu wünschenswert, wie lange Einwilligungen, z. B. bei kryokonservierten Eizellen, wirksam sein sollen184. Bis dahin empfiehlt sich weiterhin eine bestmögliche Niederlegung der einzelnen Eckpunkte der Behandlung, vorzugsweise in der notariellen Kinderwunschvereinbarung185. 6. Form Die Frage nach der Notwendigkeit eines Formerfordernisses, explizit der notariellen Beurkundung, für die Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung wird bereits seit der Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB diskutiert186. Der Vorschlag des Entwurfs, die Einwilligung der intendierten Eltern in die Befruchtung der bloßen Schriftform zu unterstellen (§ 1598c Abs. 3 S. 1 BGB-E), führt aktuell erneut zu einer solchen Debatte. Sie gewinnt noch deshalb an Bedeutung, weil an die Einwilligungserklärungen nach dem Konzept des Entwurfs noch weitreichendere Folgen geknüpft sein sollen als bereits de lege lata und weil sich die Formfrage für die künftig vorgesehene Verzichtserklärung des privaten Spenders ebenfalls stellt. Ob Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 36. djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7. 184  Vgl. djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7 und Anmerkungen zu § 1600 Abs. 4 BGB bei Kap. 4 B. V. 6., S. 183. 185  Vgl. Kap. 4 B. II. 3., S. 149. 186  Dazu sogleich Kap. 5 D. IV. 6. c), S. 305. 182  BMJV, 183  Vgl.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils303

und unter welchen Umständen eine notarielle Form verlangt werden kann, ist für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand gerade deshalb von Bedeutung, weil eine entsprechende gesetzliche Vorgabe künftig eine obligatorische, nicht mehr bloß fakultative, notarielle Mitwirkung an Kinderwunschvereinbarungen bedeuten würde. Die folgenden Ausführungen widmen sich zunächst der Rolle des Notars in frühen Reformvorschlägen seit Aufkommen der künstlichen heterologen Befruchtung (siehe unter Punkt a)) und sodann der Diskussion seit den 1980er Jahren noch vor Inkrafttreten des Anfechtungsausschlusses des § 1600 Abs. 4 BGB im Jahr 2002 (siehe unter Punkt b)). Danach soll untersucht werden, warum zunächst bei der Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB (siehe unter Punkt c)) und nunmehr im Rahmen des Diskussionsteilentwurfs zu Gunsten der Schriftform (siehe unter Punkt d)) von einer öffentlichen bzw. notariellen Beurkundung abgesehen wurde. Abschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Argumenten, die für und gegen eine Pflicht zur Beurkundung sprechen (siehe unter Punkt e)). a) Formüberlegungen Anfang des 20. Jahrhunderts Die Diskussion um die Beteiligung des Notars mag angesichts aktueller einschlägiger Forderungen zwar jung anmuten, ist aber keineswegs neu. Schon 1915 wurde ein Vorschlag einer rechtsgeschäftlichen Regelung der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen unternommen187. Dieser sah die schriftliche Einwilligung der Frau, die schriftliche Zustimmung188 des Mannes und auch die (schriftliche) Zustimmung des Samenspenders vor, wobei die Erklärung der Frau an eine notarielle Beglaubigung der Unterschrift zu knüpfen sein sollte, weil Güter auf dem Spiel stünden, die mindestens so bedeutend seien wie Grund und Boden189. Ein anderer Versuch der Handhabung von Spendersamenbefruchtungen aus dem Jahr 1936 sah ebenfalls eine notarielle Mitwirkung vor190. Konkret 187  Siehe

(368).

Anleitung Wassermann, Archiv für Sexualforschung 1915 (Bd. 1), 347

188  Für eine schriftlich erteilte Zustimmung später auch Kleegman, Fertility & Sterility 1954, 7 (10); a. A. Guttmacher, in: Guttmacher u. a. (Hrsg.), Diskussionsbeiträge (1960), S. 12 (unter Verweis auf dessen Literatur aus dem Jahr 1943): „Unterzeichne keine Dokumente. Wenn die Parteien sorgfältig ausgewählt werden, sind Verträge und Abmachungen überflüssig, da sie ständig an etwas erinnern, das so schnell und so vollständig wie möglich vergessen werden sollte.“ 189  Wassermann, Archiv für Sexualforschung 1915 (Bd. 1), 347 (368). 190  Seymour/Koerner, JAMA 1936, 1531; siehe auch Bernard, Kinder machen (2014), S. 199, 200: das „wohl (…) früheste[n] Plädoyer für eine professionell organisierte Verbreitung der Samenspende“, welches seiner Zeit weit voraus gewesen sei.

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sollten die Ehegatten schriftlich ihr Einverständnis erklären, wobei die Unterschriften samt Fingerabdrücken auf demselben, in zweifacher Ausfertigung herzustellenden Dokument vor einem Notar abzugeben waren, der eine Beglaubigung vornehmen sollte. Die Fingerabdrücke des Mannes dienten der Verifizierung der Tatsache, dass der vorstellige Mann erstens tatsächlich der rechtliche Ehemann der Frau und zweitens nicht in der Lage ist, eigene Nachkommen zu zeugen. Die Dokumente sollten anschließend separat verwahrt werden und es dem Mann bei Auftreten von zukünftigen rechtlichen Schwierigkeiten unmöglich machen, eine Scheidung durchzusetzen mit der Behauptung, die Frau habe Ehebruch begangen. Ferner wurde zum Schutz des Kindes angeraten, dass die Schwangere ab dem siebten Schwangerschaftsmonat einen weiteren, nicht eingeweihten Arzt aufsuchen solle, damit dieser bei Geburt des Kindes eine „rechtlich einwandfreie“ Geburtsurkunde erstellen könne191. Die Anleitungen belegen zum einen das sehr früh bestehende Bedürfnis der Beteiligten nach Sicherheit. Durch die notarielle Abrede sollten Beweisund Warnfunktion sowie die Rechtssicherheit insofern gewährleistet werden, als den Betroffenen das Gewicht der betroffenen Rechtsgüter vor Augen geführt und der Einwand des Ehebruchs unmöglich gemacht wurde. Zum anderen diente die notarielle Mitwirkung gleichzeitig mittelbar dazu, die Herkunft des Kindes Dritten gegenüber von Anfang an zu verschleiern, um den Anschein einer natürlichen Zeugung zu erwecken. b) Bedeutung notarieller Mitwirkung vor Inkrafttreten des KindRVerbG Der Ansatz der notariellen Mitwirkung, insbesondere in Form der Beurkundung im Rahmen von Vereinbarungen über eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen, ist bis zum Inkrafttreten von § 1600 Abs. 2 BGB weiterverfolgt worden192. Als äußerst unbefriedigend wurde empfunden, dass der Ehemann der künftigen Mutter einerseits durch die Zustimmung zur Befruchtung mit Spendersamen zur Zeugung eines Kindes beitragen, sich gleichzeitig aber durch die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes von seiner JAMA 1936, 1531 (1533). des 56. DJT, NJW 1986, 3069; Schumacher, FamRZ 1987, 313 (316); zum Teil alternativ zu einer vormundschaftlichen Genehmigung, so Deutsch, NJW 1986, 1971 (1974) und Harder, JuS 1986, 505 (507); recht unspezifisch Beschlüsse 59. DJT, FamRZ 1992, 1275 („qualifizierte Form“); Coester, JZ 1992, 809 (812) („notarielle (…) Form“); Mutschler, FamRZ 1994, 65 (68) (Zustimmung des Ehemannes in „qualifizierter Form“); Zimmermann, FamRZ 1981, 929 (935): („mag (…) [sich der Ehemann] ggf. eines Notars bedienen“). Für eine öffentliche Beglaubigung Giesen, in: FS Hegnauer (1986), 55 (62). BGHZ 87, 169 (176) weist lediglich darauf hin, dass unterschiedliche Formerfordernisse in Betracht kommen. 191  Seymour/Koerner, 192  Beschlüsse



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Verantwortung für das Kind, insbesondere von Unterhalts- und Erbansprüchen, lösen können sollte. Daher wurde die Auffassung vertreten, dass der Ausübung des Anfechtungsrechts des Ehemannes der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe, insbesondere wenn der betreffende Mann über die Folgen der heterologen Befruchtung hinreichend belehrt wurde193. Die notarielle Beurkundung sollte gerade dazu dienen, dem zustimmenden Mann die Tragweite und die rechtlichen Folgen seiner Entscheidung aufzuzeigen und ihn vor nicht hinreichend fundierten Entschlüssen zu bewahren (Warnfunktion)194. Sie war somit Indikator für den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens und damit letztlich ein Instrument zum Schutz des Kindes, das andernfalls Gefahr liefe, durch die Ehelichkeitsanfechtung des Ehemannes ohne rechtlichen Vater zu sein und Unterhalts- bzw. Erbansprüche zu verlieren195. c) Diskussion um Erfordernis notarieller Mitwirkung im Rahmen der Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB Mit Einführung des Anfechtungsausschlusses für die intendierten Eltern durch § 1600 Abs. 4 BGB im Rahmen des KindRVerbG entfiel das Bedürfnis, dem Anfechtungsrecht eines intendierten Elternteils den Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenzusetzen. Die Einführung von § 1600 Abs. 2 (heute Abs. 4) BGB geht zurück auf einen Gesetzesantrag der Länder Sachsen-Anhalt und Hamburg196. In Anknüpfung an die Kindschaftsrechtsreform vom 01.07.1998 zielte dieser Antrag auf die weitere Verbesserung der Rechtsstellung von Kindern und der Kinderrechte ab, darunter insbesondere die weitere, materiell-rechtliche Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern197, die im Vaterschaftsanfechtungsausschluss Ausdruck finden sollte. Die Eingabe sah neben der Einführung des genannten zweiten Absatzes auch die Einführung eines dritten Absatzes vor, welcher ein obligatorisches notarielles Beurkundungserfordernis enthalten sollte198. Begründet wurde die Forderung nach der notariellen Form damit, dass den Beteiligten auf diese Weise die Tragweite ihrer Erklärung und der Ausschluss JZ 1992, 809 (812); Deutsch, NJW 1986, 1971 (1974). FamRZ 1998, 1281 (1283); Schumacher, FamRZ 1987, 313 (316); Beschlüsse 56. DJT, NJW 1986, 3069. 195  Deutsch, NJW 1986, 1971 (1974). 196  Gesetzesantrag der Länder Sachsen-Anhalt und Hamburg, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG), BR-Drs. 369/99. 197  BR-Drs. 369/99, 4. 198  BR-Drs. 369/99, Anlage 1: „Die Einwilligung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung; (…)“. 193  Coester,

194  Kirchmeier,

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der Vaterschaftsanfechtung deutlich gemacht würden199. Die befassten Ausschüsse empfahlen dem Bundesrat indes seinerzeit, Absatz 3-E zu streichen, weil es zunächst einer Klärung der rechtlichen Zulässigkeit der künstlichen Befruchtung mit Spendersamen bedurft hätte und eine Schlechterstellung der durch künstliche Befruchtung entstandenen Kinder zu erwarten gewesen wäre, wenn zwar die Einwilligung vorläge, sie aber nicht notariell beurkundet und damit unwirksam wäre200. Im Übrigen würde eine notariell beurkundete Einwilligung den behandelnden Arzt nicht binden bzw. es könne selbst bei Annahme einer rechtlichen Bindung eine Behandlung, z. B. im Ausland, vorgenommen werden201. Dadurch ließe sich die Formvorgabe umgehen. Letztlich sei noch unklar, wie sich etwaige Formmängel auswirkten und ob Heilungsmöglichkeiten gegeben seien202. Im Bundesrat wurden daraufhin die Ausschussempfehlungen mehrheitlich angenommen. Allerdings wurde nach wie vor betont, dass die notarielle Beurkundung der Einwilligungserklärung zwingend geboten sei, um im Interesse des Kindes Beweisprobleme zu vermeiden und dem Paar die Folgen der Erklärungen klar vor Augen zu führen203. Auch die Bundesregierung drängte darauf, nochmals zu prüfen, ob nicht, wie ursprünglich von den Ländern vorgesehen, die Einwilligung an eine notarielle Beurkundung zu knüpfen sei, um Beweisschwierigkeiten vorzubeugen und die Tragweite der Erklärungen deutlich zu machen204. Ohne eine weitere Thematisierung der Formfrage wurde sodann der Gesetzesentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses einstimmig angenommen205. d) Rechtsvergleichende Hinweise Die Mitwirkung des Notars im Rahmen von Vereinbarungen anlässlich einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen hat verschiedene europäische Vorbilder. So wird beispielsweise in Österreich auf die Zustimmung zur Behandlung in Form eines „Noriatsakts“ abgestellt (§ 152 ABGB i. V. m. § 8 Abs. 1 FMedG). In Frankreich sind die Ehepartner oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dazu gehalten, ihre Zustimmung in einem Ter199  BR-Drs. 369/99, Anlage 9. Zu den Argumenten ausführlich noch bei Kap. 5 D. IV. 6. f), S. 308 ff. 200  Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drs. 369/1/99, 2 f. 201  BR-Drs. 369/1/99, 3. 202  BR-Drs. 369/1/99, 3. 203  BR, 742. Sitzung v. 24.9.1999, 356 (C und D). 204  BT-Drs. 14/2096, 10. 205  Einstimmige Annahme BT-Drs. 14/2096 i. d. F. BT-Drs. 14/8131, siehe Plenarprotokoll 14/216, S. 21455 (C).



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min mit einem Notar zu erteilen, welcher sie über die Folgen ihrer Entscheidung belehren muss (Art. 311–20 CC). In der Schweiz besteht kein Formerfordernis (§ 256 Abs. 3 ZGB), erforderlich ist wohl bloß eine hinreichend reflektierte Entscheidung206. In Griechenland ist, soweit ersichtlich, bei verheirateten Paaren die Schriftform ausreichend, während nichteheliche Partner eine notarielle Beurkundung vornehmen lassen müssen, weil infolge der Zustimmung gleichzeitig die Anerkennung des Kindes durchgeführt werden soll (Art. 1456 grZGB)207. e) Diskussionsteilentwurf: Bloß schriftliche Erklärungen, §§ 1598c Abs. 3 S. 1 mit  1598c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2  BGB-E Das Erfordernis einer notariellen Form im Zusammenhang mit Erklärungen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen steht heute vor dem Hintergrund des Diskussionsteilentwurfs erneut zur Debatte. Dieser sieht vor, dass sowohl für Einwilligungen der intendierten Eltern als auch für den Verzicht des Spenders auf dessen Elternrolle sowie für das Einverständnis des Spenders in die Datenspeicherung zwingend die Schriftform nach §  126 BGB gelten soll (§  1598c Abs.  3 S.  1, Abs.  1 S.  1 Nr.  2 und Abs. 2 BGB-E). Sofern eine notarielle Beurkundung erfolgt, ersetzt diese wegen § 126 Abs. 4 BGB die Schriftform (§ 1598c Abs. 3 S. 1 BGB-E). Das Schriftformerfordernis dient laut Entwurfsbegründung der Rechtssicherheit, weil es das Vorliegen der Erklärungen überprüfbar mache, gleichzeitig soll es das gerichtliche Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft von einer Abhängigkeit von Aussagen der Beteiligten oder Zeugen befreien208. Die Begründung weicht explizit von der Auffassung des Arbeitskreises Abstammungsrecht ab, welcher mit knapper Mehrheit die öffentliche Beurkundung der Einwilligungserklärungen gefordert hatte209. Ein Verzicht hierauf, so der Entwurf, trage jedoch dazu bei, die Hürde zur Schaffung der Voraussetzungen für die Feststellung einer Elternschaft nicht zu hoch anzusetzen. Das Erfordernis lediglich der Schriftform erhöhe die Chancen auf die Einhaltung des Formerfordernisses und ermögliche dadurch die Zuordnung eines zweiten Elternteils, was der Zielsetzung des Entwurfes entspreche. Insbesondere solle verhindert werden, dass eine gerichtliche Feststellung der Elternschaft bei einer durch die Kinderwunschklinik durchgeführten Behandlung deshalb nicht möglich sei, weil eine öffentliche Beurkundung der Erklärungen nicht stattgefunden habe. Der Verzicht auf die notarielle Form erleichtere außerAcP 197 (1997), 398 (421). Kiriakaki, MedR 2005, 143 (147). 208  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 37. 209  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 36 und 37, S. 58. 206  Spickhoff, 207  Vgl.

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dem das Vorgehen für die Beteiligten, die auf die Mitwirkung einer weiteren Person nicht angewiesen seien210. Weil die Möglichkeit der Feststellung von der Durchführung der Behandlung mit ärztlicher Assistenz in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung nach dem TPG abhängt, soll eine ausreichende Belehrung durch die Kinderwunschklinik (z. B. durch eine entsprechende Verpflichtung) erfolgen. f) Analyse der Begründung und Bewertung Die vorgeschlagene einfache Schriftform als gesetzliches Formerfordernis wird kontrovers beurteilt211. Kritiker fordern größtenteils die höhere Hürde der notariellen oder zumindest öffentlichen Beurkundung212. Deshalb stellt sich die Frage nach der Schlagkraft der im Diskussionsteilentwurf vorgebrachten Argumente für die einfache Schriftform. aa) Rechtssicherheit und Beweiszwecke War die notarielle Form der Einwilligung vor dem KindRVerbG gerade deshalb gefordert worden, weil man verhindern wollte, dass sich der zustimmende Ehegatte infolge einer Ehelichkeitsanfechtung der zuvor übernommenen Verantwortung entzieht, so hat sich dieser Zweck vor dem Hintergrund des nunmehr gesetzlich geregelten Anfechtungsausschlusses erübrigt. Diejenigen, die weiterhin die notarielle Beurkundung der Einwilligung fordern213, 210  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 36 und 37, S. 58; für die bloße Schriftform der Einwilligungserklärungen auch Hartmann, Von der Mutterschaft zur Elternschaft (2020), S. 284–286. 211  Dafür etwa djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7 unter Berufung auf die Bedürfnisse der Praxis; dagegen, weil unzureichend, Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7: „rechtssystematisch und teleologisch verfehlt“. 212  Für öffentliche Beurkundung DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5; DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2; NRV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3. Für notarielle Form MünchKommBGB/ Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 54; Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (353); Beschlüsse des 56. DJT, NJW 1986, 3069; BNotK, DNotZ 1998, 241 (249); Pauli, NZFam 2016, 57 (60); Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussions­ teilentwurf, S. 8. Wegen Gefahr einer Umgehung als Soll-Vorschrift BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 36 und 37, S. 58 (öffentliche Beurkundung), i. E. ebenso schon Helms, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), „Kinderwunschmedizin“ (2015), 47 (53 mit 63); Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 238 mit 416. 213  Daneben gibt es auch alternative bzw. andere Vorschläge: Zum Teil wird (als Minus zur notariellen Beurkundung) mindestens die Schriftform gefordert, vgl. Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (935); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263);



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils309

führen als Begründung hierfür überwiegend die notwendige Beweisbarkeit der Erklärungen an214, die im Zusammenhang mit dem Status eines Kindes der Rechtssicherheit dient215. Dass auch durch die einfache Schriftform der Nachweisfunktion auf ähnliche Weise nachgekommen werden kann, muss bezweifelt werden. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Notare verpflichtet sind, Urkunden über einen langen Zeitraum von 100 Jahre aufzubewahren (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 Not­ AktVV für Unterlagen, die bis zum 31.12.2021 erstellt wurden, und § 50 Abs. 1 Nr. 5 NotAktVV für ab dem 01.01.2022 erstellte, in der elektronischen Urkundensammlung geführte Unterlagen)216. Ein äquivalentes Schutzniveau wird auch mit der Aufbewahrungspflicht des SaRegG von 110 Jahren nicht erreicht (§ 8 S. 1 SaRegG), weil diese sich lediglich auf personenbezogene Daten von Spender und Empfängerin und deren Aufklärung über das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung bezieht, nicht aber auf die – insbesondere auch durch den intendierten zweiten Elternteil abgegebene – Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung. Vor dem Hintergrund des Reformvorschlags des Ministeriums dürfte darüber hinaus im Vergleich zur geltenden Rechtslage ein noch höheres Bedürfnis nach Beweisbarkeit und Rechtssicherheit bestehen, weil die Einwilligungserklärungen der intendierten Eltern künftig als Grundlage einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft gelten sollen. Insofern ergibt sich eine Parallele zur Adoption: Auch hier bilden notariell beurkundete Einwilligungserklärungen der Beteiligten die Grundlage des gerichtlichen Beschlusses. Die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1592 Nr. 3 BGB basiert de lege lata auf einer genetischen Abstammungsuntersuchung, mit welcher ein bestellter, vereidigter Sachverständiger beauftragt wird. Nur der Umstand einer beinahe zweifelsfrei möglichen Klärung der tatsächlichen Abstammung rechtfertigt, dass die Vaterschaft kraft gerichtlicher Feststellung von niemandem wieder beseitigt werden kann. Weil auch die Feststellung nach § 1598c Abs. 2 BGB-E auf Grundlage der Einwilligungserklärungen diese weitreichenden Rechtsfolgen hinsichtlich der intenRoth, DNotZ 2003, 805 (813). Eine nicht näher genannte notarielle Beteiligung fordern Löhnig, ZRP 2015, 76 („notarielle Form“); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (115) („notarielle Dokumentation“) oder recht unspezifisch irgendeine Formbindung Roth, JZ 2002, 651 (653) (Regelung der „Formfrage“). 214  BT-Drs. 14/2096, 10; Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (935); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Wehrstedt, MittBayNot 2019, 122 (124); ders., DNotZ 2005, 649 (654); ders., RNotZ 2005, 109 (115); Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 215  Roth, DNotZ 2003, 805 (813). 216  Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  10; vgl. auch DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

dierten Elternschaft nach sich ziehen soll, bedarf es auch in diesen Fällen einer für das Gericht hinreichend sicheren Grundlage, auf welcher der Kindesstatus festgelegt werden kann; andernfalls hinge die gerichtliche Feststellung allein von den Angaben der Wunscheltern ab217. Dies ist insbesondere deshalb nicht hinnehmbar, weil der Notar schon kraft seines Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege tätig und im Rahmen von Beurkundungen in der Lage ist, auf gültige Rechtshandlungen hinzuwirken, die dem Gericht nicht nur als sichere Basis im Feststellungsverfahren dienen, sondern gleichzeitig eine Entlastung der Gerichte erreichen. In der Regel müssen sie sich nämlich weder mit formellen Fragen des Beurkundungsverfahrens noch mit der materiellen Richtigkeit des Urkundeninhalts weiter auseinandersetzen. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit spiegelt sich außerdem darin wider, dass in der ärztlichen Praxis ohne das Bestehen eines Formzwangs schon heute in aller Regel die notariell beurkundeten Einwilligungserklärungen vorgelegt werden sollen, bevor medizinische Maßnahmen durchgeführt werden218. Dies ist letztlich auch dem Wunsch geschuldet, das Risiko des Arztes zu minimieren und eine potentielle Haftung zu umgehen219. Grundsätzlich ist nämlich denkbar, dass das Kind auf der Grundlage einer unwirksamen Einwilligungserklärung gezeugt wird, das intendierte Elternpaar deswegen weiterhin die rechtliche Vaterschaft des intendierten Vaters anfechten kann und das Kind infolgedessen unter Umständen sogar Ansprüche gegenüber dem Reproduktionsmediziner geltend macht. bb) Beratung und Belehrung über rechtliche Tragweite Im Rahmen des Beurkundungsverfahrens stellt neben der Sachverhalts­ erforschung und der Willensermittlung die Rechtsbelehrung eine zentrale notarielle Pflicht dar (§ 17 Abs. 1 S. 1 Var. 3 ­BeurkG: „Der Notar soll (…) die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren“). Die Pflicht zur Belehrung durch den Notar ist untrennbar mit der Beurkundung verbunden und grundsätzlich nicht verzichtbar220. Lediglich im Einzelfall kann die Belehrungspflicht entfallen, etwa wenn die Beteiligten durch Dritte Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11. Zentrum für Reproduktionsmedizin „novum“ (https://www.ivfzentrum. de/insemination-mit-spendersamen; zuletzt abgerufen am 07.01.2023); Empfehlung der Erlanger Samenbank (https://www.erlanger-samenbank.de/kinderwunsch/ rechtliche-fragen/; zuletzt abgerufen am 07.01.2023). 219  Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 182. 220  Armbrüster/Preuß/Renner, ­BeurkG/DONot, § 17 ­BeurkG Rn. 24; Ganter, ZNotP 2006, 42 ff. 217  Deutscher 218  Vgl.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils311

oder selbst über hinreichende Kenntnisse der tatsächlichen und rechtlichen Situation verfügen und sich der beurkundende Notar hiervon eigens und zuverlässig überzeugt hat221. (1) W  arnfunktion: Weitreichende Folgen der Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung Die Beurkundung der Einwilligungen der intendierten Eltern in die künstliche heterologe Befruchtung würde gewährleisten und belegen, dass die Beteiligten vor dem Hintergrund der weitreichenden Folgen des Anfechtungsausschlusses Zugang zu rechtlicher Beratung durch einen Experten erhalten, der ihnen die Reichweite und Bedeutung der Entscheidung vor Augen führt und sie vor übereilten Entscheidungen bewahrt (Warnfunktion)222. Schon vor dem KindRVerbG hat die Rechtsprechung auf Grundlage einer umfassenden Belehrung bzw. Aufklärung über die Folgen der Einwilligung die Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Ehemann gesperrt223. Eine vorherige Beratung und Belehrung verhalfen somit den abgebebenen Erklärungen zu rechtlicher Anerkennung224. Wenn aber eine hinreichende Belehrung dazu führte, dass das Anfechtungsrecht nicht mehr ausgeübt werden konnte, wäre es heute nur kon­sequent, die Einwilligung der notariellen Form zu unterstellen und diese Voraus­ setzung für den nunmehr gesetzlich geregelten Anfechtungsausschluss in § 1600 Abs. 4 BGB vorzusehen225. Konkret bedarf das intendierte Elternpaar vor allem einer Beratung und Belehrung über die unmittelbaren Folgen der Einwilligungen: Sie sind darauf hinzuweisen, dass sie zu einer Anfechtung der Vaterschaft nicht mehr berechtigt sind, wenn etwa eine rechtliche ElternKind-Beziehung zum intendierten Vater durch die Geburt in eine Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder durch eine Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) begründet wurde226. Darüber hinaus müssen sie darüber aufgeklärt werden, dass zum einen dem Kind weiterhin ein Anfechtungsrecht zusteht, zum ande221  BGH NJW 1995, 330 (331); BeckOGK-­ BeurkG/Regler, Bearbeitungsstand 1.12.2022, § 17 ­BeurkG Rn. 11. 222  BT-Drs. 14/2096, 10; BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 36 und 37, S. 58; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263); Roth, DNotZ 2003, 805 (813); Wehrstedt, DNotZ 2005, 649 (654); vgl. auch Grziwotz, notar 2018, 163 (171); Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (272 f.). 223  Rechtsmissbrauchseinwand, siehe Kap.  4 B. V. 1. a), S.  161  f.; vgl. auch Eckers­berger, MittBayNot 2002, 261 (263). 224  So BNotK, DNotZ 1998, 241 (249). 225  In diese Richtung wohl auch Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (263). 226  Möglich bleibt aber die Ausübung des Anfechtungsrechts in gesetzlicher Vertretung für das Kind, was allerdings Kindeswohldienlichkeit voraussetzt (§ 1600a

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

ren die Rechtsprechung bisher im Rahmen der Einwilligung in eine heterologe künstliche Befruchtung einen konkludenten Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes annimmt, um die unterhaltsrechtlichen Folgen abzumildern, sollte es nicht zur Etablierung der rechtlichen Vaterschaft kommen227. Außerdem bedarf es im Rahmen der notariellen Belehrung einer Aufklärung über das Recht des Kindes zur Auskunft über die Identität des Samenspenders (§ 10 SaRegG). Der Notar könnte in Abhängigkeit davon, wie weitgehend die Kinderwunschvereinbarung angelegt ist, auch erbrechtliche, sorgerecht­ liche und weitere vermögensrechtliche Sachverhalte in der betreffenden Urkunde erfassen. Seit Einführung des SaRegG bestehen darüber hinaus ­ auch seitens der Einrichtung der medizinischen Versorgung Aufklärungspflichten gegenüber der Empfängerin der Spende (§ 4 SaRegG), deren Erfüllung schriftlich bestätigt werden muss. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich, dass der Notar in Vertretung für die Einrichtung die Aufklärung im selben Termin wahrnimmt und gleichzeitig bereits vorab über die im SaRegG vorgesehenen Abläufe informiert. Unter dem Aspekt der Warnfunktion empfiehlt sich deshalb die öffentliche oder notarielle Beurkundung von Erklärungen anlässlich einer heterologen Befruchtung gerade auch für die im Diskussionsteilentwurf unterbreiteten Vorschläge. Weil an die Einwilligungen der intendierten Eltern die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung einer Elternposition geknüpft werden soll, welche zu einer für alle Beteiligten, auch für das Kind, nicht mehr veränderbaren rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung führt, zieht die Konzeption der Einwilligung nach dem Entwurf noch gravierende Rechtsfolgen nach sich als de lege lata228. Allein durch ein Beurkundungsverfahren und die Beteiligung des Notars als dritter Person würde den Beteiligten die Bedeutung ihrer Rechtshandlung in allen Einzelheiten vor Augen geführt229. Bereits im Rahmen von Adoption und Anerkennung wird die notarielle bzw. öffentliche Beurkundung zwingend vorausgesetzt, um einerseits die Gültigkeit der abgegebenen Erklärungen und damit Rechtssicherheit zu gewährleisten und andererseits die Erklärenden vor Übereilung zu schützen230. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, wieso im Rahmen der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung nach § 1600 Abs. 4 BGB

Abs. 4 BGB), die nicht gegeben sein dürfte, wenn das Kind durch die Anfechtung Gefahr läuft, rechtlich vaterlos zu bleiben. 227  Ausführlich bei Kap. 4 C. II., S. 248 ff. 228  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6. 229  Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  9: „Jetzt wird’s ernst.“ 230  Siehe Kap. 2 B. I. und II. 1., S. 81 ff.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils313

oder gemäß § 1598c BGB-E im Sinne einheitlicher Voraussetzungen die Beurkundung nicht ebenfalls obligatorisch sein soll231. (2) Keine vergleichbare Beratung durch andere Personen oder Stellen (a) Ärztliche Aufklärung im Rahmen des Behandlungsvertrags Eine Aufklärung über rechtliche Fragen der Befruchtung wäre auch im Rahmen der Behandlung durch den Reproduktionsmediziner denkbar. Dabei sind die Vorschriften über den Behandlungsvertrag nach §§ 630a ff. BGB maßgeblich, ergänzend können die Vorgaben der Richtlinie zur assistierten Reproduktion zu beachten sein232. Im Rahmen der behandlungsvertraglichen Informationspflichten muss der Behandelnde den Patienten zu Beginn der Behandlung und während ihres Verlaufs in verständlicher Weise sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die vor und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen (§ 630c Abs. 2 S. 1 BGB, sog. therapeutische Aufklärung233). Außerdem muss der behandelnde Arzt im Vorfeld der Behandlung über deren wirtschaftliche Folgen, d. h. für den Fall der assistierten Reproduktion insbesondere über die Frage der Kostenübernahme durch die Krankenkassen nach § 27a SGB V, informieren (§ 630c Abs. 3 S. 1 BGB, sog. wirtschaftliche Informationspflicht234)235. Weiß der Arzt, dass eine voll231  Für § 1600 Abs. 4 BGB siehe Coester, JZ 1992, 809 (812); Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (Fn. 32); Grziwotz, NZFam 2014, 1065 (1069); für § 1598c BGBE siehe Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8; i. E. ähnlich DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2 mit 6. Siehe auch Zimmermann, in: FS Schippel (1996), 341 (353) unter besonderer Betonung der Bedeutung, die die Rechtsprechung früher der Beratung und Belehrung zugeschrieben hat. 232  Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion, DÄBl 2018, A 1 (A 4). Zu deren Verbindlichkeit siehe Kap. 3 D. III. 2. a) bb), S. 127. 233  Sämtliche Informationspflichten, die von der Rechtsprechung bereits unter den Schlagwörtern der „therapeutischen Aufklärung“ oder „Sicherungsaufklärung“ entwickelt wurden, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drs. 17/10488, 21. 234  Auch diese Pflicht ist vor der Kodifizierung im BGB bereits durch die Rechtsprechung entwickelt worden, vgl. BGH NJW 2000, 3429 (3431 f.); 1996, 781 (782); 1983, 2630 (2631); OLG Stuttgart NJW-RR 2013, 1183; OLG Köln VersR 2005, 1589; OLG Frankfurt NJW-RR 2004, 1608; OLG Stuttgart NJW-RR 2002, 1604; OLG NJW 1987, 2304; LG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1690. 235  Vgl. Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion, DÄBl 2018, A 1 (A 4).

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ständige Übernahme durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung unterrichten (§ 630c Abs. 3 S. 1 BGB). Hintergrund der Verpflichtung ist wie auch für die therapeutische Aufklärung ein Wissensvorsprung des Arztes gegenüber dem Patienten236. Gemäß § 630d Abs. 2 BGB setzt die Wirksamkeit der Einwilligung in die Behandlung darüber hinaus voraus, dass der Patient nach Maßgabe von § 630e BGB aufgeklärt worden ist. Diese Vorschrift betrifft die Pflicht zur Selbstbestimmungs- bzw. Eingriffs- und Risikoaufklärung237. Der Patient soll auf diese Weise ausführlich informiert werden und auf dieser Grundlage eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Durchführung der Maßnahme treffen können. Der Behandelnde ist deshalb verpflichtet, den Patienten noch vor der medizinischen Maßnahme (§ 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB)238 in für diesen verständlicher Weise über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf Diagnose oder Therapie (§ 630e Abs. 1 S. 1 und 2 BGB). Für die assistierte Reproduktion konkretisiert die Richtlinie der Bundesärztekammer diese Aspekte und ergänzt sie noch um eine Aufklärung über die Erfolgsaussichten der betreffenden Methoden, alternative Maßnahmen und eine Aufklärung und Beratung insbesondere über psychische und psychosoziale Auswirkungen der Behandlung239. Den Betroffenen sollen entsprechende Beratungsangebote aufgezeigt und empfohlen werden240. Die Aufklärung muss mündlich erfolgen, wobei – allerdings nur ergänzend – auf Unterlagen Bezug genom-

236  Dies betrifft allerdings primär gesetzlich versicherte Patienten. Zum beruflichen Alltag des Behandelnden zählt nämlich der Umgang mit Abrechnungen mit der kassenärztlichen Vereinigung und dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, sodass er die Übernahmefähigkeit von Behandlungskosten besser einschätzen kann als der Patient, BT-Drs. 17/10488, 22, maßgeblich sind die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (§ 92 SGB V). Hingegen haben privat versicherte Patienten im Verhältnis zum Arzt häufig eine bessere Kenntnis vom Deckungsschutz oder können sich hierüber leichter Kenntnis verschaffen, was sich auf die Informationspflicht auswirken muss, vgl. BT-Drs. 17/10488, 22; anders aber wiederum bei sog. individuellen Gesundheitsleistungen („IGEL“). 237  Kodifikation der bisherigen Rspr vgl. BT-Drs. 17/10488, 24. 238  BT-Drs. 17/10488, 24 f.; vgl. auch Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion, DÄBl 2018, A 1 (A 4). 239  DÄBl 2018, A 1 (A 5 ff.). 240  DÄBl 2018, A 1 (A 7).



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils315

men werden kann, die der Patient in Textform erhält (§ 630e Abs. 2 Nr. 1  BGB)241. Sofern ärztlicherseits über sämtliche für die Behandlung oder Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären ist, kann hieraus unter Zugrundelegung eines weiten Verständnisses dieser Pflichten auch die Pflicht zur Aufklärung über rechtliche Folgen abgeleitet werden242. Der Annahme einer Aufklärungspflicht hinsichtlich rechtlicher Risiken im Rahmen einer Aufklärung über alle wesentlichen Umstände stehen jedoch insofern Bedenken gegenüber, als dass als Adressatin der Aufklärung regelmäßig allein die Person gilt, die im Rahmen der Einwilligung ihr Einverständnis zu einem Eingriff in den Körper oder die Gesundheit erteilt und hiermit über ihre körperliche Unversehrtheit disponiert243. Vor dem Hintergrund der weitreichenden Folgen wäre aber gerade auch eine Belehrung und Beratung des Partners oder der Partnerin der Mutter erforderlich. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung mittels Spendersamen wird der Eingriff in die körperliche Integrität lediglich an der Frau durchgeführt, auf welche der Samen, die imprägnierte Eizelle oder der in-vitro gezeugte Embryo transferiert werden soll. Nach den Grundsätzen des Behandlungsvertragsrechts ist, Einwilligungsfähigkeit im behandlungsrechtlichen Sinn unterstellt, zunächst sie allein unter Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts zur Einwilligung in die vereinbarte Maßnahme berechtigt244. Der Partner der zu behandelnden Frau könnte aber – ohne Partei des Behandlungsvertrags zu sein – auf Grundlage eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter von den rechtlichen Wirkungen des Behandlungsvertrags betroffen sein245. Dann würde auch ihm gegenüber eine Information über die rechtlichen Folgen notwendig sein. Auch der Ehemann oder nichteheliche Partner ist regelmäßig in den Behandlungsvertrag über die künstliche Befruchtung mit einbezogen, weil auch er mit der Befruchtung, wie auch im Falle einer Sterilisation, genetischen Beratung, Schwangerschaftsberatung und generell bei Verträgen über Familienplanung, mindestens mit den Informations- bzw. Aufklärungspflichten bestimmungs-

241  Vgl.

auch DÄBl 2018, A 1 (A 4). eine Pflicht aus § 630c oder § 630e BGB besteht, hat vor dem Hintergrund der Beweislastverteilung erhebliche praktische Auswirkungen, siehe Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 630c BGB Rn. 11. 243  BGHZ 29, 176 (179 f.); OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 459; Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 630e BGB Rn. 13; MünchKommBGB/Wagner, § 630e BGB Rn. 59. 244  Vgl. schon Fn. 237. 245  Zur Frage nach der Rechtsgrundlage siehe ausführliche Auseinandersetzung bei Staudinger2020/Klumpp, § 328 BGB Rn. 99 ff. m. w. N.; außerdem bei Zenner, NJW 2009, 1030 m. w. N. 242  Ob

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

gemäß in Berührung kommt246. Vor allem mit Blick auf unterhaltsrechtliche Aspekte muss daher auch der Partner der Mutter vor Schlechtleistungen des Arztes geschützt werden. Die Einbeziehung in den Schutzbereich dieser Verträge begründet einen Anspruch des Ehegatten aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Behandlungsvertrag gegen den behandelnden Arzt auf Freistellungen von Unterhaltskosten bzw. die durch eine Behinderung entstandenen Mehraufwendungen247. Um eine Ausuferung der ärztlichen Haftung zu vermeiden, dürften aber an die nichteheliche Lebensgemeinschaft gewisse Anforderungen zu stellen sein248. Im Übrigen wird auch ein besonderes Interesse der Frau an der Einbeziehung des Partners in den Schutzbereich bestehen, welches in der Regel für den Arzt mindestens im Rahmen einer Abfrage des Personenstands und/oder durch die persönliche Begleitung bei den Behandlungsterminen erkennbar ist. Schließlich ist der Partner auch schutzbedürftig, weil ihm gleichwertige vertragliche Ansprüche nicht zustehen. Selbst wenn man eine Pflicht des Reproduktionsmediziners zur Information bzw. Aufklärung auch über rechtliche Aspekte der künstlichen heterologen Befruchtung im Rahmen des Behandlungsvertrags annimmt und diese nicht auf die Patientin begrenzt, sondern auf den einwilligenden Ehemann erstreckt, stellt sich die Frage, ob ein Arzt grundsätzlich über die hierfür erforderlichen fachlichen Kompetenzen verfügt249. Ebenso wenig, wie von juristischen Berufsträgern eingehendere medizinische Kenntnisse erwartet werden dürfen, verfügt ein Arzt über vertiefte juristische Kenntnisse250. Auch

246  Staudinger2020/Klumpp, § 328 BGB Rn. 201. Die der Rechtsprechung zugrunde liegenden Sachverhalte betrafen im Wesentlichen Situationen, in denen ein Kind infolge ärztlicher Pflichtverletzung grundsätzlich unerwünscht (BGHZ 76, 259) oder durch einen rechtlich möglichen, aber unterlassenen Abbruch wegen schwerer gesundheitlicher Schäden geboren wurde (BGHZ 124, 128; 96, 360; 89, 95). Für die Einbeziehung des Ehemannes BGHZ 96, 360 (368); 89, 95 (98); 76, 259 (262). Für die Einbeziehung auch des nichtehelichen Partners wegen Unterhaltsrelevanz der ärztlichen Leistungspflicht BGH NJW 2007, 989 (991). Die Problematik des Kinds als Schaden muss im Rahmen dieser Bearbeitung ausgeklammert bleiben. 247  Str., siehe aber BGHZ 96, 360 (368); 76, 259 (271). 248  In diese Richtung wohl auch OLG Düsseldorf MDR 1994, 44. Der BGH hatte auf Ausführungen dazu wiederholt verzichtet, siehe BGH NJW 2007, 989 (991); BGH NJW 2002, 1489 (1491): keine Einbeziehung des Kindesvaters in einen Vertrag über Empfängnisverhütung, zu dessen Zeitpunkt bereits eine Schwangerschaft der Mutter gegeben war. 249  Ebenso Köppen, Samenspende und Register (2020), S. 124; für eine Beratung in erster Linie durch Ärzte Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin (2019), S. 95. 250  Vgl. DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils317

die (Muster-)Fortbildungsordnung der Bundesärztekammer251, welche den Landesärztekammern zur Umsetzung als Vorbild dient, stellt ausdrücklich auf allein „notwendige[s] Wissen in der Medizin und der medizinischen Technologie“ ab252. Die zusätzliche Einschaltung eines Notars entspricht auch der reproduk­ tionsmedizinischen Praxis. Danach wird in der Regel verlangt, die Einwilligungen im Rahmen von § 1600 Abs. 4 BGB vor einem Notar abzugeben und zu beurkunden, bevor die Behandlung vorgenommen wird. Dies belegt das große Bedürfnis nach Rechtssicherheit, was mit Blick auf eine etwaige Haftung des Arztes bei fehlerhafter Information über rechtliche Aspekte253 gerechtfertigt erscheint. Dass sich die Ärzteschaft von diesem Risiko lösen wollte, belegt die Neufassung der Richtlinie zur assistierten Reproduktion254. Die (Muster-)Richtlinie aus dem Jahr 2006 enthielt in einem angefügten Kommentar Hinweise zu den rechtlichen Schwierigkeiten im Rahmen einer heterologen künstlichen Befruchtung, insbesondere im Zusammenhang mit der rechtlichen Vaterschaft des Partners der Frau, zum Anfechtungsausschluss nach § 1600 Abs. 4 BGB, dem weiter bestehenden Anfechtungsrecht des Kindes und dessen Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung sowie zu der nach damaligem Recht noch bestehenden Gefahr für den Samenspender, mit allen Konsequenzen gerichtlich als rechtlicher Vater des Kindes festgestellt zu werden255. Die neue Richtlinie äußert sich zu diesen Fragen nicht mehr. Der Arzt soll eine Beratung über rechtliche Folgen sogar ausdrücklich nicht mehr vornehmen, wird in diesem Punkt somit aus der Verantwortung entlassen. Stattdessen wird lediglich auf die Möglichkeit einer rechtlichen Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Notar verwiesen256. Umso erstaunlicher mutet der Vorschlag des Diskussionsteilentwurfs an, welcher davon ausgeht, eine ausreichende Belehrung könne bereits durch die Kinderwunschklinik erfolgen, beispielsweise durch eine entsprechende Ver-

251  § 2 der (Muster-)Fortbildungsordnung der BÄK in der vom 116. Deutschen Ärztetag verabschiedeten Fassung vom 29.5.2013. 252  Herv. d. Verf. 253  So auch Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11: Rechtsfolgen fehlerhafter Beratung? Haftung der Klinik? Ausschluss der Haftung möglich? 254  Dazu siehe Kap. 3 D. III. 2. b), S. 128 ff. 255  DÄBl 2006, A 1402. 256  DÄBl 2018, A 1 (A 7): „Der Arzt nimmt keine rechtliche Beratung vor“; Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11: sachgerechte Abgrenzung verschiedener Kompetenzen statt Etablierung sachfremder Pflichten.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

pflichtung bei Kinderwunschbehandlungen257. Dies widerspricht dem Willen der Ärzteschaft. Für eine rechtliche Beratung durch Notare spricht wiederum, dass sie als unabhängige Rechtsexperten dazu verpflichtet sind, sich während ihrer Amtstätigkeit bis zu deren Erlöschen rechtlich fortzubilden (§ 14 Abs. 6 ­BNotO). Notare sind selbst dafür verantwortlich, die durch ihre Ausbildung erworbene Qualifikation zu erhalten und den gegebenen Umständen entsprechend auszubauen258. Orientierung bieten die Richtlinien der Notarkammern, die den Umfang der Fortbildungspflicht regeln (§ 67 Abs. 2 Nr. 10 ­BNotO). Ärzte hingegen sind für die Durchführung einer rechtlichen Beratung nicht ausgebildet259. (b) Aufklärung nach den Vorgaben des SaRegG Mit Einführung des SaRegG ergibt sich bei einer künstlichen Befruchtung mit Spendersamen bei der Behandlung in der Reproduktionsklinik nunmehr auch die Pflicht einer Aufklärung der Empfängerin nach § 4 SaRegG. Die dort genannten Aufklärungsinhalte beschränken sich aber allenfalls auf einen Teilaspekt der rechtlichen Folgen der heterologen Befruchtung, sodass auch im Rahmen der Aufklärung nach den Vorgaben des SaRegG nicht angenommen werden kann, dass eine umfassende rechtliche Belehrung und Beratung durch medizinisches Personal erfolgt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Aufklärung durch die Einrichtung vorgenommen wird und nicht extern durch einen Notar, auf dessen Expertise die Gesetzesbegründung zum SaRegG explizit verweist260. (3) Zwischenergebnis Weil nicht zu erwarten ist, dass die Beteiligten in ähnlicher Weise über die Bedeutung und rechtliche Tragweite ihrer Entscheidung beraten werden, wie dies durch einen Notar erfolgen könnte, sollte im Rahmen einer Reform des Abstammungsrechts eine notarielle Beurkundung als Formerfordernis für die Einwilligungserklärung eingeführt werden.

Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 37. ­BNotO, § 14 ­BNotO Rn. 109. 259  Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  11; vgl. auch DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6. 260  Siehe BT-Drs. 18/11291, 23 mit 26; vgl. auch DNotI, Gutachten AbrufNr. 165782: jedenfalls schriftliche Dokumentation der Beratung. 257  BMJV,

258  Schippel/Görk/Sander,



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils319

cc) Identitätsprüfung und Feststellung der Geschäftsfähigkeit Die Beurkundung hat darüber hinaus den Vorteil, dass in der Urkunde die Identität der Beteiligten festzustellen ist (§ 10 ­BeurkG). Der Notar ist verpflichtet, zum einen in der Niederschrift die Person der Beteiligten zweifelsfrei zu bezeichnen (§ 10 Abs. 2 ­BeurkG: Bezeichnungspflicht), zum anderen sich Gewissheit über die Person der Beteiligten zu verschaffen und dies zusammen mit der Art und Weise der Informationsgewinnung in der Niederschrift festzuhalten (§ 10 Abs. 3 ­BeurkG: Identitätspflicht)261. § 10 ­BeurkG ist zwar lediglich eine Soll-Vorschrift, deren Verletzung nicht unmittelbar zur Nichtigkeit der Beurkundung führt262. Die Feststellung der Identität der Beteiligten in der öffentlichen Urkunde ist aber dennoch von großer Bedeutung: Wegen § 415 ZPO wird vollumfänglich bewiesen, dass die in der Urkunde genannten Personen tatsächlich die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen abgegeben haben. Aktuell kann dies mangels entsprechender Formvorgabe nicht vollends gewährleistet werden, mag die Befruchtung auch unter ärztlicher Assistenz erfolgen. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn beispielsweise der intendierte Vater nicht mehr dazu bereit ist, seine Erklärung zu unterzeichnen und sich die intendierte Mutter damit „behilft“, seine Unterschrift eigenhändig zu fälschen. Denkbar ist auch, dass sie sich eines anderen Mannes bedient, der sie zum Termin in der Klinik begleitet und unter dem Anschein der Rechtmäßigkeit die Unterschrift leistet. In solchen Fällen kann es passieren, dass etwa zu Lasten des (ursprünglich) intendierten Vaters ein konkludenter Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes angenommen wird263. Sofern Zweifel hinsichtlich der Person aufkommen, die (vermeintlich) in die Behandlung eingewilligt hat, scheint nach derzeitiger Rechtslage bei fehlender Beurkundung lediglich eine nachträgliche Klärung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens möglich. Durch die Identitätsfeststellung im Rahmen des Urkundsverfahrens wird die von der öffentlichen bzw. notariellen Urkunde ausgehende rechtssichernde Wirkung erhöht und der Rechtsverkehr geschützt264. Darüber hinaus ist sie sowohl für Behörden als auch Gerichte bindend265 und führt deshalb zu einer Entlastung von Gerichten und Registern266.

261  BeckOGK-­BeurkG/Bord,

Bearbeitungsstand 1.1.2023, § 10 ­BeurkG Rn. 3. ­BeurkG/­BNotO, § 10 ­BeurkG Rn. 1. 263  Siehe Kap. 4 B. V. 2. d) bb), S. 170 mit Kap. 4 C. II. 1., S. 249 ff. 264  Eylmann/Vaasen/Limmer, ­BeurkG/­BNotO, § 10 ­BeurkG Rn. 1. 265  Armbrüster/Preuß/Renner/Piegsa, ­BeurkG/DONot, § 10 ­BeurkG Rn. 12. 266  BeckOGK-­BeurkG/Bord, Bearbeitungsstand 1.1.2023, § 10 ­BeurkG Rn. 5. 262  Eylmann/Vaasen/Limmer,

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Das Argument der verbindlichen Identitätsfeststellung bleibt für die Rechtslage de lege ferenda bestehen267 und gewinnt sogar noch zusätzlich an Bedeutung, weil eine gerichtliche und für alle auf Dauer verbindliche Feststellung der Elternschaft möglich sein soll. Denkbar erscheint allenfalls, bei identitätsbezogener Fehlerhaftigkeit der Einwilligungserklärung entsprechend § 185 FamFG einen sog. Restitutionsantrag auf Aufhebung des Beschlusses zu stellen. Ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen dies entsprechend auch im Falle einer gerichtlichen Feststellung der intendierten Elternschaft gelten soll, lässt der Entwurf aber offen. Fest steht jedenfalls, dass ohne eine Pflicht zur Identitätsprüfung, wie sie im Rahmen von § 10 ­BeurkG besteht, Rechtssicherheit und Rechtsverkehrsschutz unter Umständen nicht hinreichend gewährleistet sind. Hinzu kommt, dass die Gerichte im Rahmen einer Entscheidung durch den Feststellungsbeschluss bei Streit über die Identität des einwilligenden intendierten Elternteils die Iden­ titätsprüfung selbst vornehmen müssten, was entgegen der Intention von § 10 ­BeurkG und vorsorgender Rechtspflege nicht zu einer Entlastung der Justiz führt. Ähnliches gilt für Streitigkeiten hinsichtlich des Vorliegens von Geschäftsfähigkeit: Der Rechtsverkehr kann auf Grundlage der notariellen Urkunde davon ausgehen, dass keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten bestanden haben, welche im Nachhinein die Unwirksamkeit der Erklärungen zur Folge haben könnten268. Im Rahmen von § 11 ­BeurkG ist der Notar nämlich verpflichtet, bei konkreten Zweifeln oder bei erkennbaren Hinweisen auf eine Krankheit die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu prüfen269. Das Erfordernis der Beurkundung könnte im Ergebnis durch eine rechtsgültige Erklärung zur größtmöglichen Sicherheit aller Beteiligten beitragen bei gleichzeitiger, minimaler Beanspruchung der Gerichte, die dann auf sicherer Grundlage durch einen gerichtlichen Beschluss entscheiden. dd) Gefahr der Missachtung der Form (1) § 1598c Abs. 2  BGB-E Es stellt sich die Frage, ob die einfache Schriftform nicht schon deshalb vonnöten ist, um der Gefahr zu entgehen, dass mangels Wahrung der nota­ riellen Form eine gerichtliche Feststellung der intendierten Eltern unmöglich wird270. 267  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5; DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6. 268  Vgl. Huth, Statusrechtliche Zuordnung (2014), S. 182. 269  Armbrüster/Preuß/Renner/Piegsa, ­BeurkG/DONot, § 11 ­BeurkG Rn. 27. 270  Vgl. BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 37.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils321

Nach der Konzeption des Entwurfs soll der Arzt prüfen, ob die Einwilligungen der intendierten Eltern in Schriftform abgegeben wurden und die notwendigen Inhalte aufweisen; erst dann darf er die gewünschte Behandlung vornehmen271. Eine Erklärung darüber, auf welcher dogmatischen Grundlage diese Pflicht zur Prüfung fußen soll, bleibt der Entwurf schuldig; sie ergibt sich jedenfalls nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift. In Betracht käme, insofern die schriftliche Abgabe etwa als Wirksamkeitsvoraussetzung des Behandlungsvertrages zu normieren272. Allerdings bedürfte dies einer ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung, weil dem geltenden Recht eine Verbindung abstammungsrechtlicher Fragen mit Behandlungsrecht nicht bekannt ist. Würde die qualifizierte Form der notariellen Beurkundung verpflichtend verlangt, änderte dies die Prüfpflicht von Ärzten lediglich marginal dahingehend, dass sie sich vom Vorliegen beurkundeter Einwilligungserklärungen überzeugen müssten273; eine solche Prüfung wäre auch zumutbarer als eine Verpflichtung zur rechtlichen Beratung274. Darüber hinaus könnten Ärzte von der Ernsthaftigkeit der Entscheidung der Beteiligten ausgehen, da der Notar diese im Rahmen der Beurkundung ermittelt. Würde die Behandlung ohne Vorlage der notariell beurkundeten Erklärungen durchgeführt, zöge sie eine Pflichtverletzung und eine Haftung des Arztes nach sich. Sofern eine notarielle Beurkundung nicht vorliegen sollte, müsste die Vornahme der Behandlung ebenso unzulässig sein wie dies bei Nichteinhaltung der vorgeschlagenen Schriftform der Fall wäre. Dies zeigt, dass eine Erhöhung rechtlicher Risiken durch ein Erfordernis notarieller Beurkundung nicht zu befürchten wäre, während den Beteiligten gleichzeitig die Erfüllung der Formzwecke zugutekäme. (2) § 1600 Abs. 4 BGB bzw. § 1600b BGB-E Im Rahmen der Einführung des Anfechtungsausschlusses nach Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung (§ 1600 Abs. 4 BGB) ist auf eine Beurkundung als Formerfordernis verzichtet worden, da befürchtet wurde, die bewusste Nichteinhaltung der Form und die daraus folgende Nichtigkeit der Erklärungen (§ 125 S. 1 BGB) könnten dazu genutzt werden, 271  Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  11; vgl. schon Bongartz, NZFam 2016, 865 (866). 272  Vgl. BR-Drs. 369/1/99, 2 f. 273  Siehe dazu auch die Regeln in der Schweiz zur Beurkundung als Wirksamkeitserfordernis des Behandlungsvertrags: Art. 256 Abs. 3 ZGB, Art. 7 Abs. 1 FMedG. 274  Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  11; DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6.

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sich von der übernommenen Verantwortung zu lösen275. Entgegen der Intention der Vorschriften wäre eine Anfechtung durch die intendierten Eltern dann weiter möglich. Weil § 1600b BGB-E der Regelung des § 1600 Abs. 4 BGB inhaltlich entspricht, gelten die Bedenken auch für die vorgeschlagene Neuregelung. Die Formbindung könnte den Schutzzweck der Vorschriften somit konterkarieren276 und den Zustand herbeiführen, welcher vor Einführung von § 1600 Abs. 4 BGB bestanden hat. (a) Heilungsmöglichkeiten Es stellt sich die Frage, ob diese Gefahr realistisch ist. Dies wäre nicht der Fall, wenn eine Heilung des Formmangels in Betracht käme. Das BGB geht zur Erleichterung des Rechtsverkehrs grundsätzlich von der Formfreiheit von Rechtsgeschäften aus. Auf einigen Gebieten wie beispielsweise dem Immobiliar-, Familien- und Erbrecht sieht der Gesetzgeber aus Schutzgründen allerdings zahlreiche explizite Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Im Wesentlichen soll gewährleistet sein, dass die Beteiligten bei bedeutsamen oder riskanten Geschäften vor übereilter Bindung geschützt werden (Warnfunktion, z. B. §§ 761, 766 BGB), ihnen Beratung und Belehrung zuteilwird, was vor allem Zweck der notariellen Beurkundung ist (Beratungs- und Belehrungsfunktion), und dass durch einen Formzwang zugunsten der Parteien und des Rechtsverkehrs die Beweisbarkeit der Vereinbarung sichergestellt wird (Beweisfunktion, z. B. § 550 BGB)277. Neben der gesetzlichen Anordnung eines Formzwanges steht es den Parteien darüber hinaus frei, auch rechtsgeschäftlich eine Form als Wirksamkeitserfordernis für das betreffende Rechtsgeschäft zu vereinbaren278. Ein Rechtsgeschäft, das nicht in der durch Gesetz vorgeschriebenen Form geschlossen wurde (etwa weil das Formerfordernis unbekannt war oder aufgrund von persönlichen Beziehungen nicht für beachtlich gehalten wurde279), ist nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Eine Heilung ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich. Im Adoptionsrecht bedürfen die Einwilligungserklärungen des Kindes (§ 1746 BGB), der Eltern des Kindes (§ 1747 BGB) und des Ehegatten des Annehmenden (§ 1749 BGB) der notariellen Beurkundung, § 1750 Abs. 1 S. 1 BGB. Gleiches gilt für den Adoptionsantrag des Annehmenden, § 1752 275  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 36 und 37, S. 58; Bedenken auch bei Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (935); Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 363; Coester-Waltjen, JZ 2016, 101 (102). 276  Janzen, FamRZ 2002, 785 (786). 277  MünchKommBGB/Einsele, § 125 BGB Rn. 8 ff. 278  MünchKommBGB/Einsele, § 125 BGB Rn. 12. 279  MünchKommBGB/Einsele, § 125 BGB Rn. 42.



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils323

Abs. 2 S. 2 BGB. Zwar sind ausdrückliche Heilungsvorschriften im Adop­ tionsrecht nicht vorgesehen. Ist jedoch eine Einwilligung oder ein Adoptionsantrag entgegen der Formerfordernisse nicht notariell beurkundet worden, führt dies nicht zur Nichtigkeit einer durch gerichtlichen Beschluss vollzogenen Adoption und auch nicht zu der Möglichkeit einer Aufhebung nach §§ 1760, 1763 BGB280. Eine Unwirksamkeit der Erklärungen, die zu einer Aufhebung des Beschlusses gemäß § 1760 Abs. 1 BGB führen könnte, ergibt sich nicht wegen eines Formmangels der Einwilligung oder des Antrags, vgl. § 1760 Abs. 2 BGB. Vielmehr kommt dem Adoptionsbeschluss gemäß § 1752 Abs. 1 BGB eine heilende Wirkung zu281. Im Eherecht kommt eine Heilung etwa in Betracht, wenn der gegenseitige Eheschließungswille erklärt wurde, der Standesbeamte einen Eintrag in das Ehe- bzw. Geburtenregister vorgenommen oder dem Paar eine bestimmte Bescheinigung ausgestellt hat und seitdem über mehrere Jahre eine eheliche Gemeinschaft geführt wird (§ 1310 Abs. 3 BGB). Die Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung282 kann wiederum dann geheilt sein, wenn seit ihrer Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister fünf Jahre verstrichen sind (§ 1598 Abs. 2 BGB). Etwaige Mängel der Anerkennungserklärung werden dann geheilt283. Im Adoptionsverfahren korrigiert der Beschluss des Familiengerichts gemäß § 1752 Abs. 1 BGB als Publizitätsakt Formmängel der Einwilligungserklärungen und des Adoptionsantrags. Die Heilung von fehlerhaften Ehen und unwirksamen Anerkennung(-serklärung)en sind in erster Linie an den öffentlichen Glauben, welcher von Ehe- oder Personenstandsregistern ausgeht, oder jedenfalls an die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes, geknüpft284. Die Heilung einer formungültigen Einwilligung gemäß § 1600 Abs. 4 BGB kommt daher nicht bereits durch die bloße Vornahme der Befruchtung, sondern allein dann in Betracht, wenn bei verheirateten Paaren mit der Geburt des Kindes die Ehe als Begründungsmerkmal rechtlicher Vaterschaft fungiert (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder die wirksame Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB) einschließlich der erforderlichen Eintragungen im Personenstandsregister erfolgt. Nur in diesen Fällen bestünden aus Sicht des Rechts280  NK-BGB/Dahm,

§ 1752 BGB Rn. 15; Staudinger2019/Helms, § 1747 BGB

Rn. 89. 281  Vgl. ausdrücklich für Verfahrensfehler und Willensmängel Jauernig/Budzikiewicz, § 1752 BGB Rn. 4. 282  Str.: Anerkennung insgesamt NKB-GB/Gutzeit, § 1598 BGB Rn. 5; nur Anerkennungs-, nicht aber auch Zustimmungserklärung Spickhoff-Medizinrecht/Spickhoff, § 1598 BGB Rn. 3. 283  OLG München FamRZ 2011, 1309. 284  Vgl. für die Heilung fehlerhafter Ehen BeckOK-BGB/Hahn, § 1310 BGB Rn. 16.

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verkehrs berechtigte Gründe zu der Annahme, dass die unwirksame Einwilligung geheilt ist. Vorher kann dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht hinreichend Rechnung getragen werden. (b) Auslandsfälle Vor dem Hintergrund, dass reproduktionsmedizinische Maßnahmen mit Spendersamen wegen der Restriktionen des ESchG285 auch im Ausland in Anspruch genommen werden können, kann sich das Problem ergeben, dass den Formanforderungen dort nicht genügt und dadurch möglicherweise die Rechtsposition des Kindes geschwächt wird. Für Fälle mit Auslandsbezug stellt sich die Frage, was bei der Nichteinhaltung der in Deutschland vorgesehenen Form passieren würde. Würde die Einwilligung nach § 1600 Abs. 4 BGB dem Erfordernis der notariellen Beurkundung unterstellt, würde die Umgehung dieser Form durch Vornahme der Maßnahme im Ausland nicht zwangsläufig zur Anfechtbarkeit der Vaterschaft des gezeugten Kindes führen. Stattdessen muss zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts bei Sachverhalten mit Auslandsbezug Art. 11 Abs. 1 EGBGB beachtet werden. Danach ist ein Rechtsgeschäft form­ gültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird. Die Geschäftsrechtsform und die Ortsform gelten alternativ286. Art. 11 EGBGB findet, sofern keine Sonderregelungen greifen, auf alle Rechtsgeschäfte, insbesondere auch auf familienrechtliche wie Eheschlüsse, Eheverträge, Trennungsvereinbarungen, Einwilligungen in und Zustimmungen zu Adoptionen und Vaterschaftsanerkennungen287 Anwendung. Für den Bereich der Reproduktionsmedizin sind Sondervorschriften im Kollisionsrecht nicht ersichtlich. Die Alternativität von Geschäftsrechts- und Ortsrechtsform führt dazu, dass das betreffende Rechtsgeschäft nur dann formungültig ist, wenn es keiner Formanforderung genügt288. Damit würden die Einwilligungen in eine heterologe Insemination auch dann wirksam sein, wenn ein intendiertes Elternpaar zwar die deutsche Formvorschrift missachtet, jedoch die (Form-)Anforderungen des Staates einhält, in dem die heterologe Befruchtung vorgenommen wird. Durch das Erfordernis der notariellen Beurkundung der Einwilligungserklärungen kann zwar nicht verhindert werden, dass Paare sich nicht auf das 285  Vgl.

Kap. 1 B. VI., S. 32 mit C. III., S. 36. Art. 11 EGBGB Rn. 74. 287  Staudinger2019/von Mohrenfels, Art.  11 EGBGB Rn.  88 m.  w.  N.; MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 29 ff. 288  MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 74. 286  MünchKommBGB/Spellenberg,



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im Inland bestehende reproduktionsmedizinische Angebot beschränken. Der Entschluss, sich einer heterologen Befruchtung im Ausland zu unterziehen, bewirkt durch Art. 11 Abs. 1 EGBGB allerdings keine Benachteiligung des zu zeugenden Kindes, weil die Einwilligungserklärungen bei Einhaltung der Form des ausländischen Staates auch im Inland formwirksam sind. Die Beteiligten begeben sich unter Umständen dann lediglich selbst der Möglichkeit einer umfassenden Information über Tragweite und Folgen der Befruchtung. Dies ist aber vor dem Hintergrund des Zwecks von Art. 11 EGBGB, die Unwirksamkeit der Form von Rechtsgeschäften einzuschränken289, als freiwillige Entscheidung des Paares hinzunehmen290. Für Fälle, in denen etwa auch die erforderte Form des ausländischen Staates, in welchem die Befruchtung durchgeführt wird, nicht eingehalten ist – es dürfte sich um absolute Ausnahmefälle handeln –, bleiben hingegen die eingangs geschilderten Bedenken bestehen. (c) Private Befruchtungen Für § 1600 Abs. 4 BGB oder – bei Zugrundelegung der entsprechenden Vorschrift des § 1600b BGB-E291 – gilt hingegen etwas anderes. Vorausgesetzt, das ESchG würde ebenfalls angepasst, stellte sich das Problem, dass gerade bei privat durchgeführten Inseminationen die Gefahr bestünde, dass infolge (bewusster) Missachtung der Form der Kindesstatus durch die intendierten Eltern weiterhin angefochten werden könnte. Es ergäbe sich in gleicher Weise, wenn die Befruchtung im Ausland vorgenommen und gegen die dortigen Formvorgaben verstoßen würde. Für die Absicherung des Personenstandes von Kindern, die aus einer privat durchgeführten heterologen Befruchtung im Inland hervorgegangen sind, ergeben sich letztlich zwei Optionen: Private Befruchtungen sind entweder den Regeln über die natürliche Zeugung zu unterstellen, was angesichts der gleitenden Skala hinsichtlich der Bereitschaft des Spenders zur Übernahme von Verantwortung plausibel erscheint, vom Gesetzgeber aber offenbar nicht gewollt war (Anwendungsbereich von § 1600 Abs. 4 BGB: alle künstlichen Befruchtungen). Daneben kommt in Betracht, schon im Rahmen der Primärzuordnung auf der Basis notarieller Verzichts- und Einwilligungserklärungen der Beteiligten292, z. B. in Form einer präkonzeptionellen Anerkennung, eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung zum intendierten Elternteil zu etablieren, 289  MünchKommBGB/Spellenberg,

Art. 11 EGBGB Rn. 1 f. Reuß, Theorie eines Elternschaftsrechts (2018), S. 239. 291  Dazu noch Kap. 5 E. IV. 2., S. 338. 292  Insoweit grundsätzlich für erhöhte formale Anforderungen zur Sicherung der notwendigen Beratung und Aufklärung Heiderhoff, FF 2020, 225 (232). 290  A. A.

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um nicht erst auf der Sekundärebene Verantwortung zu regulieren. Andernfalls kann eine Formvorgabe im Rahmen der genannten Vorschriften lediglich als Soll-Vorgabe in Betracht kommen, um sowohl den Kindesinteressen als auch den Beurkundungszwecken Rechnung zu tragen. (3) Zwischenergebnis Einer Pflicht zur Beurkundung der Einwilligungserklärungen im Rahmen von § 1598c Abs. 2 BGB-E steht nichts entgegen. Wenn die ärztlich assistierte Befruchtung nur durchgeführt werden soll, sofern eine schriftliche Einwilligungserklärung vorgelegt werden kann, ergibt sich nämlich kein Unterschied dahingehend, ob sich die Prüfung des ärztlichen Personals auf die Schriftlichkeit oder die Beurkundung bezieht. Wäre das Erfordernis der Beurkundung nicht erfüllt, würde die Befruchtung nicht durchgeführt293. Die Gefahr für das Kind, dass wegen Missachtung der Form eine ElternKind-Zuordnung durch gerichtliche Feststellung nicht möglich wäre, bestünde schon mangels Zeugung nicht. Ein anderes Bild ergibt sich allerdings dann, wenn in § 1600 Abs. 4 BGB oder aber für die inhaltsgleiche Vorschrift des § 1600b BGB-E eine zwingende Beurkundung vorgesehen würde. Mangels Heilungsmöglichkeiten und Restrisiken der Missachtung der Form in Auslandsfällen oder bei privater Befruchtung könnte eine Pflicht zur Beurkundung dazu führen, dass den ­intendierten Eltern zum Nachteil des Kindes weiterhin ein Recht zur Anfechtung der Elternschaft zustünde. Eine sachgerechte Berücksichtigung der In­ teressen des Kindes einerseits und der Realisierung der Formzwecke ande­ rerseits ließe sich deshalb nur durch eine Formvorgabe als Soll-Vorschrift realisieren, wenn bereits im Vorfeld der Befruchtung eine verbindliche Eltern-Kind-Zuordnung erreicht würde. ee) Ergebnis Die notarielle Mitwirkung an Erklärungen anlässlich einer heterologen Insemination ist seit jeher in Betracht gezogen und diskutiert worden. Vor dem Hintergrund neuer Bestrebungen zu einer Reform des Abstammungsrechts sprechen gewichtige Gründe dafür, die Einwilligung in eine heterologe künstliche Befruchtung der notariellen Beurkundung als Formerfordernis zu unterstellen. Allein unter dieser Voraussetzung kann sichergestellt werden, dass die Beteiligten, insbesondere die intendierten Eltern, angesichts der 293  Insoweit für eine strafbewehrte Vorgabe für Mediziner, die reproduktionsmedizinische Maßnahme nur im Falle der Beurkundung vorzunehmen, Köppen, Samenspende und Register (2020), S. 125.



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Tragweite von einer umfassenden rechtlichen Beratung durch einen Fachmann profitieren, die aktuell von keiner anderen Stelle in vergleichbarer Art und Weise geleistet werden kann. Hinzu kommt, dass die notarielle Urkunde in besonderem Maße zu Rechtssicherheit und Beweisbarkeit der beurkundeten Vorgänge beiträgt. Sie räumt Zweifel über das Vorliegen der Einwilligungserklärungen bereits im Vorfeld aus und schafft dadurch eine sichere Grundlage für Ärzte, deren Haftungsrisiko minimiert wird, gleichzeitig aber auch für die Gerichte, die sich mit Zweifeln hinsichtlich der Abgabe der Erklärungen und ihren genauen Inhalten nicht mehr befassen müssten und so entlastet würden. Zum hohen Niveau der Beweisbarkeit tragen auch die notariellen Pflichten bei, die Identität und Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu prüfen sowie die Urkunde über einen sehr langen Zeitraum aufzubewahren. Aus diesen Gründen kann Niederschwelligkeit hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen allein nicht ausschlaggebend sein, zumal das Erfordernis der notariellen oder öffentlichen Beurkundung intendierte Eltern von dem ohnehin aufwendigen Vorhaben der künstlichen Befruchtung nicht ernsthaft abhalten wird294. Nur durch eine Beurkundung nach den Regeln des Beurkundungsrechts können Fragen der Einholung, Dokumentation und Aufbewahrung der Erklärungen – letztlich Aspekte der Praktikabilität, die sich im Zusammenhang mit dem aktuellen, lediglich auf die Schriftform bezogenen Diskussionsteilentwurf stellen295 – hinreichend beantwortet werden. Die Vorteile einer Beurkundung gelten uneingeschränkt vor dem Hintergrund des Vorschlags, eine gerichtliche Feststellung der intendierten Elternschaft auf Grundlage der Einwilligungserklärungen vorzunehmen, wenn es sich um eine medizinisch assistierte Befruchtung handelt (§ 1598 BGB-E). 7. Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln zur Anfechtung Wie schon im Rahmen von § 1600 Abs. 4 BGB stellt sich auch für die Einwilligung gemäß § 1598c Abs. 2 BGB-E in eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen die Frage, inwieweit eine Anfechtung der Erklärung wegen Willensmängeln möglich ist und ob die Regeln des Allgemeinen Teils Anwendung finden296; an dieser Stelle wird auf die zuvor gemachten Ausführungen zur parallelen Problematik bei § 1600 Abs. 4 BGB verwiesen297. Eine Klarstellung im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist wünschenswert. Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6 mit 2. Zweifel hinsichtlich bloßer Schriftform DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11; vgl. i. E. auch Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  11 f. 296  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 297  Kap. 4 B. V. 10. a), S. 188. 294  DIJuF, 295  Siehe

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8. Widerrufsrecht nach § 1598c Abs. 4 BGB-E a) Adressatenkreis Der Diskussionsteilentwurf sieht vor, in § 1598c Abs. 4 BGB-E nunmehr ausdrücklich ein Widerrufsrecht zu regeln, infolge dessen Ausübung eine Einwilligung in die heterologe Befruchtung zurückgenommen werden kann. Dies entspricht bereits der allgemeinen Auffassung für die geltende Rechtslage unter § 1600 Abs. 4 BGB. § 1598c Abs. 4 S. 1 BGB-E stellt klar, dass ein Widerruf möglich sein soll, beschränkt diesen allerdings gleichzeitig ausdrücklich auf die „in Absatz 2 genannten Erklärungen“, d. h. lediglich auf die Einwilligungserklärungen der intendierten Eltern, nicht aber auch die Verzichts- bzw. Einverständniserklärung des Samenspenders in Absatz 1; dieser soll nach Erteilung seiner Erklärungen keinen Einfluss mehr darauf haben, ob neben der Mutter ein intendierter Elternteil rechtlich festgestellt werden kann298. Weil eine empfangsbedürftige Erklärung nach Zugang beim Empfangsberechtigten nicht mehr widerrufen werden kann (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB), stellt § 1598c Abs. 4 S. 3 BGB-E eine Ausnahme zu diesem Grundsatz des Allgemeinen Teils dar. Gleichzeitig bleibt das gesetzlich normierte Widerrufsrecht wie bereits de lege lata Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts im reproduktiven Bereich299. Nur weil das Widerrufsrecht das Selbstbestimmungsrecht der intendierten Eltern absichert, kann der Kinderwunsch als Aspekt eines eigentlich höchstpersönlichen Bereiches Gegenstand rechtsgeschäftlicher Abreden sein300. b) Spätestmöglicher Zeitpunkt, § 1598c Abs. 4 S. 3 BGB-E Der Widerruf soll spätestens bis zur Übertragung des Samens oder dem Transfer der befruchteten Eizelle auf die Mutter ausgeübt werden können (§ 1598c Abs. 4 S. 3 BGB-E). Dies entspricht der allgemeinen Auffassung im Rahmen von § 1600 Abs. 4 BGB301. Hierdurch stellt sich auch bei einer Novel­lierung des Abstammungsrechts die Problematik der Erzeugung überschüssiger Embryonen in Befruchtungsverfahren in-vitro302. Nach wie vor bliebe unklar, ob und unter Festlegung auf welche Zahl die Erzeugung von Embryonen möglich sein sollte, die Zulassung einer Embryonenspende denkDiskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 38. Kap. 4 B. V. 7., S. 184. 300  Kap. 3 C. IV., S. 118 ff. 301  Auch in Übereinstimmung mit dem Vorschlag des BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 38, S. 58 f. 302  Siehe Kap. 4 B. V. 10. b) bb), S. 192. 298  BMJV, 299  Siehe



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils329

bar wäre und ob für den Fall, dass trotz dessen weiterhin überschüssige Embryonen entstünden, ihre Freigabe für Forschungszwecke vertretbar wä­ re303. c) Erklärungsempfänger Der Entwurf verzichtet auf eine gesetzliche Klarstellung darüber, wem gegenüber ein Widerruf der Einwilligung in die heterologe Befruchtung mit Spendersamen zu erklären ist. Es bleibt daher bei den Grundsätzen, die bereits de lege lata für den Widerruf einer Einwilligung nach § 1600 Abs. 4 BGB gelten: Grundsätzlich ist Erklärungsempfänger der ebenfalls einwilligende Partner, wobei der Widerruf aus Gründen der Rechtssicherheit daneben auch dem behandelnden Arzt zu erklären ist, sofern dieser an dem Vorgang beteiligt ist304. Für die Zukunft ist eine Klarstellung hinsichtlich des Erklärungsempfängers ebenso wünschenswert wie hinsichtlich der Frage, ob und welche Willensmängel im Rahmen des Widerrufsrechts relevant sein können305. d) Form Der Widerruf der Einwilligung unterliegt keinem Formerfordernis, ist somit auch mündlich möglich (arg. § 1598c Abs. 4 S. 2 BGB-E). Der Entwurfsbegründung zufolge müsse ein Widerruf insbesondere in Situationen ermöglicht werden, in denen angesichts der zeitlichen Beschränkung in Satz 3 Zeitdruck herrsche und die tatsächlichen Voraussetzungen beispielsweise für eine schriftliche Abfassung des Widerrufs nicht gegeben seien. Hinter diesem Interesse trete das Interesse an erleichterter Beweisbarkeit des Widerrufs zurück306. Die fehlende Formvorgabe geht also auf eine strenge Auslegung des spätestmöglichen Zeitpunkts für den Widerruf zurück. Dadurch könnte ein Widerruf unmittelbar vor der Befruchtung, überspitzt ausgedrückt sogar im Arzttermin vor dem Transfer von Spendersamen oder befruchteten Eizellen/ Embryonen auf den Körper der Frau, möglich sein, wodurch sich für die Frau erhebliche Rechtsunsicherheit ergeben würde307. Denkbar wäre daher, den Widerruf schriftlich gegenüber der medizinischen Einrichtung erklären zu müssen und dieser die Pflicht aufzuerlegen, umge303  Vgl.

Kersten, NVwZ 2018, 1248. Kap. 4 B. V. 10. c), S. 195. 305  djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8; vgl. auch DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7. 306  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 38. 307  djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. 304  Vgl.

330

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

hend die betreffende Frau zu informieren308. In diesem Zusammenhang könnte die Einrichtung mit der hier vorgeschlagenen, notariell beurkundeten Einwilligungserklärung auch die Identität der Person prüfen, die den Widerruf erklärt. Dass die Frau selbst den Widerruf ihres Partners oder ihrer Partnerin vortäuscht, ist vor dem Hintergrund kaum zu erwarten, dass ihr selbst ein eigenes Widerrufsrecht (und zwar zusätzlich auch im Rahmen des Behandlungsvertrags) zusteht. Durch die Sichtung von Personalausweisen könnte die Einrichtung ausschließen, dass sich eine zuvor unbeteiligte Person als einwilligender Elternteil ausgibt und durch den vermeintlichen Widerruf die Behandlung zu sabotieren versucht. Denkbar wäre alternativ, die Form für den Widerruf spiegelbildlich309 zur Form für die Einwilligungserklärungen auszugestalten. Die Einwilligungserklärungen sollten öffentlich bzw. notariell beurkundet werden, sodass sich auch für den Widerruf grundsätzlich die obligatorische Beurkundung anböte. Hierfür spricht, dass ein Gleichlauf mit anderen Instituten erreicht werden könnte. So ist beispielsweise für den Widerruf der Anerkennungserklärung durch den Mann schon nach geltendem Recht die öffentliche Beurkundung vorgeschrieben (§ 1597 Abs. 3 S. 2 BGB). Gleiches gilt für die Abgabe von Sorgeerklärungen (§ 1626d Abs. 1 BGB). Darüber hinaus könnte der medi­ zinischen Einrichtung auf diese Weise die Verantwortung hinsichtlich der Aufnahme und Dokumentation des Widerrufs genommen werden. Der beurkundete und geprüfte Widerruf müsste ihr dann nämlich lediglich vorgelegt werden. Dass ein Widerruf nach der Intention des Gesetzgebers auch unter Zeitdruck möglich sein soll, lässt sich effektiv wohl nur durch eine Verpflichtung des Einwilligenden lösen, den Widerruf auch gegenüber der medizinischen Einrichtung zu erklären. Verständiges ärztliches Personal würde aber zur eigenen Absicherung die Durchführung der Befruchtung ohnehin aussetzen, bis der Widerruf – in welcher Form auch immer – nachgewiesen ist310. Zudem kann im Rahmen des Widerrufs auf eine erneute Erfüllung der Formzwecke einer Beurkundung verzichtet werden, da sie bereits bei der Einwilligung in die heterologe Befruchtung hinreichend berücksichtigt werden könnte311. Weil es primär um einen sicheren Nachweis des Widerrufs geht, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8. Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 38, S. 59 (öffentliche Beurkundung); DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7 (öffentliche Beurkundung); djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8 (einfache Schriftform); siehe auch schon Beschlüsse des 56. DJT, NJW 1986, 3069 (notarielle Beurkundung). 310  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7. 311  Siehe Kap. 5 D. IV. 6. f), S. 308 ff. 308  djb,

309  BMJV,



D. Gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils331

dürfte genügen, dass der Nachweis durch eine bloß schriftliche Widerrufs­ erklärung gegenüber der Einrichtung erfolgt, welche unverzüglich die zu behandelnde Frau informiert. Dies würde der Einrichtung zwar einen organisatorischen Mehraufwand auferlegen; gleichzeitig ist ihr die Prüfung der Identität der widerrufenden Person sowie das Festhalten der Eckdaten des Widerrufs (Datum, Zeit, konkrete Maßnahme etc.) durchaus zumutbar312. Nicht gesichert ist dann aber weiterhin, auf welchem Wege der intendierte Elternteil, der zu der Frau keinen Kontakt mehr hat, von der Vornahme der medizinischen Maßnahme erfahren soll. Dies bedarf weiterer Klärung. In Betracht kommt allenfalls eine Mitteilung durch die Einrichtung basierend auf den in der notariellen Urkunde festgehaltenen persönlichen Angaben. e) Geschäftsfähigkeit und Bedingung § 1598c Abs. 4 S. 2 BGB-E verweist auf § 1594 Abs. 3 BGB-E, welcher der geltenden Regelung des § 1594 Abs. 3 BGB entspricht und einem Widerruf, der an eine Bedingung oder Zeitbestimmung geknüpft ist, die Wirksamkeit versagt. Außerdem sollen die Regeln bei Geschäftsunfähigkeit bzw. beschränkter Geschäftsfähigkeit in § 1595 BGB-E entsprechend gelten. Es wird darauf hingewiesen, dass für den Widerruf die gesetzliche Vertretung eines Kindes in aller Regel ausscheidet, weil nach dem Entwurf bereits die Abgabe der Einwilligung nur durch eine volljährige Person möglich sein soll313. f) Bewertung Es ist begrüßenswert, dass der Entwurf die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligungserklärungen in § 1598c Abs. 2 BGB-E explizit regelt. Im Ergebnis würde hinsichtlich des letztmöglichen Zeitpunktes die für § 1600 Abs. 4 BGB bestehende herrschende Auffassung normiert. Künftig bedarf es hingegen einer Klarstellung darüber, wer Empfänger der Widerrufserklärung ist bzw. wem gegenüber der Widerruf (zusätzlich) zu erklären ist. Außerdem sollte die Formfreiheit der Widerrufserklärungen dringend überdacht werden, um im Sinne aller Beteiligten ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zu gewährleisten und einer Befassung der Gerichte in dieser Frage vorzubeugen.

312  Vgl. i. E. auch DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5: keine zu hohe Hürde für den Widerruf. 313  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 39.

332

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

V. Ergebnis Künftig soll § 1598c BGB-E einerseits die Voraussetzungen, unter welchen ein Spender von der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung ausgeschlossen ist, andererseits die Voraussetzungen, nach denen der einwilligende intendierte Elternteil als rechtlicher Elternteil gerichtlich festgestellt werden kann, in einer Vorschrift zusammenfassen und in einen inneren Zusammenhang stellen. Dabei beabsichtigt der Entwurf, dass der Spender in Fällen ärztlich assistierter Befruchtung durch Abgabe seines Samens an eine Entnahmeeinrichtung und bei privaten Spenden mit ärztlicher Befruchtung durch eine ausdrückliche Erklärung auf seine rechtliche Elternposition verzichten kann mit der Folge, dass eine gerichtliche Feststellung des Samenspenders als Vater nicht mehr möglich wird. Stattdessen kann der intendierte Elternteil als rechtlicher Vater oder als Mit-Mutter gerichtlich festgestellt werden (§ 1598c Abs. 2 BGB-E). Bedauernswerterweise bleiben jedoch eine Reihe wesentlicher Fragen durch den Entwurf unbeantwortet. Die ausdrückliche Klarstellung dahingehend, dass der Samenspender auch dann freigestellt werden soll, wenn es zu keiner gerichtlichen Feststellung einer intendierten Elternschaft kommt (etwa im Fall der Befruchtung einer alleinstehenden Frau) führt zu verfassungsrechtlichen Bedenken. Für die einwilligenden intendierten Eltern soll § 1598c BGB-E nicht mit einem Anfechtungsausschluss verbunden sein, sondern den Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Feststellung darstellen (Feststellungslösung). Auch hinsichtlich der Voraussetzung der Einwilligung lässt der Entwurf zahlreiche Fragen ungeklärt. Er verpasst vor allem die Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit der Formfrage, welche seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert wird. Gerade unter den Aspekten der hinreichenden Beratung der Beteiligten sowie Fragen von Beweisbarkeit, Dokumentation und Entlastung der Gerichte wäre dies wünschenswert gewesen. Daher ist die notarielle oder jedenfalls öffentliche Beurkundung der Einwilligungserklärung als gesetzliche Form mindestens als Soll-Vorgabe zu fordern.

E. Anpassung der Anfechtungsregeln Neben der teilweisen Neukonzeption der Regeln über die Begründung von Elternschaft kommt auch der Neuregelung der Anfechtungsvorschriften und damit der Beseitigung einer Eltern-Kind-Zuordnung im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsgegenstands ein wichtiger Stellenwert zu. Die Vorschriften über die Anfechtung sollen künftig in §§ 1600 bis 1600f BGB-E neu geregelt werden.



E. Anpassung der Anfechtungsregeln333

I. Anfechtungsberechtigung Strukturell sieht der Diskussionsteilentwurf eine Trennung der Anfechtungsberechtigung (§ 1600 BGB-E) und der Voraussetzungen für die Anfechtung (§ 1600a BGB-E) vor. Der Kreis der Anfechtungsberechtigten soll künftig zum einen auf die Mit-Mutter, zum anderen generell auf den intendierten Elternteil ausgeweitet werden (§ 1600 BGB-E). § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB-E enthält außerdem eine Legaldefinition des mutmaßlich leiblichen Vaters314, wobei dies inhaltlich unverändert der Mann sein soll, welcher an Eides statt versichert, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Es wird weiterhin auf den Begriff der Beiwohnung abgestellt mit der Folge, dass nach wie vor die Frage im Raum steht, ob neben dem Geschlechtsverkehr auch die Samenspende erfasst wird315. In Anlehnung an die neu eingeräumte Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung des intendierten Elternteils (§ 1598c Abs. 3 BGB-E) soll künftig auch die Person, die in Übereinstimmung mit der Mutter in eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt hat (intendierter Vater oder intendierte Mit-Mutter), zur Anfechtung berechtigt sein (Nr. 3)316. Unverändert besteht das Anfechtungsrecht auch für die Mutter und grundsätzlich auch für das Kind (Nr. 4 und 5), explizit ausgeschlossen wird indes der Samenspender im Sinne von § 1598c Abs. 1 BGB-E (§ 1600 Abs. 2 BGBE). Wenn mit dem BGH unabhängig von ärztlicher Assistenz bei der Behandlung auch künftig für den Verzicht des Spenders der Konsens über die Befruchtung maßgeblich sein soll317, empfiehlt es sich, in § 1600 Abs. 2 BGB-E den Samenspender i. S. d. der allgemeineren Regelung des § 1600b BGB-E auszuschließen. Dadurch könnte auch der private Spender bei privater Befruchtung nicht mehr anfechten318.

Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 42. Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9: Reform wäre ein guter Anlass, das antiquierte Wort „Beiwohnung“ zu ersetzen, etwa durch die Formulierung „der Mann, der an Eides statt versichert, dass das Kind … mit seinem Samen gezeugt worden ist“. Diese Formulierung erfasst alle Modalitäten des Zeugungsakts. 316  Krit. Heiderhoff, FF 2020, 225 (233). 317  Siehe Kap. 4 B. VI. 1. b), S. 206. 318  Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S.  4: Gleichzeitig hätte das Kind in jedem Fall einen zweiten rechtlichen Elternteil, denn bei der ärztlichen Befruchtung könnte der intendierte Elternteil festgestellt werden (§ 1598c Abs. 2 BGB-E), bei privater Befruchtung könnte der Spender als leiblicher Vater festgestellt werden (§ 1598b BGB-E). 314  BMJV, 315  djb,

334

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

II. Voraussetzungen der Anfechtung (§ 1600a Abs. 1 BGB-E) Der Diskussionsteilentwurf sieht in § 1600a BGB-E eine abschließende und umfassende Regelung der Voraussetzungen der Anfechtung vor. Sie soll nicht mehr allein die Anfechtung durch den leiblichen Vater, sondern durch sämtliche Berechtigte, insbesondere auch die intendierten Eltern, regeln319. Dabei entsprechen die Anfechtungsvoraussetzungen insofern spiegelbildlich der Primärzuordnung rechtlicher Elternschaft, als das Nichtbestehen einer Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft genau dann festgestellt werden können soll, wenn auch eine Erstzuordnung nach den Vorschriften zur Feststellung der Elternschaft des zweiten Elternteils nicht möglich wäre. Der strikte Gleichlauf von Primärzuordnung und Anfechtungsregeln dient ausweislich der Entwurfsbegründung einer Vermeidung von Wertungswidersprüchen320. In Anlehnung an die Vorschrift zur Anfechtungsberechtigung regelt § 1600a Abs. 1 Nr. 1 BGB-E die Anfechtung der Elternschaft des rechtlichen Elternteils (kraft Ehe oder Anerkennung), der Geburtsmutter und des Kindes. Sie ist erfolgreich, wenn entweder der rechtliche Vater nicht leiblicher Vater des Kindes ist, oder wenn für den rechtlichen Vater, der nicht leiblicher Vater ist, oder für die Mit-Mutter nicht die Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 1598c BGB-E vorliegen321. Ficht der mutmaßliche leibliche Vater die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft einer anderen Person an, hat er nur Erfolg, wenn er tatsächlich auch der leibliche Vater des Kindes ist (Nr. 2). Dadurch ergibt sich, dass künftig eine rechtliche Vaterschaft oder eine rechtliche Mit-Mutterschaft, die durch Ehe oder Anerkennung begründet wurde, nur durch den leiblichen Vater beseitigt werden kann322. Der nach § 1600d Abs. 4 BGB bzw. § 1598c Abs. 1 BGB-E von der gerichtlichen Feststellung ausgeschlossene Samenspender gilt allerdings nicht als mutmaßlicher Vater im Sinne der Vorschrift. Auch eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft durch einen intendierten Elternteil ist nur dann erfolgreich, wenn die Voraussetzungen für eine gerichtliche Feststellung der anfechtenden Person als Vater oder Mit-Mutter nach § 1598c BGB-E vorliegen (Nr. 3). Dies gewährleistet, dass sich die intendierte Elternschaft ebenso wie die leibliche Elternschaft gegenüber der kraft Ehe oder Anerkennung begründeten Elternschaft durchsetzen kann323 und entspricht der Zielsetzung des Entwurfs, die natürliche Zeugung mit der künstlichen gleichzusetzen. Möglicherweise schießt der Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 44 f. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 45. 321  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 45. 322  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9. 323  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 46. 319  BMJV, 320  BMJV,



E. Anpassung der Anfechtungsregeln335

Entwurf an dieser Stelle jedoch über das Ziel hinaus, denn die Stärkung der Position des leiblichen Vaters ist gerade dadurch begründet, dass mit biologischer Verwandtschaft eine besondere Verbindung und Dauerhaftigkeit der Beziehung zum Kind einhergeht. Ob dieser Gedanke vollumfänglich auf die einwilligende Person, die durch ihren bloßen Willen die Existenz des Kindes (mit-)herbeigeführt hat, übertragen werden kann, ist zu hinterfragen324.

III. Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit (§ 1600a Abs. 2  BGB-E) 1. Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Elternteil (Satz 1 Halbsatz 1) Nach geltender Rechtslage hat eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines Mannes durch den mutmaßlichen leiblichen Vater nur dann Erfolg, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt dessen Todes bestanden hat und der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist (§ 1600 Abs. 2 BGB). In Anlehnung hieran sollen auch der intendierte Vater bzw. die intendierte Mit-Mutter nur anfechten können, wenn zwischen dem Kind und dem zweiten recht­ lichen Elternteil keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat. Dieser zweite Elternteil ist entweder der rechtliche Vater oder die Mit-Mutter, die ihre Elternstellung kraft Ehe mit der Geburtsmutter oder kraft Anerkennung erlangt hat. Der Entwurf sieht durch diese Ausweitung unter gleichzeitiger Beibehaltung des Merkmals der sozial-familiären Beziehung als gesetzliche Abwägung verschiedener Grundrechtspositionen325 eine Gleichstellung von leiblicher und intendierter Elternschaft vor. 2. Bedeutung des Kindesalters (Satz 1 Halbsatz 2) Darüber hinaus soll sich der leibliche Vater oder der intendierte Vater bzw. die intendierte Mit-Mutter326 unabhängig vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Elternteil innerhalb der ersten sechs Lebensmonate des Kindes stets durchsetzen können (§ 1600a Abs. 2 BGB-E letzter NJW 2016, 2629 (2633). auch im Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung entstandener Beziehungen und unter Berücksichtigung der im Abstammungsrecht tragenden Prinzipien der Rechtssicherheit und Verlässlichkeit, BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 47. 326  Familienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 8: Ausweitung auf intendierte Eltern kaum vertretbar. 324  Heiderhoff, 325  Insb.

336

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

HS). In der Begründung wird darauf hingewiesen, es entspreche dem Kindeswohl am ehesten, wenn das Kind rechtlich der Person zugeordnet würde, welche es gezeugt hat bzw. durch welche die Zeugung infolge einer Einwilligung in die Befruchtung maßgeblich mitverursacht wurde, weil eine dauerhafte Verantwortungsübernahme in diesen Fällen am ehesten zu erwarten sei. Dies werde durch den Akt der Anfechtung bestätigt327. Der Entwurf liegt auf einer Linie mit dem Arbeitskreis Abstammungsrecht, der mit einer ähnlichen Begründung ebenfalls angeregt hatte, die Anfechtung durch den mutmaßlichen leiblichen Vater innerhalb einer kurzen Frist nach der Geburt – diskutiert wurden sechs Monate bis zwei Jahre – ungeachtet einer sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater zuzulassen328. Der Verlust des rechtlichen Vaters oder der rechtlichen Mit-Mutter wird im Rahmen des Diskussionsteilentwurfs zusätzlich dadurch gerechtfertigt, dass erst ab Vollendung des sechsten Lebensmonats deutliche physiologische und psychologische Trennungsreaktionen bei Veränderungen im Kreis der Bezugspersonen zu verzeichnen seien, entsprechende Beziehungen vorher also noch nicht gefestigt seien329. Die vorgeschlagene Regelung ist aus verschiedenen Gründen kritikwürdig330. Zum einen bedarf sie einer Klarstellung dahingehend, ob es für den Ablauf der sechsmonatigen Frist auf die Einleitung eines Anfechtungsverfahrens oder dessen Abschluss ankommen soll. Für die Beurteilung des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung ist nach allgemeiner Auffassung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich331. Gleichzeitig würde mit Blick auf die reguläre Verfahrensdauer hierdurch aber der Zeitraum von sechs Monaten in der Regel überschritten, was für die Anhängigkeit des Anfechtungsantrags als maßgeblichem Zeitpunkt sprechen könnte; insofern muss der Entwurf an dieser Stelle noch konkretisiert werden332.

Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 47. Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 30, S. 53. 329  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 48; krit. Heiderhoff, FF 2020, 225 (229): Die gerichtliche Klärung bringe in den ersten Lebensmonaten eine erhebliche Belastung aller Beteiligten mit sich. 330  Befürwortung einer Einzelfallentscheidung Familienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 13. 331  Siehe nur BVerfG FamRZ 2015, 817; BGHZ 170, 161 (166 f.); aus der Literatur Erman/Hammermann, §  1600 BGB Rn.  18; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 BGB Rn. 25. 332  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9; DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9. 327  BMJV, 328  BMJV,



E. Anpassung der Anfechtungsregeln337

3. Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum Anfechtenden (Satz 2) Das BVerfG hat im Jahr 2018 entschieden, dass dem mutmaßlichen leib­ lichen Vater grundsätzlich ein hinreichend effektives Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung eröffnet werden müsse333. Dies ist nach Auffassung des Gerichts allerdings nicht gegeben, wenn ihm seine Elternposition dadurch endgültig unzugänglich gemacht würde, dass einerseits in der Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung ein Dritter die Vaterschaft anerkennt und andererseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufbaut, woran eine Anfechtung scheitert (§ 1600 Abs. 2 BGB)334. Dieses Ergebnis ist nach Auffassung des BVerfG unbefriedigend, wenn der mutmaßliche leibliche Vater alle notwendigen Schritte zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaft unternommen hat335. Der Diskussionsteilentwurf setzt die Entscheidung der­ gestalt um, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater oder der rechtlichen Mit-Mutter eine Anfechtung dann nicht verhindert („Satz 1 gilt nicht“), wenn auch eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem oder der Anfechtenden (d. h. dem mutmaßlichen leiblichen Vater und dem intendierten Elternteil) besteht und diese Beziehung für das Kind wichtiger336 ist (§§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 S. 2, 1600a Abs. 2 S. 2 BGB-E). Der Entwurf betont, dass in solchen Fällen bestimmten Personen ein pauschaler Vorrang nicht eingeräumt werden könne, weil verschiedene konfligierende Prinzipien abzuwägen seien337. Weil das Abstammungsrecht keine konkrete Kindeswohlprüfung kennt, soll es darauf ankommen, welche Beziehung für das Kind „wichtiger“, d. h. qualitativ bedeutender ist, ohne dass ihr Entstehungszeitpunkt relevant wäre338. Die Maßstäbe für die Bewertung der Beziehung zum leiblichen Vater oder dem intendierten Elternteil entsprechen dabei den geltenden Kriterien, nach welchen eine Beziehung zum rechtlichen Elternteil bewertet wird339. So begrüßenswert der Vorschlag im Grundsatz auch ist, eine sozial-familiäre Beziehung des mutmaßlichen leiblichen Vaters zum Kind ebenfalls zu berücksichtigen, so wenig praktikabel mutet der Vorschlag des Entwurfs an. Er schafft nämlich erhebliche Rechtsunsicherheit, indem er eine Bewertung 333  BVerfG

NJW 2018, 3773. NJW 2018, 3773 (3774). 335  BVerfG NJW 2018, 3773 (3774). 336  Herv. d. Verf. 337  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 48. 338  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 48. 339  § 1600a Abs. 3 S. 3 BGB-E: Für eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem oder der Anfechtenden gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. Siehe auch BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 49. 334  BVerfG

338

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

und Abwägung der sozial-familiären Beziehungen und letztlich eine Kindeswohlprüfung erforderlich macht, um den für das Kind geeigneteren Elternteil auszumachen. Das Merkmal der „wichtigeren“ Beziehung ist für das betreffende Gericht nur schwer handhabbar, weil eine Prognose für die Zukunft getroffen werden müsste, zu welcher außenstehende Dritte nur bedingt in der Lage sind340. Zum Teil wird daher der Gegenvorschlag gemacht, bei zwei gleichwertigen sozial-familiären Beziehungen im Sinne einer Kongruenz von leiblicher und rechtlicher Elternschaft und vor dem Hintergrund des Gedankens einer weiteren Stärkung der Position des leiblichen Vaters stets der biologischen Vaterschaft den Vorrang einzuräumen341.

IV. Anfechtungsausschlüsse 1. Ausschluss des Samenspenders i. S. v. § 1598c Abs. 1 BGB-E, § 1600 Abs. 2  BGB-E Ist ein Kind im Rahmen des Anwendungsbereichs von § 1598c BGB-E durch den Samen eines Spenders gezeugt worden, der entweder seinen Samen einer Entnahmeeinrichtung zur Verfügung gestellt oder ausdrücklich auf die Elternschaft verzichtet hat, soll dieser Spender gerichtlich nicht als Vater festgestellt werden können (§ 1598c Abs. 1 S. 1 BGB-E). Entsprechend wäre der Spender auch nicht zur Anfechtung berechtigt (§ 1600 Abs. 2 ­BGB-E)342. 2. Ausschluss im Falle künstlicher Befruchtung, § 1600b BGB-E Der bisher in § 1600 Abs. 4 BGB geregelte Anfechtungsausschluss im Falle der einvernehmlichen heterologen Befruchtung wird im Wesentlichen unverändert beibehalten343, aus systematischen Gründen soll er aber künftig in § 1600b BGB-E geregelt werden. Mit der Ersetzung des Begriffes „Mann“ durch „Vater“ ist keine inhaltliche Änderung beabsichtigt344. Die Aufnahme der Mit-Mutter in die Regelung ist wiederum eine Folgeänderung vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Reform, die abstammungsrechtlichen Vorschriften auch auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare auszuweiten.

340  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2 mit 9; DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 14. 341  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10; DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2. 342  djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9: folgerichtig. 343  Zur geltenden Ausgestaltung Kap. 4 B. V., S. 160 ff. 344  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 49.



E. Anpassung der Anfechtungsregeln339

Durch die Erhaltung des Regelungsinhalts von § 1600 Abs. 4 BGB soll auch künftig und auch bei einer privat durchgeführten Befruchtung, für welche der Anwendungsbereich des § 1598c BGB-E weder hinsichtlich des Feststellungsausschlusses des Samenspenders noch der Feststellungsmöglichkeit für den intendierten Elternteil eröffnet ist345, sichergestellt werden, dass sich der intendierte Elternteil und die Mutter nicht von ihrer einmal übernommenen Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für das Kind lösen kann. Der Diskussionsteilentwurf sieht gegenüber der geltenden Fassung zwei Klarstellungen vor: Zum einen soll die Anfechtung explizit auch dann ausgeschlossen sein, wenn das Kind infolge einer Embryonenspende entstanden ist. Zwar ist diese durch das ESchG in Deutschland verboten, allerdings umfasst de lege lata der Anfechtungsausschluss bei künstlicher heterologer Befruchtung bereits sämtliche reproduktionsmedizinische Verfahren ungeachtet ihrer strafrechtlichen bzw. standesrechtlichen Unzulässigkeit. Zum anderen sieht der Entwurf unter Ziehung einer Parallele zu § 1598c Abs. 3 BGB-E vor, dass die Einhaltung der dort angeordneten Schriftform im Rahmen von § 1600b BGB-E nicht erforderlich ist. Halbsatz 2 von § 1600b BGB-E sei deshalb notwendig, weil andernfalls durch Nichteinhaltung der Schriftform eine Umgehung des Anfechtungsausschlusses zu befürchten wäre; deshalb soll die Wirksamkeit der Einwilligung auch nicht von einer vorherigen Aufklärung über die rechtlichen Konsequenzen insbesondere des zweiten intendierten Elternteils abhängig sein346. Dies entspricht im Grunde bereits der geltenden Rechtslage, wobei angesichts der immerwährenden Forderungen eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Formfrage wünschenswert gewesen wäre347. Dem Kind soll auf den ersten Blick weiterhin ein Anfechtungsrecht zustehen, weil es an den Umständen seiner Zeugung nicht mitgewirkt habe. Tatsächlich ergibt sich aber im Zusammenspiel mit § 1600a Abs. 1 Nr. 1 BGB-E die Situation, dass eine Anfechtung erfolglos ist, wenn der intendierte Elternteil nach § 1598c Abs. 2 BGB-E gerichtlich festgestellt werden könnte, weil dann bereits die „richtige“ Person rechtlicher Elternteil wäre348. Das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt durch § 1600b BGB-E deshalb nur bei privat durchgeführter Samenspende, nicht aber in Fällen ärztlicher Assistenz bestehen. Diese Regelungstechnik ist sehr komplex und sollte zu Gunsten von höherer Transparenz überdacht werden349. Der Ausschluss des Kindes von Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 49. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 49. 347  Siehe Kap. 5 D. IV. 6., S. 302 ff. 348  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 50; krit. djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10 und Verein Spenderkinder, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2. 349  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6 f. 345  BMJV, 346  BMJV,

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

der Anfechtung in Spendersamenkonstellationen entspricht zwar Forderungen der Literatur und auch der geltenden Rechtslage in anderen Staaten350. Gleichzeitig würde der Entwurf eine dauerhafte, unauflösbare Bindung ähnlich wie im Rahmen einer Adoption schaffen, die berechtige Interessen des Kindes möglicherweise unzureichend berücksichtigt351. Die Unterschiede im Umfang des Anwendungsbereichs des § 1598c BGBE einerseits und des § 1600b BGB-E andererseits können grundsätzlich zu einem Wertungswiderspruch führen. Das ist dann der Fall, wenn nach einer einvernehmlichen privaten künstlichen Befruchtung zunächst die rechtliche Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft des zweiten Elternteils durch Ehe oder Anerkennung begründet wurde, sich später aber die Geburtsmutter oder der intendierte Elternteil zu einer Anfechtung der Elternschaft des intendierten Elternteils entschließt. Weil im Rahmen einer Einwilligung in eine künstliche Befruchtung mittels Spendersamen i. S. d. § 1600b BGB-E beispielsweise weder die Einhaltung einer Form erforderlich ist, noch die Befruchtung medizinisch assistiert erfolgen muss, werden die Voraussetzungen von § 1598c BGB-E nicht erfüllt. Dies hat zur Folge, dass sich die rechtliche Elternschaft nicht mit der Primärzuordnung deckt und deshalb eine Anfechtung – gegen den Willen des Entwurfsverfassers bei § 1600b BGB-E – nach § 1600a BGB-E erfolgreich wäre. Um dies zu vermeiden, sieht § 1600a Abs. 1 S. 2 BGB-E die Klarstellung dahingehend vor, dass § 1600b BGB-E von den Anfechtungsvoraussetzungen unberührt bleibt. Bei Einwilligung in eine heterologe künstliche Befruchtung nach § 1600b BGB-E soll die Anfechtung durch die Eltern unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Feststellungsvoraussetzungen nicht erfolgreich sein352. 3. Ausschluss nach Anerkennung, § 1600c BGB-E Unter Verweis auf Vorschläge des Arbeitskreises Abstammungsrecht353 sieht der Diskussionsteilentwurf im Falle einer Anerkennung einen neuen, dem geltenden Recht bisher unbekannten Anfechtungsausschluss für recht­ liche Elternschaft vor. Nach dessen Konzeption soll eine durch Anerkennung 350  Hierzu

vgl. Pauli, NZFam 2016, 57. Kritik bei Verein Spenderkinder, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2–7; vgl. auch Familienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9 f.; zust. hingegen DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10. Für Ausschluss des Kindes auch Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55 f.). 352  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 46. 353  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Thesen 25, 52 und 58, S. 48 f., 70 und 72. 351  Ausführliche



E. Anpassung der Anfechtungsregeln341

begründete Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft dauerhaft Bestand haben und durch die Eltern (das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt hiervon unberührt) nicht mehr beseitigt werden können, wenn die Anerkennung in Kenntnis des Umstandes erfolgt, dass der zweite Elternteil gerichtlich nicht festgestellt werden könnte354. Der Entwurf betont, dass die anerkennende Person bei Beurkundung der Anerkennungserklärung über diese rechtliche Wirkung belehrt werden und deshalb eine Lösung von der einmal übernommenen Elternverantwortung nicht mehr möglich sein soll355. Gleiches gilt für die Erklärung der (Geburts-)Mutter, die bei einer Zustimmung in Kenntnis dieser Umstände ebenso gebunden bleiben soll356. Weil sich die Kenntnis in Abhängigkeit von der Form der Zeugung auf verschiedene Bezugspunkte richtet, wird eine differenzierte Regelung vorgeschlagen. Bei natürlicher Zeugung soll der rechtliche Vater von der Anfechtung ausgeschlossen sein, wenn er im Zeitpunkt der Anerkennung positive Kenntnis von seiner fehlenden biologischen Vaterschaft hatte, etwa wegen eigener Zeugungsunfähigkeit (§ 1600c Abs. 1 S. 1 BGB-E). Dass die positive Kenntnis als Anknüpfungspunkt dient, ist nicht unproblematisch, denn sie wird in den seltensten Fällen eindeutig nachweisbar sein. Deshalb hatte bereits der Arbeitskreis Abstammungsrecht vorgeschlagen, niederschwelliger die Kenntnis von Umständen, die gegen die genetische Vaterschaft sprechen, zur Vo­ raussetzung zu machen357. Bei künstlicher Befruchtung mit Spendersamen weiß der rechtliche Vater in jedem Fall von seiner fehlenden leiblichen Vaterschaft, sodass in diesen Konstellationen die Anfechtung nur dann möglich sein soll, wenn er zwar in die Befruchtung eingewilligt hat, seine Einwilligung sich aber nicht mit dem konkreten Ablauf der Zeugung deckt, etwa weil das Kind abredewidrig auf natürliche Weise durch einen Dritten gezeugt wurde. Sind ihm auch diese Umstände wiederum bekannt und hat der rechtliche Vater in Kenntnis von ihnen die Vaterschaft anerkannt, soll die Anfechtung ebenfalls ausgeschlossen sein (§ 1600c Abs. 1 S. 2 BGB-E)358. Die Regelung in Absatz 2 für den Ausschluss der Anfechtung durch die Mit-Mutter entspricht im Wesentlichen derjenigen des rechtlichen Vaters. So ist die Anfechtung der Mit-Mutterschaft dann weiter möglich, wenn die MitMutter in eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen eingewilligt hat, das Kind aber auf andere Weise gezeugt wurde und sie hiervon keine KenntDiskussionsteilentwurf AbstR (2019), Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), 356  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), 357  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11. 358  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), 354  BMJV, 355  BMJV,

S. 50. S. 50. S. 50. These 25, S. 49; vgl. auch djb, S. 51.

342

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

nis hatte359; bei entsprechender Kenntnis von den Umständen ist die Anfechtung ausgeschlossen (§ 1600 Abs. 2 S. 2 BGB-E)360. Bei einer natürlichen Zeugung des Kindes kann jedoch die durch Anerkennung begründete MitMutterschaft, anders als im Fall einer durch Anerkennung begründeten Vaterschaft, zu keiner Zeit angefochten werden, weil die Mit-Mutter bereits auf Grundlage der Gesetzmäßigkeiten der Natur nicht leiblicher Elternteil sein kann und hiervon Kenntnis haben muss (§ 1600c Abs. 2 S. 1 BGB-E)361. Dies gestaltet sich lediglich in Fällen der im Ausland rechtmäßig vorgenommenen Eizellspende anders, in welchen die Mit-Mutter gleichzeitig auch biologische Mutter ist. Es wäre stringent gewesen, die Eizellspende wie an anderen Stellen des Entwurfs auch abstammungsrechtlich zu adressieren und die Mit-Mutterschaftsanfechtung entsprechend der Regelung für den Vater dann auszuschließen, wenn die Mutter in Kenntnis ihrer fehlenden genetischen Verwandtschaft anerkennt362. Die rechtliche (Geburts-)Mutter verliert ihr Recht zur Anfechtung der zweiten Elternposition im Rahmen einer Anerkennung durch den rechtlichen Vater, wenn sie im Zeitpunkt der Anerkennung positive Kenntnis von dessen fehlender leiblicher Vaterschaft hatte (§ 1600c Abs. 3 Var. 1 BGB-E). Liegt diese Kenntnis nicht vor, etwa weil sie während der Empfängniszeit mit mehreren Männern verkehrt hatte, bleibt die Anfechtung weiter möglich363. Stimmt die Mutter der Anerkennung der Elternschaft durch eine Mit-Mutter zu, die für alle von Beginn an erkennbar nicht als leiblicher Elternteil in Betracht kommt364, ist hingegen die Anfechtung der Mit-Mutterschaft durch die rechtliche (Geburts-)Mutter stets ausgeschlossen (§ 1600c Abs. 3 Var. 2 BGB-E)365. Mit § 1600c BGB-E sieht der Entwurf eine Regelung vor, die bisher, soweit ersichtlich, in dieser Form noch nicht diskutiert worden ist. Die mit ihr verbundene Einschränkung des Vaterschaftsanfechtungsrechts bringt Schwierigkeiten mit sich. Zum einen werden an die Elternschaftsanerkennung deutlich weitreichendere Rechtsfolgen geknüpft, als dies de lege lata der Fall ist, wodurch sich die Frage nach einer hinreichenden Belehrung der betreffenden 359  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9 f.: etwa bei „heimlich abweichender Art der Zeugung“, wobei das Anfechtungsrecht dann nur der MitMutter, nicht aber auch der Mutter zustehen soll. 360  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 52. 361  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 52. 362  Vgl. djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11. 363  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 52. 364  Welches konkrete reproduktionsmedizinische Verfahren im Rahmen der Zeugung eingesetzt wurde, dürfte jedenfalls bekannt sein. 365  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 52. Krit. DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10: Regelung sinnlos, da der Mutter schon gar kein Anfechtungsrecht zustehen könne, wenn sie der Anerkennung zugestimmt hat.



E. Anpassung der Anfechtungsregeln343

Personen stellt. Außerdem kann die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung mit einer Stiefkindadoption verglichen werden, die nur durch Überwindung verschiedener Hürden erreicht werden kann (Probezeit, notarielle Mitwirkung). Dies würde durch die Neuregelung missachtet366. Zudem würde eine Bindung wie im Fall der Samenspende erreicht, obwohl nicht bereits die Zeugung des Kindes auf einem gemeinsamen Entschluss beruht und obwohl in der Regel auch nicht typisierend zu befürchten ist, dass dem Kind mangels Interesses andernfalls nur ein rechtlicher Elternteil zugeordnet werden kann367.

V. Anfechtungsfristen Der Entwurf sieht schließlich eine Anpassung der Anfechtungsfristen vor. Als Folgeänderung soll die nunmehr maßgebliche Vorschrift des § 1600e BGB-E zum einen auf Konstellationen von Mit-Mutterschaft erstreckt werden. Zum anderen würde die bis dato einheitlich für alle Anfechtungsberechtigten geltende Frist von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von den Umständen, die gegen eine Vaterschaft sprechen, differenzierter ausgestaltet. Ficht das Kind die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft an, beträgt die Frist künftig drei Jahre (§ 1600e Abs. 1 S. 1 HS 2 BGB-E). Der Verlängerung der Anfechtungsfrist für das Kind liegt die Überlegung zugrunde, dass gerade junge Erwachsene, die von den Umständen erfahren, welche gegen eine leibliche oder intendierte Elternschaft des zweiten Elternteils sprechen, länger als zwei Jahre benötigen, um diese Information zu verarbeiten, ihre Bedeutung für die eigene Entwicklung zu bewerten und entsprechende Entscheidungen zu treffen368. Dass hierdurch unter Umständen die Zeitspanne der Unsicherheit darüber, wer rechtlicher Vater oder rechtliche Mit-Mutter ist, verlängert wird, stehe dem nicht entgegen, weil dem Kind selbst die Möglichkeit zukomme, den Schwebezustand zu beenden369. Für eine Anfechtung durch andere Berechtigte stellt sich dies nach der Entwurfsbegründung anders dar: Mutter und Kind seien durch die Unsicherheit der Anfechtung erheblich belastet, weshalb der Zeitraum, in welchem eine Anfechtung möglich sein soll, kurz gehalten werden müsse370. Deshalb sollen mit Ausnahme des Kindes alle Anfechtungsberechtigten nur noch innerhalb eines Jahres und nicht wie aktuell innerhalb von zwei Jahren nach Kenntniserlangung von den

Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 14: „Privatadoption“. Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 14. 368  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 53. 369  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 53. 370  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 53. 366  DFGT, 367  DFGT,

344

Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Umständen anfechten können, die gegen ihre Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft sprechen (§ 1600e Abs. 1 HS 1 BGB-E). Die unterschiedliche Ausgestaltung der Anfechtungsfristen stößt zu Recht auf Kritik371. Es ist zu bedenken, dass die Kenntnis von den Umständen, die zur Anfechtung berechtigen, nicht nur für das Kind, sondern auch die Mutter und den rechtlichen sowie biologischen Vater eine erhebliche Belastung darstellen kann. Die neuen Informationen müssen durch die Eltern hinreichend thematisiert und verarbeitet werden und bedürfen einer substanziellen Entscheidung etwa zur Überprüfung der biologischen Vaterschaft bzw. zur Einleitung eines Anfechtungs- oder Feststellungsverfahrens. Diese Entscheidung wird oftmals durch Emotionen und diverse Beziehungsdynamiken unter den Erwachsenen erschwert372. Darüber hinaus könnte die Jahresfrist besonders in Fällen, in denen Streitigkeiten hinsichtlich des Zeitpunktes der Kenntnis der relevanten Umstände entstehen, zu Zeitdruck führen373.

VI. Gesamtbewertung Die im Diskussionsteilentwurf vorgesehene Modifikation der Anfechtungsvorschriften erfolgt in technisch stringenter Vorgehensweise spiegelbildlich zu den Regeln der Primärzuordnung. Der angestrebte Gleichlauf von natür­ licher Zeugung und künstlicher Befruchtung mit Spendersamen wird auch in den Regeln über die Anfechtung weiter verfolgt: Die Rechtsstellung des biologischen Vaters wird durch eine Anpassung der Bedeutung der „sozialfamiliären Beziehung“ aufgewertet, hiervon profitiert auch der intendierte Elternteil. Der Anfechtungsausschluss bei Einwilligung in die heterologe Insemination (§ 1600 Abs. 4 BGB) bleibt im Wesentlichen unverändert bestehen. Die Klarstellung, dass auf ein Formerfordernis für die Einwilligungserklärungen verzichtet wird, ist indes zu bedauern. Wenig klar und durchsichtig soll das Anfechtungsrecht des Kindes bei heterologer künstlicher Befruchtung geregelt werden. Erst aus dem Zusammenspiel mit den Anfechtungsvoraussetzungen ergibt sich nämlich, dass das gezeugte Kind die Rechtsstellung des intendierten Vaters nicht mehr beseitigen kann, wenn die Voraussetzungen 371  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 16 (für Beibehaltung der Zweijahresfrist); DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10; a. A. BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 23, S. 48 (Jahresfrist); vgl. auch djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 11. Betont wird hingegen auch, dass die vorgeschlagene Regelung gleichzeitig für Stabilität sorge, Heiderhoff, FF 2020, 225 (231). 372  DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 16; vgl. auch DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10. 373  DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10; zu Vor- und Nachteilen kurzer bzw. langer Fristen siehe Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2630 f.).



F. Abstammungsklärung, § 1600g BGB-E345

zur Feststellung nach § 1598c BGB-E vorliegen. Insofern ist jedenfalls bei einer ärztlich assistierten Befruchtung auch das Anfechtungsrecht des Kindes entgegen des ausdrücklichen Wortlauts von § 1600b BGB-E ausgeschlossen. Zu Recht wird in diesem Punkt mehr Transparenz gefordert. Außerdem besteht die Gefahr, dass im Zuge der Neuregelung erhebliche Rechtsunsicherheit entsteht, wenn der Entwurf an Begriffe wie die „wichtigere“ Beziehung oder an positive Kenntnis anknüpft.

F. Abstammungsklärung, § 1600g BGB-E Der Diskussionsteilentwurf sieht ferner vor, den Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung sowie auf Duldung einer Probenentnahme und damit eine außergerichtliche Abstammungsklärung374 künftig in der neu zu schaffenden Vorschrift des § 1600g BGB-E zu regeln. Neben einer Änderung der Stellung im Kanon der abstammungsrechtlichen Vorschriften wird in erster Linie eine Erweiterung des Personenkreises der Klärungsberechtigten und Mitwirkungsverpflichteten vorgesehen375. Das Kind soll dem mutmaßlichen leiblichen Vater gegenüber einen Anspruch auf Duldung erhalten, d. h. gegenüber dem Mann, welcher der Mutter beigewohnt oder seinen Samen zur Zeugung des Kindes zur Verfügung gestellt hat (§ 1600g Abs. 1 Nr. 4 BGB-E). Dieser muss den Umständen nach als leiblicher Vater in Betracht kommen, um Klärungsbegehren ins Blaue hinein zu verhindern. Deshalb bedarf es eines substantiierten Vortrags durch das Kind, warum es sein Begehren gegen einen bestimmten Mann richtet376. Die Ausweitung des Klärungsanspruchs des Kindes auf den mutmaßlichen Vater schließt die Lücken des bestehenden Anspruchs aus § 1598a BGB, indem nunmehr die Klärung der Abstammung von Personen außerhalb der rechtlichen Familie ermöglicht werden soll. Durch diese Erweiterung wird das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gerade dann gestärkt, wenn nicht aufgrund von Auskunftsansprüchen aus dem SaRegG oder durch die Einsicht in Personenstandsregister bzw. Adoptionsunterlagen Hinweise auf die Identität des leiblichen Vaters erlangt werden können377. Für Volljährige soll ein Wahlrecht zwischen der außergerichtlichen Abstammungsklärung und der Feststellung des mutmaßlichen Vaters als rechtlichem Vater bestehen. Minderjährigen Kindern hingegen kommt nach dem Willen des Ent374  Vgl. dazu Kap. 4 C. I. 1. b), S. 232. Für Feststellung im gerichtlichen Verfahren, um praktische Durchsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu erhöhen, DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 17 f. 375  Ausführlich zur Neuregelung vgl. Keuter, FamRZ 2020, 75 ff. 376  Ähnlich Heiderhoff, FF 2020, 225 (235). 377  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 56.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

wurfs lediglich die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung zu, und zwar, wenn erstens die zweite rechtliche Elternstelle nicht besetzt ist und zweitens eine Feststellung des leiblichen Vaters gemäß §§ 1598a, 1598b BGB-E möglich wäre378. Der Klärungsanspruch soll insbesondere auch gegenüber dem von der Feststellung ausgeschlossenen offiziellen Samenspender bestehen, dessen Identität bereits über ein Auskunftsrecht nach dem SaRegG ermittelt werden kann; aus Kostengründen ist der Anspruch aus dem Register allerdings vorzugswürdig379. Spiegelbildlich zum Klärungsrecht des Kindes beabsichtigt der Entwurf die Einführung eines Anspruchs des mutmaßlichen leiblichen Vaters auf Einwilligung in eine Untersuchung und Duldung der Probenentnahme gegenüber Mutter und Kind (§ 1600g Abs. 1 Nr. 6 BGB-E). Dadurch wird der Umweg einer inzidenten Klärung der Vaterschaft im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens oder eines Verfahrens zur Erteilung eines Rechts auf Umgang mit dem Kind (§ 167a FamFG mit § 1686a BGB) obsolet380. Der mutmaßliche leibliche Vater muss – um die Integrität der Kindesfamilie nicht zu gefährden – an Eides statt versichern, der Mutter während der Empfängniszeit bei­ gewohnt zu haben. Von der Klärung sollen offizielle Spender bei ärztlicher Befruchtung, offizielle Spender bei privater Befruchtung sowie private Spender im Falle einer konsentierten Befruchtung im Sinne des geltenden § 1600 Abs. 4 BGB ausgeschlossen sein381. Letzteres ist allerdings problematisch, weil der Konsens nach § 1600 Abs. 4 BGB eine Übereinkunft zwischen den intendierten Eltern voraussetzt, ohne dass es auf eine Beteiligung des Spenders ankäme382. Weiterhin sieht der Entwurf einen Anspruch des Kindes auf Klärung der Abstammung gegen die Frau vor, die den Umständen nach als nur-genetische Mutter in Betracht kommt (§ 1600g Abs. 1 Nr. 5 BGB-E). Dieser Anspruch ist von jenem zu unterscheiden, der sich gegen die austragende Frau, die wegen § 1591 BGB stets rechtliche Mutter ist, richtet (§ 1600g Abs. 1 Nr. 3 BGB-E)383. Die Einführung eines statusneutralen Verfahrens zur Klärung der genetischen Abstammung nimmt offenbar Konturen an: Die Bundesregierung zeigt 378  Krit.

djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 12 f. Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 57; gegen Notwendigkeit angesichts des Auskunftsanspruchs des SaRegG DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 15. 380  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 58. 381  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 58. 382  Dazu siehe Kap. 4 B. VI. 1. b), S. 178 f. 383  Auf weitere Aspekte dieser Erweiterung soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher eingegangen werden. 379  BMJV,



G. Weiterer Reformbedarf347

sich – auch wenn Einzelheiten der Ausgestaltung derzeit unklar sein dürften – in ihrem Koalitionsvertrag für die Jahre 2021–2025 gewillt, ein entsprechendes Verfahren einzuführen, das keine Anfechtung der rechtlichen Elternschaft voraussetzt384.

G. Weiterer Reformbedarf Die zunehmenden Forderungen385 nach der Reform des geltenden Abstammungsrechts scheinen sich zu konkreter werdenden Reformbestrebungen zu verdichten386. Die Vorlage des Diskussionsteilentwurfs stellt als umfassendes Konzept einen wichtigen Meilenstein auf diesem Weg dar. Eine Vielzahl von Detailfragen bedarf aber noch einer näheren Befassung. Die Frage, ob dem Entwurf ein im Verhältnis zum geltenden Recht und in sich geschlossenes Gesamtkonzept gelungen ist, wird an der Konzeption der Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle nach Samenspende abschließend zu bemessen sein.

I. Die voluntativen Elemente im Rahmen von künstlichen heterologen Befruchtungen Der Diskussionsteilentwurf etabliert einen Gleichlauf von natürlicher Zeugung mit künstlicher heterologer Befruchtung. Begründet wird dieser Gedanke damit, dass der neben der Geburtsmutter einwilligende intendierte Elternteil durch seine Entscheidung für die Befruchtung maßgeblich an der Existenz des Kindes beteiligt sei und an dieser Verantwortung festgehalten werden müsse. Schon grundsätzlich sei zu erwarten, dass die einwilligende 384  „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 101, siehe https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/ 04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). 385  Siehe etwa den Aufruf von FamilienrechtlerInnen der Universität Göttingen zur Modernisierung des Abstammungsrechts vom 19.10.2021, Coester-Waltjen/Lipp/ Reuß et al., FamRZ 2021, 1790. 386  „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 101 ff. und S. 116, siehe https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974 430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf? download=1 (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). Jüngst auch „Queer leben“, Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (vom 18.11.2022), S. 4, siehe https://www.bmfsfj.de/resource/blob/205126/85 7cb513dde6ed0dca6759ab1283f95b/aktionsplan-queer-leben-data.pdf (zuletzt abgerufen am 28.11.2022).

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

Person eher zu auch rechtlicher Verantwortungsübernahme bereit sein werde als etwa der Samenspender387. Mit Blick auf die rechtlichen Konsequenzen mag der Versuch der Gleichsetzung dem Grunde nach seine Berechtigung haben. Es fehlt aber im Diskussionsteilentwurf eine eingehendere Betrachtung der einzelnen Elemente der jeweiligen Zeugungsart einschließlich ihrer Bedeutung als abstammungsrechtliche Anknüpfungspunkte. Bei einer natürlichen Zeugung spielt der Wille des genetischen Vaters weder für den Zeugungsakt noch für die spätere rechtliche Verantwortung in letzter Konsequenz eine Rolle. Allein auf Grundlage der genetischen Beziehung wird eine auf Lebenszeit angelegte und von jeder Willensänderung unabhängige Verbindung geschaffen, die letztlich sogar eine rechtliche Verbindlichkeit gegen den Willen des genetischen Vaters begründen kann (gerichtliche Feststellung, § 1592 Nr. 3 BGB), wenn nicht bereits kraft Ehe oder durch eine Anerkennung die rechtliche Beziehung etabliert wird. Im Rahmen einer künstlichen heterologen Befruchtung hingegen ist die Zeugung durch den Samen des Spenders, den dieser zur Verfügung zu stellen bereit ist, und daneben maßgeblich auf den Willen der intendierten Eltern zur Befruchtung zurückzuführen; dieser Wille muss anders als bei der natürlichen Befruchtung in jedem Fall zwingend vorliegen. Für die rechtliche Verantwortung dienen mangels leiblicher Elternschaft des intendierten zweiten Elternteils voluntative Elemente sogar ausschließlich als möglicher Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung. Anders als bei der natürlichen Befruchtung spielen somit voluntative Elemente bei der künstlichen Befruchtung auf zwei Ebenen, bei der Befruchtung und bei der rechtlichen Verantwortung, eine maßgebliche Rolle.

II. Standort im Kanon gesetzlicher Tatbestände des Statusrechts Hieran anschließend stellt sich die Frage, welchen gesetzlich geregelten statusrechtlichen Tatbeständen die Einwilligung situativ nahesteht mit der Möglichkeit, bestehende Wertungen zu übernehmen. Die Situation der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung ist im Ergebnis zwischen jener der (Vaterschafts-)Anerkennung und jener der Adoption anzusiedeln und vereint Elemente beider Institute auf sich. Mit 387  Vgl. BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 33; Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, BT-Drs. 18/11291, 35; BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 27.



G. Weiterer Reformbedarf349

beiden übereinstimmend ist die maßgebliche Bedeutung des voluntativen Elements für die Statusbegründung. Gleichzeitig unterscheidet sich die Einwilligung in die Befruchtung von beiden Instituten insoweit, als die Einwilligung nicht allein den Willen zur Verantwortungsübernahme ausdrückt, sondern bereits für die Entstehung des Kindes wesentlich ist. In diesem Punkt unterscheidet sich die Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung außerdem von der bewusst wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung388. Im Rahmen der Anerkennung bedarf es außerdem keiner konkreten Kindeswohlprüfung, wie sie etwa als Kernelement bei der Adoption (§ 1741 Abs. 1 S. 1 BGB) vorgesehen ist. Für die Zuordnung des zweiten intendierten Elternteils wird, soweit ersichtlich, ebenfalls keine konkrete Kindeswohlprüfung vorgeschlagen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt, dass das Abstammungsrecht das Kindeswohl nur abstrakt im Sinne einer typisierenden Betrachtung berücksichtigt389, auch konsequent. Eine neue Konzeption der Zuordnung rechtlicher Elternschaft nach Spendersamenbehandlungen muss sich auch an Wertungen des Adoptionsrecht messen lassen390. In Rechtsprechung und Literatur findet sich häufiger der Hinweis auf die Vergleichbarkeit mit der Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung391. Dies betrifft zum einen den Aspekt, dass die rechtliche Position des leiblichen Vaters, d. h. bei der Befruchtung die Position des Spenders, durch einen Verzicht gewahrt wird. Im Rahmen der Adoption bedarf es hierzu der notariell beurkundeten Einwilligung (§§ 1747, 1750 BGB). Liegen alle Voraussetzungen einschließlich der positiv ausfallenden Kindeswohlprüfung vor, wird die Adoption durch Beschluss des Familiengerichts ausgesprochen392. Die hiermit neu etablierte Statusbeziehung kann dann von den Beteiligten nicht wieder beseitigt werden. Im Rahmen der formalisierten Samenspende wird schon die Abgabe an eine Spendeeinrichtung als Verzicht auf die rechtliche Vaterposition gewertet393. Nach geltendem Recht kann allerdings die rechtliche Zuordnung zum intendierten Vater, sofern sie kraft Ehe oder Anerkennung erfolgt ist, durch das Kind, dessen Anfechtungsrecht nicht durch § 1600 Abs. 4 BGB ausgeschlossen ist, beseitigt werden. Lediglich der Samenspender darf im Anwendungsbereich des § 1600d Abs. 4 BGB nicht mehr als rechtlicher Vater festgestellt werden394. Der Diskussionsteil388  Vgl.

auch DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 14. Kap. 1 D. II. 8., S. 60. 390  Vgl. Dutta, JZ 2016, 845 (846). 391  BGH NJW 1995, 2028 (2029); Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 82 m. w. N. 392  Siehe Kap. 2 B. I., S. 81. 393  Siehe Kap. 4 B. VI. 3., S. 213 und Kap. 5 D. III. 1., S. 292. 394  Zur Kritik siehe Kap. 4 B. VI. 4., S. 216 ff. und Kap. 4 C. I. 2. i), S. 244. 389  Siehe

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

entwurf vermeidet mit der gerichtlichen Feststellung des einwilligenden Elternteils die Situation, dass das Kind dauerhaft ohne zweiten rechtlichen Elternteil auskommen muss395. In Fortschreibung der Ratio von § 1600d ­ Abs. 4 BGB kann ein Kind künftig die rechtliche Elternschaft des intendierten Elternteils nicht mehr anfechten, wenn dieser als rechtlicher Elternteil gerichtlich feststellbar wäre. Infolgedessen erlangt der Status des Kindes eine ähnlich hohe Verbindlichkeit wie im Rahmen der Adoption, ohne dass jedoch im Einzelfall eine Kindeswohlprüfung vorgenommen würde396. Der ausnahmslose Ausschluss des Spenders von der Feststellung sowie der ausnahmslose Ausschluss des Kindes von der Anfechtung sind mit Blick auf eine mögliche Degradierung beider zu Objekten innerhalb einer auf die Wünsche der intendierten Eltern ausgerichteten Kinderwunscherfüllung problematisch397.

III. Das Formerfordernis (§ 1598c BGB-E) 1. Formfreier Verzicht des Samenspenders Der Samenspender kann nach dem Diskussionsteilentwurf ohne Wahrung einer bestimmten Form auf seine Rechte als leiblicher Vater verzichten. Die Annahme eines bloß konkludenten Verzichts infolge der Spende an eine Samenbank steht in einem Missverhältnis zur rechtlichen Tragweite dieser Handlung, die dem Spender vorher deutlich vor Augen geführt werden müsste. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich entgegen einer landläufigen Annahme die Motive von offiziellen Samenspendern durchaus differenziert darstellen können398. Weil die betreffende Einrichtung mit dem Spender ohnehin eine sog. Spendevereinbarung schließt, stünde der Aufnahme eines ausdrücklichen Verzichts bei der offiziellen Spende schon aus praktischen Gründen nichts entgegen.

395  Wohl

aber noch für alleinstehende Frauen. Erarbeitung von Parallelwertungen zwischen Adoptionsrecht einerseits und der Eltern-Kind-Zuordnung nach Spendersamenbehandlungen siehe Schumann, in: Rosenau (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizingesetz (2012), S. 173–192; dies., MedR 2014, 736 (740–748). 397  Dazu noch Kap. 5 H., S. 367 ff. 398  Siehe Kap. 4 B. VI. 1. b), Fn. 351. 396  Ausführliche



G. Weiterer Reformbedarf351

2. Notarielles Beurkundungserfordernis bei ärztlich assistierter Samenspende Darüber hinaus fehlt eine Absicherung der Einwilligungserklärungen der intendierten Eltern und des Verzichts des Spenders durch eine notarielle Beurkundung. Wenn künftig an die Einwilligungserklärungen der intendierten Eltern nicht mehr allein ein Anfechtungsausschluss geknüpft werden soll, wie es nach geltender Rechtslage im Rahmen von § 1600 Abs. 4 BGB der Fall ist, sondern auf ihrer Grundlage eine rechtliche Statusbeziehung begründet werden kann, hätte angesichts der Formerfordernisse sowohl bei der Vaterschaftsanerkennung als auch bei der Adoption ein Gleichlauf mit diesen statusrechtlichen Instituten nahegelegen. Auch die Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung würde dann einer notariellen, mindestens aber einer öffentlichen Beurkundung bedürfen. Nur durch die Beurkundung wird sichergestellt, dass den Beteiligten umfassende rechtliche Beratung und Belehrung zuteilwird. Sie ist erforderlich, weil die Einwilligungen zum einen im Tatsächlichen zusammen mit der Verwendung des Samens zur Zeugung des Kindes beitragen, zum anderen weitreichende rechtliche und wirtschaftliche Rechtsfolgen herbeiführen, die jenen der Vaterschaftsanerkennung bzw. Adoption entsprechen oder sogar über sie hinausgehen (z. B. zusätzliche statusunabhängige Unterhaltsvereinbarung). Zu einer vergleichbaren Beratung sind Ärzte weder verpflichtet noch dem Grunde nach fähig. Sofern im Rahmen einer öffentlichen Beurkundung etwa auch das Jugendamt als Urkundsstelle im Betracht kommt, kann außerdem bezweifelt werden, ob die dortige Beratung jener des Notars entspricht, weil dieser als Rechtsexperte zur ständigen rechtlichen Weiterbildung verpflichtet ist. Insofern sollte eine notarielle Beurkundung als Formerfordernis forciert werden. Für sie spricht auch die Pflicht des Notars zur Identitätsprüfung der Beteiligten sowie die allgemeine Gewähr dafür, dass eine von rechtlichen Defiziten freie Erklärung beurkundet wird. Dies ist wünschenswert, wenn an die Einwilligung künftig der Kindesstatus geknüpft wird. Auch für den Verzicht des offiziellen Spenders empfiehlt sich eine notarielle Beurkundung, weil dieser als ausnahms­ loser Verzicht ausgestaltet werden soll (§ 1598c Abs. 1 BGB-E). Dies bedeutet einen markanten Einschnitt in sein Persönlichkeitsrecht, weil er zu keiner Zeit mehr in die rechtliche Vaterstellung einrücken kann. Um eine notarielle Beurkundung zu gewährleisten, gleichzeitig die Anforderungen aber so niederschwellig wie möglich zu halten, kommt in Betracht, zu Beginn des Spendezyklus einen notariell beurkundeten Verzicht vornehmen zu lassen und diesen bei jeder Spende vorzulegen. Dadurch könnte das Festhalten an der Spendebereitschaft im Einzelfall zum Ausdruck gebracht werden.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

3. Notarielles Beurkundungserfordernis bei privater Becherspende Die notarielle Beurkundung bietet die Möglichkeit, künftig auch die Position von Kindern aus privat durchgeführten Befruchtungen zu sichern399. Die organisatorische Sicherheit, die von einer ärztlich assistierten Befruchtung ausgeht, kann für die private Durchführung nämlich partiell ebenso durch eine notarielle Mitwirkung an den betreffenden Vereinbarungen erreicht werden. Im Grundsatz bestehen zwei Möglichkeiten, die ähnlichen Anforderungen unterliegen dürften. Die Beteiligten, d. h. das intendierte Elternpaar und der – in der Regel – privat ermittelte Samenspender400 könnten in einem gemeinsamen Termin vor dem Notar zusammenkommen401. Dies dürfte kaum auf praktische Schwierigkeiten stoßen, da die Eltern eine irgendwie geartete Beziehung zu dem Spender unterhalten, der ihnen jedenfalls persönlich bekannt ist. In diesem Termin würde eine umfassende Beratung und Belehrung der Eltern einerseits und des Spenders andererseits und sodann die Beurkundung der Einwilligungserklärungen und des Verzichts des Spenders erfolgen. Es wäre möglich, den Aufklärungs- und Dokumentationsumfang in Anlehnung an das SaRegG zu gestalten, ausdrücklich die Wahrung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung in die Vereinbarung aufzunehmen und sogar einen vertraglichen Auskunftsanspruch zu normieren, wie er im SaRegG gesetzlich geregelt ist402. Dieser Vorgehensweise käme zugute, dass im Notartermin die Identität aller Beteiligten, d. h. auch des privaten Spenders, festgestellt würde. Außerdem sind Notare zur Aufbewahrung ihrer Urkunden für die Dauer von 100 Jahren verpflichtet. Der besondere Vorteil der notariellen Aufbewahrungspflicht bestünde darin, dass sie sich nicht allein auf personenbezogene Daten und den Vermerk über die Aufklärung über das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung bezöge, sondern auf sämtliche Abreden, die im Rahmen der notariellen Vereinbarung getroffen würden, d. h. einschließlich der Erklärungen des zweiten intendierten Elternteils. Für eine Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch das Kind bedürfte es allerdings weiterhin einer Information über die Art seiner Entste399  Vgl. auch Bongartz, NZFam 2016, 865 (866). Explizit dafür siehe allein djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 5; DV, Stellungnahme zum Diskus­ sionsteilentwurf, S. 11. 400  Freundes- oder Bekanntenkreis, Internetbekanntschaft. 401  Vgl. Dethloff, Abstammung und Verantwortung (2017), S. 11: „Elternschaftsvereinbarung“; vgl. auch LSVD, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 10. Dagegen Pauli, NZFam 2016, 57 (60). 402  Raude, RNotZ 2019, 451 (459).



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hung durch die Eltern403 und außerdem eines Hinweises darauf, durch welchen Notar die betreffenden Informationen im Rahmen der Urkundenaufbewahrungspflicht verwaltet werden. Insofern kommt alternativ in Betracht, eine Regelung zu schaffen, kraft derer der Notar zur Übermittlung jedenfalls der ihrer Art nach im Samenspenderregister erfassten Daten verpflichtet wird. Dies würde zumindest die Information über den beurkundenden Notar im Nachhinein überflüssig machen. Beiden Vorschlägen wohnt im Verhältnis zur ärztlich assistierten künstlichen Befruchtung die Gefahr inne, dass letztlich nicht ohne entsprechendes Abstammungsgutachten verifiziert werden könnte, ob das Kind tatsächlich durch den Samen des als Spender vorgestellten Mannes gezeugt wurde oder ob nicht später ein anderer Mann genetischer Vater des Kindes ist, obwohl der vermeintliche Spender mit seinen Angaben im Spenderregister oder im Rahmen des Verzichts beim Notar geführt wird. Tatsächlich bleibt jedoch selbst bei der ärztlich assistierten Befruchtung ein Restrisiko darüber, dass nicht der Spender, sondern ein Dritter Vater des Kindes würde, wenn die assistierte Befruchtung fehlschlägt und, noch bevor dies festgestellt wird, auf natürliche Weise ein Kind gezeugt wird404. In jedem Fall müssten Vorkehrungen getroffen werden, die eine Information an den Notar bzw. das SaRegG über die Geburt eines Kindes gewährleisten. 4. Zwischenfazit und Ausblick Dass die Aufnahme der privat durchgeführten Samenspende die „Büchse der Pandora“405 öffnet, d. h. weitere Abgrenzungsprobleme etwa zum konsentierten Seitensprung schafft, ist nicht von der Hand zu weisen. Jedoch bietet allein der Verzicht des Spenders, der durch eine notarielle Beurkundung in bestmöglicher Weise abgesichert würde, die Chance für eine Differenzierung der verschiedenen denkbaren Konstellationen der Kinderwunsch­ erfüllung durch einen Spender. Erst durch den Verzicht und im Moment seiner wirksamen Abgabe kommt überhaupt mit hinreichender Sicherheit zum Ausdruck, dass der Spender kein Vater wie jeder andere sein möchte. Dies 403  Zu diesem Zweck für einen entsprechenden Vermerk im Geburtenregister und eine Anspruchsgrundlage hinsichtlich der elterlichen Auskunftserteilung im SaRegG Köppen, Samenspende und Register (2020), S. 251–257; für eine Pflicht der Eltern zur Auskunft ebenso Straub, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (2019), S. 122–124. Zur Problematik insgesamt auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 21 ff. 404  Oder wenn beispielsweise wie in einem in den Niederlanden bekannt gewordenen Fall statt des Samens des Spenders jener des Gynäkologen verwendet wird, siehe Meldung der Frankfurter Allgemeine vom 8.2.2022 (zuletzt abgerufen am 22.11.2022). 405  Siehe Kap. 4 B. VI. 5. a), Fn. 436.

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legitimiert seine Entlassung aus der Elternstellung. Die bis dato angenommene typisierende Betrachtung (Spende an eine Samenbank) kann diese weitreichende Entscheidung nicht tragen. Sofern der Gesetzgeber zur weiteren Öffnung des Abstammungsrechts für neue Konstellationen gewillt ist, könnte ein ausdrücklicher, notariell beurkundeter Verzicht auch in Fällen eines konsentierten Seitensprungs Rechtssicherheit für die Beteiligten schaffen. Überhaupt würde eine stärkere Fokussierung auf die im Zusammenhang mit der künstlichen heterologen Befruchtung abgegebenen Erklärungen der intendierten Eltern und des Spenders im Abstammungsrecht406 ein gewisses Maß an Flexibilität für die Zukunft schaffen. Das Gebiet der Reproduktionsmedizin ist dem Abstammungsrecht in rein tatsächlicher Hinsicht schon heute weit voraus. Während der Gesetzgeber aktuell darum bemüht ist, die Samenspende im Abstammungsrecht abzubilden, verliert diese aufgrund technisch neuer Möglichkeiten oder anderer Angebote zur Kinderwunscherfüllung im Ausland, etwa der Leihmutterschaft oder einer Haploidisierung407, bereits zusehends an Bedeutung. Perspektivisch wird sich der Gesetzgeber somit in zahlreichen weiteren Fällen um eine Anpassung des Abstammungsrechts Gedanken machen müssen. Kommt er zu dem Ergebnis, auch unter anderen Umständen bei teilweise fehlender genetischer Abstammung einen Tausch der (rechtlichen) Elternpositionen zuzulassen, könnte heute eine stärkere Betonung und Absicherung voluntativer Elemente für die Zukunft ermöglichen, das Abstammungsrecht schneller und ohne den Reformaufwand des Diskussionsteilentwurfs neuen Entwicklungen anzupassen.

IV. Rechtliche Zuordnung zum Kind 1. Mögliche Konzepte Um eine rechtliche Beziehung zwischen dem einwilligenden zweiten Elternteil und dem künstlich gezeugten Kind zu etablieren, kommen im Wesentlichen zwei Modelle in Betracht. Dabei handelt es sich zum einen um die sog. präkonzeptionelle Anerkennung (Anerkennungslösung408), welche aus dem Bedürfnis der möglichst frühzeitigen Rechtssicherheit heraus zum Teil schon heute in der notariellen Gestaltung bemüht wird409. Zum anderen 406  Für eine Betonung der betreffenden Erklärungen auch BIG Regenbogenfamilien, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 2. 407  Unter der Vereinigung von Körperzellen mit Keimzellen besteht für gleichgeschlechtliche Paare die Option der echten leiblichen Elternschaft, vgl. Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 79. 408  Näher dazu Kap. 4 B. II., S. 144 ff. 409  Siehe Kap. 4 B. II., S. 144 ff.



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ist denkbar, den einwilligenden Elternteil gerichtlich als rechtlichen Elternteil feststellen zu lassen (Feststellungslösung), wodurch eine Parallele zur geltenden Rechtslage für den leiblichen Vater (§ 1600d BGB) geschaffen würde; für diese Lösung hat sich der Diskussionsteilentwurf entschieden (§§ 1592 Nr. 3, 1598c Abs. 2 BGB-E)410. 2. Tragfähigkeit der Lösungen a) Die Feststellungslösung Um einen Gleichlauf der künstlichen heterologen Befruchtung mit der natürlichen Zeugung zu erreichen, sieht der Diskussionsteilentwurf vor, dass der einwilligende Elternteil wie auch der genetische Vater eines Kindes gerichtlich als rechtlicher Elternteil festgestellt werden kann (§ 1592 Nr. 3 BGB; § 1592 Nr. 3 BGB-E)411. Vorrangig ist in beiden Fällen die Elternschaft kraft Ehe und Anerkennung (§ 1600d Abs. 1 BGB; § 1598a Abs. 1 BGB-E). Nur eine solche Lösung kann nach der Entwurfsbegründung Änderungen in der Beziehung der Wunscheltern berücksichtigen. Wenn die Mutter vor der Geburt eine bis dato unbeteiligte Person heiratet oder die Beziehung zum intendierten Vater vor der Geburt endet und eine unbeteiligte Person die Elternschaft anerkennen möchte, kann dem im Rahmen der Feststellungslösung Rechnung getragen werden412. Umgekehrt kann es passieren, dass die noch verheiratete Frau beschließt, mit einem neuen Partner eine künstliche heterologe Befruchtung durchzuführen mit der Folge, dass wegen des Bestehens der Ehe stets der Ehemann auch der rechtliche Vater des Kindes wird413. Will der intendierte Vater auch in solchen Konstellationen rechtlicher Vater sein, so kann er dies entweder im Rahmen einer Dreiererklärung vor oder nach der Geburt im Einvernehmen mit den anderen Erwachsenen realisieren (§ 1599 Abs. 2  BGB-E)414. Der intendierte Elternteil hätte aber auch die Option, die rechtliche Elternschaft des Ehemannes nach der Geburt durch Anfechtung zu beseitigen, um selbst als rechtlicher Elternteil festgestellt werden zu können (§ 1600a Abs. 1 Nr. 2 BGB-E). Diese Feststellungslösung ist somit darauf ausgelegt, geänderten Umständen nachträglich Rechnung 410  Näher dazu Kap. 5 D. I., S. 290. Für ein allein auf genetischer Abstammung basierendes Abstammungsrecht und die Lösung anderer Fälle von Elternschaft über das Adoptionsrecht IG-JMV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf; vgl. auch Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 4–6. 411  Das entspricht der Lösung in Österreich. Für diese Lösung auch Löhnig/RungeRanow, FamRZ 2018, 10 ff.; Löhnig/Runge-Ranow, NJW 2015, 3757 ff. 412  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 39, S. 60. 413  Bongartz, NZFam 2016, 865 (867). 414  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 39, S. 60.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

tragen zu können, indem andere Zuordnungstatbestände vorrangig zur Anwendung kommen. Durch die Feststellungslösung würde gleichzeitig das Abstammungsprinzip415 erheblich eingeschränkt, weil dieses de lege lata in der Möglichkeit der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung auf Grundlage von genetischen Abstammungsgutachten am Deutlichsten zum Tragen kommt. Verschärft wird die Einschränkung durch den Umstand, dass künftig auch die intendierte Mit-Mutter gerichtlich festgestellt werden kann (§ 1592 Abs. 2 Nr. 3 BGB-E), obwohl sie – jedenfalls bei in Deutschland legalem Vorgehen – nicht als genetische Mutter in Betracht kommt. Weiterhin muss beachtet werden, dass nach geltendem Recht die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung ermöglicht, auch gegen den Willen des leiblichen Vaters eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung zu etablieren. Die genetische Beziehung schafft eine auf Lebenszeit angelegte Verbindung, die jede Änderung des Willens zur Verantwortungsübernahme irrelevant werden lässt. In Spendersamenkonstellationen würde das Gericht feststellen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der Wille zur Vornahme der Befruchtung und zur Verantwortungsübernahme vorgelegen hat. Grundsätzlich sind zwei Situationen denkbar, in der es tatsächlich zu einem Betreiben des gerichtlichen Feststellungsverfahrens für den intendierten Elternteil kommen könnte: Die einwilligende Person kann pränatal oder nach der Geburt die Elternschaft für das Kind anerkennen wollen, die Mutter aber ihre Zustimmung hierzu entgegen früherer Absprachen verweigern. Weiterhin ist denkbar, dass die einwilligende Person nach der Geburt des Kindes kein Interesse mehr daran hat, in die rechtliche Elternstellung einzutreten. Diesem Fall ist eine Willensänderung immanent. Eine Feststellung des intendierten Vaters gegen seinen Willen bedeutete mangels genetischer Verwandtschaft eine rechtliche ElternKind-Beziehung, die eine bloße Hülle wäre. Die finanzielle Absicherung könnte in bestimmtem Umfang bereits durch die bloße Abgabe der Einwilligung und durch das gesetzliche Erbrecht gedeckt werden. Es stellt sich deshalb die Frage, inwiefern ein solcher intendierter Elternteil hinsichtlich seiner Verantwortungsbereitschaft überhaupt von einem klassischen Samenspender zu unterscheiden wäre416. Dieser Umstand legt offen, dass die Besetzung der zweiten rechtlichen Elternstelle maßgeblich Erwachseneninteressen berücksichtigt. Im Übrigen wird hier aber auch deutlich, wie dünn die Argumentation dafür ist, dass der Samenspender als biologischer Vater endgültig und ausnahmslos aus der Verantwortung entlassen werden soll, während ein anderer Mann allein wegen seines Willens auf Dauer verpflichtet werden 415  Siehe

Kap. 1 D. II. 3., S. 52. FamRZ 1994, 65 (68): höhere Akzeptanz seitens der Beteiligten bei Statusbegründung durch Erklärungen; auch Spickhoff, ZfPW 2017, 257 (279). 416  Mutschler,



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soll. Wenn der Entwurf davon ausgeht, dass die Einwilligung der Eltern zusammen mit dem Verzicht des Spenders zur Zeugung des Kindes führt, so übersieht er, dass das Kind gerade auch durch den Samen des Spenders gezeugt wird, die Willensentscheidungen der intendierten Eltern allein niemals ausreichend wären417. b) Die Anerkennungslösung Demgegenüber könnte durch die gesetzliche Möglichkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung der Elternschaft im Interesse aller Beteiligten zu einem frühen Zeitpunkt Rechtssicherheit geschaffen werden. Die Anerkennung könnte zwar als separate Erklärung, aber dennoch (uno actu) in einem Termin zusammen mit der Einwilligung vor dem Notar erklärt werden418. Die vorgebrachten Bedenken gegen eine präkonzeptionelle Anerkennung419 beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass ein hinreichender Bezugspunkt fehle. Dem kann und sollte dadurch abgeholfen werden, dass schon im Rahmen der Einwilligung eine Konkretisierung erfolgt etwa hinsichtlich der Benennung der Befruchtungseinrichtung/des behandelnden Arztes, der konkret durchzuführenden Maßnahme sowie der Termine/der Behandlungsdauer. Weil die Anerkennung ohnehin erst mit der Geburt des Kindes wirksam würde, entstünde vor der Zeugung durch sie kein Zustand von Rechtsunsicherheit. Für diese Lösung spricht auch, dass der Entwurf selbst mit präkonzeptionellen Willenserklärungen arbeitet, und zwar den präkonzeptionellen Verzichten von offiziellem und privatem Samenspender (§ 1598c Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB-E)420. Wenn dies nicht ebenfalls unter den genannten Gesichtspunkten kritisiert wird, erfolgt ein Messen mit zweierlei Maß. Gegen die Anerkennungslösung spricht nicht von vornherein der Umstand, dass im Zusammenhang mit einer Anerkennung Angaben im Vorfeld der Zeugung an das für die Beteiligten zuständige Standesamt übermittelt werden müssen und damit ggf. die Art der Zeugung gegenüber dem Standesamt offengelegt würde421. Würde die Anerkennung Teil einer Beurkundung über 417  Spickhoff, in: FS Schwab (2005), 923 (925); daher mit der Anregung, in diesen Fällen die zweite Elternposition unbesetzt zu lassen, Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2633); vgl. auch Familienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7. 418  Vgl. Dethloff, Abstammung und Verantwortung (2017), S. 6. 419  Siehe Kap. 4 B. II. 2., S. 145. 420  Für diesbezügliche Klarstellung djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 6. 421  BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017), These 39, S. 59 f. Wird die Erklärung vor der Geburt des Kindes abgegeben und steht das für die Übermittlung zuständige Standesamt noch nicht fest, wird die Übermittlung der Abschrift an das Standes-

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

eine künstliche Befruchtung, dürfte dem Standesamt aus Gründen der Verschwiegenheit nur ein Auszug übermittelt werden. Zudem ist zu beachten, dass die Geburtenbücher im Falle einer Adoption Randvermerke oder Fuß­ noten mit dem Hinweis auf weitere Daten führen. Auch für die künstliche heterologe Befruchtung wäre dies eine Option, freilich ohne die Spender­ identität in den Vermerken und Fußnoten anzugeben, um das Recht auf Nichtwissen zu wahren422. Es ist auch nicht ersichtlich, warum zwischen Adoption und künstlicher Befruchtung Unterschiede in der Geheimhaltung gegenüber dem Standesamt gemacht werden sollen, wenn dieses ohnehin Verschwiegenheitspflichten unterliegt. Eine derartige Lösung würde auch Gelegenheit dazu bieten, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung und damit die Interessen des Kindes ernst zu nehmen423. Selbst unter Geltung des SaRegG ist der dort formulierte Auskunftsanspruch des Kindes (§ 10 SaRegG) im Kern wenig hilfreich, wenn die Information über die Umstände der Zeugung nach wie vor allein von einer Aufklärung durch die intendierten Eltern abhängt424. c) Die Mehrelternschaft Ein weiterer denkbarer Ansatz zur Absicherung des Kindesstatus nach künstlicher heterologer Befruchtung besteht in der sog. Pluralisierung von Elternschaft. Mehrelternschaft kommt für den nur biologischen Vater neben dem rechtlichen Vater, im Falle von Stiefeltern und für gleichgeschlechtliche Frauen, die unter Rückgriff auf einen Samenspender ein Kind zeugen möchten, in Betracht. Die Aufteilung von elterlicher Verantwortung wird heute außerdem gerade in Konstellationen, in denen sich ein gleichgeschlechtliches Frauenpaar zusammen mit einem gleichgeschlechtlichen Männerpaar für die Zeugung und gemeinsame Erziehung eines Kindes entscheidet, bereits vielfach gelebt425. amt empfohlen, welches für die Mutter zuständig ist. Ist für das Kind später abweichend ein anderes Standesamt zuständig, sollte der Notar nach Abfrage der Information über die Geburt an dieses eine weitere Abschrift übermitteln, siehe Wilms, RNotZ 2012, 141 (153). 422  So Vorschlag BT-Drs. 18/7655, 4 [aber: Beurkundung beim Jugendamt], der allerdings abgelehnt wurde, Plenarprotokolle, 18. Wahlperiode, 234. Sitzung, S. 23761. 423  BT-Drs. 18/7655, 4: Motivation der Eltern, die Kinder über ihre Herkunft aufzuklären. 424  Diesen Umstand kritisiert auch Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme zum SaRegG, S. 3; vgl. außerdem Zypries/Zeeb, ZRP 2014, 54 (55). 425  Grziwotz, notar 2018, 163 (164); Queer Families, d.  h. Mehrelternfamilien, hier im Einzelnen sog. Kleeblattfamilie (Vier-Eltern-Familie), vgl. Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S. 13, Fn. 5 m. w. N.



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Rechtsdogmatisch können dabei zwei Ansätze unterschieden werden: Zum einen kann eine Pluralisierung von Elternschaft dadurch erreicht werden, dass einem nicht-rechtlichen Elternteil gesetzlich einzelne Rechte zugebilligt werden. Eine solche Übertragung von Teilrechten auf nicht-rechtliche Elternteile existiert schon de lege lata etwa für das Umgangsrechts des Kindes mit bestimmten Bezugspersonen (§ 1685 BGB) oder mit dem leiblichen Vater (§ 1686a BGB)426, für sorgerechtliche Befugnisse des Ehegatten (§ 1687b BGB) und für elterliche Befugnisse des Lebenspartners (§ 9 Abs. 1–4 LPartG). Zum anderen kommt eine Anpassung der abstammungsrechtlichen Vorschriften derart in Betracht, dass dem Kind schon mehr als zwei rechtliche Elternteile zugeordnet werden427. Hierzu werden im Einzelnen unterschiedliche rechtstechnische Wege zur Umsetzung aufgezeigt428. Allerdings würde die Öffnung des Abstammungsrechts für eine rechtliche Mehrelternschaft das Problem nicht lösen. Denn sie würde die Festlegung des Verhältnisses der einzelnen rechtlichen Elternschaftspositionen sowie die Festlegung einzelner Rechte und Pflichten auf den Gebieten des Umgangs-, Sorge-, Unterhaltsund Erbrechts erforderlich machen. Das birgt eine enorme Aufgabe. Die Problematik um die Frage, welchem Beteiligten im Einzelnen welche Verantwortung zuteilwerden soll, könnte lediglich verlagert werden und bedürfte vom Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums einer Entscheidung429. Aus diesem Grund hält der Diskussionsteilentwurf ausdrücklich am Zwei-Eltern-Prinzip fest und liegt damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BVerfG430. Die Bundesregierung hat der rechtlichen Mehreltern426  Der BGH bejaht in einer jüngeren Entscheidung das Umgangsrecht des privaten Spenders gemäß § 1686a BGB nach Adoption eines durch seinen Samen gezeugten Kindes durch die Partnerin der rechtlichen Mutter, vgl. BGHZ 230, 174. 427  Beispiele für diese Variante liefern Rechtsordnungen anderer Staaten, z. B. British Columbia (Kanada): Family Law Act, SBC 2011, c. 25, S. 30 (2), (1); Kalifornien: Family Code SB 274, c. 564, S. 1 (b); bis 2005 auch in Frankreich: Art. 311-12 Cc. 428  Vgl. etwa Plettenberg, Mehrelternschaft (2016), S. 84  ff., 92 ff., insb. 108: § 1600d BGB als Anknüpfungspunkt, wobei die Zuordnung zu zwei rechtlichen Vätern von einer konkreten Kindeswohlprüfung abhängig sein soll; Schröder, Rechtliche Vaterschaft (2015), S. 273: sekundäre Vaterschaft für den leiblichen Vater in § 1592a BGB-E („Reservevaterschaft“); Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2632 mit 2634): abstammungsrechtliche kumulative Elternschaft oder sukzessive Vaterschaft; siehe i. E. für Mehrelternschaft auch Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern (2015), S.  279 ff.; Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S.  51 ff.; Löhnig, NZFam 2017, 141 ff.; LSVD, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 9. 429  Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 340 mit 452; Sanders, NJW 2015, 543. 430  BMJV, Diskussionsteilentwurf AbstR (2019), S. 2; siehe dazu Kap. 1 D. II. 2., S. 51. Zum EGMR und Mehrelternschaft siehe Sanders, NJW 2017, 925. Durch das Nicht-Vorsehen einer rechtlichen Mehrelternschaft dürfte sich der Gesetzgeber

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schaft mittlerweile eine Absage erteilt, indem sie in ihrem Koalitionsvertrag die Ausweitung des sog. kleinen Sorgerechts gemäß § 1687b BGB ankündigt und hiermit verdeutlicht, auf Ebene des Abstammungsrechts am Grundsatz zweier rechtlicher Elternteile festhalten zu wollen431. Darüber hinaus sind Modelle pluraler Elternschaft hauptsächlich mit Blick auf Fälle entwickelt worden, in welchen die rechtliche Vaterposition mit jener des biologischen Vaters konkurriert432. Bei der offiziellen Samenspende hingegen geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, der Spender habe an der Übernahme von Verantwortung schon grundsätzlich kein Interesse. Mehrelternschaft hätte damit ohnehin nur in den bislang nicht adressierten Fällen der privat durchgeführten Samenspende, in denen die Rolle des Samenspenders nicht ohne weiteres objektiv festgelegt ist, einen Anwendungsbereich433. Allerdings sind auch in diesen Fällen Streitigkeiten unter den Erwachsenen zu erwarten434, die einzelne Rollen im Leben des Kindes betreffen, sodass eine Mehrelternschaft zur Lösung der um die Samenspende bestehenden rechtlichen Fragen letztlich nicht beiträgt435. Diese Absicht wird durch den am 18.11.2022 durch das Bundeskabinett beschlossenen Aktionsplan „Queer leben“ wiederholt436. Ein Blick in die medizinische Wissenschaft lässt außerdem erahnen, vor welche weitreichenden Fragen Rechtspolitik und Abstammungsrecht künftig außerdem innerhalb des ihm zugestandenen Ausgestaltungsspielraumes bewegen, vgl. Schumann, in: Beier/Brügge/Thorn/Wiesemann (Hrsg.), Assistierte Reproduktion (2020), 69 (80). 431  „Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 101, siehe https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/ 04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 (zuletzt abgerufen am 28.11.2022). 432  Siehe Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern (2015); Plettenberg, Mehrelternschaft (2016); Schröder, Rechtliche Vaterschaft (2015). 433  Helms, in: Verhandlungen des 71. DJT (2016), F 27 mit 99: Privater Spender als subsidiärer Vater; daran anknüpfend Vorschlag Heiderhoff, NJW 2016, 2629 (2633 f.): Privater Spender zunächst nur subsidiär rechtlicher Vater, sobald er aber festgestellt ist, kumulative Vaterschaft neben rechtlichem Vater. 434  BGHZ 230, 174 (Umgangsrecht des privaten Spenders nach Adoption) und OLG Stuttgart NJW 2022, 2050 (Feststellung des privaten Spenders gegen den Willen der mit der Mutter verheirateten Frau) belegen den Umstand, dass Konflikte um Rollen bei der privaten Samenspende zunehmend die Gerichte beschäftigen. 435  I. E. auch Helms, in: FS Prütting (2018), S. 41 (49 f.). Vgl. auch Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901 (1904 f. mit 1907 f.); a. A. Heiderhoff, FF 2020, 225 (236). 436  „Queer leben“, Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (vom 18.11.2022), S. 4, siehe https://www. bmfsfj.de/resource/blob/205126/857cb513dde6ed0dca6759ab1283f95b/aktionsplanqueer-leben-data.pdf (zuletzt abgerufen am 28.11.2022).



G. Weiterer Reformbedarf361

noch gestellt werden könnten. Es existieren bereits heute Verfahren, durch welche beliebige Körperzellen in sog. induzierte pluripotente Stammzellen umgewandelt werden können, welche sich wiederum zu beliebig differenzierten Zellen, etwa Eizellen oder Samenzellen, entwickeln437. Während für die Entwicklung zur Eizelle vor Jahren noch die Einführung in den Körper einer Maus nötig war, erreichten Forscher aus Japan dieses Ergebnis jüngst auch unter Laborbedingungen438. Damit wäre – rein hypothetisch – sogar die Zeugung eines Kindes möglich, das genetisch von nur einer Person abstammt439. Hinzu kommt, dass im Jahr 2016 ein Kind geboren wurde, das mit der Eizelle zweier Frauen und dem Samen eines Mannes gezeugt worden war440. Die Möglichkeit, dass eine Person mehr als zwei genetische Eltern hat, ergibt sich daraus, dass nicht nur ganze Keimzellen, sondern auch ihre einzelnen Bestandteile gespendet und damit verschiedentlich kombiniert werden können441. Die abstammungsrechtlichen Folgefragen sind kaum absehbar. 3. Bedeutung notarieller Beurkundung im Abstammungsrecht a) Relevanz voluntativer Elemente im Diskussionsteilentwurf Dort, wo im Abstammungsrecht voluntative Elemente enthalten sind, ist stets auf die Gefahr hingewiesen worden, der Status könnte zum Nachteil des Rechtsverkehrs und der Beteiligten, insbesondere des Kindes, disponibel sein442. Disponibilität hingegen widerspreche dem auf Beständigkeit ausgerichteten Abstammungsrecht. Möglicherweise entspricht die Feststellungs­ lösung auch deshalb im Grunde der Lösung der Adoption443: Grundlage der Statuszuordnung ist zwar ein voluntatives Element, die rechtliche ElternKind-Zuordnung soll allerdings erst wirksam werden infolge eines gericht­ lichen Beschlusses. Diese Ausrichtung des Diskussionsteilentwurfs erstaunt aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass er an verschiedenen Stellen eine Stärkung volunZRP 2010, 201 (204); vgl. auch Machado, MedR 2020, 263. Hikabe/Hamazaki/Nobuhiko u. a., Nature 2016, Vol. 539, S. 299; zum Potential von Somazellen Halàzs, Recht auf bio-materielle Selbstbestimmung (2004), S. 45. 439  Ob sich die Zeugung tatsächlich vollzieht und/oder das Kind lebensfähig ist, erscheint aber zweifelhaft. 440  Zur Problematik von „Drei-Eltern-Babys“ siehe Klopstock, ZRP 2017, 165. 441  Sanders, Mehrelternschaft (2018), S. 273 f. 442  Siehe Kap. 2 B. II. 2., S. 89 und III. 2., S. 93. 443  Von der Vertrags- zur Dekretlösung, siehe unter Kap. 2 B. I., S. 81. 437  Kreß,

438  Siehe

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

tativer Elemente im Abstammungsrecht vorsieht, ohne dass es eines gerichtlichen Beschlusses bedürfte. Am Deutlichsten wird dies wohl im Rahmen der geplanten Ausweitung des scheidungsakzessorischen Statuswechsels (§ 1599 Abs. 2 BGB-E), der eine beinahe beliebige Verfügung über die zweite rechtliche Elternstelle neben der Mutter möglich machen wird, ohne dass es auf ein Scheidungsverfahren und damit eine gerichtliche Beteiligung ankäme444. Offenbar hat der Entwurf hier keine Bedenken hinsichtlich einer Dispositionsmöglichkeit. Eine Stärkung voluntativer Elemente läge darin, dass eine Elternschaftsanfechtung nach bewusst falscher Anerkennung nicht mehr möglich sein soll (§ 1600c BGB-E). Die Anerkennung würde dann die Bindungswirkung entfalten, die de lege lata von der gerichtlichen Feststellung ausgeht. Umgekehrt ist eine Stärkung voluntativer Elemente im Rahmen der Mutterschaft nach § 1591 BGB nicht angestrebt: Für Fälle der Leihmutterschaft soll es weder auf Erklärungen ankommen, noch soll genetische Verwandtschaft eine Rolle spielen. Stattdessen wird der Erkennbarkeit der leiblichen Mutterschaft ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Der Entwurf geht somit beliebig mit der Verwendung voluntativer Elemente um. Gleichzeitig muss beachtet werden, dass die genetische Abstammung in den letzten Jahren rein faktisch dadurch immer mehr Bedeutung gewonnen hat, dass sie mittlerweile zweifelsfrei festgestellt werden kann und außereheliche Geburten, Patchworkfamilien und der Einsatz reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zugenommen haben445. Genau dieser Umstand könnte die voluntativen Elemente ganz entbehrlich machen. Es sind somit im Rechtlichen und Tatsächlichen Tendenzen zu erkennen, die sich grundsätzlich widersprechen. b) Die Rolle des Notars im gerichtlichen Verfahren Selbst wenn man die Feststellungslösung für vorzugswürdig hielte, erstaunt es dennoch, dass nach den Vorstellungen des Entwurfs eine gerichtliche Feststellung auf äußerst unsicherer Grundlage möglich sein soll. Während im Rahmen der Adoption der gerichtliche Beschluss auf notariell beurkundeten Erklärungen basiert (§ 1750 Abs. 1 S. 2 BGB), ist für die Einwilligungen in die Befruchtung bzw. den ausdrücklichen Verzicht des privaten Spenders lediglich die Schriftform vorgesehen (§ 1598c Abs. 3 S. 1 BGB-E). Eine notarielle Beurkundung ist aus Gründen des Schutzes der Beteiligten aber unverzichtbar. Gleichzeitig könnte sie auch zu einer erheblichen Entlastung der Gerichte beitragen, wenn diese die rechtliche Elternschaft auf Grundlage einer rechtlich einwandfreien Erklärung feststellen könnten. Daher kommt dem Erfordernis der notariellen Beurkundung auch im Rahmen 444  Näher

Kap. 5 C., S. 286 ff.

445  MünchKommBGB/Wellenhofer,

Vor §§ 1591 ff. BGB Rn. 23.



G. Weiterer Reformbedarf363

der Feststellungslösung des Diskussionsteilentwurfs eine große Bedeutung zu. c) Die Besonderheiten des gerichtlichen Feststellungsverfahrens Wenn die notarielle Beurkundung für beide Konzepte von Relevanz ist, stellt sich abschließend die Frage, welcher Mehrwert der Absicherung der rechtlichen Zuordnung durch einen gerichtlichen Beschluss überhaupt zukommt und welche verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten sich möglicherweise ergeben. Die Feststellung auf Grundlage der Einwilligung des intendierten zweiten Elternteils erinnert im Wesentlichen an die Adoptionslösung. Die Gründe, die für eine gerichtliche Mitwirkung im Rahmen der Adoption gesprochen haben, greifen hingegen im Rahmen der Zuordnung des einwilligenden Elternteils nicht: Es ist weder eine konkrete Kindeswohlprüfung durch das Gericht vorgesehen, noch steht der Fürsorgegedanke des Staates im Mittelpunkt. Darüber hinaus geht es auch nicht um die Absicherung der Mitwirkung des Kindes an einer Vereinbarung – das Kind ist noch nicht gezeugt. Auch die Gefahr der Unwirksamkeit der Einwilligungserklärungen durch die Anwendung der Bestimmungen des Allgemeinen Teils ist niedrig anzusiedeln, da ohnehin Modifikationen vorzunehmen wären446. Zum Schutz des Kindes sowie aus Gründen der Rechtssicherheit existieren im Rahmen der Adoption aber rechtliche Vorgaben, die Schwebezustände bzw. eine Auflösung der Annahme weitestgehend verhindern sollen. Das Annahmeverhältnis kann z. B. nur bei Vorliegen erheblicher materiell-rechtlicher Mängel aufgehoben werden (§§ 1759 ff., 1171, 1772 Abs. 2 BGB). Auch auf verfahrensrechtlicher Ebene gilt ein besonders hoher Bestandsschutz: Der Annahmebeschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 3 S. 1 FamFG), wodurch Wirksamkeit und formelle Rechtskraft gleichzeitig eintreten. Willensmängel und Verfahrensfehler werden durch den Beschluss geheilt447. Außerdem ist die Abänderung oder Wiederaufnahme ausgeschlossen (§ 197 Abs. 2 FamFG, entgegen § 48 Abs. 2 FamFG). Auch im Rahmen der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung bestehen verfahrensrechtliche Mechanismen, die den Status des Kindes dauerhaft absichern und zum Schutz des Rechtsverkehrs beitragen sollen. Ist die Entscheidung des Gerichts formell rechtskräftig geworden, d. h. mit dem Zeitpunkt, in dem Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden können, so ist eine Abänderung nicht mehr möglich (§ 184 Abs. 1 S. 2 FamFG). Im Unterschied zum 446  Siehe zu den Gründen der Abkehr vom Vertrags- zum Dekretsystem Kap. 2 B. I., S. 81. 447  Prütting/Helms/Keuter, FamFG, § 197 FamFG Rn. 37.

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Adoptionsbeschluss kommt aber die Durchbrechung der Rechtskraft durch ein Wiederaufnahmeverfahren weiter in Betracht (§§ 48 Abs. 2, 185 FamFG, §§  578 ff. ZPO). Betrachtet man insbesondere die unterschiedliche verfahrensrechtliche Ausgestaltung zur Erhaltung des richterlichen Beschlusses, stellt sich die Frage, ob die Vorschriften zu Verfahren in Abstammungssachen hinsichtlich der Eltern-Kind-Zuordnung die gewünschten Rechtswirkungen herbeiführen oder ob nicht eigentlich die Wirkungen der verfahrensrechtlichen Adoptionsvorschriften gewünscht werden. Die Feststellung der rechtlichen Elternschaft, wie sie im Rahmen des Diskussionsteilentwurfes vorgeschlagen wird, würde auf Basis der Einwilligung in die Befruchtung erfolgen. Im Grunde wäre das Verfahren daher letztlich darauf beschränkt, im Rahmen der Beweisaufnahme zu eruieren, dass eine entsprechende Erklärung wirksam abgegeben wurde und daher zu einem bestimmten Zeitpunkt der Wille bestanden hat, das Kind durch Spendersamen zu zeugen und für es Verantwortung wie für ein leibliches Kind zu übernehmen. Darüber hinausgehende Nachweise sind unter Zugrundelegung des Vorschlages nicht zu erbringen. Genau diese Aufgabe obliegt aber dem Notar. Im Rahmen seiner Tätigkeit, insbesondere der notariellen Beurkundung, soll gerade eine präventive Kon­ trolle von Rechtsgeschäften erfolgen, um privatrechtliche Streitigkeiten zu verhindern. Insofern würde eine originär dem Notar obliegende Aufgabe ohne zwingenden Grund den Gerichten aufgetragen. Weitere Unklarheiten ergeben sich außerdem mit Blick auf die Fragen, ob ein Wiederaufnahmeverfahren zur Durchbrechung der Rechtskraft des Beschlusses möglich sein soll und ob der richterliche Beschluss über die Feststellung des intendierten Elternteils als rechtlichem Elternteil hinaus wie bei der Adoption Willensmängel und Verfahrensfehler heilen soll. Die verfahrensrechtlichen Vorschriften in Abstammungssachen sehen eine Heilung nicht vor, was konsequent ist, weil nach geltendem Recht allein die Feststellung der genetischen Abstammung möglich ist. Sie basiert heute in aller Regel auf Sachverständigengutachten. Insofern liegen dem Beschluss lediglich Tatsachen zugrunde, die anders als rechtsgeschäftliche Erklärungen nicht wirksam oder unwirksam sein können und daher keiner Heilung im Rechtssinne bedürfen. Die Ausführungen zeigen, dass im Falle der Umsetzung der Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs auch die verfahrensrechtlichen Vorgaben modifiziert werden müssten448.

448  Vgl. Bosch, FamRZ 1984, 829 (837) zur Adoption: Vertragslösung und Richtigkeitskontrolle durch Gerichte hätte beibehalten werden sollen.



G. Weiterer Reformbedarf365

d) Die private Samenspende Ein Missbrauch zum Nachteil des Kindes scheidet im Rahmen der privaten Spende aus, weil ohne eine Beurkundung schon keine Befruchtung durchgeführt würde. Der große Nachteil der Feststellungslösung besteht allerdings darin, dass privat durchgeführte Befruchtungen in § 1598c BGB-E auch weiterhin nicht erfasst wären und deshalb abstammungsrechtlich wie bisher nur durch einen Anfechtungsausschluss der intendierten Eltern ge­ regelt wären, vgl. § 1600b BGB-E449. Weil diese Vorschrift für private Befruchtungen relevant bliebe, bestünde in ihrem Anwendungsbereich – wie nach geltendem Recht bei § 1600 Abs. 4 BGB – die Gefahr der Umgehung des Anfechtungsausschlusses durch eine Nichtbeurkundung der Einwilligungserklärungen. Aus diesem Grund kann und sollte ein Beurkundungserfordernis dort nur als Soll-Vorgabe ausgestaltet sein. Gleichzeitig kann unter diesen Voraussetzungen ein ausdrücklicher Verzicht des privaten Spenders, der grundsätzlich befürwortet wird, nicht zugelassen werden, weil keine Möglichkeit gegeben ist, den intendierten Elternteil rechtlich in die Verantwortung zu nehmen450.

V. Ausblick: Die Rolle des Notars im künftigen Abstammungsrecht Sofern die Feststellungslösung de lege ferenda als sachgerecht erachtet wird, schüfe ein Beurkundungserfordernis hinsichtlich der Einwilligungen in die Befruchtung ein hohes Schutzniveau für die Beteiligten, Rechtssicherheit und eine Entlastung der Gerichte. Wenn sich der behandelnde Arzt, wie durch den Entwurf vorgesehen, schriftliche Einwilligungserklärungen vorlegen lassen soll, bevor er die Behandlung beginnt (§ 1598c Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 BGB-E), wäre ihm auch zumutbar, die Vorlage beurkundeter Erklärungen zu verlangen. Durch eine Möglichkeit zur präkonzeptionellen Anerkennung könnten ärztlich und privat durchgeführte Befruchtungen gleichermaßen berücksichtigt werden, während im Interesse insbesondere des Kindes frühzeitig die Voraussetzungen rechtlicher Elternschaft geschaffen würden und im Interesse der erwachsenen Beteiligten die Formzwecke zum Tragen kämen. Im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung ist bereits nach geltendem Recht eine öf449  Heiderhoff begrüßt die Aussparung von privater Spende und Befruchtung mit dem Argument, die Übergänge zum natürlichen Zeugungsakt seien fließend und hierdurch die Gefahr missbräuchlicher, beliebiger Vereinbarungen über die Elternschaft möglich, Heiderhoff, FF 2020, 225 (233). 450  Siehe Anwendungsbereich von § 1598c BGB-E, Kap. 5 D. I., II., S. 290 ff.

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fentliche Beurkundung der maßgeblichen Erklärungen vorgesehen, die Einwilligungen in die heterologe Befruchtung könnten daher zweckmäßigerweise ebenfalls in einem gemeinsamen Termin mitbeurkundet werden. Zugunsten einer bestmöglichen Beratung und Betreuung sollte als Urkundsperson ein Notar anderen Urkundsstellen vorgezogen werden. Zeigte sich, dass entsprechende Erklärungen nicht vorliegen, würde bei einer ärztlich assistierten Befruchtung das medizinische Personal von der Vornahme der Behandlung absehen. Ist durch formgerechte Erklärungen eine präkonzeptionelle Bindung hinsichtlich des Kindesstatus entstanden, wäre es wiederum gerechtfertigt, den Samenspender aus seiner Verantwortung zu entlassen. Soll die Befruchtung privat erfolgen, könnte – die Anpassung des ESchG vorausgesetzt – der ausdrückliche Verzicht des privaten Spenders sogar gemeinsam in dem Beurkundungstermin erfolgen, in welchem die Erklärungen der intendierten Eltern beurkundet werden. Um auch im Rahmen der Anerkennungslösung eine nachträgliche Anfechtung der Elternschaft auszuschließen, behielte § 1600b BGB-E weiterhin seine Bedeutung. Wie bei der Feststellungslösung könnte das Beurkundungserfordernis hier nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet werden, um eine Umgehung des Anfechtungsausschlusses durch Nichtbeurkundung zu verhindern. Der Vorteil der präkonzeptionellen Anerkennung zeigt sich gerade in diesem Punkt: Durch das bereits bestehende Beurkundungserfordernis für die Anerkennungserklärungen werden in aller Regel aus praktischen Erwägungen in einem gemeinsamen Beurkundungstermin auch die Einwilligungserklärungen mitbeurkundet und die betreffenden Formzwecke erfüllt. Die Soll-Vorgabe hinsichtlich § 1600b BGB-E behielte im Übrigen weiterhin eine Appellfunktion. Wenn Erwachsene kein Interesse an der frühzeitigen Statusbegründung durch präkonzeptionelle Anerkennung haben, ist ihnen freigestellt, ihre Familiengründung ohne rechtliche Absicherung weiter nur unter der Geltung des Anfechtungsausschlusses in § 1600b BGB-E zu realisieren. Bei diesen Fällen könnte es sich etwa um Patchwork-Konstellationen handeln, in welchen nicht von Beginn an klar ist, welche Rolle der Spender und der intendierte Elternteil im Leben des Kindes einnehmen sollen. Eine Kombination aus Anerkennungs- und Feststellungslösung dergestalt, dass eine gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils in Betracht kommen soll, wenn keine wirksame Anerkennung abgegeben wurde451, ist nicht möglich. Zwischen beiden besteht ein Exklusivitätsverhältnis: Kann der Status wegen Formmängeln nicht durch Erklärungen begründet werden, scheidet auch eine gerichtliche Feststellung auf Grundlage beurkundeter Er451  Vgl. Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung (2016), S.  33 f.



H. Schlussbemerkung 367

klärungen aus. Umgekehrt bedarf es keiner Feststellung mehr, wenn die Zuordnung auf Basis wirksamer Erklärungen bereits begründet werden konn­ te452.

H. Schlussbemerkung Neue gesellschaftliche Tendenzen sowie ständige Fortschritte in der Reproduktionsmedizin üben seit Jahrzehnten einen immer größer werdenden Druck auf den Gesetzgeber aus, das Abstammungsrecht entsprechend zu reformieren. Wenn der vom BMJV ins Leben gerufene Arbeitskreis Abstammungsrecht in seinem Abschlussbericht vorschlägt, die abstammungsrecht­ lichen Vorschriften des BGB künftig statt mit dem Begriff „Abstammungsrecht“ mit der Bezeichnung „rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung“ zu überschreiben453, belegt dies unabhängig von dem Inhalt der Reformvorschläge im Einzelnen eine neue Richtung, in welche sich das Rechtsgebiet bewegt. Es ist eine gewisse Tendenz dahingehend erkennbar, dass tatsächliche Abstammung als Anknüpfungspunkt für rechtliche Elternschaft an Bedeutung verliert. Dies zeigt sich besonders an der geplanten Einführung der MitMutterschaft sowie der gerichtlichen Feststellung des intendierten Elternteils nach heterologer Befruchtung. In der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung wird der Entwurf seiner Intention zur Betonung voluntativer Elemente dennoch nicht gerecht. Wenn der Wille zur rechtlichen Elternschaft in den Vordergrund gerückt werden soll, müsste dies stringenter und konsequenter erfolgen und ist ohne eine gleichzeitige Betonung der entsprechenden (Willens-)Erklärungen nicht denkbar. Damit einhergehen müsste die Einbindung notarieller Expertise. Würde verstärkt der Notar in die Abgabe von Willenserklärungen im Abstammungsrecht eingebunden, könnte auch die privat durchgeführte künstliche Befruchtung unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere präkonzeptioneller Verzichts- sowie Anerkennungserklärungen, abstammungsrechtlich erfasst werden. Verlässt man die Ebene konkreter Reformvorschläge und Detailfragen, löst eine auf dem Willen der Beteiligten basierende Eltern-Kind-Zuordnung durchaus Bedenken grundsätzlicher Art aus. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die genetische Verbindung gar keine Rolle mehr zu spielen scheint und der Weg des Kindes zu seinem zweiten genetischen Elternteil als rechtlichem Elternteil auf Dauer versperrt sein soll. Letztlich fußen die Vorbehalte auf zwei Aspekten. NZFam 2016, 865 (866). Abschlussbericht AK AbstR (2017), S. 19; vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 10. 452  Bongartz, 453  BMJV,

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Der erste Gesichtspunkt betrifft die Gefahr der Kommerzialisierung des Kinderwunsches. Während Kinderlosigkeit früher in der Regel als schicksalhafte Begebenheit hingenommen wurde454, fordern heute bei erfolgloser natürlicher Zeugung immer mehr, auch gleichgeschlechtliche, Paare und Alleinstehende durch Inanspruchnahme der Befruchtungsmedizin ein Familienleben mit Kind ein. Im Zuge dessen hat sich ein eigener Markt entwickelt, der sich auf einem schmalen Grat bewegt zwischen einem konsum- und profitorientierten Angebot medizinischer Dienstleistungen einerseits455 und dem Gebot der Achtung der menschlichen Würde andererseits, welches eine Degradierung der Beteiligten zu bloßen Objekten verhindern soll. Diese Gratwanderung drückt sich etwa in der Abgrenzung von Aufwandsentschädigung und Entgelt im Rahmen des Samenspendevertrages aus und ist bedeutend für die Frage eines Verstoßes gegen das in §§ 17, 18 TPG enthaltene, strafbewehrte Verbot des Organ- und Gewebehandels456. Ob bereits jede Verknüpfung des menschlichen Körpers mit wirtschaftlichen Interessen unzulässig sein soll, ist fraglich, zumal sie für bestimmte Bereiche wie das Modellstehen, den Probandenvertrag im Rahmen der medizinischen Forschung und das Gesundheitswesen im Allgemeinen nicht ernsthaft bestritten wird457. Insofern könnte eine genauere Differenzierung angezeigt sein458. Der dem menschlichen Material innewohnende Wert wird bereits auf verschiedenen existenten Märkten umgesetzt und erzielt konkrete, nicht zu vernachlässigende Gewinne. Man denke allein an den Weiterverkauf von Blutprodukten, Arzneimitteln aus menschlichen Substanzen, den Verkauf von Gewebe durch Biobanken sowie die Nutzung von Forschungsergebnissen zu wirtschaftlichen Zwecken459. Gleichzeitig muss beachtet werden, dass die Menschenwürdegarantie auch das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper umfasst460, ihre wirksame Ausübung ein Verständnis vom Menschen als bloßem Objekt insofern gerade ausschließen kann. 454  Siehe nur Zimmermann, FamRZ 1981, 929 (935): „Keine Kinder haben zu können, ist ein bitteres Schicksal (…). Gerade auch die heterologe Insemination fordert eine Entscheidung zwischen dem hybriden Dogma von der Machbarkeit aller ‚Dinge‘ und der Bereitschaft, schicksalhafte Gegebenheiten anzunehmen“. 455  Sehr krit. Grziwotz, notar 2018, 163 (173); vgl. auch im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft ders., NZFam 2014, 1065 (1070). 456  Vgl. auch BT-Drs. 13/4355, 15, 29. 457  Müller, Kommerzielle Nutzung von Körpersubstanzen (1997), S. 117 m. w. N.; im Grundsatz auch Schäfer, Rechtsfragen zur Verpflanzung von Körper- und Leichenteilen (1961), S. 60 f. 458  Schnorrenberg, in: Potthast/Herrmann/Müller (Hrsg.), Wem gehört der menschliche Körper (2010), 223 (236). 459  Schnorrenberg, in: Potthast/Herrmann/Müller (Hrsg.), Wem gehört der menschliche Körper (2010), 223 (239).



H. Schlussbemerkung 369

Wie aber ist vor diesem Hintergrund möglich, den Wert einer Kinderwunscherfüllung konkret zu beziffern, wenn ihr Ergebnis die Entstehung menschlichen Lebens sein soll, dessen Erfassung in wirtschaftlichen Kategorien nicht möglich ist? Bei aller Diskussionswürdigkeit der Frage, wie eine rechtliche Zuordnung intendierter Elternteile in der Zukunft konkret zu gestalten ist, darf nicht aus dem Blick geraten, dass eine Kinderwunscherfüllung wohl nicht abschließend monetär in Geld bemessen werden kann. Es ist wohl eher ein Zufall und gleichermaßen bezeichnend, dass sich die Problematik exakt dieser Frage im notariellen Gebührenrecht, konkret in der Bemessung der Gebührenhöhe für die notarielle Beurkundung einer Einwilligung in die künstliche heterologe Befruchtung widerspiegelt. Grundsätzlich richten sich die Gebühren nach dem Wert, den der Gegenstand des Verfahrens oder des Geschäfts hat (Geschäftswert), soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 3 Abs. 1 GNotKG). Für die Beurkundung von Einwilligungen in die künstliche Befruchtung mit Spendersamen wird in der notarrechtlichen Literatur mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine Bestimmung ihres Werts auf den Regelwert von 5.000,00 Euro verwiesen (§ 36 Abs. 1 bzw. Abs. 2 i. V. m. Abs.  3 GNotKG)461. Dieser Maßstab wirkt willkürlich. Der zweite Aspekt, der Bedenken grundsätzlicher Art auslöst, ist die drohende Gefahr einer Vernachlässigung potentieller Kindesinteressen: An erster Stelle scheint nämlich die Absicht der intendierten Eltern zu stehen, ihren Kinderwunsch auch bei Ausscheiden der Option einer natürlichen Zeugung zu erfüllen. Die Besetzung der zweiten Elternposition nach einer Befruchtung mit Spendersamen dient dem Kind nach der Konzeption des Entwurfs nur dann, wenn die Absichten der Erwachsenen dem nicht von Beginn an klar entgegenstehen, was letztlich aber der Fall ist, wenn sich eine alleinstehende Frau zu einer Inanspruchnahme von Spendersamen entschließt. Auch in diesen Fällen soll der Spender nämlich ausdrücklich von sämtlichen Elternrechten und -pflichten freigestellt werden, sodass das Kind ohne zweiten rechtlichen Elternteil verbleibt. Gleichzeitig hat der Entwurf das Recht des Kindes zur Elternschaftsanfechtung faktisch ausgeschlossen, wenn der intendierte Elternteil auch die rechtliche Elternschaft erlangt hat. Das Kind ist somit dauerhaft an den durch die Erwachsenen vorgesehenen Personenstand gebunden. Ihm steht zwar infolge der Regelungen des SaRegG ein Anspruch auf Auskunft über die Iden460  Schnorrenberg, in: Potthast/Herrmann/Müller (Hrsg.), Wem gehört der menschliche Körper (2010), 223 (239). 461  Kersten/Bühling/Kordel/Emmerling de Oliveira, Formularbuch, § 92 Rn. 79M a. E.; Beck’sches Formularbuch/Bernauer, Kap. 5 Punkt 27, Anm. 13. Die Beurkundung anderer vermögensrechtlicher Vereinbarungen ist gebührenrechtlich getrennt zu beurteilen.

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Kap. 5: Besetzung der 2. rechtlichen Elternstelle nach Samenspende

tität des Spenders zu, welcher vergleichsweise einfach durchzusetzen ist; im Ursprung hängt dessen Geltendmachung aber weiterhin von einer Aufklärung der intendierten Eltern über die Umstände der Zeugung ab. Vor dem Hintergrund dieser Aspekte bedarf es im weiteren Gesetzgebungsverfahrens entgegen des Tauziehens verschiedener Interessenverbände um Detailfragen einer Rückbesinnung darauf, dass im Reformprozess stets das Wohl des Kindes an erster Stelle stehen muss und Erwachseneninteressen nicht zu Lasten des Kindes übergewichtet werden dürfen462.

462  Heiderhoff, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung (2014), 9 (18); Schmidt, NZFam 2018, 1009; auch noch immer gültig Mutschler, FamRZ 1994, 65 (71); siehe außerdem DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 16; Familienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 3; IG-JMV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf; Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 1 f.; Verein Spenderkinder, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf, S. 7.

Kapitel 6

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen 1. Die künstliche Befruchtung mit Spendersamen unterliegt im deutschen Recht – nicht zuletzt wegen einer historisch bedingten Ablehnung dieser Art der Fortpflanzung1 – einer nur rudimentären gesetzlichen Regelung, die sich auf eine Vielzahl von Rechtsquellen erstreckt. Im Abstammungsrecht existieren keine Regeln über die Primärzuordnung intendierter Elternteile, vielmehr beschränkt es sich auf den Ausschluss intendierter Eltern von der Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 4 BGB) sowie den Ausschluss des offiziellen Samenspenders von der Feststellung als rechtlichem Vater (§ 1600d Abs. 4 BGB)2. 2. Kinderwunschvereinbarungen, die auf eine rechtsgeschäftliche Absicherung von Elternschaft (Vereinbarungen im engeren Sinne), des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung des Kindes (Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG) und weiterer Folgefragen wie etwa Unterhaltsregelungen abzielen (Vereinbarungen im weiteren Sinne)3, sind trotz ihres hohen Persönlichkeitsbezuges weder einem rechtsfreien Raum zuzuordnen4, noch überschreiten sie privatautonome Handlungsspielräume5. Sofern Kinderwunschvereinbarungen im engeren Sinne bei beabsichtigter privater Durchführung der Befruchtung wegen eines Verstoßes gegen den Arztvorbehalt (§§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) unwirksam sind, bedarf es aus verfassungsrechtlichen Gründen einer Aufhebung dieses Verbots de lege ferenda6. 3. Kinderwunschvereinbarungen weisen eine eingeschränkte rechtliche Bindung auf. Sie können von beiden Partnern widerrufen werden, weil die Realisierung eines Kinderwunsches in einer Paarbeziehung unabhängig

1  Kap. 1

C. IX., S. 45. I.–VIII., S. 33 ff. 3  Kap. 3 A., S. 102 ff. 4  Kap. 3 C. III., S. 115 ff. 5  Kap. 3 C. I., S. 108. 6  Kap. 3 D. III. 1., S. 122 ff. 2  Kap. 1 C.

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Kap. 6: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

von der genetischen Verwandtschaft mit dem Kind höchstpersönliche Belange beider Partner berührt7. 4. Das Verbot privat durchgeführter künstlicher Befruchtungen (§§ 9 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) sowie fehlende einheitliche gesetzliche Vorgaben hinsichtlich des Personenkreises, welchem eine ärztlich assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen zugänglich sein soll, führen zu Rechtsunsicherheit unter Ärzten und Notaren8. Die Beurkundung einer rechtsgeschäftlichen Kinderwunschvereinbarung kann von Letzteren daher in bestimmten Konstellationen de lege lata abgelehnt werden (§ 16 Abs. 2 ­BNotO), selbst wenn durch die Beteiligten eine rechtsgeschäft­ liche Absicherung ausdrücklich gewünscht wird9. 5. Die Möglichkeiten der notariellen Absicherung rechtlicher Elternschaft im Rahmen von Kinderwunschvereinbarungen sind begrenzt. Vereinbarungen, die entgegen bestehender abstammungsrechtlicher Regelungen eine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Kind und dem intendierten Vater zu etablieren versuchen, stehen auf rechtlich unsicherem Grund10. 6. Auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare sind die geltenden abstammungsrechtlichen Vorschriften nicht – auch nicht analog – anwendbar11. 7. Die Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung (§ 1600 Abs. 4 BGB) stellt eine rechtsgeschäftliche Erklärung dar12, die neben der auf ihren Umfang beschränkten Ausübung des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit einen konkludenten Unterhaltsvertrag zu Gunsten des Kindes enthält13. Trotz Formfreiheit empfiehlt sich ihre notarielle Beurkundung de lege lata, um sämtliche Modalitäten der Kinderwunscherfüllung zu dokumentieren. Durch die Einwilligung kann ein bereits begründeter Status erhalten, nicht aber eine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung etabliert werden14. 8. Ein Verzicht des Samenspenders auf seine rechtliche Elternstellung mit der Folge, dass er nicht gerichtlich als leiblicher Vater festgestellt werden kann, ist de lege lata auf den offiziellen Samenspender beschränkt

7  Kap. 3 C. IV.,

S. 118. D. III. 2., S. 126 ff. 9  Kap. 3 D. III. 2. c), S. 130 ff. 10  Kap. 4 B., S. 143 ff. 11  Kap. 4 B. II. 4., S. 150 ff. 12  Kap. 4 B. V. 2., S. 164 ff. 13  Kap. 4 B. V. 5., 6., 13. c), S. 181 ff., 201 und Kap. 4 C. II. 1., S. 249 ff. 14  Kap. 4 B. V. 12., 13. a), 14., S. 198 ff., 202. 8  Kap. 3



Kap. 6: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen373

(§ 1600d Abs. 4 BGB)15. Die Erweiterung auf den privaten Spender, wie sie der Diskussionsteilentwurf vorsieht (§ 1598c Abs. 1 Nr. 2 BGB-E), ist zu begrüßen. Allerdings sollten Verzichtserklärungen der notariellen Beurkundung unterliegen16. Der Ausschluss des Spenders sollte keine uneingeschränkte Anwendung finden, wenn eine alleinstehende Frau eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen begehrt. Er sollte begründeten Ausnahmeregelungen unterliegen17. 9. Der Verzicht des Spenders setzt zum Schutz der Beteiligten, insbesondere des Kindes, voraus, dass die zweite rechtliche Elternstelle de lege ferenda möglichst frühzeitig durch die Person besetzt werden kann, welche in die künstliche Befruchtung mit Fremdspendersamen eingewilligt hat – die Partnerin der rechtlichen Mutter als einwilligende Person eingeschlossen. Der Diskussionsteilentwurf betont zu Recht die voluntativen Elemente im Abstammungsrecht, sollte diese aber stärker an eine notarielle Form binden, wie dies dem geltenden Recht bekannt ist. Dies gilt für die Verzichtserklärungen des Spenders genauso wie für die Einwilligungserklärungen der intendierten Eltern18. 10. De lege ferenda sollte in Anknüpfung an § 1594 Abs. 4 BGB eine noch vor der Zeugung liegende Elternschaftsanerkennung etabliert werden, deren Bezugspunkt durch eine notarielle Beurkundung der Einwilligungen in die heterologe künstliche Befruchtung präzisiert werden kann. Dadurch könnten privat durchgeführte künstliche Befruchtungen ebenso berücksichtigt werden wie die Vornahme von Befruchtungen durch gleichgeschlechtliche Frauenpaare. Zudem spiegelt sie intendierte rechtliche Elternschaft als willensbasierte Elternschaft adäquat wider. Die präkonzeptionelle Anerkennung könnte mit den Einwilligungserklärungen in einem gemeinsamen Termin abgegeben werden19. 11. Sollte künftig anstelle einer präkonzeptionellen Anerkennung die gerichtliche Feststellung des intendierten Elternteils als rechtlichem Elternteil entsprechend § 1592 Nr. 3 BGB vorgesehen werden (vgl. Diskussionsteilentwurf, § 1598c BGB-E), behält die notarielle Beurkundung der Einwilligungs- und Verzichtserklärungen ihre Berechtigung, weil diese Erklärungen Grundlage eines richterlichen Beschlusses werden, der zu

15  Kap. 4

B. VI. 3., S. 213 ff. D. III. 2. c), f), S. 294, 296. 17  Kap. 5 D. III. 3., 4., S. 297 ff. 18  Kap. 2 C., S. 96 ff. mit Kap. 5 D. III. 2. c), S. 294 und IV. 6., S. 302 ff. und G. III., S. 350 ff. 19  Kap. 4 A. III., S. 141, Kap. 4 B. II., S. 144 ff., Kap. 5 G. IV. 2. b), S. 357. 16  Kap. 5

374

Kap. 6: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

einer unveränderbaren rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung des einwilligenden Wunschelternteils führt20. 12. Die Interessen des zu zeugenden Kindes sollten in jedem Reformvorhaben von höchster Bedeutung sein. Interessen der erwachsenen Beteiligten haben hinter ihnen zurückzutreten. Der Diskussionsteilentwurf berücksichtigt die Kindesinteressen unzureichend, soweit der Ausschluss des Spenders von der rechtlichen Vaterschaft auch bei der Behandlung alleinstehender Frauen ausdrücklich möglich und das Kind ausnahmslos von der Anfechtung der intendierten Elternschaft ausgeschlossen ist (vgl. §§ 1600 Abs. 1 Nr. 5, 1600a Abs. 1 Nr. 1, 1598c Abs. 1 Nr. 5 BGB-E)21.

20  Kap. 5 21  Kap. 5

D., S. 289 ff. mit G. IV. 3. b), S. 362. D. III. 3., S. 297 mit E. und H., S. 332 ff., 367 ff.

Anhang I. Literaturhinweise zu Musterformulierungen Beck’sches Formularbuch/Bernauer, Kap. V. Punkt 27: Vereinbarungen anlässlich einer heterologen Insemination. Beck’sches Formularbuch FamR/Grziwotz, Kap. O. II. 5.: Vereinbarung eines gleichgeschlechtlichen Frauenpaares anlässlich einer heterologen Befruchtung. Beck’sches Formularbuch FamR/Grziwotz, Kap. O. II. 6.: Vereinbarung eines gleichgeschlechtlichen Frauenpaares mit einem gleichgeschlechtlichen Männerpaar anlässlich einer heterologen Befruchtung (faktische Vier-Elternschaft). Beck’sches NotHdb/Grziwotz, § 15 Rn. 95: Vereinbarung anlässlich einer heterologen Insemination unter Eheleuten. Formular von Wehrstedt in Kersten/Bühling, Formularbuch, § 92 Rn. 79M: Vereinbarung anlässlich einer heterologen Insemination unter Eheleuten. Grziwotz, notar 2018, 163 (172 f.): Ablehnung der Beurkundung bei Einwilligung in eine privat durchgeführte heterologe Insemination. Grziwotz, notar 2018, 163 (171): Einwilligung des intendierten Vaters in die heterologe Befruchtung. Grziwotz, notar 2018, 163 (171): Vereinbarung anlässlich einer heterologen Insemination unter Eheleuten. Grziwotz, in: Beck’sches NotHdb, § 15 Rn. 8a: Präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung. Münch/Müller, Familienrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 22 Rn. 45: Einwilligung eines heterosexuellen Ehepaares in die heterologe Insemination. Schwarz, RNotZ 2022, 421: Formulierungsvorschläge, die verschiedene Konstellationen und Rechtsverhältnisse der Akteure (Wunscheltern, Samenspender, Fortpflanzungsklinik, Kind) betreffen. Wilms, RNotZ 2012, 141 (155): Vereinbarung anlässlich einer heterologen Insemination unter Eheleuten. WürzburgerNotHdb/Müller-Engels, Teil 3 Kap. 4 Rn. 22: Einwilligung eines heterosexuellen Ehepaares in die heterologe Insemination.

376 Anhang

II. Synopse: Geltendes Recht und Diskussionsteilentwurf Zur besseren Übersicht sind die im Rahmen dieser Arbeit relevanten abstammungsrechtlichen Tatbestände den Vorschlägen des Diskussionsteilentwurfes gegenübergestellt. Die vorgeschlagenen Änderungen de lege ferenda sind im Verhältnis zu den bestehenden rechtlichen Vorgaben fett markiert. Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1592 BGB-E Vaterschaft und Mit- § 1592 BGB Vaterschaft Mutterschaft (1)  Vater eines Kindes ist der Mann,

Vater eines Kindes ist der Mann,

1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der 1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, Mutter des Kindes verheiratet ist, 2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder 2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder 3. dessen Vaterschaft nach den §§ 1598a bis 1598c oder nach § 182 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

3. dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

(2) Mit-Mutter eines Kindes ist die Frau, 1.  die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, 2. die die Mit-Mutterschaft anerkannt hat oder 3. deren Mit-Mutterschaft nach den §§ 1598a, 1598c oder nach § 182 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist. § 1594 BGB-E Anerkennung der Vater- § 1594 BGB Anerkennung der Vaterschaft und Mit-Mutterschaft schaft (1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird. Die Anerkennung wirkt auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück.

(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird.

Anhang377 Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

(2) Eine Anerkennung der Vaterschaft (2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solange eine andere ist nicht wirksam, solange die VaterPerson Vater oder Mit-Mutter ist. Die schaft eines anderen Mannes besteht. Anerkennung ist auch nicht wirksam, solange ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft anhängig ist. (3) Eine Anerkennung unter einer Be- (3) Eine Anerkennung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist un- dingung oder Zeitbestimmung ist unwirksam. wirksam. (4) Die Anerkennung ist schon vor der (4) Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig, nicht aber Geburt des Kindes zulässig. vor seiner Zeugung. § 1595 Anerkennung bei beschränkter § 1596 Anerkennung und Zustimmung Geschäftsfähigkeit oder Geschäftsunfä- bei fehlender oder beschränkter Gehigkeit schäftsfähigkeit (1) Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann nur selbst anerkennen. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist erforderlich. Für einen Geschäftsunfähigen kann der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Fami­ liengerichts anerkennen; ist der gesetz­ liche Vertreter ein Betreuer, tritt an die Stelle der Genehmigung des Familiengerichts die Genehmigung durch das Betreuungsgericht.

(1) Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann nur selbst anerkennen. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist erforderlich. Für einen Geschäftsunfähigen kann der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Fami­ liengerichts anerkennen; ist der gesetz­ liche Vertreter ein Betreuer, ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Für die Zustimmung der Mutter gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend. (2) Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann nur der gesetzliche Vertreter der Anerkennung zustimmen. Im Übrigen kann ein Kind, das in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nur selbst zustimmen; es bedarf hierzu der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

(2)  Ein geschäftsfähiger Betreuter (3)  Ein geschäftsfähiger Betreuter kann kann nur selbst anerkennen; § 1903 nur selbst anerkennen oder zustimmen; bleibt unberührt. § 1903 bleibt unberührt. (3)  Die Anerkennung kann nicht (4)  Anerkennung und Zustimmung köndurch einen Bevollmächtigten erklärt nen nicht durch einen Bevollmächtigten werden. erklärt werden.

378 Anhang Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1596 Zustimmungsbedürftigkeit der §  1595 Zustimmungsbedürftigkeit der Anerkennung An­erkennung (1) Die Anerkennung bedarf der Zu- (1) Die Anerkennung bedarf der Zustimmung der Mutter. § 1594 Absatz 3 stimmung der Mutter. und 4 und § 1595 gelten für die Zustimmung entsprechend. (2) Die Anerkennung bedarf auch der (2) Die Anerkennung bedarf auch der Zustimmung des Kindes, wenn Zustimmung des Kindes, wenn der Mutter insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht. 1. das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat oder 2.  der Mutter insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht. Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann nur der gesetzliche Vertreter die Zustimmung erteilen; § 1595 Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Im Übrigen kann ein Kind, das in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nur selbst zustimmen. Für die Zustimmung des Kindes gel- Für die Zustimmung gilt § 1594 Abs. 3 ten § 1594 Absatz 3 und § 1595 Ab- und 4 entsprechend. satz 2 und 3 entsprechend. § 1598a Gerichtliche Feststellung der § 1600d Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft Vaterschaft (1)  Besteht keine Vaterschaft oder Mit- (1)  Besteht keine Vaterschaft nach Mutterschaft nach §  1592 Absatz 1 § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Nummer 1 und 2 oder Absatz 2 Num- Vaterschaft gerichtlich festzustellen. mer 1 und 2 oder § 1593, so ist die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft gerichtlich festzustellen. (2) Die Rechtswirkungen der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden. Die Feststellung wirkt auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück.

(5) Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.

Anhang379 Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1598b Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft aufgrund leiblicher Abstammung (1) Als Vater eines Kindes ist der Mann festzustellen, von dem das Kind leiblich abstammt; § 1598c bleibt unberührt. (2) Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird der Mann als Vater vermutet, welcher der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen.

(2) Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen.

(3)  Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. Steht fest, dass das Kind außerhalb dieses Zeitraums empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit.

(3)  Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. Steht fest, dass das Kind außerhalb des Zeitraums des Satzes 1 empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit.

§ 1598c BGB-E Gerichtliche Feststellung bei künstlicher Befruchtung (1)  Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen ­ Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, ist eine gerichtliche Feststellung des Samenspenders als Vater des Kindes ausgeschlossen, wenn er entweder

(4)  Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden,

1.  seinen Samen einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt hat oder

der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden.

380 Anhang Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda 2. ausdrücklich auf die Elternschaft verzichtet und sein Einverständnis mit der Aufnahme seiner Daten nach § 2 Absatz 2 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes in das Samenspenderregister erklärt hat, ohne dass die Voraussetzungen der Nummer 1 vorliegen. Samenspender im Sinne von Satz 1 ist auch der Mann, mittels dessen Samen der Embryo im Fall der Embryospende entstanden ist. (2) Als Vater oder Mit-Mutter ist in den Fällen des Absatzes 1 die Person festzustellen, die in Übereinstimmung mit der Mutter in die künstliche Befruchtung eingewilligt hat; einwilligen kann nur, wer volljährig ist. Haben mehrere Personen eingewilligt, so ist die letzte Einwilligung vor der Übertragung des Samens oder dem Transfer der befruchteten Eizelle auf die Mutter maßgeblich. (3)  Die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 2 genannten Erklärungen bedürfen der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. § 1594 Absatz 3 und § 1595 gelten entsprechend. (4)  Die in Absatz 2 genannten Erklärungen können widerrufen werden. Für den Widerruf gelten § 1594 Absatz 3 und § 1595 entsprechend. Der Widerruf ist nach der Übertragung des Samens oder dem Transfer der befruchteten Eizelle auf die Mutter ausgeschlossen.

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

Anhang381 Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1599 Nichtbestehen der Vaterschaft § 1599 Nichtbestehen der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft (1)  § 1592 Absatz 1 Nummer 1 und 2 sowie Absatz 2 Nummer 1 und 2 sowie § 1593 gelten nicht, wenn aufgrund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater oder die Frau nicht die Mit-Mutter des Kindes ist.

(1)  § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2)  § 1592 Absatz 1 Nummer 1 und (2)  § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch Absatz 2 Nummer 1 sowie § 1593 gel- nicht, wenn ten auch nicht, wenn eine dritte Person die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft mit Zustimmung der Person, die im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, 1.  entweder vor der Geburt des Kindes oder innerhalb von 8 Wochen danach anerkennt oder 2.  bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses anerkennt und dieser Scheidungsantrag zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes anhängig war.

das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt;

§ 1594 Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

§ 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist;

(3) Für die Zustimmung der Person, die im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, gelten § 1594 Absatz 3 und 4, die §§ 1595 sowie 1597 Absatz 1 und 2 sowie § 1598 Absatz 1 entsprechend.

für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.

382 Anhang Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1600 Anfechtungsberechtigte

§ 1600 Anfechtungsberechtigte

(1) Berechtigt, die Vaterschaft oder (1) Berechtigt, die Vaterschaft anzuMit-Mutterschaft anzufechten, sind: fechten, sind: 1. die Person, deren Vaterschaft oder 1. der Mann, dessen Vaterschaft nach Mit-Mutterschaft nach §  1592 Ab- § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht, satz 1 Nummer 1 und 2 oder Absatz 2 Nummer 1 und 2 oder § 1593 besteht, 2. der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (mutmaßlicher leiblicher Vater),

2. der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,

3.  die Person, die in Übereinstimmung mit der Mutter in eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt hat (intendierter Vater oder intendierte Mit-Mutter), 4.  die Mutter und

3.  die Mutter und

5.  das Kind.

4.  das Kind.

(2)  Der Samenspender ist im Falle einer künstlichen Befruchtung nach § 1598c Absatz 1 nicht zur Anfechtung berechtigt. § 1600a Nichtbestehen der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft bei Anfechtung (1) Das Nichtbestehen einer Vater- (2)  Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 schaft oder Mit-Mutterschaft wird setzt voraus, festgestellt: 1. bei Anfechtung durch den Vater, die Mit-Mutter, die Mutter oder das Kind: wenn die in § 1600 Absatz 1 Nummer 1 genannte Person weder leiblicher Vater des Kindes ist noch die Voraussetzungen für ihre gerichtliche Feststellung als Vater oder MitMutter nach § 1598c vorliegen, 2. bei Anfechtung durch den mutmaßlichen leiblichen Vater: wenn dieser tatsächlich leiblicher Vater des Kindes ist oder

dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

Anhang383 Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

3. bei Anfechtung durch den intendierten Vater oder die intendierte Mit-Mutter: wenn die Voraussetzungen für die gerichtliche Feststellung des oder der Anfechtenden als Vater oder Mit-Mutter nach § 1598c vorliegen. § 1600b und § 1600c bleiben unberührt. (2)  Erfolgt die Anfechtung durch den mutmaßlichen leiblichen Vater, den intendierten Vater oder die intendierte Mit-Mutter, so wird das Nichtbestehen der Vaterschaft oder der MitMutterschaft nur festgestellt, wenn keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem Vater oder seiner Mit-Mutter besteht oder im Zeitpunkt seines oder ihres Todes bestanden hat, es sei denn, das Kind hat den sechsten Lebensmonat noch nicht vollendet. Satz 1 gilt nicht, wenn auch eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem oder der Anfechtenden besteht und diese Beziehung für das Kind wichtiger ist. (3)  Eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem Vater oder seiner Mit-Mutter besteht, wenn der Vater oder die Mit-Mutter zum nach Absatz 2 Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater oder die Mit-Mutter mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Für eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem oder der Anfechtenden gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(3)  Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

384 Anhang Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1600b Ausschluss der Anfechtung im Falle künstlicher Befruchtung Die Anfechtung der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft durch den Vater, die Mit-Mutter oder die Mutter ist ausgeschlossen, wenn das Kind mit Einwilligung sowohl der Mutter als auch des Vaters oder der Mit-Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden oder mittels Embryospende entstanden ist; auf die Einhaltung der in § 1598c Absatz 3 für die Einwilligung vorgesehenen Form kommt es nicht an. §  1600c Ausschluss der Anfechtung nach Anerkennung (1) Die Anfechtung durch den Vater ist auch ausgeschlossen, wenn dieser die Vaterschaft anerkannt hat, obwohl ihm bekannt war, dass er nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Dies gilt nicht, wenn der Vater in eine künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten oder mittels Embryospende eingewilligt hat, das Kind aber auf andere Weise gezeugt wurde, es sei denn, der Vater hatte bei Anerkennung hiervon Kenntnis. (2) Die Anfechtung durch die MitMutter ist auch ausgeschlossen, wenn diese die Mit-Mutterschaft anerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (3)  Die Anfechtung durch die Mutter ist auch ausgeschlossen, wenn sie der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt hat, obwohl ihr bekannt war, dass der Anerkennende nicht leiblicher Vater des Kindes ist, oder wenn sie der Anerkennung der Mit-Mutterschaft zugestimmt hat.“

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Anhang385 Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

§ 1600e Anfechtungsfristen

§ 1600b Anfechtungsfristen

(1)  Die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft kann binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden; ficht das Kind an, beträgt die Frist drei Jahre. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600a Absatz 2 Satz 1 hindert den Lauf der Frist nicht.

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs.  2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) (weggefallen) (2)  Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehegatte der Mutter weder der Vater noch die MitMutter des Kindes ist.

(2)  Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist.

(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft oder MitMutterschaft sprechen.

(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.

(4) Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

386 Anhang Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

(5)  Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1600g Absatz 2 gehemmt, § 204 Absatz 2 gilt entsprechend. Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. Im Übrigen sind § 204 Absatz 1 Nummer 4, 8, 13, 14 und Absatz 2 sowie die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.

(5)  Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; §  204 Abs.  2 gilt entsprechend. Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. Im Übrigen sind § 204 Absatz 1 Nummer 4, 8, 13, 14 und Absatz 2 sowie die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.

(6)  Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft oder Mit-Mutterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.

(6)  Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.

§ 1600g BGB Anspruch auf Einwilli- § 1598a BGB Anspruch auf Einwilligung in die genetische Untersuchung gung in die genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstam- zur Klärung der leiblichen Abstammung mung (1)  Zur Klärung der leiblichen Abstam- (1)  Zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes können mung des Kindes können 1. der Vater jeweils von Mutter und 1. der Vater jeweils von Mutter und Kind, Kind, 2. die Mutter jeweils von Vater und 2. die Mutter jeweils von Vater und Kind, Kind und 3. das Kind jeweils von Mutter und 3. das Kind jeweils von beiden ElternVater, teilen 4.  das Kind von dem Mann, der den Umständen nach als leiblicher Vater in Betracht kommt, es sei denn, das Kind ist minderjährig und der Mann kann nach den §§ 1598a und 1598b als Vater festgestellt werden, 5. das Kind von der Frau, die den Umständen nach als nur genetische Mutter in Betracht kommt, und 6.  der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, jeweils von Mutter und Kind

Anhang387 Vorschläge des Diskussionsteilentwurfs de lege ferenda

Geltende abstammungsrechtliche Vorgaben

verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. Das Kind kann dies nach Vollendung des 16. Lebensjahres nur selbst verlangen. Die Probe muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden.

verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. Die Probe muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden. (…)

(…) (3) Das Gericht setzt das Verfahren in den Fällen des Absatzes  1 Satz  1 Num­mer 1 und 2 aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes führen würde, die auch unter Berücksichtigung der Belange des Klärungsberechtigten für das Kind unzumutbar wäre. Das Gericht setzt das Verfahren in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes führen würde.

(3)  Das Gericht setzt das Verfahren aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes begründen würde, die auch unter Berücksichtigung der Belange des Klärungsberechtigten für das Kind unzumutbar wäre.

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412 Materialienverzeichnis Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Arbeitskreis Abstammungsrecht Abschlussbericht, Empfehlungen für eine Reform des Abstammungsrechts, Berlin 2017, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/ PDF/Berichte/07042017_AK_Abstimmung_Abschlussbericht.pdf;jsessionid=5D7 43AFDEEF1D3F18C98E476C9435677.2_cid289?__blob=publicationFile&v=4, zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: BMJV, Abschlussbericht AK AbstR (2017)). Bundesnotarkammer, Richtlinien für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der Notarkammer, abrufbar unter: https://www.bnotk.de/aufgaben-undtaetigkeiten/richtlinien/richtlinienempfehlungen; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Richtlinienempfehlungen der BNotK). Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands, Stellungnahme des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 19.03.2017, abrufbar unter https://www. bundestag.de/resource/blob/499042/32d037158d3e6-ec28cd743b3d4e42e22/18_ 14_0248-5-_saregg_brz-data.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: BRZ, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung). Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V., 239. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) vom 13.11.2018 zur Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der Assistierten Reproduktion, abrufbar unter: https:// www.dggg.de/stellungnahmen/entnahme-und-uebertragung-von-menschlichenkeimzellen-im-rahmen-der-assistierten-reproduktion; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DGGG, Stellungnahme zur Richtlinie zur assistierten Reproduktion). Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 21/2017 des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Familienrecht und Medizinrecht von März 2017 zum Gesetzentwurf zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, abrufbar unter: https://anwaltverein.de/de/newsroom/ sn-21-17-samenspenderegister; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DAV, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zum SaRegG). Deutscher Familiengerichtstag e. V., Kinderrechtekommission, Stellungnahme vom 16.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf zur Reform des Abstammungsrechts vom 12.03.2019, abrufbar unter: https://www.dfgt.de/resources/SN-KiKo_Stellungnah me%20zum%20Diskussionsteilentwurf%20zur%20Reform%20des%20Abstam mungsrechts%20vom%2012.3.2019.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DFGT, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme vom 06.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts (Stand 12.03.2019), abrufbar unter: https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K2/st19-11/; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: djb, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Deutscher Notarverein, Stellungnahme vom 03.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts, abrufbar unter: https://www.

Materialienverzeichnis413 dnotv.de/stellungnahmen/gesetz-zur-reform-das-abstammungsrechts-diskussionsentwurf/; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Deutscher Notarverein, Stellungnahme vom 28.10.2016 zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, abrufbar unter: https://www.dnotv.de/stellungnahmen/entwurfeines-gesetzes-zur-regelung-des-rechts-auf-kenntnis-der-abstammung-bei-hetero loger-verwendung-von-samen-saregg/; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Entwurf eines SaRegG). Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V., Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. vom 03.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts“ vom 12.03.2019, abrufbar unter: https://www.deutscher-verein.de/de/uploads/ empfehlungen-stellungnahmen/2019/dv-10-19_abstammungsrecht.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V., Stellungnahme vom 06.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts, abrufbar unter: https://dijuf.de/veroeffentlichungen/publikationen-detail?tx_ igpublications_show %5Baction %5D=show&tx_igpublications_show %5Bcontrol ler %5D=Publication&tx_igpublications_show %5Bpublication %5D=72&cHash= 75d95c06513f4cf8871c8876c6696179; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DIJuF, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V., Hinweise des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) vom 26. Oktober 2016 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, abrufbar unter: https://dijuf.de/veroeffentlichungen/pub likationen-detail?tx_igpublications_show%5Baction%5D=show&tx_igpublica tions_show%5Bcontroller %5D=Publication&tx_igpublications_show%5Bpubli cation %5D=81&cHash=2d6b74920356dfc8cb5386fed937b355; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DIJuF, Hinweise zum RefE zum SaRegG). Deutsches IVF-Register, Jahrbuch 2018, abrufbar unter: https://www.deutsches-ivfregister.de/perch/resources/dir-jahrbuch-2018-deutsch-4.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DIR Jahrbuch 2018). Deutsches Notarinstitut, Gutachten: Eingetragene Lebenspartner; Eheschließung; Geburt eines Kindes; Eigenschaft der Ehegattin als Vater bzw. Mutter des Kindes; Eintragung in Geburtenregister; Durchführung einer Stiefkindadoption, in: DNotIReport 2018, S. 19–20. Deutsches Notarinstitut, Gutachten vom 20.03.2019, SaRegG §§ 2, 4, Aufklärung eines Samenspenders und der Empfängerin einer Samenspende durch einen Notar; Form der Aufklärung, Abruf-Nr. 165782, abrufbar unter: https://www.dnoti.de/ download/?tx_dnotionlineplusapi_download%5Bnodeid%5D=8274f6e2-9a84-4b 19-b331-0efedbb8bab7&tx_dnotionlineplusapi_download%5Bpreview%5D=1&c

414 Materialienverzeichnis Hash=94a0a6e77f991762d-2561e595ebdecc5; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: DNotI, Gutachten Abruf-Nr. 165782). Familienbund der Katholiken, Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken vom Mai 2019 zum Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts“ (vom 12.03.2019), abrufbar unter https://www.familienbund.org/ publikationen/stellungnahmen/stellungnahme-des-familienbundes-der-katholikenzum-abstammungsrecht; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Familienbund der Katholiken, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Interessengemeinschaft Jungen Männer Väter, Stellungnahme vom 18.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) v. 12.03.2019, „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Ab­ stammungsrechts“, abrufbar unter: https://manndat.de/vaeter/stellungnahme-zur-­ reform-des-abstammungsrechts.html; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: IG-JMV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Jakobs, Horst Heinrich/Schubert, Werner, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Teil 2, §§ 1564–1921, Berlin 1989 (zitiert: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB). Lesben- und Schwulenverband, Stellungnahme vom 05.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts, abrufbar unter: ­https://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/Reformvorhaben/2019_05_19_LS VD-Stellungnahme_Abstammungsrecht.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: LSVD, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Lesben- und Schwulenverband, Stellungnahme vom 04.11.2016, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, abrufbar unter: https://www.lsvd.de/fileadmin/ pics/Dokumente/Recht4/LSVD-161104.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: LSVD, Stellungnahme zum RefE zum SaRegG). Mugdan, Benno, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band 4, Familienrecht, Stockstadt am Main 1899 (zitiert: Mugdan, Materialien zum BGB). Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung, Stellungnahme 2019, Halle (Saale) 2019, abrufbar unter: https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublica tion/2019_Stellungnahme_Fortpflanzungsmedizin_web_01.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Leopoldina, Fortpflanzungsmedizin (2019)). Neue Richtervereinigung, Stellungnahme vom 03.05.2019 zum Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts, abrufbar unter: https:// www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/fg_familienrecht/FG_FamR_2019_04_ Stellungnahme_NRV_Abstammungsrecht.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: NRV, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Statistisches Bundesamt, Datenreport 2018 – Kapitel 2: Familien, Lebensformen und Kinder, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Service/Statistik-Campus/Da tenreport/Downloads/datenreport-2018-kap-2.pdf?__blob=publicationFile&v=4;

Materialienverzeichnis415 zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Statistisches Bundesamt, Datenreport 2018). Statistisches Bundesamt (Destatis)/Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)/Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), Datenreport 2021, abrufbar unter https: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/dr2021_barriere frei.pdf; zuletzt abgerufen am 07.01.2023 (zitiert: Statistisches Bundesamt, Datenreport 2021). Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme [ohne Datumsangabe] des Väteraufbruchs für Kinder e. V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, abrufbar unter: https://vaeterauf bruch.de/fileadmin/user_upload/VAfK-StellungnahmeAbstammungsrecht1903. pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme [ohne Datumsangabe] des Väteraufbruchs für Kinder e. V. zum Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung des Samens, abrufbar unter: https://­ vaeteraufbruch.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/pdf/VAfK-Stellungnahme Referentenentwurf-Recht%20auf%20Kenntnis%20der%20Abstammung_1610. pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Väteraufbruch für Kinder e. V., Stellungnahme zum SaRegG). Verein Spenderkinder e. V., Stellungnahme des Vereins Spenderkinder vom 07.05.2019 zu dem Diskussionsteilentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom 12.03.2019, abrufbar unter: http://www.spenderkinder.de/wp-content/uploads/2019/05/190815_ Stn_Spenderkinder_AbstammungsR_2019.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Verein Spenderkinder, Stellungnahme zum Diskussionsteilentwurf). Verein Spenderkinder e. V., Stellungnahme des Vereins Spenderkinder vom 25.10.2016 zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vom 06.10.2016 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen, abrufbar unter: http://www.spenderkin der.de/wp-content/uploads/2016/10/SaReG_Stn_Spenderkinder.pdf; zuletzt abgerufen am 27.11.2022 (zitiert: Verein Spenderkinder e. V., Stellungnahme zum RefE zum SaRegG).

Stichwortverzeichnis 2-PN-Zellen  193 Abstammung  47–49, 51–56, 232 f. Abstammung, Recht auf Kenntnis der eigenen  35, 40, 42, 113, 122, 213, 231–248 –– Anonymitätsvereinbarungen  104 f., 247 –– Auskunftsanspruch gegen den Arzt auf Offenbarung der Spenderidentität  234 f. –– Auskunftsanspruch gemäß SaRegG  236–238, 358 –– Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)  234 –– Auskunftsansprüche des Spenders/der Empfängerin gemäß SaRegG  242 –– Rolle des Notars bei Sicherung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung  235 f., 246 –– vertraglicher Auskunftsanspruch des Kindes  105, 235, 352 f. Abstammungsklärung de lege ferenda, rechtsfolgenlose  345–347 Abstammungsprinzip  52–56, 280, 289, 356 Adoption –– Dekretsystem  83, 93 –– Minderjährigenadoption  81–85 –– notarielle Beurkundung  98–100 –– Verpflichtung zur  142, 155 –– Vertragssystem  83, 93 Amt, öffentliches  65–67, 77 Amtsermittlungsgrundsatz  94 f. Amtsgewährpflicht siehe Urkundsgewährpflicht Amtspflegschaft des Jugendamtes  89, 223

Amtspflichten, notarielle  67–69, 77–79 Anfechtung der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung –– Anfechtungsgegner  189 –– wegen Drohung/arglistiger Täuschung  189 –– wegen Irrtums  188 f. Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft de lege lata  35, 56–58, 88, 94 f., 139–141 –– Anfechtungsrecht des Kindes  103, 139, 160 –– Anpassung infolge Anerkennung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung  232 f. –– Ausschluss des Spenders infolge Verzichts  205–229 –– Ausschluss infolge Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  160–164, 168 f., 199–204 –– notarielle Belehrung bei Abschluss von Kinderwunschvereinbarungen  103 –– Verzicht auf Anfechtungsrecht des Kindes  140, 160 Anfechtung rechtlicher Elternschaft de lege ferenda  –– Anfechtungsausschlüsse  338–343 –– Anfechtungsberechtigung  333 –– Anfechtungsfristen  343 f. –– Anfechtungsrecht des Kindes gemäß Diskussionsteilentwurf  339 f. –– Anpassungsvorschläge durch Diskussionsteilentwurf  332–345 –– Ausschluss infolge Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  311–313 –– Einschränkungen des Anfechtungsrechts  335

Stichwortverzeichnis417 –– Voraussetzungen  334 f. Anfechtungsausschluss infolge Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung de lege ferenda  311– 313, 338–340 Anfechtungsausschluss infolge Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung de lege lata  140, 160–164, 168 f., 199–204 Anfechtungsprinzip  94 Anwendbarkeit des Abstammungsrechts auf gleichgeschlechtliche Frauenpaare  150–154 Arbeitskreis Abstammungsrecht  152, 263, 265 f., 268, 285–288, 290, 307, 336, 340 f., 367 Arzneimittelrecht  41 Arztvorbehalt  111, 122–125, 130, 137, 181 Aufklärung im Rahmen der ärztlichen Heilbehandlung  38, 179, 313–318 Ausschluss der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung de lege lata  139 f., 142, 153, 156, 160, 203, 213–215, 222 f., 229, 245 Ausschluss der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung nach künstlicher heterologer Befruchtung de lege ferenda  –– Feststellungsausschluss bei alleinstehenden Frauen  297 f. –– Feststellungsausschluss des offiziellen Spenders  292 f. –– Feststellungsausschluss des privaten Spenders  293–297 Becherspender siehe Samenspende/r, private/r Befruchtung –– ärztlich assistierte  39, 121, 126–129, 214, 244, 291, 351 –– donogene siehe Befruchtung, heterologe –– heterologe  28 –– homologe  28

–– in-vitro  30–34, 192–195 –– in-vivo  191 f. –– konsentierte heterologe  106, 183, 206 f., 276, 346 –– künstliche  28, 30 –– medizinisch unterstützte siehe Befruchtung, ärztlich assistierte –– quasi-homologe  28 Befruchtung, künstliche –– Arztvorbehalt  111, 122–125, 130, 181 –– Kostenerstattung  36–38 –– private  29, 42, 123–125, 130 f., 142, 166, 228, 236, 293–297, 325 f., 333, 352 f., 365 Befruchtungseinrichtung  240 f., 294, 357 Beglaubigung, öffentliche  72 Beibringungsgrundsatz  94 Beistandschaft des Jugendamtes  144 Beiwohnung  201, 205–207, 277, 333 Beratung, medizinisch-psychosoziale  103, 121, 240, 314 Beteiligte am notariellen Urkundsverfahren  74 f. Beurkundung im Rahmen heterologer künstlicher Befruchtung, notarielle –– Ablehnung bei privatautonomer Erklärung zur Begründung des Kindesstatus  143 f. –– Ablehnung wegen Gewissensgründen/ Befangenheit  132–136 –– Aufklärung/Dokumentation gemäß SaRegG  246 f., 318 –– Beratung/Gestaltung bei Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  178, 181, 184 f., 196, 198 f. –– Beratung/Gestaltung bei Freistellungsvereinbarungen  260 f. –– Beratung/Gestaltung bei Kinderwunschvereinbarung gleichgeschlechtlicher Frauenpaare  154 –– Beratung/Gestaltung bei konkludentem Unterhaltsvertrag infolge Einwilligung  256 f.

418 Stichwortverzeichnis –– Beratung/Gestaltung bei präkonzeptioneller Vaterschaftsanerkennung  149 –– Beratung/Gestaltung bei Verpflichtung zur Vaterschaftsanerkennung  159 –– Beratung/Gestaltung bei Verzicht des Spenders  215, 226–229 –– de lege ferenda bei Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  302–327, 329–331, 351–354 –– de lege ferenda bei Verzichtserklärung des Spenders  293, 297, 350 –– fakultative Versagungsgründe  131 f. –– Kinderwunschvereinbarung, notarielle Belehrung  103 f. –– Sachaufklärung und Willenserforschung  121 f. –– Vorlage von Indikation und Beratungsbescheinigungen  121 –– zwingende Versagungsgründe  130 f. Beurkundungen im Abstammungsrecht –– notarielle (Adoptionsrecht)  98–100 –– notarielle, de lege ferenda  361–367 –– öffentliche (Vaterschaftsanerkennung/ scheidungsakzessorischer Statuswechsel)  96–98 Beurkundungsmonopol  70 Beurkundungsverfahren, notarielles  66, 69 f., 73–79, 124 f. –– Ablehnungsrecht  77–79 –– Ausfertigung  75 f. –– Belehrung über rechtliche Tragweite  73 f. –– Beurkundungszwecke  71–73, 97 f., 100, 211 f., 297, 304, 308–318, 322, 325, 350, 361–364 –– Entwurfserstellung  75 –– Feststellung über die Geschäftsfähigkeit  319 f. –– Identitätsprüfung  319 f. –– Niederschrift  75 f. –– Sachaufklärung  73 –– Verhandlung  75 f. –– Willenserforschung  73 –– Zuständigkeiten  70 f., 96 f.

Beziehung, sozial-familiäre  57, 60, 200 f., 208–210, 268, 283, 335–338 Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)  236 f., 239, 241 f. Diskussionsteilentwurf des BMJV  263– 367, 376–387 Einwilligung –– gemäß Transplantationsrecht  40 –– in die ärztliche Behandlung  166 f. –– in die Aufnahme freiwilliger Angaben in das Samenspenderregister  239 –– in die Minderjährigenadoption  83 f. –– in eine heterologe künstliche Befruchtung  104 f., 164–204, 299–332 Einwilligung in die heterologe künst­ liche Befruchtung de lege ferenda  299–332 –– Anfechtbarkeit  327 –– einwilligungsberechtige Personen und Erklärungsempfänger  300 f. –– Form  302–327 –– Rechtnatur der Einwilligung  299 f. –– Umfang  302 –– Volljährigkeit/Geschäftsfähigkeit  301 –– Widerruf  328–331 Einwilligung in die heterologe künst­ liche Befruchtung de lege lata  104 f., 164–204 –– Anfechtung der Einwilligung   188–190 –– Anfechtungsausschluss  160–164, 168 f., 199–204 –– Beweislast  198 f. –– Einwilligungsberechtigung  178 f. –– Einwilligungsgegenstand  181 f. –– Erklärungsempfänger  184–186 –– Form  198 f. –– Geschäftsfähigkeit und Altersgrenze  186–188 –– konkludenter Unterhaltsvertrag  162, 168, 170, 197, 201 f., 248–261 –– Preisgabe des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit  170–178, 185

Stichwortverzeichnis419 –– Rechtsbindungswille  179–181 –– Rechtsnatur  164–178 –– Umfang und Abgabezeitpunkt  183 f. –– Widerruf  190–198 Einwilligungsfähigkeit –– gemäß ärztlichem Behandlungsrecht  166, 315 –– gemäß Transplantationsrecht  40 Eizelle –– befruchtete  193 –– imprägnierte  31, 193, 315 –– kryokonservierte  192 f., 302 –– unbefruchtete  193 Eizellspende  32 f., 37, 40, 48, 53, 176, 263, 266 f., 281, 291, 342 Eltern –– intendierte  27 f. –– intentionale siehe Eltern, intendierte Elternrecht, natürliches  51 f., 60, 82, 160, 204, 219, 226, 228, 245, 273 f., 280, 295, 369 Elternschaft –– soziale  27, 59–60 –– voluntative  58–59 siehe auch Eltern, intendierte Elternschaftsanerkennung de lege ferenda  281–286 –– präkonzeptionelle  281 f., 325, 354, 357 f., 365–367 –– Zustimmung des Kindes  284 f. Elternschaftsfeststellung nach heterologer künstlicher Befruchtung de lege ferenda, gerichtliche  282–285, 289–332 –– Einwilligung in die heterologe künst­ liche Befruchtung  299–332 –– Feststellungsausschluss bei allein­ stehenden Frauen  297 f. –– Feststellungsausschluss des offiziellen Spenders  292 f. –– Feststellungsausschluss des privaten Spenders  293–297 –– Rolle des Notars  361–367 –– Systematik  290 f.

Embryo  30, 32, 49, 111, 192–195, 328 f. –– überzählige Embryonen  195, 328 f. –– vertauschte Embryonen  265 Embryonenspende  32, 48, 178, 245, 265, 272, 279, 339 Embryonentransfer siehe Embryotransfer Embryotransfer  32, 34, 198 Empfängnisverhütung  116 f. Entnahmeeinrichtung  29, 34 f., 42, 182, 204, 207 f., 213–215, 225–228, 238–248, 259, 292 f., 298, 338, 349 f. Ergänzungspfleger  200 Erlanger Notarmodell  235 f. Ersatzmutterschaft  32, 36 Familienbegriff des BVerfG  175 Familienplanung  109 f., 115, 117, 119, 190, 315 siehe auch Selbstbestimmung, Recht auf reproduktive Fertilisation siehe Befruchtung Form der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  198 f., 302–327 –– Beurkundungszwecke  308–313 –– Bezug zur ärztlichen Aufklärung im Rahmen einer Heilbehandlung  313–318 –– Bezug zur Aufklärung nach SaRegG  318 –– Diskussionsteilentwurf  307 f. –– Gefahr der Umgehung  320–326 –– Historie der Formdiskussion  303–306 –– Rechtsvergleich  306 f. Formulierungspflicht, notarielle  75 Fortpflanzungsfreiheit, Recht auf siehe Selbstbestimmung, Recht auf reproduktive Fortpflanzungsmedizin –– Gesetzgebungszuständigkeit  33 f. –– historische Entwicklung  45–47 –– mögliche künftige Entwicklungen  48 f.

420 Stichwortverzeichnis Freistellungsvereinbarungen –– ggü. Arzt  106, 143, 316 –– ggü. Spender  105 f., 142 f., 208, 213 f., 218, 227, 258–261 Funktionsträger, staatliche  64 f. Gameten siehe Keimzellen Garantieperson siehe Unterhaltsvertrag, konkludenter Gerichtsbarkeit –– freiwillige  63 –– streitige  63, 66 Geschäftsfähigkeit –– bei Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung de lege ferenda  301 –– bei Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung de lege lata  186–188, 251 f. –– bei Verzicht des privaten Spenders de lege ferenda  295 –– bei Widerruf der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung de lege ferenda  331 –– Feststellung im Beurkundungsverfahren  76, 319 f., 327 Gestaltungsspielräume im Abstammungsrecht, privatautonome –– bei der Minderjährigenadoption  81–85 –– bei der Vaterschaftsanerkennung  86–88 –– beim scheidungsakzessorischen Statuswechsel  92 –– gemäß Diskussionsteilentwurf  361 f. Geweberecht  38–41 Glaube, öffentlicher  70, 323 Handlung, geschäftsähnliche siehe Einwilligung in die heterologe künst­ liche Befruchtung, Rechtsnatur Handlungsfreiheit, allgemeine  81, 108, 176 Höchstpersönlichkeit  83, 87, 115–119, 180, 187, 190, 193, 212, 328

ICSI siehe Spermieninjektion, intrazytoplasmatische Insemination siehe Befruchtung, künstliche Insemination, intrauterine  30 In-vitro-Fertilisation siehe Befruchtung, in-vitro Justizapparat  65 Keimzellen  35–40, 42–44, 48, 110, 128, 174 f., 192 f., 361 Kernverschmelzung  193 f. Kinderlosigkeit, ungewollte  34, 36, 368 Kinderwunschklinik  213, 307 f., 317 Kinderwunschvereinbarung, notarielle  –– Auskunftsansprüche  105, 234 f., 236–238, 242, 352 f., 358 –– Auswirkung von Zulässigkeitsfragen  122–137 –– dogmatische Einordnung  107 f. –– eingeschränkte Bindung  118–120 –– Einwilligung in die heterologe künst­liche Befruchtung  104 f., 164–204, 299–332 –– erbrechtliche Ansprüche  106 f. –– Freistellungsvereinbarungen  105 f., 142 f., 208, 213 f., 218, 227, 258–261 –– Grenzen: gesetzliche Verbote/ Sittenwidrigkeit  110–118 –– klassische Inhalte  102–107 –– Regelungsbedarfe  139–143 –– Sorge- und Umgangsrechte  106 f. –– Teilunwirksamkeit  125 f. –– Unterhaltsansprüche  202, 104–106, 140, 162, 168, 170, 197, 201 f., 248–261 Kinderwunschzentrum siehe Kinderwunschklinik Kindeswohl  35 f., 82 f., 119, 126, 142, 160, 200, 221 f., 226, 267, 276 f., 292, 301, 336–338, 349 f., 363 –– abstraktes  60 f., 160

Stichwortverzeichnis421 Kommerzialisierung  176, 368 Kryokonservierung  31, 44, 195–193, 302 Leihmutterschaft  32–34, 48, 53, 153, 178, 229, 263, 266–269, 279, 281, 354, 362 Mehrelternschaft  52, 219 f., 358–361 Menschenwürde  34, 112–114, 167, 188, 231, 368 Mit-Mutter(-schaft)  150, 263, 269–281, 282 f., 288–292, 298–301, 309, 332–338, 340–344, 356, 367 (Muster-)Richtlinie der Bundesärztekammer siehe Standesrecht, ärztliches Mutterschaft –– gespaltene  36, 48, 110, 225, 268, 279 –– rechtliche de lege ferenda  265–269 –– rechtliche de lege lata  53 Nondum conceptum  147, 249 Notar, Stellung innerhalb der Rechtsordnung  62–69 Numerus clausus im Familienrecht  109 Offizialmaxime siehe Amtsermittlungsgrundsatz Ordre public  267 f. Pater-est-Regel  54, 91 f., 203 Personenstand  48, 50 f., 58, 87, 93, 144, 286, 316, 323, 325, 345, 369 Persönlichkeit, freie Entfaltung der  81, 172, 176 f., 231 Persönlichkeitsrecht, allgemeines  119 f., 168, 172, 187 f., 205, 231, 235, 244, 251 Pille danach  105, 197 Primärzuordnung  56 f. Privatautonomie  59, 80 f. –– bei der Minderjährigenadoption  81–85 –– bei der Vaterschaftsanerkennung  86–88

–– beim scheidungsakzessorischen Statuswechsel  91–96 –– Beurkundungsverfahren  66, 69 –– Erklärungen zur Begründung des Kindesstatus  143 f. –– im Familienrecht  108–110 Realakt siehe Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung, Rechtsnatur Rechtspflege, vorsorgende  63–66, 132, 310, 320 Rechtspflegeorgane, hoheitliche  66 Reproduktion, assistierte siehe Befruchtung, ärztlich assistierte Reproduktionsfreiheit siehe Selbstbestimmung, Recht auf reproduktive Richtlinien der Bundesärztekammer siehe Standesrecht, ärztliches Samenbank siehe Entnahmeeinrichtung  Samenspende/r –– anonyme/r  40, 113, 214 f., 274, 277 –– formalisierte/r  29, 349 –– institutionalisierte/r siehe Samen­ spende/r, offizielle/r –– offizielle/r  29, 52, 139–142, 156, 203–210, 224–226, 245, 259, 292 f., 346, 350, 360 –– private/r  29, 42, 125, 139–142, 204–226, 228, 236, 245, 271, 278, 293–297, 325 f., 346, 352 f., 365 Samenspenderregister  41 f., 235–248 –– Aufklärung  238–241 –– Auskunftsanspruch  236–238 –– Auswirkungen auf notarielle Vereinbarungen  246 f. –– Informationspflicht und -übermittlung im Geburtsfall  241 f. –– Pflichtangaben  239 –– Übergangsregelungen  242–244 –– Zweckbindung und Aufbewahrungspflicht  241 f.

422 Stichwortverzeichnis Scheidungsakzessorischer Statuswechsel de lege ferenda  286–289 –– Reformvorschlag des Arbeitskreises Abstammungsrecht  286 f. –– Reformvorschlag des Diskussionsteilentwurfs  287 f.  Scheidungsakzessorischer Statuswechsel de lege lata  55, 57–59, 223 f. –– Ausgestaltung  91–96 –– Rolle des Notars  97 Schriftform  196, 293 f., 296 f., 302 f., 307–309, 320 f., 327, 339, 362 Schwangerschaftsabbruch  197, 204, 253 f. Sekundärzuordnung  56 f. Selbstbestimmung  81, 120, 159, 368 –– im Rahmen der ärztlichen Heilbehandlung  314 f. –– informationelle  233 –– Recht auf reproduktive Selbstbestimmung  113–115, 118–120, 123, 128, 155 f., 160, 170–178, 185, 187, 190 f., 193, 204 –– Recht auf Selbstbestimmung des Kindes bei der Vaterschaftsanerkennung  284–286 Selbstinsemination siehe Befruchtung, künstliche private Sorgerecht  48, 60 f., 86, 89, 104, 106 f., 122, 155, 200, 217, 262, 284, 312, 359 f. Spendeeinrichtung siehe Entnahmeeinrichtung Spermieninjektion, intrazytoplasmatische  30 f., 192 Standesrecht, ärztliches  182, 185 –– rechtliche Verbindlichkeit von Richtlinien der Bundesärztekammer  43 f., 127–129 –– Richtlinien der Bundesärztekammer  42–44, 126–129 –– Richtlinienrezeption durch Landesärztekammern  134–136 Statusklarheit  57 f., 143 Statusprinzip  50 f., 58, 60

Statussicherheit  57 f., 101, 143 Statuswahrheit  52–59 Stiefkindadoption  104, 106 f., 133, 141 f., 154, 159, 203, 251, 275 f., 278, 343 Strafausschließungsgrund, persönlicher  111, 122 f. Streitvermeidung siehe Rechtspflege, vorsorgende Sukzessivadoption  151, 279 Transplantationsrecht  38–41 Unabhängigkeit, notarielle  67 f., 71, 77 Unfruchtbarkeit  36–38 Ungleichbehandlung –– alleinstehender Mütter durch Abstammungsrecht de lege lata  226 –– gleichgeschlechtlicher Frauenpaare durch Abstammungsrecht de lege lata  274 f. –– gleichgeschlechtlicher Männerpaare durch Mit-Mutterschaft de lege ferenda  278–280 –– von offiziellen und privaten Spendern  durch Abstammungsrecht de lege lata  224–226 Unparteilichkeit, notarielle  68 f., 71, 77 Unterhaltsansprüche, vertragliche  104–106, 140, 162, 197, 201 f., 248–261 Unterhaltspflicht, gesetzliche  202 Unterhaltspflicht siehe Unterhaltsansprüche, vertragliche Unterhaltsvertrag infolge Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung, konkludenter  162, 170, 197, 201 f., 248–261 –– Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage  254–256 –– bei fehlender Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  251 f.

Stichwortverzeichnis423 –– bei fehlender Geschäftsfähigkeit bei Einwilligung in die heterologe künst­ liche Befruchtung  251 f. –– bei nachträglicher Zustimmung zur Einwilligung in die heterologe künst­ liche Befruchtung  253 f. –– bei Unwirksamkeit der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  252 f. –– bei Widerruf der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  197 –– Garantieperson  257, 261 –– notarielle Beratung/Gestaltung  256 Urkunde –– notarielle  70 –– öffentliche  66, 70 –– öffentliche, Beweiskraft  66, 71 –– Zuständigkeiten  70 f., 96 f. Urkundensammlung  76 Urkundenverzeichnis  76 Urkundsgewährpflicht  67, 77–79, 132 Urkundstätigkeit, notarielle  64, 67, 77–79, 123 f., 130 f. Vaterschaft, rechtliche  53–56 Vaterschaft kraft Ehe  49, 53–56 Vaterschaftsanerkennung de lege lata  49, 51, 54 f., 58 f., 86–91, 141 –– durch einen Dritten nach Scheidung siehe scheidungsakzessorischer Statuswechsel –– Höchstpersönlichkeit  87, 187 –– präkonzeptionelle  141, 144–156, 208 –– pränatale  144 –– Rolle des Notars  96–98 –– Verpflichtung zur  141, 155–159 –– Verpflichtung zur ~, notarielle Gestaltung  159 –– Vollstreckung der Verpflichtung zur  157–159 –– Willensmängel  87 –– Zustimmungen der Mutter/des Kindes  86, 89–90

Vaterschaftsanerkennung, präkonzeptionelle  141, 155 f., 262 –– Bedingungsfeindlichkeit  147 f., 208 –– Bezugspunkt  145–147 –– Blanko-Erklärung  146, 148 –– de lege ferenda  281 f., 325, 354, 357 f., 365–367 –– de lege lata  144–149 –– notarielle Gestaltung  149 f. Vaterschaftsanfechtung siehe Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft Vaterschaftsfeststellung de lege lata, gerichtliche  49, 51, 55–57, 59, 61, 200 Vaterschaftsfeststellung de lege lata, rechtsfolgenlose  232 f., 263 Vaterschaftsvermutung  –– des anerkennenden Mannes  55 –– des Ehemannes  54, 202  Veränderungssperre de lege ferenda  282–284 Versagungsgründe im Rahmen einer Beurkundung, notarielle  77–79 Versicherung der Beiwohnung an Eides statt  201, 205, 210, 333, 346 Vertragsfreiheit  108 f., 112 Verzicht des Samenspenders auf seine Elternstellung –– de lege ferenda  293–297, 350–353 –– de lege lata  210–229 –– notarielle Beratung/Gestaltung de lege lata  215, 226–229 Vollstreckung von Ansprüchen auf Abgabe einer Vaterschaftsanerkennungserklärung  157–159 Voluntative Begründungsmerkmale der Elternschaft  58 f., 229, 264, 281, 347–349, 354, 361 f., 367 Widerruf –– bei Adoption  119, 142 –– bei der Vaterschaftsanerkennung  87, 119 –– beim scheidungsakzessorischen Statuswechsel  96

424 Stichwortverzeichnis –– der Einwilligung in die Aufnahme freiwilliger Angaben in das Samenspenderregister  239 –– der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  119 f., 140 f., 149, 190–198, 252, 301, 328–331 –– der Verzichtserklärung des privaten Spenders de lege ferenda  296 f. Widerruf der Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung  104 f., 141 f., 149, 190–198, 252, 301, 328–331 –– Ausdruck des reproduktiven Selbstbestimmungsrechts  190 f., 204 –– Beweislast  196 –– de lege ferenda  301, 328–331 –– Erklärungsempfänger  195 f.

–– Form  196 –– letztmöglicher Zeitpunkt, Zeugung in-vitro  192–195 –– letztmöglicher Zeitpunkt, Zeugung in-vivo  191 f. –– Rechtsfolgen  197 Willenserklärung siehe Einwilligung in die heterologe künstliche Befruchtung, Rechtsnatur Wunscheltern siehe Eltern, intendierte Zulässigkeit heterologer künstlicher Befruchtung  34–44, 114, 122–130, 198, 245, 256, 259, 260 Zwei-Eltern-Prinzip  51 f., 216, 219–221, 223, 291, 298, 359