Des Aristophanes Werke: Teil 3 Die Wolken. Lysistrate. Die Thesmophoriazusen. Die Ecclesiazusen. Die Frösche [Reprint 2014 ed.] 9783111570167, 9783111198613


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German Pages 524 [528] Year 1838

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Des Aristophanes Werke: Teil 3 Die Wolken. Lysistrate. Die Thesmophoriazusen. Die Ecclesiazusen. Die Frösche [Reprint 2014 ed.]
 9783111570167, 9783111198613

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ArLStoVtzÄnes e r k e. Ueber set zt von

Johann Gnstav Drossen.

Dritter Theil. 1. Die Wolken.

3,

2. Lysistrate.

4. Die Ekklestazusen.

5.

Die Thesmophoriazusen.

D ie Frösche.

j} Tl'iS'h tj

V e rlin . 1838: V erlag

von V e i t und Comp.

Meinem Neben Freunde

Eduard Gendemann.

V o r r e d e . < - O e r ursprüngliche P la n dieser Uebersetzung, wie er in der Vorrede des ersten Theiles angeben worden, versprach außer den erhaltenen Stücken noch die Fragm ente und eine Biographie des Dichters. W enn ich von diesem P lan e abweichend meine Arbeit mit diesem dritten Theile schließe, so sind eS neben äußeren Anlässen auch wesentliche G ründe, die mich rechtfertigen mögenB eim Beginn der Arbeit konnte ich noch nicht über­ sehen, welche Ausdehnung die Einleitungen zu den ein­ zelnen Stücken gewinnen und wie oft sie auf die per­ sönlichen Verhältnisse des Dichters eingehen würden. E s giebt wenige biographische Nachrichten über Aristophanes, und dieß W enige ist zum Theil unsicher, zum Theil unbedeu­ tend, überall nicht von der Art, ein deutliches B ild des Dich­ ters, seiner Anschauungsweise, seines poetischen und politi­ schen Charakters, seines Verhältnisses zu seiner Zeit und sei­ nen Zeitgenossen, kurz das, w as einer Biographie ein höheres Interesse als das der Gelehrsamkeit giebt, zu gewäh­ ren. W a s derartiges gewonnen werden sollte, mußte in

den Lustspielen selbst gesucht werden und war von de­ ren näherer Beleuchtung nicht zu trennen. Eine be­ sondere Biographie würde fast nur das schon Gesagte zu wiederholen gehabt haben. Von anderen Fragen, deren noch gar viele übrig find, schienen die einen dem Inte­ resse derjenigen Leser, welche sich diese Uebersetzung vor­ zugsweise wünscht, zu fern zu liegen, und waren an­ dere entweder überhaupt noch nicht zu beantworten oder mir zu schwierig. Mehr verargen wird man es mir vielleicht, wenn ich die versprochene Bearbeitung der Bruchstücke fortge­ lassen habe; es wäre doch schön gewesen, wenn von den sonstigen noch etwa vierzig Lustspielen des Dichters eine ungefähre Ansicht gegeben und damit die wunderbare Fülle dieser überreichen Genialität einigermaßen veran­ schaulicht worden wäre. Es kommt dazu, daß es un­ ter allen philologischen Thätigkeiten vielleicht die hei­ terste und anziehendste ist, einem Dichter, den man lieb­ gewonnen, nachzudichten, und kleine und kleinste Bruch­ stücke, die als armselige Reste eines vollen und lebensfnschen Kunstwerkes übrig geblieben sind, mit den vor­ sichtig gezogenen Linien einer Skizzmmg, wie sie die in­ nigste Vertrautheit mit der Weise des Dichters eingeben mag, zu umzeichnen und zu verbinden. Leichter ist der­ gleichen bei der Tragödie; der ausgeprägte Styl, die ih­ rem Inhalte nach bekannten Stoffe, die regelmäßige Ar­ chitektur der Tragödie können der nachdichtenden Phanta­ sie Maaß und Richtung geben; und wenn ich Aischylos Trilogien durch Welckers berühmte Arbeit festgestellt und ausgeführt fand, glaubte ich unbedenklich auch die frag­ mentieren Stücke in meiner Uebersetzung aufnehmen zu können. Die Komödie dagegen hat in Inhalt und Form

eine so launenhafte, so allen Einfällen, Zufälligkeiten und Beiläufigkeiten bequeme Schrankenlosigkeit, daß V er­ suche nachdichtender Ergänzung auf Gewißheit so gut wie gar keine Ansprüche machen können; und ließen sich die hauptsächlichsten Tendenzen einzelner Stücke auch m it Wahrscheinlichkeit nachweisen, so würde man in ihnen in der Regel das am wenigsten Interessante wiedergefunden haben, man würde die lustige B untheit und Ueberschwänglichkeit des Einzelnen, die geistvolle Führung der S cene», die überraschenden S ituationen, die seltsamen Schattirungcn von hochpoetischen und wieder zotigen, von gra­ ciösen und gemeinen, von frech höhnenden und ernst m ah­ nenden S tellen, m an würde die K u n s t des Dichters doch nimmer wieder zur Anschauung zu bringen vermögen. W a s in dieser Beziehung gearbeitet ist, und unsere D eut­ sche Philologie kann sich meisterhafter Arbeiten von S ü vern, von Fritzsche und vor Allen von unserem geistvol­ len Bergk rühmen, es schien uns nicht von der Art, über die Grenzen philologischen Verkehrs hinaus dem ferner stehenden Publicum zugeführt zu werden, für dessen I n ­ teresse die Resultate gelehrter Forschungen zuzurichten und sie ihm zu vermitteln der Uebersetzer sich bescheiden mag. Und so sei denn dieß Buch zur geneigtesten N ach­ sicht empfohlen. Manchem freilich, und besonders philologi­ schen M ännern mag der ganze Versuch als ein eitler, wohl gar tadelnswerther erscheinen; ist doch dem unvergeß­ lichen W olf in Betreff seiner „W olken" gesagt worden, er hätte Besseres thun können, ihm gesagt worden von dem M anne, den wir alle als eine erste Autorität in unserer Wissenschaft anerkennen. S ollten wir denn noch jetzt lieber Griechische Poesie in Lateinische Verse übersetzt se­ hen? sollte es nicht zu billigen sein, die Dichter, mit de-

rett N am en jeder Gebildete das Vollendetste in der P o e ­ sie bezeichnet, zugänglicher zu machen, als sie im O rigi­ nal dem nicht ausschließlichen S tud iu m des Alterthums je sein können? Z a unsere Wissenschaft selbst mag durch derartige Vergegenwärtigung Einiges gewinnen; nur zu oft verliert sie über das Einzelne den Blick für daS Ganze, oder trennt die Lust überwundener M ühe nicht von der Schätzung ihrer Errungenschaft, oder vergißt, daß die antike P a tin a doch nur ein Rost ist, der ei­ gentlich nicht zur Sache gehört. S ie kann das Uto­ pien des classischen Alterthums aufgeben, sie braucht es nicht mit den Schmuck erlogener Id e a litä t zu umklei­ den, noch der gesunden Natürlichkeit oder der lüsternen Sinnlichkeit das Feigenblatt tieferer Deutung vorzuhal­ ten ; zeige sie uns jene ewig Bewundernswürdigen in ih­ ren Schwächen und Tugenden, in ihrer W eisheit und Thorheit, zeige sie uns nicht Tugendpräparate, sondern Menschen, nicht W under, sondern Werke, nicht wesenlose Träum e, sondern leibhaftige W ahrheit, wie sie auf dem Boden der Wirklichkeiten erwachsen ist und erwachsen konnte, — und wir werden in diesem reichsten B ilde mensch­ licher Entwickelung den all - einen Geist wieder erken­ nen, der sich auch in ihr nicht unbezeugt gelassen hat. Berlin den 18. S ep t. 1838.

3ol). Gust. Droysen.

Die töolkm

Ar,st»»h. III.

A

Personen. S tr e p s l a d e s , ein Akt,scher Landmann P H idi ppid es, sein S ohn. Ein Knecht des Strepfiades. Mehr er e S c h ü l e r des S o kral.s S okrateS. Chor der Wolken. Der Sprecher de.r Gerechtigkeit. De r S pr e c h e r Ve l Ungerechtigkeit. Pasias. Amynias E i n Zeuge. Cbairephon.

Einleitung. j t l uttv den Komödien des Aristophanes ist keine häustger Gegenstand gelehrter Untersuchung gewesen, als die vorlie­ gende der „ M o t t e n " E se wendet fich mit der ganzen Sprudelfüll« von Genialität, Anmuth und Bitterkeit, die de» großen Komiker auszeichnet, gegen d en M ann, bei des­ sen Namen man sich den Inbegriff von sittlicher Würde und philosophischer Sinnigkeit zu denken gewohnt ist. M an kommt hier in eine nicht geringe Verlegenheit. M an liebt es, in Aristophanes nicht bloß den Dichter, son-ern fast noch mehr den Patrioten, den M ann der richtig­ sten politischen Einsicht, den Vertheidiger alles Rechten und Schönen, den unversöhnlichen Feind deS Schlechten und der Entartung zu sehen. Und dieser Aristophanes greift uns den Sokrates an mit einer Heftigkeit und Gründlichkeit, wie sie daö Lustspiel nur irgend gestattet. S oll inan dein Sokrates zu Liebe den Charakter des Dichters Preis geben? soll man dem Dichter beistimmen gegen den edelsten unter den Weisen Griechenlands? M an hat allerlei Mittelwege versucht. „ E s sei g a r n i c h t S o k r a t e S g e m e i n t , s o n d e r » sei n N a m e n u r A 2

für

das a l l g e me i n e B i l d

ei nes So p h i s t e n

ge­

w ä h l t , w e i l di e a nder en So p h i s t e n kei ne A t h e ­ ner gewesen seien."

Aber es ist nicht bloß der Name

des Sokrates, sondern die ganze A rt des Mannes, sein Aenßeres, seine Ausdrucksweise, seine Lehrmethode, kurz Alles, was dem großen Haufen von ihm verständlich sein mochte, zur Darstellung benutzt; und dieser Sokrates, der zwanzig Jahre später den Giftbecher trinken müssen, ist genau we­ gen derselben Dinge, die später von seinen Anklägern mit nur zu gutem Erfolg gegen ihn geltend gemacht wurden, bereits in dieser Komödie verhöhnt worden.

Wenn auch

die Angabe aus späterem Alterthum, Aristophanes habe mit den Anklägern im Einverständniß, ja von ihnen bestochen diese Komödie gedichtet, unzweifelhaft falsch ist, so giebt doch die Apologie des Plato den besten Beweis, daß in den Wolken Sokrates und nur er gemeint ist. Plato läßt den Weisen in jener Verteidigungsrede sagen: „Denn gegen „mich sind schon längst seit vielen Jahren viele Kläger vor „euch aufgetreten, obschon sie nichts wahres sagen.... da sei „ein gewisser Sokrates, ein weiser Mann, ein Grübler des „Ueberirdischen, der auch Alles unter der Erde erforscht habe „und die schwächere Rede zur stärkeren mache; das sind „meine furchtbaren Ankläger.... sie klagten mich gleichsam in „meiner Abwesenheit an, indem niemand vertheidigte... und „was das Verkehrteste ist, man darf nicht einmal ihre Na„men wissen und nennen, falls nicht etwa ein gewisser Ko„mödiendichter unter ihnen is t;

und jene Beschuldi­

gungen habt ihr ja auch in der Komödie des Aristophanes „m it Augen gesehen" u s. w

Es kann darnach kein Zwei­

fel sein, daß Plato den von Aristophanes verspotteten S o ­ krates nicht für eine poetische Fiction hielt; und wenn sich

in den Wolken gewisse von anderen Sophisten entlehnte Züge auf Sokrates übertragen und zu dessen weiterer Verlänmdung benutzt finden, so ist das ein auch sonst von AnstopchaueS benutzter Kunstgriff, der bei der großen Leichtgläu­ bigkeit des Athenischen Publikums seine Wirkung nicht verfehlt. Eine andere Ansicht scheint sich mehr zu empfehlen: S o k r a t e s sei um die Z e i t der Wol ken noch nicht der durchgebildete Phi losoph gewesen; erst in späteren Lebenswahren habe er sich ganz von der ei t l e n S p e e u l a t i o n der N a t u r p h i l o s o p h i e und S o ph i st i k e n t f e r n t , um derentwillen ihn Aristophanes in den Wolfen verhöhne. W ir wollen nichts darauf geben, daß sich keineswegs eine bestimmte Nachweisung über derar­ tiges Fori schreiten ra Sokrates Entwickelung auffinden, viel­ mehr sich wahrscheinlich machen läßt, daß seine weder um­ fangreiche noch systematisch ausgebildete Ansichtsweise von früh an ziemlich dieselbe gewesen sein dürste. Wohl aber ist es gegen die angeführte Erklärung entscheidend, daß Plato in der Apologie seinen Sokrates dergleichen Unterscheidung nicht machen, sondern die Angriffe der Komödie in gleicher Weise wie die der Ankläger zurückweisen läßt. Auch müßte ja die Komödie, wenn sie den Weisen zu jener höhe­ ren philosophischen Vollendung kommen sah, ihn zu ver­ spotten aufgehört haben; statt dessen aber kommt Aristopha­ nes mehrfach auf den widerwärtigen Philosophen und sein verkehrtes Treiben zurück, und noch wenig Jahre vor seinem Tode wird er in den „Fröschen" mitgenommen. Einen sehr beredten Vertreter fand die Ansicht, daß Aristophanes Spott den Sokrates verfolge, w ei l dieser Be wun de r er des E u r i p i d e s gewesen fei, dem der Komiker ewige Feindschaft geschworen zu haben scheine. Man

glaubte unse'reS Dichters Ehre zu retten, wenn man ihn gegen den Weisen, den zu mißachten und in seiner Trefflichkeit zu verkennen der bewunderten Trefflichkeit deKomikers nicht würdig schien, um eines Dritten Willen die giftigsten Pfeile deS Spottes wenden ließ. Wie aber, wenn diese ganze peinliche Frage nur aus Mißverständiß beruhte? Man hat geltend gemacht, nicht S o k r a t e S sei H au ptpe rs on deS Stückes, son­ dern S tr e ps i a d r s und dessen Sohn, an denen die allge-' meine Entarttwg der Zeit dargestellt werden solle, die al­ lerdings durch die neumodische Bildung besonders verschul­ det sei; S o k r a t e s sei als K ar i k a t ur gebraucht, um die Elemente der neuen B i l d u n g an ei ner be­ kannten und wunderlichen Persönl ichkei t zu ver­ gegenwärtigen. Was aber wird mit solcher Deu­ tung gewonnen? Ist Sokrates darum minder blasphemrrt, oder haben die Zuschauer die Denkanstalt des Sokrates in gleich feiner Distinction für nichts als einen trefflichen Theatercoup halten sollen? I n gar sehr anderem Sinne erklärt Sokrates in der Apologie: daß seine gerichtlichen An­ kläger sogar minder furchtbare Feinde seien, als jene, die den Athenern von Jugend an die verkehrten Vorstellungen über sein Thun beigebracht hätten u. f. w. Angenommen auch, daß Aristophanes Recht hätte, alles Uebel im öffentlichen und privaten Leben der neuen Bildung Schuld zu geben, wäre es darum minder boshaft, wenn er dem Einen, den er sich zum Repräsentanten dieser neuen Richtung stempelt, alles Lächerliche, Abscheuliche und Gotteslästerliche dersel­ ben aufbürdet und sein Bild m geflissentlicher Entstellung zu einem Inbegriff alles dessen macht, was Scheelsucht, Partherhaß, Stadtgeklätsch und Bornirtheit den Sophisten

rmrherzählen mochte? war eS besonnen und zum Heil bet Staates, wenn er durch ein unlauteres Vermengen nicht zusammenhängender Bestrebungen und Verirrungen bat sou­ veraine Urtheil des Volkes nur noch mehr zu verwirren suchte und demselben die S y m p t o m e der Krankheit, an der Athens Kraft hinzusiechen schien, als den G r u n d der allgemeinen Verderfmiß darstellte?*) Allerdings krankte der Attische S taa t; aus seiner ei­ gensten Natur war ein Uebel erwachsen, durch welches ferne staatliche Existenz gefährdet und endlich vernichtet wurde. Nicht AristophaneS, wohl aber die gerichtlichen Ankläger M

Sokrates haben diesen Punkt und mit Recht gegen ihn

geltend gemacht. M an ist lange gewohnt gewesen, den Namen der Sophistik mit großer Geringschätzung, ja mit dem unverhohle­ nen Vorwurf der Betrüglichkeit und Heuchelei zu nennen. Man hat sich durch die geistvollen Darstellungen Plato'v be­ stimmen lassen; aber man vergißt, daß eine höhere Ent­ wickelung freilich die Grundlagen, von denen sie ausgeht, Überbaut, daß Plato selbst nicht ohne jene Vorgänger der •) Es wurde hier der Platz fein, auf die Ansicht eines gelehr­ ten Freundes einzugehen, der mit vorzüglicher Kunst zu beweisen gesucht hat, daß die Attische Demokratie in Sokrates ihren gefähr­ lichsten Feind überseitigt habe und daß er, der R e v o l u t i o n ä r , von der Ge s e t z l i c h e n mit vollstem Rechte dem Tode überantwor­ tet sei. Es bedurfte dagegen nicht der wohlgemeinten Apologie des Herrn Brouwcr, wenn sie nicht tiefer in die Bedeutsamkeit jenes welthistorischen Processes einzudringen vermochte, und unser lieber Freund bat in Wahrheit mit ungleich schärferem Geist die Sache der Parthei vertreten, der er einen auch in unseren Tagen gern gehörten und zur Schau getragenen Namen gegeben hat. S ta tt aller weiteren Erörterung ist auf Hegels tiefsinnige Auseinander­ setzung über Sokrates Tod zu verweisen.

hätte sein können, der er ist, daß er endlich seine höher entwickelten Ansichten dem Sokrates in den Mund legt und auf diese Weise ihn in demselben Maaße idealisirend erhebt, wie er den wissenschaftlichen Werth der ihm gegenübergestellten Sophistik herabsetzt.

Er überträgt die Weise der Sophisten

seiner Zeit mit der kunstvollsten Insinuation auf die älteren glorreichen Namen eines Prodikos, HippiaS, Protagoras, Gorgias und laßt, wie den Sokrates als den wahren Weisen, so jene als Repräsentanten der Afterweisheit erscheinen.

Und

doch waren seit dem Auftreten jener Männer dreißig bis vierzig Jahre verflossen, in denen sich m it unglaublicher Heftigkeit und Vielseitigkeit eine gänzliche Umgestaltung des allgemeinen Bewußtseins, der vollkommene Sieg der Auf­ klärung über das althellenische Wesen durchgesetzt hatte. Es ist das größte historische Unrecht, jenen ewig denkwürdigen Geistern, jenen Vorkämpfern der Aufklärung und des ra­ tionellen Erstarkens nicht ihre hohe Berechtigung und Be­ deutsamkeit zugestehen zu wollen. Dre Sophistik ist in der Entwickelung des Hellenischen Geistes, was die Attische Demokratie in der politischen B il­ dung Griechenlands ist.

In

beiden das gleiche Losreißen

von dem Boden des Ueberlieferten, m beiden das stete R in­ gen nach bewußtem Wollen und Handeln, in beiden nicht mehr Herkommen und Satzung, sondern Gründe und Zwecke maaßgebend.

Die Attische Demokratie wird geleitet durch

die überzeugende Beredtsamkeit eines Perikles, ihre Entschließun­ gen sind Folgen der Einsicht und der Erforschung des Zweck­ mäßigen; und eS gehört ein klarer und umsichtig gebildeter Verstand dazu, das politisch Zweckmäßige aus der Menge der Möglichkeiten heraus zu erkennen

Wer sich dem öffentli­

chen Leben widmet, — und welcher Athener wünscht das

9

Ol- Wolken.

nicht — muß vor Allem die Klarheit und Sicherheit ratio­ neller Einsicht zu gewinnen trachten, er muß aufgeklart sein um die Menge über das Nützliche und Nothwendige aufklärend zu überreden; — und gerade das ist es, was die Sophisten durch ihren Unterricht versprachen; sie adoptirten deshalb jenen Namen, der schon seit SolonS Zeit einen in der Staatskunst Umsichtigen bezeichnete. Ih re Lehre war besonders darauf gewandt, durch Uebung des Nach­ denkens, der Beobachtung, des Unterscheidens dem Geiste die freie Beweglichkeit zu schaffen, die noch bis auf den heutigen Tag der Zweck des Unterrichtes ist.

Sie lehrten,

wie über jede Sache sich für und wider sprechen lasse, und wie man dem unmittelbaren und seiner selbst nicht bewuß­ ten Gefühle gegenüber, erst durch die klare Einsicht der Gründe und Gegengründe die Freiheit einer höher bestimmten Ent­ scheidung gewinnen könne; — und gerade das ist es, was noch heute den Gebildeten von dem Ungebildeten unterscheidet, daß er nicht ein Spiel von momentanen Eindrücken und Unwillkührlichkeiten ist, sondern durch klaren Verstand und vorurtheilSfreie Einsicht Herr über sich und seine Verhält­ nisse bleibt. Es ist nicht zu läugnen, daß aus jenen beiden herr­ lichsten Gütern des Athenälschen Lebens, aus der demokra­ tischen Freiheit und der sophistischen Aufklärung, durch in­ nere Nothwendigkeit gewisse Erscheinungen erwachsen sind, die endlich zu einer allgemeinen sittlichen und Auflösung fuhren mußten.

politischen

Wandte die Sophistlk ihren

schneidenden Verstand gegen das Positive, forderte sie für jedes Geltende erst Begründung durch Zweckbestimmung oder Kausalzusammenhang, motwirte sie Aeußerungen der allge­ meinen Sittlichkeit, etwa das „Betrüge nicht” durch ein

hinzugefügtes „denn sonst verlierst du deinen Credit," machte sie ihre Weise, auf allgemeine Satze und Gründe zurück­ zugehen, zur herrschenden Charakteristik der Zeit, so war natürlich die alte Zeit mit ihrer eigenthümlich heiteren und poetisch empfänglichen Sinnigkeit dahin, das Dichten und Mythistren wich der verständigen prosaischen Ergründung, der sich selbst vergessende Patriotismus egoistischer Berech­ nung, das freudige Gefühl gemeinsamer Kraft und Bestre­ bung zersplitternden und engherzigen Nützlichkeitstheorien. Dazu entwickelte sich durch die Befähigung und geistige Ueberlegenheit, welche die Sophistik gewahrte, der Unterschied von Gebildeten einer unaufgeklärten, leitbaren, der Bevor­ mundung bedürftigen Menge von Idioten gegenüber. Und schon hatte die Demokratie theoretisch wenigstens den Unter­ schied von vornehm und gering, von reich und arm überseitigt, es suchten die so um ihre Borrechte Gebrachten sich in einer neuen Aristokratie der Bildung durch den Einfluß im Rath, im Volk und in den Gerichten, welchen die Ge­ setze der Beredsamkeit und politischen Einsicht gestatteten, zu entschädigen. So hatte sich aus der volkstümlichen Verfas­ sung heraus eine oligarchische Tendenz gebildet, welche mit den alten, nie vergessenen Anmaßungen und der Ausschließ­ lichkeit geschlechtlichen Adels die ganze Gesinnungslosigkeit der neuen Aufklärung verband, welche sich der der Zeit ei­ genthümlichen Bewegung bemusterte und sich zugleich zu derjenigen auswärtigen Macht hinneigte, die, gegen jeden Fortschritt und jede Entwickelung verschlossen, die Demokra­ tie, wo sie es konnte, bekämpfte. — Daß die Philosophie des Sokrates, wenn man sie so nennen will, aus demselben Boden mit der Sophistik er­ wachsen, \a ihr in den wesentlichsten Tendenzen gleich war,

darf nicht mehr geläugnet werden; ihn unterscheidet von jenen aber, daß er dem von allem äußerlich Festen und A n­ erkannten losgelösten Geiste eine neue und festere Haltung durch das Geltendmachen deS „Guten" zu geben, du reich entwickelte rationelle Kraft von äußerlichen und egoistischen Zwecken hinweg .und in sich selbst zum Bewußtsein dessen, was recht und des Strebens werth sei, zurückzuführen suchte. E s war hiemit ein unendlicher und in seinen Folgen ewig denkwürdiger Fortschritt gemacht; die Freiheit, die sich m der Demokratie und in der Aufklärung gegen alles S u b ­ stantielle und Ueberlieferte gewendet hatte, fand fortan in der Subzectivität ihren wahren Boden, in dem Gefühl des Rechten und dem Bedürfniß des Guten ihr wahres M a a ß ; eine Umkehr, die freilich den noch bestehenden staatlichen Verhältnissen nicht ersprießlich sein konnte, vielmehr sind ge­ rade aus dem Umgange mit Sokrates jene politischen Theorien entsprungen, die m ihrer rücksichtslosen Abstraction dem S ta a te unsägliches Unheil bringen sollten. S o hätte also Aristophanes. doch wohl Recht, in den Wolken m it so grellen Farben ein abschreckendes B ild von Sokrates und seiner Schule zu mahlen? Wenigstens, daß er es gethan, würde man seinem redlichen Patriotism us zu G ute rechnen müssen, wenn er auf den in der That an­ greifbarsten Punkt der Sokratischen Lehre, ans ihre oligarchlsch-destructlve Tendenz eingegangen wäre; man würde eS dem Athener nicht verübeln, wenn er den Fortschritt von der nur stadtbürgerlichen zu einer kosmopolitischen, zu einer wahrhaft menschlichen Freiheit nicht anerkennen wollte. Aber davon berührt Aristophanes nichts; vielmehr ist es die harm­ lose und wohlwollende Lehrthätigkeit des Sokrates, die mit den craffesten Uebertreibungen und Lügen als ein Focus

von Unsinn iinb B ethörung dargestellt wird. Nicht etwa, als wäre das AlleS in heiterer Unbefangenheit nur so hin­ geschrieben oder als hätte der lustige P oet nicht hinlängliche Notiz von S okrates T hun und Treiben gehabt und des­ halb W ahres und Falsches in bunter V erw irrung durch ein­ ander gemengt; er kennt S ok rates und dessen Eigenthüm ­ lichkeit wenigstens genug, um in den geschilderten Verkehrt­ heiten noch die unzweideutigste Ähnlichkeit durchscheinen zu lassen, und sein geistvolles Kustwerk ist durchaus d ar­ auf angelegt, gerade diesen allbekannten S ok rates mit sei­ ner Lehr- und Denkweise der allgemeinen Verachtung P reis zu geben. M a n hat es uns ernstlich verdacht, wenn wir Kleon gegen Aristophanes in Schutz zu nehmen versuchten; man wird es uns consequenter Weise auch verdenken müssen, wenn wir uns in Beziehung auf S okrates gegen den Dich­ ter erklären müssen, der uns in seinen Wolken weder von seiner Redlichkeit noch von seinem demokratischen Elfer, weder von seiner Einsicht noch von seiner Achtung gegen persönlichen W erth einen Beweis gegeben zu haben scheint. Aristophanes hat die B ildung und die Gesinnungslosigkeit seiner Zeit in vollstem M aaß e in sich aufgenommen; so jung, wie er noch ist, ohne Respect und ohne Wahrhaftigkeit, gleicht er selbst dem „Svrecher der Ungerechtigkeit," der durch die Kunst und den Reiz seiner Rede auch das Unwahrste überzeugend dar­ zustellen weiß. — M a n hat uns nicht minder die Aeußerung ver­ dacht, daß mit der Aristophanischen A rt des S p o tte s G e ­ sinnung nicht vereinbar sei; man macht besonders geltend, daß er einem höheren Interesse alle persönliche Rücksichten aufopfere, daß er im Gefühl des Verderben- seiner Zeit mit hoher Begeisterung zurückweise auf die größere Vorzeit,

und daß es sein schönes Bestreben sei, fernem Volke die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit" immer von Neuem zu wecken und zu schärfen. M a n verglßt, daß dergleichen etwa gerade so gescheut ist, wie wenn man einem Erwachsenen riethe, wieder ein Kind zu werden; man vergißt, daß jene „gute alte Z elt" wie sie Aristophanes schildert, ohne sie noch m it erlebt zu haben, eine Fiction ist, in der er, mehr poe­ tisch als der W ahrheit gemäß, nichts als Tugend und Glückseligkeit zu sehen glaubt. W ill man dergleichen F a n ­ tasien Gesinnung nennen, so sind wenigstens die M ittel, die zu deren Verfechtung verwandt sind, gesinnungslos und gar nicht m der hochgepriesenen edleren Weise der „guten alten Zeit." E s ist vielmehr in dem S i n n der I d i o ­ ten, gegen die Wissenschaften die Trivialitäten von Nutzlo­ sigkeit, Vergeblichkeit, M üßiggängern geltend zu machen; es ist im S in n e der argwöhnischen Dum m heit, Abschaf­ fung althergebrachter Mißstände, etwa eines confusen K a­ lenders, als Gefährdung heihgster Rechte zu verschreien; es ist in dem S in n e niedrigster Gem einheit, was man nicht begreift, mit Hohn zu besudeln und fremde A n ­ sicht durch Herabwürdigung ihrer V ertreter zu bekämpfen. Freilich die Lacher und den Pöbel mag solches Thun für sich haben. Aber, sagt man, so ist ja das Wesen der Aristophani­ schen Komödie! Eben darum soll man sich hüten, ihr den hohen moralischen W erth beizulegen, auf den diese A rt des S p o tte n s keinen Anspruch machen darf. M a n soll auch nicht nim m t, es sei die antike M oralität in der Weise an ­ ders wie unsere Ansichtsweise, daß matt die Perfidie und Anschwärzerei der Komödie für nichts als lustige Neckerei gehalten hätte. D te alte Komödie ist selbst eine der spre-

chendsten Erscheinungen der Zeit, auf deren Verderbtheit sie immerfort schilt, und ihre Möglichkeit und Popularität ist für die Verworrenheit des allgemeinen sittlichen Bewußt­ seins ein stärkerer Beweis als die Anklagen und Insinua­ tionen, mit welchen sie selbst so freigiebig ist. Von solchen Gesichtspunkten aus betrachtet, büßt die Komödie zwar einige sehr erwünschte Vorurtheile, aber kei­ neswegs das ein, worin ihr eigentlicher Werth besteht. Ohne Ansprüche auf Eigenschaften zu machen, die für die Kunst indifferent sind, hat sie ihre ganze Energie und daS Maß ihres Werthes in der unvergleichlich hohen künstleri­ schen Vollendung,'mit der sie ausgestattet ist. Nur diese bestimmt den Werth eines Kunstwerkes überhaupt, nicht die sonstigen Gesinnungen, Absichten, Grundsätze u. s. w., für welche die künstlerische Form etwas Zufälliges, ja oft unge­ nügend fein würde. Is t die Form der vollkommene Orga­ nismus des Inhaltes, ist beides zu einer in sich beschlosse­ nen Idealwelt vereinigt und durchdrungen, so ist das Kunst­ werk vollendet. Die Kunst des Aristophanes, so unendlich vielseitig und leichtfertig sie erscheint, bewegt sich in sehr bestimmten und mit dem feinsten Tact gezogenen Grenzlinien. Ihren Diony­ sischen Ursprung bewahrt sie gern in der seltsamen Logik, mit der sie statt des landesüblichen Zusammenhanges der Dinge, einen ganz besonderen, augenfälligeren herausfindet, dem lustigen Trunkenbolde ähnlich, der im Rausche sich wun­ dert, wie ein Mensch aus so schmalen Dingelchen, wie die Füße sind, gehen kann, oder der sich auch einmal die Mög­ lichkeit denkt, daß man statt ihrer die Hände brauchen könnte. An solche schnurrige Dinge anknüpfend, geht sie dann con-

sequent w eiter, weist au f, wie sich in solcher Verkehrung M e - erst recht an seinem Platze befindet, und vollendet sich endlich in der glücklichen Selbstvergnüglichkeit und dem G e­ fühl de- Heimischseins in dieser verkebrten W e lt, die denn doch wieder die nicht minder verkehrte W irklichkeit abspie­ gelt. Drese seltsame Lustigkeit, dieser überm üthige Schlußjubel de- sinnigen U nsinns ist der Komödie wesentlich und AristophaneS h at sie sonst überall, selbst in den R ittern , auf das Trefflichste bewahrt. Z n den W olken finden w ir es nicht so; statt daß m an ein feierliches E rfüllen aller der Hoffnungen, zu denen die raschen und glücklichen Fortschritte des Phl'dippides berechtigen, erw artet, schließt das S tück m it dem Niederbrennen der Denkerei, und das ganze S tück wird dadurch auf eine sehr handgreiflick>e M o ra l hingegipfelt, eine M o ral, die desto unangenehmer wirkt, da sie ohne poetische Gerechtigkeit ist. D en n StrepsiadeS hat sich und seinen S o h n dem S okrateS aufgedrängt, hat in unredlichem Bestreben dessen Lehre für sich benutzt, und wendet endlich, nachdem sie ihm in bester Consequenz P rüg el von seinem S o h n e ver­ schafft hat, seinen Z orn nicht gegen sich, sondern gegen S o ­ krates, der als B e trü g e r, nicht als bloßer N a rr geschildert sein müßte, wenn der dargestellte V organg gerechtfertigt er­ scheinen sollte. N icht m inder auffallend erscheint ein Zweites. A ri­ stophaneS versteht eS, m it der treffendsten Kunst einen Chor dem Zusammenhang des S tückes entsprechend und zu dessen Entwickelung wesentlich einzuführen. S o ist es von der herrlichsten Energie, daß die leeren, luftigen W olken den Chor zu den alfanzigen Speculationen und den überspann­ ten Luftschlössern der Komödie bilden. Aber diese Wolken

verlieren schließlich so ganz ihren Charakter und ihre S te l­ lung, daß sie erklären, sie verlockten den Menschen geflissent­ lich zu allem Unfug, damit derselbe tief gestürzt einsehen lerne, er müsse die Götter ehren. Man hat auch das durch philosophische Deduction zu rechtfertigen gewußt, aber die Gesetze der alten Komödie leiden es nicht, das Spiel zu einer Allegorie speeulativer Gedanken zu machen; der Maß­ stab der Poesie ist nicht die Logik.

Die poetische Wahrheit

hätte gefordert, daß jene Göttinnen Wolken ihren Liebling Sokrates retteten, die Feuersbrunst löschten und ihn oder seinen gelehrigen Schüler Phidippides,

ich weiß nicht wie,

erhöhten. Noch in einem dritten Punkte scheint uns etwas Auf­ fallendes zu liegen. Es betrifft dieß die geistvolle Erfindung der beiden Redenschaften oder Logoi.

Es ist sehr schön, daß

von diesen Strepsiades anfangs mit so seltsamen Vorstellun­ gen spricht: in der Denkerei hätten sie einen stärkeren Lo­ gos und einen schwächeren (wie denn gewisse Sophisten zu lehren versprachen, wie man den schwächeren Logos zum stärkeren machen könne).

Beide gehören also mit zu dem

Lehrapparat der Denkerei, und jedenfalls muß, was von dort­ her kommt, im Sinne der neuen Bildung und ihrer Ver­ worfenheit sein.

S ta tt dessen wird, sobald die beiden Ge­

stalten auftreten, aus dem stärkeren ein gerechter Logos, ein Vertreter der guten alten Zeit, eine Personification dessen, was man am allerwenigsten in der Denkerei zu finden er­ warten dürfte; und endlich besiegt durch die Künste der Schwächeren oder Ungerechten läuft der Gerechte, von der Bühne und flüchtet sich zu dem Publikum, wo er nach sei­ ner eignen Schilderung keinesweges die seiner Weise ent­ sprechende

sprechende Gesinnung erwarten kann. E s hat keine B edeut­ samkeit, daß bis zu diesem D isp ut hi» der Gerechte in der Denkerei gewesen ist und nun fortläuft; es ,st diese ganze Aufstellung nicht in richtigem Zusammenhange m it der An­ lage des S tü c k s, und gleichsam nicht durchorganisirt von der künstlerischen Id ee , die dasselbe belebt. W ie geistvoll und anziehend auch im Sonstigen die Komödie der Wolken ist, wir müssen uns ganz zu dem U r­ theil bekennen, welches von dem größten Kritiker unserer Zeit ausgesprochen ist. Herm ann sagt in der Vorrede feiner musterhaften Edition der W olken: „er meine, daß die B e ­ wunderung, welche man in der Regel den Wolken zolle, keineswegcs auf hinlänglichen G ründen beruhe; die Einen schie­ nen diese Komödie zu bewundern und zu preisen, weil sie sie öfter und genauer gelesen hätten als andere Stücke, die Anderen wegen des hochberühmtcn N am ens des Sokrates, Andere, weil der Dichter selbst sie sein bestes Stück nenne; jedenfalls müßte man, wenn man Aristophanes genauer kenne, manchem anderen Stücke den Vorzug einräumen." D ie Aeuße­ rung des Dichters ist in den Wespen v. 1037. in der Parabase: N e in , sagt er, auch ;etzt noch kämpft er für euch und wagte so gut wie m it jenem Sich im vorigen J a h r an die B räune des V olks, de» verdorbenen M agen, den Brustkrampf, D ie den V ätern Beklemmungen machen des Nachts, Großvater ersticken und tödten, Und denen von euch auch stören die R u h , die fern von Processen sich halten, SU-lstPVb. m . B

S i e m it Reinigungseid und B orladung und Zeugenverhör überstürzen, D a ß mancher m tödtlicher Angst aufsprang und sich re t­ tete zum Polemarchen. D a ihr so als Gesahrabw ender ihn kennt, als Scheusals­ saubrer der H ennath, S o gabt ihr ihn vorigen J a h r s doch P r e is , da er S a a men der neusten Erkenntniß I n das Herz euch säte; doch ging sie nicht au f, denn ihr faßtet ihn eigentlich gar nicht. Und doch, bei dem W ein Dionysischer Lust, ich beschwör' es und aber beschwör' es D a ß niemals niemand schönere V e rs' m Komödien hörte wie jene. A us dieser S telle so wie aus sonstigen Ueberlieferun­ gen erfahren wir, daß die W olken in den großen Dionysien unter dem Archonten Jsarchos, d. h. im Frühling des J a h ­ res 4 2 3 aufgeführt sind. C s erhielt dam als die „ ^ y tin e ” oder --Flasche" des alten K ratm den ersten, der „K om m s" des Ameipsias den zweiten P reis. E s mochte fü r den Zungen D ichter, der Ja h re s vorher einen so glanzvollen S ie g m it fernen „ R itte rn " gewonnen hatte, empfindlich genug sein, sich dem alten K ratm und dem von ihm verachteten AmeipsiaS nachgesetzt zu sehen. D ie G ründe, welche das Publicum und die Kunstrichter bestimmten, müssen w ir ununtersucht lassen, da w ir das Stück nicht mehr in der G estalt kennen, die es dam als h atte; denn Aristophanes selbst veränderte vielfach die Komödie, die er zu einer neuen Aufführung bestimmte. I n einer alten Ueberlieferung heißt es, daß mancher­ lei geändert worden, so die Parabase, so die S telle, wo der

gerechte gegen den ungerechten Logos spricht, so zuletzt, wo die Schule des S o k rates niedergebrannt wird. S o gewiß die Tendenz der ersten W olken dieselbe gewesen ist wie die der uns vorliegenden B earbeitung, eben so gewiß scheint es zu sein, daß diese in wesentlichen Einzelheiten anders ge­ w andt ist. Ic h berufe mich nicht auf die wenigen F rag ­ mente, die entweder aus Aristophanes Wolken citirt werden ohne sich in unserer E dition zu finden, oder auch wohl den ausdrücklichen Beisatz „ a u s den ersten W olken" führen; eS ist ein ungemein gewagtes U nternehm en, aus einzelnen W orten und Sätzchen Komödien reconstruiren zu wollen, die ja ihrer N a tu r nach gar sehr Entlegenes noch m it zu besprechen Gelegenheit finden können. Ergiebiger scheinen die oben aus der Parabase der W espen angeführten Verse, namentlich die E rw ähnung des Polem archen; doch mag weitere A usführung einer andern Gelegenheit vorbehalten bleiben. D aß die W olken zum zweiten M ale in den Dionysien 4 2 2 aufgeführt seien, berichten die Scholiasten mehrfach, aber unfehlbar irriger Weise, obschon man wohl zugeben muß, daß der D ichter für diese Dionysien eine W iederholung be­ absichtigte. D enn die S pöttereien über Kleons Feldherrn­ schaft (Parabase v. 581 ff.) beziehen sich, so viel w ir nach­ weisen können, auf dessen letztes Lebensjahr und die U nter­ nehmung nach Thracien (4 2 2 ) Aber andererseits werden in derselben Parabase wieder Sachen erwähnt, die späterer Z eit angehören, so wird v. 5 53. von Eupolis „ M arik a s" welcher erst 4 2 0 zur Aufführung gekommen ist, behauptet, er fei den „ R itte rn " nachgemacht. W enn E upolis im J a h re 4 1 5 in den „ B a p ten " erklärte, daß er dem Aristophanes die B 2

„ R itte r" habe machen helfen, so liegt darin wohl kein G ru nd zu der Annahme, daß kurz vorher etwa die zweite B earbei­ tung der W olken auf die B ü h n e gekommen sei, da Aristophanes Aehnliches auch in andern Komödien konnte geäußert haben, wie K ratin schon in der P ytine (4 2 3 ) behauptete, bei den R itte rn habe Eupolis das Beste gethan. Finden w ir so in der P arabase außer einem Abschnitt, der schon in den ersten W olken gestanden haben muß, A n­ deres, w as im J a h re 4 2 2 , Anderes, w as nach 4 2 0 hinzu­ gefügt ist, so w ar es wohl nicht zu dreist, wenn große Kritiker auch die B earbeitung des G anzen für unvollendet dielten. — W ir würden noch eine R eihe von Einzelheiten be­ sprechen können, wenn dieselben nicht theils für das V e r­ ständniß der Komödie minder wichtig erschienen, theils auch in den N oten einen gelegneren Platz fänden. N u r über eine in neuster Z eit versuchte D eutung der beiden H au p t­ personen neben S o k rates glauben w ir nicht hinweggehen zu dürfen. D er verstorbene S ü v e rn hat in einer m it Recht gepriesenen Abhandlung geltend zu machen gesucht, daß in Phidippides niemand anders als Alkibiades durch­ genommen werde, ,,den er schonend noch und scherzend, fügt H err Forchhammer hinzu, m it fremden N am en PhidippideS nennt, während er den V a te r Strepsiades durch das Lager, auf dem er zuerst erscheint, als den alten K leinias bezeich­ net". Freilich wird man von Kleinias nicht nachweisen können, daß er ein alter B au ersm ann gewesen, auch w ar er bereits geraume Zeit vor den Wolken gestorben; indeß

würden sich diese und ähnliche Unpäßlichkeiten noch ertragen lassen.

Dagegen wäre Aristophanes gewiß, wenn er den

in den Wespen schon verspotteten und genannten Alkibiades gemeint hätte, über das zweideutige und gewiß stadtbe­ kannte Verhältniß

des Sokrates zu dem schönsten der

Jünglinge wohl schwerlich ohne einige Anspielungen hin­ weggegangen.

Ueberhaupt aber ist in PhidippideS Eigen­

thümlichkeit nichts, waS ausschließlich den Alkibiades be­ zeichnen könnte, sondern eS sind die wesentlichsten Charak­ terzüge der damaligen Jugend überhaupt, so daß immer­ hin der Zuschauer sagen mochte:

„D e r Alkibiades ist auch

so einer!" Noch ein Wort von unserer Uebersetzung. W ir be­ kennen, daß uns durch W o lfs herrliche Übertragung die Arbeit nicht erleichtert sondern erschwert worden ist; die fest ausgeprägte und dem Classischen merkwürdig verwandte Eigenthümlichkeit jenes unvergeßlichen Gelehrten, die kecke Grandiosität seiner Laune und die Attische Kühnheit seines allseitig beweglichen und freien Sinnes hat sich nirgend an­ ziehender und imponlrender abspiegeln können als in den deutschen „Wolken".

Es ist ein peinliches Gefühl, nach

solchem Vorgänger eine Arbeit unternehmen zu müsse», deren Erfolg nicht durch Gelehrsamkeit oder Fleiß, sondern zum besten Theil Talent bedingt ist.

durch ein eigenthümlich nachdichtendes Man wird eS gefälligst nicht einer

eitlen Selbstüberschätzung zuschreiben, wenn ich nicht W olfs Verse als

die bestmögliche Uebersetzung durchgehend ab­

geschrieben habe; aber oft genug verzweifelte ich so ganz an der Möglichkeit, etwas Besseres, als er schon gegeben, aufzufinden, daß ich seine eigensten Worte unverändert ans

nahm. I n änderet Weise nützlich w ar m ir die alte kern­ gesunde Berteutschung von Christ. G ottf. Schütz; auch W olf hat sie unfehlbar vor Augen gehabt. M a n könnte Schützens A rt zu übersetzen Plautinisch nennen; in ihrem kraftvollen S M , der dem Besten aus der alten guten Z eit der Deutschen Prosa an die S e ite zu setzen ist, in ihrem derben H um or und der wackerenRüstigkeit des Fluchens und R adottirens ist sie höchst ergötzlich zu lesen.

Die toolkeit. Erster

Ä c t.

Ert'te Scene. M itternacht. M a n sieht auf der einen S eite der Buhne m ent offenes Haus, drin St r e p s i a d e S , P h i d i p p i d e s und cm P aar Knechte zn Bette liegen, aus der andern Seite cm anderes verschlossene- Haus

S tr e p s ia d e S (erwacht gähnend.)

O je ’ o je ’ O König Zeus, was lst doch eine Nacht so lang, Ohn' Ende lang! ob's Tag denn gar mcht werden w lll? Ich habe lange doch den Hahn schon hören krähn! — D ie Schlingel schnarchen’ ja, wie anders war das sonst! 5 J a holte dich, Krieg, der Henker, wär's auch darum nur, Daß jetzt man sogar die Knechte mcht mehr prügeln darf! Und vollends der saubre junge Herr, der denket gar Nicht dran, die Nacht 'mal aufzuwachen, sondern pieft I n ein Dutzend Pelze bis über die Ohren eingemummt! 10 Je nun, ich hülle mich auch wohl ein, und schnarch' noch eins l — Was hilft es, schlafen kann ich Armer nicht, so beißt v. 7.

„Z u streng behandeltes Gesinde ging zum Feinde über." Boß. f. Frieden B. 451.

24

Die Wolken.

Das Futter und die Kosten und die Schulden mich Um seinetwillen; aber er, das Haar getollt, 15 Stolzirt zu Rosse, zagt mit seinem Zwiegespann, Träumt gar von Pferden, während ich vergehen möcht', Wenn ich den Mond so wieder zu Ende laufen seh'; Denn es wachsen die Zinsen 1 — (Gi rüttelt den Knecht auf)

Junge, steck das Licht mir an Und bring nur da§ Buch her; will doch sehn, wem alles denn 20 Ich schuldig bin, und tvte viel es Zinsen ui Summa macht. (Der Knecht bringt das Buch.)

Gieb her! was bin ich schuldig? Ja zwölf Mienen hier, Dem Pasias; — zwölf Mienen dem Pasias? wofür? Für den Apfelschimmel, den ich gekauft! ich armer Mann, Daß ehr mir mein Augapfel doch ausgeschlagen war'! Phidippides (NN

Schlaf.)

25 He! Philon, falsch gefahren! bleib in deinem Gleis! Strepsi ades. Das ist das Unglück, das mich ganz zu Nichte macht! Sogar im Schlafe träumt er von seinem Fahren noch! Phidippides Wie viele Gänge machst du im Ringelrennen denn? Strepsiades.

M it deinem Vater machst du manchen tollen Gang! v. 14 Ueber das sorgfältig gehegte H aar der Ritter und jungen Stutzer Athens s. Ritter V . 580. vergl. P lu t. V . 170. v. 17. D ie gezahlt.

Zinsen

werden

in Athen

am

Ende

des M o n ats

v. 23. Uebersetzer erlaubt sich, statt der Griechischen Bezeichnung der Pferde nach den ihnen eingebrannten Zeichen (Kappabrennlinqe und Sanbrennlinge nennt sie Boß) die uns geläu­ figeren nach ihrer Farbe zu wühlen. v. 28. Auch das Griechische bezeichnet eine bestimmte A rt von Wettrennen, deren sonst unklare Eigenthümlichkeit die Wieder­ holung des einzelnen Ganges verboten zu haben scheint.

(wieder m dein Buch lesend)

Doch welche Schuld noch dräut mir außer Pasias? 30 Für Stuhl und Rad drei Mienen — an Amynias! PH id i ppides. Nun fort zur Schwemme; dann das Pferd nach Haus ge­ bracht' Strepsrades. I n die Schwemme gebracht, du Schlingel, hast du mich lange schon M it Haus und Hof; hiev hab' ich verloren den Proceß, Da will man mich pfänden wegen Zinsen, — 35 PhLdippides. (erwachend.)

Vater, he! Was stöhnt er und wirst er sich denn die ganze Nacht umher? St repsi ades. Mich beißt ein Executor aus dem Bett hinaus!

Phidippides. Denn laß er mich doch schlafen, alter Wunderlich! (er legt sich auf die andere S eite.)

St repsi ades. Schlaf meinethalben; doch die Schulden, glaube mirs, Sie kommen alle doch auf deine Kappe noch! 40 Daß dich! O hätte der Henker doch die Kupplerin geholt, Die mich beschwatzte, deine Mutter zu ehlichen! Mein Leben war hübsch ländlich und nach meinem Sinn, So recht im Schmutze wohlbehaglich, schlecht und recht, Und Lämmer, Bienen, Oel und Wein im Ueberfluß. Drauf aber freit' ich mir die Nichte des Megakles 45 v. 30.

Nach einem Verse des Euripides.

v. 32. Eigentlich „fort zum Sande", zu den Sandplätzen, wo man die Pferde sich wälzen ließ. v. 46.

Der Name Megakles gehört in das erlauchte Geschlecht

Vom Hause MegakleS, ich vom Land die Stadterm Vornehm, verwöhnt, leibhaftig die alte Koisyra Wie ich sie gefreit, so stieg ich mit ihr in's Hochzeitsbett, f)0 Ich, riechend nach Backobst, Wolle, Bärme, Scheune, Stall, Das Fräulein Braut nach Schminke, Pomade, Schmachtekuß, Verthun, Schlampampen, Kolias- und GenetyttiSfest. Faul sag' ich nicht, daß sie just gewesen; sie webte gern, Und oft zum Vorwand nahm ich den WammS hier, zeigt' ihn ihr 55 Und sprach: Du machst mir demen Aufzug gar zu fe in f K ii ech t. (einredend )

Kein Tropfen Oel mehr ist tu unserer Lampe, H m ! S t r e psi ade S. hieß ich das Sausgeschirr dich brauchen? Komm Und hol' dir Schlage! Knecht. Warum denn wieder Schlage, Herr?

Zum Henker!

StrepsiadeS 6o Weil du so 'nen dicken Docht m die Lampe genommen hast! (Unecht lauft hinaus.)

Hernach, da wir 'nen Sohn bekamen, jenen da, Da entspann sich zwischen mir und meinem guten Weib Des Namens wegen alsobald ein groß Gezänk. der Altmaiomden, das von ft üben Zeiten ber m der Attischen Aristokratie die vorzüglichste Stelle einnahm. K o r s y r a heißt bald Eretrierin und Ahnfrau des Geschlechts, bald die dem Persistratos vermählte Tochter des Megalles. v. 32. K o l i a s und G e n e t y l l i s sind Beinamen der Aphrodite, die betreffenden Feste mögen zügellos genug gewesen sein. (Lysistr. B. 2 ) v. 33 „E in bischen Zwang schickt sich für den mühsamen Witz des unbeholfenen Alten. M it seiner Frau wie m|t seinem Sohne muß er sehr behutsam umgehn, weil er seine Schwäche nicht verläugnen kann." Welcker.

Oie Wolken.

27

Sie wollte, damit er von Roß, von Hippos, was bekam', Lanthippos oder Charippos oder Kallippides; Ich hieß ihn nach meines Guts Lehmboden und schönem 65 Vieh Philemon. Lange stritten w ir; später wurden wir Miteinander eins und nannten ihn dann Phidippides. Ost nahm sie den Jungen auf den Schooß und hätschelt' ihn: „Dereinst wenn du groß bist und wie Onkel Megakles Zu Wagen im Scharlach fahrst in die Stadt" — dann fiel 70 ich ein: „Ja wenn du ernst die Ziegen drüben am Phplleusbusch Gleich demem Vater, einen Schaafpelz umgehängt Indessen half bei dem mir all mein Reden nichts, Er schleppte mir die verfluchte Pferdesucht in's Haus' Nun, da ich die ganze Nacht hindurch gegrübelt, fand 75 Ich einen Weg noch, aber den auch wunder wie schön, So daß, wenn zu dem ich ihn bered', ich geborgen bin. Indeß ich will ihn zuerst nun wecken aus dem Schlaf Wie kann ich ihn wohl am angenehmsten wecke«? hm! v.

63.

D ie Übersetzung verliert hier unendlich gegen das O rig in a l, im Griechischen haben die N am e n , die die M u tte r vorschlägt, nicht blos; eine Bedeutung („B raunrößchen, Nosselteb, Schönröffeletn'' nach Welcker) sondern erinnern zugleich an berühmte M ä n n e r , und gerade dieser Erinnerung wegen, in der sich der Charakter und die eitlen Hoffnungen der M u tte r aussprechen, durften die N am en nicht verdeutscht werden. In d e r s des V a ­ ters Vorschlag, „ich nannte nach dem V a te r ilrn Pherdontdes" besagt das Griechische; Strepsiades bewahrt die schöne S itte der Attischen P ie tä t und nennt das K m d nach dem Großvater „ S p a re m a n n " D ie Übersetzung gab jene S itte auf, um des ackerbäurischen Alten Gesinnung a u f einer anderen S e ite be­ wahren zu können; das S p ie l 'm it dem N am en mag der V o r ­ gang einer kunstvollen deutschen Komödie rechtfertigen, rn der des Oedipus N am e von der Oede, in die das K in d ausgesetzt worden, hergeleitet wird.

v. 7 1 .

Ueber den „Phcllcusbusch"

s Acharner V . 273.

v. 7 9 D e r A lte gebt m it dem verzognen Muttersöhnchen gar be­ hutsam um. Z n diesem und ähnlichen kleinen Zügen hat der D ichter trefflich die weitere Entwickelung im Charakter des „ h a lb ­ adligen J ung en " m o tiv iit

(er geht an das Lager und et werft thu behutsam)

80 PhidippideS! Phidippchen!

P hi di pp i de s . Was denn, Alter? StrepsiadeS. Konnn, Und küsse mich und gieb mir deine Hand einmal! Phi di ppi d es . Da! was denn giebt es? StrepsiadeS. Sag mir, hast du mich denn lieb ? P h id i ppi d es . So wahr Poseidon herrschet, der Rosse Schutzpatron! StrepsiadeS. Nur nichts von diesem Roßpatron, ich bitte dich! 85 Der Gott ja eben ist an meinem Elend Schuld. Doch wenn du deinen Vater wirklich von Herzen liebst O Sohn, so folg' mir heute! P hi di pp i de s . Worin ihm folgen denn? StrepsiadeS. Verwandle deine ganze Lebensart, einmal, Und gehe lernen, was ich dir eben rathen will! Phi di ppi d es . 90 So sag' er, was verlangt er? StrepsiadeS.

Willst du auch folgen? Phidippides. Za, Ich werde, beim Dionysos! Strepsi ades. Komm denn her und schau! (ne treten auS thvti» Hause heraus)

Du siehst da leneS Pförtchen doch und daS kleine Haus?

P h id ip p id es. Aber, Alter, was meint er wirklich denn? S tre p sia d e s. Das ist 'ne Denkanstalt von weisen Geistern, Sohn. Es wobnen drinnen Männer, die überzeugen dich, 95 Daß der Himmel eigentlich so 'ne Art Backofen ist, Der uns umwölkt rings, und wir Menschen die Kohlen drin; Die lehren, wenn sie Geld bekommen, wie vor Gericht Durch Redekunst so Recht wie Unrecht gleich gewinnt. P hi di ppi des . Wer sind denn die? 100 St repsi ades. Den Namen weiß ich nicht so recht; Zdeengvübeldenker, Fein- und Gute! Phi di ppi deS. Die? O pfui, die Schufte kenn' ich! Er meint die Fasehans, Die saubern Barfußgänger, die blaffen Hängebarts, So 'nen gottserbärmlichen Sokrates und Chairephon! St r epsi ades. S t, st! nur stille! rede nicht so albern Zeug! 105 Wenn deines Vaters täglich Brod dir ein Bischen nur Am Herzen liegt, 0 Sohn, so gehst du unter sie Und läßt die Pferde — P hi di ppi d es . Nein, beim Bakchos, und gab' er mir Die Fasanen, die sich Leagoras im Hofe hält! DaS seh' rch.

v. 96. Ueber diese Vorstellung des Philosophen Hippon s. Vogel 1001. v. 101 Die Bezeichnung der „ F e i n und G u t e n " ist zu R it­ tern V . 185. erklärt worden. Es war ein Lieblinqsausdruck des Sokrates und seiner Schule; die durch Geburt, Reichthum, und feinere Bildung Ausgezeichneten sollten nach den Tenden­ zen der Schule eine politische Macht gegen die Demokratie ge­ winnen. v. 104. Ueber C h a i r e p h o n f. Vögel V . 1554. v. 109. Ueber die F a s a n e n (nicht Pferde vom Phasts her) des Leagorae s. zu den Vögeln V . 68.

S tre p s ia d e s . 110 Geh, bitte, bitte, liebster der Menschen, tun meinethalb Geh hin und lerne! PH id ip p id e s . Was denn lernen soll ich da? S tre p s ia d e s . Zwei Redenschaften, heißt es, haben drin die Herrn, Die stärkere, wie sie es nennen, und die schwächere. M it der einen von diesen zweien, nämlich der schwächeren, 115 Gewinnt man, heißt es, wär' man im Unrecht noch so sehr. Erlernst du mir also diese Unrechtsredenschaft, Sieh, dann bekommt von all den Schulden, die ich dir Zu Liebe gemacht hab', keiner Einen Obolos! P h id ip p id e S . Ich werde mich, hüten! Solch ein vermickert Angesicht 120 Den edlen Rittern zu zeigen, überlebt' ich nicht' Strepsiades. Wohlan, so bekommst du, weiß es Demeter, weder selbst Noch das Fuchsgespann, noch der Schimmel einen Bissen mehr; Zu allen Geiern jag' ich dich gleich aus meinem Haus. Ph i di pp i de s . So wird mich ohne Rosse £>ef Onkel Megakles 125 Nicht lassen. Zu dem hin geh' ich und kümmre mich nicht um dich! (ab ) v. 112. M an verzeihe diese neuen „ R e d e n s c h a f t e n " dem un­ gebildeten Alten, der unzweifelhaft mit den gelehrten Namen, die aus der Schule bcr verlautet fmd, keinen deutlichen Begriff verbindet und die Namen selbst nur in den Absormungen, die sie im Munde der Menge erhalten haben, kennt; und 'so mag sich aus der Wissenschaft von der Rede oder dergleichen jenes monströse W o rt gebildet haben.

Zweite Scene. S t r e p s i a d e s allein

St r epsi ades.

Und ist ein Mensch gefallen so steht er wieder auf. Drum will ich mit einem Stoßgebet nur selber gleich Hinein in die Denkanstalt mich machen und lernen da. Doch wird ein Graukopf meiner Jahre, vergeßlich, stumpf, Noch lernen die Spinthisirungen aus der Redenschaft? Nur frisch hinein! was drucks ich denn noch lang umher, Und poch' an die Thür nicht lieber? (er geht hin und pocht an )

Junge! Jüngelchen!

D ritte Scene. Strepsiades.

Ein S c h ü l e r .

S ch ü ler. Zum Geier auch! wer ist's, der so an die Thür da pocht? Strepsi ades. Strepßadeö aus Kikynna, Philemons Sohn! Sch ü ler. Bei Gott, Des gemeinen Haufens einer, so unspeculativ Die Thür zu stampfen und den hohen JdeenkreiS Zur Fehlgeburt zu bringen, den eben kreisenden! Strepsrades. Verzeihe m ir; ich wohne weit von hier im Dorf. Doch sag nur gefälligst dieses fehlgeborne D ing! v. 137. „Sokrates, der Sohn einer Hebamme, rühmt bekanntlich von sich, daß er Hebammentnnft bei Jünglingen ausübe, sie von den Gedanken ihrer Seele entbinde; besonders in Plato'S Tbeätet S . 149 ff. ist dieser Scherz durchgeführt." Welcker.

140

Nein,

nu r

S ch ü l e r. an Schüler mitzutheilen ist vergönnt.

Strepsiades. So sag's mir nur getrost; denn Freund, wie du mich da siehst So komm ich selbst als Schüler her in die Denkerei.

145

Schül er. So w ill ich sprechen; acht' es als Mysterium! So eben fragte Sokrates den Chairephon, Wie weit ein Floh, nach eignen Schuhen berechnet, springt; Es stach da nämlich einer in ChairephonS Augenbraun Und enthüpfte behend dann auf das Haupt des Sokrates. Strepsiades Wie möcht' er das ausmessen.

150

Schüler. Auf das Scharfsinnigste! Wachs ließ er schmelzen, nahm darauf den Floh behend Und tauchte desselben beide Füßchen in's flüßige Wachs; Sobald es kalt war, hatte seinen Schuh der Floh; Den löfV er ab und maaß damit die Entfernung aus. Strepsiades. O König Zeus, was das Verstandesschärfe ist!

Schüler. 155

Was wirst du gar zu einer andern Speculation Des Meisters sagen? Strepsiades. Welche? sag sie, ich bitte dich! Schüler. Denselben fragte Chairephon der Sphettier -----------------

Von

v. 145. „D ie Geometrie nacb Flohfußen wird dem Sokrates auch in dem Xenophomischen Gastmahl aufgerückt mit dem Ausdruck „es heißt". Dieß kann steh nun auf diese Stelle der Wolken aber auch auf eine Anekdote beziehen, die auch AristophaneS benutzt hätte." W e lc k e r.

Die Wolken.

33

Von welcher Ansicht er in Betreff der Mücken sei, Ob ihre' Töne der Mund hervorbringt oder der Steiß? StrepsiadeS. Was sagte wegen der Mücken drauf der weise Mann? Schüler. Er ging von dem Grundsatz aus, der Mückendarmsei eng; ieo Wenn also dieser Raum so eng, so dränge sich M it großer Gewalt der Athem gradeswegs zum Steiß; Weil nun an der Enge hinten die weite Mündung sitzt, So gäbe der Luft Gewalt dem Podex seinen Ton. Strepsiad es Und eine Trompete wäre folglich der Mücken Steiß! O zwei- und dreimal seliger Därmenforscher du! Ein Kinderspiel, vor Gericht zu entgehn den Gläubigern, Wenn man das Gedärm der Mücken erst ergründet hat! Schüler. Letzt aber würd' ihm eine große Reflexion Zu Schanden gemacht von einem Lacertche».

170

Strcpsiades.

Erzähle, wie? Schüler. Nachts stand er und forschte droben nach des Mondes Bahn Und Phasen; wie er hinauf so offnen Mundes sinnt, Da macht vom Simms her ihm die Eidechs was in de» Mund! StrepsiadeS. Zu lächerlich! grad dem SokrateS in den Mund gekackt! S ch ü l er. Vorgestern hatten wir Abends nichts zu Essen da, — StrepsiadeS. Ei weiter! wie denn ergrübelt ward da ei» Abendbrod? Aripoxh. UI.

ie;

(?

34

-Di» Wolken.

S c h ü le r . D er M eister, im Ä in gh of war es, bedeute m it Asche tmi Tisch, D a yn bog er ei» klein Bratspießchen um in der M itte, »ahin's A ls Zirkel, und schlug so — unter ein schön Stück Opfer­ fleisch. StrepsiadeS. 180 W as statinen wir länger noch den altert Thales an? O cfftie, Theurer, öffne mir schließ die Denkerei Und laß so bald als möglich den SokräteS mich sehn' B ei G ott, mich schillert! S p u te dich und mach mir auf!

Vierte Scene. (2)tc Denkänstati öffnet stet), man sieht im In n ern derselben verschiedene Schüler m seltsamen Stellunqcn, mich atzzrlei Lehrapparat, in der .sitfbc sclnvebt cta F lE k o r b , in dem Iem -n d fitzt.).

S tr e ip s ia ^ e s . O Herakles! was das für Wunderthiere sind? S c h ü le r . 185 W as staunst du so? wie kommen dir die drinnen vor? S tr e p s ia d e s . W ie die Kriegsgesangnen von P ylos, die Lakedaimonier! W as aber sehn da jene so nach der Erde hin? v 177. S okrates, der so gern seinen belehrenden Umgang der Ju aen d weihte, - hielt sich oft in Gvmnasien und Ninghofen aus, um mit den Jü n g ern , die dort ihre Leibesübungen machten, sich zu unterhalten. I n den Palästren stand ein O pferaltar; ein Tisch, worauf das Opfer -erlegt wprde und. die Kratspie-chm dursten nicht fehlen, Asche w ar von dew v erk an n ten Opfertheilen vorhanden. v 186. „D ie von P y lo s" f. Einleitung zu den R ittern S . 295. Die dort gefangenen S p a rta n e r wurden in Alben auf.K leons Veranlassung in strenger H aft gehalten; „die edlen Achren — welken läßt er sie am Blocke, bietet zum Verkauf sie ans.” R itter V . 393.

Schüler.

Es suchen d ie , was unter der Erde — S tre p s ia d e s . Bollen wohl? I h r lieben Herrn, darauf studirt nur weiter nicht; Ich weiß, wo man welche finden kann, vortreffliche! W as haben denn jene, die da so tief gebückten, vor? S c h ü le r . S ie verfolge» die Urgrundslehre bis unter den Tartaros. S tr e p s ia d e s . WaS aber schaut höchstderen Podex himmelwärts?

190

Schüler.

D er treibt zu eignem Nutzen Astronomie für sich. (Zu den übrigen Schülern, die sich neugierig um den neuen Ankömm ling drangen )

Doch kommt hinein, damit er nicht uns.draußen trifft! 195 S tre p s ia d e s . Noch nicht! 0 nicht schon; bleiben die Herren ein Wenig noch; S ie müssen hören, wie ich da mit dem Handel steh' — S c h ü le r . S o leid nu'r's thut, streng würd' es ihnen untersagt, S o lange draußen ausgesetzt der Luft zu stehn. (D ie Schüler gehn zurück in's H aus, Strepsiades folgt ihnen bis an den E in g a n g )

S tre p s ia d e s . (n n c W eltkugel erblicken».)

B ei allen Göttern, was ist dieß hier, sage m ir's? S c h ü le r. Dieß, lieber Freund, ist Astronomie. S tre p s ia d e s . (M eßgerathe erblickend.)

W as ist denn da- ? S c h ü le r. Das? Geometrie. C 2

200

S tre p siad e s. Z a so! wozu gebraucht man die? S ch ü ler. Zum Vermessen. S tre p siad e s. S o ! verstehe, Coloiiistenlanb! S ch ü ler. Nein, nein, zum Vermesse« der ganzen W elt. S tre p siad e s. D a s heißt gescheut! 2(>5 D a s heißt ne ächt volksthümliche, nützliche Wissenschaft! S ch ü ler. (auf eine Erdtafel zeigend.)

Auch hast du 'neu Abriss hier von der ganzen Welt. D a sieh, D a liegt Athen zum Exempel. S tre p siad e s. Ach, was redest du! D a s glaub' ich nicht, da ich nirgend Geschworne sitzen seh'? S ch ü l e r. D u kannst dich drauf verlassen, dieß ist Attisch Land. S tre p siad e s. 210 W o liegt denn unsre gute Dorfschaft, zeig'S mir m a l ! Schüler. D a liegt's mit drinnen. Und Euböa, siehst du wohl, I s t dieß! eS liegt so schmal und lang dahingestreckt. S tre p siad e s. W eiß! wir und Perikles haben es so dahingestreckt! W o liegt denn nur Lakonien? v. 205. Erobertes Land wurde in Kleruchieu, b. H. nach dem Loos an Kolonisten vertheilt; solche Vertheilungen waren stets sehr populär. D er Alte glaubt, die ganze W elt solle so vermessen mib vertheilt werden. v. 209 Ueber die Richtwuth der Athener und die große Zahl der jährlich geloosten Geschwornen s. Einleitung zu'den W espen.

S ch ü le r. Gleich hier unten liegt'S St repsi ade s. Uns gar zu nahe! Grübelt doch darüber »ach, Wie ihr das Nest uns möglich weit vom Halse schafft! Schüler. Ja ging' eS! St reps iades . Wer nicht hören will, der fühlen map! Ha, was für ein Mensch ist oben der auf der Hange da? Schüler. Er! St r epsi ades. Welcher Er denn? Schüler.

Sokrates! St r epsi ades. O Sokrates — ! Hör', Lieber, rufe du ihm mit lauter Stimme zu!

Schüler. Nein, ruf' du ihn selbst nur; denn ich habe keine Zeit! (-b.)

fünfte Scene. S tre p s ia d e s .

S o k ra te s .

St repsi ades. Herr Sokrates! Sokratelchen! v. 218. Die Hange oder auch Flake ist bei uns aus dem Lande ein hängendes Geflecht aus Weidenruthen, das seinen Platz auf dem Flur des Bauerhauses zu haben pflegt; seine Be­ stimmung ist bald Käse, Schinken, Wurst u. s. w. aufzuneh­ men, bald die Hühner zur Nacht zu beherbergen.

S o k ra t es . Was anrufst du mich, du Erdensohn? St repsi ades. Vor Allem sag' mir, bitte, was du da oben schaffst? Sokrates. 225 I n Lüsten schweif ich, denk' ich über der Sonne Weg! Strepsi ades. So, so! von der Flak' aus denkst du über die Götter weg, Und nicht von ebner Erde; nicht? S o k ra t e s. Ich wurde me Die himmlischen Dinge schaun in ihrer Wesenheit, Wenn nicht der Verstand so hinge, sondern die Abstraktion 230 Der Idee sich mischte mit der ihr wahlberwandttn Luft. Denn wollt' ich am Boden haftend das Droben von unten her Beschaun, ich fand' es nimmer. Sondern die Erde zieht Gewaltsam an sich die Feuchtigkeit der Spekulation. Es macht sich da dasselbe wie bei dem HundegraS. St r ep s i ade s 235 Was sagst du! Die Spekulation zieht Feuchtigkeit in das Hundegras? Ja steig' zu mir hernieder, Herzenssokrates, Und lehre mich das, weswegen ich hergekommen bin! Sokrates. (b c r a b g c fltc g e u .)

Weshalb denn kommst du? Str epsi ades. Reden lernen möcht' ich gern. 240 Die hohen Zinsen, die unerbittlichen Gläubiger, Die plagen mich, nagen mich, pfänden Haus, und Hof mir aus! Sokrat es. Wie verfielst du denn in so schwere Schulden unvermerkt?

Dr« Wolken.

38

S tre p sra d e S , Die Pferdesucht, das zehrendste Uebel suchte mich heum’ Drum lehre von deinen Redenschaften die zweite mich,

Die nichts bezahlende.

Was hu Honorar verlangst,

Erhältst du, schwör' ich bei allen Göttern, unverkürzt^ SokrateS.

Bei welchen Göttern unverkürzt? Denn G ^te r sind Nicht gang und gäbe Münze ber uns. Streps^^eS .

Wie schwört ihr denn? So will ich schworen bei Heller und Pfennig unverkürzt. Sokrates. Begehrst du.gründlich vom (Äötterwesen, wie'S ist an sich, Belehrt Jzn sein? Strepftad-es.

S o wacht mich Zer/s, — wenstS den stoch giebt 1 Sokrates Und auch mit den Wolken, welche für Umgang zu pflegen?

unS

Gottheiten sind.

StrepsiadeSs. Ei versteht sich, wünsch' ich das! Sokrates (m it gesteigerter W u rd e )

So setz' dich nieder auf das heilige Denksopha! v. 248. Statt „Heller ;mb P f^u ü g " .Heißt es im Griechischen „bei solchen Aisenstucken wie die Ävzantier" wozu W olf bemerkt: ,»Mqn brauchte einst zu Bvzanz kleine eiserne Münzen; daher hieß es nach dortiger Mundart Älfenstncke statt lrifetifftttfe. Plato im Pisander: Besonders möcht in Bvzant schwer das Leben sein Dort braucht man Eisenstücke gar als ganges Geld 1> v 254 Diese Einweihung in die philosophischen Mvsterien mag bjf Athener an das Eeremowel der Eleustchschen ermuert haben. Der Kranz, der dem neuen Schüler aufgesetzt wirb, erinnert ihn an den Schmuck des zum Opsertode am Altar des Zeus hKimmtsstt Achamas, wie das beni Publicum aus der ^ejlleicht erst neulich aufgeführten Tragödie des Sophokles bekannt und

Anschaulich fern mochte.

40

Di« Wolken. StrepsiadeS.

25» Da sieh, ich sitze! Sokrates. Desselben gleichen nimm, o Sohn, Den Kranz! StrepsiadeS. Wozu den Kranz mir? Höre, SokrateS Daß ihr mich am End' nicht opfert gar wie den Athamas! Sokrates Nein, nein; wir nehmen alles das mit jedem vor, Der eingeweiht wird. StrepsiadeS. Was am Ende gewinn' ich denn? SokrateS. 260 Du wirst im Reden spitz, gerieben, puderfein! (er reibt ein Paar Steine über seinen Kops an einander, so daß der Alte mit Stemmehl bedeckt wird; derselbe sucht dem auszuweichen.)

Nur stillgehalten! S t r epsiades. Weiß mir Gott, da lügst du nicht; Wie du mich da vollstreust, werd' ich Puder um und dumm!

Sechste Scene. Strepsi adeS.

So k r a t e s .

Golter der Chor der Wolken.

Sokrates. (in höchster pnesterllcher Feier­ lichkeit betend.)

Schweig' andachtsvoll, Greis, Greis! hör' fromm mein deinuthvolleS Gebet an! Allwaltender Herr, unermeßlicher Dunst, der die Erde du schwebend emporhältst,

O du Aether des Lichts, o ihr Wolken so hehr, ehrwürdige, 265 donnerumblitzte, O steiget empor! Herrinnen, erscheint, hochschwebende, die­ sem S tu d ire r! S tre p s ia d e s . Noch nicht, o noch nicht, bis dicht ich mich erst einmumme, der Nässe zu wehren! D aß ich Dummkopf auch grad' heute von HauS so fortgahn ohne den Filz muß! S o k ra te s . Kommt, kommt denn, gefeierte Wolken, gewährt den Genuß ihm eueres Anblicks! M ögt lagern ihr auf den geweiheten Höhn des schneeig um- 270 glänzten Olympos, M ögt heilige Chöre der Nymphen rhr reihn in V ater Okeanos G ärten, M ögt fern in des Nilstroms Mündungen ihr Fluth schöpfen in güldenen Eim ern, M ögt weilen ihr still am Maiotischen Sum pf, an der eisigen Klippe des M im as, — O erhöret mein Flehn, seid gnädig den W eihn, seid gnädig und freundlich dem Opfer. C h o r. (M an hört den Gesang auS der Ferne, Donnerschlage begleiten ih n ) (Strophe.)

Wolken im schwimmenden Zug, Sichtbar lasset in Thaues Gestalten uns Leicht hinschwebend Fern von des V ater OkeauoS Wogen her Nach den bewaldeten Gipfeln der ragenden v. 2 7 3 . D ie verschiedenen Orte, woher die W olken heranziehn sol­ len, sind nach den vier Himmelsgegenden orientirt. D er Osten wird durch den M aiotischen S e e (an der Satirische» Halbinsel) und das Schneegebtrge M im as in Lydien bezeichnet.

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Berge geschaaret zieh», W o vov der W arte w ir fernhin Schimmernden Heil'ge Gefilde, m it S aaten gesegnete, Heilige Bäche, so hell hinrieselnde, TiefaufrauschendeS tosendfs M eer schau»! H ellt doch das nimmer ermüdende Auge des AetlmS Leuchtende» Blicks die Fernen' Auf de»», deS regnichten Nebels enthüllen wir Unsre unsterblichen Körper, hinabzuschau» Fernspähenden Auges zur Erde.

S o k r a te s . I h r , hochehrwürdige Wolken, gewährt sichtbar des Gebetes Erhörung! D u vernähmest die göttliche S tim m e zugleich und den feier­ lich drüllenden D onner? S tr e p s i a d e s . O ihr Hehre», wie feierlich ist'S mir zu M u th ! ein B edürf­ niß. sich!:, ich, dem D onner Demüthigst entgegen zu feuern in Angst; so erzittr' ich vor euch und erbeb' ich, — 295 Und paßt eö sich ja — o ich halt's nicht aus — und paßt es sich nein, ich bescheiß' mich! S o k r a teS. M it den Possen hinweg! nicht machst du mir'S so, wie die albernen Hänse des Lustspiels! Schweig' andachtsvoll; denn der Göttinnen Schwarm stimmt feierlich neuen Gesang a»! C h o r. (Geßcnstrophe.)

300

Mädchen ihr, regnenden H aars, Hmziehn lasst zu Athenes Gefilden uns, Kekrops Heimath Grüßend, die liebliche, Helden^rzeugende,

Wo' das Geheimniß heiligster Feier ist, D ie den Geweiheten Oeffnet zu schauen die Wunder des Heiligthums, — Wo für die himmlischen Götter Verherrlichung, 305 Gaben und ragende Tempel und Bildnisse, Festliche Züge m it Sang und m it Flötenklang, Opfer und Mahle der Götter im Blumenkranz Feste zu jeder Jahrszeit, — 310 Heut', wo der Frühling beginnet, des BromioS Jubel und kämpfender Chöre Gesangeslust Und rauschender Taumel der Flöten' StrepsradeS. M i den Göttern beschwör' ich dich, sage m ir nur, wer sind denn, 0 Meister, die Frauen, D ie so ernst und so schön ich da singen gehört; doch nicht 315 wohl gar Heroinen? Sokrates. Nicht also; die Wolken, die himmlischen sind's, die, den M ä n ­ nern des Nichtsthuns Götter, Uns Intelligenz, dialektische K raft, die Idee und die W un­ derverrichtung Und die Trugschlußkunst, die Derläumdungskunst und die Rührkunst gnädig gewähren. Strepslades. D rum auch; denn sobald ich ihr Singen gehört, so erhob mein Geist wie im Flug sich, Und er sehnt sich zu subtilisiren bereits, und den Dunst 320 haarscharf zu fixlren,

v. 303. Das Gehermmß u. s. w. bezeichnet bie L teuft urschen Mh sterien. v. 311. BromioS ist Dionvsos, dem das gegenwärtige Fest mit seinen dramatischen Aufführungen gefeiert wird.

Und zu

des GegenerS W ort, ihm Gedank mit Gedänkelchen spießend, So daß, wenn es geht, ich sie körperlich jetzt und mit Au­ gen zu sehen mich sehne. Sokrates So wende den Blick nur zum Parnes hin. Denn ich sehe sie selber gemach dort Sich herab schon zieh«. StrepsiadeS. Wie? zeige mir, wo? C M it t w v s t m i

Sokrates. D ort komme» sie, Haufe bei Hmtfett, 325 Da die Waldschlucht durch, da den Hohlweg her m gedehn teren Reihn! St r ep s i a de S. Wie denn kommt dtiö‘; Denn ich sehe sie nicht!

Sokrates. Da am Eingang jetzt! St r e p s i a d e S . Ja endlich, ein Bischen, mit Muhe! Sokrates. Nun wirst du sie doch wohl sehn, wenn dir nicht wie cm KürbS dick Butter im Aug' sitzt! StrepsiadeS. Ja so wahr mir Apoll! o verehrlichste Frauen! Ja es steht jetzt ganz da der Platz voll! (W Wolken haben sich um die Thymele tn der Orchestra gelagert.) v. 323. Parnes ist das Gebirge im Norden von Achen, das gegen Böotten die Grenze bildet, v. 325. Den Hohlweg stellt der Gang dar, welcher von draußen herein in die Orchestra führt, während der Chor der Vögel zum Beispiel in vier Gliedern zu je sechs Personen eintritt, treten hier die nebelhaft umhüllten Weibergestalten der Wolken m sechs auf einander folgenden Gliedern ein, die natürlich nicht zu streng m Reih und Glied marschiren.

Die Wolken.

45

Sokrates. Und du wußtest es nicht, noch glaubtest du dran, daß G öt­ tinnen sie, sie allein sind? StrepfiadeS. S o m ir Zeuß, sonst meint' ich, sie sei'n so ein Dunst, so 330 ein Nebel und Thau und dergleichen. Sokrates. S o mir Zeus, und du weißt nicht, daß s i e 's sind, die da nähren die meisten Sophisten, Wahrsager des Volks, Heilkünstler von R uf, Stirnlocken­ pomadenberingte, Dithyrambischer Lieder VerkünstelgenieS, Meteoregesäuselpoeten, D ie da nichts thun, nichts sind, nähren sie doch, da die­ selben in Versen sie preisen. StrepsiadeS. D arum sangen sie auch von des feuchten Gewölkes blitzzuk- 335 kendem grausigem Sturmdrang, Und den Locken des wirbelnden Hunderthaupts und dem heulenden Tosen der Windsbraut, v. 331. Hier ist der Kinesias und mit ihm die Modepoesie jener Zeit unverkennbar s. Vögel. V . 1372. v. 332. Wahrsager des Volkes verfehlt im Grunde das Oriainal gänzlich; dort heißt es „die Thurier-Wahrsager", man könnte etwa sagen, „die Lampone" denn der berühmte Lampen hat jenen speciellen Beinamen, s. Vögel V . 521. Auch in den andern Bezeichnungen scheinen bestimmte Personen dem Dichter vorgeschwebt zu haben; auch in der Heilkunft waren die da­ mals neumodischen Bestrebungen nicht ohne Einfluß, und Herodikos von Sclvmbria, der die Fieberkranken durch eine rasche Promenade von Athen nach Mcgara und zurück curirte, wird auch unter den Sophisten jener Zeit genannt. Wenn man in der dritten Bezeichnung (die freilich nicht befriedigend übersetzt werden konnte) die beringten Finger und die stolze Haarfrisur zusammenfaßt, so muß man an den großen Hippias von Elis denken, jenen eben so anmaßlichen wie hochbegabten Sophisten, der, zugleich von vieler technischer Virtuosität, Ringe mit geschnittenen Steinen von eigner Arbeit trug.

v. 336.

Der wirbelnde Hunderthaupt ist Tvphon.

D e r ätherischen krallengebogenen B r u t luftschwärmender schwebender Bögel Und der thauigen Wolken bewässerndem N a ß ; drauf speisten dafür sie auch wieder B o n derAusterpastet' gramstillendem Schmelz und dem Wehmuthsbus-n der Schnepfe. S o k ra tes. 340 Und haben sie'S nicht um jene verdient? S tre p siad e s. N u n aber erklär' mir, wie kommt cs, D a ß , da in der T hat doch Wolken sie sinh, gleich sterblichen W eibern sie aussehn; D e n n sie sehen doch sonst so niemals aus. S o k ra tes. Laß hören, wie sehn sie denn sonst a u s? S tre p siad e s. W ie beschreib' ich es gleich? ja wenigstens oft so wie flat­ ternde Flocken von Wolle, Doch nie so wie F raun, im Entferntesten nicht; d i e haben ia ordentlich Nasen! Sokrates 345 Antworte mir denn, was ich frage. Strepsiades. N u n gut, so sage nur gleich, was du wünschest. Sokrates. Sprich, hast du noch nie an dem Himmel Gewölk so gestal­ tet gesehn wie Kentauren, W ie ein Pardel, ein Wolf, wie ein Ochs, wie ein Schwein? Strepsiades. O ja freilich. Indessen was thut das? Sokrates. S i e gestalten sich so, wie sie wollen; erschaun sie demnach so 'nen modischen Lassen,

So nen Wüstling dort von den tolllgen Herrn, zum Exem­ pel den Sohn Xenophantens, So.verwandeln zum Spott auf die Lüderlichkeit sie sich gleich 350 in Kentauren, in Schweine. St repsi ades. Wenn sie Simon fehlt, der die Kaffen bestiehlt, was nehmen sie dann für Gestalt an? SokrateS. Gleich bilden sie nach die ihm eigne Natur und verwandeln sich p(öftlfd) in Wölfe. Strepsi ades. Drüm, tiniro! min begreif ich ?dgs Ding^ da sie letzthin Kleonymos sahen, den Werfschild, So versahn sie sich auch an der Memme sogleich, und ver­ wandelten rasck sich m Hasen. S ok rat es . So jetzt, da sie drüben den Kleisthenes sehn, so sind sie in 355 Weiber verwandelt. St repsi ades. Willkommen denn hier, ihr verehrlichen Fraun! Und wenn sonst je einen der Menschen, Sv erfreuet auch mich, Durchlarrchtigste, jetzt, mit eurer erhabenen Stimme! Chor der Wolken. lzu SokrateS.)

Willkommen, o Greis, ehrwürdiges Haupt, du Waidmann kundiger Rede, U. 349. F e n o p h a n te s Sohn ist der schlechte Poet HieronvmoS (f. Acharner B . 3 8 7 ) den wlr hier zugleich als Knabensreund kennen lernen, eine Andeutung, dle das W ort Kentauren im Griechischen unzweideutig ausspricht. v. 351.

S i m o n ist bekannt aus den Rittern s. zu B . 242.

v. 353. K l e o n y m o s 1470. v. 355.

Werfschild s. Wespen B .

Kl e i s t h e n e s s. Acharner V . 118.

19.

Vögel V .

O du Priester erhabenster Spitzfindelei, sag' an, was deines Begehrs ist! 360 Denn keinem so gern willfahren wir sonst von den Ideo­ logen des TageS, — Nur dem Prodikos noch, deß' Weisheit wir, deß' edele Tugend wir ehren, — Doch am willigsten dir, der die Nase du wirfst, mit dem Blick m den Straßen umherfrechst, Stets barfuß nicht der Bequemlichkeit stöhnst iutd auf uns stolz, höher den Kopf trägst! Strepsiades. O Himmel, die Stimme! wie feierlich ernst! wie erhaben? wie sichtlich ein Wunder! Sokrates. 365 Ja, diese allein sind Gottheit uns; was man sonst Gott heißet, ist Popanz! Strepsiades. Und Zeus, beim Himmel beschwör' ich dtck, sprich, ist ZeuS der Olympier, nicht Gott? Sokrates. Wie? was für ein Zeus? wie du faselst! ein Zeus existirt gar nicht! Strepsiades. Wie du redest! Wer regnet denn nur? Das wolle zuerst mir gefälligst er­ klären und darthun! Sokrates. Die, denk ich denn doch! Doch ich will es dir gleich mit entscheidenden Gründen beweisen. Denn v. 362. Es verdient bemerkt zu werden, daß Plato in seinem „S vm poftoii” gerade diesen Vers zur Bezeichnung der äußern Eigentlnimlichkeit des Sokrates braucht.

Denn ich frage, wo hast du wol jemals schon ohn' Wolken 370 ihn regnen gesehen? Und regnen doch müßt' er in heiterer Luft, und diese wer weiß wie entfernt sein. S tre p s ia d e s . Beim Apollo, das hast du in Wahrheit gut mir zusammen­ gereimt, ich gesteh' es; Sonst dacht' ich im Ernst beim Regnen, daß Zeus durch ein S ieb abschlüge sein Wasser. Jetzt sag' mir, wer ist's, der da donnert; denn d a s macht immer mich zittern und beben. S o k ra te s . S ie donnern so, übereinander gewälzt. 375 S tre p s ia d e s . W ie das, o du AlleSzermalmer. S o k ra te s . Wenn nämlich durchaus sie mit Wasser gefüllt zu bewegen sich werden genöthigt, Voll Regens zugleich nothwendig hinab tief hängend in Folge der Schwere, Auf einander sich stürzend zerplatzen sie gleich und krachen und knallen im Platzen. S tre p s ia d e s . W er denn tst's, der so nothwendig sie treibt, auf einan­ der zu stürzen, wen» Zeus nicht? S o k ra te s . Nichts minder; es thut das der Wirbel der Luft. 380 S tre p s ia d e s . W er? W irbel? das hört' ich noch niemals! Nicht Zeus, den es nicht mehr giebt, vielmehr statt seiner der Wirbel beherrscht uns! Doch hast du noch nicht mir den Grund des Gekrachs und des Donnergerolles erläutert. v. 371. Regnen müßte „der unbewölkte ZeuS". Anstoph. in. D

S o kra teS . Du hast es verhört, wenn ich eben gesagt, daß die Wölken, mit Wasser geschwängert, Auf einander sich stürzend zerplatzen sogleich und erkrachen von wegen der Dichtheit. StrepsiadeS. 385 Ja, wie stell' ich mir das nur denkbar vor? S ok r at e s . Ich erklär' es an deiner Person dir: Wenn am Feste der Panathenäen den Leib du g»füllet dir hattest mit Fleischbrüh', Hat's dann nicht gleich dir geknurrt im Gedärm und dich kullerndes Toben durchpoltert? StrepsiadeS. Ja, so wahr mir Apoll! ein gewaltig Gewirr und Rumohre» herüber, hinüber Wie Donnern bewirkt solch Süppchen im Leib, so ein Knettern und Rollen und Drängen; 390 Ganz leise zuerst fängts an, burr burr, zunimmt es sodann buruburrburr; Doch komm' ich zu Stuhl, flugs burrurururr losdonnre ich völlig wie jene! S o k r at e s . Nun denk' dir einmal, von dein Bäuchelchen schon wie ein mächtiges Knallen hervorkracht, So begreifst du gewiß sehr leicht, wie die Lust, die unend­ liche, fürchterlich donnert. St repsi adeS Ich verstehe nun schon, die unendliche Lust pupt Donner und donnert im Pupe! v. 386. „Am Feste der Panathenäen, das die Ortschaften Attika'« vereint ihrer Schutzgvttin Pallas Athene, und jedes fünfte Jahr mit ausgezeichneter Pracht feierten, wurden aus ganz Attika Opfcrstierc nach Athen gesandt." Boß. v. 394.

Da« Griechische hat hier einen trefflichen Spaß, den Wolf,

Nun aU t der Blitz, das erkläre mir noch, wo denn kommt 395 deß' schmetternder Strahl l*er Und erschlägt und verbrennt uns oder versengt doch Kleider und Haar, wenn er kalt trifft; Denn den Blitz, das ist ja so klar wie der Tag, schickt Zeus Meineid'ge zu strafen. Sok r at es . Wie! was! o du Narr! altmodischer Kauz! Altweiberge­ schichtenerzähler! Wenn er Meineid straft mit dem schmetternden Strahl, wie denn kommt's, daß er nicht den TheoroS, Kleonymos, Simon längst schon traf, die doch erzmeineidi- 400 ges Volk sind, Doch den eigenen Tempel dafür oft trifft und die heilige Sunionsspitze Und die größten der Eichen? was ficht ihn denn an? wo denn giebt's meineidige Eichen? St r epsi ades. Was weiß ich! doch hast du unfehlbar Recht. denn also der Blitzstrahl?

Was ist

Sokr at es. Wenn ein trockner Wind in den Dunstkreis hin sich erhebt und verfängt in den Wolken, So bläst er wie Blasen von Innen sie auf, und indem 405 kraft eigensten Dranges Er sie endlich zerreißt, fährt jach er hinaus, so daß bei der plötzlichen Pressung Von der Reibung theils und theils vom Gedrang er sich selber entzündet und aufzehrt. freilich ohne die treffende Bezeichnung des Originals zu errei­ chen, so ausdrückt: Drum klingen denn auch die Benennungen gleich, wie der Donnerknall, so der Darmschall. v. 399.

Theo ros s. Wespen V . 41.

D 2

4io

Strepsiades. So mir ZeuS, das ist mir ja selber so letzt beim Diasienfeste begegnet! Da ich meiner Verwandtschaft Blutwurst schnell aufbriet und vergaß sie zu stechen, So blies sich das Ding dick auf und im Nu auseinander­ geplatzt in der Mitten, Scheißt mir ins Gesicht sie das heiße Gefüll und verbrennt mich von oben bis unten! C h o r.

415

420

O der du von uns, umsichtiger Man», dir erbittest die hei­ lige Weisheit, Wie wirst in Athen du, in Hellas einst glückselig und herr­ lich genannt sein, Wen» du lernsam bist und Gedächtniß hast, wenn Geduld mühseligsten Fleißes Im Gemüth dir wohnt, nie müde du wirst, ob du stehn, ob du sitzen, ob gehn mußt, Niemals, wie sehr du auch frierst, drum klagst, niemals dich sehnst nach der Mahlzeit, Dich des Weines enthältst, das Gymnasium fliehst und die anderen Dinge der Thorheit, Für ein wahrhaft Gut das einzig erkennst, was grade der denkende Mann muß, Im Proceß, im Senat, im Disput wie im Rath kraft kun­ diger Rede zu siegen. Strepsiades. Nu von wegen der Müh und des harten Gemüths und deGrübelgewälzes im Bette, Der Genügsamkeit und des bellenden Bauchs und des Was­ ser und Brods, wenn es hoch kommt, Da sorge nur nicht; denn um den Preis laß' auf dem Magen ich Eisen mir schmieden!

S o k r a te s. S o hältst du hinfort diejenigen nur für Götter, die wir in der Schule, Dieß Chaos nemlich, die Wolken sodann und die Zunge, die heilige Dreiheit? S tr e p s ia d e s . Nie sprech' ich ein Wort mit den Anderen mehr, und traf' 425 ich sie selbst auf der Straße; N ie spend' ich des W eins noch opfr' ich für sie, noch streu' ich das Mindeste Weihrauch! Chor.

Jetzt sprich, was ist's, das du wünschest von uns? sprich dreist, du wünschest umsonst nicht, D er du treu uns ehrst und Bewunderung zollst und ein Denker zu werden dich anstrengst! S tr e p s ia d e s . O ihr herrlichen Fraun, so gewährtet ihr wohl mir in G na­ den ein einziges Wünschchen: Daß im Reden ich Jedem im Griechischen Land um hun- 430 dert Meilen voraus sei! C h or. D a s sei denn von uns dir in Gnaden gewährt, also daß vom heutigen Tag' an Kein andrer so oft als du bei dem Volk durchsetze so Rath wie Beschlüsse. S tr e p s ia d e s . Richt große Beschlüss anpreisen dem Volk, nicht das ist's, was ich mir wünsche, Rein nur für mich so zu stripsen und drehn an dem Recht und die Gläub'ger zu prellen. C h or. S o werde dir denn, wonach du dich sehnst; nicht groß ist, 435 was du begehrest! Wohlauf denn und gieb dich mit S eel' und Leib in die W eisheit unserer Priester!

54

Die Wolken.

Strepsiades. Ja ich thu es getrost im Vertrauen zu euch; denn es zroiiv get die bittere Noth mich, Ruinirt wie ich bin von dem Schimmel und Fuchs und der unglückseligen Heirath! Jetzt mögen sie ganz was ihnen beliebt Anstellen mit mir; Preis geb' ich den Herrn mein Fleisch und Bei», ES zu prügeln, zu plagen mit Hunger und Durst, Es zu schinden, zu schmoren, zu stechen wie Wurst; Denn kann ich mich nur von den Schulden befrei», So mag mich die Welt meinthalben verschrei» Als maulflink, frech, sackgrob, schandklug, Als Hundssott, Meister in Lug und in Trug, Als Schrauber am Wort und Klauber am Recht, Als Schleichfuchs, Spürnas', Landrechtsknecht, Als Ducksink, Hohnjan, Schandpfuhlshecht, Als Gaudieb, Sausieb, Wippsterzspecht Und Schmarotzergemächt! Ja, begrüßen mich so die Begegnenden dann, So thu' man mir an, was man mag oder kan», Ja und kommt'S drauf a», So schwör' ich bei Demeter, tafele man Mich als Blutwurst auf den Studikern! Chor. Willen zeiget dieser Jünger Nicht verzagenden, Wacker wagenden! Wisse denn, v. 445. Landrechtsknecht ist eine mißglückte Übersetzung, statt deren Weicker umschreibend sagt: „lebendig Gesetz". Uebrigen« wird man wohl verzeihen müssen, wenn in diesem Ohrenschmause von Schimpfwörtern Einige« von dem ächt Attischen Salze bei dem Aufwärme» durch den Uebersetzer verloren ging.

Lernst du bei uns, so gewinnst du dir unter de» Menschen Himmelhohen Nachruhm! 460 StrepsiadeS. Wie geht'S mir dann? Chor. Ein Leben, vereinet mit mir, Neidwürdigstes für und für, Friedsam wirst du leben! StrepsiadeS. Wirklich ich soll, Sagt, ich soll es erleben noch? Chor. Von allen Orten Wird man zu deiner Pforten Hin sich drängen, Deiner Belehrung zu lauschen, Deines Gespräches zu tauschen, Und in verworrnen Processen Und Regressen Deinem erprobten Ermessen Dankbar sich anzuvertraun!

465

470

475

Chor. (zu SokrateS)

So beginne den» nun mit dem Alten sogleich, wie du pflegst, Vorschule zu halten; Sondire ein Weniges ihm den Verstand und versuch' sein geistig Vermöge»! Sokrates. Wohlan, beschreib mir erstlich deine Natur einmal, Damit ich, im Klaren über selbe, ohn' Verzug M it den neuen demgemäßen Maschinen an dich geh'. StrepsiadeS. Um GotteS Willen, willst du Bresche schießen in mich?

480

S o k ra te s . D as nicht; befragen will ich dich nur um dieß und das; Zum Exempel, hast du Gedächtniß? S tre p s ia d e s . J a , und zweierlei; I s t einer m ir was schuldig, daS behalt' ich leicht; 485 B in ich es einem, dummes Hirn, so vergeff' ich leicht! S o k ra te s . Bemerkst du in dir Anlagen zur Beredfainkeit? S tre p s ia d e s . Zur Beredsamkeit viel weniger als zur Betrügsamkeit. S o k ra te s . W ie willst du da was lernen! S tre p s ia d e s . Alles, sorge nicht! S o k ra te s . Wohlan, wenn ich jetzt von den ew'gen Dingen ein Problem 490 Auswerfe, so paß' mir gründlich auf und faß' es schnell — S tre p s ia d e s . Faß', faß '! auf Weisheit wird man hie wohl wie ein Hund gehetzt? S o k ra te s . D er Mensch ist doch sehr ungebildet und wirklich roh! Ich fürchte, Graukopf, daß du viele Hiebe brauchst. S a g ' an, was machst du, wenn dich einer schlägt? S tre p s ia d e s . 495

Ich werd' Geschlagen, wart' ein Bischen und ruf' dann Zeugen an, Und noch ein Weilchen und ich gehe vor Gericht. S o k ra te s . Wohlan, den Rock aus!

57

Di« Wolken.

S tr e p s ia d e s . Hab' ich was verbrochen? S o k r a te s. Nein; Doch ist's Gesetz hier, ohne Kleid hineinzugehn. S tr e p s ia d e s . Ich komm' ja nicht, Haussuchung hier zu halten, her! S o k r a te s. Rock aus! was soll das Schwatzen!

500

S tr e p s ia d e s . Eins noch sag' mir erst; Wenn ich fleißig bin und lerne was ich lernen kan», M it welchem von deinen Schülern werd' ich einst denn gleich? S o k r a te s. D u wirst so weit es bringen als mein Chairephon! S tr e p s ia d e s . O weh mir armen Stüm per! da werd' ich ein Gespenst! S o k r a te s. N un weiter nicht geschwätzelt, sondern schnell gefolgt Und eilends hier hinunter; S tr e p s ia d e s . S o gieb in die Hände mir Vorher ein Honigküchlein; denn ich fürchte sehr, D a gehts mit mir hinunter wie zum Trophonios. v. 497. Strepsiades meint, er soll Prügel bekommen, v. 499. E - war Sitte, daß Bestohlene, die nach Attischem Recht Haussuchung halten durfte», ohne M antel in das fremde Haus gingen, damit ste nicht selbst etwas stehlen oder gar angeblich Gestohlenes jetzt erst hinein bringen konnten, v. 504. Der blasse, magere „halbtodte" Chairephon fleht einem Gespenst gleich. v. 507. „D ie unterirdische Lrakelhöhle des TrophonioS war bei Lebadea in Bövlien. Wer hinabstieg, erhielt von den Prie-

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Oie Wolken.

Sokrates Fort! fort! was schnüffelst du noch an der Pforte lang umher! (Beide ab m das Innere des Hauses.)

stern, die ihn bei Nacht dazu einweihten, einen Honigkuchen, um ihn den Datmonen, den Schlangen und anderem in der Tiefe hausenden Gewürm vorzuwerfen. Die Höhle war so schauerlich, daß wer sie gesehen hatte, sein Leben hindurch trau * rig und ernst blieb und man sprichwörtlich von einem Finsteren sagte, er habe des TrophonioS Höhle gesehen." Boß.

Parabase. Chorgesang So geh denn mit Gott, und Glück auf den Weg; 510 Denn du zeigst viel Herz! Glücklich ergehen mag'S dem Mann, Welcher, wiewohl mit Ehren Schon so bejahrt, alterergraut, Tränken mit JünglingSstudien 515 W ill den verwelkten alten Kopf Und sich in Weisheit üben! Chorführerin. ($11 den Zuschauern.)

Laßt, ihr Herrn Zuschauer, mich jetzt sagen sonder Lug und List. Was, so wahr Dionysens Huld mich gehegt, die Wahrheit ist So gewiß ich heut mir den Sieg wünsch' und Dichters 520 Meisterruhm, Halt' ich euch Versammelte rings für ein feines Publikum, Aber halt' auch dieses Poem für das feinste um und um; Setzt' eS auch schon früher darum euch einmal zum Ko­ sten vor, v. 523. Ueber die frühere Aufführung der Wolken im Jahre 423 f. Einleitung.

Weil'S die meiste Müh' mir gemacht; doch mein armes Stück verlor 525 Unverdient, von Tölpeln verdammt. Und zum Vorwurf mach' ich's euch Feinen Kennern, denen zu Lieb' ich allein zur Bühne steig'. Dennoch euck nicht laß' ich im Stich, die so viel Geschmack «hr habt; Denn seitdem von Männern mir hier, deren Zusehn schon erlabt, Mein Sittsam und Liederlich einst reich mit Beifall ward begabt, 530 Und ich — Jungfer war ich ;a noch, nicht gebären durft' ich da, — Dieß mein Kind aus hatte gesetzt und in fremden Hän­ den sah, Aber ihr voll edelsten Sinns mir es hegtet mit Geduld — Ja seitdem ist fest wie ein Fels mein Vertraun auf eure Huld. Gleich Elektren eilet darum die Komödie zum Altar, 535 Späht, ob heut sie feinen Geschmack findet hier, wie einst er war, Schnell erkennend, wenn sie ihn sieht, Bruders Schritt und Bruders Haar. — Wie sie sittsam ist von Natur, achtet wohl. Nicht kommt sie her v. 529 Sittsam und Liederlich waren die Hauptpersonen In Aristophanes erstem Stücke Daitaleis, das im Jahre 427 durch Philonides auf die Bühne gebracht worden war, weil Aristophanes selbst damals noch zu jung war. s. Einleitung zu den Acharnern (Bd. 2. S . 1 5 7 ). v 534. I n den Cboephoren des Aischylos findet Elektra Grabe ihres Vaters (dem Altar in der Orchestra, um der Chor aufgestellt hat) eine Trauerlocke und zu ihm rend Fußspuren; daran erkennt sie die Nähe ihres Orestes.

auf dem den sich hin füh­ Bruder«

Vorgehängt das lederne Ding,

niederbaumelnd dick und schwer, Blutroth vorn, daß, wenn sie es säh'n, Kindern was zu lachen war'; Nicht Kahlköpfe spottet sie auS, nicht im Kordax fliegt ihr 540 Nock, Auch kein alter verselnder Geck haut mit seinem Knotenstock, Gegen schaalenWitz um sich her stoßend wie'ein Ziegenbock; Nicht auch stürmt mit Fackeln sie her, heult auch kein „Weh wehe m ir!" Nein sie kommt, vertrauend auf sich und auf ihrer Verse Zier. Und, obgleich ein solcher Poet, toll' ich nicht mir stolz das 545 Haar, Stelle niemals, euch zum Betrug, ein Stück zwei und dreimal dar; Nein, durchaus nur neue Süjets denk' ich aus und bring' sie euch, Keines je dem vorigen gleich, jedes doch an Feinheit reich. So den Kleon, groß wie er war, streckt' ich mit 'nem Bauch­ hieb hin, Aber als zu Boden er lag, trat ich weiter nicht auf ihn. 550 Die dagegen, seit sich einmal Blößen gab Hyperbolos, Trampeln stets von Neuem auf ihn und des Lumpes M ut­ ter los.

v. 538. D ie folgenden Verse beziehen sich, nach den Untersuchun­ gen gelehrter M ä n n e r, besonders aufEupolis und Hermippos; es ist zu bemerken, daß Aristophancs dieselben Kunstgriffe, dem Publikum zu gefallen, die er bei seinen Nebenbuhlern so scharf tadelt, in seinen Komödien keinesweges unbenutzt laß t, wie Aehnlickes schon zu Frieden V . 136. bemerkt worden. v. 540.

Kordax ist der burleske Tanz der Komödie.

25 Er den Kranz verlor, in Zukunft wird er'S nicht so leicht vergessen, Daß man nach des Mondes Lichte soll des Lebens Tage messen. kennen wir ziehung zu Götter ihn Bote beim

nicht Jedenfalls war HvperboloS nicht ohne B e­ der Emfuhrung des neuen Kalenders, wenn die mit Verlust des Lorbeerkranzes, den er als heiliger Amphiktvoncngertcht trug, straften.

LweLter

3 ct.

(Erste Scene. Sokrates.

Strepstades.

Chor.

S o kr a te s . (aus dem Hause tretend.)

Beim Athemwind! beim Chaos! bei der Nebellust! Mein Lebelang nicht sah ich einen so bäurischen, So tölpelhaften, so linkischen, so vergeßllchen Kerl, Der, da er ein Paar armselige Brocken lernen soll, Sie, eh' er sie lernt, vergessen hat. Jedoch, — je nun, Ich will ihn aus dem Hause rufen, ans Tageslicht. Strepsiades, heda! komm heraus mit dem Denksopha!

630

St r epsi ade s. Den krieg' ich im Leben nicht vor lauter Wanzen fort! S o kr at es . Geschwind und setz ihn nieder. Nun gieb Acht!

635

Strepsiades. Zu Dienst! Sok ra te s. Wohlan, was willst du lernen jetzt zu allererst, Wovon du ehdem keine Ahndung hattest? sprich! Dom Maaße lieber? oder vom Rhythmus? oder Vers? C 2

S tre p s ia d e S . Ach ja, vom Maaß; denn wenige Tage sind es jujt, 640 Da hat mich der Schuft Mehlhändler um zwei Maaß Mehl geprellt. Sokrates. Das frag' ich nicht; ich frage, welches Maaßgeschlecht D ir am schönsten gefällt, dreimäßiges oder viermäßiges? St r ep s i a de S. Vier Metzen sind doch immer schon ein hübsches V ie rt! Sokrates. Das ist ja Unsinn, Bursche! S t re ps i a de S. Ja, da wett' ich drauf, 645 Daß ein V iert nicht mehr und weniger als vier Metzen sind. Sokrates. Zum Geier, wie ist der Mensch so vernagelt und bauerndumm! Indeß begreifst du die Lehre vom Takt vielleicht mir eh'r. S t r e ps i ade S. Was kann der Takt mir nützen für mein täglich Brod? S okrate s. Zuerst daß in der Gesellschaft sein du dich benimmst, 650 Dann daß du heraus gleich fühlest, welches Geschlecht von Tact Im Waffentanz, im Opserreigen, im Marsche steckt! v. 642. Leider haben wir im Deutschen die metrische Terminologie der Griechen angenommen; daher klingen uns dretmäßige und viermäßige Lersmaaße ganz fremd; sie bezeichnen die soge­ nannten Trimeter und Tetrameter. v. 650. Der eigentliche Spaß dieser Stelle ist mit dem Griechi­ schen Dactylos und seinen Nebenbeziehungen in der ^Übersetzung verloren gegangen; den sehr dreisten Humor wird man dem alten Ackeremann wohl zu Gute hallen.

S tre p sia d e s. J,n Marsche steckt? mein Seel', das weiß ich lange! S o k ra te s Sag's! S trepsiadeS . ( m tt den entsprechenden Gesten.)

Was für ein Geschlecht denn anders als dieß männliche? Der hat es lernen fühlen, da ich ein Bübchen war! S ok r at e s . Sehr säuisch bist du, ein rechter Bauer! StrepsiadeS. Ja, Alterchen, Von solchen Dingen lernen will ich nichts! Sokrates. Was denn? StrepsiadeS. Das eine, nur das eine, die Unrechtsredenschaft! S o kr a t e s. Da mußt du Andres aber zuvor noch lernen, Sohn! Von den Säugethieren, welche sind da männlich stets?

655

StrepsiadeS. Da müßt ich verrückt sein, kennt' ich nicht die männlichen: 660 Der Bock, der Bull, der Hammel, der Hund, der Hahn, der Pfau. Sok r at es . Da siehst du, wie du Verkehrtes sprichst? Du nennst ja doch Das Weibchen grade wie das Männchen, einen Pfau« Strepsi ades. Wie meinst du? wie? Sok ra t es . Ih n nennst du Pfau und Pfau die Sie, v. 664. Es ist allerdings übel, daß wir in dieser qamen scherzhaf­ ten Exhibition den Hahn des Griechischen nicht brauchen tön-

70

665

Die Wolken.

S tre p sia d e s. So wahr Poseidon! Nun, wie drück' ich mich richtig aus? S o k ra te s . Sie nennst du Pfauin, und den Er den nennst du Pfau! S trepsiade s. Der Pfau! die Pfauin! köstlich, bei der Nebelluft! Schon bloß für diese Lehre will ich bis zum Rand M it schönstem Mehl dir deine Backthün füllen — Sokrates.

670

Halt! Schon wieder einen Schnitzer! Backthün sagst du ja, Als wär' es männlich, da es doch weiblich ist! Strepsiades. Wie so? Ich hätte Backthün männlich gesagt? Sokrates. Ich dächte doch, I n derselben Art wie Äleonym! Strepsi ades. Wie meinst du das? So kr a te s . Es endet Backthün eben so wie Kleonym! neu, da unsere Sprache für seinen Harem den Namen der Henne» darbietet; der Pfau, den wir gewählt, ist eigentlich damals noch zu selten in Athen, als daß er die Stelle des Hah­ nen vertreten tonnte, wenngleich auch Hühner keinesweges auf jedem Hofe zu finden waren. W olf hat den Staar substituirt; aber es fehlt diesem die sichtliche Unterscheidung des Er und der Sie, wie eine spätere Scene unseres Stückes sie fordert. v. 670. Backthün nennt man in einigen Gegenden Deutschlands (wie Stukthün, Waschtbün «. f. w.) den Backtrog. Um die Möglichkeit eines dem Griechischen entsprechenden Scherzes zu bewerkstelligen, mußten wir uns erlauben, den Kleonymos um seine letzte Svlbe zu bringen, um hinterdrein aus diesem Werfeschjld ein Weibsbild zu machen.

StrepsiadeS . Ach Freund, mit der Backthün fängt sich gar mchtS an 075 bei dem, Den allergrößten Bottich braucht er, wen» er backt! Doch sag' mir jetzt, mc soll ich künftig sagen? S okrates. Wie? Backthüne heißt es, wie Archine, wie Myrrhme! S trepsiade S . Backthüne? weiblich? Sokr ates. Freilich, nach der Regel geht's StrepsiadeS. So heißt es denn Kleonyme wie Backthüne!

OBO

S okrates. Nun ferner auch von den Eigennamen lerne imv, Was männlich unter ihnen und was weiblich ist. StrepsiadeS. WaS weiblich, weiß ich meiner Seelen! S okr at es . So sag' sie her StrepsiadeS. Phlline, Lysille, Klitagora, Demetria S ok r a t e s . Und welche sind denn männlich? StrepsiadeS Hunderttausend Stuck: Philoxenoö, MilesiaS, AmymaS, — S okrateö Einfältiger Mensch, nichts minder als männlich sind die \al StrepsiadeS. Nicht männlich, meint ihr, waren die?

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S o k ra te s . Im Leben nicht; Denn sähst du so den AmyniaS, wie riefst du ihm wohl? S tre p s ia d e s . 690 Nun wie denn? hör 'mal, du, Amynchen! S o k ra te s . Siehst du wohl? Wie du sagst Philmchen, nennst du Amynchen dieses Weib! S tre p s ia d e s . Am Ende mit Recht auch, da er ja nie zu Felde zieht. Indeß, was lern' ich, was von uns längst jeder weiß! Sokrates. Nein, keineSweges! — Aber leg' dich jetzt — Strepsiades. Und dann? Sokr ates. 695 Versenk' dich forschend in die Gedanken deiner selbst. Strepsiades. Nicht hier, o laß dich erbitten, hier nicht! muß es sein, So w ill ich mich auf dem Boden versenken, so viel du willst! Sokrates. Man wird sich bequemen müssen! (geht m das H auS )

Zweite Scene. S tre p sia d e s.

Chor.

Strepsiades Ach, ich armer Kauz! Heut werd' ich's müssenden Wanzen büßen! o weh! o weh! v. 689. Der Name Amynias ist natürlich nicht ohne Beziehung auf den liederlichen Pronapossohn als Beispiel gebraucht, von dem Wespen V. 1268. Näheres zu lesen ist.

C hor. (S tro p h e.)

Jetzt, Freund, studirt! jetzt meditirt! Nimm den Verstand zusammen Und grüble rastlos. Doch schnell, wenn zu bunt es dir werden will, Spring ab und über Zu andrem Forschen. Ferne nur Bleibe dem Auge der holde Schlaf! S tre p s ia d e s. O weh mir! o weh; weh mir! o weh! C hor. W as fehlt dir? was quält dich? S tre p sia d e s. Ich Armer bin verloren! aus dem Denksopha Hervorgekrochen beißen mich die Sophisten rings, Und die Seiten des LeibeS zerfleischen sie mir, Uud die S ä fte des Geist's aussaugen sie mir, Und das Hodengehäng abzerren sie mir, Und das Astergesäß durchwühlen sie mir, Und ermorden mich schier — C hor. Nicht jammre so über die Maaßen verzagt! S tre p s ia d e s. Selbst das nicht 'mal? Mein Geld ist dahin, und die Farbe dahin Und die Seele dahin und die Schuhe dahin, Und zu alle der Noth jetzt werd' ich noch selbst, D a mit Macht ich mich kaum Wach jammere, nächstens dahin sein! (schlaft cm .)

v. 7 1 0 . D a s Griechische nennt die W anzen nicht Sophisten, sondern an ihren eigentlichen N am en anspielend Korinthier. v. 7 2 2 . E s scheint, daß hier ein kleiner Chorsatz ausgefallen ist.

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Di« Wolken.

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Dritte Scene. Sokrates.

StrepsiadeS.

Chor.

Sokrates. (kommt aus dem Hxuie.)

ginn, Freund, was schaffst du? denkst doch auch gehörig ? StrepsiadeS. (ermuntere sich.)

Ich?

So wahr Poseidon! Sokrates. Schön; was hast du durchgedacht? StrepsiadeS. 725 Ob die Wanzen wohl was übrig lassen werden von mir Sokrates. Der Henker mag dich — StrepsiadeS. Guter Herr, der hat mich schon! Sokrates. Die Ohren steif gehalten! den Mantel über den Kopf! Man denkt mir jetzt auf eine Truggewinnsidee Und saubern Kniff! (geht gravitätisch auf und ab, während ftch StrepsiadeS -um Nachdenken den Kittel über die Ohren zieht.)

7j o

StrepsiadeS. O weh! wer schafft mir armen Kauz Aus diesem Löcherkittel eine Lugidee! Sokrates. Ich muß doch mal hinsehen, was er da treibt, der Mensch' He du, du schläfst wohl? StrepsiadeS. Beim Apollo, ich wache »och! Sokrates Nu», hast du was?

S tre p sia d e s. Nein, nichts beim Z eu s! S o k rates. Was, wirklich nichts? S tre p sia d e s. Nichts weiter als das Ding an sich, in der rechten Hand! S o k rates. Geschwind den Mantel über den Kopf und fortgedacht! S tre p s ia d e s . Worüber? sage mir das doch nur, o Sokrates! S o k ra tes. Erdenk dir nach Gefallen erst mal selber was. S tre p s ia d e s . Zehntausend mal schon hast du gehört, was m i r gefällt; I n Sachen der Zinsen, wie ich sie keinem bezahlen will. S o k ra te s. Wohlan! den Mantel über! den feinen Grundbegriff I n s Auge gefaßt, entwickelt, um und dumm gedacht, Fein abgetheilt und untergeabtheilt. S tre p sia d e s. Weh! o weh! S o k ra te s. N ur still! Und kannst du mit der Idee nicht weiter fort, S o laß sie fallen, geh hinweg; dann wieder laß Den Verstand auf selbe jagden und halt die Beute fest. S tre p sia d e s. (m höchster Freude.)

O herzallerliebster Sokrates? S o k ra te s. Nun, Alterchen? S tre p s ia d e s . Ich habe letzt die Zinsentrugidee heraus! Sokrates Aufzeige sie also!

StrepsiadeS. Sage mir, wie wär es — Sok ra te s. Nun? StrepsiadeS. Wie wär' es, kaust' ich eine Theffalische Zauberin 750 Und höhlte bei Nacht den Mond herunter, legte den Und verschloß' ihn fest in ein scheibenförmiges Futteral Wie einen Spiegel und verwahrte ihn so daheim — Sokr at es. Was soll denn das dir am Ende nützen? StrepsiadeS. Nützen? das? Kam' nirgend mehr und zu keiner Zeit der Mond herauf, 755 So braucht' ich keine Zinsen zu zahlen. Sokrat es. Wie so denn das? StrepsiadeS. Weil man um den Neumond seine Zinsen zahlen muß. S ok rat es . Ganz gut! — doch jetzt ein Zweites, das du ergründen magst. Es hat dir jemand eme Fünstalentenklag' Anhängig gemacht, wie schaffst du sie dir wohl über Seit? 700

StrepsiadeS. Wie? wie? ich weiß nicht! Muß doch aber zu finden sein! (er denkt m it ungebärdiger Anstrengung.)

Sokrat es. Du mußt den Verstand nicht allzufest zusammenziehn! Laß lieber deinen Gedankenffug in die Lust hinauf Frei flattern, wie 'neu Maikäfer nut dem Zwirn am Bein. S t r epsl ades. Gefunden hab' ich die schlauste Klagebeseitigung, 705 Wie du sie mir selbst wirst billigen müssen!

S o k rates. Welche denn? S tre p sia d e S . D » hast in den Balsamläden doch den Stein gesehn, Den schönen, Helle», wo man hindurch kann deutlich sehn, Womit sie Feu'r anzünden — S o k rates. D u meinst den Brennkrystall. S tre p sia d e S . DaS eben! S o k rates. Nun, was willst du damit? S tre p sia d e S . Wenn wider mich Die Klage der Schreiber niederschreibt, so nehm ich eS Und stelle mich seitwärts so damit, der Sonne zu, Und schmelz' ihm unter dem Griffel meine Klage weg. S o k ra te s. Sehr fein bei den Charitinnen! S tre p s ia d e S . Ach, wie freu' ich mich, Daß ich mir die Fünstalentenklage vom Leib geschafft! S o k rateS . Wohlan! ergreif nun schnell ein neues Thema! S tre p s ia d e S . N un? SokrateS.

Wie wahrst im Proceß du dich gegen Klägers Forderung, Wenn du weißt, du mußt verlieren, da aller Beweis dir fehlt? S tre p sia d e S . DaS ist 'ne lumpige Kleinigkeit! S o k ra te s.

S trepsiadeS . Ja! Vorher wenn Eine Sache nur noch vor meiner ist. 780 Bevor man mich aufruft, lauf' ich weg und hänge mich auf! S o kr a r e s . Höchst albernes Zeug! StrepsiadeS. Ja aber doch, so wahr mir Got t! Denn häng' ich erst, so lassen sie wohl die Klage ruhn! Sokrates Du Esel! scheer' dich! ich geb' dir keine Schule mehr! StrepsiadeS. Was ist? um Gottes Wille«, lieber Sokrates! Sokrates. 785 Du vergißt mir ja Alles wieder, was du noch eben lernst.

Denn gleich, was war das Erste, was du lerntest? nun? StrepsiadeS. J a ! laß mal sehn! was war das Erste — da- Erste — ja — , Wie hieß denn das Ding gleich, drin das Brod gebacken wird! O weh, wie hieß es doch! S ok r at es . Fort zu allen Geiern mit dir, 790 Du erzvergeßlicher, dämliger Graukopf, fort mit dir! StrepsiadeS. O Weh! wie wird'S mir altem Stümper nun ergehn! Aus ist es mit mir, erlern' ich das Zungendreschen nicht! Ach, liebe Wolken, gebt mir doch 'nen guten Rath! Chor. W ir rathen dir, o Alter, wenn du einen Sohn 795 Zu Hause hast, der schon herangewachsen ist, So schicke den statt deiner her in den Unterricht. v. 782.

Nach diesem Verse scheint Einiges zu fehlen.

StrepsiadeS. Ja freilich hab ich einen, und der ist fern und gut; Doch will er ja nicht was lernen! Ach was fang' ich an! Chorf ühreriu. Das leidest du so? StrepsiadeS. Er ist robust und von derber Faust, Don MutterS wegen aus Koisyras hochflattrigem Stamm. 600 Doch w ill ich hin, ihn holen. W ill er aber nicht, So jag' ich den Jungen mir nichts dir nichts aus dem Haus! (zu Sokrates.)

Du, geh nur hinein und wart auf mich neu Augenblick. (ab, etwas später geht Sakrales ,nS Ha»«.)

Chor. Nun merkst du doch, welche» Gewinn Uns du von alle» Göttern Allein verdankest? Es zeigt ja zu allem dir, waS du willst, Der Mensch sich willig. Du siehst, wie ganz verschroben schon, Ganz er benommen ist; darum Rupfe den Narr», beutle ihn aus, was du nur kannst. De»» es pflegt dergleichen oft im Nu, Glaube mir, umzuschlagen!

800

810

Dritter

Ar t .

Erste Scene. StrepstadeS.

Phidippides.

Chor.

StrepsiadeS. Nicht länger, so wahr der Nebel, bleibst du mir hier im Haus; 815 Geh hin, und iß dich an Onkel Megakles Säulen satt! Phi di ppi d es . Den alten Narren! Vater, was ist ihm denn geschehn? Es scheint mir nicht recht richtig mit ihm, beim Olympi­ schen Zeus! Strepsi ades. Nein seht mir, seht „beim Olympischen Zeus!" o Albernheit! An Zeus noch glaubt der dumme Junge, so groß er ist! (schüttelt sich vor Lachen)

Phidippides. 820 Was ist dabei zu lachen? Str epsi ades. Lach 'mal einer nicht, Wenn du kindisch genug so Alteweibergeschichte» glaubst! Doch komm nur her; was mehr noch erfahren sollst du mir, Was lehren will ich dich, das zu 'nein ganze» Kerl dich macht; Doch daß du mir keinem sonst davon ein Wörtchen sagst! PH,-

Phidippides. Nur her, was ist'S denn? Strepsiades. Eben schwurst du doch beim Zeus? Phidippides. Natürlich. 825 Strepsiades. Jetzt erkenne, wie gut das Lernen ist; Mein Sohn, es giebt gar keinen Zeus; eS herrscht vielmehr Ein gewisser Wirbel, welcher den ZeuS vertrieben hat. Phidippides. Potz Welt, den Unsinn! Strepsiades. Ja es ist so, glaube mir's! Phidippides. Wer sagt das, Alter? 830 Strepsiades. Sokrates der Melier Und Chairephon, der den Sprung des Floh's berechnet hat. Phidippides. So weit gekommen in seiner Tollheit ist er schon, Daß er übergeschnappten Narren glaubt? Strepsiades. Gleich halt das Maul, Und rede nicht so herrlichen Männern Schlechtes »ach, So hoch gebildeten, die aus purer Sparsamkeit 835 Sich nie die Haare verschneiden, auch sich salben nie, Noch gar ihr Lebtag Bäder nehmen; aber du Als hätt'st du mich schon im Grabe, verbadest mir Haus und Hof! Darum geschwind, geh hin zu ihnen und lerne für mich! v. 831. Der Melier ist sonst Diagoras der Gottesläugner; eine ähnliche Wendung ist Vögel V. 1077. Aristsph. ui. F

P h id ip p id e s . 840 Was wird denn Kluges bei denen gar zu lernen sein ? S tre psind e s. Du Tölpel! Alles, was so Weisheit wird genannt; Da erkennst du dich selbst, wie ungelehrt und roh du bist, Und — wart' aus mich nur 'mal ein Augenblickchen hier — (eilt

IN S

Haus.)

Phi di ppi des. Weh! weh! was thun mit dem Alten und feiner Ver­ schrobenheit? 84., Denuncir' ich ihn, von wegen Wahnsinn, beim Gericht? Vermeld' ich'S dem Todtengräber, daß er schon irre spricht? S tre p s ia d e s . (m it zwei Pfauen zuruclkommend )

Jetzt komm! wie nennst du dieses Wese», sag einmal. P h id ip p id e s . Pfau! S tre p sia d e s. Richtig! aber wie nennst du hier die Sie dazu? Phidippides. Auch Pfau! S tre p s ia d e s . Sie beide mit gleichem Namen? o wie dumm! 850 Sprich künftig anders; nemlich wenn du vom Weibchen sprichst, So sagst du Pfaui», wenn dagegen vom Männchen, Pfau.

Phidippides. Die Pfauin! Also solche Wunderdinge sind's, Die er dort bei seinen Himmelsstürmern hat gelernt? S tre p sia d e s. Nein, vieles sonst noch; aber leider vergaß ich bald, 855 Bei meinem hohen Alter, was ich kaum gelernt. P h i d i p p i d cs. . Für solche Dinge verlor er wohl de» Mantel auch?

S tre p s ia d e s .

Verloren keineSweges, sondern verstndirt! P h id ip p id e s . Und seine Schuh, wo hat er die denn, alter Thor? S trepsiades.

Die find, wie PerikleS weiland sprach, zweckmäßig — verthan. Jetzt hurtig! komm nur! komm! verthu' so viel du willst, 860 Nur thu' dem Vater dieß zu Lieb'! D ir hab ich ja auch Zu Liebe, da du ein Knäbchen warst, sechs Jährchen alt, Und lispeltest „bring mir mit, Papa" zum Diasienfest Für meinen ersten Gerichtsobolen ein Wägelchen Gekauft. 865 Phidippides. Er wird es dermaleinst noch schwer bereun! S tre p sia d e s. Schön, daß du mitkommst! (beide gehen zu der andern Seite der Buhne, zu Sokrates Haus.)

Zweite Scene. St repsiades.

Sokrates.

Phidippides.

Chor.

S tre p sia d e s. Heda! liebster Sokrates! Komm' mal heraus! (Sokrates kommt aus fernem Hause.)

Ich bringe meinen Sohn dir, der, Wenn auch nur ungern — Sok r at es . (prüfend)

's ist ein grünes Bürschchen »och, Noch auf der Gedanken höheren Hang gerichtet nicht! v. 860. Unter bet Rubrik „zweckmäßig verwandt" führte Perikles bei der Rechenschaftslegung die zehn ober zwanzig Talent an, mit betten er bett Spartaner Feldherrn bestochen hatte.

F2

P h id ip p id e s . 870 Gerichtet selber wärst du gerecht, wenn du hoch so hingst! Strepsiades. Da muß ja der Henker! seinem Lehrer flucht der Mensch! Sokrates. E i seht den Pinsel, wie er das „hingst" abscheulich krächzt Und Zähne blekend die Lippe dabei herunter zerrt! Wie soll ein solcher Lasse die Rechtsverweigerung, 875 Den Vorbehalt, die überzeugende Schlußcadenz Begreifen, wofür Hyperbolos selbst ein Talent bezahlt! Strepsiades. Getrost, versuch's mit dem Lernen nur; er hat Talent; Er war so ein winzig Bübchen noch, da schnitzt' er schon Aus Bork sich Kahnchen, machte von Wachs sich Häuserchen, 880 Schnitt kleine Hottowagen artig in Leder aus Und Fröschchen aus 'ner Apfelschaale, du glaubst es nicht. Doch daß er mir ja die beiden Redenschasten lernt, Die stärkere, mein' ich nennt ihr's, und die schwächere, Die, nichts wie Unrecht redend, die stärkere 'runterbrmgt; 885 Wo beide nicht, so die ungerechte doch platterdings. Sokrates. So lern' er selbst sie von ihnen beiden in Person. (ab)

Strepsiades. Ich will mich lndeß entfernen. Denk' nur hübsch daran, Daß er allem Recht und Gerechtigkeit widersprechen lernt! (ab.)

Chorgesan g. (fehlt)

Dritte Scene. I n Kvrben, wie Strenhahne werden die beiden „ R ed en scha f t e n " auf die Buhne gebracht und herausgelassen. P h id ip p id e s . C h o r.

D e r Gerechte. Jetzt komm' nur vor! Jetzt stell' dich zur Schau Vor das Publikum hin, so frech du auch bist!

890

D e r Ungerechte. --Steh' hin, wo du willst"; denn je mehr uns schaun, Um so mehr nur mach' ich dich todt! D e r Gerechte. Du mich todt? Wie denn das? D e r Ungerechte. Kraft Sprechens! D e r Gerechte. Du schwächerer mich? D e r Ungerechte. Der du starker denn ich dich berühmest zu sein, Dich bezwlng' ich ja doch! D e r Gerechte. Wie beginnst du das fein? D e r Ungerechte. M it Gedanken, die neu ich erfinde dazu!

v. 889. Die beiden „Redenschaften" sind nicht etwa Vertreter der Gerechtigkeit und der Ungerechtigkeit, sondern die beiden widerstreitenden Principien der alten und neuen Zeit in Person; der Gerechte ist bejahrt, in der einfachen ungeschmückten Tracht der guten alten Z e it; der Ungerechte ein junger Fant nach der Mode, frech und hämisch Uebriqens muß' man sich diese ganze Scene mit der lebhaftesten Bewegung vorgestellt den­ ken; zwischen beiden Streitenden steht der Jüngling, und seltsam genug mögen sie um ihn herum ihre Plätze verwechselt, ihre Touren gemacht haben.

895

D e r Gerechte. Wie daö freilich im Flor jetzt ist bei dem Volt, Dem so thörichten Volk! D e r Ungerechte. So gebildetem Volk! (tlc andern rhre Platze;

D e r Gerechte. 900 Ich vernichte dich ganz!

D e r Ungerechte. Wre beginnst du das, sprich? D e r Gerechte. Straft ewigen Rechts! D e r Ungerechte. Da werf' ich dich gleich mit ’nem Einspruch hin: Ich behaupte, es giebt überhaupt kein Recht! D e r Gerechte. Ueberhaupt kein Recht? D e r Ungerechte. Weis' nach, wo es ist? D e r Gerechte. Bei der Ewigen Thron! D e r Ungerechte. Gäb's Recht in der That, wie wär's da mit Zeus 905 Nicht längst schon aus, der den Vater ja doch Selbst fesselte. D e r Gerechte. Pfui! Wie des Unsinns Dunst M ir zu Kopf schon steigt! O den Speinapf her! (Sle verändern den Platz.)

D e r Ungerechte. Erzbauerjan du, graubärtiger Flaps! D e r Gerechte. Erzliederian du, hoffartiger Knibs!

D e r Ungerechte. Wie du Lorbeer» streust —

910

D e r G erechte. Anschmieriger Geck! D e r Ungerechte. Wie du Weihrauch streust — D e r G erechte. Misrathenster Sohn! D e r U ngerechte. Wie du selbst mich vergüldest, o merkst du es nicht? D e r Gerechte. Was Gold du dir nennst, sonst galt es für Jucks! D e r Ungerechte. Jetzt aber für Glanz des beneidetsten Schmucks! (Sie verändern den Platz.)

D e r Gerechte. O du größter Hallunk!

915

D e r Ungerechte. Altmodischer N a rr! D e r G erechte. Du allein bist Schuld, Daß jetzt kein Bub' in die Schule mehr w ill! Bald einsetzn wird's das Athenische Volk, Was thöricht genug bei d ir es gelernt! D e r U ngerechte. Wie du klebest von Schmutz! D e r Gerechte. D u freilich, du prunkst! Nicht so war's sonst! sonst betteltest du Und nanntest dich Telephos, froh schon, fand Sich im Schubsack noch Ein Pandeletes-Weisheitsbrocken zu kaun! v. 923.

„Der Rührungstünstler Euripides hatte den unglücklichen

920

D e r Ungerechte. 925 O der Weisheit sonst!

D e r Gerechte. O des Wahnsinns jetzt! D e r Ungerechte. Du ja nanntest sie — D e r Gerechte. Dein und der Stadt Wahnwitz, Die dich heget und pflegt, Daß die Jugend, den Lenz du des Volks, ihr zerstörst! (Sie verändern ihren Platz.)

D e r Ungerechte. Willst du denn am End', Grisgram, ihn erziehn? D e r Gerechte. 930 Gern, gern, wenn es g''lt zu erretten ihn, statt Ih n zu üben wie du nur in schaalem Geschwätz!

D e r Ungerechte. (zu PhldippldeS)

Komm, Lieber, zu m ir! laß rasen den N arr'n!

D e r Gerechte. Weh' dir, wenn du Hand an den Jüngling legst! (Gefährliches Nähern Beider,)

Chor.

935

Von einander ihr zwei! Laßt Hader und Schmäh'n! Auf, zeiget vielmehr, Du, was du vordem denn der Jugend gelehrt, Du, was man die neuere Bildung heißt, Daß jener, bekannt M it dem Einen und Anderen, habe die Wahl! König Telephos als Bettler mit dem Ranzen auf he Bühne gebracht. Damit aber Ein Schlag zwei Häupter treffe, heißt das Weishet'sgeschwätz Pandeleteisch nach einem auch von Kratinos verspotteten Rechtsschwätzer und Sykophanten." Wolf. v. 928 „D er Lenz des Volts" ist aus dem Bedürfniß des beut5 scheu Verses entstanden, doch ist die Anwendung dieses Peri^ Heischen Ausdrucks gewiß im Sinne des Gerechten.

D e r G e r e c h te . G er» will ich es thun. D e r U n g e r e c h te . Auch ich w ill's gern. C h o r. N u n wohlan, wer redet von euch denn zuerst? 940 D e r U n g e r e c h te . G ern laß ich es ihm ; D a n n wird er aus dem, was er selbst vorbringt M ir m it F ra g ' und B ew eis und Gedanken der Zeit W ie 'nem Hagel von Pfeilen zu Boden gestreckt; Zum Beschluß, wenn er auch nur aufmuckst, stürzt 945 Noch zerstechend ihm A ug' und Gesicht, wie ein Schw arm Hornissen, der Scharfsinn meiner Id e en W ild über ihn her, bis er todt ist! C h o rg e sa n g . Entscheidend setzt werden die zwei, Je d e r des S ie g s gew ärtig, 950 M it klugem W o rt, treffendem Witz, Phrasengew andtem Tiefst»» D en Kam pf besteh», wessen A rt und W o rt M eister bleiben soll. Alle G efahr stürm et ja jetzt 955 W ider dich an, Philosophie, H ier wo um dich den größten Kam pf Unsere Freunde wagen! C h o r f ü h r e r in. A uf du, der so schön du die Ahnen geschmückt m it dem Kranz untadliger S itte , S prich mächtigen K langs, wie du dessen dich freust,dein 959 Dichten und Trachten zu schildern! D e r Gerechte. D a r stell' ich demnach, wie es früherer Z eit m it der K in­ dererziehung bestellt w ar,

Da, Vertreter des Rechts, lch in Flor noch fand, und Ernst und Bescheidenheit herrschte. Vor Allem, da war niemals das Geschrei trotzköpfiger Kin­ der zu hören; Fein ehrbar sah man die Kleinen des OrtS miteinander am Morgen die Straße 005 I n die Kitharaschule mit lustigem Kleid, wenn der Schnee auch stöberte, wandern. Hier lehrte sodann sie der Meister, erzürnt, wenn die Schen­ kel sie kreuzten, ein Krastlied, Bald .-Pallas du Stadtebewältigerm" bald „fernhintönende Leier", Im gehaltenen Ton, im gemessenen Takt, wie die Väter vor Zeiten gesungen. Wenn da einer zu Beifallssüchteln begann, Ausweichungen sang und Cadenzen, 070 Wie man jetzt ste beliebt nach Phrynis Manier, Solfeggieuschnörkelgeziere, Dann gab es sogleich mit dem Röhrchen den Lohn, da die heilige Kunst er entweihte. I n dem Ringhof dann, wenn die Knaben zu ruhn m den Sand hin saßen, so mußten Sie die Bein' ausstrecken, um schamhaft nichts die draußen erblicken zu lassen; Und standen sie auf, so verwischten ste gleich in dem Sande die Spur, zu verhindern 075 Daß Liebenden nicht der Natur Abbild unreine Begierden erregte.

v.

007

v.

070. „ P h ry n is , ein Kitharöde aus M itvlene, verkunstelte die alte Musik. Ueber ihn klagte die Tonkunst beim Komiker Pberekrates: Phrvnis, der eigene Kräuselait mir eingelegt, H at schnörkelnd und umdrehend mich durchaus verderbt." Boß.

Es sind dies die Anfänge alter Kernlieder.

D a n n salbte da auch kein Knabe sich je bis über den Nabel hinunter; E s umblühte darum ein gekräuselter P flaum ihm den Schooß wie ’tte reifende Pfirsich N ie drängten sie sich mit dem süßen G egirr sehnsüchtigen kosenden Flüsterns, M it dem buhlenden Blick schmachtsüchtiger Lust an den 980 Liebenden, Preis sich zu geben. Auch durften bei Tisch niemals sie sich selbst E m Stengel. chen S parg el nur nehmen, Noch vor den Erwachsenen gar vom S a l a t und vom S e n f sich zu langen erdreisten, Noch Naschwerk schmausen und leckeren Fisch, noch k'reuzweis halten die Schenkel. D e r U n g ere ch te. Altvätrisches Zeug und Dipolienkram, und güldne Cikaden im Schopfe, Und Phrynichoslied und Buphonienfest! 985 D e r G ere ch te. J a gewiß! das eben ja war es, Kraft dessen ein Marathonöheldengeschlecht aufblühete meiner Erziehung; D u hingegen, du lehrst ja die Jü ngeren jetzt, sich über und über vermummen, v. 9 8 4 . D ie D i p o l i e n sind eins der ältesten Feste im Attischen Lande zu Ehren des Z eus des Stadtschirmenden. E s wurden Ochsen dem Opfertisch zu getrieben; der zuerst tarn, von dem Opferbrod zu fressen, wurde von dem Priester erschlagen, (B u phonien) der dann, als ob er ein M örder wäre, floh; sein B eil aber wurde vor Gericht verklagt und als Verbrecher in den G algenqrund geworfen. D ie Aufklärung der Zeit hatte es leicht, dergleichen Ceremonien zu verspotten. — Ueber die Cikade im Schopfe s Ritter V . 1333. v. 985. D ie Uebcrsctzmig hat statt des Kekeidas, des alten D ith y­ rambendichters den nichtminder charakteristischen Phrynichos gesetzt, s. W espen V . 220.

Daß platzen ich möcht’, wenn zu Panathenä'n, zu dem Tanze der Waffen die Knaben, V or dem Schooße den Schild, in die Feste zu zrehn vor Pallas nicht sich erblöden! 990 Drum, Jüngling, auf und erwähle beherzt mich Vertreter des Rechts dir zum Führer; Dann lernst du, o Sohn, zu verachten den Markt, zu ver­ abscheun Salben und Bäder, Zu errothen in Scham bei schändendem Thun, und, verhöhnt man dich drum, zu entbrennen, Dich mit Ehrfurcht gern, wenn der ältere Mann eintritt, von dem Sitz zu erheben, An den Theuren, die einst dich gezeuget, dich nie zu versün­ digen, aller Versuchung 995 Zu erwehren dich stets, um der Keuschheit B ild an dir selbst niemals zu besudeln, Niemals an der Tänzerin Thür um die Gunst, um die Eine zu betteln, damit nicht Wenn dir Dirnchen den Strauß der Gewährung reicht, dein ehrlicher Name zu Schimpf wird, Nie wider den Vater zu sprechen in Nichts, niemals mit empörendem Scheltwort Im Bösen die streng wohlmeinende Zucht, die er übte, dem Greis zu gedenken! D e r Ungerechte, looo Wenn von dessen Geschwätz du bethören dich läßt, dann wirst du, so wahr Dionysos, Den Hippokrates - Säuen dereinst gleich sein, ja den Herrn Duckmäusern dich ähneln. D e r Gerechte. Kraftstrotzend vielmehr und im fröhlichen Blühn der Ge­ sundheit weilen im Ringhof, v 1001. H i p p o t r a 1 es war cm Neffe des Perikles; seine Söhne Telesippos und Demophon werden mehrfach wegen ihrer Ein­ falt verböhnt. Duckmäuser (Blittomammen) nannte man die beiden Söhne des großen Peritl'es.

Nicht zungengewandt, schulphrasenberedt auf dem M arkt wie die heutige Jugend, Nicht ohrengezaust mit Verläumdergebell in Bettelhallunkenproceffen, N m t, nein, in dem Hain Akademos wirst du im friedlichen 1005 Schatten des OelbaumS Lustwandeln, gekränzt mit dem Schilfe des Bachs, an dem Arm des verständigen Freundes, I n des Geisblatts Dust, in der Muße Genuß, in der sil­ bernen Pappeln Umlaubung, I n des blühenden Frühlmgs Lust, wenn sich stlll zuflüstert Platane und Ulme. Wenn du dem nachkommst, was ich dir empfahl, Und mit treuem Bedacht es dem Sinn einprägst, 1010 Stets hast du dann, Sohn, Vollkräftige Brust, frischblühende Färb', Breitschultrigen Wuchs, Hübsch großes Gesäß, hübsch kleines Geschoß! Doch wenn du es treibst in der neuen Manier Bald hast du dann auch Bleichsüchtige Färb', fchmalschultrigen Wuchs, Schwindsüchtige Brust, stets Munddiarrhoe, Gar kleines Gesäß, gar großes Geschoß, Phephismen ohn' End'! Ja er schwatzt es dir auf, daß Häßliches schön, Daß wieder das Schönste dir häßlich erscheint; Und er wird dich dazu ausputzen am End' M it Antimachos Sauigeleien. Chorgesang. O der des Sonst weisere Zucht Treu du, die feste Burg, schirmst, v. 1005. Der Hain A t a d em o s auf der Nordseite der S ta d t ist besonders durch P la:o, der dort lehrte, berühmt geworden, v. 1023. Ueber A n t i m a c h o s s. Acharner A . 1130., falls jener derselbe ist.

1015

1020

1025

Wie deinem Wort lieblich entblüht Edelsten Ernstes Blume! Ja, hochbeglückt preisen muß ich die, deren Jugend noch 1030 Das mit erlebt. Aber an dir Meister der wortpreislichen Kunst, Jst's, zu erspähn was Neues, da Dieser so gut bestanden. Ja zeigen müssen wirst du dich als wortgewandten Fechter, 1035 Willst du ihn übertrumpfen, nicht heut werden zum Ge­ lächter. D e r Ungerechte. Schon lange wahrlich prickelt's mich, ich stehe wie aufKohlen; Jetzt endlich werd' ich Punkt für Pnnkt ihn vor die Schur mir nehmen. Der schwächere nemlich werd' ich drum geheißen bei den Denkern, Weil ich zuerst daran gedacht, so Rechten wie Gesetzen 1040 Entgegen und im Widerspruch beweisend zu gewinnen. Und wahrlich, Tonnen Goldes werth ist das doch wohl zu nennen, Wenn schwächerer Sache man fich weiht, imt ihr denn doch zu stegen! Jetzt steh, wie ich die Kinderzucht, auf die er pocht, ihm trumpfe. Zum Ersten, warme Bäder nicht will er erlaubt dir wissen: 1045 Wohlan, auf welchen Grund gestützt verwirfst du warme Bäder? D e r Gerechte. Sie sind verderblich durch und durch und machen den Mann zur Memme. D e r Ungerechte. Halt, halt! Da hab' ich dich \a gleich und fasse dich mit Mächten;

I c h frage

dich, w er glaubst du h a t von Z e u s erhabnen Söhnen B e w ä h r t den höchsten K a m p fe sm u th , vollbracht h e meisten T h a te n ? D er M ehr M ann

G e re c h te .

hienieden, m ein ' ich doch, w a r n ie m a nd a ls 10,10 H era k le s!

D e r U n g e re c h te . W o h ö rt m a n kalte B ä d e r n u n H era k le sbä d e r n e n n e n ? G leichwohl w er ist m ehr M a n n wie d e r? D er G e re c h te . D a s ist's, ;a eben d a s ist's, W a s , leider jetzt T a g a u s T a g ein der J u g e n d U n t e r h a l ­ tu n g , D i e B a d e h ä u s e r ü berfüllt, die R ingerschulen leer m acht! D e r U n g e re c h te . I h r D r ä n g e n nach der R e d n e r b ü h n e tadelst d u ; ich lob' e s ; i o i 5 D e n n w ä r 's in W a h r h e i t tad e lsw e rth , so stellte w ohl H o m eros A ls R e d n e r nicht den N e sto r d a r und seme a n d re n W eisen. D i e ß b rin g t mich a u f die K unst a n sich, die unser F r e u n d der J u g e n d Z u ü ben gänzlich w i d e r r ä t h ; ich r a th es alles E rn stes. Derselbe ford e rt S i t t s a m k e i t ; ein zweiter grober S c h n i tz e r ; 1000 W e n hast du je durch S i t t s a m k e i t schon irgend w ie w a s R echtes Erreichen sehn? N u n , rede doch! beweise m ir den I r r t h u m !

S c h o n viele vieles.

D e r G e re c h te . P e l e u s h a t durch sie d a s S c h w e r t er­ worben !

v. 1151. W arm e B äder, das größte Labsal nach der anstrengen­ den Athletenarbeit, nannte man Heratleiscb.

D e r Ungerechte.

1065

Ein Schwert! ein Wunder von Gewinn bekam der gute Mann da! HyperboloS dagegen hat, der Lampner, Tonnen Goldes Erworben durch Unredlichkeit, doch allerdings ein Schwert nicht. D e r Gerechte. Um seiner Tugend Willen ward die Thetis Peleus Gattin. D e r Ungerechte.

Die bald genug auch ihn verließ; er war ihr viel zu sitt­ sam, Unlüstern, Nächte durch mit ihr im Bett sich herumzubalzen; 1070 Denn solch Genäsche liebt das Weib; du aber bist ein Fischblut! Vergleiche selbst, mein jünger Freund, was solch ein sitt­ sam Wesen Gewähren kann und was es dir entzieht an Lebensfreuden M it Knaben, Weibern, Kottabos, mit Wein, Gelagen, Wür­ feln; Was hast du denn vom Leben noch, wenn alles das ver­ sagt ist? 1075 So dieß; dran knüpft sich das, wozu Natur und Jugend hinreißt. Du liebst, du flehst, du wirst erhört; der Mann ertappt dich endlich; Es ist dein Tod; du weißt ja nicht zu sprechen. Folgst du m ir nach, _________ So v. 1068. Peleus hatte den Nachstellungen der Hippolyta, der Ge­ mahlin seines Gastfreundes Atastos widerstanden und war da­ für bei dem Manne von ihr verläumdet worden. Um nicht das Gaftreckt durch offene Rache zu entweihen, gab ihn A lastos waffenlos den wtlden Thieren des Pelion preis, die Göt­ ter aber sandten ihm durch Hephaistos ein Schwert, mit dem er sich rettete. Zum Lohn für die Keuschheit vermählte sich Thetis mit ihm.

So thue, was Natur dich heißt, und schäkre, küsse, liebe, Halt nichts für Unrecht; denn entdeckt bei fremdem Weibe zeigst du Kein Unrecht habest du gethan, berufst auf Vater Zeus dich, 1080 Der auch nicht widerstehen kann den Weibern und der Liebe, Und hi, ein Mensch, du solltest stark da sein, wo Götter schwach sind? D e r Gerechte. Wie aber, wenn er gerettigt wird und Haare läßt, dein Zögling? M it welchen Gründen wird er dann beweisen, er sei kein Paukarsch? D e r Ungerechte. Und wenn er auch Arschpauker ist, was schadet's ihm?

1085

Der Gerechte. Was kann im Leben je ihm größere Schande sein? D e r Ungerechte. WaS sagst du, wenn ich dir gleich das Gegentheil beweis'? D e r Gerechte. So schweig ich; da hört Alles auf! D e r Ungerechte. So sag' mir denn: Die Redner jetzt, die waren erst — ? D er Gerechte. Arschpauker! D e r Ungerechte. Allerdings! Sodann Die Schanspieldichter waren erst — ? D e r Gerechte. Arschpauker! v. 1083. M it dem Rettig wurde eine Art Jnfibnlatlousverfahren a posteriore gegen den Ehebrecher vorgenommen.

Aristoxh. m .

G

1090

D e r Ungerechte. Allerliebst! sodann Die Demagogen waren erst — ? D e r Gerechte. Arschpauker!

1095

D e r Ungerechte. Merkst du endlich, Freund, Daß deine Meinung albern war? Ja selbst im Publikum sind mehr — Zähl' nach, von welcher Art —? D e r Gerechte. Sogleich! D er Ungerechte. Was zählst du raus?

1100

D e r Gerechte. Bei alle» Göttern unendlich inehr Arschpauker sind! von jenem dort Weiß ich es gewiß! von jenem auch! Von jenem dickgelocktcn auch! D er Ungerechte. Was sagst du nun? D e r Gerechte. O rings ihr, die ihr saut, und hurt, Ich bin besiegt! O fangt mir meinen Mantel auf, Ich nehm' Reißaus zu euch hin! (er springt tn die Orcbestra hrnab, der Ungerechte geht stolz ab.)

v. 1100. Natürlich zeigt der Gerechte auf die und die stadtbekann­ ten Personen unter den Zuschauern, gewiß zum höchsten Er­ götzen des Publikums.

Vierte Scene. S o k r a t e s . P h i d i p p i d e s . S t r e p s i a d e s . Chor.

S o k r a te s. W as meinst du, willst du deinen S ohn nach Hause jetzt M itnehmen, oder lehr' ich ihn die Redekunst? S tr e p s ia d e s . J a lehre sie ihn und halt' ihn streng und bemühe dich D em Buben gut die Hauer zu wetzen; schärf' ihm nur D en einen zu kleinen Processen, aber den anderen Zu allen Haupt- und Staatsactionen so viel du kannst!

1105

1110

S o k r a te s. Getrost, du führst ihn bald als feinste» Sophisten heim! P h id t p p id e S . A ls abgemagerten blassen S tüm p er glaub' ich ehr! (ab mit Sokrates in die Denkers», Strepsiades ab in fern Haus.)

Chor.

S o geht mit G o tt; doch scheint's mir sehr, Einst bereuen wirst du's. Anrede. W as Gewinn ihr haben werdet, Richter, wenn ihr unserm 1115 Chor G ütig seid in allen Ehren, tragen wir ergebenst vor. Erstens wenn zu seiner Zeit ihr pflügen wollt eu'r Stück­ chen Brach, Werden euch zuerst wir regnen, allen andern erst darnach; D ann die. Reben, wenn sie blühen, wollen hüten wir und hegen, D aß sie nicht von D ürre leiden noch von allzuschwerem 1120 Regen. Doch wenn uns in unsrer Gottheit je misehrt ein Erden­ sohn, Hab' er Acht, wie schwer durch uns er leiden wird gerech­ ten Lohn. G 2

T rauben nicht noch Frucht vom eignen Gütchen soll er je genieße»; D en » sobald an Reb und Oelbaum junges G rü n beginnt zu sprießen, 1125 W erden w ir eS m it wilde» Schlossen gleich in G ru n d und B oden schießen; S e h n w ir ihn beim Ziegelstreichen, Wolkenbruch ström' gleich hernieder; Kaum erneutes Dach zerschmettre schwerer Hagelschlag ihm w ieder; F ü h rt er selbst, ein Freund, ein V etter, B räutchen heim zur heimischen T hür, S o ll's die ganze N acht durch regnen, daß er wünschen soll (wie w ir): 1150 W a r' ich lieber am N il gewesen statt so dumm zu richten hier! v 1129. Durch de» Regen soll der festliche Brautzug gehindert, namentlich durch da« Verlöschen der Hochzeitfackeln eine üble Vorbedeutung gemacht werden.

vierter

A L t.

Erste Scene. S tr e p s ia d e s .

C hor.

S tre p s ia d e s . (mit einem Mehlsack auf dem Rucken)

Der sechs und zwanzigste, sieben- acht- neun und zwan­ zigste, Dann — hu mich graut's, kalt läuft's mir über, denk' ich dran — Dann — den ich von allen Tagen Haffe zu allermeist, Dann gleich nach jenem ist der Alteneue da! Da verschwört's denn jeder Gläubiger; alle Kosten gleich 1135 Deponiren, sagt er, will er, mich jagen von Haus und Hof, Indeß ich fleh' um ein Blschen Recht und Billigkeit; Vortrefflicher, sag' ich, preß' mich doch um das Sümmchen nicht! v. 1134. „Der A l teil eu e" ist der letzte Tag des Alten und zu­ gleich der Anfangstag des neuen Monats, dem dann der ei­ gentliche erste folgt. 'Wir muffen uns schon die Freiheit nehmen, diesen deutschen Ausdruck als einen des täglichen Lebens gel­ tend zu machen. v. 1135. Nach der Eingabe der Klage beim Archon muffen die Partheien vor allen weitern Lerhandlungen eine Geldsumme einzahlen, und nach erfolgtem Urtheil erstattet, der verloren bat, dem Gegner die Auslage. M it dem Deponiren der Kosten also beginnt der Proceß.

Dieß schiebe noch auf! ja dieß erlaß m ir! Nimmermehr 1140 Bekomm' ich's, sagt er, dann zurück, und schimpft mich aus, Ich sei ein Schuft und verklagen, sagt, er, wird er mich! Ja klagt nur, jetzt klagt immerhin! was scheert das mich, Wenn mein Phidipp das Reden gut hat losgekriegt! Bald werd' ich's wissen, klopf' ich an in der Denkerei. (anpochend.)

1145 Jung! Jungchen! heda!

Zweite Scene. StrepsladeS.

Sok r at es .

Chor.

Sokrates. (heraustretend.)

Sehr willkommen, Strepsiades! Strepsiades. Gleichfalls! Zuvörderst aber nimm da dieß von m ir; Man bringt sein Bischen Dankbarkeit dem Lehrer gern. Nun sag 'mal, hat mein Sohn bereits dem neuen — nun Dem- was du vorher auftreten ließest, was abgelernt? S okrate s. 1150 Hat brav gelernt! Strepsiades. Dank, Dank, Allherrscherin Büberei! Sokrates. Dermaßen, daß du jeden Proceß gewinnen mußt. S t r e p s i a d es. Auch falls es Zeugen mit angesehn, als ich geborgt? Sokrate s. N ur um so besser, und hätten's tausend Zeugen gesehn!

1155

Strepsiades. Ein Zubellied schalle nun aus vollster Brust Juchhei, empor! Weh, ihr Oboloswucherer, euch, Weh euch mit eurem Kapital und Zins auf Zms, Am Zeuge sticken sollt ihr fernerhin mir nicht!

W eilt doch da drinnen im H aus M ir ein vortrefflicher S oh n Schwertgleich zweischneidiger Zunge, 1160 M ein Schutz und Trutz, des Hauses Hort, der Feinde Tort, Endiger aller N oth, welche dem V ater droht! Laufe geschwind hinein, ruf' ihn geschwind heraus! (Sokrates geht huimt.)

Schlichen, o Herzblatt, 1165 Komm vor! komm schnell! höre, dich ruft P apa! S ok ra k es. (mit PhtdlpvldeS vortretend.)

D a hast du den M an n ! S tr e p s ia d e s . Herzenssohn, Herzsöhnchen! S o k r a te s. N im m ihn hin und geh! lab.)

Dritte Seme. Strepsiades.

P h i d i p p i d es.

Chor.

S tr e p s ia d e s . Juchhe! juchheißa mein Herzensjunge! 1170 W ie freut'S mich, endlich dtefe Färb' an dir zu sehn; Jetzt siehst du endlich aus so wie der leibhaftige Protest und Arrest und Exception; den M und umspielt D a s liebe Heimische „sagst du was?" sammt jenem Gekrankt v. 1170. Phidippides ist natürlich auch in seinem Aeußern so au s­ gestattet, daß man einen aus der Denteret in ihm sogleich ertcnnt. v. 1174. D ie N oth des Verses hat eine falsche Übersetzung des acht Attischen Trotzwortes unvermeidlich gemacht: der Athener ging dem Gegner, der seine Grunde überzeugend genug dar­ gestellt zu haben glaubte, um einem frechen „w as sagst du?"

1175 Selbst scheinen, wo man wer weiß wie sehr selbst kränkele; Ja in deinem Antlitz herrscht der ächte Attische Blick. Doch nun, wie du mein Verderben warst, so rette mich auch! Phidippides. Was fürchtet man denn? StrepsiadeS. Den altenneuen Dag, o Sohn! Phidippides. Was ist denn das für ein alter zugleich und neuer Tag? Strepsiades. 1180 An dem sie sage», sie wollen mit mir an den Richter gehn. Phidippides. Da werden sie viel gewinnen! denn unmöglich kann Ein Tag zugleich ein anderer sein und einer zwei. Strepsiades Das gienge nicht? Phidippides. Wie sollte es? falls nicht etwa auch Ein altes Weib und ein junges Distichen dasselbe sind! Strepsiades. 1185 Doch ist es so gesetzlich! Phidippides. Auf mein Wort, sie verstehn Nicht recht das Gesetz und was es meint! S t repsi ades. Was meint es denn? Phidippides. Der alte Solon war von Natur ein Bürgersreund — zu Leibe; wir hätten vielleicht am besten gethan, das nicht un­ ähnliche „wie heißt?" ;u brauchen, das in dem Deutsch der „Apellaner" eine so eigenthümliche Bedeutsamkeit hat.

S tre p s ia d e s. D a s hat ja doch mit dem Altenneuen nichts zu th un ! P h id ip p id es. D e r hat zu Vorlegungen also offenbar Zwei Tage bestimmt, den alten Tag und den neuen Tag, D am it die Klage zum Ersten kann an den Richter gehn. S tre p sia d e s. Weshalb denn den Alten noch dazu? P h id ip p ld es. M ein Freund, damit Verklagter, wenn er anwesend ist, den Tag zuvor M i t Kläger sich noch verständigen kann; und, kann er's nicht, 1195 Frühmorgens am Ersten ihm zu Leibe gestiegen wird. S tre p sia d e ä . Weswegen läßt das Gericht die Kosten am Ersten nicht Erst deponiren, sondern am Altenneuen schon? P h id ip p id e s. S ie machen's wie die Vorkvster, dünkt mich, am Opfer­ tisch; Um möglichst bald die Proceßgebühren einzuziehn, 1200 Vorkosten um einen vollen Tag sie die Kosten schon. S tre p sia d e s. Juchhei, chr Lumpe, wie sitzt ihr so verdutzt da 'rum! I h r gute Prise für uns Gelehrte! ihr Schaaf bei Schaaf! I h r Klotz'! ihr Zahl bloß! aufgestapelte Kruken ihr! v. 1190. D ie Schuld war am Altenneuen fä llig ; wurde dieser Tag bloß dem alten M onat angehören, so könnte Schuldner for­ dern, daß Gläubiger bis auf die letzte S tu n d e dieses Tages die Bezahlung erwartete, Gläubiger tonnte dann erst an dem ersten Tage des neuen M on ats den Gegner vorladen und die K lage einreichen, und die S ache würde nicht vor dem Zweiten zur richterlichen Entscheidung kommen. v. 1203. M a n muß daran denken, daß die Zuschauer im Thea­ ter reihenweise über einander fitzen.

106

Oie Wolken.

Ja ich muß auf mich und diesen meinen gelehrten Sohn 1205 Zu gutem Glücke singen ein Dank- und Jubellied!

„O du glückseliger Papa, Wie bist du selbst schon so klug, Und welchen Sohn hast du jetzt!" So prelst mich bald Detter, Freund, Gevattersmann, Noll Eifersucht, wenn jeden Proceß gewinnt Dein Genie! Jetzt komm nur erst hinein mit mir Zu einem Ehrenschmause!

1210

(beide ab.)

Vierte Scene. Pasias,

ctu wohlgenährter A lte r;

ein

Zeuge.

Strepsiades.

Chor. Pasias.

Sein Bischen Armuth soll man so wegschmeißen? Nein, 1215 Im Leben nicht. Wohl besser gewesen wär's, ihm gleich Es abzuschlagen, als sich jetzt so herumzuziehn, Wo ich leidet’ dich um meines Geldes Willen muß Verklagen und zu Gerichte laden und obenein Den alten Nachbar nochzum Feinde mir machen werd'. 1220 Doch will ich all mein Lebelang dem Vaterland Nicht Schande machen. Drum: ich lade Strepsiades — St repsi ades. (h e ra u s tre te n d )

Wer ist da? Pasias. Auf den Altenneucn — Str epsi ades. Bezeugt es mir, Das« dieser Mensch zwei Tage genannt hat! — Und wes­ halb?

P a sia s. Z w ö lf M i n e n hast du von m ir bekommen, d a f ü r ein Pferd,. D e n Schecken zu kaufen. 1225 S tre p sia d e s. I c h ein P f e r d ? I h r h ö r t 's doch, ich, D o n dem ihr w ißt, wie ich Alles hasse, w a s P f e r d e heißt! P a sia s. U n d die du zurückzuzahlen bei allen G ö t t e r n schwurst! S tre p sia d e s. D a kannst d u w a r t e n ! Freun dch en, d az u m a l verstand M e i n S o h n die unumstößliche Redenschaft noch nicht! P a sia s. S o m i t gedenkst du abzu läu gn en, w a s du g e b o r g t? 1230 S tre p sia d e s. W a s h ä t t ' ich sonst gew on nen bei m einen S t u d i e n ? P a sia s. U n d schwörst es a m E n d e , w en n es zum E ld e kom m t, noch gar B e i den G ö t t e r n a b ? S tre p sia d e s. D e n G ö tte rn ? w as fü r G ö tte rn denn? P a sia s. B e i Z e u s, bei H e r m e s , bei P o se ido n! S tre p sia d e s. S t r a f ' mich Z e u s, D e n E id zu schwören g a b ' ich 'n e D r a c h m e noch d a z u ! 1235 P a sia s. D a ß dich die P e st m i t deiner unverschäm ten S t i r n — S tre p sia d e s. G u t a u s g e la u g e t g ab ' er einen wackern S c h la u c h — ! P a sia s. Sch glaube, du höhnst m ich! S tre p sia d e s. F a ß te wohl ein Ä a n n e r zwölf!

108

Die Wolken.

Pasias. DaS geht, so wahr mich Zeus und der Götter Macht, dir nicht 1240 So hin! Strepsiades. Du machst mir wirklich Scherz mit der Göttermacht Und dem Zeus, den Wissenden zuin Gelachter im Schwur genannt! Pasias. Du sollst sowahr mir das noch büße» zu seiner Zeit! Doch ob du das Geld willst endlich zahlen oder nicht, Antworte mir jetft, damit ich gehn kann. Strepsiades. Wart' einmal; 1245 Ich will dir gleich antworten auf das Klarlichste. (laust ms Haus.)

Pasras. Was meinst du wird er thun? Zeuge. Bezahlen, denk' ich doch! Strepsiades. (zuruckkommend m it emer Backthun.)

Wo ist derjenige, welcher von mir Geld wollte? — He, Was ist das? Pasias. Das da? eine Backthü», denk' ich doch! Strepsiades. So ein Ochse bist du und forderst von mir »och Geld dazu? 1250 Nicht einen Heller bekommt von mir ein Mensch zurück, Der dieß 'ne Backthün nenne» kann statt Backthune! Pasias. Also du willst nicht zahle»? Strepsiades Nein, so viel ich weiß!

Und nun geschwinde, hab' die Gewogenheit nnd schecr' Von meiner Thür dich! P a s i a s. Gut, ich gehe; doch sei gewiß, Ic h reiche, so wahr ich letzt hier stehe, die Klage ein! 1255 Strepsiades. Und wirst dann mehr noch, außer den zwölf Stück M ie­ nen los. Doch thut mir's deinetwegen leid, so albern auch D u eben Backthü» hast gesagt statt Backthüne! (Pasias mit dem Zeuge» ,ib.)

Üinfte Scene. A m v n t a S , ein wohlgekleideter junger Mann. Chor.

Strepsrades.

Amynias. O weh! o Elend! Strepsiades. Holla! Was heult denn so gottsjämmerlich da? Es hat doch nicht 1260 Bon Karkinos Göttern einer gar hier wehgeseufzt!

Am ynias. Wer ich, begehrt ihr rings zu wissen? Wißt, ich bin Ein Mann der Klagen! Strepsiades. Gut, so gehe deines Wegs! Amynias. Ha grimmer Gott! ha speichebrechend Mißgeschick Des Roßgespanns! ha Pallas, wie verdirbst du mich' v. 1261. K a r k i n o s s. Wespen, s. 1501. v. 1264. Der gebildete junge Mann braucht Verse „aus einer Tragödie des Karkinossohnes Lenotles", sagt der Scholiast, in der Alkmene über den von Tlepolemos getödteten Ltkvmnos klagt.

1265

S tr e p s ia d e s . W as hat z» Leide je Tlepolemos dir gethan? A m y n i a s. Kein S p o tt, Verehrter! heiße lieber deinen Sohn D as Geld zurück mir zahlen, das er von mir empfah'n, D a ich lang' genug schon wart' und letzt mir's übel geht! S tre p s ia d e s . 1270 Welch Geld denn meinst du? A m y n ia s. W as ich ihm vorgeschossen hab'. S tre p s ia d e s . D a bist du übel angekommen, wie mich bedünkt. A m d n i a s. Heilloses Pferderennen! so gefallen zu fein! S t r e p s ia d e s . D u faselst, wie wenn du so auf den Kopf gefallen wärst! A m y n i a s. Ich faseln, wenn meine Gelder ich wiederhaben will? S tre p s ia d e s . 1275 's ist keine Frage, du bist noch nicht recht wieder — A m y n ia s . W as? S tre p s ia d e s . Gleichsam ein Erdstoß, will mich bedünken, traf's Gehirn. A m y n ia s. Gleichsam Citirung will mich bedünken, trifft dich selbst, Wenn du nicht mir gleich mein Geld bezahlst. S tre p s ia d e s . Freund, sag' mir mal W as meinst du wohl, macht Zeus beim Regen jedesmal 1280 Ganz neues Wasser, oder zieht die Sonne nur Dasselbe Wasser immer von unten wieder herauf? A m y n ia s . Ich weiß da nicht zu entscheiden; wenig liegt mir dra»!

S tre psiad e s. Wie willst du das Geld zurück zu erhalten befähigt sein, Wenn du nicht einmal Naturphilosophie verstehst! A nt y n i a s. Wenn du gerade nicht bei Gelde bist, so zahl' mir doch Den Zins zum wenigsten!

1285

S tre p sia d e s. Zins? was ist das für ein Geschöpf? A m ynias. Nun, Lieber, daß mit jedem Monat, jedem Tag Die Summe Geldes groß und immer größer wird, Je lang und längere Zeit verfließt! Strepsi ades. Recht brav erklärt! Wie aber, wenn du die See betrachtest, glaubst du wohl, Daß sie größer jetzt als früher ist?

1290

A my ni as . Nein, eben so groß; Nicht ist sie dieses größer zu werden. Strepsiades. Wenn sie demnach, Obschon die Flüsse sich in sie ergießen fort und fort, Nicht größer wird, wie verlangst du, wunderlicherGesell, Daß dir 'ne Summe Geldes größer werden soll? Und somit packst du dich gleich vonhinnen! fort mit dir! Die Peitsche mir her! Amy ni as. Ih r Alle seid deß' Zeugen m ir! v. 1297. Der Griechische Strepsiades braucht nicht eine Peitsche, sondern einen Stachel; nicht daß damit Amynias fü r einen Ochsen crtlart wäre, denn bei den Griechen trieb man auch Pferde wohl mit dem Stachel an.

1295

Strepsiades. (mit der Peitsch« agirenL.)

Was trödelst du! vorwärts! setz' dich in Trab, Herr S ti­ chelscheck! A m y n i a S. Die Unverschämtheit! S trepsiades. Scheerst du dich? Beine mach' ich dir sonst 1300 Mit'nem Bischen Peitsche hinter den Schwanz, Einspännerche»! Du fliehst? ich hätte sonst dich so wahr auch warm gemacht M it deiner Carosse sammt dem Deichsel und dem Gesäß! (nachdem er Amynia« weggexrugelt, ab in'« Sau«.)

1305

1310

1315

1320

Chorgesang. Ein übel Ding, die Lust an Flausenmacherei! Der Alte, ihr ergeben, Will fremdes Geld, das Er gelieh'n, Dem vorenthalten, der's geliehn. Doch zuverlässig diesen Tag Macht sich noch ein Ungemach, Das den Erzsophistennarr» Sonder Harrn, Für all' die abgeschworn«» Schulden Läßt die Strafe dulden. Ich glaube das, wonach er strebt mit aller Kraft, Er wird'S zu bald nur haben: Des Herren Sohnes Meisterschaft Im Widerspruch, im Wortgefecht, Trotz allem Recht, so daß er flugS Jeden zwingt, mit dein er ringt, Wär' es auch kraft stechen Lugs, Frechen Trugs! Doch bald, zu bald nur ist's ihm über, Hätte stumm ihn lieber!

FÜ Nk-

fünfter

Akt .

E rüe Scene. Strepsiades.

Phidippides.

Chor.

Strepsiades. ( weh! o weh! O helft! o helft! Nachbaren! Detter! Freunde! helft! Zu Hülfe! rettet mich vor den Schlägen, so viel ihr könnt! (der Sohn prügelt ihn.I

O meine armen Backen! weh mein grauer Kopf! Schuft, deinen Vater schlägst du!

1325

Phidtppides. Meinen Vater, ja! Strepsiades. Da seht, er gesteht es selber, daß er mich schlägt! Phidippides. Ja wohl! Strepsiades. Du Schuft, du Vatermörder, du Straßenräuber du! Aristoph. m. H

P h td iP p td eS . J a schimpf er nur, und schimpf er noch mehr und immer mehr; Mich vergnügt eS höchlichst, wenn er mich so mit Titel» ziert.

S tre p s ia d e S . 1330

Arschpauker d u !

D en

D aß

Wie

D as

P h id ip p id e s. N u r solchen Weihrauch mehr gestreut! S tre p siad e S . V ater schlägst du! P h id ip p id es. Und beim ZeuS beweis ihm auch, ich ihn mit Recht schlug! S tre p s ia d e S . O du niederträchtiger Hund, kann es mit Recht sein, daß der S oh n den Vater schlägt? P h id ip p id e s. beweis ich ihm, und daß ich gewinne, das soll er sch»! S tre p s ia d e S .

1335 Noch gar gewinnen?

P h id ip p id es. M ehr wie genug und leicht dazu; E r kann sich wähle», in welcher Rcdewcif er will. S tre p s ia d e S . W as Redeweise? P h id ip p id es. D er stärkeren oder der schwächere». S tre p s ia d e S . D a hätt' ich dich schön, beim Himmel, Erzhallunke du, Die Rechtsentgegnungen lernen lassen, wenn du »och 1340 Am Ende mir gar weismachen willst, wie recht und gut Die Söhne thäten, ihren V ater durchzublau'n!

P h id ip p id e s . Ich hoffe dennoch, ihm t% so deutlich darzuthun, Daß, wenn er die Gründe hört, er mir nichts entgegnen wird. S tr e p s ia d e s . S o will ich hören, was du noch gar zu sagen hast. C h o r g e sa n g . N un ist'S an dir, o Greis, zu sehn, auf welche Art 4345 De» Gegner bewalt'gen; Denn hätt' er nicht, worauf er fußte, schlug' er nicht S o über die Stränge; Gewiß er trotzt auf irgend was. Der junge Mann Zeigt wenigstens Keckheit. 1350 C h o r fü h r e r in . Woher demnach zuerst der S treit sich zwischen euch erhoben D as mußt du dem Chor zu wissen thun; so thu'S denn unverhohlen! S t r e p s ia d e s . Nun ja; woher zuerst wir uns begonnen auszuschimpfen, Erzähl' ich euch. W ir saßen drin, so wie ihr wißt, bei Tische; D a fordert' ich zuerst ihn auf, zur Leier uns zu singen 1355 D as Liedchen vom Sim onides: „Geschoren guter Widder". DaS nannt' er gleich altftänk'scheö Zeug, beim Wein die Cither rühren; Das passe für alte Weiber wohl bei ihrer Gerstenmühle. P h id ip p id e s . D a mußt' ich ihm denn doch zu Leib' mit Füßen und mit Fäusten, D a er mich singen hieß bei Tisch, wie wenn er Grillen 1360 speiste. S t r e p s ia d e s . Dasselbe hat er drinnen, ganz dasselbe schon geäußert; H 2

Auch, sprach er, kann Sim onides nur schwach als Dichter heißen S o schwer's mir wurde, wollt' ich mich da doch noch nicht ereifern, B efahl ihm aber, wenigstens m ir was zum Myrthenzweige 1363 Zu singen aus dem Aischylos; D a lacht' er auf und m einte: Vom Aischylos? der scheint mir auch der allergrößte Meister I n Schwulst und D un st, Unschlachtigkeit, bombast'gem W ortgespreize! D a schlug mir, könnt euch denken wie, vor W uth das Herz im Leibe; In d eß verbiß ich meinen Grimm und sprach: S o singe, G uter, 1370 W as Neues nach dem Zeitgeschmack voll philosoph'scher.Schule! Gleich sang er vom Euripides ein Stück, worin der B ruder D ie eigne leibliche Schwester, G ott bewahr' in Gnaden, huret. D a hielt ich's denn nicht länger a u s ; ich fuhr mit Schim p­ fen, Fluchen, Verwünschen auf den Buben los; da war es beim kein W under, 1375 D aß bald ein W ort das andre gab; drauf springt er auf vom S tuhle Und knufft mich, preßt mich, würget mich und hat mich so geschunden! Phidippides. M it Recht, wenn er den Euripides mir nicht einmal be­ wundert, D en weisesten Dichter! v. 1366. Nach der Conjectur eines berühmten Humanisten hätte hier Aristophanes ein Wortspiel gebraucht, daß flch am füglichsten mit unserem: „er ist ein Dichter unter den Dichtern, wie u. s w ." veranschaulichen ließe. v. 1372. D as w ar wirtlich im Aiolos deS Euripides vorgekommen.

Die Wolken.

117

Strepsiades. Weise der! O mehr du als mein M und cs — E s giebt nur wieder Schläge gleich! PhidippideS. Und das mit Recht, beim Hunde! Strepsiades. D aß dich „m it Recht", schamloser Mensch, du, den ich groß-1380 getragen, M it dessen Lallen ich vertraut dir jeden Wunsch errathen, Daß, wenn du sagtest: bry! ich gleich zum Trinken gab die Schale, Und wenn du sagtest: pap! ich gleich dein Krümchen B rot dir brachte, Und wenn du kaum a - a gesagt, ich schon auf meinem Arme V o r die Thür dich trug und ab dich hielt. Doch du, der 1385 deinen Vater D u würgtest, da ich doch schrie und rief, D aß mir's schon aus dem Darme lief, Warst hart genug und trugst mich nicht Zur Thür hinaus, »ein quetschtest mich, B is drin a -a ich machte! 1390 Chorgesang. Den jungen Leuten, mein' ich, klopft nun wohl das Herz, Wie der steh wird zeigen! Denn kann er, so geübt er ist, durch Sprecherkunst Sein Handeln vertheid'gen, S o geben wir für solches alten Käuzen Fell 1395 Kein'n Pfifferling weiter! Chorführerin. R un ist's an dir, du »euer Kunst Ausbeuter und Erweitrer, W as Ucberredendes auszuspahn, um selbst im Recht zu scheinen. v. 1379. Ueber tiefe Art zu schwören s. zu Vögel V. 520.

P h id ip p id e S . W ie lieblich ist es, neuer Kunst und Wissenschaft sich weihen, 1400 Bestehendem Recht und Borurtheil fteidenkend sich entreißen. D enn ich, so lang's für meinen S in n nichts gab als Roß und Reiten, Ich brachte nicht drei W orte vor, ohn' stecken auch zu bleiben; Doch jetzt, seit ich, von jenem Kram durch diesen abgeleitet, S ubtilen Frage», Grübelei'», der Redekunst mich weihe, 1405 Jetzt hoff' ich, dies den V ater haun als Rechtens zu erweisen. S tre p s ia d e s . S o reit' und fahr', so viel du willst; denn besser, scheint m ir's, fahr' ich, W enn ich dir zwei Vierspänner halt', als wenn ich mich todt laß schlagen. P h id ip p id e S . E r zog von meinem S atz mich ab ; ich nehm' ihn auf und frage Demnach zuerst ihn, ob er mich geschlagen hat als Knaben? 1410

S tre p s ia d e s . J a wohl, und zwar aus reiner S o rg ' und Liebe. P h id ip p id e S .

Also, Lieber, J s t's nicht gerecht, daß ich denn auch die Liebe ihm m it Hieben Erwiedre, da die reine Liebe dieses ist, zu prügeln? Weswegen soll sein Leib denn auch gefeit sein gegen Hiebe Und meiner nicht; war ich doch frei wie er, schon in der Wiege. 1415 Cs heult das Kind; der V ater, meint er, heulet nicht? S tr e p s ia d e s . D u Lügner!

P h id ip p id e s . N un wird er sagen, ü b lic h sei dergleichen nur bei Kindern. D arauf erwiedr' ich ihm, es sind die Alten doppelt Kinder. Und billig werden Alte mehr gezüchtigt als die Jüngern, J e minder für Erfahrnere sich worin zu fehlen ziemet. S tre p s ia d e s . Doch nirgend Rechtens, mein' ich, ist's, dies anzuthun den 1420

V ätern. P h id ip p id e s . I s t der, der solch Gesetz zuerst gab, nicht ein Mensch ge­ wesen W e er und ich? gewann er ihm die Alten nicht durch Reden? W as steht es mir nun minder frei, für künftige Zeit eS Rechtens Zu machen, daß die Schläge der S o h n dem V ater wie­ dergebe? W as Hiebe wir vorweg empfahlt, eh' dies Gesetz gegeben, 1425 Q uittiren wir und schenken's euch als Schulde», die ver­ jährten. Doch seht einmal die Hähne an und sonst dergleichen Wesen, D ie schenken ihren V ätern nichts; und doch, was haben jene Und wir verschiednes, außer daß sie nicht Psephismen schreiben? S tre p s ia d e s . W arum , wenn du den Hähnen doch in allem D ing nach- 1430 eiferst, W arum denn frißt du keinen M ist und schläfst nicht auf der Leiter? Phidippides. D as ist nicht gleich; und Sokrates, nicht w ürd' er gut es heißen. Strepsiades. D rum schlag' auch nicht! sonst hast du dir einst selbst er zuzuschreiben —

120

D i« W olken. Phibippides-

Nun, was? StrepsiadeS. W i e ich jetzt h ab ' d a s R ech t, d ir so m a l ein s zu reichen, 1435 S o w ieder du einst d ein em S o h n ! PhidippideS. B ek o m m ' ich aber keinen, B i n i ch um sonst z e rb läu t, u n d e r lacht noch sich im G r a b i n 's Fäustchen. StrepsiadeS. I h r a lte n K am erad en , w iß t, m ir scheint er R e c h t zu h a b e n ; M i r sch ein t'-, m an m u ß dem ju n g e n V o lk , w a s billig ist, g esta tte n ; U n d b illig ist'S, w en n w i r nicht th u n , w a s recht ist, u n s zu schlagen. PH idippideS. 1440 H a b t A cht a u f noch 'n e n a n d e rn S a tz ! StrepsiadeS. N u n g eh t's m ir a n den K ra g e n ! PhidippideS. V ielleich t zum T ro ste w ird 'S ihm sein, f ü r d a s , w a s er er­ fah re» . StrepsiadeS. W ie d a s ? e rk lä r's ? w ie w illst du noch d a ra u s G e w in n m ir schaffe»? PH id ip p id eS . D i e M u tt e r schlag' ich, so w ie ihn. StrepsiadeS. W a s sagst d u ! M ensch, w a s sagst d u ! 1445 E in n eu es, frecheres — PhidippideS. W ie , w enn ich k ra ft sch w äch t« R edew eise

Ih m sonnenklar beweisen kann, D ie M utter schlagen müsse inan? S tre p s ia d e s . W as weiter denn? vermagst du es, S o wirf nur, niemand hindert es, I n die Schindergrub' ohn' Weiteres Dich selbst sammt deinem Sokrates Und euren Redeweisen! Und all das Unheil, o ihr Wolken, dank' ich euch, Euch, denen all mein Trachten ich anheimgestellt! C h or. An all dem Unheil bist du selber selbst dir Schuld, D a du zu bösem Trachten hin dich wendetest! S tre p s ia d e s . Warum denn habt ihr das mir damals nicht gesagt, Vielmehr mich alten, dummen M ann noch mehr bethört? C h o r. S o thun wir's immer jedesmal, wenn einen wir S o bösem Sinnen ganz und gar ergeben sehn; B is daß in'S Unglück tief hinab wir ihn gestürzt, D am it er lerne, was die Götter fürchten heißt! S t r e p s ia d e s . E i W etter! ärgerlich ist'S, ihr Wolken, doch gerecht! Nicht vorenthalten sollen hätt' ich jenes Geld, D as ich geborgt. — Jetzt ohne Säum en, lieber Sohn, M it Chairephon dem Schurken und mit Sokrates Garaus gemacht, die mich und dich so frech getäuscht! P h i d ip p i d e s . Ich werde doch meinen Lehrern nichts zu Leide thun! S t r e p s ia d e s . Doch, doch! ja Ehrfurcht hege dem Zeus, dem Datergott! Phidippides. D a seht m ir: Zeus, dem Vatergott! altstänkscher N arr! Giebt's einen Zeus den»?

1 JlJJ

1460

1465

122

Di« Wolken.

Strepsiabes. Freilich! Phl di ppi d es . Nein, und aber nein! Es herrscht der Wirbel, welcher den Zeus vertrieben hat. Str epsi ades. Nein, nicht vertrieben; freilich hab' ich's auch geglaubt? D e r Wirbeltopf den Zeus vertreiben! ich dummer Kerl, Da ich dich sogar für einen Gott hielt, irden Ding! Phi di ppi deS. 1475 So faset’ und gespenstr' er sich allein was vor! (ab)

Zweite Scene. Strepsiades.

Chor.

St repsi ades. Weh über den Wahnwitz! Ja ich war doch ganz verrückt, Die Götter abzudanken wegen des Sokrates! (zu der Hermessaule)

Ach lieber Hermes, sei nur gar nicht bös auf mich, Und mach' mich nicht zu Schanden, sondern verzeih' es mir, 1480 Daß mein Verstand von all dem Gewäsch den Schick verlor, Und rathe mir freundlich, ob ich diese Schurken soll = Vor Gericht belangen, oder was dir sonst beliebt. .(er tr itt der Hermenfaule näher und lauscht)

Schön, schön, du räthst mir statt der Proceßfickfackerein Bald möglichst lieber dieser Lockermauler Haus 1485 I n Brand zu stecken. Holla! he da! Xanthias! M it der Leiter komm geschwind heraus, nimm auch die Axt! v. 1473. „D er Alte zeigt hier und deutele oben auf eine unförm­ lich runde irdene Base, die vor Sokrates Hause stand; wie der­ gleichen vielleicht auf dem Lande statt der städtischen Hermen aufgestellt sein mochte." Wolf.

Jetzt steigst du hier auf die Denkerei, aufs Dach hinauf, Und hau'st, wenn du deinen Herrn noch liebst, die Balken durch, D is ihnen der B ettel über die Köpfe zusammenstürzt! ($entbm < steigt auf da» Dach und macht sich an die Arbeit.)

M ir aber bringt 'ne angezündete Fackel her; 1490 Die ganze Sippschaft soll, so wahr ich, heute noch Dran glauben, sind sie auch nichts denn lauter Scharlatans!

Dritte Scene. StrepsladeS. Sokrates. Schüler.

C h a irephon. Andere Chor.

Schüler.

O wehe! wehe! S tre p s ia d e s. «die Fackel schwingend.)

Jetzt ist's an dir, o Fackel, mächtige Gluth zu sprühn! (ec steigt auf da» Dach und zündet e» an.)

S ch ü ler. He Mensch, was machst du? 1495 S tre p s ia d e s . Was ich mache? was anders als Ich nehm' an eurem Hause die Dachdialektik vor! Z w e ite r S ch ü ler. O weh! wer steckt das Haus uns über'm Kopf in Brand? S tre p sia d e s. Derselbe, dem ihr seinen M antel gestohlen habt! D r i t t e r S ch ü ler. D u bringst uns um! D u bringst uns um! S tre p s ia d e s . D as will ich auch!

1500 Wenn nemlich nicht die Axt mir meine Hoffnung täuscht,

Noch ich hinunterstürze und das Genick mir bricht. Sokrates. (noch bmitten)

Was machst du aber wirklich, du da auf dem Dach? Strepsiades. I n Lüften schweif' ich, denk' ich über der Sonne Bahn! Sokrates. O weh mir Armen! weh mir! mich erstickt der Qualm! Chairephon. 1505 O doppelt weh mir Armen, der ich verbrennen muß! Strepsiades. Was brauchtet ihr die ew'gen Götter auch zu schmähn Und stets Selenens stillen Sitzen nachzuspäh»? Verfolg' sie! wirf sie! schlag' sie! sie verdienen's so, Am meisten, weil sie unsre Götter lästerten! (bte Denkerei brennt nieder.)

Chor. 1510 Jetzt folgt mir hinaus! denn das Spiel, wie mich dünkt, ist heut uns leidlich gelungen!

L 1) s i s t r a t e .

Personen. Lyslstrate K a lonike, . «v,. tl > Athenennnen. Myrrhtne, f Stratyllis, Lampito von S p a r t a . Andere F r a u e n . Ei n P r o b ul o s . K t n e s i a s , Myrrhmes Mann. Deren Söhnchen. He r o l d der S p a r t a n e r . Gesandte der S p a r t a n e r . Athener. Ei n M a n n des Vol t s . Ei n T h ü r h ü t e r . Chor der Alten. Chor der Weiber.

Einleitung. „Lysistrate" des Aristophanes ist nach Ausweis der DidaSkalie in dem Archontenjahre des Kallias 4 1 f durch Kallistratos aufgeführt. ES ist nicht überliefert, ob sie in dem Feste der Lenäen oder Dionystcn, im M onat Ja n u a r oder M ärz des Jah res 411 auf die Bühne kam; den Zeit­ verhältnissen nach dürfte letzteres wahrscheinlicher sein. I n der Einleitung zu den „V ögeln" ist dargestellt worden, m it wie großen Hoffnungen die Athener die Expe­ dition von Sieilien (415) begannen; der mit dem größten Aufwands an S treitm itteln unternommene, m it immer stei­ gender Anstrengung fortgeführte P lan endete im Herbst »13 mit der vollständigsten Niederlage der Athener. Thukydides sagt: „A lles trug in jeder Beziehung dazu dei, die Athener in die traurigste Stim m ung zu versetzen, und ihre Furcht und Bestürzung, womit jenes Ereigniß sie erfüllte, stieg in der T hat auf den höchsten G rad. D enn einerseits fühlten sie sich niedergedrückt durch den Verlust, den jeder Einzelne an seinem Besi'tzthum, und den der S ta a t an Truppen, die nicht mehr zu ersetzen waren, erlitten hat-

ten; andrerseits sahen sie, daß in den Schiffswerften keine hinreichende Zahl von Schiffen, in der Schatzkammer kein Geld, und für die Flotte keine Rudermannschaft vorhanden sei; sie fingen daher an, unter solchen Umständen an ihrer Rettung zu verzweifeln. Auch dachten sie, die Feinde wür­ den von Sicilien aus sogleich gegen sie nach dem PiräeuS mit ihrer Flotte heransegeln, zumal da sie einen so gewal­ tigen Sieg erfochten, und ihre Feinde in Griechenland, deren Hülfsmittel sich in jeder Beziehung jetzt verdoppelt hätten, würde» nunmehr mit aller Macht zu Lande und zur See in Verbindung mit ihren eigenen jetzt abgefallenen Bundes­ genossen über sie herfallen. Doch faßten sie den Entschluß, so weit es die Umstände gestatteten, nicht nachzugeben, son­ dern sich zu rüsten und, woher sie nur könnten, eine Flotte zusammenzubringen, die Verhältnisse der Bundesgenossen sicher zu stellen, eine Behörde von älteren Männern zu wählen, welche über die Lage des Staates nach Maaßgabe der Zeitumstände vorläufig berathen sollten (Probulen)." M it bewundernswürdiger Energie setzten die Athener den Kampf fort; es bedurfte der eigenthümlichen Rührigkeit und Hartnäckigkeit ihres volkSthümlichen Charakters, in Mitte» der steigenden Noth nicht zu verzweifeln. Die Spartaner hatten die Feste Dekeleia besetzt, von der aus sie die Ebene von Athen stets bedrohten; durch Alkibiades Vermittelung hatte Sparta mit den Persern ein vortheilhaftes Subsidienbündniß abgeschlossen, während Athens Kasse» erschöpft waren; und die seit Jahren hart bedrückten Bun­ desgenossen Athens wetteiferten miteinander, sich den Spar­ tanern hinzugeben. Bedenklicher noch als die auswärtigen Verhältnisse wa­ ren die im Innern Athens; die tiefe Zerrüttung der staat­ lichen

lichen M a ch t und die allgemeine Niedergeschlagenheit des Dolkes gab einer gewissen P a rth e i die erwünschte Gelegen­ heit, längst gehegte und allmählig vorbereitete P lä n e end­ lich zu verwirklichen. M i t M ü h e hatte Kleon gegen he heimlichen Umtriebe und öffentlichen Angriffe der O ligarchen angekämpft, die natürlich in dem Frieden m it S p a r t a das einzige Hell des S t a a t e s bezeichneten; Kleons T od machte endlich diesen Frieden möglich, und sogleich w ar in Athen eine Commission von zehn M ä n n e rn ernannt, „ü b e r das, w as dem S t a a t e nützlich sei, vorläufig B e ra th u n g e n anzu­ stellen", eine Behörde, die, ganz gegen den S i n n eines de­ mokratischen S t a a t e s , n u r die B edeu tu ng haben konnte, zu einer durchgehenden Umgestaltung der Verfassung im S i n n der Oligarchen hinüberzuführen. D ie vollkommene Nichtach­ tu ng früherer Bundesverhaltnisse S e i t e n s der S p a r t a n e r , die in jenem Frieden nicht undeutlich ausgesprochene Absicht der beiden neu verbündeten M ächte, sich a u f Kosten aller noch selbstständigen kleineren S t a a t e n zu alleinigen H erre n in Griechenland zu machen, endlich die gefahrdro­ hende Hinneigung zur oligarchischen Weise, welche sich in dem sonst als V o rk äm pfer der demokratischen Freiheit be­ w äh rten Athenäischen S t a a t e zeigte, nöthigte die M äch te zweiten R a n g es zu einer V ereinigung, in der sie sich gegen­ seitigen Schutz gegen etwaige Angriffe a u f ihre Selbststän­ digkeit zusicherten. I n A then aber konnte jenes B ü n d n iß m it S p a r t a unmöglich populär sein; es m ußte unerträglich werden, wenn es eine oligarchische Um gestaltung der V e r faffung zur Folge zu haben drohte. D a stellte sich Alkibiades, der zu allen Zeiten des Volkes Liebling gewesen ist, a n die Spitze der V e lts p a rth e i, deren S i e g n u n schnell en t­ schieden w ar. A then begann den K am ps jener S t a a t e n A n sto p h .

III.

I

zweiten Ranges gegen S p a r t a erst heimlich, dann öffentlich zu unterstützen; Athen w ar wieder der M ittelpunkt des de­ mokratischen Lebens in Griechenland; unter Athens F ü h ­ rung vereinten sich auch die, welche, sonst S p a r t a s B u n d es­ genossen, von der Herrschgier und der Selbstsucht jenes S t a a t e s Alles fürchten zu müssen glaubten. Unter Alkibiades w ar Athens M acht größer und für S p a r t a gefährlicher als selbst zu Anfang des Peloponnesischen Krieges. Desto eifriger arbeiteten die Oligarchen zunächst gegen Alkibiades, der ihr mühsam gefördertes W erk in so kurzer Zeit mit so rascher Kühnheit zerstört hatte; sie mußten ihn stürzen, um den abgerissenen Faden ihrer Umwälzungspläne nur erst wieder anspinnen zu können. Gelegenheit fanden sie dazu gerade in dem Augenblick, als Alkibiades mit dem herrlich projectirten Sicilischen Feldzug den S ie g der Attischen Herrschaft zu entscheiden auszog; ihr W erk waren die P r o ­ cesse wegen Hermenverstümmlung und Mysterienverletzung, mit nur zu gutem Erfolg ängstigten und bethörten sie die M enge, und unter der M aske der gewissenhaftesten S o rg e für die Demokratie bewirkten sie den S t u r z derer, bei wel­ chen das Volk allein Schutz und erfolgreiche F ührung der begonnenen Unternehmungen hätte finden können. Alkibiades B e u rth e ilu n g war der Todesstoß für die Sinlische Expedition, ja für Athen selbst. Alkibiades w arf sich den S p a rta n e rn in die A rm e; mit der ganzen Leidenschaftlichkeit, die ihn auszeichnet, wandte er sich gegen sein Vaterland, das ihn verstoßen; seinem Genie dankte S p a r t a die M a a ß ­ regeln, die den schnellen S t u r z der athenischen M acht her­ beiführten. D ie allgemeinen politischen Gesichtspuncte hatten sich aus seltsame Weise verwandelt; der sogenannte Peloponnesi-

sch« Krieg hatte sich anfangs ziemlich allgemein in dem G e­ gensatz des Ionischen und Dorischen S tam m es, der Demo» kratie und Aristokratie gehalten; durch Alkibiades V erm itte­ lung aber hatte Athen sich m it Peloponnesischen D oriern ge­ gen S p a rta verbündet, hatte den demokratischen S ta a t von S yrakus angegriffen, und S p a rta wieder hatte demselben demokratischen S ta a te H ülfe geleistet und sich m it athenäifchtn B ündnern Ionischen S tam m es, ja mit dem Erbfeinde des Hellenischen Nam ens, m it den Persern, in Beziehung zu setzen begonnen. D er Krieg hatte durchaus seinen ursprüng­ lichen Charakter verloren, es handelte sich nicht mehr um Stammunterschiede oder staatsrechtliche Principien, sondern um die Herrschaft des einen oder andern S ta a te s. D ie Oligarchen Athens waren keinesweges im Interesse S p a rta s noch, wie wohl die antidemokratischen M änner früherer Zeit, von den Grundsätzen einer auf Adel, Besitz und stabilem Recht begründeten Aristokratie; gab es auch deren Einzelne in Athen, so w ar doch die vorherrschende Charakteristik die­ ser neuen Tendenzen einerseits politische Theorie, die aus der neuen Weise der aufklärenden Bildung hervorgegangen w ar, andererseits die Sucht, ausschließlich zu herrschen und sich zu bereichern, welche die Vornehmen, so lange die alte Weise der Demokratie bestand, den Volksmänner» gegen­ über zu befriedigen verzweifeln mochten. S o hatten diese Oligarchen Alkibiades Verdammung durchgesetzt; so konnte eS geschehen, daß sie nach dem un­ glücklichen Ausgang der Sicilischen Expedition durch E r­ nennung der Probulen den entschiedenste» amtlichen Einfluß )u gewinnen begannen, und dennoch mit aller Energie den Kampf gegen die S p artan er fortsetzten. — W ir wissen von diesen Probulen und ihrer amtlichen Thätigkeit nicht viel J2

mehr, als was in der vorliegenden Komödie darüber vor­ kommt; genannt wird als einer derselben besonders des Theramenes Vater Hagnon, der den nach Kleons Tode mit Sparta geschlossenen Frieden mit beschworen hatte.

Es ver­

steht sich von selbst, daß zu den durch Wahl zu besetzenden, namentlich also zu den Feldherrnstellen, vorherrschend M än­ ner dieser Parthei ernannt wurden; mehrere von diesen fin­ den sich in der Oligarchie der Vierhundert oder unter den Dreißig wieder.

Namentlich war seit der zweiten Hälfte

des Jahres 412 Phrynichos unter den Feldherrn, den Aristophanes bereits in den Wespen V . 1302. als einen der vornehmen Gesellschaft schildert, und den Thukydides als einen Mann von erprobter Verständigkeit rühmt. Alkibiades befand sich in der Nähe des Persischen S a­ trapen Tissaphernes; er hattedessen Vertrauen in ungewöhn­ lichem Maaße gewonnen.

Sein Verhältniß zu Sparta be­

gann unbequem und unsicher zu werden; es schien die Zeit gekommen, das Vaterland wieder zu gewinnen.

Unter den

Athenern hatte die oligarchtfche Tendenz sich immer klarer herausgebildet, die Fein- und Guten, wie sie genannt wur­ den, waren daheim und bei der Flotte m Samos im Einverständniß und erwarteten nur eine Gelegenheit, die Ver­ fassung in ihrem Interesse zu andern.

Diese Gelegenheit

gab Alkibiades durch seinen Antrag, er wolle dem Staat Subsidien vom Tissaphernes verschaffen, wenn die Demokra­ tie, die gar keine Garantie gewähre, aufgelöst und in einer neu zu begründenden Oligarchie ihm Rückkehr und Antheil an der Leitung des Staates gewährt würde.

Diese An­

träge erfolgten im ersten Monat des Jahres 411; trotz Phrynichos und seines energischen Widerspruches wurden sie von den Verschworenen angenommen, und derselbe PeisandroS,

bet im Jahre 415 so lebhaft bei den Hermenproceffen mit* gewirkt hatte, ging nach Athen, dort die Umgestaltung der .Berfassung zu veranlassen. Nie hat sich Alkibrades Staatsklugheit gewandter ge­ zeigt als bei diesen Unterhandlungen. Er kannte die Stärke -er oligarchischen Verbindungen in Athen; er wußte, daß die Männer dieser Parthei das Uebergewicht und für den Augenblick die öffentliche Meinung für sich hatten; er konnte voraussehen, daß wenn sie endlich zur Verwirklichung ihrer Plane gelangten, der alte demokratische Sinn des Volks sich schnell wieder aufraffen würde zum Schutz der väter­ lichen Verfassung. Gegen den Wlllen der Oligarchen zu­ rückzukehren, konnte er utn so weniger hoffen, da an der Spitze der Volksparthei Männer standen, von denen er wo möglich noch ärger gehaßt wurde als von den Oligarchen; mit den Oligarchen, wenn er zurückkehrte, auf die Dauer vereint zu bleiben, war eben so unmöglich, da sie es nim­ mermehr trat ihm ehrlich meinen konnten, und sein Sinn es nicht ertragen hätte, mit solchen Männern die Macht zu theilen. So galt es, die Oligarchen zu benutzen, um erst wieder festen Fuß zu fassen; sie mußten zu einer vollständi­ gen Entwickelung ihrer Bestrebungen gelangen, damit sich dann das Volk, durch Erfahrung belehrt, desto entschie­ dener und für immer von ihnen abwende, und sich dem Retter ganz in die Arme würfe. Allerdings erkannten manche Oligarchen, daß man sich um keinen Preis mit Alkibiades einlassen dürfe. Phrynichos war im Begriff, die Flotte lieber an die Feinde zu verrathen; die erlauchten Familien der Eumolpiden und Keryken machten die Heiligkeit der Verwünschungen, mit de­ nen AlkibradeS Verurtheilung begleitet worden war, gel-

te n d ; gewisse D olksm änner thaten das Ih rig e , die M enge gegen die beabsichtigten N euerungen aufzureizen. Dennoch gelang es dem Peisandros, unter M itw irkung der H etärien, einen Volksbeschluß zur Absetzung des Phrynichos und V o ll­ macht zur Unterhandlung m it Alkibiades und Tissaphernes zu erhalten. D ieß mochte gegen Ende des J a n u a r gesche­ hen sein. A ls aber die Unterhandlungen begannen, wurden auf AlkibiadeS Antrieb S e ite n s des S atra p e n so harte B e ­ dingungen gestellt, daß Peisandros und seine M itgesandten unverrichteter S ache abreiseten und nach S a m o s gingen; dort wurden neue Versam m lungen der Verschworenen ge­ h alten; m an kam überein, daß Alkibiades nicht geeignet sei, M itglied einer solchen Oligarchie zu werden, ferner daß, da m an bereits so weit gegangen sei, das Unternehmen nicht aufgegeben, endlich, daß der Krieg fortgeführt und von den Theilnehmern der V erschw örung, die ja nun in ei­ genem V ortheile handelten, aus P rivatm itteln nach M ö g ­ lichkeit beigesteuert werden müsse. I n Athen w ar indeß durch die M itverschwornen Alles zur Umgestaltung der V e r­ fassung vorbereitet und namentlich durch heimlichen M ord Androkles, des Alkibiades Feind, und andere M än n er der V olksparthei aus dem W ege geräum t. A ls Peisandros ge­ gen Anfang A pril etwa nach Athen zurückkehrte, w ar Alles zum Umsturz der bestehenden Verfassung bereit, und die E rnennung der zehn S yn grap heis m it unumschränkter V o ll­ macht B ehufs eines neuen Verfassungsentwurfes w ar die Einleitung zu der Oligarchie der V ierhundert, die nach dem Frühlingsanfang, also auch nach den Dionysien (f. Thucyd. V. 2 0 .) d. H. etwa in der zweiten H älfte des A pril ins Le­ ben trat. E s ist für das vorliegende S tück nicht w eiter nöthig,

auszuführen, wie die gleichzeitig in SamoS auftretende O li­ garchie nicht minder gewaltthätig verfuhr, wie sich die dor­ tigen Demokraten an die beiden Athenischen Feldherrn Leon und Diomedon wandten, die an PhrymchoS Stelle geschickt waren, wie sich die Äthenische Seemacht unter ThrasybuloS und Thrasyllos mit ihnen vereinigte und gegen die Oligar­ chie daheim protestirte, wie endlich von der Flotte aus mit Alkibiades unterhandelt wurde und derselbe, zum Oberbefehls­ haber der demokratischen Macht ernannt, mit schnellen E r­ folgen und preiswürdiger Mäßigung den Sturz der O li­ garchie der Vierhundert bewerkstelligte. — Daß die Lysistrate vor Einsetzung der Vierhundert und vor Ernennung der SyngrapheiS zur Aufführung gekommen, geht aus dem Auftreten der Probulen hervor, und würde (ich von selbst verstehen, da die neue Verfassung erst nach den großen Dionysien durchgesetzt wurde; doch ob das Stück diesen oder den Lenäen angehört, ist nicht mit Bestimmtheit zu erkennen.

Am bezeichnendsten noch ist die Stelle (V.

490.), wo auf die Frage der Probulen: „ob denn wegen des Geldes Krieg geführt werde", Lysistrate antwortet: „des Geldes wegen werde auch alles Andere durcheinander ge­ rührt; und damit Peisandros und die auf Aemter Lossteu­ ernden zu stehlen Gelegenheit hätten, machten sie immer dem Staatskörper einiges Knurren und Wurmen im Leibe." Freilich hat schon in den Babyloniern im Jahre 426 Aristophones von Peisandros gesagt: „m it ihm vereint schafften sich welche, Geschenke wünschend, Befehlshaberstellen im Kriege", und bei Gelegenheit der Herrnokopidenproceffe war ja Peisandros einer der eifrigsten Beförderer der Verfol­ gungen.

Aber mehr als jemals waren seit der zweiten

Halste des Januar 411 dergleichen Umtriebe im Gang, Pest

sandros und die Genossen der Hetärien rührten, wie sonst schon oft, so besonders zetzt dem Staate neue Verwirrung ein, und der Borwurf der ärgsten Eigennützigkeit war nur zu gerecht.

Wäre die Lyststrate in den Lenäen aufgeführt,

so hätte der Dichter auf das Treiben des Peisandros und der Hetärien hinzuweisen nicht so bedeutenden Anlaß

ge­

habt, wie in den Dionysien, denen die kurze Anwesenheit Peifanders in Athen, die Absetzung des Phrynichos, der Volksbeschluß zu Unterhandlung mit Alkibiades u. s. w. vor­ hergegangen war. strate räth,

Eben dahin gehört V . 575 ff., wo Lysi-

,den Köthel des Volks abzuwaschen, was sich

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zusammengeklappt hat zu den Aemtern des Staats, ausein­ ander zu ziehen und die Spitzen davon zu verschneiden". Wenn der Chor der Alten (V . 313.) die Feldherrn der Flotte in Samov herbeiwünscht, daß diese ihm die Holzkloben von den Schultern helfen sollen, so paßt auch das eher zu der Aufführung in den Dionysten als in den Lenäen; denn vor den durch Peisandros begonnenen Umtrieben waren keinesweges populäre Männer an der Spitze der Flotte; als aber aus dessen Antrag Skironides und Phrynichos abgesetzt und das Volk zur Wahl neuer Feldherrn versammelt wor­ den, (Ende Januar) war die Wahl aus Leon und Diomedon gefallen, zwei Männer, die auch späterhin aus der Seite des Volkes blieben. — Noch sind ein Paar Zeitbestimmungen i n der Komödie; eine Frau sagt, ihr Mann sei seit fünf Monaten in Thracien, den Eukrates zu bewachen, und eine zweite, der ihrige seit sieben Monaten in Pylos; leider hat Thukydideö dieser beiden Expeditionen nicht erwähnt, und sie sind somit für die vorliegende Frage unfruchtbar. — End­ lich möchte noch eins anzuführen sein.

Der Chor der Alten

beginnt (V . 615) seine Parabase in einer Weise, daß man

Myhl mehr als das bloße Prozect der Weiber bezeichnet glauben darf: „N icht schlafen dürfe, wer ein freier Mann fei; daS alles schmecke nach größeren und ärgeren Geschich­ ten, hier sei was von der Tyrannis des Hippiaö im Wer­ den; man besorge, daß sich Lakonier im Hause deS KleistheneS versammelt und die Weiber aufgeredet hätten" u. s. w. Dieß und die ganze Stimmung des Stückes scheint dafür zu sprechen, daß die Aufführung in M itten jener bewegten Zeit, wenige Wochen vor dem Umsturz der Verfassung, an den Dionysien gegeben sei. Die Lage des Staates war entsetzlich. Wenige S tun ­ den von Athen stand König Agis mit bedeutender Heeres­ macht; man glaubte mit Bestimmtheit, daß er mit einigen Vornehmen in der Stadt in geheimer Verbindung stehe. Eben jetzt bemächtigten sich die Böotier und Eretrier der Stadt Oropos, in der eine Attische Besatzung lag; eS war nach diesem Verlust der Abfall der wichtigen Insel Euböa nicht mehr zu hindern.

N ur mit der größten Anstrengung

vermochte man sich im Aegeischen Meer zu behaupten; die Flotte, auf der die letzte Hoffnung Athens ruhte, hatte im Januar unter Charminos eine empfindliche Niederlage erlit­ ten und der Staat war so vollkommen erschöpft, daß seit dem Sommer 412 auch die tausend Talente, die nach einer Bestimmung aus den Anfängen des Krieges her alle Zeit unberührt bleiben sollten, angegriffen wurden.

Allerdings

bot sich eine Aussicht zu neuen Hülfsquellen in der Verbin­ dung mit den Persern, aber unter der furchtbaren Bedin­ gung, die Demokratie aufzulösen.

Die Oligarchen arbeite­

ten mit der lebhaftesten Anstrengung nach demselben Ziele hin; nichts kam zur Berathung, als was von den Ver­ schworenen schon verabredet war; nicht leicht wagte jemand

zu widersprechen; wer eS dennoch wagte, wurde heimlich ermordet, ohne daß Nachforschungen gehalten oder der M ör­ der, wenn man ihn kannte, bestraft wurde.

Das Volk ver­

hielt sich dabei ruhig, es war eingeschüchtert und entmuthigt; niemand wagte zu klagen oder einen andern um Hülfe zu bitten; man traute auch Bekannten nicht.

Die

von der Volksparthei näherten sich einander nur mit Arg­ wohn; denn unter den Verschworenen befanden sich auch solche, von denen man nie vermuthet hätte, daß sie sich zu den Oligarchen halten würden.

Diese erregten das größte

Mistrauen unter der Menge und bewirkten am meisten, daß die Oligarchen mit vollkommenster Entschiedenheit wei­ ter gehen konnten; sie bewirkten es, daß Mangel an Ver­ trauen zur herrschenden Gesinnung im Volke wurde. So schildert Thukydides die Zeit kurz vor Auflösung der Demokratie; man wird sich daraus ein B ild machen können von der Stimmung, mit der das Attische Publikum der Aufführung der Lysistrate beiwohnte.

Es ist sehr merk­

würdig, daß der Dichter in so argen Zeiten mit solchen Dingen seine Zuschauer amüsirt hat; der tolle Plan der Weiber, durch Verweigerung der ehelichen Pflicht den Frie­ den zu erzwingen, und der Jubel, als endlich die Versöh­ nung zu Stande gebracht ist, mag das gute Volk für einen Augenblick die Noth der Zeit haben vergessen lassen.

Aber

das Stück selbst leidet an dem schwülen Druck der allge­ meinen Stimmung; mit ängstlicher Vorsicht vermeidet der Dichter sein sonstiges Uebermaaß von Spott und Witz über bedeutende Persönlichkeiten, und auch der sachliche Spott geht wie eine Feile, die nicht mehr recht saßt, ziemlich glatt über die Dinge hin; jene burleske Scene zwischen den bei­ den Eheleuten ist wie ein Lückenbüßer, um tieferem Ernst

aus dem Wege z» gehen, eingeschobcn. DaS Stück, so geist­ voll und lebendig in Einzelheiten, steht unendlich weit hin­ ter denen zurück, welchen des Dichters leidenschaftliche Par­ teilichkeit und Rücksichtslosigkeit außer dem poetischen Reiz atich de» politischer Kühnheit gegeben hat. Für die Form der antiken Komödie ist die vorliegende in mancher Hinsicht lehrreich. Die durchgehende Gegeneinanderstellung der beiden Chöre macht eine Anwendung der Räumlichkeiten nothwendig, wie sie in keinem Stücke sonst vorzukommen scheint. Der Weiberchor hat die Bühne inne; er steht hoch genug über dem anrückenden Chor der Alten, um auf denselben hinab wiederholentlich die Eimer auSgießen zu können. Ein weiteres Verfolgen dieser Betrachtung scheint für die Einrichtung der Attischen Bühn« wesentliche Resultate zu versprechen. Nicht minder sonderbar ist die Art, wie sich die wesentliche Grundlage der alten Komö­ die, der Parabase, hier zu einer ganz anderen Bedeutung und, wie in früheren Stücken nie, zu einem integrirenden Theil des dramatischen Verlaufs umgewandelt hat. W ir werden in der Einleitung zu den Fröschen auf das Wesen der Parabase zurückkommen. Für die Übersetzung war die Lysistrate schwieriger als die meisten andern Komödien. Der Dialekt der Lakonier spielt in derselben eine Hauptrolle; seine Eigenthümlichkeit ist eine gewisse energische Härte des Klanges und eine auf­ fallende Straffheit der Fügungen, wie sie dem trotzig un­ gefügen Wesen deS Volkes entsprechen; da ist nichts von der feinen Beweglichkeit und der luxurirenden Mannigfal­ tigkeit des attischen Wesens, es ist als gehörten diese Klänge gar nicht dieser, sondern einer alteren, strengeren, helden­ mäßigen Zeit a». Dafür ein entsprechendes Deutsch zu sin-

den war unmöglich. Bei ähnlichen Dialekten in den Acharnern hatten wir nicht nöthig, den Klang der Plattheit ängst­ lich zu vermeiden; bei den Spartanern dagegen bringt der­ artiges einen vollkommen unrichtigen Eindruck hervor, da die Spartaner auch in ihrem Dialekt vornehm und wacker erscheinen. Allerdings haben auch wir in unserer Sprache noch Mundarten, die von dem Hochdeutschen abweiche», ohne platt zu sein; aber sie haben Alles eher als eine Aehnlichkeit mit dem Charakter des Lakonischen; die einen sind zu weich und gelinde, die andern zu schwerfällig und kehllautend; und in die reiche Vergangenheit unserer Sprache zurück zu gehn, schien gar unthunlich. W ir halfen uns mit einem Gemisch, das wenigstens fremdartig und zum Theil schroff klingen sollte.

Lysistrate. ich, wie ein Pfirsich blühend roth und weiß ge­ schminkt, Das KrokoSröckchen aufgesteckt, da steh' ich nun Und stehe müßig, trillere vor mich hin ein Lied 880 Lockgirrend, damit ich einen, wenn sie vorübergehn, M ir fange! Kommt, o Musen, auf meine Lippe her, Ersinnt und singt mir ein Jonisch Liebeslied! Mädchen. Hinaus zu kucken, Hexe, kamst du mir zuvor! Du glaubtest, ha ich einmal entfernt war, unbewacht D ir Trauben zu brechen, herzulocken dir einen Schatz M it deinem Singen! übersingen will ich dich! Und ist der Spaß alltäglich unserm Publikum auch; So ist es doch was Lustiges und Komödienbrauch!

885

(trn Alter geht umherschauend vorüber.)

Alte. Den Greis da red' dir an und geh' mit ihm bei Seit'! Aa2

890

Auf, Herzensflötenbläserchen, nimm die Flöte jetzt Und dein und meiner würdig spiel' ein Liedchen auf! (fit singt zur Flöte.)

W ill 'mal einer sich süß vergnügen, Komm er in meinem Arm zu liegen; Nicht verstehn es die jungen Kätzchen, Sondern wir, die reifen Schätzchen! Nicht einmal getreulicher wie ich Gabe liebend hin sie sich Dem Einen,freuen; Flcktern wird sie zu immer neuen! Mädchen.

895

(singt.)

900

905

910

Schmäle nicht junge Mädchen! Blüht doch die Lust auf unsern Mädchen, Haucht um die weiche Hüfte, Uns um den Busen süß Gedüste! Doch du, Suhle, Hast dich geschniegelt, dich betünchet, Recht wle des Grabes Buhle! Alte. Daß der Bettgurt dir reiße, Fort dir das Kissen unterm Steiße Gleite, wenn schon Genuß zücht! Daß dir im Bett ein Drachen liege, Daß er sich brünstlg an dich schmiege, Wenn dir der Mund zum Kuß stickt! Mädchen.

Ach! ach! wie wird's werden mit mir? Noch kommt nicht mein Guter! Allein, einsam weil' ich hier; Auch ausging meine Mutter, — (bazwlsct enredend.)

Wohin, das darf ich nicht erzählen/ weiß ich's auch. lsingend.)

915

Ja dich, Arnrne, beschwör' ich,

Die emtffotttfeti.

373

OrthagoraS ruf' hierher, Damit du selbst dich vergnügst, rdf thu, erhör' mich! A lte. Schon wollüstest du Arme dir M it ächt Ionischer Kitzelgier, — (dazwischenredend.)

M it der Lippe scheinst du's auch zu wolle» nach Lesbierart! 920 (ftngenb.)

Niemals sollst du mir doch entreißet» Meinen Liebsten; ich komm' zuerst! Sollst me rn Stündchen mir nicht stören noch stehlen! Mädchen. Ja sing' so viel du nur willst und kuck' wie ein Wiesel­ chen aus, Es kommt zu dir doch keiner früher, als zu mir! 92» A lte . Ja dich auszuziehn! Mädchen. Pfui, auszi'ehn dich! das wäre neu! Alte.

Das nicht! Mädchen. Was brächt' ein altes Weib auch Neues vor! Alte.

Mein Alter thut dir keinen Schaden! Mädchen. Was denn sonst,

Vielleicht die Runzelkratze mehr? die Schminke mehr? Alte.

Was neckst du »nich? Mädchen. Was streckst und reckst du dei» Kopf hinaus? Alte. Ich singe für mich von Epigenes, dem Buhlen treu!

930

M ädchen. W a- hast du außer dem Alter für 'nen Buhlen treu? A lte. E r wird es d i r auch zeigen! Kommen wird er bald! D a ist er schon! (ein schmucker Jüngling kommt von fern daher.)

M ädchen. Nicht deinetwillen, du Pestilenz! 935 Nichts will er von d ir! A lte . Doch, doch, o Jungfer Gallensucht! M ädchen. D as wird sich zeigen, tret' ich hier vom Fenster fort! A lte . Auch ich, damit du erkennest, wie ich edler bin! (beide ziehen sich vom Fenster zurück.)

Zweite Scene. Jüngling.

D ie Vorigen.

J ü n g lin g . (kommt singend )

940

D ürft' ich Küsse von junger Lippe nippen, Ohn' erst einer verschrumpften alten Rippe I n ekler Lust liebend zu nahn; Nimmer ertragen kann solches der freie Mann! A lte . (um Fenster.)

Aechzend sollst du die ekle Lust mir büßen! Nicht Charixenen wirst du sättigen müssen! Dem Gesetz gemäß also zu thun, v. 943. C h a r i p e n e soll eine dumme Hure gewesen sein.

Fordert Gerechtigkeit, weil er das Volk gebeut!

945

(für sich.)

Doch geh' ich hin zu horchen, war er denn machen wird. (tr itt jurutf.)

Jü n g lin g . O Götter, fand' ich meine Schöne nur allein, Zu der die Sehnsucht mich vom frohen Becher trieb! Mädch en. (am Fenster.)

Schön übertölpelt hab' ich, altes Weibsen, dich! In dem Wahn, ich bliebe drinnen, ist sie auch hinein!

950

A lt« . (aus der Hau-thür kuckend.)

Da ist der Holde selber schon, deß' ich gedacht! Komm, o komm! komm, o komm, süßes Lieb! Komm herein und süß in meinen Armen Sei diese Nacht wach mit mir, Trauter du! Denn unendlich Verlangen, o Freund, Lockt zu deinen Locken mich; Es bethört Sehnsucht mein Herz wonniglich ! Wie sie mich quälend hält umfahn! Laß mich! ich fleh' dich, Eros, an! Gieb, daß Er zu mir ins Bette Diese Nacht sich bette!

955

Jt'ing ltng. Komm, o komm! komm, o komm, süßes Lieb, 960 Eilig herab, die Pforte mir zu öffnen! Doch kommst du nicht, her in den Staub bett' ich mich! O du Herz, wonniglich Laß in deinem Schooß mich ruhn, Hüsthinab mit fingernder Hand gleiten mich! Warum, Kypris, weckst du für sie mir Wahnsinn? 965 Laß mich! ich fleh' dich, Eros, an! Gieb, daß Sie zu mir ins Bette Diese Nacht sich bette!

970

975

So herzenstief, wie es gebeut der Sehnsucht heißes Wehe Wehklagt' ich dir! Holdeste, drum erhöre1mich! ich flehe! Mach' auf! o küsse, herze mich! Denn von d ir leide Schmerzen ich! Du goldner Hort meiner Gedanken, Birne du de» Liedes, Du Kypris Kind, Pflegling der Huldgöttin, du Won­ nenantlitz! Mach' auf! o küsse, herze mich! Denn von d ir leide Schmerzen ich! (tote er an die Thur pocht, tr itt ihm die Alte entgegen.)

Alte. Was pochst du an? he, willst gewiss zu mit? J ü n g lin g . Woher? Akte. Du hast an der Thür gerissen! Jüngling. Hohl' mich der Henker, wenn — Alte. Weswegen sonst denn kämst du sammt der Fackel her? Jüng lin g . Nein, einen gewissen Phiggäer will ich suchen! Alte. Wen? Jüngling. 980 Nicht Deinobulen, welchen du zu erwarten scheinst! Alte. So wahr Aphrodite, magst du wollen oder nicht! (faßt ihn beim A rm .)

v. 980. M an sei so nachsichtig und höre hier etwas wie „deinen Buhlen'' heraus.

Jüngling. E» kommen ja heut die Sachen über sechszig Jahr Noch nicht zur Sprache; aufzuschieben sind die noch; Die unter zwanzig werden dießmal abgemacht! Alte. So war es, Herzchen, unter dem alten Regiment; 985 Jetzt ist beschlossen, uns zuerst in Betracht zu zieh»! Jüngling. Ja zieh», wie am Brettspiel, oder passen, wenn man will! Alte. Beim Schmause gepaßt nicht hast du heute, sondern ge­ pocht! Jüngling. Das versteh' ich gar nicht! Poche» aber muß ich hier! Alte. Ja wenn du zuvor an meine Thür hast angeklopft! 990 Jüngling. Jetzt aber such' ich wirklich gar kein Beutelsteb! (sie und Mit ihm abziehen, nach emlgem Zerren komme eine ältere Alte, die sich de- JunglmgS bemächtigt.)

Dritte Seme. Der Jüngl i ng.

Die zweite Alte.

Zweite Alte. Ich weiß, man liebt mich! Doch du wunderst dich, mich hier Vor der Thür zu finden. Schnell und gieb dein Mäulchen her! Jüngling. O laß mich, Herzchen! ich wittre deinen Buhlen! v. 982. Bei der Masse von Processen kam es oft, daß deren Jahre lang liegen blieben.

A lte . W en? J ü n g lin g . 995 D en besten jnugen M aler! A lte . Sprich, wer wäre das? J ü n g lin g . D er, Liebste, der für die Leichenkammer die Vasen mahlt; Geh', geh', damit er dich draußen ja hier nicht erblickt! A lte . W as du willst» ich weiß es, weiß es, — J ü n g lin g . Ic h gleichfalls, was du! A lte . Doch so wahr mich Aphrodite, der ich eigen bin, 1000 Ich lasse dich nicht! J ü n g lin g . M ein altes Hexchen, du bist verrückt! A lte . O dummes Zeug! zu meinem Bette führ' ich dich! J ü n g lin g . Wozu man nur Ziehstangen für Brunneneimer kauft! M an könnte ja immer ein dergleichen altes Weib I n die Brunnen senken, und dran herauf die Eimer ziehn! Z w e ite A lte . 1005 DaS Spotten, rath' ich, laß daheim! gleich folge wir! J ü n g lin g . D as hab' ich nicht 'mal nöthig, wenn du dem S taate nicht Ein Hundertel erst von meinem Vermögen niedergelegt! v. 1006. W a r jemand zu einer Leistung fü r den S t a a t verpflich­ tet und er suchte (Ich derselben zu entziehen, so konnte durch die gerichtliche Form de« Bermögenstausches ein Anderer dessen Verm ögen in Anspruch nehmen, m it der Bestim m ung, als B e ­ sitzer jene Leistung zu wachen. S o will ja auch die Alte das Vermögen des jungen M ann es, das derselbe dem Gemeinwohl

Zweite Alte. So wahr Aphrodite, büßen mußt du'S heut, wie mir'S I n Junggesellenarmen zu schlafen wohl behagt! J ü n g lin g . Da in Altenweiberarmen zu schlafen mir schlecht behagt, So folg' ich nicht und folge gewiß nicht!

ioio

Zweite Alte. (sie zeigt eme Schrift.)

Aber hier!

DaS wird beim Himmel dich zwingen! J ü n g lin g .

Und, — was ist denn das? Zweite Alte. Ein Volksbeschluß, nach dem du zu mir dich verfügen mußt! J ü n g lin g . So laß doch hören, waß er besagt!

Zweite Alte. Ja höre zu: Beschlossen haben die Weiber, so ein junger Mann Ein junges Weib will, soll er ehr sie genießen nicht, Als bis er der Alten vorgekrustet und ausgekrumt; Doch will er nicht vorkrusten, sondern dem jungen Weib Beischlafen, so soll's den Alten Fug und Rechtens fein, Ih n ohn' Engelt an der Ruthe gepackt umherzuziehn. J ü n g lin g . O weh, da werd' ich ein wahrer ProkrusteS diesen Tag! Zwei te A l te . I h r habt gehorsam unsern Gesetzen jetzt zu sein!

Jüngling. Doch wie, wenn der Nachbarn einer oder ein guter Freund Jetzt käm' und mich erlöste? zu nützen nicht anwenden mag, für sich in Anspruch nehmen; aber der Jüngling fordert, daß sie erst nach der rechtlichen Form den bestimmten Antheil vorweg deponiren soll.

1015

1020

1025

Hat

über

Z w e it e A lte . Päh! kein Mannsperson. mehr als-einen Scheffel steie Hand!

Jüngling. Und kann man sich nicht frei schwören? Z w e i t e Al t e . Ränke gelten nicht! Jüngling. S o geb' ich mich an als invalid! Z w e i t e Al t e . Dann giebt es w a s! Jüngling. W as also machen? Z w e i t e Al t e . Komm' und folge mir in's Haus! Jüngling. D a s ist ja Nothzucht förmlich! Zweite Alte J a Diomedische! 1030

Jüngling. S o laß das Brautbett breiten dir auf Rosmarin, M it Trauerschleifen schmücke dich, leg' neben dich Vier Rebenschöffe, zu Häupten hin ein Thränennapf, Weihwasser in lautrer Schaale stelle vor die Thür, — Arbei te Al t e. D u kaufst am Ende gar mir wohl 'neu Kranz?

v. 1025. Nach Attischem Recht konnte ein Weib nicht mehr Kl­ einen Scheffel Werth veräußern. v. 1069. D i o m e d e - der Thraker zwang Fremde, seinen Töch­ tern zu genügen, bis fie darauf gingen.

381

Di» Ekttestazusm. Jüngling.

J a wohl.! W enn du nur die Lichter überdauerst; doch ich glaub’, 1035 Zusammen fällst du drinnen gleich zu 'nem Häuschen S ta u b ! (sie w ill ihn humnschlerpen.)

titntc Scene. DI « V o r i g « » .

D a « Mädchen.

M ädchen. W o schleppst du hin den? Z w eite Alte. M einer ist's! ich führ’ ihn heim! M äd ch e n. Nicht thust du wohl dran! hak er ja doch das Alter nicht B ei dir zu schlafen, so ein junges B l u t ! bedenk, Ehr seine M utter könntest du sein, als seine Frau! 1040 B eim Himmel, wollt ihr ernstlich auf diesem Gesetz bestehn, S o füllt ihr die W elt mit lauter Ordipassrn an! (sie befreit ih n .)

Z w e ite Alte. D u Erzverruchte! diese Rede- hat der N eid D ir eingegeben! warte, du sollst mir büßen, du — (geht wüthend ob.)

Jüngling. B eim Zeus, dem Erretter! Großes hast du an mir gethan! 1045 D u Herzensmädchen, des alien W eibes mich zu befrein' Für solche Huld und G üte bring ich auch zur Nach't Recht einen großen, warmen, vollen Liebes'dank! (w ill m it ihr hinein, eine andere M e tritt ihnön eiügegell.)

Jiinste Scene. Das Mädchen.

Der Jüngling.

Die Alte.

D r itte Alte. He! du! wohin, du Gesetzesübertreterin, schleppst 1050 Du dm Buhlen, der ja nach des Gesetzes klarem Spruch Zuvor bei mir muß schlafen! Jüng ling. Ach, ich arme Haut! Aus welchem Loch gekrochen kommst du, Rabenaas! Ha! diese Hexe, gräulicher noch als jene war! D r i t t e Alte. Hinein! hinein! (will ihn hineinzerren.)

Jüng ling. (zum Mädchen.)

Um Gotteswillen, duld' es nicht, 1055 Daß sie mich hineinschleppt! hilf mir! hilf! (das Mädchen entfernt sich.)

D r i t t e Alte. Ich nicht, es schleppt

Das Gesetz hinein dich! Jüng ling. Nein, die Empuse selber ist's, I n einer blutgeschwollnen Blase eingehüllt! D r itte Alte. Komm, süßes Bübchen, komm geschwind und schwatze nicht! Jüngling. O laß zuvor mich noch zum Abtritt geh», damit 1060 Ich dort mich erst entschrecke; und erlaubst du's nicht, So sollst du sehn, ich mache dir hier vor Angst sogleich Unwiderlegliches! D r i t t e Alte. Fass dich! komm, mach' drin Aa!

Jüngling. Doch mehr, befürcht' ich selber, wird, eS als ich will! Doch will ich zwei achtbare Bürgen an meiner Statt Dir stellen! D r i t t e Alte. Laß das Stellen! (will ihn hin«inhehl«n; «in« and«r«A«lt«r« kommt dazwischen)

Sechste Seme. Der Jüngling.

Die dritte und vierte Alte.

V ie rte Alte. He da! du! wohin? Wohin mit der — ? Jüngling. Nicht ich mit ihr! sie schleppt ja mich! Doch, wer du sein magst, Heil und Segen über dich, Daß du in der Noth dich mein erbarmt («t fleht fl« ,«ht «rst.)

O Herakles! O Pane! o Korybanten! o Dioskuren! o! D ie Hexe ist ja noch wieder viel entsetzlicher! 1070 Was ist denn das, mit Erlaubniß, für ein Ungeheuer! Ein Affe vielleicht, mit Kreid' und Mennig überschmiert? Ein altes Weib, das aus dem Jenseits aufersteht? Vi er te Plte. Das Spotten laß und geh' mit mir! D r i t t e Alte. Nein, geh' mit mir!

384 1075

Dich

Die Ekttefiazusm. laß ich

nun

Vierte Alte nimmer! D r i t t e Al t e. Nun und nimmer ich

und

(sie zerren beide an ihm .)

Jünhling. I h r werdet mich noch zerreißen, verwünschte Hexen ihr! D r i t t e Al t e . M ir, mir zu folgen, ist dem Gesetz nach deine Pflicht! V i e r t e Al t e. M it Nichten, sobald ein häßlicher altes Weib erscheint! Jüngling. Doch werd' ich von euch vorher so ganz und gar ruinirt, 1080 S a g t an, wie komm' ich am Ende zu jener Schönen dann? V i e r t e Al t e . D a siehe d u zu! Aber erst giebt's hier zu thu»! Jüngling. An welcher von euch, an welcher von euch denn hur' ich mich frei?

D r i t t e Al t e . D u fragst noch? hieher! Jüngling. Aber so laß auch du mich lo s! V i e r t e Alte. Hieher! zu mir her! Jüngling. J a , wenn diese los mich lä ß t! D r i t t e Al t e . 1085 Dich laß ich nun und nim mer! V i e r t e Al t e. N un und nimmer ich Jüng-

385

Die Ekklesiazuftn.

J ü n g lin g . I h r w ä r t so w ah r gefährliche F a h rle u t! D r i t te A lte . W ie denn d a s ? Jüngling. I h r risset die Leute, die fahren sollten m it euch, en tzw ei! D r i t t e Alte. Stillschw eigend geh' m it m ir hinein! V i e r t e Alte. N e in , nein, m it m ir! Jüngling. A u f diese W irthschaft p aß t das Gesetz des K ann onos G an z deutlich; jede besonders huren m uß ich j a ; I c h kann doch nicht a ls D o p p elreiter euch zwei zugleich?

1090

D r i t t e Alte. S e h r g u t; genieße vorher ein D utzend Reitzker n u r! Jüngling. O weh m ir A rm en ! dicht bis a n die T h ü r geschleppt H a t mich die Entsetzliche! V i e r t e A lte . N ein , ich laß' d ir nichts v o ra u s ! I c h stürze mich m it in s H a u s hinein! 1095 Jüngling. B e i den G ö tte rn , n ein ! 's ist besser einem Uebel, w ie zw ei'» verfallen zu sein! V i e r t e Alte. S o w ah r mich H ekate, m agst du wollen oder nicht!

v. 1090. D as Gesetz des K annonos bestimmte, daß, wenn mehrere gemeinschaftlich etwas verübt h atte n , über jeden besonders ge­ richtet werden sollte. Arisioph. h i . B b

Jü ng lin g Dreimal beklagenswerth ich, der ich ein mulsches Weib Die ganze Nacht durch huren soll und den Tag dazu! 1100 Und bin ich mit der kaum fertig, muß ich die Phryne da, Die einen Scheffel Schminke auf ihren Kiefern hat! O bin ich beklagenswerth denn nicht? ein kläglicher, Ein misgeschicklicher Mann gewiß, beim Retter Zeus, Wenn ich mit solchen Ungeheuern entern soll! 1105 Doch hört, begegnet gar mir etwas Menschliches Bei diesen Matrosenhuren, wenn ich ihr R iff passirt, S o begrabt mich dicht an der Mündung ihres Hauptbassins, Die andre a u f mir laßt auf des Grabmals Heller Höh' Lebendig verpicht und übertheert, bis zum Knöchel hinauf 1110 Die beiden Füße festgekühlt mit geschmolznem Blei, Als Stellvertretern eines Thranenkruges stehn! (ab mit den beiden Alten.)

Siebente Scene. Dienerin.

Chor.

Herr .

Dienerin. Heil, Heil dem Volke! Heil dir, hochgesegnet Land! Dreifaches Heil der Herrin, meiner Gebieterin! Und euch, ihr Frauen, die ihr der Thür dort nahe steht, 1115 Und euch, ihr Nachbarn, euch, ihr Landeskinder rings, Und außerdem noch mir, der treuen Dienerin, Die ich das Haupt, o Zeus, mit köstlichsten Salben mir Gesalbet habe! Doch unendlich köstlicher Als alles dieses sind die Schöppchen Thasier.' 1120 Deß' Blume, sie umdustet lange Zeit das Haupt; Doch all das andre, schnell verblüht, verfliegt im N u ! Ja, das Schönste, Götter, das Allerschönste ist der Wein!

Drum schenk' dir Lautern, der erfreut dich die Nacht hin­ durch, Wenn den, der die schönste Blume hat,.du dir ausgesucht! (naher tretend.)

Doch, liebste Frauen, sagt mir doch, wo unser Herr Zu finden ist, der Mann von meiner Gebieterin?

1135

Chor. Du wirst ihn, mein' ich, finden, wenn du hier warten willst. Dienerin. Ganz recht! Da kommt er eben selbst, zum Mahl zu geh». O Herr, du glückgcpriesener, dreimalseliger! Her r. Wie ich!

1130

Dienerin. Ja du, bei den Göttern, wie keiner der Menschen sonst! Wer könnte hochbeglückter je zu preise» fein, Als der von mehr als dreißigtausend und einigen Athenern einzig nicht bereits gegessen hat! Chor. DaS Glück des Mannes hast du deutlichst dargethan! Dienerin. Wohin? wohin, Herr?

1135

Her r. Nun, zu Essen will ich gehn!

Dienerin. So wahr Aphrodite, später als kein andrer sonst! Jedoch befahl mir deine Frau zu suchen dich, Dich hinzubringen zusammt mit diesen Weiberchen. Es ist vom Chier wohl ein Restchen übrig noch, Von den Speisen manches. Drum so zögert länger nicht; 1140 Und wer von den Herrn Zuschauern uns gewogen ist,

Bb 2

Und wer von den Richtern nicht von uns absehen will, Der komme mit uns. Denn wir tischen alles auf! Das sag' gefälligst allen ohne Unterschied, 1145 Und übergeh' Niemanden; gastfrei lade dir Jünglinge, Greise, Buben, Männer, wen du siehst; Denn eine Mahlzeit wird ein jeder männiglich Bereitet finden, wenn er hübsch nach Hause geht. lab.)

Schluhfcmt. Chor.

Der Herr. Chor.

So w ill ich auch nur machen, daß ich zum Essen geh'! 1150 Und diese Fackel hab' ich recht zur rechten Zeit.

Was zögerst du noch so lange, willst du diese nicht Dahin begleiten? Wahrend du von den Brettern steigst, Nachsing' ich einen EssenShoffgesang dir nach. N ur leg' ich erst den Richtern Einiges noch an's Herz, 1155 Erst den Femen, meiner Feinheit eingedenk für mich zu fei n, Dann den Freunden guten Witzes, Witzes halber für mich zu sem, Auch den Herrn Zuschauern sämmtlich, durch und durch für mich zu sein, Insbesondre nicht entgelten mich's zu lassen, daß mich heut T ra f das erste Loos zu spielen; nein, das alles treu dem Eid 1160 Wohl erwägend, uns zu richten streng mit Unparteilich­ keit, Nicht in eurem Nichteramte so zu thun, wie jede Metze, Welche nur Gedächtniß haben für den letzten ihrer Schätze.

E rste r Halbchor. Ho! hei! Zeit jetzt ist's! O ihr lieben Weiber, wollen wir versäumen nicht den Spaß, Müssen zur Mahlzeit hin wir uns eilen; hebe drum im 1165 Kretermaafi Du und du das Bein! Z w e i t e s Hal bchor. Ich thu's schon! Erster Hal bchor. Auch die leeren Bäuche hier Muß im Takt der Schenkel schleppen! denn es naht ein Auster — sprotten — muränen — lampreten — 1170 bregen — trüffeln — süß und sauer — jungfernhonig — silphion — sahnensaucen — schnepfen — sasanen — lerchen — tauben — Hahnenkamm — kalekutter — Hasenbraten — kälbermilch — Fricassee! Der du dieses vernommen, ergreiss I n der Schnelle dir, schnell dir ein Tellerchen! Spute dich und nimm ein Stück — Trocken Brod, um nachzuessen! Zw e i t e r Halbchor. Seht, wie sie sich die Finger lecken!

v. 1167 I n einer Komödie des P lato, die im Jahre 392 auf­ geführt worden, wird von dem neuen Eßgedicht des bekannten Dichter Phüoxenoe, welches den Namen Gastmahl führte, ge­ sprochen, welches nicht geringen Beifall in Athen gefunden zu haben scheint. Es wäre wohl denkbar, daß diese seltsame Stelle des Aristophanes Beziehung zu jener literarischen Neuig­ keit hätte.

1175

G a n z e r Chor 1180 Auf, schlenkt das B ei» , juchhe, jtichei N u n geht's zum M ahl, zuchheirassei! Juchhei von wegen des S ie g e s! Juchheißasia! Jucheirassei!

D ie

F r ö sch e.

V e r s otttn. Dionysos. Z l a n t h i a s , fctn Bedi ent er.

Herakles. Ein T o d t e r . Cbaron. Die Fr ösche. C h o r der M y s t e n . AiakoS. Eine D i e n e r i n der Persephone. Zwei G a s t w i r t h i n n e n . Euripides. Ai schy lo s. Pluto. Stumme

Personen.

Einleitung.