238 109 14MB
German Pages 334 [349] Year 1804
Sammlung
neuer Romane. Aus dem Englischen.
--------—H.erauogegk»ben
------
von
Sophie
Dritter
M e r e a u.
Theil.
B e c l i n, bei Johann Friedrich Unger. I 8 o3.
D i e
Margarethenhöle oder
die Nonnenerzahlung.
Dritter
Theil.
Berlin, b ei
Johann
Friedrich
I 8 O 3.
Nnger.
Erstes Kapitel. tief in die Augen gedrücktem Hute, die nervige Gestalt in einen Mantel ge bullt, und die Ha.nd mit einem Dolch be waffnet, nahm der schwarze Mörder feinen 2Leg nach St. Maria, um in der Nähe des Thores bis neun Uhr zu warten, weil er glaubte, daß Leopold, wenn- er hier wäre,
während dieser Zeit ohne Zweifel
erscheinen werde. — Er hatte kaum einige Dlünuten da zugebracht, als sich die Pforte
öffnete, und er beim Sternenschimmer eine jugendlich schlanke Gestalt herau-kommen sah, die er für den Jüngling hielt, welchen er suchte.
Oer Fremde ging schnell,
ward
aber von Oeuhopt eingeholt, der bei ihm vorbei ging, und ihn auf das sorgfältigste
III.
A
b
ansah, aber durch die Dunkelheit verhindert wurde, seine Züge zu erkennen.
»Wie spät ist es, junger Mann?« fragte endlich Oeuhopt, indem er sich ihm näherte.
» Es ist neun, « erwiederte der Jüngling; aber ehe er weiter sprechen konnte, rief dec
Bösewicht auS — »So ist eö Zeit für dich in der andern Welt zu seyn. Nimm dies —
und dies«
—
wobei er ihn zweimal mit
dem Dolch in die Seite verwundete. dinand,
denn dieser war es,
Fer
der von dem
Kloster zurückkehrte, sank, ob er gleich von
den empfangenen Stichen wankte, dem un geachtet nicht zu Boden,
sondern zog sein
Schwert und verwundete seinen mörderischen
Gegner so stark in die rechte Schulter, daß
ihm der Dolch aus der Hand fank, und er in seiner Gewalt war.
»Bösewicht wer bist du? sprich, oder ich tödte dich sogleich
—
warum wolltest du
mir das Leben rauben? «
—
»Sind
ste
nicht Leopold Sternheim? « antwortete Oeuhopt, »so habe ich mich geirrt. — Ich hoffe.
sie sind nicht gefährlich verwundet? Dec
Freund, welcher mich sendet, muß dies Un glück wieder gut machen." So sehr sich auch Ferdinand durch den
Schmerz seiner Wunden erschöpft fühlte, so zuckte ec doch sein Schwert auf seinen Geg
ner und rief aus — »Nenn' ihn Mörder, oder ich haue zu! "
» Oer Graf Hofmann, « erwiederte Oeuhopt. »Oec Graf Hofmann," wiederholte Ferdinand, » mein Vater ein Mörder! dann
sind die Wunden in der That tödtlich" —
Er stützte sich bei diesen Worten einen Moment auf
-doch
sein Schwert,
vom
Schmerz überwunden, sank er zu Boden. »Hölle und Tod!" rief Oeuhopt; »ihr
seyd euch so ähnlich wie Brüder.
Ich kann
nicht entfliehen, und muß den Ausgang die ses höllischen Irrthums erwarten." —
Als er zu sprechen aufhöcte,
näherten
sich sechs von des Grafen Leuten,
nach Oeuhopt ausgefendet hatte, ren
nicht wenig erstaunt, A 2
ihren
die er
und wa jungen
Herrn,
wie sie glaubten,
ringend,
mit dem Tode
und in einer kleinen Entfernung
dayon, Oeuhopt tief verwunde,, zu finden. Sie verloren keine Zeit mit Fragen, fon*'
dern viere von ihnen trugen Ferdinand auf ihren Mänteln nach dem Schlosse, während die zwei andern Oeuhopt führten,
dessen
Wunde sie nach seiner Anweisung verbanden.
Oie Verwirrung, in dec sich alle befan den, verhinderte jede Vorstchr. Oke andern
Diener, welche zu gleichem Zweck ausgesen« det waren,
begegneten
ihren
Gefährten,
und traten zuerst in das Vorhaus, wo sich der Graf in einem schrecklichern Zustand als
je befand.
—
»Habt ihr ihn gefunden?«
rief er, ohne die folgenden, die Ferdinand
trugen, zu bemerken.
»Seyd ihr Oeuhopt
begegnet, warum kommt er nicht mit euch? « Ehe ste antworten konnten,
erblickte er
die Diener, welche den bleichen,
leblosen,
todtengleichen Körper seines Sohnes trugen.
Er schauderte zurück, stand dann einen Mo ment lang vom Entsetzen ergriffen, und stet
9
Seufzer zu Bo
endlich mit einem tiefen
den. Alle nur mögliche Hülfe ward herbeige-
und der Mörder und sein Opfer in
schafft,
verschiedne Zimmer gebracht.
gegenseitig verwundet, angefallen
Ob
wußten
worden,
sie sich
oder von Mördern
die
Diener
nicht; denn Ferdinand konnte nicht sprechen, und Oeuhopt schwieg trotzig still,
nur zirn Antwort, daß sie zu erfahren,
oder gab
um das ITähere
stch an ihren Herrn wenden
müßten.
Als der Graf stch etwas von seiner er sten Bewußtlostgkeit erholt hatte,
ein Raub
ward er
der quälendsten Verzweifelung.
Seit Jahren hatte er die Qualen eines stra
fenden
Gewissens
empfunden,
fühlte er selbst, das,
aber jetzt
was er andern hatte
bereiten wollen. — Er sah seinen einzigen Sohn, wenn nicht durch seine eigene Hand,
doch auf seinen Befehl mit dem Lode rin gen ,
obgleich der Streich für einen andern
bestimmt gewesen war.
IO
Seine erste Frage war nach dessen Befinden, und ec erfuhr, daß die Wundärzte
diese Nacht noch nichts bestimmen könnten,
allein sehr befürchteten,
daß die Wunden
tödtlich wären. Aus Furcht, daß sein Sohn
vielleicht von seinem Antheil an dieser That unterrichtet seyn könnte,
war er lange un
entschlossen, vor ihm zu erscheinen, bis end lich väterliche Zärtlichkeit jedes andere Ge
fühl überwand
ging.
und er nach dessen Zimmer
Oer Jüngling
lag auf dem Bette,
und gab, obgleich seine Wunden verbunden
waren,
fich,
kaum ein Zeichen des Lebens von
bis fich seine starren Blicke auf seinen
Vater,
der fich in sprachloser Angst über
ihn gebeugt hatte, richteten; er zitterte bei dessen Anblick, gen,
seufzte,
und schloß die Au
wie vor einem unwillkommenen Ge
genstand, zu.
Obgleich Ferdinand nicht sprechen konnte,
so sagten doch seine Bewegungen dem Gra fen deutlich genug, daß ec mit dem Antheil,
den ec an seinem Unglück habe,
bekannt
sey, und mit tief verwundetem Herzen fürchtete er durch seine Gegenwart seinen Tod zu beschleunigen, und entfernte sich. Beinahe zum Wahnsinn getrieben, frag
te er nach Oeuhopt, dessen Wunde tief, aber nicht gefährlich war, und eilte daher
zu ihm, um ihn wegen des Unglücks, das sich zugetragen hatte, zur' Rede zu stellen. Oeuhopt empfing ihn mit Trotz; und als sich die Bedienten entfernt hatten, konnte sich der Graf nicht mäßigen und rief: — » Bösewicht! was bewog dich, meinen Sohn
zu morden? denn ich kann nicht glauben, daß es zufällig geschah.« »Tadeln sie sich selbst,« erwiederte Oeu-
hopt verwegen,— » sie allein machten mich zum Mörder, warum sagten sie mir nicht, daß ihr Sohn im Kloster sey. von mir dieselbe Größe,
Empfing er
dieselbe Stimme?
In diesem Falle schelten sie mich, sonst kla gen sie den Himmel an.« »»Wenn ich mein Kind verliere,«
ant
wortete der Graf in Verzweifelung,
> so
12 foUfl du mit deinem Leben dafür bezahlen,
■t— Elender Ersatz für das meines einzigen
Sohnes. Weiter, cc
sagte Heinrich:
»Launcy,
bring deine Beweise vor. cc
Lord Launcy sprach zuerst.
Er erzählte
alles, was er von Augustins Aufenthalt in St. Margarethens Höhle gehört hatte; denn
man sagte, daß er durch seine Kunst eine Oberherrschaft über die bösen Geister erhal ten habe, welche zuvor da gehaust hätten. Daß ec des verstorbenen Baron Fitzwalters
Freund gewesen sey, könnte nicht geläugnet
werden.
Nach
dessen Tode habe er eine
ausschweifende Zärtlichkeit zu
seiner uneh
lichen Tochter Margarethe gezeigt, welche
mit zunehmenden Jahren, ganz der Gewohn
heit der Kinder entgegen, alles andere ver lassen
lassen, um sich mit des Paters Gebet in der
alten Kapelle zu vereinen
daß ihr der
Priester fremde Sprachen gelehrt, und ihr augenscheinlich mehr Kenntnisse beigebracht
habe, als für eine Frau nöthig sey.
Oer
Lord erzählte dann EuthbertS Erscheinung,
den er für Augustins Botschafter erklärte, und ihn als eine Person bescyrieb, die mehr als
menschliche Stärke und eine Fertigkeit in der Musik besetzen hätte, die nur übernatürlichen
Wesen zu Theil geworden seyn könnte. — Richard Launcy nahm hierauf das Wort.
Ec verbarg sorgfältig
seinen eignen Plan
auf Margarethen, behauptete aber, daß er
die Nacht ihrer Flucht fremde Stimmen im Schlosse gehört, und daß, als er mit seinem Diener durch eine Gallerte habe gehen wol len und das Licht ausgelöscht sey, er einen
Schlag erhalten, so stark, daß er ihn bei
nahe gelähmt hätte. Gilbert bestätigte seine Nachricht, indem er sagte, daß er selbst mehrere Schlage er halten habe, nach deren Heftigkeit er fest
III.
E
glaube, daß sie eher von einem Huf, als
von einer Hand gewesen wären.
Nach diesem schwur Thomas, daß er die
Thore offen und die Drücke herab gelassen gesehen habe; allein nachdem er sich kaum zwei Minuten entfernt gehabt, so sey bei
seiner Rückkehr alles verschloffen gewesen, ein Umstand,
der in so kurzer Zeit durch
natürliche Mittel unmöglich gewesen wäre.
Als die Anklage geendet war, erwiederte der König:
»Ihr hört, Pater, was man
euch Schuld giebt; mit was wollt ihr euch vertheidigen? «
»Mit Wahrheit; und der Himmel stehe
den Unschuldigen bei und verwirre die Schul
digen. «< »Amen,«« sagte Heinrich, »und da ihr
euer eigner Beistand seyd, so antwortet jetzt auf Lord Launry's erste Beschuldigung.« x
»Wenn eü euer Hoheit gefällt, will ich so kurz als möglich seyn. —
Daß ich in dec
St. Margarethen-Höhle beinahe sechszehn
Jahr gewohnt habe, ist wahr;
allein von
der Herrschaft, die ich über die M ihr woh nenden bösen Geister erlangt
haben soll,
weiß ich nichts; denn ich sah und hörte kei
nen,
der so böse als ich selbst gewesen
wäre.« ■— »Ihr bekennt also eure Schuld?-
fiel
einer von Lord Launcy's Vorsprechern ein.
»Ich bitte, mir Zeit zu (offen, ich bin
weder wortreich, noch in den Spitzfindigkei ten eurer Gesetze erfahren. —
Ich wieder
hole es, daß ich keinen sah noch hörte, der so lasterhaft als ich selbst gewesen wäre;
denn ich sahe nichts,
als die Werke und
Segnungen meines großen Schöpfers um
mich her, und hörte nichts, als jene Töne,
die mir feine S t ärke und meine S ch w ä ch e verkündeten — die Donner und die entfes selten Winde, welche in den Bergen wieder
hallten, und zu sagen schienen: wer bist du, daß dich meine Macht nicht er
reichen könnte?—
Mein friedlicher Auf
enthalt in der Höhle verbannte die Furcht, welche sonst die Landleute vor diesem Ort E 2
gehabt hatten,
und sie besuchten ihn nach
der Zeit mit weniger Unruhe. — Baron Fitzwalter betrifft,
WaS den
so war er mein
theuerster Freund, den weder Kummer, noch Unglück und sogar Schande mir nicht ent
reissen konnte.
Ich Elender,
überleben mußte! —
daß ich ihn
Mein Herz war ihm
bekannt — seine geheimsten Gedanken wa ren mir vertraut, so wie auch seine Verbin
dung mit Bianca Stanley, von der ich Be
weise bringen kann — cr
»Haltet hier ein,« unterbrach ihn einer der
Rechtsgelehrten,
»was
ihr jetzt
vor
bringt, gehört nicht zu dem Gegenstand von dem die Rede ist. t< ''Ich gehorche,« versetzte Augustin. »Ser Baron starb
in
der Blüthe seines Lebens,
und hinterließ zwei Töchter.
Ich liebte sie
beide um feinet und um ihrer selbst willen;
denn schönere Blumen entblühten nie einem väterlichen Stamme;
indeß wenn eine von
ihnen größere Ansprüche auf meine Zärtlich keit machen sonnte, so war es Margarethe,
Ss wegen ihres hülflosen, verwaiseten Zustan-
des.
Neigung erwirbt Neigung, und wäh
rend id> Margarethen
als mein Kind be
trachtete, lernte sie mich unbewußt als ihren Vater anseheu.
Durch die Lehren einer gu
ten Frau neigte sie sich frühzeitig zur Fröm
migkeit, und vereinigte sich daher bereitwil lig zur Andacht, wo sie Gelegenheit dazu
fand. —
Fremde Sprachen lernte ich ihr
nur zwei;
es that mir leid, ihre Erziehung
vernachlässiget zu sehen,
und ich wünschte,
so viel in meiner Macht stand, diesen Man
gel zu ersetzen. —
llnd nun von Cuthbert
zu sprechen, unter welchem Namen er ihnen
bekannt ist. —
Was
er im Schloß auS-
führte, war ohne mein Wissen,
doch nicht
ohne meine Wünsche, und ich glaube, daß dieser Wunsch
seine Handlung
bestimmte*
Ich sah die Waise in Gefahr, und er ent schloß sich, mit aller Wärme der Jugend, sie
ihr zu entreissen, ob er sie gleich nicht kannte, denn
er hatte sie nur einmal gesehen.
WaS seine körperliche Stärke oder Gewandt-
fjeif betrifft, so besaß ec jene gute Leibesbeschaffenheit, die, unverringert durch Üppig
keit und unverdorben durch Kunst, den DHen» schen von Gott verliehen ist.
Von seiner
Geschicklichkeit in der Mustk weiß ich nichts,
da
er
mir nie etwas davon
hat Horen
lassen. «
»Ihr bekennt also, daß ihr mit Cuth-
bert bekannt seyd?«
sagte Lord Launcy'S
Beistand.
-Ich thüe es; er kam von der Äbtissin deS St. Marien-Klosters bei Bremen, um mir Icachricht wegen einem Papier zu brin
gen, welches wir lange gesucht haben, und
welches zum Beweiß für Margarethens An sprüche nöthig ist. «
»Ihr bekennt auch,
daß ihr denselben
Cuthbert aufgetragen habt, Margarethe Fitz-
walter zu entführen?«
» Nein, er vollzog meine Wünsche, ohne daß ich es wußte,« antwortete Augustin.—
»> Durch ihre Flucht ward sie von Richard Launry's Gewaltthätigkeit befreiet, der sie
in derselben Nacht entführen wollte, zu wel chem Plan seine beiden Diener, Gilbert und
Thomas, behülslich waren. «
»Es ist nicht von anderer Schuld jetzt die Rede, Pater, sondern ihr sollt euch ver
theidigen,« sagte einer der NechtSgelehrten.
» Wo ist jetzt Margarethe, kann sie der
Pater vorstellen?* stel der König ein. »Mein König!
ich habe seit ihrer Ab
reise von England keine Nachricht von ihr
erhalten, ob ich ste gleich täglich erwartete. Wenn nicht die See so unbarmherzig gegen
sie gewesen ist, als ihre Verfolger, so ist sie
jetzt schon langst mit der tugendhaften Be schützerin ihrer Jugend, dec würdigen Else,
unter dem Schutz der Äbtissin von St. Ma ria, einer Frau, die sich durch ihren Rang, aber noch mehr durch ihre Leiden und Tu
gend auszeichnet; sie ist die reichste Erbin in
Deutschland, und die Nichte seiner Heiligkeit des Pabstes. —
sie
Dahin, mein König, hat
meine Verführung
gebracht.«
und Zauberei
Lord Launcy war bestürzt und verwirrt, als er Jltargarethen so hohem Schutz über geben sah.
Doch sich fassend,
sagte er:
„Verzeihe mir mein König; allein darf das väterliche Dach durch mitternächtliche Störer
entheiligt, und der häusliche Frieden durch die
tief angelegten Plan e sich einmischender Prie ster,
die Eigennutz oder Liebe zu Händeln
antreibt, gestört werden?« „Gewiß nicht,- erwiederte Heinrich; al lein ich glaube, daß es, um diese Sache ganz
zu
würde,
verstehen,
nöthig gewesen seyn
die Untersuchung mit des Paters
Beweggründen zu seiner sonderbaren Auf
führung angefangen zu haben.
Er bekennt,
daß, wenn er auch nicht selbst Margare
then entfernt, er doch die Person, die es that, bevollmächtiget habe, und daß er sie vor
züglich an ihren jetzigen Aufenthalt gebracht
habe, gegen dessen Würde nichts eingewen det werden kann.
Auch scheint es, daß ec
sich weder der Zauberei noch Verführung, sondern nur allein der Flucht dieses Mäd-
chenS, oder vielmehr der Veranlassung dazu,
schuldig gemacht habe; ihr sollt daher diesen Gegenstand erwägen und mir eure Meinung
sagen. « Oie Richter kamen mit des Königs Ent scheidung überein, und der Pater ward von
Allem, was nicht Margarethens Flucht be
traf, frei gesprochen; allein dies war für ei nen Priester ein Verbrechen, das allein ihm
das Leben kosten konnte. »Sprecht ein Urtheil, wie euch am besten
dünkt, « sagte der König; herzig.
allein seyd barm
Oec Pater hat ohne Zweifel nicht
recht gehandelt, allein ich gebe mehr seinem Herzen, als seinem Kopf die Schuld.«
»Ich danke euch, mein großmüthiger Kö nig, und bitte noch einmal gehört zu wer
den, ehe das Urtheil gesprochen wird. Mann,
der einmal verurtheilt ist,
Ein
kann,
glaube ich, kein Zeugniß mehr äblegen, und das meinige ist in Hinsicht auf Margarethe
Fitzwalters Geburtürecht höchst nothwendig;
wollten daher eure Hoheit nach ihrer Güt erlauben, daß es aufgeschoben würde? •
»Oas ist gegen die Regel, ist sie es. Herz für würdig genug, zu verdienen?
Halst du dein
eine solche Frau
Wenn fru eS kannst
so steh
mich bei Vieser Sache als deine Freundin an;
allein nimm dir Zeit zur Überlegung,
ihre Schönheit hat nur dein Auge geblendet,
lerne sie besser kennen, Hand anbietest, «
ehe du ihr deine
Don dieser Zeit an sah
ich Adelhaiden täglich mit meiner Schwester
am Gitter, und erhielt endlich ihre Einwil ligung,
mich an ihren Dater zu wenden.
Um kurz zu seyn,
ich war in meinem An
trag glücklich; Adelhaide ward meine Gat
tin,
und ich hielt mich für den glücklichsten
Sterblichen-
Ich
hatte bald darauf das
Unglück, meinen vortrefflichen Dater zu ver lieren ;
mein Bruder war mit einer Tochter
des Baron Lebitz verbunden,
Schwester,
und meine
die dqs Kloster verlassen hatte,
lebte bei ihrer Freundin. Adelhaide ward für die schönste Frau in
6g Deutschland gehalten. wie ein Lamm,
Sie war schuldlos
sanft und zärtlich wie eine
Taube, bescheiden in ihrenMeinungen, aber
im Besitz eines klaren, nachdrücklichen Ver
standes; fromm ohne Zwang, und von al len geliebt, die sie kannten ! Ach,
mein Fürst!
was ist der Mensch«
wenn er seinem bessern Urtheil entgegen, sich ungezähmten Leidenschaften überläßt! Ich
war von Natur lebhaft, Adelhaide von Na
tur ernst;
und ob ich sie gleich mehr als
alle andere Frauen liebte, so gesteh' ich doch zu meiner Schande, daß ich oft den Scbatz, den mir der Himmel in ihr gegeben hatte,
verließ, um meine Zeit in entehrenden Tän
deleien mit Frauen zuzubringen, die ich, so hoch auch ihr Stand war,
doch bei kühle«
rer Überlegung verachtete. In weniger als einem Jahr ward ich Vater.— O Gott! lebe ich, um dieses aus
zusprechen? — Adelhaide machte mich zum Vater eines Sohnes,
so
reizend wie sie
selbst. O wollte der Himmel! daß die Stun-
9° de, die ihm das Leben gab,
gegeben hatte;
mir den Tod
dann würde er zum Trost
und unter ih
seiner Mutter gelebt haben, ren Lehren
die Ehre seines Ranges, und
Rahmens geworden seyn!« Des
Paters
zern unterdrückt,
Stimme ward von Seuf doch sich erholend,
fuhr
er fort. — » Meine Freundschaft zu Fitzwalter bewog mich,
meinen Sohn nach ihm,
Wilhelm, zu nennen.
Ich hatte ihn,
wir uns in England trennten,
seit
nicht gese
hen, allein ich erhielt immer Nachricht von ihm.
In seinen Driesen sprach er sehr Vor
theilhast von einer gewissen Blanca Stan ley,
und schrieb mir endlich,
mit ihr verbunden habe.
daß er sich
Dald darauf kam
Fjtzwalter. mit seiner Gattin und einer weib
lichen und männlichen Bedienung, die aber mehr seine Freunde waren,
nach Deutsch
land, Fitzwalter,
der sich
mit seinem Vater
entzweiet hatte, und die sanfte Blanra an betete,
schlug einen Aufenthalt in meinem
9i
Schloß aus,
nahm aber in einer kleinen
Entfernung von der Stadt auf meinen Gü tern ein kleines Haus in Besitz. und Blanra schienen
Wesen zu lieb;
seyn,
Adelhaide
gleich gestimmte süße
und gewannen sich bald
allein eS trug sich in dieser Zeit eine
die ihre nähere Bekannt
Begebenheit zu, schaft verhinderte.
Oer
einzige Sohn des
Graf Eltzen ward von einem bösen Fieber
angefallen, welches er seiner Schwester mittheilte; Wochen.
und
beide starben binnen einigen
Oie fromme und gehorsame Adel
haide, obgleich von ihrem Vater zurück ge setzt, konnte bei diesem Unglück nicht zurück gehalten werden, sondern ließ ihr Kind un ter guter Aufsicht,
ter.
und eilte zu ihrem Va
Ich liebte sie zu sehr,
als daß ich sie
nicht hatte begleiten sollen, und verließ drei
Monate lang selbst meinen Freund Fitzwal* ter, um mich mit ihrer kindlichen Pflicht zu vereinen.
—
Jiarfj dieser Zeit kehrte ich
nach Bremen zurück,
rigsten Bitten
ließ aber auf die eif
des Grafen,
meine Gattin
9qn& Schwester, die uns begleitet hatte, bei
ihm.
Vor dem Verlust' seiner andern Kin
der hatte der Graf Adelhaiden kaum ge
kannt, deren sanftes, anspruchtoses Gemüth mit jedem Tage sein Herz mehr für sie ein
nahm, dankte,
so daß ec
stündlich dem Himmel
daß sie nicht den Schleier genom
men hatte.
Bei meiner Zurückkunft fand ich FiHwalters Gattin in dec Erwartung,
Mutter zu
werden; sie war mit tausend Befürchtungen
wegen ihrem geliebten Gatten,
der immer
noch seines Vaters Zorn erduldete,
erfüllt,
und überließ sich einer Muthlosigkeit,
die
er durch die zärtlichsten Bemühungen zu
verscheuchen suchte.
Ost drang er in meiner
Gegenwart in sie, ihm ihre Verbindung be
kannt machen zu lassen.
Dieß schlug sie in
deß bestimmt aus, und da sich die Zeit ih
rer Entbindung näherte, so unterhielt er die lebhaftesten Hoffnungen,
daß sich ihre Un
ruhe bald in mütterliche Pflichten auflösen werde.
Obgleich FiHwalter jünger daß ich AdelhaidenS Gemüth Argwohn befreien könnte, möglich;
deine
mit diesem
von jedem
allein eS ist un
geheimen Zusammenkünfte
feilen
Weibe
sind nur zu be
kannt. — Ihre Glückseligkeit hast du, nur du allein zerstört. — Bist du blind, daß du den Kummer, der auf ihr ruht, nicht siehst? Ich wünschte lieber, daß sie sich auf immer
IOI
Gott geweiht hätte, gend,
Schönheit
als daß sie ihre Tu
und Jugend an einen
Mann verschwendet hat,
der ihren Werth
nicht zu schätzen weiß! «
VWollte der Himmel, du hattest es ge
than,« erwiederte ich.
„O'e Veränderung
in AdclhaidenS Wesen und ihre Traurigkeit ist nun erklärt; sie glaubt aller» blind, waS
du ihr sagest, und du hast durch deine Ver leumdungen
ihre Neigung
fernt. «
Ob ich dies gleich sagte, so
—
von
nur ent
glaubte ich es doch nicht, allein durch Lei
denschaft verleitet, achtete ich nicht auf die Wahrheit;
denn ich hatte Klaristen stets
mehr als meinen Bruder geliebt, der einen
zurückhaltenden Charakter besaß, wahrend dec ihrige offen, edel und zärtlich, obgleich heftig und sogar rachgierig war,
wenn sie
die, welche sie liebte, für unterdrückt hielt.
Klarisfe antwortete mir mit erhöhter Bit terkeit, und da wir beide gleich leidenschaft
lich waren, so ward unser Streit so heftig, daß sie gelobte,
mein HauS zu verlassen.
Hätte ich einen Augenblick nachgedacht, so
würde ich gefühlt haben, daß dieser Schritt für das Glück Adelhaidens, die einige Jah re jünger als meine Schwester war,
sie von Jugend auf geliebt hatte,
licher Streich seyn würde;
und
ein töd
allein da ich in
diesem Moment nur auf meinen Zorn Rück
sicht nahm, so nöthigte ich sie, es zu thun,
damit ich
von einem so lästigen Späher
meiner Handlungen befreit würde, und setzte
sogar hinzu, daß ich allen Umgang zwischen
ihr und meiner Frau aufgehoben zu sehen wünschte. »-Hierzu
sollst du mich nie bewegen,«
erwiederte sie; »»so lange ich lebe, will ich
Adelhaiden sehn; in Rücksicht auf dich wird
es mir nicht schwer werden; schaft
eines
die Freund
Bruders aufzugeben,
solchen
kann nicht schmerzen, «
Unser Streit war so weit gegangen, daß
weder
AdelhaidenS
Bitten noch Thränen
Klarissen im Schlosse zurück halten konnten,
ob sie gleich, wie ich bemerkte, sich bemühte.
io3
meine Gattin zu überreden:
der Streit sey
über Familien Angelegenheiten entsprungen.
Icoch denselben Tag begab sichKlarisse nach dem Kloster,
ich
und
verlangte ste
Oie Unruhe,
mehr zu sehen.
nicht
welche dieser
Vorfall Adelhaiden verursachte, bekümmerte und beleidigte mich zugleich; ich überraschte
sie oft in Thränen, und konnte mich zuwei
len nicht enthalten, machen, liebe.
ihr
den Vorwurf zu
als mich
daß sie Klarissen mehr
Auf diese
Beschuldigung erwiederte
sie mit einer Huld, vergessen werde:
deren Eindruck ich nie
»daß ich Klarissen mehr
als alle Frauen liebe, ist wahr; allein Hof
mann, der Gatte meiner Wahl,
der Vater
meines Kindes, muß immer den ersten Platz in meinem Herzen behalten. « Kurz darauf machte ich mit Adelhaiden
einen Besuch bei meinem Bruder, zwei Meilen
weit von
der stch
Bremen aufhielt;
unser kleiner Wilhelm begleitete uns.
Das
Haus war mit Gesellschaft erfüllt, und der
Graf Weinbach mit seiner Gemahlin unter
io4
der Anzahl. OaS verstellungslose Gesicht meiner Frau zeigte deutlich, daß ihr die Gegenwart der letztern nicht angenehm sey,
allein zu gut, um meine Schwägerin durch ihre Äußerungen zu kränken, oder vielmehr zu zart in Hinsicht aus mich, zwang sie sich, ihre Gesellschaft zu ertragen, ob sie sie gleich auf eine so entfernte und zurück gehal tene Weise behandelte, daß sie den Stolz der Gräsin unendlich dadurch beleidigte,
Oer junge Lebitz, meines Bruders Schwa ger, befand sich in der Gesellschaft; er war fünf und zwanzig Jahr alt, für die Kirche bestimmt, und ungewöhnlich schön; besaß aber ein so ernstes, nachdenkendes Wesen, daß er, die Mitglieder seiner und unserer Familie ausgenommen, selten mit jemand sprach. Er schien sich indeß bald für Adel haiden mehr als für alle andere zu intet« efsiren. Ec beschäftigte sich Stunden lang mit ihrem Sohne, zog die Unterhaltung
mit ihr allen vor, die er sonst ausgezeichnet hatte, und besaß dagegen augenscheinlich
io5 Obgleich dabei nichts war,
ihre Achtung.
was in dem eifersüchtigsten Gemüth hätte
Argwohn erregen können, so fand doch ihre Feindin,
Weinbach,
Mittel,
auf
Schwachheit Eindruck zu machen. oft,
meine
Ich sahe
wie sie ihre Augen auf Lebitz und
Adelhaiden heftete, und sich dann mit einem spöttischen Lächeln,
daS ich nicht ertragen
konnte, zu mir wendete.
So sehr ich auch
von Adelhaidens Reinheit überzeugt war,
so blieb doch das Gift nicht ohne Wirkung; ich erwog den ähnlichen Hang, den sie mit
Lebitz hatte,
und fühlte,
wenn sie ihn lä
chelnd ansah, Schmerzen, die ich nicht be schreiben kann.
Endlich kehrten wir zurück,
und ich hoffte,
Lebitz nicht mehr zu sehen,
aber ich hatte mich getäuscht;
uns unausgesetzt,
er besuchte
und als ich einigemal
unerwartet ins Zimmer trat,
so schien eS,
als wenn ich das Gespräch störe, brach plötzlich ab.
denn er
Adelhaide besuchte St.
Maria täglich, und kehrte einigemal in sei
ner Gesellschaft zurück, ein Umstand, von
io6
dem mir zwar mein Stolz keine nähere Er klärung zu
verlangen erlaubte,
der mich
aber tief verwundete. < Ilm meinen Unmuth zu vollenden, erhielt ich eines Niorgens ei
nen anonymen Brief, der mir rieth, meine Frau zu beobachten, indem er hinzu fügte,
daß ein Kloster ein sicherer Platz zu Zusam menkünften sey, besonders wenn eine Schwe
ster die Vertraute machen könnte.
Er ent
hielt noch mehr desselben Inhalts, dessen ich mich
nicht mehr erinnere,
daran zweisie,
aber jetzt nicht
daß es ein schwacher und
boshafter Betrug der Gräfin Weinbach war.
Entschlossen indeß,
Adelhaiden zu prüfen,
eilte ich zu ihr, und gab ihr den Brief mit
der Bitte, ihn zu lesen.
Sie las ihn durch,
und gab mir ihn mit verächtlichen! Lächeln zurück, wobei sie sagte: Dank!
» dem Himmel sey
daß ich bei diesem elenden Versuch,
mich in deiner Meinung herab zu setzen, we der Demüthigung verdiene,
noch empfinde.
— Ich bin es seit einiger Zeit gewohnt ge
wesen, anonyme Briefe zu empfangen, die
107 idj zuletzt, da ich die Hand kannte, immer
uneröffnet ins Feuer warf.«
daß dieser
»Und von wem glaubst du,
Brief ist, Adelhaide? « sagte ich. »Von der Gräfin Weinbach,«
antwor
tete sie fest; »der Himmel vergebe ihr, und ändere ihren Sinn,
das ist mein eifriger
Wunsch.«
mußte
Ich
Adelhaidens
fühlen und anerkennen.
Weinbach nicht mehr sehen,«
»allein,
versetzte ich;
so sehr ich auch in
meine Liebe,
meinem Herzen von
Überlegenheit
»Wir wollen die
der Falschheit dieser
Anklage überzeugt bin, so ist man doch dec Welt etwas schuldig.
—
fällig gegen mich seyn,
schaft mit Lebitz aufgeben,
Willst du so ge
und die Bekannt
und einige Zeit
keinen Besuch bei meiner Schwester machen? « » Ist es möglich,« antwortete Adelhaide,
»daß du ein solches Opfer begehren kannst? Oie Freundschaft eines tugendhaften Man
nes,
und den Umgang mit deiner eignen
Schwester; und für wen?
Nein, Hofmann,
ioS
ich kann nicht einwilligen, so launenhaft zu erscheinen; sey versichert, daß du in kurzem
mit der Redlichkeit meiner Handlungen und
Vorsätze zufrieden seyn wirst.« Ob ich gleich von der Tugend meiner Frau hätte überzeugt seyn sollen,
so ur
theilte ich doch nach meiner eignen Verdor
benheit, und ward von dec thörichsten und heftigsten Eifersucht ergriffen.
Ich vergaß
mich so weit, daß ich darauf bestand, meine Forderungen erfüllt zu wissensogar an meine Schwester,
und schrieb
die ich in den
bittersten, herabwürdigendstenAusdrücken an
klagte, daß sie Uneinigkeit zwischen mir und
Adelhaiden stifte, und sie veranlasse, meine Befehle mit Verachtung und Geringschätzung aufzunehmen.
—
Klarissens Antwort war
ruhig; sie beschwor mich,
den Segen, der
mir in einer solchen Gattin verliehen sey, werth zu halten,
versprach mir,
bald über die thörichte Eifersucht,
daß ich der ich
mich überlasse, ercöthen sollte, und endigte mit dec Verstcherung, daß ihr die Ehre un
serer Familie so theuer als mir selbst sey.
log
Dieser Brief blieb Sem ohngeachtek ohne Wirkung,
nicht,
mein Argwohn verringerte sich
und Adelhaide antwortete auf die
Ungerechtigkeit, die ich Thörichter verlangte, obwohl in den sanftesten Ausdrücken,
sie weder Lebitz noch Klarissen versprechen könne.
daß
aufzugeben
Meine grausame Heftig
keit bei dieser Gelegenheit verwundete indeß
ihr Herz tief, denn am nächsten Tag konn te sie ihr Zimmer,
und
Bett nicht verlassen.
kurz darauf das
Wenn je ein Mensch
von einem Dämon besessen ward,
so war
ich eö gewiß; denn ob ich mich gleich wegen der Krankheit meiner Frau elend fühlte, so
setzte ich doch immer mein unverzeihliches Betragen fort, und ging sogar so weit, un
ter dem Dorwand ihrer Gesundheit, zu be fehlen, daß Niemand, außer ihren eignen
Leuten, in ihr Zimmer gelassen werden solle. Am folgenden Tag wollte sie ein alter
Mann, der lange ihr geistlicher Rathgeber gewesen war,
besuchen,
Zutritt versagt ward,
und da ihm der
wendete er sich au
eine ihrer Frauen, die sogleich mit der Be
Sie ließ mich
schwerde zu Adelhaiden eilte.
zu sich rufen;
ich gehorchte,
und bekenne,
daß ich mich gedemüthiget fühlte,
als ich
die Veranlassung erfuhr, und befahl sogleich,
den Pater, so oft es der Gräfin gefiel, Zu tritt zu gestatten. Vierzehn Tage lang hatte Adelhaide unter einem schleichenden Fieber hingeschmachket,
und ich
umsonst die ge
schicktesten Ärzte der Gegend zu Rathe ge
daö Mittel
zogen.— Thor, der ich war! lag in meinen eignen Händen;
diesen rohen Argwohn verbannen,
nes Zutrauen, sollen,
ich hätte
und je
jene Sicherheit in sie setzen
die sie so sehr verdiente.
Um diese
Zeit erhielt ich einen zweiten Brief;
das
Gift war noch nicht tief genug in mein Herz eingedrungen, um mich zu verderben,
ich war verdammt,
es bis zu den letzten
Tropfen in mich zu ziehen.
—
den meine Schwäche nicht,
wie er es ver
Oer Brief,
diente, ungelesen verwarf, sagte mir, daß
meine Frau immer noch fortfahre, mich zu
betrügen, und unter dem Vorwand,
Beichtvater zu sehen,
ihren
seit einigen Nächten
einen jungen Mann in Mönchekleidern Zu
tritt verstattet habe,
der aber nichts weni
ger sey, als was er schien.
Diese Nachricht
kam mir zu plump vor, um wahr zu seyn,
indeß rief ich einen Bedienten,
und erkun
digte mich nach einigen zufälligen Fragen,
wann der alte Pater bei der Gräsin gewe sen sey. — Er erwiederte mit sichtlicher Ein
falt,
daß der Pater krank
sey,
und die
letzten zwei Lage einen jungen Priester an
seiner Stelle gesendet habe.
Ich
konnte
nichts mehr hören, ich entließ ihn eilig, und gab mich eine Zeit lang ganz der Wuth hin,
die mich beherrschte. Ich wußte Adelhaidens
Gesinnungen in Hinsicht ihres Beichtvaters,
und daß sie,
wenn er krank war,
immer
bis zu seiner Wiedergenesung einen andern auSgeschlagen hatte.
Oie Nachricht schien
daher im Ganzen so unwahrscheinlich,
daß
meine bessere Überzeugung dagegen sprach;
allein ich besaß weder Offenheit noch Groß-
muth genug, um eine Erklärung zu suchen, wo sie mir Lugend und Aufrichtigkeit gewiß
gegeben haben würde, sondern beschloß mit
verächtlicher Niedrigkeit, des Paters Ankunft zu erwarten,
und in einem Cabinet,
das
an Adelhaidens Zimmer gränzte, Zeuge dec
Zusammenkunft zu. seyn. leichter auszuführen,
durchbrochen,
Dieß war um so
da die Lhür desselben
und aus
der Gallerie
des
Schlosses hinein zu kommen war. Um neun Uhr sagte mir der Diener,
meinem Befehl gemäß, kommen,
sey.
daß der Pater ge
und nun in der Gräfin Zimmer
Ich verlor keine Zeit, sondern eilte in
das Cabinet.
Adelhaidens Zimmer war nur
von einer Lampe erleuchtet. — In ein lan ges Gewand gehüllt,
Ruhebette,
saß sie auf einem
und dec Pater an ihrer Seite,
dessen Gesicht so von seiner Kappe verhüllt war,
daß ich keinen seiner Züge unterschei
den konnte. Ich sah indeß genug, um über
zeugt zu seyn, daß es Lebjtz nicht sey, denn die Gestalt war beträchtlich kleiner, als die seinige.
n3
(einige.
Sie sprachen leise, und da das Ge
mach geraum war,
so verstand ich nichts
von ihrer Unterhaltung, außer daß ich Adel-
Harden einigemal Lefitz und ihren Oheim, einen Kardinal, nennen hörte.
Auf einmal
durchdrang mich der Gedanke, daß sie sich durch diese Mittel an (eine Heiligkeit den
Pabst wenden wolle, um sich von meiner Tyranney zu befreien; und so schrecklich diese
Idee auch war, so war sie doch ein Himmel gegen die Überzeugung, einen Nebenbuhler
in ihrer Zärtlichkeit zu haben.
Endlich stand der Mönch auf, sich zu entfernen.
Er legte (einen Ar7n über den
Rücken des Ruhebettes, mit einer Vertrau lichkeit, die alle meine Eifersucht wieder ec«,
regte; er sprach immer noch mit leiser Stim me zu Adelhaiden, beugte sich endlich zu ihr
nieder, und sein Gesicht näherte sich dem
ihrigen. —
Mas
ich in diesem Moment,
fühlte, weiß ich nicht; es war eine Zerrüt
tung
der Leidenschaft, die feine Sprache
ausdrückey kanu. Meinen verwirrten Blicken III.
H
ii4
schien eS, als wenn er ihren Busen küßte, bei welchem Anblick ich mich der- Wuth, die
mich erfüllte, überließ, hervorstürzte und mit gezücktem Dolch ihn in dem Augenblick, wo
er mich entehrte, wollte;
das Herz
durchbohren»
allein er wich zur Seite- und der
Stoß traf — lebe ich, um dies zu erzäh len? — nicht den, welchem er bestimmt war, sondern mein lächelndes, unschuldiges Kind,
das, in seiner Mutter Gewand gehüllt, an ihrem Busen schlief.« — B i diesen Worten ward Augustins Gestcht bleiche seine Lippen zitterten und sein
ganzes Wesen war erschüttert; Schweißtro
pfen standen auf seiner Stirn, und er war
einige Minuten lang unfähig fortzufahren.
»Deine Verirrungen waren in der That groß,« sagte dec König; »allein dein Ver
brechen wat unwillkührlich und die Büßung schrecklich.« »O mein Fürst!«
erwiederte er endlich,
»keine irdischen Duldungen kpnnen eine so
empörende Handlung versöhnen.
Verzeihen
sie mfr, ich will meine Erzähkuog, -die mir nur unter gegenwärtigen Umständen entrissen werden konnte, bald fottsetzen. * >, Nimm dir Zeit.
Oer Himmel verzeihe
dein Verbrechen und gebe dir Seine Ruhe wieder.«
Augustin schien eine Zeit lang in Sckmerz verloren zu seyn;
endlich aber^ epmnnnte er
sich und fuhr fort.
Fünftes Kapitel. Ende der Geschichte des Paters.
"3^ Keß mir keine Zeit,« sagte Augustin, »die grausame Handlung,
die ich verübt
hatte, zu betrachten, sondern den Oolch mit
zuckender Hand haltend, stieß ich aufs neue
nach dem Pater; allein er entfloh mir, und ClarisseaS Stimme rief mrr zu:
»-Haltein,
Hofmann, bethörter Mann! kann nichts als der Mord deiner einzigen Schwester deine
teuflische Rache befriedigen?« H 2
sie mfr, ich will meine Erzähkuog, -die mir nur unter gegenwärtigen Umständen entrissen werden konnte, bald fottsetzen. * >, Nimm dir Zeit.
Oer Himmel verzeihe
dein Verbrechen und gebe dir Seine Ruhe wieder.«
Augustin schien eine Zeit lang in Sckmerz verloren zu seyn;
endlich aber^ epmnnnte er
sich und fuhr fort.
Fünftes Kapitel. Ende der Geschichte des Paters.
"3^ Keß mir keine Zeit,« sagte Augustin, »die grausame Handlung,
die ich verübt
hatte, zu betrachten, sondern den Oolch mit
zuckender Hand haltend, stieß ich aufs neue
nach dem Pater; allein er entfloh mir, und ClarisseaS Stimme rief mrr zu:
»-Haltein,
Hofmann, bethörter Mann! kann nichts als der Mord deiner einzigen Schwester deine
teuflische Rache befriedigen?« H 2
.ii6
Wie. vom Blitz getroffen, kehrte ich zu
Adelhaiden zurück; ihr weisses Gewand war mit Blut überströmt, und ihr Kind an Bu
sen drückend,
dessen Weinen
das Gemach
durchdrang, schien sie ein Bild -es Schmer
zens und der Verzweiflung zu seyn. »Ach!
was
hat deine Wuth, angerich
tet?« rief Clariffe.
Wollte die Jungfrau,
daß dein mörderischer Dolch meinen Busen, anstatt
den deines Kindes getroffen hätte.
Rede mit mir, Adelhaide, rufe um der Barm/ Herzigkeit willen nach Hülfe, das Kind wird
sich zu Tode bluten. « Mit diesen Worten näherte sie sich Adel
haiden, und bemühte sich, das Kind von ihr zu nehmen, welches sie krampfhaft festhielt; und sie konnte es erst nach einigen Mmutett
erhalten. Adelhaide bekam endlich ihre Spra che wieder,
stand vom Ruhebette auf und
blickte mit einer Miene voll Angst und Ver zweifelung um sich her,
dann rief sie aus:
»O! du von Gott Verfluchter! das Maas
deiner Verbrechen
und meines Elende- ist
iij
nun voll« —
Kam schlug nur feinen Bru
der, einen Mann wie er selbst; aber du,
grausamer Mörder, hast ein harmloses, un schuldiges und dein eignes Kind getobtes, das du aus Plicht, Ehre und Zärtlichkeit
hättest schützen sollen! «
» Ach, Adelhaide! « rief ich, » vermehre nicht die Qualen, die mich durchdringen.«
* Ungeheuer! Tyrann! Mörder!« stel sie
mir wahnsinnig ein j
steh den Todeskampf
drineS sterbenden Kindes, trage es zu deinen schändlichen Gefährten, freue dich seiner Qua
len , und lache über die Schmerzen, die es deinem wahnsinnigen Weibe macht.
Böse
wicht! stehest du sein Blut? es ist das deme mit dem dec elenden Adelhaide vermischt!« t Während dieser Zeit entfernte stch Cla-
riffe mit dem sterbenden Kinde, und Adel
haide ward mit Gewalt in ihr Schlafzimmer gebracht.
Ihr sanfter Geist, der stch zuvor
nicht einmal Klagen erlaubt hatte, ergoß stch jetzt in Verwünschungen gegen den Mör
der ihres Kindes.
Ach!
ob ste gleich dec
ii8
Wahnsinn ein gab, so wurden sie doch in der
Höhe gehört, rind der Zorn des Himmels hat nie aufgehört mein Haupt zu treffen.
Eine Zeit lang schien ich mich und die ganze 2Be(< vergessen zu haben.
Das Ge
schehene schien mir zu schrecklich» um wahr
zu seyn;-, allein. Clarissenü Eintritt riß mich schnell aus meiner Täuschung, v-
» Unglück
licher Hofmann ’ « sagte sie, »der Wundarzt
fürchtet, daß deines Sohnes Wunde tödlich
ist;
was es für Folgen haben wird, weiß
der'Himmel, Adelhaide wird 6$ nicht über
leben. « -»Warum, grausame Ckariffe!« derte ich,
erwie
»»zwangst du mich zu einem so
fürchterlichen Schritt? »Ach l cc erwiederte sie, >» dein Verbot, daß
niemand Adelhaiden sehen sollte, bewog mich
zu dieser Verkleidung.
Ich küßte dein Kind,
als -u herein stürztest; war es nicht Wahn sinn, was dich leitete?«
Mit unbeschreiblichen Qualen sank ich auf
das Ruhebett, das mit dem Blut meines
HZ
Sohnes befleckt war, und blieb einige Zeit lang selbst gegen das Elend, welches ich verur sacht hatte, fühllos.
Pls ich nach einem Zwischenraum von niehrern Stunden wieder zur Besinnung zu
rück kam, sahe ich meinen Bruder Joseph, und zu meinem noch großem Erstaunen Fitz-
Walkern bei mir
stehen.
Beide, vetgosstn
Thränen; allein das Gestcht meines FreunLes drückte auf einmal Furcht, Entsetzen und Mitleiden auS. —
» Hofmann, * sagte er,
»ich erreichte
in
erst
piefer unglücklichen
Nacht Bremen-; daö Schiff, welches mich ge bracht hat, liegt noch an der Küste — du
mußt mich nach England begleiten. *
» Was macht Adelhalde und mein Kind? « stet ich ein. -Sie find beide noch am Leben,« ant wortete er;
allein bis man den Ausgang
weiß, muß ich dich bitten, meine Wünsche
zu erfüllen. c
» Wie werden
diese sonderbaren Begebenheiten endigen?«
sagte er.
»»Wenn ich in Wahrheit den so
tief beleidigten Graf Hofmann vor mir sehe,
so habe ich nichts zu meiner Vertheidigung
zu sagen — ich überlasse mich ganz seiner Gnade.«
»»Verwirrt durch die wundervollen Be gebenheiten, welche Ferdinand erzählte, und denen ihr, theurer Vater, sichtlich Glauben
beilegt,« sagte Leopold, » kann ich meinen Sinnen nicht trauen, und das Ganze scheint
mir ein Traum zu seyn. —
Oer edle Graf
Hofmann, oder vielmehr der geliebte Augu
stin mein Väter?
Der Bauer Leopold Eohn
der cngelgleichen Adelhaide? Unmöglich! das
Glück ist zu groß,
um wahr zu seyn. —
Ach! wenn eS keine Täuschung ist — seg net— segnet euren knienden Sohn, mein Vater! — segnet auch den edlen Ferdinand, den wir diese Nachricht zu danken haben.«
Mit diesen Worten nahm Leopold Fer dinands Hand,
und beide knieten zu des
Paters Füßen.
Er segnete und umarmte
ste wiederholt. —
» Gott, ,Jch verlange keinen Priester,«
derte Oeuhopt,
muß,
»wenn
ich
in
erwie
die Hölle
so kann er mich nicht.retten. —Ich
habe nichts Zu bekennen, und begehre keine Vergebung.«
» Verlaßt uns,« sagte der Pater leise zu
Oer alte Mann gehorchte,
G.eoffrey..
und
als der Gras Oeuhopt näher betrachtete, er staunte er über die Veränderung seiner Zü ge^ welche die Gewohnheit des Lasters so
grausam hatte. lich,
und
hart wie sein Herz gemacht
Oer Pater sprach tiefer als gewöhn
um seine Stimme unkenntlich zu ma
chen. — "Ich habe gehört,« sagte er, »daß
deine Verbrechen von der schwärzesten Gat
tung stnd, und beschwöre dich bei dem Heile deiner Seele, ste zu bekennen.«
"Ich dank' euch,« »aber
ich
erwiederte Oeuhopt,
bin kein Mönch beseßner Thor.
Ich habe nichts gethan,
als was ich recht
fertigen kann, und fürchte keinen Menschen.«
» Du bist ein unverschämter Bösewicht, «
versetzte der Pater,
»solltest du nicht den
Anblick derer fürchten, die du beleidigt hast? Oie Äbtissin Adelhaide zum. Verspiel,
oder
Johann von Hofmann?«
» 213er sagt dir, Pater, daff ich diese be leidigt habe?
Geh fort, ich bin so nicht zu
fangen. — Oie Gräfin Adelhaide war im
mer zu heilig für. diese Welt,
und ist nun
an dem Ort, der für sie paßt. — Und was den Grasen betrifft,
und Böses.
Sein
der hatte sein
Fleisch
langer Zeit in England
Gutes
hat -schon seit
die Würmer 'fett
gemacht, und seine Gebeine faulen in jenem
Boden.« Wie er zu sprechen aufhörte, Graf feine Kappe zurück, Augen
fest auf Oeuhoptö
Entsetzen ergriffen,
warf dec
und heftete seine Gesicht.
fuhr dieser auf,
Dom seine
Blicke schienen auf dem Pater eingewurzelt
zu seyn,
feine kupferfarbene Haut verwan
delte sich in ein mattes Gelb, und er zitter
te am ganzen Körper. «Wie,
hat dich dein Prahlen auf ein
mal verlassen? « sagte der (3ras. —
Nein,
270 Bösewicht! zittere nicht so, ich bin sterblich,
wie du. —: Gott hlat mich erhalten, um dich dem Schicksal zu übergeben, rechter Weise verdienst.
vollkommnes
kann
und
das du so ge
7— Nichts, als ein
aufrichtiges
deine
einigermaßen
Bekenntniß vermin
Schuld
dern,- daher, wenn du Mitleiden erwartest,
so thu' es unverzüglich.«
»Herr Graf —
Herr Graf « -—
sagte
Oeuhopt nach einer langen Pause. — »Ich weiß ihren Willen nicht. « *
»Mein Wille ist, jedes Geheimniß aus deinem falschen Herzen zu reißen. Willst du alles entdecken,
oder soll eü dir erst durch
Qualen entrissen werden?«
»Herr Graf, ihr Bruder« — ».Oec Himmel
verzeih ihm!
—
Fahr
fort — allein zuerst sage, wo ist Leopold?« »Ihr Sohn. — Verflucht sey der Lag,
an dem ich mich seinetwegen ine Verderben stürzte.«
»Verflucht ist er, heit
fürcht' ich in Wahr
für die Schuldigen.
Alles,
was dir
übrig bleibt, ist ein vollständiges Bekennt niß ; — vollende es, und ich gebe die Hoff
nung. « Auf diese Art verwickelt, und ohneHoffnung, entfliehen zu können, sank Oeuhopt, wie Bösewichter bei der Entdeckung gewöhn
lich thun,
in die ängste Feigheit;
sich auf die Kniee»
er warf
und bekannte Alles,
selbst Ferdinands Verwundung. So sehr der Graf, durch die Handlung
seines Bruders empört war, so sah er doch Ferdinands Betragen aus dem rechten (Ze-
stchrspunkt an,
und als er alle mögliche
Nachricht erhalten hatte,
entfernte er stch,
und ließ Oeuhopt unter Geoffreys Aufsicht. Ferdinand,
der nicht zweifelte, daß bei
des Grafen Zurückkunft alles entdeckt seyn
würde,
saß m schweigender Erwartung. —
Sein Oheim war indeß zu edel, um etwas von den schwarzen Zügen, die ec von seines
Bruders Characcer entdeckt hatte, zu erwäh
nen,
sagte:
nahm ein gefaßtes Wesen an,
—
und
»Noch um eine Befriedigung
2/2
muß ich bitten, theurer OTeffe,
und dann
werden alle meine Zweifel verschwinden. — Glaubst du nicht, daß wir den Sarg unter
suchen könnten, der meines Sohnes Leiche
enthalten sollte?« „ Ilichts ist leichter,« antwortete Ferdi nand.
„ Er ist in einem Gewölbe unter der
Schloß-Capelle beigesetzt worden;
ich will
sie dahin begleiten. -
„Es sind keine andern Zeugen nöthig, als du und Wilhelm,« erwiederte der Graf.
„Ich bitte dich, uns den Weg zu zeigen.« Mit diesen Worten begaben sie sich ins
geheim mit einer Laterne nach der Capelle;
hier nahm Ferdinand aus einem Betstuhl die Schlüssel,
hinab,
und sie gingen die Stusfen
die in das Gewölbe führten.
Der
Pater, und noch mehr sein Sohn, zitterten,
als sie
in die Stille und letzte Wohnung
ihrer Vorfahren traten;
denn sie betrachte
ten diese Untersuchung als die Bestätigung
oder Vernichtung ihrer Hoffnungen. »Ich
habe
unglücklicher Weise
etwas veu
s;3 vergessen, um den Sarg aufbrechen zu kön
nen, « sagte Ferdinand. » Halt ein! — wir sind vielleicht auf dem
Weg, einen Äirchenraub zu begehen,« sagte Wilhelm.
»Sollte
der
rechtmäßige Erbe
wirklich hier seyn — « » Ich bin überzeugt, daß er es nicht ist,« antwortete Ferdinand.
Zurückkunft»
»Wartet auf meine
ich werde mich nicht aufhal
ten. « Mit diesen Worten,
ohne ihre Antwort
zu erwarten, verließ er sie, und kehrte bald mit Werkzeugen zurück; worauf er, ob wohl seine Hand zitterte, mit erzwungenem Muth
bleierne Decke
die
des
Sarges
aufbrach.
Oer Pater und fein Sohn wichen zurück; allein Ferdinand erhob die Leuchte und rief laut:
»Kommt näher! und wenn ihr noch
Mehr Gewißheit braucht, so schaut her; hier
ist weder ein Kind,
noch sonst etwas,
als
Holz und Leinewand. , der Frei
tag war in der That der unglückliche Tag. Siehst du, Wilhelm, wie deine Mutter, ei
ner Heiligen gleiche
für den Zerstörer ihrer
Ruhe gebetet hat? «
Oer Pater schien
verlieren.
sich in Gedanken zu
»Können wir nicht die Erlaub
niß erhalten, der Rieste beizuwohnen? - sagte
er endlich. » Das können wir außer Zweifel, theurer Oheim, allein es würde mehr seyn, als ihre
Standhaftigkeit ertragen könnte. oft gegenwärtig
gewesen,
Ich bin
obgleich Fremde
sonst nicht zugelassen werden. « » Fürchte nichts für mich — wir wollen
uns in eine Ecke der Kapelle zurück ziehn,
wo man uns nicht bemerken kann. « Ferdinand sah, daß Einwendungen um sonst seyn würden, er ging daher voraus, und
S 2
276
bat die Pförtnerin, ihnen den Zutritt in die
Kapelle zu verstatten-
» Ein frommer Prie
ster. « setzte er hinzu, »wird gewiß willkom men
seyn,
und
dieser
ist mein
Jüngling
nächster Verwandter. «
Oie Pförtnerin öffnete sogleich die Thür; sie gingen hinein, und nahmen ihren Platz an dem verborgensten Ort,
den sie staden
konnten. — Oer Pater
daß ihn
zitterte so heftig,
selbst Ferdinand und sein Cohn kaum un terstützen konnten.
Oie Kerzen waren an
gezündet; der Altar schwarz behangen, und
die feierliche Musik ertönte schon,
obgleich
die Itonnen noch nicht in der K apelle waren.
»Wir sind zu früh gekommen,«
sagte
Ferdinand, »die Messe fängt erst um neun
Uhr an.« » So hat sie auch selbst die Stunde je ner verfluchten That gewählt,«
erwiederte
der Pater. Bald darauf fingen die Iconnen an her ein zu kommen, und ihre Plätze an jeder
27 7
Seite des Altars einzunehmen; ihre Schleier waren zurück geschlagen, und ihre Hände zum
Gebet erhoben.
Zuletzt kamen
Adelhaide
und Clarisse mit niedergelassenen Schleiern,
und als sie sich der Mitte des Altars genä hert hatten,
knieten sie mit über die Brust
gefalteten Händen
und gebeugtem Haupte
auf den marmornen Fußboden nieder. AdelhaidenS heftige Bewegung blieb den Ver
borgenen. nicht unbemerkt;
denn ob sie die
selbe gleich nicht sehen konnte,
doch ihre Thränen hin.
so drangen
und Seufzer zu ihnen
Oer Pater schien ihren Kummer noch
mehr als sie selbst zu empfinden, er seufzte schmerzlich und schlug an seine Brust, als
er das Weib seiner Jugend, die er, trotz al len seinen Fehlern, zärtlich geliebt hatte, so
sich selbst veruriheilen sah, für seine Ver irrungen zu büßen.
Ob Ferdinand gleich schon mehreremale gegenwärtig gewesen war, so fühlte er doch
jetzt vieles anders, als vormals.
Er betrach
tete nun das Ganze als das Verbrechen sei-
27S nes Vaters, und schauderte, die Wirkungen davon zu sehen. —
Wilhelms Gefühle na«
Herten sich den Gefühlen seiner Mutter. Er
hatte von den Folgen gelitten, ohne Antheil an dem Verbrechen gehabt zu haben, und
er bedurfte nur ihre Thränen zu trocknen, um alle seine eigenen Leiden zu vergessen.
Oie Handlung
war lang und feierlich.
Margarethe und Isabelle hatten ihr oft bei
gewohnt, Klaubten aber, daß die Messe nur für einen verstorbenen Verwandten dec Äb tissin gehalten werde, und Margarethe, die nun die wahre Ursache wußte, war so tief
dabei gerührt, daß eS der Äbtissin nicht un bemerkt blieb.
Als die Messe geendet war, und alle sich entfernt halten, kam Ferdinand mit seinem Oheim und Vetter hervor.
Oer Pater warf
sich auf den Stein, wo Adelhaide gekniet
hatte, zu Boden, und blieb in eifrigem Ge bet,
bis die Glocke das Zeichen gab, daß
alle sich aus der Kapelle entfernen mußten.
»Ferdinand,«
sagte der Pater, »nicht
279 für die ganze Welt wollte ich länger bis den nächsten Morgen meiner geliebten Adel
haide ihren Sohn vorenthalteir; ergreife da
her die nothwendigen Maaßregeln, ich be
schwöre dich! rc Als sie die Kapelle verließen, bat Ferdi nand die Pförtnerin, so spät eS auch sey,
$rau Elsen zu sagen,
daß Ferdinand Hof-
nann über etwas von höchster Wichtigkeit nit ihr zu sprechen wünsche und sie nicht
hnge aufhalten wolle. Ferdinands Verwandtschaft mit der Ab-
tijsin erhielt, was sonst versagt worden wäre, un> Else ward so gleich gerufen. —
ligt Mutter! «
»Hei
rief sie, als sie den Pater
und seinen Sohn in einiger Entfernung ste hen lah, » warum haben sie sich hergewagt?
Eine solche Überraschung würde für die Äb
tissin von traurigen Folgen seyn.« >, Wir meinen nicht, sie zu beunruhigen,« sagte Ferdinand.
nächsten Morgen
- Bereiten sie sie nur auf vor.
Mein Oheim ist
vollkommen in Hinsicht aus seinen Sohn be
friedigt.
Oeuhopt hat alles gestanden.«
aSo Oet Himmel stehe mir schwachem Werk
zeug in dieser Sache bei, « sagte Else. » Ich will mein ÄesteS thun, das seyn ste versichert; aber für jetzt bitte ich,
daß ste stch ent
fernen. «
»Wir wollen es — gute Nacht?« Hier auf kehrten sie nach dem Schloß zurück. Schlaf war in des Paters Zustand unmög lich, aber um seinen Sohn und Neffen nicht
zu beunruhigen äußerte er den Wunsch, al lein zu seyn, und brachte die Nacht in Be»
trachtungen und Gebet zu. Else war während der Zeit zu ihren
Freundinnen zurück gekehrt.
Margarethe
glaubte, daß der Bote aus dem Schloß ge
kommen sey, und verlangte keine Erklärung;
aber Clarisse sagte:
» Jlteine gute (Slfe, ste
sehen bestürzt aus, es ist ihnen doch hvjsentlich nichts unangenehmes begegnet? «
»Nein —
der' Bote
war ihr gütiger
Neffe — der Pater und Leopold sind im
Schloß. • » Schon? Vater! « erwiederte Margarethe, » was meinen sie? • sagte die Äbtissin, »daß
» Er meins,«
wenn ihr Herz frei ist, er ihnen ein gesetz mäßiges Recht,
ihn Vater zu nennen, zu
geben wünschte; verstehen sie das? «
»Theure Frau Äbtissin!« versetzte Mar garethe erröthend.
» Geliebtes Kind,« fuhr die Äbtissin fort,
»ich beschwöre sie, Wohl über ihre Antwort nachzudenken.
Unter Englands Jünglingen
kann vielleicht Einer Eindruck auf ihr Herz
gemacht haben, reden sie ohne Rückhalt, ich will sie immer als meine Tochter ansehen und eben so Heben.«
»Ich sah nie einen jungen Mann, den
ich so sehr hätte achten können, als ihren Eohn,« erwiederte Margarethe. » Wohl benn,«
antwortete Adelhaide,
wir wollen hernach mehr darüber sprechen. WaS mich betrifft, so gestehe ich. daß wenn ich aus der ganzen Welt mir eine Tochter
hätte wählen sollen, meine Wahl immer auf dich gefallen wäre.«
3o4 Margarethe küßte ihre Hand und ent fernte sich, und dies that auch der Graf,
um seinem Sohn Icachricht zu geben.
Als
Wilhelm von seinem Glück unterrichtet war, flog er nach dem Khoster, und ob ihn gleich Margarethe im Anfang zurückhaltender als
gewöhnlich empfing, so überließ sie sich doch bald dem seligsten Gefühl, welches die Liebe eines würdigen und geliebten Gegenstandes
einflößt.
Icach einigen Monaten erhielt die
Äbrisstn einen Brief von dem Pabst.
Er
toünfrfite ihr auf das wärmste zu der vorgcsallenen Veränderung Glück,
sich,
und erbot
weil ihr und ihres Gemahls Gelübde
durch eine grausame und schändliche Täu
schung^ bewirkt worden sey, dieselben auszu heben.
Oer Botschafter ward mit den höchsten Ehrenbezeigungen
empfangen;
aber
die
Frömmigkeit hatte zu tiefe Wurzel in den
Herzen der beiden Gatten gefaßt, als daß
sie je wieder in die Wett hätten zurück keh ren sollen;
sie lehnten daher die Güte des Pabstes
3o5 PabsteS mit Ehrerbietung ab, und faßten
nach reiflicher Überlegung, und nachdem sie Wilhelm und Ferdinand zu Rarh gezogen hatten, den Entschluß, das Kloster St. Ma ria von Grund aus neu aufzuführen, und
zum Andenken von Pater Johann's Traum auch ein neues Kloster für zwanzig Fran-
zisraner, eine Diertelmeile davon,
zu er
richten.
Dies ward
des päbst-
in Gegenwart
lichen Botschafters beschlossen,
vor welchem
auch der Graf seinem Sohn nochmals die
Hälfte seines Vermögens bestätigte, und sei
nem Neffen das übrige zustcherte. Auch ließ man durch ihn den Pabst um seine Einwilligung und seinen Segen zu der
Verbindung des jungen Graf Hofmann mit Margarethen bitten.
Als
der Botschafter nach Rom zurück
kam, war der Pabst mit dem Betragen des
Grafen und seiner Nichte so wohl zufrieden,
daß
er sogleich mit eigner Hand
schrieb.
III.
Er dankte dem Himmel, U
an
sie
daß er
öu6 ihm so musterhafte verwandte gegeben habe,
und als Beitrag.,;u ihrem frommen ZweZ sendete er ihnen eine beträchtliche Summe, um sie zu dessen Ausführung anzuwenden. Dem jungen Paare gab er feinen Segen,
auch übersandte er ihnen verschiedene kost bare Edelsteine als Zeichen seiner Freundschäft.
Oer Graf hielt sich nun durch jedes Band der Dankbarkeit und Pflicht verbunden, nach England zu g^hsn, und die Erlaubniß des
Königs zu dei; Verbindung feines Sohnes
zu erbitten.
Indeß hat ihn Ferdinand, an
feiner Stelle diese Reise machen zu dürfen;
sein Anerbieten ward endlich angenommen, und er reifete bald, darauf mit Briefen an den König, Lord und: Lady Nevil, Isabellen
und noch einen besondern von Margarethen an Lady Launcy, nach England ab.
Vavid ward nicht vergessen.
Auch
Er erhielt
nicht allein Briefe, sondern auch Geld, so
wohl für stinen eignen Gebrauch, als auch um es unter feine armen Nachbarn ouszu«
3c>7 c heilen, mit dem zugefügten Versprechen, ihn
bald zu sehen.
Siebenzehntes Kapitel. Ferdinand machte bei seiner Ankunft in Eng land zuerst dem Könige seine Aufwartung, dec ihn mit ausgezeichneter Gnade aufnahm, und als er des Paters Brief gelesen hatte
ausrief:
»Bei meiner Treue, das habe ich
erwartet!
2Benn meine Einwilligung nö
thig ist, so gebe ich sie von ganzem Herzen, und ich hoffe, daß Margarethe Fitzwaltec nicht vergessen wird, daß sie von väterlicher Seite eine geborne Engländerin ist.