Sammlung neuer Romane: Teil 3 Die Margarethenhöle oder die Nonnenerzählung, Teil 3 [Reprint 2021 ed.] 9783112427545, 9783112427538


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Sammlung neuer Romane: Teil 3 Die Margarethenhöle oder die Nonnenerzählung, Teil 3 [Reprint 2021 ed.]
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Sammlung

neuer Romane. Aus dem Englischen.

--------—H.erauogegk»ben

------

von

Sophie

Dritter

M e r e a u.

Theil.

B e c l i n, bei Johann Friedrich Unger. I 8 o3.

D i e

Margarethenhöle oder

die Nonnenerzahlung.

Dritter

Theil.

Berlin, b ei

Johann

Friedrich

I 8 O 3.

Nnger.

Erstes Kapitel. tief in die Augen gedrücktem Hute, die nervige Gestalt in einen Mantel ge­ bullt, und die Ha.nd mit einem Dolch be­ waffnet, nahm der schwarze Mörder feinen 2Leg nach St. Maria, um in der Nähe des Thores bis neun Uhr zu warten, weil er glaubte, daß Leopold, wenn- er hier wäre,

während dieser Zeit ohne Zweifel

erscheinen werde. — Er hatte kaum einige Dlünuten da zugebracht, als sich die Pforte

öffnete, und er beim Sternenschimmer eine jugendlich schlanke Gestalt herau-kommen sah, die er für den Jüngling hielt, welchen er suchte.

Oer Fremde ging schnell,

ward

aber von Oeuhopt eingeholt, der bei ihm vorbei ging, und ihn auf das sorgfältigste

III.

A

b

ansah, aber durch die Dunkelheit verhindert wurde, seine Züge zu erkennen.

»Wie spät ist es, junger Mann?« fragte endlich Oeuhopt, indem er sich ihm näherte.

» Es ist neun, « erwiederte der Jüngling; aber ehe er weiter sprechen konnte, rief dec

Bösewicht auS — »So ist eö Zeit für dich in der andern Welt zu seyn. Nimm dies —

und dies«



wobei er ihn zweimal mit

dem Dolch in die Seite verwundete. dinand,

denn dieser war es,

Fer­

der von dem

Kloster zurückkehrte, sank, ob er gleich von

den empfangenen Stichen wankte, dem un­ geachtet nicht zu Boden,

sondern zog sein

Schwert und verwundete seinen mörderischen

Gegner so stark in die rechte Schulter, daß

ihm der Dolch aus der Hand fank, und er in seiner Gewalt war.

»Bösewicht wer bist du? sprich, oder ich tödte dich sogleich



warum wolltest du

mir das Leben rauben? «



»Sind

ste

nicht Leopold Sternheim? « antwortete Oeuhopt, »so habe ich mich geirrt. — Ich hoffe.

sie sind nicht gefährlich verwundet? Dec

Freund, welcher mich sendet, muß dies Un­ glück wieder gut machen." So sehr sich auch Ferdinand durch den

Schmerz seiner Wunden erschöpft fühlte, so zuckte ec doch sein Schwert auf seinen Geg­

ner und rief aus — »Nenn' ihn Mörder, oder ich haue zu! "

» Oer Graf Hofmann, « erwiederte Oeuhopt. »Oec Graf Hofmann," wiederholte Ferdinand, » mein Vater ein Mörder! dann

sind die Wunden in der That tödtlich" —

Er stützte sich bei diesen Worten einen Moment auf

-doch

sein Schwert,

vom

Schmerz überwunden, sank er zu Boden. »Hölle und Tod!" rief Oeuhopt; »ihr

seyd euch so ähnlich wie Brüder.

Ich kann

nicht entfliehen, und muß den Ausgang die­ ses höllischen Irrthums erwarten." —

Als er zu sprechen aufhöcte,

näherten

sich sechs von des Grafen Leuten,

nach Oeuhopt ausgefendet hatte, ren

nicht wenig erstaunt, A 2

ihren

die er

und wa­ jungen

Herrn,

wie sie glaubten,

ringend,

mit dem Tode

und in einer kleinen Entfernung

dayon, Oeuhopt tief verwunde,, zu finden. Sie verloren keine Zeit mit Fragen, fon*'

dern viere von ihnen trugen Ferdinand auf ihren Mänteln nach dem Schlosse, während die zwei andern Oeuhopt führten,

dessen

Wunde sie nach seiner Anweisung verbanden.

Oie Verwirrung, in dec sich alle befan­ den, verhinderte jede Vorstchr. Oke andern

Diener, welche zu gleichem Zweck ausgesen« det waren,

begegneten

ihren

Gefährten,

und traten zuerst in das Vorhaus, wo sich der Graf in einem schrecklichern Zustand als

je befand.



»Habt ihr ihn gefunden?«

rief er, ohne die folgenden, die Ferdinand

trugen, zu bemerken.

»Seyd ihr Oeuhopt

begegnet, warum kommt er nicht mit euch? « Ehe ste antworten konnten,

erblickte er

die Diener, welche den bleichen,

leblosen,

todtengleichen Körper seines Sohnes trugen.

Er schauderte zurück, stand dann einen Mo­ ment lang vom Entsetzen ergriffen, und stet

9

Seufzer zu Bo­

endlich mit einem tiefen

den. Alle nur mögliche Hülfe ward herbeige-

und der Mörder und sein Opfer in

schafft,

verschiedne Zimmer gebracht.

gegenseitig verwundet, angefallen

Ob

wußten

worden,

sie sich

oder von Mördern

die

Diener

nicht; denn Ferdinand konnte nicht sprechen, und Oeuhopt schwieg trotzig still,

nur zirn Antwort, daß sie zu erfahren,

oder gab

um das ITähere

stch an ihren Herrn wenden

müßten.

Als der Graf stch etwas von seiner er­ sten Bewußtlostgkeit erholt hatte,

ein Raub

ward er

der quälendsten Verzweifelung.

Seit Jahren hatte er die Qualen eines stra­

fenden

Gewissens

empfunden,

fühlte er selbst, das,

aber jetzt

was er andern hatte

bereiten wollen. — Er sah seinen einzigen Sohn, wenn nicht durch seine eigene Hand,

doch auf seinen Befehl mit dem Lode rin­ gen ,

obgleich der Streich für einen andern

bestimmt gewesen war.

IO

Seine erste Frage war nach dessen Befinden, und ec erfuhr, daß die Wundärzte

diese Nacht noch nichts bestimmen könnten,

allein sehr befürchteten,

daß die Wunden

tödtlich wären. Aus Furcht, daß sein Sohn

vielleicht von seinem Antheil an dieser That unterrichtet seyn könnte,

war er lange un­

entschlossen, vor ihm zu erscheinen, bis end­ lich väterliche Zärtlichkeit jedes andere Ge­

fühl überwand

ging.

und er nach dessen Zimmer

Oer Jüngling

lag auf dem Bette,

und gab, obgleich seine Wunden verbunden

waren,

fich,

kaum ein Zeichen des Lebens von

bis fich seine starren Blicke auf seinen

Vater,

der fich in sprachloser Angst über

ihn gebeugt hatte, richteten; er zitterte bei dessen Anblick, gen,

seufzte,

und schloß die Au­

wie vor einem unwillkommenen Ge­

genstand, zu.

Obgleich Ferdinand nicht sprechen konnte,

so sagten doch seine Bewegungen dem Gra­ fen deutlich genug, daß ec mit dem Antheil,

den ec an seinem Unglück habe,

bekannt

sey, und mit tief verwundetem Herzen fürchtete er durch seine Gegenwart seinen Tod zu beschleunigen, und entfernte sich. Beinahe zum Wahnsinn getrieben, frag­

te er nach Oeuhopt, dessen Wunde tief, aber nicht gefährlich war, und eilte daher

zu ihm, um ihn wegen des Unglücks, das sich zugetragen hatte, zur' Rede zu stellen. Oeuhopt empfing ihn mit Trotz; und als sich die Bedienten entfernt hatten, konnte sich der Graf nicht mäßigen und rief: — » Bösewicht! was bewog dich, meinen Sohn

zu morden? denn ich kann nicht glauben, daß es zufällig geschah.« »Tadeln sie sich selbst,« erwiederte Oeu-

hopt verwegen,— » sie allein machten mich zum Mörder, warum sagten sie mir nicht, daß ihr Sohn im Kloster sey. von mir dieselbe Größe,

Empfing er

dieselbe Stimme?

In diesem Falle schelten sie mich, sonst kla­ gen sie den Himmel an.« »»Wenn ich mein Kind verliere,«

ant­

wortete der Graf in Verzweifelung,

> so

12 foUfl du mit deinem Leben dafür bezahlen,

■t— Elender Ersatz für das meines einzigen

Sohnes. Weiter, cc

sagte Heinrich:

»Launcy,

bring deine Beweise vor. cc

Lord Launcy sprach zuerst.

Er erzählte

alles, was er von Augustins Aufenthalt in St. Margarethens Höhle gehört hatte; denn

man sagte, daß er durch seine Kunst eine Oberherrschaft über die bösen Geister erhal­ ten habe, welche zuvor da gehaust hätten. Daß ec des verstorbenen Baron Fitzwalters

Freund gewesen sey, könnte nicht geläugnet

werden.

Nach

dessen Tode habe er eine

ausschweifende Zärtlichkeit zu

seiner uneh­

lichen Tochter Margarethe gezeigt, welche

mit zunehmenden Jahren, ganz der Gewohn­

heit der Kinder entgegen, alles andere ver­ lassen

lassen, um sich mit des Paters Gebet in der

alten Kapelle zu vereinen

daß ihr der

Priester fremde Sprachen gelehrt, und ihr augenscheinlich mehr Kenntnisse beigebracht

habe, als für eine Frau nöthig sey.

Oer

Lord erzählte dann EuthbertS Erscheinung,

den er für Augustins Botschafter erklärte, und ihn als eine Person bescyrieb, die mehr als

menschliche Stärke und eine Fertigkeit in der Musik besetzen hätte, die nur übernatürlichen

Wesen zu Theil geworden seyn könnte. — Richard Launcy nahm hierauf das Wort.

Ec verbarg sorgfältig

seinen eignen Plan

auf Margarethen, behauptete aber, daß er

die Nacht ihrer Flucht fremde Stimmen im Schlosse gehört, und daß, als er mit seinem Diener durch eine Gallerte habe gehen wol­ len und das Licht ausgelöscht sey, er einen

Schlag erhalten, so stark, daß er ihn bei­

nahe gelähmt hätte. Gilbert bestätigte seine Nachricht, indem er sagte, daß er selbst mehrere Schlage er­ halten habe, nach deren Heftigkeit er fest

III.

E

glaube, daß sie eher von einem Huf, als

von einer Hand gewesen wären.

Nach diesem schwur Thomas, daß er die

Thore offen und die Drücke herab gelassen gesehen habe; allein nachdem er sich kaum zwei Minuten entfernt gehabt, so sey bei

seiner Rückkehr alles verschloffen gewesen, ein Umstand,

der in so kurzer Zeit durch

natürliche Mittel unmöglich gewesen wäre.

Als die Anklage geendet war, erwiederte der König:

»Ihr hört, Pater, was man

euch Schuld giebt; mit was wollt ihr euch vertheidigen? «

»Mit Wahrheit; und der Himmel stehe

den Unschuldigen bei und verwirre die Schul­

digen. «< »Amen,«« sagte Heinrich, »und da ihr

euer eigner Beistand seyd, so antwortet jetzt auf Lord Launry's erste Beschuldigung.« x

»Wenn eü euer Hoheit gefällt, will ich so kurz als möglich seyn. —

Daß ich in dec

St. Margarethen-Höhle beinahe sechszehn

Jahr gewohnt habe, ist wahr;

allein von

der Herrschaft, die ich über die M ihr woh­ nenden bösen Geister erlangt

haben soll,

weiß ich nichts; denn ich sah und hörte kei­

nen,

der so böse als ich selbst gewesen

wäre.« ■— »Ihr bekennt also eure Schuld?-

fiel

einer von Lord Launcy's Vorsprechern ein.

»Ich bitte, mir Zeit zu (offen, ich bin

weder wortreich, noch in den Spitzfindigkei­ ten eurer Gesetze erfahren. —

Ich wieder­

hole es, daß ich keinen sah noch hörte, der so lasterhaft als ich selbst gewesen wäre;

denn ich sahe nichts,

als die Werke und

Segnungen meines großen Schöpfers um

mich her, und hörte nichts, als jene Töne,

die mir feine S t ärke und meine S ch w ä ch e verkündeten — die Donner und die entfes­ selten Winde, welche in den Bergen wieder­

hallten, und zu sagen schienen: wer bist du, daß dich meine Macht nicht er­

reichen könnte?—

Mein friedlicher Auf­

enthalt in der Höhle verbannte die Furcht, welche sonst die Landleute vor diesem Ort E 2

gehabt hatten,

und sie besuchten ihn nach

der Zeit mit weniger Unruhe. — Baron Fitzwalter betrifft,

WaS den

so war er mein

theuerster Freund, den weder Kummer, noch Unglück und sogar Schande mir nicht ent­

reissen konnte.

Ich Elender,

überleben mußte! —

daß ich ihn

Mein Herz war ihm

bekannt — seine geheimsten Gedanken wa­ ren mir vertraut, so wie auch seine Verbin­

dung mit Bianca Stanley, von der ich Be­

weise bringen kann — cr

»Haltet hier ein,« unterbrach ihn einer der

Rechtsgelehrten,

»was

ihr jetzt

vor­

bringt, gehört nicht zu dem Gegenstand von dem die Rede ist. t< ''Ich gehorche,« versetzte Augustin. »Ser Baron starb

in

der Blüthe seines Lebens,

und hinterließ zwei Töchter.

Ich liebte sie

beide um feinet und um ihrer selbst willen;

denn schönere Blumen entblühten nie einem väterlichen Stamme;

indeß wenn eine von

ihnen größere Ansprüche auf meine Zärtlich­ keit machen sonnte, so war es Margarethe,

Ss wegen ihres hülflosen, verwaiseten Zustan-

des.

Neigung erwirbt Neigung, und wäh­

rend id> Margarethen

als mein Kind be­

trachtete, lernte sie mich unbewußt als ihren Vater anseheu.

Durch die Lehren einer gu­

ten Frau neigte sie sich frühzeitig zur Fröm­

migkeit, und vereinigte sich daher bereitwil­ lig zur Andacht, wo sie Gelegenheit dazu

fand. —

Fremde Sprachen lernte ich ihr

nur zwei;

es that mir leid, ihre Erziehung

vernachlässiget zu sehen,

und ich wünschte,

so viel in meiner Macht stand, diesen Man­

gel zu ersetzen. —

llnd nun von Cuthbert

zu sprechen, unter welchem Namen er ihnen

bekannt ist. —

Was

er im Schloß auS-

führte, war ohne mein Wissen,

doch nicht

ohne meine Wünsche, und ich glaube, daß dieser Wunsch

seine Handlung

bestimmte*

Ich sah die Waise in Gefahr, und er ent­ schloß sich, mit aller Wärme der Jugend, sie

ihr zu entreissen, ob er sie gleich nicht kannte, denn

er hatte sie nur einmal gesehen.

WaS seine körperliche Stärke oder Gewandt-

fjeif betrifft, so besaß ec jene gute Leibesbeschaffenheit, die, unverringert durch Üppig­

keit und unverdorben durch Kunst, den DHen» schen von Gott verliehen ist.

Von seiner

Geschicklichkeit in der Mustk weiß ich nichts,

da

er

mir nie etwas davon

hat Horen

lassen. «

»Ihr bekennt also, daß ihr mit Cuth-

bert bekannt seyd?«

sagte Lord Launcy'S

Beistand.

-Ich thüe es; er kam von der Äbtissin deS St. Marien-Klosters bei Bremen, um mir Icachricht wegen einem Papier zu brin­

gen, welches wir lange gesucht haben, und

welches zum Beweiß für Margarethens An­ sprüche nöthig ist. «

»Ihr bekennt auch,

daß ihr denselben

Cuthbert aufgetragen habt, Margarethe Fitz-

walter zu entführen?«

» Nein, er vollzog meine Wünsche, ohne daß ich es wußte,« antwortete Augustin.—

»> Durch ihre Flucht ward sie von Richard Launry's Gewaltthätigkeit befreiet, der sie

in derselben Nacht entführen wollte, zu wel­ chem Plan seine beiden Diener, Gilbert und

Thomas, behülslich waren. «

»Es ist nicht von anderer Schuld jetzt die Rede, Pater, sondern ihr sollt euch ver­

theidigen,« sagte einer der NechtSgelehrten.

» Wo ist jetzt Margarethe, kann sie der

Pater vorstellen?* stel der König ein. »Mein König!

ich habe seit ihrer Ab­

reise von England keine Nachricht von ihr

erhalten, ob ich ste gleich täglich erwartete. Wenn nicht die See so unbarmherzig gegen

sie gewesen ist, als ihre Verfolger, so ist sie

jetzt schon langst mit der tugendhaften Be­ schützerin ihrer Jugend, dec würdigen Else,

unter dem Schutz der Äbtissin von St. Ma­ ria, einer Frau, die sich durch ihren Rang, aber noch mehr durch ihre Leiden und Tu­

gend auszeichnet; sie ist die reichste Erbin in

Deutschland, und die Nichte seiner Heiligkeit des Pabstes. —

sie

Dahin, mein König, hat

meine Verführung

gebracht.«

und Zauberei

Lord Launcy war bestürzt und verwirrt, als er Jltargarethen so hohem Schutz über­ geben sah.

Doch sich fassend,

sagte er:

„Verzeihe mir mein König; allein darf das väterliche Dach durch mitternächtliche Störer

entheiligt, und der häusliche Frieden durch die

tief angelegten Plan e sich einmischender Prie­ ster,

die Eigennutz oder Liebe zu Händeln

antreibt, gestört werden?« „Gewiß nicht,- erwiederte Heinrich; al­ lein ich glaube, daß es, um diese Sache ganz

zu

würde,

verstehen,

nöthig gewesen seyn

die Untersuchung mit des Paters

Beweggründen zu seiner sonderbaren Auf­

führung angefangen zu haben.

Er bekennt,

daß, wenn er auch nicht selbst Margare­

then entfernt, er doch die Person, die es that, bevollmächtiget habe, und daß er sie vor­

züglich an ihren jetzigen Aufenthalt gebracht

habe, gegen dessen Würde nichts eingewen­ det werden kann.

Auch scheint es, daß ec

sich weder der Zauberei noch Verführung, sondern nur allein der Flucht dieses Mäd-

chenS, oder vielmehr der Veranlassung dazu,

schuldig gemacht habe; ihr sollt daher diesen Gegenstand erwägen und mir eure Meinung

sagen. « Oie Richter kamen mit des Königs Ent­ scheidung überein, und der Pater ward von

Allem, was nicht Margarethens Flucht be­

traf, frei gesprochen; allein dies war für ei­ nen Priester ein Verbrechen, das allein ihm

das Leben kosten konnte. »Sprecht ein Urtheil, wie euch am besten

dünkt, « sagte der König; herzig.

allein seyd barm­

Oec Pater hat ohne Zweifel nicht

recht gehandelt, allein ich gebe mehr seinem Herzen, als seinem Kopf die Schuld.«

»Ich danke euch, mein großmüthiger Kö­ nig, und bitte noch einmal gehört zu wer­

den, ehe das Urtheil gesprochen wird. Mann,

der einmal verurtheilt ist,

Ein

kann,

glaube ich, kein Zeugniß mehr äblegen, und das meinige ist in Hinsicht auf Margarethe

Fitzwalters Geburtürecht höchst nothwendig;

wollten daher eure Hoheit nach ihrer Güt­ erlauben, daß es aufgeschoben würde? •

»Oas ist gegen die Regel, ist sie es. Herz für würdig genug, zu verdienen?

Halst du dein

eine solche Frau

Wenn fru eS kannst

so steh

mich bei Vieser Sache als deine Freundin an;

allein nimm dir Zeit zur Überlegung,

ihre Schönheit hat nur dein Auge geblendet,

lerne sie besser kennen, Hand anbietest, «

ehe du ihr deine

Don dieser Zeit an sah

ich Adelhaiden täglich mit meiner Schwester

am Gitter, und erhielt endlich ihre Einwil­ ligung,

mich an ihren Dater zu wenden.

Um kurz zu seyn,

ich war in meinem An­

trag glücklich; Adelhaide ward meine Gat­

tin,

und ich hielt mich für den glücklichsten

Sterblichen-

Ich

hatte bald darauf das

Unglück, meinen vortrefflichen Dater zu ver­ lieren ;

mein Bruder war mit einer Tochter

des Baron Lebitz verbunden,

Schwester,

und meine

die dqs Kloster verlassen hatte,

lebte bei ihrer Freundin. Adelhaide ward für die schönste Frau in

6g Deutschland gehalten. wie ein Lamm,

Sie war schuldlos

sanft und zärtlich wie eine

Taube, bescheiden in ihrenMeinungen, aber

im Besitz eines klaren, nachdrücklichen Ver­

standes; fromm ohne Zwang, und von al­ len geliebt, die sie kannten ! Ach,

mein Fürst!

was ist der Mensch«

wenn er seinem bessern Urtheil entgegen, sich ungezähmten Leidenschaften überläßt! Ich

war von Natur lebhaft, Adelhaide von Na­

tur ernst;

und ob ich sie gleich mehr als

alle andere Frauen liebte, so gesteh' ich doch zu meiner Schande, daß ich oft den Scbatz, den mir der Himmel in ihr gegeben hatte,

verließ, um meine Zeit in entehrenden Tän­

deleien mit Frauen zuzubringen, die ich, so hoch auch ihr Stand war,

doch bei kühle«

rer Überlegung verachtete. In weniger als einem Jahr ward ich Vater.— O Gott! lebe ich, um dieses aus­

zusprechen? — Adelhaide machte mich zum Vater eines Sohnes,

so

reizend wie sie

selbst. O wollte der Himmel! daß die Stun-

9° de, die ihm das Leben gab,

gegeben hatte;

mir den Tod

dann würde er zum Trost

und unter ih­

seiner Mutter gelebt haben, ren Lehren

die Ehre seines Ranges, und

Rahmens geworden seyn!« Des

Paters

zern unterdrückt,

Stimme ward von Seuf­ doch sich erholend,

fuhr

er fort. — » Meine Freundschaft zu Fitzwalter bewog mich,

meinen Sohn nach ihm,

Wilhelm, zu nennen.

Ich hatte ihn,

wir uns in England trennten,

seit

nicht gese­

hen, allein ich erhielt immer Nachricht von ihm.

In seinen Driesen sprach er sehr Vor­

theilhast von einer gewissen Blanca Stan­ ley,

und schrieb mir endlich,

mit ihr verbunden habe.

daß er sich

Dald darauf kam

Fjtzwalter. mit seiner Gattin und einer weib­

lichen und männlichen Bedienung, die aber mehr seine Freunde waren,

nach Deutsch­

land, Fitzwalter,

der sich

mit seinem Vater

entzweiet hatte, und die sanfte Blanra an­ betete,

schlug einen Aufenthalt in meinem

9i

Schloß aus,

nahm aber in einer kleinen

Entfernung von der Stadt auf meinen Gü­ tern ein kleines Haus in Besitz. und Blanra schienen

Wesen zu lieb;

seyn,

Adelhaide

gleich gestimmte süße

und gewannen sich bald

allein eS trug sich in dieser Zeit eine

die ihre nähere Bekannt­

Begebenheit zu, schaft verhinderte.

Oer

einzige Sohn des

Graf Eltzen ward von einem bösen Fieber

angefallen, welches er seiner Schwester mittheilte; Wochen.

und

beide starben binnen einigen

Oie fromme und gehorsame Adel­

haide, obgleich von ihrem Vater zurück ge­ setzt, konnte bei diesem Unglück nicht zurück gehalten werden, sondern ließ ihr Kind un­ ter guter Aufsicht,

ter.

und eilte zu ihrem Va­

Ich liebte sie zu sehr,

als daß ich sie

nicht hatte begleiten sollen, und verließ drei

Monate lang selbst meinen Freund Fitzwal* ter, um mich mit ihrer kindlichen Pflicht zu vereinen.



Jiarfj dieser Zeit kehrte ich

nach Bremen zurück,

rigsten Bitten

ließ aber auf die eif­

des Grafen,

meine Gattin

9qn& Schwester, die uns begleitet hatte, bei

ihm.

Vor dem Verlust' seiner andern Kin­

der hatte der Graf Adelhaiden kaum ge­

kannt, deren sanftes, anspruchtoses Gemüth mit jedem Tage sein Herz mehr für sie ein­

nahm, dankte,

so daß ec

stündlich dem Himmel

daß sie nicht den Schleier genom­

men hatte.

Bei meiner Zurückkunft fand ich FiHwalters Gattin in dec Erwartung,

Mutter zu

werden; sie war mit tausend Befürchtungen

wegen ihrem geliebten Gatten,

der immer

noch seines Vaters Zorn erduldete,

erfüllt,

und überließ sich einer Muthlosigkeit,

die

er durch die zärtlichsten Bemühungen zu

verscheuchen suchte.

Ost drang er in meiner

Gegenwart in sie, ihm ihre Verbindung be­

kannt machen zu lassen.

Dieß schlug sie in­

deß bestimmt aus, und da sich die Zeit ih­

rer Entbindung näherte, so unterhielt er die lebhaftesten Hoffnungen,

daß sich ihre Un­

ruhe bald in mütterliche Pflichten auflösen werde.

Obgleich FiHwalter jünger daß ich AdelhaidenS Gemüth Argwohn befreien könnte, möglich;

deine

mit diesem

von jedem

allein eS ist un­

geheimen Zusammenkünfte

feilen

Weibe

sind nur zu be­

kannt. — Ihre Glückseligkeit hast du, nur du allein zerstört. — Bist du blind, daß du den Kummer, der auf ihr ruht, nicht siehst? Ich wünschte lieber, daß sie sich auf immer

IOI

Gott geweiht hätte, gend,

Schönheit

als daß sie ihre Tu­

und Jugend an einen

Mann verschwendet hat,

der ihren Werth

nicht zu schätzen weiß! «

VWollte der Himmel, du hattest es ge­

than,« erwiederte ich.

„O'e Veränderung

in AdclhaidenS Wesen und ihre Traurigkeit ist nun erklärt; sie glaubt aller» blind, waS

du ihr sagest, und du hast durch deine Ver­ leumdungen

ihre Neigung

fernt. «

Ob ich dies gleich sagte, so



von

nur ent­

glaubte ich es doch nicht, allein durch Lei­

denschaft verleitet, achtete ich nicht auf die Wahrheit;

denn ich hatte Klaristen stets

mehr als meinen Bruder geliebt, der einen

zurückhaltenden Charakter besaß, wahrend dec ihrige offen, edel und zärtlich, obgleich heftig und sogar rachgierig war,

wenn sie

die, welche sie liebte, für unterdrückt hielt.

Klarisfe antwortete mir mit erhöhter Bit­ terkeit, und da wir beide gleich leidenschaft­

lich waren, so ward unser Streit so heftig, daß sie gelobte,

mein HauS zu verlassen.

Hätte ich einen Augenblick nachgedacht, so

würde ich gefühlt haben, daß dieser Schritt für das Glück Adelhaidens, die einige Jah­ re jünger als meine Schwester war,

sie von Jugend auf geliebt hatte,

licher Streich seyn würde;

und

ein töd­

allein da ich in

diesem Moment nur auf meinen Zorn Rück­

sicht nahm, so nöthigte ich sie, es zu thun,

damit ich

von einem so lästigen Späher

meiner Handlungen befreit würde, und setzte

sogar hinzu, daß ich allen Umgang zwischen

ihr und meiner Frau aufgehoben zu sehen wünschte. »-Hierzu

sollst du mich nie bewegen,«

erwiederte sie; »»so lange ich lebe, will ich

Adelhaiden sehn; in Rücksicht auf dich wird

es mir nicht schwer werden; schaft

eines

die Freund­

Bruders aufzugeben,

solchen

kann nicht schmerzen, «

Unser Streit war so weit gegangen, daß

weder

AdelhaidenS

Bitten noch Thränen

Klarissen im Schlosse zurück halten konnten,

ob sie gleich, wie ich bemerkte, sich bemühte.

io3

meine Gattin zu überreden:

der Streit sey

über Familien Angelegenheiten entsprungen.

Icoch denselben Tag begab sichKlarisse nach dem Kloster,

ich

und

verlangte ste

Oie Unruhe,

mehr zu sehen.

nicht

welche dieser

Vorfall Adelhaiden verursachte, bekümmerte und beleidigte mich zugleich; ich überraschte

sie oft in Thränen, und konnte mich zuwei­

len nicht enthalten, machen, liebe.

ihr

den Vorwurf zu

als mich

daß sie Klarissen mehr

Auf diese

Beschuldigung erwiederte

sie mit einer Huld, vergessen werde:

deren Eindruck ich nie

»daß ich Klarissen mehr

als alle Frauen liebe, ist wahr; allein Hof­

mann, der Gatte meiner Wahl,

der Vater

meines Kindes, muß immer den ersten Platz in meinem Herzen behalten. « Kurz darauf machte ich mit Adelhaiden

einen Besuch bei meinem Bruder, zwei Meilen

weit von

der stch

Bremen aufhielt;

unser kleiner Wilhelm begleitete uns.

Das

Haus war mit Gesellschaft erfüllt, und der

Graf Weinbach mit seiner Gemahlin unter

io4

der Anzahl. OaS verstellungslose Gesicht meiner Frau zeigte deutlich, daß ihr die Gegenwart der letztern nicht angenehm sey,

allein zu gut, um meine Schwägerin durch ihre Äußerungen zu kränken, oder vielmehr zu zart in Hinsicht aus mich, zwang sie sich, ihre Gesellschaft zu ertragen, ob sie sie gleich auf eine so entfernte und zurück gehal­ tene Weise behandelte, daß sie den Stolz der Gräsin unendlich dadurch beleidigte,

Oer junge Lebitz, meines Bruders Schwa­ ger, befand sich in der Gesellschaft; er war fünf und zwanzig Jahr alt, für die Kirche bestimmt, und ungewöhnlich schön; besaß aber ein so ernstes, nachdenkendes Wesen, daß er, die Mitglieder seiner und unserer Familie ausgenommen, selten mit jemand sprach. Er schien sich indeß bald für Adel­ haiden mehr als für alle andere zu intet« efsiren. Ec beschäftigte sich Stunden lang mit ihrem Sohne, zog die Unterhaltung

mit ihr allen vor, die er sonst ausgezeichnet hatte, und besaß dagegen augenscheinlich

io5 Obgleich dabei nichts war,

ihre Achtung.

was in dem eifersüchtigsten Gemüth hätte

Argwohn erregen können, so fand doch ihre Feindin,

Weinbach,

Mittel,

auf

Schwachheit Eindruck zu machen. oft,

meine

Ich sahe

wie sie ihre Augen auf Lebitz und

Adelhaiden heftete, und sich dann mit einem spöttischen Lächeln,

daS ich nicht ertragen

konnte, zu mir wendete.

So sehr ich auch

von Adelhaidens Reinheit überzeugt war,

so blieb doch das Gift nicht ohne Wirkung; ich erwog den ähnlichen Hang, den sie mit

Lebitz hatte,

und fühlte,

wenn sie ihn lä­

chelnd ansah, Schmerzen, die ich nicht be­ schreiben kann.

Endlich kehrten wir zurück,

und ich hoffte,

Lebitz nicht mehr zu sehen,

aber ich hatte mich getäuscht;

uns unausgesetzt,

er besuchte

und als ich einigemal

unerwartet ins Zimmer trat,

so schien eS,

als wenn ich das Gespräch störe, brach plötzlich ab.

denn er

Adelhaide besuchte St.

Maria täglich, und kehrte einigemal in sei­

ner Gesellschaft zurück, ein Umstand, von

io6

dem mir zwar mein Stolz keine nähere Er­ klärung zu

verlangen erlaubte,

der mich

aber tief verwundete. < Ilm meinen Unmuth zu vollenden, erhielt ich eines Niorgens ei­

nen anonymen Brief, der mir rieth, meine Frau zu beobachten, indem er hinzu fügte,

daß ein Kloster ein sicherer Platz zu Zusam­ menkünften sey, besonders wenn eine Schwe­

ster die Vertraute machen könnte.

Er ent­

hielt noch mehr desselben Inhalts, dessen ich mich

nicht mehr erinnere,

daran zweisie,

aber jetzt nicht

daß es ein schwacher und

boshafter Betrug der Gräfin Weinbach war.

Entschlossen indeß,

Adelhaiden zu prüfen,

eilte ich zu ihr, und gab ihr den Brief mit

der Bitte, ihn zu lesen.

Sie las ihn durch,

und gab mir ihn mit verächtlichen! Lächeln zurück, wobei sie sagte: Dank!

» dem Himmel sey

daß ich bei diesem elenden Versuch,

mich in deiner Meinung herab zu setzen, we­ der Demüthigung verdiene,

noch empfinde.

— Ich bin es seit einiger Zeit gewohnt ge­

wesen, anonyme Briefe zu empfangen, die

107 idj zuletzt, da ich die Hand kannte, immer

uneröffnet ins Feuer warf.«

daß dieser

»Und von wem glaubst du,

Brief ist, Adelhaide? « sagte ich. »Von der Gräfin Weinbach,«

antwor­

tete sie fest; »der Himmel vergebe ihr, und ändere ihren Sinn,

das ist mein eifriger

Wunsch.«

mußte

Ich

Adelhaidens

fühlen und anerkennen.

Weinbach nicht mehr sehen,«

»allein,

versetzte ich;

so sehr ich auch in

meine Liebe,

meinem Herzen von

Überlegenheit

»Wir wollen die

der Falschheit dieser

Anklage überzeugt bin, so ist man doch dec Welt etwas schuldig.



fällig gegen mich seyn,

schaft mit Lebitz aufgeben,

Willst du so ge­

und die Bekannt­

und einige Zeit

keinen Besuch bei meiner Schwester machen? « » Ist es möglich,« antwortete Adelhaide,

»daß du ein solches Opfer begehren kannst? Oie Freundschaft eines tugendhaften Man­

nes,

und den Umgang mit deiner eignen

Schwester; und für wen?

Nein, Hofmann,

ioS

ich kann nicht einwilligen, so launenhaft zu erscheinen; sey versichert, daß du in kurzem

mit der Redlichkeit meiner Handlungen und

Vorsätze zufrieden seyn wirst.« Ob ich gleich von der Tugend meiner Frau hätte überzeugt seyn sollen,

so ur­

theilte ich doch nach meiner eignen Verdor­

benheit, und ward von dec thörichsten und heftigsten Eifersucht ergriffen.

Ich vergaß

mich so weit, daß ich darauf bestand, meine Forderungen erfüllt zu wissensogar an meine Schwester,

und schrieb

die ich in den

bittersten, herabwürdigendstenAusdrücken an­

klagte, daß sie Uneinigkeit zwischen mir und

Adelhaiden stifte, und sie veranlasse, meine Befehle mit Verachtung und Geringschätzung aufzunehmen.



Klarissens Antwort war

ruhig; sie beschwor mich,

den Segen, der

mir in einer solchen Gattin verliehen sey, werth zu halten,

versprach mir,

bald über die thörichte Eifersucht,

daß ich der ich

mich überlasse, ercöthen sollte, und endigte mit dec Verstcherung, daß ihr die Ehre un­

serer Familie so theuer als mir selbst sey.

log

Dieser Brief blieb Sem ohngeachtek ohne Wirkung,

nicht,

mein Argwohn verringerte sich

und Adelhaide antwortete auf die

Ungerechtigkeit, die ich Thörichter verlangte, obwohl in den sanftesten Ausdrücken,

sie weder Lebitz noch Klarissen versprechen könne.

daß

aufzugeben

Meine grausame Heftig­

keit bei dieser Gelegenheit verwundete indeß

ihr Herz tief, denn am nächsten Tag konn­ te sie ihr Zimmer,

und

Bett nicht verlassen.

kurz darauf das

Wenn je ein Mensch

von einem Dämon besessen ward,

so war

ich eö gewiß; denn ob ich mich gleich wegen der Krankheit meiner Frau elend fühlte, so

setzte ich doch immer mein unverzeihliches Betragen fort, und ging sogar so weit, un­

ter dem Dorwand ihrer Gesundheit, zu be­ fehlen, daß Niemand, außer ihren eignen

Leuten, in ihr Zimmer gelassen werden solle. Am folgenden Tag wollte sie ein alter

Mann, der lange ihr geistlicher Rathgeber gewesen war,

besuchen,

Zutritt versagt ward,

und da ihm der

wendete er sich au

eine ihrer Frauen, die sogleich mit der Be­

Sie ließ mich

schwerde zu Adelhaiden eilte.

zu sich rufen;

ich gehorchte,

und bekenne,

daß ich mich gedemüthiget fühlte,

als ich

die Veranlassung erfuhr, und befahl sogleich,

den Pater, so oft es der Gräfin gefiel, Zu­ tritt zu gestatten. Vierzehn Tage lang hatte Adelhaide unter einem schleichenden Fieber hingeschmachket,

und ich

umsonst die ge­

schicktesten Ärzte der Gegend zu Rathe ge­

daö Mittel

zogen.— Thor, der ich war! lag in meinen eignen Händen;

diesen rohen Argwohn verbannen,

nes Zutrauen, sollen,

ich hätte

und je­

jene Sicherheit in sie setzen

die sie so sehr verdiente.

Um diese

Zeit erhielt ich einen zweiten Brief;

das

Gift war noch nicht tief genug in mein Herz eingedrungen, um mich zu verderben,

ich war verdammt,

es bis zu den letzten

Tropfen in mich zu ziehen.



den meine Schwäche nicht,

wie er es ver­

Oer Brief,

diente, ungelesen verwarf, sagte mir, daß

meine Frau immer noch fortfahre, mich zu

betrügen, und unter dem Vorwand,

Beichtvater zu sehen,

ihren

seit einigen Nächten

einen jungen Mann in Mönchekleidern Zu­

tritt verstattet habe,

der aber nichts weni­

ger sey, als was er schien.

Diese Nachricht

kam mir zu plump vor, um wahr zu seyn,

indeß rief ich einen Bedienten,

und erkun­

digte mich nach einigen zufälligen Fragen,

wann der alte Pater bei der Gräsin gewe­ sen sey. — Er erwiederte mit sichtlicher Ein­

falt,

daß der Pater krank

sey,

und die

letzten zwei Lage einen jungen Priester an

seiner Stelle gesendet habe.

Ich

konnte

nichts mehr hören, ich entließ ihn eilig, und gab mich eine Zeit lang ganz der Wuth hin,

die mich beherrschte. Ich wußte Adelhaidens

Gesinnungen in Hinsicht ihres Beichtvaters,

und daß sie,

wenn er krank war,

immer

bis zu seiner Wiedergenesung einen andern auSgeschlagen hatte.

Oie Nachricht schien

daher im Ganzen so unwahrscheinlich,

daß

meine bessere Überzeugung dagegen sprach;

allein ich besaß weder Offenheit noch Groß-

muth genug, um eine Erklärung zu suchen, wo sie mir Lugend und Aufrichtigkeit gewiß

gegeben haben würde, sondern beschloß mit

verächtlicher Niedrigkeit, des Paters Ankunft zu erwarten,

und in einem Cabinet,

das

an Adelhaidens Zimmer gränzte, Zeuge dec

Zusammenkunft zu. seyn. leichter auszuführen,

durchbrochen,

Dieß war um so

da die Lhür desselben

und aus

der Gallerie

des

Schlosses hinein zu kommen war. Um neun Uhr sagte mir der Diener,

meinem Befehl gemäß, kommen,

sey.

daß der Pater ge­

und nun in der Gräfin Zimmer

Ich verlor keine Zeit, sondern eilte in

das Cabinet.

Adelhaidens Zimmer war nur

von einer Lampe erleuchtet. — In ein lan­ ges Gewand gehüllt,

Ruhebette,

saß sie auf einem

und dec Pater an ihrer Seite,

dessen Gesicht so von seiner Kappe verhüllt war,

daß ich keinen seiner Züge unterschei­

den konnte. Ich sah indeß genug, um über­

zeugt zu seyn, daß es Lebjtz nicht sey, denn die Gestalt war beträchtlich kleiner, als die seinige.

n3

(einige.

Sie sprachen leise, und da das Ge­

mach geraum war,

so verstand ich nichts

von ihrer Unterhaltung, außer daß ich Adel-

Harden einigemal Lefitz und ihren Oheim, einen Kardinal, nennen hörte.

Auf einmal

durchdrang mich der Gedanke, daß sie sich durch diese Mittel an (eine Heiligkeit den

Pabst wenden wolle, um sich von meiner Tyranney zu befreien; und so schrecklich diese

Idee auch war, so war sie doch ein Himmel gegen die Überzeugung, einen Nebenbuhler

in ihrer Zärtlichkeit zu haben.

Endlich stand der Mönch auf, sich zu entfernen.

Er legte (einen Ar7n über den

Rücken des Ruhebettes, mit einer Vertrau­ lichkeit, die alle meine Eifersucht wieder ec«,

regte; er sprach immer noch mit leiser Stim­ me zu Adelhaiden, beugte sich endlich zu ihr

nieder, und sein Gesicht näherte sich dem

ihrigen. —

Mas

ich in diesem Moment,

fühlte, weiß ich nicht; es war eine Zerrüt­

tung

der Leidenschaft, die feine Sprache

ausdrückey kanu. Meinen verwirrten Blicken III.

H

ii4

schien eS, als wenn er ihren Busen küßte, bei welchem Anblick ich mich der- Wuth, die

mich erfüllte, überließ, hervorstürzte und mit gezücktem Dolch ihn in dem Augenblick, wo

er mich entehrte, wollte;

das Herz

durchbohren»

allein er wich zur Seite- und der

Stoß traf — lebe ich, um dies zu erzäh­ len? — nicht den, welchem er bestimmt war, sondern mein lächelndes, unschuldiges Kind,

das, in seiner Mutter Gewand gehüllt, an ihrem Busen schlief.« — B i diesen Worten ward Augustins Gestcht bleiche seine Lippen zitterten und sein

ganzes Wesen war erschüttert; Schweißtro­

pfen standen auf seiner Stirn, und er war

einige Minuten lang unfähig fortzufahren.

»Deine Verirrungen waren in der That groß,« sagte dec König; »allein dein Ver­

brechen wat unwillkührlich und die Büßung schrecklich.« »O mein Fürst!«

erwiederte er endlich,

»keine irdischen Duldungen kpnnen eine so

empörende Handlung versöhnen.

Verzeihen

sie mfr, ich will meine Erzähkuog, -die mir nur unter gegenwärtigen Umständen entrissen werden konnte, bald fottsetzen. * >, Nimm dir Zeit.

Oer Himmel verzeihe

dein Verbrechen und gebe dir Seine Ruhe wieder.«

Augustin schien eine Zeit lang in Sckmerz verloren zu seyn;

endlich aber^ epmnnnte er

sich und fuhr fort.

Fünftes Kapitel. Ende der Geschichte des Paters.

"3^ Keß mir keine Zeit,« sagte Augustin, »die grausame Handlung,

die ich verübt

hatte, zu betrachten, sondern den Oolch mit

zuckender Hand haltend, stieß ich aufs neue

nach dem Pater; allein er entfloh mir, und ClarisseaS Stimme rief mrr zu:

»-Haltein,

Hofmann, bethörter Mann! kann nichts als der Mord deiner einzigen Schwester deine

teuflische Rache befriedigen?« H 2

sie mfr, ich will meine Erzähkuog, -die mir nur unter gegenwärtigen Umständen entrissen werden konnte, bald fottsetzen. * >, Nimm dir Zeit.

Oer Himmel verzeihe

dein Verbrechen und gebe dir Seine Ruhe wieder.«

Augustin schien eine Zeit lang in Sckmerz verloren zu seyn;

endlich aber^ epmnnnte er

sich und fuhr fort.

Fünftes Kapitel. Ende der Geschichte des Paters.

"3^ Keß mir keine Zeit,« sagte Augustin, »die grausame Handlung,

die ich verübt

hatte, zu betrachten, sondern den Oolch mit

zuckender Hand haltend, stieß ich aufs neue

nach dem Pater; allein er entfloh mir, und ClarisseaS Stimme rief mrr zu:

»-Haltein,

Hofmann, bethörter Mann! kann nichts als der Mord deiner einzigen Schwester deine

teuflische Rache befriedigen?« H 2

.ii6

Wie. vom Blitz getroffen, kehrte ich zu

Adelhaiden zurück; ihr weisses Gewand war mit Blut überströmt, und ihr Kind an Bu­

sen drückend,

dessen Weinen

das Gemach

durchdrang, schien sie ein Bild -es Schmer­

zens und der Verzweiflung zu seyn. »Ach!

was

hat deine Wuth, angerich­

tet?« rief Clariffe.

Wollte die Jungfrau,

daß dein mörderischer Dolch meinen Busen, anstatt

den deines Kindes getroffen hätte.

Rede mit mir, Adelhaide, rufe um der Barm/ Herzigkeit willen nach Hülfe, das Kind wird

sich zu Tode bluten. « Mit diesen Worten näherte sie sich Adel­

haiden, und bemühte sich, das Kind von ihr zu nehmen, welches sie krampfhaft festhielt; und sie konnte es erst nach einigen Mmutett

erhalten. Adelhaide bekam endlich ihre Spra­ che wieder,

stand vom Ruhebette auf und

blickte mit einer Miene voll Angst und Ver­ zweifelung um sich her,

dann rief sie aus:

»O! du von Gott Verfluchter! das Maas

deiner Verbrechen

und meines Elende- ist

iij

nun voll« —

Kam schlug nur feinen Bru­

der, einen Mann wie er selbst; aber du,

grausamer Mörder, hast ein harmloses, un­ schuldiges und dein eignes Kind getobtes, das du aus Plicht, Ehre und Zärtlichkeit

hättest schützen sollen! «

» Ach, Adelhaide! « rief ich, » vermehre nicht die Qualen, die mich durchdringen.«

* Ungeheuer! Tyrann! Mörder!« stel sie

mir wahnsinnig ein j

steh den Todeskampf

drineS sterbenden Kindes, trage es zu deinen schändlichen Gefährten, freue dich seiner Qua­

len , und lache über die Schmerzen, die es deinem wahnsinnigen Weibe macht.

Böse­

wicht! stehest du sein Blut? es ist das deme mit dem dec elenden Adelhaide vermischt!« t Während dieser Zeit entfernte stch Cla-

riffe mit dem sterbenden Kinde, und Adel­

haide ward mit Gewalt in ihr Schlafzimmer gebracht.

Ihr sanfter Geist, der stch zuvor

nicht einmal Klagen erlaubt hatte, ergoß stch jetzt in Verwünschungen gegen den Mör­

der ihres Kindes.

Ach!

ob ste gleich dec

ii8

Wahnsinn ein gab, so wurden sie doch in der

Höhe gehört, rind der Zorn des Himmels hat nie aufgehört mein Haupt zu treffen.

Eine Zeit lang schien ich mich und die ganze 2Be(< vergessen zu haben.

Das Ge­

schehene schien mir zu schrecklich» um wahr

zu seyn;-, allein. Clarissenü Eintritt riß mich schnell aus meiner Täuschung, v-

» Unglück­

licher Hofmann ’ « sagte sie, »der Wundarzt

fürchtet, daß deines Sohnes Wunde tödlich

ist;

was es für Folgen haben wird, weiß

der'Himmel, Adelhaide wird 6$ nicht über­

leben. « -»Warum, grausame Ckariffe!« derte ich,

erwie­

»»zwangst du mich zu einem so

fürchterlichen Schritt? »Ach l cc erwiederte sie, >» dein Verbot, daß

niemand Adelhaiden sehen sollte, bewog mich

zu dieser Verkleidung.

Ich küßte dein Kind,

als -u herein stürztest; war es nicht Wahn­ sinn, was dich leitete?«

Mit unbeschreiblichen Qualen sank ich auf

das Ruhebett, das mit dem Blut meines

HZ

Sohnes befleckt war, und blieb einige Zeit lang selbst gegen das Elend, welches ich verur­ sacht hatte, fühllos.

Pls ich nach einem Zwischenraum von niehrern Stunden wieder zur Besinnung zu­

rück kam, sahe ich meinen Bruder Joseph, und zu meinem noch großem Erstaunen Fitz-

Walkern bei mir

stehen.

Beide, vetgosstn

Thränen; allein das Gestcht meines FreunLes drückte auf einmal Furcht, Entsetzen und Mitleiden auS. —

» Hofmann, * sagte er,

»ich erreichte

in

erst

piefer unglücklichen

Nacht Bremen-; daö Schiff, welches mich ge­ bracht hat, liegt noch an der Küste — du

mußt mich nach England begleiten. *

» Was macht Adelhalde und mein Kind? « stet ich ein. -Sie find beide noch am Leben,« ant­ wortete er;

allein bis man den Ausgang

weiß, muß ich dich bitten, meine Wünsche

zu erfüllen. c
» Wie werden

diese sonderbaren Begebenheiten endigen?«

sagte er.

»»Wenn ich in Wahrheit den so

tief beleidigten Graf Hofmann vor mir sehe,

so habe ich nichts zu meiner Vertheidigung

zu sagen — ich überlasse mich ganz seiner Gnade.«

»»Verwirrt durch die wundervollen Be­ gebenheiten, welche Ferdinand erzählte, und denen ihr, theurer Vater, sichtlich Glauben

beilegt,« sagte Leopold, » kann ich meinen Sinnen nicht trauen, und das Ganze scheint

mir ein Traum zu seyn. —

Oer edle Graf

Hofmann, oder vielmehr der geliebte Augu­

stin mein Väter?

Der Bauer Leopold Eohn

der cngelgleichen Adelhaide? Unmöglich! das

Glück ist zu groß,

um wahr zu seyn. —

Ach! wenn eS keine Täuschung ist — seg­ net— segnet euren knienden Sohn, mein Vater! — segnet auch den edlen Ferdinand, den wir diese Nachricht zu danken haben.«

Mit diesen Worten nahm Leopold Fer­ dinands Hand,

und beide knieten zu des

Paters Füßen.

Er segnete und umarmte

ste wiederholt. —

» Gott, ,Jch verlange keinen Priester,«

derte Oeuhopt,

muß,

»wenn

ich

in

erwie­

die Hölle

so kann er mich nicht.retten. —Ich

habe nichts Zu bekennen, und begehre keine Vergebung.«

» Verlaßt uns,« sagte der Pater leise zu

Oer alte Mann gehorchte,

G.eoffrey..

und

als der Gras Oeuhopt näher betrachtete, er­ staunte er über die Veränderung seiner Zü­ ge^ welche die Gewohnheit des Lasters so

grausam hatte. lich,

und

hart wie sein Herz gemacht

Oer Pater sprach tiefer als gewöhn­

um seine Stimme unkenntlich zu ma­

chen. — "Ich habe gehört,« sagte er, »daß

deine Verbrechen von der schwärzesten Gat­

tung stnd, und beschwöre dich bei dem Heile deiner Seele, ste zu bekennen.«

"Ich dank' euch,« »aber

ich

erwiederte Oeuhopt,

bin kein Mönch beseßner Thor.

Ich habe nichts gethan,

als was ich recht­

fertigen kann, und fürchte keinen Menschen.«

» Du bist ein unverschämter Bösewicht, «

versetzte der Pater,

»solltest du nicht den

Anblick derer fürchten, die du beleidigt hast? Oie Äbtissin Adelhaide zum. Verspiel,

oder

Johann von Hofmann?«

» 213er sagt dir, Pater, daff ich diese be­ leidigt habe?

Geh fort, ich bin so nicht zu

fangen. — Oie Gräfin Adelhaide war im­

mer zu heilig für. diese Welt,

und ist nun

an dem Ort, der für sie paßt. — Und was den Grasen betrifft,

und Böses.

Sein

der hatte sein

Fleisch

langer Zeit in England

Gutes

hat -schon seit

die Würmer 'fett

gemacht, und seine Gebeine faulen in jenem

Boden.« Wie er zu sprechen aufhörte, Graf feine Kappe zurück, Augen

fest auf Oeuhoptö

Entsetzen ergriffen,

warf dec

und heftete seine Gesicht.

fuhr dieser auf,

Dom seine

Blicke schienen auf dem Pater eingewurzelt

zu seyn,

feine kupferfarbene Haut verwan­

delte sich in ein mattes Gelb, und er zitter­

te am ganzen Körper. «Wie,

hat dich dein Prahlen auf ein­

mal verlassen? « sagte der (3ras. —

Nein,

270 Bösewicht! zittere nicht so, ich bin sterblich,

wie du. —: Gott hlat mich erhalten, um dich dem Schicksal zu übergeben, rechter Weise verdienst.

vollkommnes

kann

und

das du so ge­

7— Nichts, als ein

aufrichtiges

deine

einigermaßen

Bekenntniß vermin­

Schuld

dern,- daher, wenn du Mitleiden erwartest,

so thu' es unverzüglich.«

»Herr Graf —

Herr Graf « -—

sagte

Oeuhopt nach einer langen Pause. — »Ich weiß ihren Willen nicht. « *

»Mein Wille ist, jedes Geheimniß aus deinem falschen Herzen zu reißen. Willst du alles entdecken,

oder soll eü dir erst durch

Qualen entrissen werden?«

»Herr Graf, ihr Bruder« — ».Oec Himmel

verzeih ihm!



Fahr

fort — allein zuerst sage, wo ist Leopold?« »Ihr Sohn. — Verflucht sey der Lag,

an dem ich mich seinetwegen ine Verderben stürzte.«

»Verflucht ist er, heit

fürcht' ich in Wahr­

für die Schuldigen.

Alles,

was dir

übrig bleibt, ist ein vollständiges Bekennt­ niß ; — vollende es, und ich gebe die Hoff­

nung. « Auf diese Art verwickelt, und ohneHoffnung, entfliehen zu können, sank Oeuhopt, wie Bösewichter bei der Entdeckung gewöhn­

lich thun,

in die ängste Feigheit;

sich auf die Kniee»

er warf

und bekannte Alles,

selbst Ferdinands Verwundung. So sehr der Graf, durch die Handlung

seines Bruders empört war, so sah er doch Ferdinands Betragen aus dem rechten (Ze-

stchrspunkt an,

und als er alle mögliche

Nachricht erhalten hatte,

entfernte er stch,

und ließ Oeuhopt unter Geoffreys Aufsicht. Ferdinand,

der nicht zweifelte, daß bei

des Grafen Zurückkunft alles entdeckt seyn

würde,

saß m schweigender Erwartung. —

Sein Oheim war indeß zu edel, um etwas von den schwarzen Zügen, die ec von seines

Bruders Characcer entdeckt hatte, zu erwäh­

nen,

sagte:

nahm ein gefaßtes Wesen an,



und

»Noch um eine Befriedigung

2/2

muß ich bitten, theurer OTeffe,

und dann

werden alle meine Zweifel verschwinden. — Glaubst du nicht, daß wir den Sarg unter­

suchen könnten, der meines Sohnes Leiche

enthalten sollte?« „ Ilichts ist leichter,« antwortete Ferdi­ nand.

„ Er ist in einem Gewölbe unter der

Schloß-Capelle beigesetzt worden;

ich will

sie dahin begleiten. -

„Es sind keine andern Zeugen nöthig, als du und Wilhelm,« erwiederte der Graf.

„Ich bitte dich, uns den Weg zu zeigen.« Mit diesen Worten begaben sie sich ins­

geheim mit einer Laterne nach der Capelle;

hier nahm Ferdinand aus einem Betstuhl die Schlüssel,

hinab,

und sie gingen die Stusfen

die in das Gewölbe führten.

Der

Pater, und noch mehr sein Sohn, zitterten,

als sie

in die Stille und letzte Wohnung

ihrer Vorfahren traten;

denn sie betrachte­

ten diese Untersuchung als die Bestätigung

oder Vernichtung ihrer Hoffnungen. »Ich

habe

unglücklicher Weise

etwas veu

s;3 vergessen, um den Sarg aufbrechen zu kön­

nen, « sagte Ferdinand. » Halt ein! — wir sind vielleicht auf dem

Weg, einen Äirchenraub zu begehen,« sagte Wilhelm.

»Sollte

der

rechtmäßige Erbe

wirklich hier seyn — « » Ich bin überzeugt, daß er es nicht ist,« antwortete Ferdinand.

Zurückkunft»

»Wartet auf meine

ich werde mich nicht aufhal­

ten. « Mit diesen Worten,

ohne ihre Antwort

zu erwarten, verließ er sie, und kehrte bald mit Werkzeugen zurück; worauf er, ob wohl seine Hand zitterte, mit erzwungenem Muth

bleierne Decke

die

des

Sarges

aufbrach.

Oer Pater und fein Sohn wichen zurück; allein Ferdinand erhob die Leuchte und rief laut:

»Kommt näher! und wenn ihr noch

Mehr Gewißheit braucht, so schaut her; hier

ist weder ein Kind,

noch sonst etwas,

als

Holz und Leinewand. , der Frei­

tag war in der That der unglückliche Tag. Siehst du, Wilhelm, wie deine Mutter, ei­

ner Heiligen gleiche

für den Zerstörer ihrer

Ruhe gebetet hat? «

Oer Pater schien

verlieren.

sich in Gedanken zu

»Können wir nicht die Erlaub­

niß erhalten, der Rieste beizuwohnen? - sagte

er endlich. » Das können wir außer Zweifel, theurer Oheim, allein es würde mehr seyn, als ihre

Standhaftigkeit ertragen könnte. oft gegenwärtig

gewesen,

Ich bin

obgleich Fremde

sonst nicht zugelassen werden. « » Fürchte nichts für mich — wir wollen

uns in eine Ecke der Kapelle zurück ziehn,

wo man uns nicht bemerken kann. « Ferdinand sah, daß Einwendungen um­ sonst seyn würden, er ging daher voraus, und

S 2

276

bat die Pförtnerin, ihnen den Zutritt in die

Kapelle zu verstatten-

» Ein frommer Prie­

ster. « setzte er hinzu, »wird gewiß willkom­ men

seyn,

und

dieser

ist mein

Jüngling

nächster Verwandter. «

Oie Pförtnerin öffnete sogleich die Thür; sie gingen hinein, und nahmen ihren Platz an dem verborgensten Ort,

den sie staden

konnten. — Oer Pater

daß ihn

zitterte so heftig,

selbst Ferdinand und sein Cohn kaum un­ terstützen konnten.

Oie Kerzen waren an­

gezündet; der Altar schwarz behangen, und

die feierliche Musik ertönte schon,

obgleich

die Itonnen noch nicht in der K apelle waren.

»Wir sind zu früh gekommen,«

sagte

Ferdinand, »die Messe fängt erst um neun

Uhr an.« » So hat sie auch selbst die Stunde je­ ner verfluchten That gewählt,«

erwiederte

der Pater. Bald darauf fingen die Iconnen an her­ ein zu kommen, und ihre Plätze an jeder

27 7

Seite des Altars einzunehmen; ihre Schleier waren zurück geschlagen, und ihre Hände zum

Gebet erhoben.

Zuletzt kamen

Adelhaide

und Clarisse mit niedergelassenen Schleiern,

und als sie sich der Mitte des Altars genä­ hert hatten,

knieten sie mit über die Brust

gefalteten Händen

und gebeugtem Haupte

auf den marmornen Fußboden nieder. AdelhaidenS heftige Bewegung blieb den Ver­

borgenen. nicht unbemerkt;

denn ob sie die­

selbe gleich nicht sehen konnte,

doch ihre Thränen hin.

so drangen

und Seufzer zu ihnen

Oer Pater schien ihren Kummer noch

mehr als sie selbst zu empfinden, er seufzte schmerzlich und schlug an seine Brust, als

er das Weib seiner Jugend, die er, trotz al­ len seinen Fehlern, zärtlich geliebt hatte, so

sich selbst veruriheilen sah, für seine Ver­ irrungen zu büßen.

Ob Ferdinand gleich schon mehreremale gegenwärtig gewesen war, so fühlte er doch

jetzt vieles anders, als vormals.

Er betrach­

tete nun das Ganze als das Verbrechen sei-

27S nes Vaters, und schauderte, die Wirkungen davon zu sehen. —

Wilhelms Gefühle na«

Herten sich den Gefühlen seiner Mutter. Er

hatte von den Folgen gelitten, ohne Antheil an dem Verbrechen gehabt zu haben, und

er bedurfte nur ihre Thränen zu trocknen, um alle seine eigenen Leiden zu vergessen.

Oie Handlung

war lang und feierlich.

Margarethe und Isabelle hatten ihr oft bei­

gewohnt, Klaubten aber, daß die Messe nur für einen verstorbenen Verwandten dec Äb­ tissin gehalten werde, und Margarethe, die nun die wahre Ursache wußte, war so tief

dabei gerührt, daß eS der Äbtissin nicht un­ bemerkt blieb.

Als die Messe geendet war, und alle sich entfernt halten, kam Ferdinand mit seinem Oheim und Vetter hervor.

Oer Pater warf

sich auf den Stein, wo Adelhaide gekniet

hatte, zu Boden, und blieb in eifrigem Ge­ bet,

bis die Glocke das Zeichen gab, daß

alle sich aus der Kapelle entfernen mußten.

»Ferdinand,«

sagte der Pater, »nicht

279 für die ganze Welt wollte ich länger bis den nächsten Morgen meiner geliebten Adel­

haide ihren Sohn vorenthalteir; ergreife da­

her die nothwendigen Maaßregeln, ich be­

schwöre dich! rc Als sie die Kapelle verließen, bat Ferdi­ nand die Pförtnerin, so spät eS auch sey,

$rau Elsen zu sagen,

daß Ferdinand Hof-

nann über etwas von höchster Wichtigkeit nit ihr zu sprechen wünsche und sie nicht

hnge aufhalten wolle. Ferdinands Verwandtschaft mit der Ab-

tijsin erhielt, was sonst versagt worden wäre, un> Else ward so gleich gerufen. —

ligt Mutter! «

»Hei­

rief sie, als sie den Pater

und seinen Sohn in einiger Entfernung ste­ hen lah, » warum haben sie sich hergewagt?

Eine solche Überraschung würde für die Äb­

tissin von traurigen Folgen seyn.« >, Wir meinen nicht, sie zu beunruhigen,« sagte Ferdinand.

nächsten Morgen

- Bereiten sie sie nur auf vor.

Mein Oheim ist

vollkommen in Hinsicht aus seinen Sohn be­

friedigt.

Oeuhopt hat alles gestanden.«

aSo Oet Himmel stehe mir schwachem Werk­

zeug in dieser Sache bei, « sagte Else. » Ich will mein ÄesteS thun, das seyn ste versichert; aber für jetzt bitte ich,

daß ste stch ent­

fernen. «

»Wir wollen es — gute Nacht?« Hier­ auf kehrten sie nach dem Schloß zurück. Schlaf war in des Paters Zustand unmög­ lich, aber um seinen Sohn und Neffen nicht

zu beunruhigen äußerte er den Wunsch, al lein zu seyn, und brachte die Nacht in Be»

trachtungen und Gebet zu. Else war während der Zeit zu ihren

Freundinnen zurück gekehrt.

Margarethe

glaubte, daß der Bote aus dem Schloß ge­

kommen sey, und verlangte keine Erklärung;

aber Clarisse sagte:

» Jlteine gute (Slfe, ste

sehen bestürzt aus, es ist ihnen doch hvjsentlich nichts unangenehmes begegnet? «

»Nein —

der' Bote

war ihr gütiger

Neffe — der Pater und Leopold sind im

Schloß. • » Schon? Vater! « erwiederte Margarethe, » was meinen sie? • sagte die Äbtissin, »daß

» Er meins,«

wenn ihr Herz frei ist, er ihnen ein gesetz­ mäßiges Recht,

ihn Vater zu nennen, zu

geben wünschte; verstehen sie das? «

»Theure Frau Äbtissin!« versetzte Mar­ garethe erröthend.

» Geliebtes Kind,« fuhr die Äbtissin fort,

»ich beschwöre sie, Wohl über ihre Antwort nachzudenken.

Unter Englands Jünglingen

kann vielleicht Einer Eindruck auf ihr Herz

gemacht haben, reden sie ohne Rückhalt, ich will sie immer als meine Tochter ansehen und eben so Heben.«

»Ich sah nie einen jungen Mann, den

ich so sehr hätte achten können, als ihren Eohn,« erwiederte Margarethe. » Wohl benn,«

antwortete Adelhaide,

wir wollen hernach mehr darüber sprechen. WaS mich betrifft, so gestehe ich. daß wenn ich aus der ganzen Welt mir eine Tochter

hätte wählen sollen, meine Wahl immer auf dich gefallen wäre.«

3o4 Margarethe küßte ihre Hand und ent­ fernte sich, und dies that auch der Graf,

um seinem Sohn Icachricht zu geben.

Als

Wilhelm von seinem Glück unterrichtet war, flog er nach dem Khoster, und ob ihn gleich Margarethe im Anfang zurückhaltender als

gewöhnlich empfing, so überließ sie sich doch bald dem seligsten Gefühl, welches die Liebe eines würdigen und geliebten Gegenstandes

einflößt.

Icach einigen Monaten erhielt die

Äbrisstn einen Brief von dem Pabst.

Er

toünfrfite ihr auf das wärmste zu der vorgcsallenen Veränderung Glück,

sich,

und erbot

weil ihr und ihres Gemahls Gelübde

durch eine grausame und schändliche Täu­

schung^ bewirkt worden sey, dieselben auszu­ heben.

Oer Botschafter ward mit den höchsten Ehrenbezeigungen

empfangen;

aber

die

Frömmigkeit hatte zu tiefe Wurzel in den

Herzen der beiden Gatten gefaßt, als daß

sie je wieder in die Wett hätten zurück keh­ ren sollen;

sie lehnten daher die Güte des Pabstes

3o5 PabsteS mit Ehrerbietung ab, und faßten

nach reiflicher Überlegung, und nachdem sie Wilhelm und Ferdinand zu Rarh gezogen hatten, den Entschluß, das Kloster St. Ma­ ria von Grund aus neu aufzuführen, und

zum Andenken von Pater Johann's Traum auch ein neues Kloster für zwanzig Fran-

zisraner, eine Diertelmeile davon,

zu er­

richten.

Dies ward

des päbst-

in Gegenwart

lichen Botschafters beschlossen,

vor welchem

auch der Graf seinem Sohn nochmals die

Hälfte seines Vermögens bestätigte, und sei­

nem Neffen das übrige zustcherte. Auch ließ man durch ihn den Pabst um seine Einwilligung und seinen Segen zu der

Verbindung des jungen Graf Hofmann mit Margarethen bitten.

Als

der Botschafter nach Rom zurück

kam, war der Pabst mit dem Betragen des

Grafen und seiner Nichte so wohl zufrieden,

daß

er sogleich mit eigner Hand

schrieb.

III.

Er dankte dem Himmel, U

an

sie

daß er

öu6 ihm so musterhafte verwandte gegeben habe,

und als Beitrag.,;u ihrem frommen ZweZ sendete er ihnen eine beträchtliche Summe, um sie zu dessen Ausführung anzuwenden. Dem jungen Paare gab er feinen Segen,

auch übersandte er ihnen verschiedene kost­ bare Edelsteine als Zeichen seiner Freundschäft.

Oer Graf hielt sich nun durch jedes Band der Dankbarkeit und Pflicht verbunden, nach England zu g^hsn, und die Erlaubniß des

Königs zu dei; Verbindung feines Sohnes

zu erbitten.

Indeß hat ihn Ferdinand, an

feiner Stelle diese Reise machen zu dürfen;

sein Anerbieten ward endlich angenommen, und er reifete bald, darauf mit Briefen an den König, Lord und: Lady Nevil, Isabellen

und noch einen besondern von Margarethen an Lady Launcy, nach England ab.

Vavid ward nicht vergessen.

Auch

Er erhielt

nicht allein Briefe, sondern auch Geld, so­

wohl für stinen eignen Gebrauch, als auch um es unter feine armen Nachbarn ouszu«

3c>7 c heilen, mit dem zugefügten Versprechen, ihn

bald zu sehen.

Siebenzehntes Kapitel. Ferdinand machte bei seiner Ankunft in Eng­ land zuerst dem Könige seine Aufwartung, dec ihn mit ausgezeichneter Gnade aufnahm, und als er des Paters Brief gelesen hatte

ausrief:

»Bei meiner Treue, das habe ich

erwartet!

2Benn meine Einwilligung nö­

thig ist, so gebe ich sie von ganzem Herzen, und ich hoffe, daß Margarethe Fitzwaltec nicht vergessen wird, daß sie von väterlicher Seite eine geborne Engländerin ist.